Below is the raw OCR of Anthropophyteia Volume 4.
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'АШРЙПОФУТЕІА
Jahrbücher
für
Folkloristische Erhebungen und Forschungen
zur
Entwicklunggeschichte der geschlechtlichen Moral
unter redaktioneller Mitwirkung und Mitarbeiterschaft
von
Prof. Dr. Thomas Aohelle, Gymnasialdirektor in
Bremen, Dr. Iwan Bloch, Arzt
für Haut- und Sexualleiden in Berlin, Prof. Dr. Franz
Boas, an der Columbia-
Universität in New-York V. S. N., Dr. med. und phil.
беогд Bu so han, Heraus-
geber des Zentralblattes für Anthropologie in Stettin,
Geh. Medizinalrat Prof. Dr.
Albert Eulenburg in Berlin, Prof. Dr. Anton
Herrmann, Herausgeber der Ethnologi-
schen Mitteilungen aus Ungarn, in Budapest, Prof. Dr.
Juljan Jaworski] in Kiew,
Dr. Alexander Mltrovio, Rechtsanwalt in Knin, Dr.
Giuseppe Pltrè, Herausgeber des
Archivio per lo studio delle tradizioni popolari in
Palermo, Dr. med. leak Robinsobn
in Wien, Prof. Dr. Karl von den Steinen in
Berlin u. anderen Gelehrten
gegründet im Verein mit
Prof. Dr. med. Bernhard Hermann Obst,
weiland Direktor des Museums für Völkerkunde in
Leipzig
herausgegeben
von
Dr. Friedrich S. Krauss
in Wien VII/2f Neustiftgasse ta
IV. Band-

Leipzig
Deutsche Verlagsactiengesellschaft
1907
Bezugspreis (tir jeden Band 30 Mk.
V
GcRi
v.1
INDIANA UNIVZRSrrr LIBRARY
Privatdruck :
Nur für Gelehrte, nicht für den Buchhandel
bestimmt.
Zahl
-7/3
Inhalt
Seite
Die Anthropophyteia im Sprachgebrauch der Völker.
VI. Das Solinger erotische Idiotikon von Dr. Heinrich
Felder..... і
L Die Ausübung des Beischlafs (and Verwandtes) im
Sprachgebrauch . і
IL Von den minnnlichen Geschlechtteilen........... 4
Ш. Von den weiblichen Geschlechtteilen............ 5
IV. Vom Hintern etc...........,....... 5
VII. Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen von Dr. Hein-
rich Felder...................... 8
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
Von Dr.
Aigremont.......................16
Alphabetische Übersicht...................33
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
I. Zeitehen in Norddalmatien von Dr. Alexander
Mitrovic......37
П. Die Zuchtwahlehe in Bosnien. Mitteilungen von f.
S. Kr au s s . . . . 46
Erotische Tätowierungen. Beobachtungen von
Hugo Ernest Luedecke-
Zwickau........................75
Das Geschlechtleben der Samoaner. Von w.
von Bülow . . . 84
1. Einleitung.......................84
2. Die Geburt des Samoaners.................88
Deutsche Bauernerzählungen. Gesammelt im Ober-
und Unterelsaß von
f. Wernert.......................100
Erzählungen aus dem Großherzogt um Baden. Von
f. w er ner t 141
Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlecht-
leben beziehen. Von Dr. Heinrich Felder.........146
Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein. Von
Dr. Jup Malz-
bänden .........................155
Erzählungen deutscher Matrosen. Gesammelt auf
einer Seefahrt von
Georges Apitzsch in Rom.................158
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. Eine
Umfrage von Dr. Friedrich S. Krauss. Erhebungen von
Krauss und Mi-
trovic..........................160
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.
Ein Reise-
bericht für die Anthropophyteia. Von Dr. Alexander
Mitrovic . . . , 227
Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und
Lüst-
lingen. Mitteilungen von KarlAmrain............237
jy Inhalt
Seite
Der Geruchsinn in der Vita SeXUaliS. Eine
Umfrage von Dr. Iwan
Bloch (Berlin). Erhebungen von Krauss, Mitrovic und
Wernert . . • 245
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
Von Georg
Queri in München..................... 260
Ein japanisches FrUhlingbild. Von Berthold
Laufer, New York . . 279
Über den „oXlößoc" der Hellenen.
Studie von Dr. O. Knapp ... 285
KOitUS Und Sexualinstinkt. Eine Umfrage von
Dr. Alfred Kind in Berlin 290
Die Stärkung männlicher Kraft. Eine Umfrage
von Karl Amrain . 291
Erotik in der Numismatik ................ 294
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten
der Serben gesammelt von Vuk Stefanovic
Karadzic...... 295
Grundlagen der SkatOlOgie. Von Hugo E.
Luedecke (Zwickau i. Sa.). 316
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf
den Ge-
schlechtverkehr beziehen. Gesammelt, verdeutscht und
erläutert von
Dr. Friedrich S. Krauss. (III.
Fortsetzung)........... 329 ,
Vom Dreck......................., 329
Alltägliche Hausmittel.................... 406
Vom Buchertisch..................... 4i2
Rezensionen ......4................ 450
Die Anthropophyteia im Sprachgebrauch der Völker.
II
VI. Das Solinger erotische Idiotikon.
Von Dr. Heinrich Felder.
Den größten Teil dieser Materialien entnahm der
Verfasser einer
handschriftlichen Sammlung, welche ihm zur Verfügung
stand. Da
der betreffende Sammler schon vor einem Menschenalter
verstarb,
so ist hier manche Bezeichnung aufgenommen, welche kaum
noch im
Volke bekannt sein dürfte, oder nur ganz vereinzelt
angetroffen wird.
Es ist bezeichnend für den Teil des bergischen
Volkes, auf den
durch diese Zusammenstellung ein bedeutsames Licht fallt
t daß für
ihn „lieben" und „leben" identisch sind; die Solinger
Mundart,
bezeichnet beides mit demselben Wort, trifft aber doch
einen feinen
Unterschied, der sich allerdings nur für den Kundigen
ergibt, indem
„leven" so viel als „lieben" bedeutet, „leven" aber
„leben" bezeich-
net. Diese feine Unterscheidung macht übrigens das ganze
bergische
Volk, wie auch unsere Zusammenstellung für einen großen
Teil des
Bergischen maßgebend ist. Die Zahl der sexuellen
Bezeichnungen
setzt vielleicht manchen in Erstaunen. Aber von dieser
Tatsache
auf ein besonders stark entwickeltes Geschlechtbedürfnis
zu schließen,
würden wir nach unserer Kenntnis der Sachlage für sehr
voreilig
halten. Vergleicht man allerdings z. B. die Benennungen,
welche in dem
(von Dr. Friedr. S. Krauss verfaßt) Werk „Die Zeugung in
Sitte, Glaube
und Brauch der Südslaven" I, 195 ff. (Paris 1899)
für diese Völker-
Schäften beigebracht werden, so sollte man
zu dem Schluß gelangen,
das bergische Volk habe ein stärkeres sexuelles
Bedürfnis, als etwa
die Südslaven. Und doch liegt wohl die Sache gerade
entgegen-
gesetzt. Aber der Verfasser jenes Werkes gibt selbst in
der Ein-
leitung zu, gelegentlich einer Forschungreise, welche im
gründe
ganz anderen Zwecken diente, auch dieses Material
gesammelt zu
Krauss, Anthropophyteia IV. I
2
Das Solinger erotische Idiotikon
haben. Für unsern Solinger Kreis liegt aber die
eifrige Sammel-
arbeit eines ganzen langen Lebens unter genauester
Kenntnis aller
Verhältnisse und unausgesetztes Verweilen am Ort
zugrunde.
Der Verfasser unseres Wörterbuchs macht eine
Auslassung,
welche einiges Beherzigengswertes enthält, welche wir
aber trotzdem
doch nicht ganz zu unserer eigenen Überzeugung machen
können.
Wir möchten sie trotzdem nicht unterdrücken. Sie hat
folgenden
Wortlaut: ,,Da der Geschlechttrieb noch mçhr Wollust
erregt, als
die Nährungsangelegenheit, so hat die Sprache hierbei
sich auch
noch erfinderischer bezeigt, und uns mit einer Reihe
dahin bezüg-
licher Ausdrücke bereichert. Auch hierbei haben viele
den Sinn
verändert und zwar merkwürdigerweise auch so, daß sie
jetzt eine
Übervorteilung Anderer bezeichnen. Es ist dieses ein
Beweis, daß
das frühere Frauenzimmer den Lüsten und der Gewalt der
Männer
unterlegen ist, und daß edle Liebe und gegenseitige
Zuneigung in
gewissen Zeiten der menschlichen Entwicklung noch
unbekannte
Gefühle gewesen sein müssen".
Das auf dem Gebiete der bergischen Ortnamen
umfassendste
und neueste Werk (J. Leithaeuser, Bergische Ortsnamen)
habe ich
einer Durchsicht nach Ortnamen unterzogen, welche nach
Geschlechts-
teilen benannt sein möchten und keine gefunden. Bei
einigen Namen
läßt sich eine derartige Bildung vermuten, aber
ungezwungener er-
gibt sich doch die Erklärung aus der natürlichen
Beschaffenheit der
Örtlichkeit etc. Dagegen hat der Volkswitz hin und
wieder einzelnen
Hurenhäusern etc. solche Namen beigelegt, welche aber
nicht offiziell
geworden sind.
1. Die Ausübung des Beischlafs (und Verwandtes) im
Sprachgebrauch.
afluxen oder abfuchsen — ablisten
und zwar die Gunst eines Frauen-
zimmers; Luxus = Wollust.
afrakkern =- abfuchsen, abarbeiten,
namentlich von der Geschlechtsarbeit.
a'mak en = Beginn der Schwanger-
schaft.
anführen = betrügen, d. h. ein Frauen-
zimmer an einen entlegenen Ort führen,
um dasselbe zu verführen ; das Wort
wird noch vereinzelt in diesem Sinne
gebraucht.
anschmieren = betrügen, geschlecht-
lich besudeln.
antasten = anfassen zum Zweck der
Begattung.
beikomen = erweichen, der Schädi-
gung halber, um sein wollüstiges Ziel
zu erreichen.
begatten = beschlafen. Gatt = Loch,
Tor; m. vergl. Gate (z. B. in Elber-
feld) = Straße.
b e g u і 1 e n = betrügen, wörtlich begeilen.
besöken = besuchen ; scheint ursprüngl.
geschlechtl. Vereinigung zu bezeich-
nen.
beschlagen sein — im guten Stande
sein, namentlich sexuell.
Das Solinger erotische Idiotikon.
з
bestaden = heiraten; das Wort hat
eigentlich den Sinn von bestatten, d.
i. in eine Stelle bringen, verheiraten;
m. vergl. collocare filiam.
betuppen = betrügen, anführen, na-
mentlich geschlechtlich angewandt.
beschubben = betrügen; eigentlich
bezeichnet man damit die Bewegung
beim Beiwohnen.
beschummeln =» betrügen, besudeln;
wie vorher; scum = Schaum.
beschwéndeln = betrügen, betäuben,
wehrlos machen, um den Geschlechts-
akt ausführen zu können.
bruk en = brauchen, und zwar ein
Frauenzimmer, um seine Wollust zu
befriedigen.
darhaulen =» sich schädigen lassen;
Willigkeit des Frauenzimmers zur Aus-
übung des Beischlafs.
darhaulen motten — ein Frauenzim-
mer zum Beischlaf zwingen.
dartasten = hinhalten zum geschlecht-
lichen Akt
derbei und drankrigen — betrügen,
die Scham betasten.
dorchdréven — nicht mehr eine Jung-
frau sein; die Unschuld verloren
haben.
e'b rek en = das Jungfernhäutchen
durchstoßen.
et einem dndonn = zwingen; einem
Frauenzimmer Gewalt antun.
et donn, ens donn = beiwohnen.
et op einem stonn hann — jemand
gern haben; diese Redensart ist aus
der andern entstanden: En (Penis)
op oemmes stonn hann.
et god tésamen können = eng be-
freundet sein,eigentlich in dem Sinne:
gut coitum zusammen üben.
ens fohlen = die Scham betasten.
Faks en Spaße, besonders auf ge-
schlechtliche Dinge bezogen.
die Flehm krigen die Weichen
des Frauenzimmers fassen beim coi-
tus.
fürstellen =» hinhalten.
fuscheln, fummeln, fimmeln, fik-
ken, fuksen, faseln, fabeln, fuk-
kein, fippen, fuppen, foppen,
fögeln (vögeln), fohlen, fu-
scheln = geschlechtliche Tätigkeit
ausüben. Merkwürdigerweise begin-
nen diese Worte ausnahmslos mit
dem Blaselaut.
G e maul s ch = heimliche, aber hörbare
Bewegungen, namentlich bei der Aus-
übung des Beischlafs.
Gewault andonn =» wider Willen ge-
schlechdich brauchen.
hekken = zeugen, von der hüpfenden
Bewegung beim Geschlechtsakt, da
unser Wort auch soviel bedeutet, als
auf einem Bein hüpfen.
hieroden = heiraten; das Wort dürfte
vom engl, hire = leihen kommen; es
läge dann also bei dem ursprünglichen
Worte keine Ehe im Sinne des Wortes
vor, wie es heute gebräuchlich ist.
Honksfott = Hinterteil vom Hund
oder der Hündin; der Hund ist ein
Muster der Geilheit.
jupplaupen= den Unterröcken nach-
laufen.
kall en = sprechen; met* nem Weite
kallen = an einem Mädchen kares-
sieren.
Kremmel am Arsch = Geilheit der
Frauenzimmer.
Kröm = Wochenbett; en den Kröm
komen = in die Wochen kommen;
Krömfrau; kromen=niederkommen;
Krömsuppe = Suppe für Wöchne-
rinnen.
Kuschelmusch = heimliche Beweg-
lichkeit.
Kuhrmaken = Ferien. Es ist dabei
auf die Lendenschürze (court — kurz,
Schurz) abgesehen. Verwandt damit
ist „den Hof machen"; diese Bezeich-
nung ist aber edler, da es hierbei auf
„den Hof" (= Haube) abzielt, es
sich also in erster Linie ums Küssen
dreht.
Lôk == Loch, cunnus; auch dasFrauen-
I*
4
Das Solinger erotische Idiotikon,
zimmer als solches damit bezeichnet
(voll Löker).
löppsch, löupsch = läufisch; nament-
lich von Hunden gebraucht, aber
auch von Menschen.
mannbar = einen Mann tragen können.
Mazzfott « langer Mensch; wahr-
scheinlich liegt Mezzenfottse (Metzen-
votze) zugrunde. Verwandt damit sind
Stenkfottse, Sékkfotse, lauter Schimpf-
namen für Frauenzimmer.
Mensch —■ Hure.
muscheln = heimliches Getaste.
Muhren geten hann = schwanger
sein.
nähen = beiwohnen; das männliche
Glied ist als Nadel gedacht.
necken = nackt klopfen etc.
poppen = beiwohnen; einen poppen
loten = ihm sich überlassen (ur-
sprünglich: weil seine Begierden nicht
zu zähmen)
prellen, eigentlichpréhlen = betrügen;
den Prehl oder Stift in die Scham
stecken.
püschken zärtlich; puce, pucelle.
rammeln = rammeln; auch raumein.
reizen, urspr. reiten ■= richten, auf-
richten, Errektion erregen.
Ré ekel = Hund; aber auch zur Be-
zeichnung eines Wollüstlings ange-
wandt; davon rekken = in Errektion
geraten.
Rezz = Ritze; weibliche Scham.
rid en = reiten, begatten.
rollen — täuschen; Betäubungsmittel
anwenden, um zum Zweckzukommen.
Schacher = Schänder.
Schlappschwanz, Schlappsack,
Schlotterbüdel = Impotenter
Mann.
Schietz = weibl. Scham.
Stékfaste, Puschenstèken = ge-
schlechtliche Vereinigung (auch ein
Kinderspiel).
s tonn = in Errektion sein; em Stang =
im Stande sein, errektionsfähig.
ungerlégen = unterliegen, vom Mann
hingeworfen und besiegt werden ; da-
gegen Überlegenheit = Männlichkeit.
vögeln == beiwohnen; vom Paaren der
Vögel; Vogel = männliches Glied.
IL Von den männli
Bü del = Hodensack.
Buhr, kaule = männlicher Same.
Dözze = Hoden.
Fill, Feile, Fissel = männliche Ge-
schlechtteile.
Gemaite, Gemachte = männliche
Geschlechtteile.
Klüaten = Hoden, klot = runder
Körper. In der Soester «= Fehde hieß
clot, clote eine Geschützkugel.
Muhr = männliches Glied.
nat — naß, namentlich vom männlichen
Samen angewandt.
Natur = männlicher Same.
Pénn = männliches Glied; das Wort
bedeutet eigentlich Penne = Kegel.
Piddei — männliches Glied.
Pimmel = männliches Glied, nament-
lich bei Kindern.
m Geschlechtteilen.
Pis, Pismann = männliches Glied.
Pitthahn, Pitter = männliches Glied.
Poker = Stecher (Penis).
Préhl = Stifl, männliches Glied; préh-
len = sich auf dem Handschlitten
mit zwei bepréhlten Stecken vorwärts
bewegen; prellen = betrügen, ur-
sprünglich sexual mit dem stets wie-
derkehrenden Begriffe der Gewalt.
R ä m m e 1 = männliches Kaninchen, aber
auch ein wollüstiger Kerl, Da „Räm-
mel" auch ein Holzstück bedeutet,
so ist diese Bezeichnung ursprünglich
ausschließlich für das männliche Glied
üblich gewesen, später aber in obigem
Sinne übertragen worden.
Rakel = männlicher Hund, unzüchtige
Mannsperson ; sonst gilt dasselbe wie
bei Rämmel.
Das Solinger erotische Idiotikon.
5
Schnibbel = männliches Glied.
Schwanz = männliches Glied.
Stangenfieber = Erektion.
Stenkbüdel = stinkende Hoden.
Uetterbock = nicht Mann, nicht Weib.
Ut der Hut fahren = aus der Haut
fahren, eigentlich: aus der Vorhaut
fahren.
Vogel = männliches Glied.
III. Von den weib!
Blühendes Mädchen = Mädchen zur
Zeit der Menstruation; Blüte = Blut.
Büß = weibliche Scham.
Dçngen = Ding, weibliche Scham.
Fig = i. Ausruf des Abscheus, 2. Feige,
Bezeichnung für die weibliche Scham.
Fikke = desgl.
Fikklok = weibl. Geschlechtsteile.
Flitsche = weibl. Scham.
F Ott se (Votze) = weibl. Scham; eigent-
lich bezeichnet es ein schlechtes Mäd-
chen, so daß von dem übertragenen
Sinne gilt pars pro tote.
Frauken — weibliche Scham.
Fukke = weibliche Scham; ursprüng-
lich diente das Wort zur Bezeichnung
eines rundlichen, zur Aufnahme be-
stimmten Gegenstandes.
Grite = weibliche Scham; ein Pitter
én dé Grite.
Jong Püschen = Junges Mädchen.
Klonte = schmutziges Frauenzimmer,
Hure, weibliche Scham.
knäupen = knöpfen; die Scham ist
als Knopfloch gedacht.
Kunt — Hintere, weibl. Scham; von
cunnus.
Kutte weibl. Scham; cut. = Schlitz,
Spliß.
lädiert = beschädigt, Jungfernschaft
genommen.
Lok = weibliche Scham.
Mis = weibliche Scham, namentlich
mit Rücksicht auf ihre Behaarung.
ien Geschlechtteilen.
Müsken = Mäuschen, cunnus.
Mösche = weibliche Scham.
Möhn = Tante, weibliche Scham.
Moderschruf = Mutterschraube. Loch-
schraube, weibliche Scham; zugleich
ist der Begriff „Vaderschruf " als Kor-
relat hinzuzudenken.
Minn = kleine, minderjährige weib-
liche Scham; nimmen = Kinder
machen.
Medde = Mitte; weibliche Scham.
P u s c h e — cunnus ; posch, poket, Tasche ;
bauche = Mund, push = stoßen.
Peach = Pfirsich, weibliche Scham;
impeach = anklagen wegen Notzucht.
Plédermus = weibliche Scham.
Prüm = Pflaumen; Bezeichnung für
die weibliche Scham wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer Pflaume; de
Prüm wisen = Zeichen mit den Fin-
gern machen.
Publik = öffentlich, Hure.
Schokkelpèdschen, Hottepèd-
schen = Frauenzimmer mit Rück-
sicht auf die Geschlechtsteile etc.
Spiet = Spliß, weibliche Scham.
S chut = Schoß, der süße Schoß, das
weibliche Zentrum.
Schämde = weibliche Scham; de
Schämde bedecken.
Tante = weibliche Scham; Tantepop-
per = Wollüstling.
Wiffken = weiblicher Schoß.
IV. Vom Hintern etc.
Es gibt eine große Anzahl Wörter auch im Solinger
Dialekt,
die kaum gebraucht würden, wenn sie ihren ursprünglichen
Sinn
bewahrt hätten, da sie alsdann für unanständig gelten
würden. Der
6 Das Solinger erotische Idiotikon.
Arsch = Hintere; arse, arch = Bogen,
Gewölbe. Der menschliche Hintere
gab einen naheliegenden Begriff von
einem gewölbten Gegenstand. Com-
posita: Arscheng (Arschende); Arsch-
lekker (== Schmeichler); Arschlok
(Schimpf, Verachtung etc) Dreh-
arsch und de Béss drehen = Be-
wegung desHintern wollüstigerFrauen»
zimmer.
arzen = Heilkunst üben; davon Arzt.
Vielleicht gaben Verstopfungen einen
der ersten Anlässe, in Leibesnöten zu
helfen. Verschiedene Sprichwörter
weisen auf die Wichtigkeit hin, welche
gerade das Volk dem regelmäßigen
Stuhlgang beilegt. Andrerseits dürfte
aber auch inbetracht zu ziehen sein,
daß die Geburten Anlaß zu dieser
Wortbildung gegeben haben dürften,
da die weiblichen Geschlechtsteile
zum Hinterteil gerechnet wurden und
die Begattung nach Tierart vollzogen
wurde.
Backhouse = Abtritt, von back = hin-
ten. Das Wort hat nichts mit „Bakkes"
(= Backhaus) zu tun.
bedrieten = betrügen; ursprünglich
hatte das Wort den Sinn: mit Dreck
bewerfen. Zugrunde liegt das alt-
nordische dirt, das englische dirt.
En Driet ist eine starke Negation,
bedeutet auch ein sehr Geringes, z. B,
en Driet Für. Drieterig = schmutzig.
Unser Wort tritt in vielen Varianten,
Redensarten, usw. auf.
Bokkbüdel = eine Flasche, welche wie
der Hodensack des Ziegenbocks ge-
formt ist; auch allgem. Bezeichnung
für Hoden.
Drist = dreist, den Hintern zeigen.
Driet en = siehe bedrieten.
Dresser = Hintere; Dréss — Wind.
Für Dresser tritt auch Deisser ein.
Diese Ausdrücke sind aus Drieter ent-
standen; für „t" ist „s" eingesetzt.
Fladen = Kuhkot, auch ein Backwerk,
wegen der Ähnlichkeit in der Form
mit ersterem. Flattern = Kuhdreck
fallen lassen.
F Ott = Hintere. Ob das Wort von foot
= Fuß herkommt, ist mehr als frag-
lich. Davon ist Fottse (Votze) ge-
bildet.
Furzen = Wind lassen. Furz = Klei-
nigkeit.
Gatt = Loch, Aftermündung; daher
Gate (Straßenname) und begatten.
Göntchen = Hintere, auch Kunt.
Hengen = hinten; davonHengerste,
Hengerquartier,Hengerkastiel.
Kakken = Notdurft verrichten, in der
Kindersprache. Kakke = Kinderkot.
Zugrunde liegt wohl das franz. caca;
man darf aber auch wegen der For-
menähnlichkeit an cake = Kuchen
denken. Vie Composita.
Kanzlei = Abtritt.
ursprüngliche Sinn dieser Wörter ist in Vergessenheit
geraten und
auch ihre Form hat vielfach wesentliche Abänderungen
erlitten.
Hier fassen wir nur solche Bezeichnungen dieser Art ins
Auge, welche
sich auf die natürlichen Entleerungen des Menschen
beziehen. Mustert
man diese Ausdrücke, so findet man unwillkürlich, dass
das Volk
mit einer gewissen Vorliebe diesen Teil seiner Sprache
ausgebildet
hat. „Dieser Kitzel rührt eines Teils von dem
körperlichen Wohl-
behagen her, das die Ausleerungen gewähren, zum anderen
aber
von der affenartigen, boshaften Freude, mit dem widrigen
Worte
andere ärgern und sich gegen Feinde damit wehren zu
können".
Das Solinger erotische Idiotikon«
7
Kepparsch = wund gerittener Hinterer.
Klavier = scherzhafte Bezeichnung für
Hintern.
Köttel = trockner Kot ete.
Kohns = Rest, Kleinigkeit; ursprüng-
lich ein Häufchen Menschenkot, der
den Begriff von „Kegel" (conus) gab.
Köhnsken = kleine Knopf form, welche
ursprünglich konisch war.
Lékk meg ém Arsch = verächtlicher
Trotz, der rohen Völkern und Unge-
büdeten geläufig ist
Puppen = zu Stuhl gehen, einen Wind
lassen (Kindersprache); Puppe =Kot;
Püppken = Windchen.
Qu ettarsch.Quetts te rt=scherzhafter
Schimpf; ursprünglich bezeichnen
diese Ausdrücke solche Menschen,
denen die Verrichtung der Notdurft
schwer wurde.
Speckbösse « Hintere als Knaller.
Scheißen = Notdurft verrichten. Im
Westfälischen heißt es schiten. Ver-
wandt ist unser Wort mit „schießen".
Davon Scheiße = Menschenkot und
manche Komposita.
Schwärt Arschlok = (schwarzen Hin-
tern) Merkmal des Adels.
Trotzen, urspr. drossen = im Sinne
von drieten; man bezeichnet damit
ein Farzen aus Verachtung.
Verdrot = Verdruß, Ärger, von ver-
drieten, drossen.
Ne Furz hat seven Eigenschaften == He
rükkt, he flügt, he stenkt, he klengt.
He sät dem Arsch goden Morgen,
Makt den Darm rein, on makt de
Dör to.
Neu Furz en die wied Welt es besser
äs em engen Buck.
Wer met der Mullen röumt (= Rahm
nimmt), kann m'era Arsch bottera.
Wer vam Dräuen stérvt, dem wörd
met Furzen gelüddt.
Ut e'nem knorrigen Ars eh kömmt auch
wall ens 'nen löstigen Furz.
Besser 'nen Klenker äs 'nen Sténker-
Ein lauter Wind stinkt nicht.
Dütsch = E Paar Burschlüddscher
(Bauersleute) krégen Franzusen en 4
Quartier. Äs de Frau nu hén on hèr
géng, enn get te èten to maken, do
lét se er Einen striken.
„Schammst Du déch nit für den Lü-
den?" said de Mann.
„O, de verstond jo gein Dütsch!"
said de Frau.
Wo der Kaiser te Fote he 'geit. Abtritt.
Junge. Herr Paschtur, hé bréng eg öch
è Körfken Mespeln; se sind su full
äs Gedréten.
Pastor: Pfui, mein Sohn, wie sprichst du
so garstig; sag Deiner Mutter, daß
sie einmal herkommt
Mutter- Herr Paschtur, dat modd Ihr
dem Jongen nit verövel nehmen ; dem
fallen de Word ut der Mullen, wie
der Koh de Gedréten ut dem Arsch.
Et Verstank do setten harm, wo der
Krebs de Eier hat.
Met der Spekkbösse scherten : furzen.
Et wor ens énen Mann, dè hat e Ka-
nalgen (= Kanarien) Vögeischen en
der Stofen heröm flégen. Äs se do
ens am Èten woren, dof log dat Vö-
gelschen em op den Teller on kakk-
den drop. Des lachden der Mann.
Over dat Lachen word de Frau bös
on said: ,Dat säul eg ens gedonn
hann*.
Sin Behof maken = zu Stuhl gehen.
De Boxe ens losmaken = dringendes Be-
dürfnis verrichten.
VE Bas erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen.
Von Dr. Heinrich Felder.
Vorbemerkung. Der große Umfang des erotischen
Lexikons
könnte den Trugschluß nahe legen, daß es mit der Moral
unserer
Bevölkerung schlecht bestellt sei. Dem muß mit voller
Entschieden-
heit begegnet werden. Selbst von den großen
Fabrikstädten gilt
dies. Die Statistik der unehelichen Geburten schon
beweist das zur
Genüge. Ferner das Fehlen erotischer Lieder, was gradezu
auffallt;
und manches Andere.
Diese Ausfuhrungen ergänzen die aus Solingen und
Umgegend
gebrachten Beiträge.
Den einzigen Anhalt bot Fr. Woeste, Wörterbuch der
West-
fälischen Mundart. Sonst ist der Stoff den Volksmunde
entnommen.
1. Aä, das; Unrat der Kinder.
2. Achttagsuhr, die; so wird dieFrau
(resp. ihre Geschlechtsteile) genannt.
Ich hörte die Bezeichnung von einem
Holzhauer. Sie ist sehr bezeichnend
für das Geschlechtsleben der unter-
sten Volksschichten.
3. afknutschen; abküssen.
4. Aierkasten, der; scherzhafte Be-
zeichnung für den Hintern.
5. Aiterkwartier.das; Hinterquartier,
Podex.
6. Allerwerteste, der; Podex.
7. anmaken, sie es am; Beginn der
Schwangerschaft.
8. anschmiaren; anführen, betrügen,
vielfach geschlechtlich angewandt.
9. Äsch = Arsch, Podex; ist im Nie-
derdeutschen weniger anstößig als
im Hochdeutschen. Zusammensetz-
ungen: Keppäsch; Lauäschken (Jo-
hanniswürmchen).
10. Âschbacken, die; Gesäß.
11. Äschficker, der; Päderast.
12. Äschlecker, der; verächtliche Be-
zeichnung für Schmeichler.
13. Âschlôk, das; Arschloch.
14. Äschkerf, das; Arschkerbe.
15. Äschkrueper, der; ganz verächt.
liehe Bezeichnung für Schmeichler.
16. Äschwisch, der; Arschwisch; na-
mentlich von Dokumenten, Rechnun-
gen gebraucht, die man sehr ver-
ächtlich machen will.
17. äfgon; abgehen, von der Stuhlaus-
leerung; davon das Subst. Äfgang.
18. âfgewen; außerehelich beschlafen
oder beschlafen lassen.
19. âfhaulen; ein Kind so halten, daß
es bequem seine Notdurft verrich-
ten kann.
20. âfhampeln; sich abarbeiten, beson-
ders von der Geschlechtsarbeit.
21. äframmeln; seine Kräfte bei der
Geschlechtsarbeit erschöpfen.
22. â f s p і e 1 e n ; énen âfspielen
jonanieren.
Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen.
23. âftréden; abtreden; dat Weit het
seek en Iser afgetréden; hat ihre
Unschuld verloren.
24. äfwichsen, onanieren.
25. haschten; bersten; se es te fruech
gebaschten; sie ist zu früh nach der
Hochzeit niedergekommen.
26. Bats en. der; Oberschenkel, Hinter-
backen.
27. b ed rît en ; bescheißen, anführen und
betrügen in geschlechtlicher Hinsicht.
28. Behuef. der; Bedürfnis, Notdurft;
seinen Behuf machen = cacare.
29. bekladdern; beschmutzen; das
Mädchen hat sich bekladdert; sie
hat sich mit einem abgegeben.
30. beklommen; ernst, schwer; et es
ne beklommene Tîd, de Eine klömmt
op den Angern (zur Ausübung des
Beischlafs).
31. bescheißen; bescheißen.
32. beschlagen sein; nur vom Manne
gebraucht; kräftig entwickelte Ge-
schlechtsteile haben.
33. beschlîkkern; sich mit Kot be-
spritzen.
34. bestâden; bestatten, verheiraten.
Westfäl. Sprichwort: Bai lowet sin
well, maut sterwen, bai dâdelt sin
well, maut sik bestâen (auch im
Bergischen bekannt).
35. Bettsêker; Bettseicher. He schämt
séck es en Bettsêker.
36. binen kommen; heiraten.
37. Bienge Hasen; Excremente; so
genannt, weil sie nicht weglaufen,
wenn man auf sie tritt.
38. blickvögeln; durch den Blick seine
Geilheit verraten.
39. Blômen in der Hege (Montanus,
Volksfeste 48); in Westfalen: Blau-
menherte, Blaumesherte; in Holland:
O blommer herten; Ausruf der Ver-
wunderung. O blommer herten ik
soa in dat kas al vry wat van St.
Thomas volkwesen! sagt loris ver-
wundert darüber, daß eine Frau
„door imaginatie" schwanger werden
könne (de bedroge girigheyd 1675;
Woeste, Westfäl. Wörterbueh 34).
40. В1 о t s c h e n, die ; Holzschuhe.
Sprich-
wort. Lot deck ni tt en dinnenBlotschen
pissen = leide nicht, daß man sich
in deine häuslichen Angelegenheiten
mischt. Woeste bemerkt: Eigendich
aber wohl: leide nicht, daß dein
Weib einem Andern zu Willen ist.
,T es en holsken (= Blotschen; An-
merkg. d. Verf.) = es ist eben nur
ein Weib/
41. Bock, alter; geiler Mann.
42. bönhasen; auf verbotenen Wegen
gehen; vor der Ehe mit der Braut
verbotenen Umgang pflegen.
43. Brötchen; soll Ähnlichkeit mit dem
cunnus haben.

Das Brötchen spielt auch eine Rolle
beim Abortieren (m. s. u.).
44. Bruder, kleiner; Penis.
45. Bruder, warmer; Päderast.
46. Buck, den, dick haben; schwan-
ger sein.
47. Bü del, der; Hodensack.
48. Bummskeller, der; früher Bezeich-
nung für ordinäre Kellerlokale (we-
nigstens in Elberfeld) mit Weiber-
bedienung.
43. Bûr, der; semen virile; kaule bûr;
maculae seminis virilis; en kaulen
bûr mâken; se polluere.
50. Busse, die; cunnus.
51. D a r m ; in den Darm gestêken ; einen
Leibeswind gehen lassen und zwar
mit vernehmlichem Geruch.
52. drop mâken oder drop setten;
obseön.
53. dick maken; schwängern; dick
kommt vom ags. thicce.
55. dille in dillenfuck; so bezeichnet
man in Altena in Westfalen einen
Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen.
Spottreim auf Personen beiderlei
Geschlechtes, die in anstößigem Um-
gang leben. Ich glaube, das Wort
auch im Bergischen gehört zu haben;
es mag aber übertragen sein.
55. Dingen, das; Geschlechtsteile, so
wohl vom Mann als Weib gebraucht.
56. Donnerpr Um. Diesen Namen führte
ein bildschönes Marktweib in Elber-
feld, welches sich seiner Verhältnisse
zu den ersten Herren der Stadt
rühmte.
57. Drei Spannen tief unter der Nase
sitzen die (Geschlechtsteile. Oft in
höhnischen Zurufen gebraucht
38. Dri9t, der; Schiß. In vielen Redens-
arten angewandt; driat vom altn.
dirt, engl. dirt.
59. Drîte, die; Kot
60. d rît en; seine Notdurft verrichten.
Kommt in vielen Sprichwörtern zur
Anwendung. Vor einigen Jahrzehn-
ten war folgendes eine stehende
Redensart: Hant se kottens keng
Keïserglocke gedrîten? Sprichwort:
Benerkes warm, En Duak öm den
Darm, On et Dritlöksken open,
Können alle Doktersch tum Doivel
lôpen.
61. Drügschliper, der; Trockenschlei-
fer; jemand, der die Conception ab-
sichtlich verhindert.
62. dû; Woeste (Westf. Wörterbuch 60):
„enem den dû anseggen; daher wohl
auch: sai het em den dû âne saggt,
von einer Frauenspersen, die dem
Schwängerer ihre Schwangerschaft
ansagt. — mw. duwe, Sitte, Brauch.?
Sollte es alts, thau sein?"
Auch im Bergischen ist diese Redens-
art vereinzelt bekannt.
63. Donnerschlag, der; hé mackt ut
em Fuaz en Donnerschlag.
64. Dubbeladler mâken; sich beim
Schlafen den Rücken zuwenden.
65. Eier, die; Hoden.
66. Eng gebaut sein; eine engeScheide
haben.
67. G at, das; Loch, besonders anus. In
einem sehr bekannten Scherzlied
heißt es:
Em Kappesblatt
För dat Gat.
68. Geckslied, das; obscönes Lied.
69. Gemechte, das; Unterleib Geni-
talia.
70. Geschichte, die, haben; Menses
haben.
71. grabbeln (krabbeln); wollüstig
betasten.
72. güllen, göulen; golden; en göu-
len Pflaster; ein Pflaster von Men-
schenkot, welches auf Brandwunden
gelegt wird.
73. Haare schneiden lassen; kodie-
ren, namentlich im Bordell.
74. Haare rupfen; das Ausrupfen der
Haare an den weiblichen Geschlechts-
teilen scheint sehr vereinzelt vorzu-
kommen; ich erinnere mich ganz
dunkel eines Falles, wo von einem
Burschen erzählt wurde, er habe
eine kleine Kollektion solcher Haare
zusammengebracht; der Betreffende
gab seinem vollen Abscheu über
solches Tun Ausdruck.
75. haben eine; ein Mädchen oder
eine Frau beschlafen haben.
76. Hampelmann, der; Penis.
77. Hahn, der; der Hahn; kommt in
verschiedenen Sprichwörtern und
Redensarten vor, welche über den
Sinn des Wortes keinen Zweifel auf-
kommen lassen; z. B. Lötsu en
frömden Hahn en din Nest drîten?
En guaden Hahn es seilen fett Auf
einer alten Holzschachtel liest man
folgende Zuschrift: Mein hoon (Hahn)
der ist so und so, der macht die
fremde hüner froh. Darunter ist eine
Frau im Rokokokostüm zu sehen,
welche rittlings auf einem Hahn
sitzt
78. Helm, der; das Häutchen; welches
den Kopf eines Neugeborenen zu-
weilen bedeckt. Solche Kinder be-
Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen
II
zeichnet man als Glückskinder (he
es em Helm geboren).
79. Heng er sehte, der; Podex: Einem
Filou sagt man: Wenn de hengen
wörsch es füaren, dann könst du
met dem Hengerschten Nüte knap-
pen.
80. Hengerviadel, das; Podex,
81. Hotschel, die; Cunnus. „Popp =
Hotschel" hieß vordem ein von
einer berüchtigten Kourtisane in
Elberfeld unterhaltenes Kaffeehaus.
82. Huarenblâg, das; Hurenkind.
Sprichwort: Huarenmehl göft Hua-
renpannkuaken. Viele Zusammen-
setzungen.
83. Issel, der; De Issel het en ut der
Wank geschlagen = er ist ein un-
eheliches Kind.
84. Jongfernhütschen, das; Hymen.
85. Jongen (Jöngken) en, anleien;
mit diesem Worte pflegen Straßen-
dirnen der niedrigsten Art ihr Ge-
werbe anzubringen.
86. kacken; kacken.
87. Kaktus pflanzen; seine Notdurft
verrichten.
88. k a 1 w e n ; kalben ; auch von Menschen
gebraucht, z. B.: Se het te frü ge-
kalwt = sie ist zu früh nach der
Hochzeit niedergekommen; he kritt
et Kühken met dem Kälvken = er
heiratet eine schwangere Frau.
89. Kalwerstrôte, die; Vagina.
90. Käntken, das; kleine Kante; in
Altena in Westfalen gebräuchlich,
z, B. in der Redensart: Mine Frau
was am Käntken = sie war ihrer
Niederkunft nahe.
91. Kar, .die; die Karre. Sprichwort:
He es van der Kâr gefallen er
ist unehelich geboren.
92. Kasten, der; Bordell; de Huaren-
kasten.
93. Kerf,das; Einschnitt; vergl.Äschetc.
94. Klopphengst, der; Zwitter.
95. Klüaten, die; Hoden. Klüat, Klôt
-= runder Körper; klôt — Kugel;
dän. klode = Kugel. Auch wohl statt
Klüaten — Klüatensack = Hoden-
sack.
96. kl od de rig; sich liederlich umher-
treiben.
97. Klonte, die; umhertreibendes Frau-
enzimmer; fast im Sinne von Hure.
Zusammensetzung: Fabriksklonte.
98. knallen; coire; se lött sek knallen,
schnallen; ostfries. knallen = fu-
tuare.
99. Knallhütte, die; Hurenhaus.
100. Knia, die; die Kniee. Sprichwort:
Fraulüds Knia on Rüden Nasen
sind ömmer kault.
101. König, roter; Menses.
102. k o m m e n ; kommen ; die körper-
liche Sekretion tritt ein.
103. Kröm, der; Kindbett. Im Westf.
Krâm. Sing Frau es em Krôm. M.
vergl. zur Etymologie des Wortes
Woeste, Westf. Wörterbuch, S.141 f.
104. krôm en; niederkommen; Wochen-
bett halten. Zusammensetzungen :
Krômfrau = Wöchnerin. Krôm-
hiar = Mann der Wöchnerin; Krôm-
pott, der; irdenes Gefäß mit Zucker
und Gewürzen ; Krômsuppe = Suppe
für die Wöchnerin, welche früher
während der ganzen Dauer der Nie-
derkunft von den Nachbarinnen ge-
liefert wurde.
io5.kroume Eier, die; Exkremente.
106. Köttel, der; Kot.
107. kötteln; cacare.
108. K u juan, der; Clitoris; Demin. Ku-
jüanschen, das.
109. Kun te, die; weibliche Scham; lat.
cunnus, engl, cunt; m. vergl. Kutte.
110. Kutte, die; m. vergl. Kunte. Ein
sehr bekanntes Verschen lautet : Pis :
„Kutte, süßes Loch, Hätt* ich meinen
Dreier nochl" Wirtshäuser werden
wiederholt „glüntige Kutte" ge-
nannt, natürlich nur dann, wenn die
Inhaberin dem entspricht.
in. Kuttenkröser, der; Bezeichnung
für einen Burschen, Mann, der gern
12
Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen.
an den weiblichen Geschlechtsteilen
spielt.
112. kuttentoll; weibertoll.
113. Küttschen, das; Deminut. von
Kutte.
114. Kütze, die; Cunnus m. vergl. die
Erzählung „Nur eine Mütze".
115. Kwängelkutte, die; weibliche
Person, die ohne Energie ist; wird
von ehrbarenBürgerfrauen anstands-
los angewandt.
116. Kwatschfott, die; zaudernder, un-
entschlossener Mensch männlichen
Geschlechts; m. vergl. Bemerkung
zu Kwängelkutte.
117. Kwitipsche, die; Vulva; ahd.
quiti; auch in der Literatur (m. vergl.
Woeste, Westf. Wörterbuch, S. 154)
bekannt.
Ein Kind mit vier Lippen = Ein
Neugeborenes weiblichen Geschlech-
tes.
118. Landkarte, die; Samenflecken in
Bett- und Leibwäsche.
119. Loch, das; Vulva; süßes Loch.
Sprichwort: De Doiwel kafiert för
kên Lôk.
120. Lochschwager, der; Mann, der
sich nebst einem andern der Gunst
einer Frau oder eines Mädchens er-
freut.
Ein Junge mit einem Loch = Ein
Neugeborenes weiblichen Geschlech-
tes.
121. Löffel, wie L. liegen; die Situation
erklärt sich von selbst.
122. Löpsch, läufisch; vorzugsweise von
Tieren, namentlich Hunden, ge-
braucht; auch auf Menschen über-
tragen.
123. Losgehen; geschlechtlich zusam-
menkommen.
124. Louis, der; Zuhälter.
125. Luder, das; leichtfertiges Weib,
aber auch allgemeiner Schimpfname.
126. lutschen, ablutschen ; f ellare, ir-
rumare.
127. Marie; Maria. Grade dieser Vor-
name kommt immer wieder in obsc.
Redensarten und Strophen vor. Z. B.:
Uss Marie, dat dicke Dier
Het er eng (Vulva) vanKlonschpapier.
Oder:
„Marie, Marie! Wat hew ek en
(Penis) doch stief". „Hess'n stief,
Haul en stief; Stêk en én dat ön-
gerliev,""
128. Maus, die; Vulva.
129. Meierei, die; große Brüste.
130. Memme, die; Mutterbrust. Zusam-
mensetzung: Memmenkeng = ver-
zogenes Mutterkindchen; Memmen-
täng = Milchzähne.
131.МІІПІ, die; Vulva.
132. Miss, die; Vulva.
133. Mîgenkîker, der; Harnbeschauer.
134. Mîglôk, das; Cunnus.
135. Moerwerk, das; Gebärmutter. Se
het et am Moerwerk.
136. Monatliche, das; Menses.
137. Monatsröschen, das; Cunnus.
138. Möse, die; Cunnus, Vulva, Im
Ostfr. Mêsken.
139. Müske, Mötsche, Pullmötsche, die;
Mütze; hier Cunnus.
140. Mund, der; in seiner Größe soll
er der Vulva entsprechen.
141. nageln, coire.
142. neien; coire. In einem beim Aus-
trommeln gesungenen Verse heißt
es: Hört, ihr Leute! Ich will euch
etwas sagen, der „Spaß = Pitter"
hat das Fraumensch vernagelt, He
het et em Ferkesstall verneït. Be-
wahrt das Feuer und das Licht, daß
dem Spaß-Pitter kein Unglück ge-
schieht."
143. Nest, das; Nest. Woeste führt fol-
gende Redensart an: Lât di nitt in
in din Nest Semen (schiten) = Laß
dich nicht bei deiner Braut, deiner
Frau ausstechen. In Düsseldorf ist
es eine Schelte: Du Nest vanner
Derne, naseweises Mädchen.
144. Nummer, eine, drücken; coire.
Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen.
145. Nummer, feine; leichtfertiges Frau-
enzimmer,
146. Öhrchen ansetzen oder säu-
men; einem schwangern Weibe bei-
wohnen.
147. Open dauen, sek; einen Wind
gehen lassen.
148. Pelzmütze, die; Vulva.
149. Periode, die; Menses.
150. Peter, der; Penis.
151. petern; pittern; beschlafen.
152. Pflaume, die; Prûme, die; Cunnus.
Eine alte Strophe lautet: Meine
Mutter hat gesagt: Nimm dir keine
Bauernmagd! Nimm dir eine aus
der Stadt, Die ne dicke Pflaume
(Kutte) hat. Ein gewisser Ball zur
Fastnacht heißt noch heute Pflau-
menball. Erklärung unnötig.
153. Pflastermensch, Straßen-
mensch, das; Hure.
154. Piephahn, der; Penis.
155.РІПІПІЄІ, der; Penis.
156. pimpernellen; obscön; nament-
lich in zweideutigen Volksrätseln
angewandt; z. B.: Ek han dek, ek
puff dek; Ek well dek pimpernellen,
De Buck de sali dek schwellen (Bett).
157. pinkeln; harnen.
158. Pénn, Penn, der; Penis; das Wort
kommt von pint, dänisch pind her.
159. Pinsel, der; Pinsel. Auf einer
Bauernhochzeit hörte ich als Kind
ein Lied, worin es hieß : Bis an das
schwarze Loch, Da blieb der Pinsel
stecken.
160. Pis s, der; Penis. In unserer Gegend
wohl die geläufigste Bezeichnung für
das männliche Glied.
161. Pisse, die; Urin.
162. Pissekîker, der; scherzhafte Be-
zeichnung für einen Arzt, heute nur
noch selten angewandt.
163. pissen; Harn lassen; einer in den
Bauch pissen: sie schwängern.
164. pisserig ist der, der viel Drang
zum Pissen hat.
165. Pissmann, der; Penis. Demin.: Pitt-
ken. Im Dönberg und am Deubach
sagt man, die Kohlmeise singt fol-
gendes:
Wîf, Wîf, Wîf,
Et Pittken stêt,
Et Pittken stet,
Et Pittken stêt,
Plümken wît open,
Plümken wît ôpenl
166. Plêster, das ; schlechtes Frauen-
zimmer; westf. plaster, vom lat.
emplastrum.
167. Plüme, die; die Pflaume, obs. Cun-
nus. M. vergl. Prûme. Demin. Plüm-
ken (m. vergl. Pitt).
168. poppen = coire. Popp = Hotschel
(vergl. Hotschel).
169. Prûme, die; Cunnus.
170. Puff, der; Bordell. Demin. Püffken,
das.
171. Pupp, der; Furz. Demin.: Püffken,
das.
172. puppen; farzen.
173.Pûte, die; liederliche Dirne. Altfr.
pute, span, puta, ital. putta.
174. Regel, die; Menses.
175. rammeln; coire. Ein geiles Weib
wird auch wohl Remmel genannt.
176. Riemen, am, ziehen; onanieren.
176. Ritze, die; Vulva. Ich hörte die
Bezeichnung vor kurzem auf der
Straße von einer Fabrikarbeiterin,
welche sich mit ihresgleichen unter-
hielt.
177. Ritzenschieber, der; Penis.
178. Sack, der; Hoden.
179. Samenkoller, der; große Geilheit.
180. Schannickel, das; schlechtes
Weibsbild, ohne grade immer eine
Hure zu bezeichnen. Demin. Schan-
nickelschen, das.
181. scheißen; scheißen ; westf. schiten,
Schieten. Prohlen es kein Geïld, On
Scheiße es keng Botter; Me kann
se wall schmiaren, Ewer nitt frêten.
182. Scheißkerl, der; verächtliche Be-
zeichnung für einen Feigling.
14
Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des
Bergischen.
183. schieben; coire.
i84.schiffen; urinieren.
185. Schlappschwanz, der; energie-
loser Mann.
186. Sêke, die; Urin.
187. sêken; seichen; sein Wasser ab-
schlagen.
188. Schnalle, die; Hure; en richtige
Schnalle.
189. schnallen; obscön; auch schnallen.
Die lött sek schnallen, knallen etc.
190. Schneppe, die; Hure.
191. Schnibbel, der; Penis.
192. Schnupfen, der; Gonorrhöe.
193. Schwanz, der; Penis. Schwanztoll,
vom Weibe, wenn es sehr geil ist.
194. Schwester, die, kleine; Vulva.
195. spielen; in Westfalen: Se het te
frö Melk spielt: sie ist zu früh nach
der Hochzeit niedergekommen.
196. spritzen; ejakulieren.
197. stark gebaut sein = kräftigen
Penis haben.
198. S tat (stert), der; Penis.
199. stemmen; coire.
200. stempeln; coire.
201. Stift, der; Penis. In der obscönen
Redensart: Sie bekommt etwas aus
dem Stift.
202. Stößchen, ein, machen; coire.
203. Strich, auf den, gehen; auf der
Straße nach Liebesabenteuern aus-
gehen.
204. Tacken, der ; Herdplatte, Loch
hinter dem Herde. Folgende Redens-
art berechtigt uns, die Bezeichnung
hier aufzuführen : Dat Keng es vam
Tacken gefallen — es ist unehelich
geboren.
205. Tafigping — Hangping; nament-
lieh von Schwangern gebraucht um
anzudeuten, daß die Geburt bald er-
folgt, wenn die Schwangere Zahn-
schmerzen hat.
206. Tante, rote; Menses.
207. Tiaw, die; Hündin; auch Bezeich-
nung für ein schlechtes Weibsbild.
Engl, tib, and. tefja, tifa-
208. Titte, die; weibliche Brust.
209. Tokus, der; Gesäß.
210. Überzieher, der; Präservative.
211. umficken; scherzhafte Bezeich-
nung für: sein Wesen ändern.
212.Unwohlsein, das; Menses.
213. Ütterbock, der; Zwitter.
214. Vater und Mutter spielen; coire.
215. Verdrenken; Sin Vader es em
Häksei verdronken = er ist unehe-
lich geboren.
216. fertig werden; ejakulieren.
217. fertig sein; impotent sein.
218. ficken; coire.
219. Flöte, Fleute, die; leichtfertiges
Weib; Vulva. Die Drossel singt
(Olpe bei Kürten):
Maria, drück', Maria* drück',
Leih* mir deine Flöte;
Geschwind, geschwind, geschwind!
Die Amsel singt in Herkenrath:
Marie, Marie,
Leih' mir deine Flöte.
Morgenwill ich sie dir wiedergeben.
Du lügst, du lügst, du lügst!
In der Nähe von Hilden hieß früher
ein Wirtshaus zu den 7 Flöten, weil
eine in üblem Ruf stehende Wirtin
mit ihren 6 Töchtern dort hauste.
220. Fledermaus, die; Cunnus.
221. Visitenpinsel, der; Penis. Pinsel
von penicillus, peniculus.
222. Fissenülle, die; weibliche Scham.
223. fisten; fast unhörbar einen Wind
streichen lassen.
224. Flieg, die; die Fliege, aber auch
ein leichtfertiges, männersüchtiges
Frauenzimmer.
225. Flitsche, die; Luftbüchse: auch
eine wegwerfende Bezeichnung für
ein Weib, wohl mit Bezug auf die
Vulva (m. vergl Anthropophyteia II,
262).
226. Fot se, die; Fustse. Woeste: „Schelte
für ein schlechtes Mädchen; fueze
= mueze, s, mütsken; es ist also
pars pro toto; vergl. „sei kein Fozen-
hut!" = sei nicht weiberhaft feige.
Das erotische Idiotikon'des östlichen Teiles des
Bergischen.
Luther: Pozenhut — eunuchus. Da*
bei sagt er : Das erste Wort be-
zeichnet das, wovon sie Frauen
heißen."
227. Fotseniecker, der; häufige In.
Schriften auf Aborten.
228. Vögein; fögeln; coire. InLacom-
blet's Archiv (Bd. VI, S. 333) wird
der Bulle ein „voglenochse" genannt.
Redensart: Vögeln, daß die Haare
fliegen = sehr heftig coitieren. Eine
gute Vöglerin ist ein Weib, das
feurig koitiert.
229. Fott(Vott), die; auch Fuet; Podex.
Woeste bemerkt u. a. zu dem Wort :
„mhd. vut, cunnus. nds. futje, mu-
liebria, was die eigentliche Bedeu-
tung unseres Wortes scheint."
230. französisch machen; fellare, ir-
rumare.
231. Fritz, der; Penis.
232. fummeln; wollüstig betasten, na-
mentlich an den Brüsten und Ge-
schlechtsteilen spielen.
233. wellen; wollen. Se well en Keng
han sie ist schwanger.
234. Weit gebaut sein; eine weite Va-
gina haben.
233. Wippken ensetten = coire; an-
gelehnt an die Weberei, welche ja
stark im Bergischen betrieben wird.
M. vergl. die Dichtung: Mina Knal-
lenfalls.
236. Zuth, die; geiles Weib oder Mäd-
chen (?).
237. Zebedäus = Penis.
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
Von Dr. Aigremont.
Vorbemerkung. Den vorliegenden Aufsatz möge man als
das halten, was er in Wahrheit ist, als einen ersten
Versuch, in das
dunkle, noch wenig erhellte Gebiet der erotischen
Pflanzenbenennung,
wie sie sich im deutschen Volke darstellt, einzudringen.
Er möge
ein Anstoß zu weiterer Nachforschung und Ermittelung
sein. Ich
würde allen denen zu großem Dank verpflichtet sein, die
an die
Redaktion der Anthropophyteia Ergänzungen und
Berichtigungen
zukommen ließen. Den Rahmen dieser Arbeit habe ich mit
Bedacht
zunächst so eng wie möglich gezogen. Manche
weiterfuhrende Er-
örterungen innerhalb dieses Gebietes habe ich mir
ebenfalls vor-
läufig versagen müssen.
Erotische Namen der Pflanzen entstanden aus
mancherlei Gründen,
etwa weil die Gestalt einer Pflanze (Wurzel, Blüte,
Frucht) dazu
verführte, oder, was seltener ist, der Geruch, oder weil
die Pflanze
ein erotisches Mittel für das betreffende Glied im
Glauben des Volkes
war. Bisweilen hat sich zu dem ersten noch der letzte
Grund ge-
sellt, wie man aus dem Beispiel der Orche sehen kann,
die wegen
ihrer Wurzelgestalt (Hode) auch als Mittel der
Hodenkräftigung ge-
braucht wurde; also eine Art von Sympathie.
Ich bespreche in diesem Aufsatz zunächst nur die
Pflanzenbe-
nennungen, die auf den männlichen und auf den weiblichen
Geschlechtsteil hinzielen.
Vor allem gab eine Gruppe Pilze Veranlassung, sie mit
dem
Phallus i. e. penis (Zumpt) zu vergleichen. Es ist die
große Schaar
der Phalloiden (n Gattungen mit 79 Spezies), deren Gros
freilich
im heißen Klima (Südamerika, Afrika, Australien)
vorkommt. Bei
uns gibt es nur wenige Vertreter: außer dem Phallus
caninus, der
häufiger in Süddeuschland wächst, aber vom Volke mit
keinem ero-
tischen Namen bedacht wird, ist es der Phallus
(Ithyphallus)
impudicus, an den sich Aberglaube und sexuelle
Namengebung des
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
17
Volkes üppig emporrankt Früher wurden auch die
Morchelarten
zu der Phallusgruppe gerechnet. Ich finde nur die
Morchella escu-
lenta (Phallus esculentus) mit dem Namen „Eichelschwamm"
vom Volke belegt. — Die Phalluspilze tragen ayf ihrem
Stil einen
Hut oder eine Eichel, deren Oberfläche öfter mit
schwüligen Adern
gegittert oder netzartig gerunzelt ist, sie haben oft
eine überraschende
Ähnlichkeit mit einem steifen penis. Am stärksten zeigt
diese Ähn-
lichkeit der Eichelschwamm (Phallus impudicus), die in
einer gradezu
krassen, ja burlesken Weise zur Erscheinung kommt.
Andere kenn-
zeichnende erotische Benennungen dieses Schwammes sind:
Brunst-
kugel über der Erde, Hirschbrunst über der Erde,
Pintchen, Schwanz-
morchel, Stertmorchel, (Stert = Penis), schamloser
Schwamm, Ruten-
morchel, Hexenei, Teufelsei. — Diese Stinkmorchel der
deutschen
Wälder interessierte wegen ihrer Entstehung, Form und
Geruches
von früh an das Volk. Sie kommt wie ein Ei aus der Erde
(Teufelsei,
Hexenei, Brunstkugel), dann erhebt sich der Penis aus
dieser volva,
wenn diese aufbricht, verbreitet sie einen
durchdringenden Aasge-
ruch, durch den die Fliegen herbeigelockt werden, die
aber auch in
dem klebrigen Saft ihr Leben lassen müssen. Der Penis
gestaltet
sich zu einer kleinen Säule mit oben gewölbtem Knopfe
(Eichel),
der schmutziggrün, während der Stil grau ist. Die
Gestalt gleicht
zuletzt genau der eines aufgerichteten Penis mit
übergezogener
Vorhaut.
Solcher Form verdankte der Pilz frühzeitig den Ruf
als Aphro-
disiacum. Schon im Altertum benutzte man ihn zur
Bereitung von
Liebetränken. Auch im Mittelalter galt er als beliebtes
Mittel, die
männliche Kraft zu erhöhen (Wolfr. v. Esch. Parzival
XIII. 643).
Und Matthiolis Kräuterbuch (deutsch 1563) schreibt 478 В
vom
Hirschschwamm: „Er hat (sonderlich der wie ein Gemachte
formiert
ist) eine Kraft, damit er die unkeuschen Glieder und
Venushandel
stärkt, so man des Pulvers ein halb Lot, ein Quentel
langen Pfef-
fers dazu gemischt trinkt. Dieser Trank mehret auch den
Frauen
die Milch. Von unten auf mit Schwamm geräuchert, stillet
die
Mutter in ihrem Aufsteigen. Die Circeischen Weiber
treiben auch
einen Handel damit, gebens in Liebenstränken." Noch
heute steht
der Pilz bei Jägern in besonderem Ansehen, sie nennen
ihn Hirsch-
brunst, weil sie sich einbilden, daß er aus dem
entfallenen Samen
des Hirsches erzeugt wurde (Nemnich,
Polyglottenlexikon). Und
ebenso sollen die Hirten den Pilz bisweilen an Tiere,
deren Brunst
sie befördern wollen,- verfüttern. Allein in den
Versuchen von
Krauss, Anthropophyteîa. IV. , 2
18 Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
Krombholz reagierten weder verschiedene große Tiere
(Affen, Stiere,
Böcke, Hengste, Hunde), noch auch Menschen im gedachten
Sinne
(cf. Zopf, die Pilze). Freilich heißt es im „Neuen
Schauplatz der
Natur" (Leipzig 1777) Band V, daß der Pilz sexue 11
erregend nur
wirkt, wenn er ganz ausgewachsen ist und stinkt, und man
hat als-
dann beobachtet, daß sein Reiz zu anhaltend ist, die
Kühe danach
leicht verwerfen, und der Körper abgezehrt wird. Böse
Weiber
benutzen ihn aber, wenn er noch jung ist (daher
„Hexenei") zur
Bereitung von Liebestränken,
Den Vergleich mit dem Penis eines Bullen bewirkte die
Bums-
keule (Typha latifolia und angustifolia). Durch den
Blüten-
stengel, der oben durch seine braunen samtartigen
Blütenteile kolbig
verdickt wird, entstanden Namen wieBullenpäsel
(Mecklenburg,Bremen,
Hannover), Bullenpäßke, Bullenpansch (Hannover),
Bullenpesel (Schweiz)
und Pummpesel, Wullenpeseke (Mecklenburg). Matthioli
nennt sie
neben Seekolben auch Narrenkolben (= Narrenpenis) und
Pappenstil
(wohl = Pfaffenstil, weniger aus pappen = fliegende
Wolle ent-
standen). Beide Namen weisen deutlich auf den Penis, wie
denn
auch die Holländer das Rohr Pappenkul (Pfaffenkeule)
nennen. An-
dere erotische Vergleiche drücken die Namen Dittelkolben
(Elsaß),
Duttenkolben (Schweiz), Deutelkolben (Schlesien),
Pummeldutschen
(Meklenburg), Tuttelkolbe (Hessen) aus. Der Penis bezw.
seine
Eichel wird hier mit der Brustspitze (Dutte, Titte,
Tittelein) ver-
glichen. Althochdeutsch heißt das Schilf daher
Tutilcholbo.
Der Blütenzapfen bezw. der blattlose Fruchtstempel
mit hoch-
roten Beeren besetzt von Arum maculatum, Aron, reizten
schon
früh sie mit dem Pint (Penis) zu vergleichen.
Verschiedene Volks-
benennungen der Pflanze nehmen darauf Bezug, so heißt
sie Pappen-
pint, Pappenpitten (Göttingen, Grafschaft Mark),
Papenwörtel (Göt-
tingen), Pfaffenpint, Pfaffenzagel, Pfaffenpint,
Pfaffenzink, Priester-
pinsel. Schon Fuchs (1542 Basel) und Bock (Straßburg
1530) führen
den Namen Pfaffenpint auf. Im Berner Gebiet heißt die
Pflanze
„Rute". Die Engländer nennen sie mit derselben
Anspielung cuckow
pint (Kukuks Pint), cuckow pintle, priest pintle
(Priesterpintchen);
pintle (auch zu pint verkürzt) ist der Zapfen, auch das
männliche
Glied. Bei den Franzosen heißt der Aron vit de prêtre,
vit de chien.
Dieselbe Anschauung liegt auch der holländischen
Bezeichnung papen-
kullekens und der dänischen munke-svands (Mönchsschwanz)
zugrunde.
Es ist ein Witz des Volkes, die burleske Penisform
speziell den
Pfaffen, den ehelosen, zu dedizieren. Übrigens hat auch
eine, dem
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke. ig
Aron verwandte erotische Pflanze Orontium aquaticum
(Schwimm-
aro n), auch Arum fluitans genannt, wegen seiner Blüte
den Beinamen
„Pint". Sie ist in Kanada, Virginien zu Hause. — Daß der
Aron
erotische Beziehungen hat, zeigt auch der Name „Kilte",
„Kiltblume"
(Waldbrühl) an. Kilte ist die Abendkühle (Abend =
nordisch kvöld).
Das Wort wird im Schweizerischen von der Zusammenkunft
der Lieben-
den in der Abendkühle gebraucht, wobei der Liebende der
Geliebten
die Kiltblume überreicht. Solche Kiltblumen sind außer
Arum noch
Colchicum autumnale („Nakte Hure") und Lychnis
vespertina und
Lychnis hesperis.
Denselben Namen Papenpint, Papenpitt fuhrt das
Equisetum
arvense, der kleine Schafthalm, wegen des
Fruchtstempels.
Andere Namen sind Katzenschwanz, Katzenwedel,
Katzenzagel auch
Fegkraut, da die Pflanze als harntreibendes Mittel bei
Bauchflüssen
verwendet wurde. Den Namen „Katzenschwanz" kann man auf
den
„unfruchtbaren" Stengel der Pflanze deuten,
„Katzenzagel" als Katzen-
penis jedoch auf den „fruchtbaren" Stengel, der in der
Tat die Ge-
stalt des Gliedes eines Katers hat.
Mit einem Hundspenis wurde Cynomorium coccineum, die
Hundsrute, verglichen. Es ist das eine sonderbare
Pflanze, die das
Aussehen eines Schwammes hat, aber kein Schwamm ist. Sie
ist
ein Schmarotzer an den Wurzeln der Bäume, treibt keine
Blätter
und ist ganz mit Schuppen besetzt. Wenn diese Schuppen
abfallen,
bemerkt man einen dicken rauhen Stengel, der einen
konischen
purpurnen Kopf trägt. Dieser Kopf ist mit Warzen
versehen und
mit Blumen gehäuft. Der Stengel ist etwa drei Zoll lang,
der Kopf
desgleichen. Somit gleicht das Ganze auffällig dem Penis
eines
Hundes (cf. Nemnich).
Toxites nennt auch die Schwalbenwurz, Vincetoxicum
of-
ficinale, „Pfaffenrute", wohl wegen der merkwürdig
gestalteten
Samenkapseln, die kleinen länglichen Radieschen in der
Form gleichen
und eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Penis,
zugespitzt durch
eine lange Vorhaut, haben könnten.
Taraxacum officinale, die Kuhblume, wird besonders in
Schlesien und in der Lausitz „Pampelblume" genannt.
Pampel ist
aber in der Kindersprache der kleine Penis mit der
Harnröhre. Die
Pflanze hat auch sonst viele Bezeichnungen aus der
Kindersprache
und aus dem Kinderspiel. Ihr hohler Stengel mit dem
weißen Saft
und der Platte gleich einer glans penis wird also mit
einem penis
verglichen; sieht man die Platte — der man die
weißhaarigen Früchte
2*
2o Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
abgeblasen hat — als Mönchs- oder Pfaffenhaupt an, so
erklären
sich die Namen Pfaffenröhrle, Pfaffenstil.
Auch Leontodon proteiformis, die Gamswurz, und Evo-
nymus europaeus, der gemeine Spindelbaum, heißen
Pfaffen-
röhrle, zugleich wurden diese Pflanzen neben taraxacum
officinale als
Diuretika, harntreibende Mittel gebraucht.
Der verlängerte und zylindrisch runde Blüten- und
Fruchtboden
des Myosurus minimus hat den Namen Mäuseschwanz, Mäuse-
schwänzlein (Elsaß, Schweiz, Ostpreußen), aber auch die
Benennung
„Herrenzipfel" (Schlesien) d. i. ein kleiner penis, wie
ihn die Herren
haben.
An einen Penis = Zipfel erinnert auch die
geschlossene Samen-
kapsel der wilden Balsamine, Impatiens noli me tangere,
die
daher „Kapuzinerzipfel" genannt wird.
Der Kölbel ist ursprünglich die Eichel des Penis,
wird aber
schon im 15. Jahrhundert als Bezeichnung des gesamten
Penis ge-
braucht, der sich am Ende verdickt mit einem Kolben, der
Glans.
So hieß ja schon Typha latifolia Deutelkölblein
(Tittenkölbel), so
hieß auch Sanguisorba officinalis, Wiesenkölblein,
Wiesen-
knopf, in der Eifel wird es geradezu Rotkopf im
erotischen Sinne
genannt, wegen seines Aussehens sollte es bei kolbigen
syphilitischen
Anschwellungen des Penis helfen, während der Essigbaum
(Rhus
typhina) mit seinen braunroten wolligen Blütenkolben und
der Färber-
baum (Rhus coriaria) an die jungen behaarten Geweihe des
Hirsches
erinnerten und daher den Namen „Hirschkolbenbaum"
fuhren.
Nicht wegen des Aussehens, sondern wegen der
medizinischen
Anwendung nannte man den Mauerpfeffer, Sedum acre, das
Zumpenkraut (Zumpt = Penis) oder (verderbt) Zunzenkraut.
Die
Pflanze soll den Harn abtreiben, aber Dysurie
verursachen kön-
nen. Ursprünglich scheint dieser Name dem
interessanteren Se-
dum Telephium zuzukommen. Den lat. Namen führt es von
Telephus, dem König von Mysien, der dieser Pflanze sich
zuerst
bedient haben soll, um Geschwüre zu stillen. Schon Bock
(1530)
teilt den Namen Zunzenkraut nur diesem Sedum zu. Aus
seiner
Anwendung gegen weiblichen Leiden heißt es Fotzwein,
Fotzzwang,
so auch Matthioli (1554). Fotzzwang ist der krampfhafte
Verschluß
der Vulva oder Vagina, Vaginismus, tenesmus vaginae. Man
zerstieß
das Sedum, legte es auf die Vulva und heilte ihre
Gebrechen; so
stillte es besonders auch ihren Blutfluß. Das mit Sedum
gekochte
Wasser sollte, wenn man es trank, dieselben Wirkungen
verursachen.
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke
21
— Das Sedum album und Sedum reflexum werden
Trippmadam,
Drippmadam (frzs. Trippe-madame, Trique-madame) genannt.
„Ma-
dam" heißt scherzhaft die Vulva, wie auch der Engländer
die Vulva
brown madam nennt, Madame Braun, wegen der braunen
Hautfarbe
des Möns Veneris (cf. unser deutsches „die Bräune" =
Vulva).
Trippmadam bezeichnet aber die Vulva, die trippt,
nämlich durch
den Weißfluß. Und als ein Mittel gegen den harmloseren
Weiß-
fluß der Frauen, wie gegen die Gonorrhoe wurde Sedum
album wie
reflexum benutzt.
Noch zahlreicher als die Anspielungen auf den Penis
sind die
auf die Hoden. Die Vergleiche, die das Volk damit
anstellt, ge-
schehen teils wegen der Hoden- und Eierartigen Wurzeln,
teils wegen
der Früchte und des Samens gewisser Pflanzen.
An allererster Stelle verdient hier die Orche, das
Stendel-
wurz, Orchis, erwähnt zu werden. Der Name ist uralt,
ursprüng-
lich wurde er im Althochdeutschen (standelwort, mhd.
stendel) nur
fur das Satyrium, so für Aceras hircina, gebraucht, aber
das mhd.
stendel wird bereits für die Orche gesetzt. Auf
derselben Grund-
lage wie die Bezeichnung „Stendelwurz" finden sich Namen
wie
Geilwurz, Ragwurz, Hosenwurz, da nämlich der Genuß der
Pflanze
den Penis zum Stehen bringt. — Die zahlreiche Familie
der Or-
chidaceen umfaßt an 10,000 einheimische und exotische
Arten; sie
ist die zweitgrößte des Pflanzenreichs. Max Schulze
(Jena 1891, die
Orchidaceen Deutschlands) zählt 22 einheimische Arten
mit mancher-
lei Unterarten auf. In den Volksbenennungen wie in den
Büchern
älterer Botaniker sind wegen solcher Fülle mancherlei
Verwechs-
lungen entstanden. Das Volk teilte die zahlreichen
Glieder der
Familie meist in solche, die knollen-, oder hodenfbrmige
Wurzeln
und in solche, die handförmige Wurzeln hatten, ein.
Besonders
kommen für die Volksbenennungen und für den
Volksaberglauben
die engere Art der Orchis (mit hoden- oder bandförmiger
Wurzel)
und die Gymnandenia (mit bandförmiger Wurzel) und die
Ophrys
(mit rundlicher Wurzel) in Betracht. Von der engeren
Orchisart
sind besonders Orchis militaris, bifolia, morio, mascula
mit hoden-
förmigen Knollen zu erwähnen, dagegen Orchis maculata,
latifolia,
incarnata mit bandförmiger Wurzel. — Schon im Altertum
wurde
die Wurzel zum Liebeszauber und zur Stärkung der
Zeugungskraft
verwendet als ein Aphrodisiacum; sie hieß daher
Satyrion, Kvvoc
OQXiÇ, testicuius; im Mittelalter auch Priapismus,
Priapiscus, Spergula
neben Satyrion; andere lat. Namen sind testiculus
vulpinus, test.
22
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke
leporinus, test, sacerdotis. Die alten Griechen
nannten die Orche
âvaxafiif'sçœç, da sie verlorene Liebe wieder
zurückbringen sollte
(Linné deutete den Namen auf eine Sedumart), Plut. fac.
lun. 25
p. 80. Die Zauberkraft sollte so stark sein, daß die
Berührung
allein genügt, eine halberloschene Flamme anzufachen. In
den
üppigen zügellosen Festen des ägyptischen Serapis (zu
Canopis)
wurden Blumen und Knollen der Orchis свеаліс d.
h. muscîfera ver-
wendet. Nicht nur die Knollen, auch die Blüten
erinnerten an Frucht-
barkeit, insofern sie fruchtbare und zeugungstüchtige
Insekten wie
Fliegen, Bienen, Spinnen darstellten. — Im germanischen
Altertum
war die gefleckte Orchis mit bandförmiger Wurzel (Orchis
maculata)
der Göttin der Liebe, Freya oder Frigga, geweiht. Sie
reichte sie
auf ihren Umzügen den Jünglingen und Mädchen dar, daher
wurde
die Pflanze Friggagras benannt. Auch die Riesin Brana
gab eine
Orchis (das Brönnagras) ihrem Geliebten Halfdan, daß er
ihr immer
kräftig und treu wäre. Aus der duftigen Gymnandenia (mit
band-
förmiger Wurzel) braute man Liebestränke. Die Pflanze
hieß „Hand-
schuh des Niödhr". Man erkannte in ihr die schaffende
Hand der
Natur, die weißen, noch frischen Händlein nannte man
später „Christus-
oder Marienhand", die schwarzen, vorjährigen aber
Teufelshand,
Totenfinger. — Der Gebrauch der Orchiswurzeln war von
altersher
derselbe : man kochte sie und machte sie in Honig
(Zucker) ein
und aß sie als Aphrodisiacum; oder man kochte sie auch
in frischer
Ziegenmilch. Man unterschied bei den hodenförmigen
Orchisarten
die frischen diesjährigen Knollen, die größer, härter,
strotzender,
weißer waren, von den vorjährigen kleineren, dunkleren.
Man glaubte
zwei verschiedene Kräfte in den beiden Knollenarten zu
erkennen,
in der größeren die liebeerregende, in der kleineren,
welkeren aber
die entgegengesetzte Wirkung. So unterscheidet schon
Theophrast
h. pl. 9. 18: die größere Knolle soll kräftig machen,
die kleinere
die Kraft vermindern. Ebenso sagt Bock (1530): „die
runden, süßen
Wurzeln aller Satyrien mögen die schwachen Männer in die
Speise
gebrauchen und sich Latwergen daraus machen lassen,
dagegen
sind die Wurzeln aller Stendelwurzel, so beginnen welk
zu werden
und abzunehmen, nicht nützlich, denn sie hinterschlagen
und legen
zu Boden die ehelichen Werke, gehören für die, die
Keuschheit
gelobt haben und ein klösterlich Leben fuhren". — Ja,
man über-
trug die Zauberwirkung der Orche auch auf die Tiere.
Will eine Kuh
nicht bullen, so geben ihr die Litthauer noch heute die
Orchis in-
carnata (Gegùze râibe) zu fressen und zwar eine
männliche Pflanze
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
23
dieser Art. Die Gegùze râibe hat entweder Wurzeln mit
zwei Beinen
(weibl. Pflanzen) oder Wurzeln mit zwei Beinen und einem
Penis
(männliche Pflanzen). Die Litthauer unterscheiden also
noch heute
zwischen männlichen und weiblichen Pflanzen dieser
Spezies Orchis
incarnata darum, weil sie die charakteristischen
Geschlechtsunter-
schiede, wie sie der Mensch hat, auch bei den harmlosen
Naturwesen
wiederfinden wollen. Ahnlich glaubt das Volk im
Zillertal, Ge-
schlechtsunterschiede in der Orchidee Gymnandenia zu
finden, in-
dem man die hodenförmigen Knollen für Männchen und die
mit
flachgedrückten Bulben fur die Weibchen der Höswurz
ansieht. Die
Mädchen suchen daher die ersten und die Burschen die
zweiten,
um sich gegenseitig entflammt zu machen. — Der Glaube
ist sehr
alt im Volke, schon Bock und seine Vorgänger
unterscheiden zwischen
Stendelwurzmännlein und Stendelwurzweiblein, teils wegen
der ver-
schiedenen Größe von Blüten und Blättern (die Größeren
sind die
Männlein), teils auch wegen der Gestalt der Wurzel. „Das
IV. Ge-
schlecht Satyrion ist ein ziemlich großes Gewächs, die
Blüten teils
braun, teils leibfarbig mit kleinen braunen Tupfein. Die
Wurzeln
sind wie zwei lange Vogeleier oder wie die Geilen
(Hoden) eines
alten Hahnes. Von diesen Satyrion findet man etliche,
die haben
Handlinwurz, die halten wir für ein Weiblein, denn die
Wurzel läßt
sich mit einem weiblichen Glied vergleichen". — Ich
stelle zum
Schluß die verschiedenen erotischen Namen fur die
gebräuchlichsten
Spezies der Orchisfamilie zusammen:
Orchis bifolia: Knabenkraut (allgemein), Ragwurz,
Stendel-
wurz, Geilwurz, Erdgeile, Fuchshödlein (Elsaß),
Bockshödlein und
Bocksgeil (Schlesien), Hasenhode (Elsaß 1533),
Heiratswurzel (Schlesien),
Höswurz (Zillertal), Höswuchs, Venusblume (Leipzig).
Orchis mascula: Knabenkrautmännle, Männl. Harlekin,
Kna-
benhoden, männl. Ragwurz, Stendelwurz, Geilwurz.
Orchis morio: Knabenkrautweiblein, Morioweiblein,
Stendel-
wurz, Heiratskraut, Stehauf (Siebenbürgen), Ragwurz.
Orchis morio hieß auch Serapia; Serapias oder
Sirumpis war
ein Spiel Fickeler, cum quo puellae soient ludere
subtractis pedibus.
Die Pflanze wurde also als solch Fickeler aufgefaßt. —
Über die
Namen der anderen Orchisarten: Aceras, Ophrys und
Spiranthes sei
dieses bemerkt: Aceras hircina oder Himantoglossum
hircinum ist
von altersher ein berühmtes Liebesmittel. Sie ist im
ahd. die eigent-
liche Stendelwurz. Andere erotische Namen sind:
Bocksgeil, Bocks-
orche (Elsaß), Geilwurz, Riemenstendel, stinkender
Stendel, Drei-
24
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
zackstendel. — Die Ophrysart tauscht mit der
Orchisart die Be-
nennungen : Knabenkraut, Ragwurz, Stendelwurz, außerdem
heißt sie
(Ophrys muscifera) Sammetweiblein (Württemberg),
Jungferli (Schweiz),
da an ihrer Blüte die Gestalt eines herabhängenden
Mädchens ist.
In diese merkwürdige Ophrysart gehört auch die Ophrys
anthropo-
fera (Menschenophrys), jetzt Aceras anthropofera
genannt, deren
Blumen die Gestalt eines nackten Menschen haben. Im
Englischen
heißt sie the man ophrys, im Französischen Homme nue,
Pantine.
Sie ist wohl auch die, welche wegen des großen
hodenförmigen
Wurzelknollens von den Griechen öaxvQtov, wegen
des geilen Ge-
schlechts der Satyrn genannt wurde.
Geilwurz und Ragwurz heißen auch andere Pflanzen. Die
An-
gelica officinalis, die Angelika-, Engel- oder
Geistwurzel
wurde Geilwurzel genannt, so im Schleswigschen. Es ist
das
wohl aber eine Entstellung aus heilige Geistwurzel,
welchen Namen
die Pflanze von altersher trug (cf. Matthioli p. 510)
wegen ihrer
vorzüglichen Heilkraft gegen die Pest (wie Angelica
silvestris: beide
Pflanzen werden verwechelt und gleich benannt). —
„Ragwurz"
hieß auch die Bryonia alba, Gichtrübe, aus deren Wurzeln
die
Charlatane Alraune zu schnitzen pflegten. Der erotische
Charakter
dieses Namens wird durch andere Benennungen genugsam
doku-
mentiert: Fiselwurz, Faselwurz. Fisel, Fasel ist der
Penis, schon im
mhd. viselîn der Penis.
Die bekannte Frühlingsblume Ranunculus ficaria, das
Schar-
bockskraut, trägt wegen seiner knolligen Wurzel die
Namen Pfaf-
fenhödlein, Rammenhödlein. Das letzte Wort hängt mit Ram
= Bock
zusammen (rammeln = bocken). Auch Biberhödchen und
Kannen-
hödchen (für Rammenhödchen) sind Namen dieser Pflanze.
Alle
diese Bezeichnungen sind alt. Bock fuhrt sie bereits auf
Das Volk
wollte vielleicht spotten, daß diese kleinen Hödchen
gerade groß
genug für die Pfaffen sein sollten, wie es denn die
Pfaffen mit den
Geschlechtsteilen (Pint, Hoden), besonders wenn es eine
burleske
Ähnlichkeit dieser mit Früchten und Wurzeln sieht,
zusammenbringt.
So heißt der gemeine Spindelbaum, Evonymus europaeus,
Pfaffenhödchen (verderbt Pfaffenhütchen,
PfaffenpfÖtchen) und Pfaffen-
hödel schon seit alter Zeit (cf. Schrick, Materi von
ausgeprannten
Wassern, Augsburg 1477), auch Ruppius Flora Jenensis
1718. Eben-
falls um 1500 tauchen Namen wie Hahnenhödlein bei Bock
(Elsaß)
und Hahnenhödel, Hahnenhoden in Thüringen auf, auch
Katzen-
klötchen (Klöten = Hoden). Der Vergleich mit den Hoden
kam
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
25
durch die Kapsel, in deren 4 Fächern je zwei
Samenkerne wie Hoden
verschlossen liegen; jeder Kern ist mit einem
breiartigen Mantel
eingehüllt.
Übrigens befindet sich die Bezeichnung Klöte, Kloden
für Hoden
in mancherlei Pflanzennamen, nicht blos bei Evonymus
euro-
paeus, der außer Katzenklötchen, auch Hahnenklötchen,
Hahnen-
klößchen (cf. Nemnich) heißt. Die Centaurea scabiosa,
die
Flockenskabiose nennen die Meklenburger wegen ihrer
Knopf-
blüten „Papenklöten", auch „Ochsenklöten". —
Die Ackerklapper, Alectorolophus crista galli heißt
wegen ihres Samens ebenfalls im Meklenburgischen:
Klöterjacob,
sonst im Niederdeutschen Klöterjochen, Klöterpott. — Der
wilde
Haselbusch, Corylus avellana, führt in der Umgebung von
Hamburg den Namen Klöterbusch, in Bremen: Kläterbusk,
also
wegen seiner Früchte, die paarweise wie die Hoden nnd
auch ähn-
lich wie diese in ihrer ovalen Form nebeneinander
stehen. Nicht
blos die Früchte, sondern schon die Fruchtknoten der
Haselnuß,
die an der Gerte sitzen, werden von den Engländern mit
den Hoden,
die an dem Penis sitzen, verglichen: nut of a mans yard.
— Hahnen-
klöten nennen die Landleute an einzelnen Orten eine
gewisse Sorte
übelschmeckender hodenförmiger Kartoffeln. — Hahnenklote
heißt
auch der Safransapfel.
Auch die Früchte mancher Pflaumensorten (Prunus
domestica
var.) werden mit den Hoden (auch mit Zitzen) verglichen,
so kannte
man im 16. Jahrhundert Bockshoden, Geißhoden und
Hengstpflaumen.
— Der blaue Trollinger Wein (Vitis vinifera) hieß im
Elsaß Bocks-
hoden, im Breisgau Mohrendutten, den Malvasier nannte
man wegen
der Größe seiner Beeren: Hammelshoden. Eine Mandelsorte
(Pru-
nus amygdalus) nannte man Hahnenhoden. Schon die alten
Phryger
sahen in den Mandeln Abbilder der Hoden und Symbole der
Zeu-
gungskraft; mancherlei Sagen weisen darauf hin. — Cornus
mas-
cula, die Cornelkirsche, hieß wegen ihrer Früchte auch
Hahnenhoden
(Nemnich), Sogar die unschuldige rote Preißelbeere,
Vaccinium vitis
idaea, hatte man zweideutig Peselbeere (Pesel = Penis)
genannt,
als ob ihre Beeren gleich Hoden am Penis wären. Die
Bocksbeere,
Rubus saxatilis, eine Art Brombeere, heißt in Graubünden
Hunds-
hödlein. Eine Erbsenart (Pisum sativum var.) benannte
man Hodel-
erbse.
Das Bengel- oder Bingelkraut, Mercurialis perennis,
wird wegen seines Samens „Hödling" genannt. Bock sagt,
daß je
2б Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
zwei und zwei runde Körnlein wie zwei Hödlein
nebeneinander in
kleine Häutlein verschlossen liegen und der Samen
aufspränge wie
beim Rettich. „Etliche fabulieren, wenn man das
weibliche Bengel-
kraut zerstoße und den Weibern nach ihrer Reinigung in
die Macht
(Vagina) lege, sollten sie Maidlein gewinnen und
hinwiederum das
männliche Bingelkraut dahin gelegt, sollten sie Knäblein
gebären,
doch daß sie auch stets über diese Kräuter trinken". Es
ist dies
schon ein Aberglaube bei den Alten, da sie aber die
weibliche
Pflanze irrig als mas und die männliche foemina nannten,
war es
um so lächerlicher, daß der irrig so genannte mas zur
Erzeugung
von Knaben und die foemina zur Erzeugung von Mädchen
dienlich
wäre. Übrigens scheint der Name Hödling mehr im Elsaß
gebräuch-
lich gewesen zu sein.
Der Name „Pimpernuß", Staphylea pinnata, wird
übrigens
auch vom Volke, wenigstens in Thüringen, als eine
Anspielung auf
die Hoden, die Nüsse beim Pimpern, Bimbern (= coire)
angesehen.
Der Fruchtknoten hat drei verwachsene aufgeblasene
Samenkapseln,
in deren jeder zwei runde, steinharte Samen liegen. Eher
hängt
der Name wohl mit pimpern = rasseln wegen des harten
Samens
zusammen.
Ebenfalls wegen der Gestalt des Samens heißt
Coriandrum
testiculatum der „Hodenkoriander". Die Pflanze riecht
wie
das Coriandrum majus arg nach Wanzen. Da sie aber nur in
süd-
lichen Ländern wild auf den Feldern wächst, spielt sie
in den Be-
nennungen unseres Volkes keine Rolle.
Dagegen wird die Hagerose, wilde Rose, Rosa canina
wegen
ihrer eirunden rötlichen Früchte (Hagebutten) auch
Hagehödchen,
genannt (verderbt in Hahnehödchen, Hanehödchen). Sie hat
auch
sonst noch merkwürdige Namen: Arschkitzel, Arschkritzel,
Arsch-
kratzel, offenbar wegen des medizinischen Gebrauchs und
der Wirkung
ihrer Früchte.
Wegen ähnlicher roter ovaler hodenförmiger Früchte,
heißt die
gewöhnliche Berberize, Berberis vulgaris, Hahnenhödel,
im
Osterreichischen an der Enz aber auch Zitzerl (also mit
Saugwarzen
verglichen).
Die alte Bezeichnung Schellen fur Hoden, die da
schellenförmig
herabhingen, findet sich noch in einigen Pflanzennamen,
so heißt
die Orchis Schellenbube (Hodenbube). Toxites nennt die
Orchis
auch Kullekenkraut, die Kulleken (Kügelchen) sind die
Hoden wegen
ihrer kugelhaften Gestalt; im Angelsächsischen heißt die
Orche Ball-
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
27
chenwurzel, bealloc wurt, bealloc, bällche bedeutet
die Hoden. Die
Wurzeln der Schwertlilie, Iris pseudacorus, erinnern
ebenfalls
an Schellen, Hoden, und so wird die Pflanze in der Mark
Schellen-
blume getauft. Sonst werden die Wurzeln auch mit
Schlotten,
Zitzen versehen. Lilium martagon, die Türkenbundlilie,
heißt
wegen ihrer Wurzeln Bernhardshödlein. Schon die Alten
sahen in
den Lilienwurzeln bald eine Hoden-, bald eine
Penisähnlichkeit, so
nannten sie die Fritillaria pyrenaica, eine Art
Schachblume,
wegen der Gestalt ihrer penisartigen Knollen
лсіаліоход = den
kleinen Penis. Diese wurden als Liebesmittel benutzt, da
sie die
Begierde heftig erregen sollten.
Wegen der kugelrunden Samenkapseln wird bei Toxites
der
Ackergauchheil, Anagallis arvensis, Maushödlein benannt.
Man vermutete in diesem Kraut eine Kraft gegen
Melancholie, da-
her die Namen: Gauchheil, Narrenheil, Geckenheil,
Jochheil, Ver-
nunft- und Verstandkraut.
Die mit diesem verwechselte Vogelmiere, Stellaria
media,
nennt man in Schlesien Zieselkraut, Zirselkraut. Der
Zirsel ist das
männliche Glied ahd. zërs, ags.: tëors, mhd.: zisel.
Graßmann (deutsche
Pflanzennamen) weist auf das altindische drsat, drs =
Penis hin.
So hieß ursprünglich im Altindischen der untere der
beiden Mühl-
steine, zwischen denen die Gerste gemahlen wurde. Dieser
hatte
wahrscheinlich in der Mitte eine Erhöhung, die genau in
die ent-
sprechende Vertiefung des oberen Steines (Cipalà) paßte.
Ein Ver-
gleich mit dem Coitus lag den sinnlichen Indern hier
sehr nahe.
Das Wort kommt also ursprünglich von dar = Durchbohren,
drçat
= der Durchbohrende. Dann bedeutet es auch wie unser
Horn
einen hervorragenden Fels. Die Pflanze hat eine
hornartige Spitze
der Kapsel, daher heißt sie auch ,,Hornkraut". Horn und
Penis
werden oft mit einander verglichen.
Die große blütengelbe Blume der Trollblume, Trollius
euro-
paeus, die da aus zwölf bis vierzehn Blättern besteht,
die kugel-
und eiförmig zugeschlossen sind, haben ihren Namen
Pfingsthödchen
(sie blüht zu Pfingsten) vereinzelt bewirkt.
*
Die Formen der weiblichen Geschlechtsteile erkannte
das Volk,
wie wir sahen, in einigen Pflanzen der Orchis- wie der
Gymnan-
deniaarten. Die zwei fleischigen Wurzeln stellte man
sich als
28
Erotische Pflanzenbenennimgen im deutschen Volke
weiße breite Frauen- oder Mädchenschenkel vor, war
aber ein kleiner
wurzelhafter Auswuchs vorn an ihnen (= Penis), so wurde
die Pflanze
als Männlein gekennzeichnet. Andere Berichte lassen die
Volks-
vorstellung so erscheinen, daß die knollenbaften
Orchideen als männ-
lich, die platten, bandförmigen als weibliche gelten und
man verglich
diese direkt mit der Vulva.
Auch der Atropa mandragora, der berühmten Alraun-
wurzel, schrieb das Volk männliche und weibliche Gestalt
zu. Ur-
alter sexueller und üppig wuchernder Volksglaube knüpft
sich an
diese Pflanze. Die Griechen sahen in ihr eine
Zauberwurzel,
die schon Circe benutzt hatte (= Circala), um die
Menschen
in Schweine zu verwandeln. Pythagoras, Dioscorides und
Plinius
vermehrten ihren Ruf. Man glaubte auch, daß die Wurzel
Dudaim,
aus welcher Laban Hausgötzen schnitzte, jene Mandragora
gewesen
sei. Auch die Jungfrau von Orleans soll solchen
Hausgötzen be-
sessen haben. Meist stellte man sich die Wurzel männlich
vor (der
Alraun, Alräunchen, Alraunmännchen, Galgenmännchen,
Glücks-,
Geldmännchen, Erdmännchen, Wichtelmännchen, Heil-,
Heinzelmänn-
chen; Holl.: Pisdifje = Harndiebchen). Man betrachtete
sie als heil-
bringende Hausgottheit, sie wurde sorglich gepflegt,
sollte der ver-
schwiegenen Besitzerin Glück bringen, den Frauen Kinder
und glück-
liche Geburt verschaffen. Quacksalber und Landstreicher
stutzten
aber Alraunwurzeln aus der Bryonia zusammen, wie
Matthioli er-
götzlich beschreibt, und verkauften sie leichtgläubigen,
unfruchtbaren
Frauen um vieles Geld. Die Wurzel wurde im Trünke
eingenommen,
um schwanger zu werden, und zwar bewirkte ihre männliche
Gestalt
einen Knaben, ihre weibliche ein Mädchen, daher heißt
sie auch
„Kindleinkraut". Aber auch zu Liebetränken wurde sie
frühzeitig
verwendet: Aphrodite heißt Mandragoritis. Die vielen
anderen
Sagen und Märchen über diese Pflanze zu erzählen, liegt
außerhalb
dieser Abhandlung, die nur den sexuellen, erotischen
Untergrund
betonen sollte. — Man unterscheidet in der Tat zwei
Alraunwurzeln:
Mandragora vernalis und Mandragora autumnalis. Die erste
sieht
der männlichen Gestalt, die zweite der weiblichen
ähnlich. Matthioli
sagt darüber: „Es ist ein Kraut, dessen Wurzel den
Menschen unter-
halb des Nabels gleich siehet und sonderlich an den
Beinen." Bei
den männlichen sind die oft armdicken Wurzeln in der
Mitte in
zwei Schenkel geteilt, ein wurzelförmiger kleinerer
Ansatz stellt den
Penis dar, das weibliche dagegen hat zwei oder drei in
einander
verschlungene Wurzeln ohne Penisansafz.
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke
29
Pfanzen, die in der Form ihrer Blüte oder Frucht oder
Wurzel
in der Volksbotanik mit dem weiblichen Geschlechtsteil
verglichen
werden, sind selten. Ich erwähne die ausländische
Clitoria, der
Jungfernkitzel", „die Kitzlerblume", „die Clitorisblume"
(holländ.:
Kittelbloem, engl.: the clitoria, frz. la clitore,
ital.: clitoria). Es ist
dies eine mit der Glycine verwandte Pflanzengattung, in
Cochinchina
und Süd- und Ostasien einheimisch. Dort heißt sie Bokyma
Kotell
= clitoris principissae. Die Blume soll durchaus das
Bild der weib-
lichen Genitalien wiedergeben.
Hundsscham (verderbt: Hundsschwamm) nennt man einen
Baum in Ostindien, Cynometra cauliflora. Die Frucht läßt
sich
mit dem Zeugungsglied einer Hündin vergleichen, daher
der Name
xvvoç fflTrjç. Holländisch heißt
sie teefjes. Klink.
Maidblume heißt eine exotische Pflanzengattung
Parthenium
(holl. Maagdebloem). Ihre eine Art hat den Beinamen
hysterophorus
nach der Gestalt ihres Samengehäuses.
Auch der alte Name des Zweizahn, Bidens tripartitus,
„Fotzenigel" mag auf äußere Gestaltung der Frucht
zurückgeführt
werden können. Zweizahn heißt die Pflanze wegen des
gleichgranigen
Achenen. Der Samen hat an beiden Seiten kleine Häkchen
und
hängt sich an die Kleider des Vorbeigehenden an, daher
der
Name „Igel" (Stacheler), der in Verbindung mit der Fotze
an
rauhe stachliche Schamhaare erinnern möchte, wenn nicht
viel-
mehr mit Fotz = Troddel, Zottel, ein Zusammenhang
gesucht werden
müßte.
Sicher ist das bei der Anemona alpina, Alpenanemone,
der Fall, die wegen ihres haarigen Fruchtstandes
„Fotzabaesa" oder
auch „Fotz" (St. Gallen in Ober-Toggenburg) heißt. Da
aber im Schwei-
zerischen Fotz, Fötzli, Troddel, Queste, Zotte bedeutet,
wird man
den Namen in Zottelbesen umdeuten müssen. Die Vulva
heißt Futz,
Fützli.
Fotzenmaul, Fotzenmäuler heißt die Knautie, Knautia
arven-
sis, im Österreichischen. Den Grund kenne ich nicht. In
Schlesien
hat die Pflanze den Namen „Nonnenkleppel".
Carrichter erwähnt in seinem Kräuterbuch (Straßburg
157О den
Namen „Unserer Frau Fötzel" für Viola tricolor, das
Stiefmüt-
terchen, während die Blume in Tirol „Frauenschücherl"
benannt
wird.
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Reiche.
Über „Fotzwein" und „Fotzzwang" ist schon oben unter
Se du m
Telephium abgehandelt worden.
Faule Futen, Fuli Fudes, Fude (Unterelsaß) ist ein
volkstüm-
licher Name für die Herbstzeitlose, Colchicum autumnale.
Die
Benennung ist ein Schimpfwort wie Hundsfott
(Hundsfotze); hier
humoristisch auf eine Pflanze angewendet. Faule Fotzen
sind Faule
Dirnen, faule Mädchen, indem das Volk wie so oft die
Pars (den
charakteristischen Teil) pro toto verwendet. In
Reutlingen wird die
Pflanze Mockel (= Vulva) genannt. Mockel, Meuchel
bedeutet das
Verborgene (pudenda). Die merkwürdige Pflanze, die da im
Herbste
die Blüten ohne Blätter treibt, im Frühjahr die Blätter
bekommt
und den Samen reift, erregte frühzeitig Phantasie und
Witz des
Volkes. Man sah in ihr eine Docke (Puppe, Jungfer) wie
in gewissen
anderen Pflanzen, und da sie gewissermaßen nackt, ohne
Blätter
emporsproß, benannte man sie „nackende Jungfer"
(Bremen), „nackte
Jungfer" (Franken, Böhmen), „Nackarsch" (Eifel bei
Alenahr), und
wegen ihrer Faulheit, daß sie so spat erscheint: „Nackte
Hure"
(Thüringen, Franken, Salzburg), „Faule Fotzen" (Elsaß).
— Wegen
der Frucht die einer Kuhtütten nicht ungleich sei
(Fuchs), heißt sie
auch, „Kuheuter", „Kuhdutte" (Elsaß), „Kühschlotten"
(Henneberg);
auch mit den Hoden wird die Frucht verglichen:
„Hundshoden",
„Hemdenbeutel". Die Pflanze wird auch als Kiltblume in
der Schweiz
benutzt.
Das Wort Kutte bezeichnet das Gewand als auch das,
was sich
unter ihm verbirgt (= Vulva); aber wohl in erster
Beziehung ist
der Name „Nonnenkutte" bei Fumaria officinalis,
Erdrauch, zu
verstehen, anders dagegen die Namen Fettkuttje und
Fettkutt bei
Senecio viscosus, klebriges Kreuzkraut, und Senecio vul-
garis, Gemeines Kreuzkraut. Sexuelle Beziehungen deuten
die
anderen Bezeichnungen Krötenkraut (Kröte — Gebärmutter),
Ber-
wurz, Machtheil (die Macht = Vagina), Mägdehülle. In
Oldenburg
und Bremen heißt Senecio vulgaris auch Fettlok. Die
kleinen gelben
Blumenknöpfchen dieser Pflanze füllen sich bald mit
haarichten
Samen an.
Kuttel und Küttel ist die Deminutivform von Kutte (=
Vulva).
Man kann daher das Kuttelkraut, Artemisia abrotanum,
getrost
als Vulvakraut deuten, wenn man die zahlreichen anderen
erotischen
Bezeichnungen dieser Pflanze vergleicht; und braucht sie
nicht als
Kuttel- oder Gedärmkraut zu erklären, weil man dieses
Kraut als
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
Gewürz in das Füllnis der Würste und Gänse tut.
Artemisia abro-
tanum, der Stabwurzbeifuß, ist eine der berühmtesten
erotischen
Pflanzen der Deutschen. Sie wurde zu Johanni, zur
Sonnenwend-
feier von den Frauen am Schambug getragen, um diesen
fruchtbar
zu machen, daher der Name Beifuß oder Gürtelkraut,
Gurtkraut.
Dasselbe bedeuten Bezeichnungen wie Schloßkraut,
Schloßwurz (das
Schloß (schliessen) = Vulva), Kindelkraut (indem es
fruchtbar macht),
ferner Gartheil, Gertwurz, Gartenheil (Gerte, Rute =
Penis),
Andere Frauenschloßkräuter sind Eupatorium
cannabinum,
hanfartiger Wasserdost, das Kunigundenkraut, Kunigunde
ist
die Patronin der Gebärenden (cf. Kunigundengürtel), auch
Manns-
kraft, Mannsliebe genannt; ferner Epilobium palustre,
Sumpf-
weidenröschen. Auch Anthyllis vulneraria, der gemeine
Wundklee, wird in Graubünden Frauenschlößli genannt.
Dagegen beruht die Benennung „Schamwurz", Beiname des
Symphytum officinale, der Beinwurz, offenbar auf einem
Miß-
verständnis. Die Pflanze hat ihren Namen von ovfi<pvœ
= zusammen-
wachsen, da sie wegen ihres vielen Schleims zu
Umschlägen bei
Knochenbrüchen vielfach angewendet ward. Man mißdeutete
aber
ovftpvoiç als die Schamfuge, die Vereinigung der
Schambeinknochen
und nannte die Pflanze „Schamwurz".
Eine andere Bezeichnung der Vulva ist die Pompei,
Pampel,
Pumpel, offenbar ein Schallwort (die Vulva, die mit der
Lebensrute
geschlagen wird?). Wir haben den Bezug auf die Pompei in
der
Pompelblume, Taraxacum officinale, die wir schon als
Pampelblume
(Pampel = Penis) kennen gelernt hatten. Sie heißt so
wegen ihrer
harntreibenden Kraft, vergleiche die anderen Namen:
Seichblume,
Seicherin (Schwaben), Pissenlit, holländ. pis in t' bed.
— Aus rein
erotischem Sinne heißt der Steinfarren, Chrysanthemum
tana-
cetum, in Schlesien „Pompelblume". Das Kraut wurde wie
der
Beifuß am Schambug, in der Nähe der Pompei von den
Frauen ge-
tragen; es galt als befruchtendes Liebes- und
Zauberkraut. — Ob
die Pompe, die Spritzgurke, Momocordia elateria mit
Pompe,
Pumpe (= Vulva) Beziehung hat, sei dahingestellt. Sie
kann den
Namen wegen des feuchten Inhalt ihres Fruchtkörpers
fuhren. Es
ist eine Pflanze in Südeuropa, die mit der Gurke einige
Ähnlichkeit
hat. Wenn ihre reifen Früchte nur ein wenig berührt
werden, so
werfen sie federschnell nebst den glänzend schwarzen
Samenkörnern
einen stinkenden Saft von sich. Aus den Früchten wird
ein stark
purgierendes Mittel gewonnen. •
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
Dagegen ist der Name fiir den stinkenden Gänsefuß,
Che-
nopodium vulvaria, „Fotzenkraut", von altersher fast
über ganz
Deutschland verbreitet und noch heutigen Tages in
Gebrauch. Der
Geruch dieses Krautes, der auffallend ähnlich dem der
„Fotze" ist,
führte offenbar dazu. Schon bei Bock heißt es: „Die
Mistmilte
wächst auf Hofstätten, da der Mist einige Zeit gelegen
hat. Es
sollen die Jungfernknecht solch Kräutlein stets des
Geruches halber
bei sich tragen. Es mag dieser stinkende Heinrich wohl
das Thoricht
Blitum sein, davon Plautus schreibt im Truculento:
Blitea meretrix,
eine stinkende Hur." — Im Departement Seine inférieure
und bei
Rouen nennt man dieses Fotzenkraut auch coniô (nach con
= cun-
nus), weil sein Geruch vollkommen mit dem der weiblichen
Geni-
talien übereinstimme. In Italien nennt man es connina
oder erba
connina, im Mailändischen erba merda (Kotkraut). Im
Deutschen
sind die sexuellen Namen der Pflanzen sehr zahlreich:
Bocksmelde
(Schlesien), Bockskraut, Buhl-, Fühl-, Wühl- und
Wuhlkraut (entstellt
aus vulvaria), Fatzenkraut (Schlesien), stinkende Hure
(allgemein in
Schlesien, Sachsen, Thüringen), Schamkraut (Sachsen),
Mauzenkraut
(Schlesien, mauze = Vulva). — Über diese Namen will ich
be-
merken, erstens, daß die Mehrzahl von ihnen direkt auf
die Vulva
weisen, und daß man im Anschluß daran die Pflanze auch
„stinkende
Hure" nannte, da man glaubte, daß die Huren wegen ihres
Gewerbes
besonders sexuell nach der Vulva riechen; zweitens, daß
man deut-
lich den Zusammenhang der Bocks- und
Sexualvaginalgerüche im
Volke erkannte. Die Pflanze riecht sehr übel nach faulen
Heringen
und hat einen eckelhaften, etwas salzigen Geschmack. Sie
hat Am-
moniak und verflüchtigt sich als Ammoniakgas. — Man hat
die
Pflanze auch in der Medizin verwendet: „Wegen des
stinkigen Ge-
ruchs hat man den Gebrauch bei der Mutterbeschwerung
empfohlen
und es läßt sich leicht vermuten, daß einigen Weibern
dieser Ge-
stank angenehm und bei Nervenkrankheiten zuträglich sein
möge.
Man empfiehlt besonders die daraus zubereiteten
Klystiere; Tourne-
fort lobt die mit Branntwein davon verfertigten Essenzen
in ähn-
lichen Krankheiten (cf. Neuer Schauplatz der Natur,
Leipzig 1777,
Band V).
Zuletzt mögen ein paar Gliedkräuter erwähnt werden.
Das Wort
„Glied" hat im Volksgebrauch stets einen medizinischen
Beigeschmack,
wenn es von der Vulva oder dem Penis gebraucht wird, so
wenn
der Phallus impudicus, „Gliedschwamm", benannt wird. Die
Wirkungen der Gliedkräuter sind entweder Stillung von
Gebrechen
Erotische Pfanzenbenennungen im deutschen Volke.
33
an heimlichen Orten, Förderung resp. Stillung der
Menstruation,
Heilung von weißen Flüssen oder Kräftigung und Reizung
des Penis
und der Vulva.
Ein berühmtes Gliedkraut ist die Roßnessel oder der
Andorn,
Stachys annua und recta. Bock berichtet von beiden, daß
ihre
Blätter in Wein oder Wasser gesotten, die verstopfte
Gebärmutter
öffnen, Nachgeburt austreiben, die Mutter reinigen, die
Blume fordern.
Man nimmt auch dieses Kraut bei Gebärmutterschmerzen,
und das
Pulver dieser Pflanze heilt die Feigwarzen. Andere Namen
sind
Zieß, Schieß, Zeisgen, Zeischenkraut (Harz, Thüringen,
Schlesien),
die allesamt mit Zeisig (dem Vogel) zusammenhängen.
Ein anderes Gliedkraut ist Sideritis hirsuta, das
auch den
Namen Zeischenkraut führt, ebenso Sideritis scordides,
der Berg*
zieß, Bergzeisgenkraut. Die Sideritispflanzen sind
früher mit den
Stachysarten verwechselt worden. Stachys recta, sowie
Sideritis
romana mögen wohl schon dem Herakles, dem großen
Menschen-
wohltäter, zugeschrieben worden sein. Ihr medizinischer
Gebrauch
ist sicherlich uralt.
Daß der Name der vier Pflanzen in der Tat auf das
„Glied*1
zu deuten ist, zeigen auch andere Benennungen, die
ihre medizinische
Natur offenbaren: Berufkraut, Beschreikraut, Wundkraut.
— Es gibt
aber eine Anzahl „Gliedkräuter", die aus einem ganz
äußerlichen
Grunde, wegen der vielen Stengelglieder „Glied-, Lied-,
oder irrig
Liebkraut1' heißen. Die Arten Galium, Silène
und selbst der Wald-
meister (Asperula oderata), wie wohl auch die Schafgarbe
(Achillea
millefolium) sind dahin zu rechnen.
Die vielen „Mutterkräuter", auch Bär- und
Krötenkräuter ge-
nannt, (Gebärmutterkräuter), ebenso Frauen-, Weiber-,
Jungfern-,
Mägdekräuter), sind Benennungen rein medizinaler Natur,
ohne jeden
erotisch sexuellen Beigeschmack. Sie fallen daher aus
dem Rahmen
dieser Betrachtung heraus.
Alphabetische Übersicht.
Alraunmännchen (Mandragora vernalis).
Alraunweibchen (Mandragora autumna-
jora vernalis). Bocksgeil (Orchis bifolia).
ora autumna- Bocksgeil (Aceras hircina).
nalis).
Bällchenwurz (Orchis).
Beifuß (Artemisia abrotanum).
Bernhardshödlein (Lilium martagon).
Biberhödchen (Ranunculus ficaria).
Bockshoden (Prunus domestica var.j.
Bockshoden (Vitis vinifera, blauer Trol-
linger).
martagon). Bockshödlein (Orchis bifolia).
> ficaria). Bockskraut (Chenopodium vulvaria).
Krauss, Anthropophyteîa IV.
34
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
Bocksmelde (Chenopodium vulvaria),
Bocksorche (Aceras hircina).
Braunmadam (Sedum album).
Brunstkugel (Phallus impudicus).
Buhlkraut (Chenopodium vulvaria).
Bullenpäßke (Typha latifolia).
Bullenpantsch (Typha latifolia).
Bullenpesel (Typha latifolia).
Ciitorisblume (Clitoria).
Deutelkolben (Typha latifolia).
Dittelkolben (Typha latifolia).
Dreizackstendel (Aceras hircina).
Drippmadam (Sedum album),
Drippmadam (Sedum reflexum).
Duttenkolben (Typha latifolia).
Eichelschwamm (Phallus impudicus).
Eichelschwamm (Phallus esculentus).
Erdgeile (Orchis bifolia).
Faselwurz (Bryonia alba).
Fatzenkraut (Chenopodium vulvaria).
Fettkutt (Senecio vulgaris).
Fettkutje (Senecio vulgaris).
Fettlock (Senecio vulgaris).
Fiselwurz (Bryonia alba).
Fotz (Anemone alpina).
Fotzabäsa (Anemone alpina).
Fotzen, faule (Colchicum autumnale).
Fotzenigel (Bidens tripartitus).
Fotzenkraut (Chenopodium vulvaria).
Fotzenmaul (Knautia arvensis).
Fotzenmäuler (Knautia arvensis).
Fotzwein (Sedum Telephium).
Fotzzwang (Sedum Telephium).
Frauenfötzel (Viola tricolor).
Frauenschlößli (Anthyllis vulneraria).
Fuchshödlein (Orchis bifolia, latifolia
etc.).
Fühlkraut (Chenopodium vulvaria).
Fude (Colchicum autumnale).
Fudes, fuli (Colchicum autumnale).
Futen, faule (Colchicum autumnale).
Gartwurz (Artemisia abrotanum).
Gartenheil (Artemisia abrotanum).
Geilwurz (Orchidaceae).
Geilwurz (Archangelica officinalis).
Geilhödlein (Aceras hircina).
Geißhoden (Prunus domestica var.).
Gertwurz (Artemisia abrotanum).
Gliedkraut (Stachys annua).
Gliedkraut (Stachys recta).
Gliedkraut (Sideritis hirsuta).
Gliedkraut (Sideritis scordides).
Gurtkraut (Artemisia abrotanum).
Gürtelkraut (Artemisia abrotanum).
Hagehödchen (Rosa canina).
Hahnebolten (Iris pseudacorus).
Hahnenhoden (Cornus mascula).
Hahnenhoden (Prunus amygdalus).
Hahnehödchen (Rosa canina).
Hahnenhödlein (Evonymus europaeus).
Hahnenhödel (Berberis vulgaris).
Hahnenklödchen (Evonymus europaeus).
Hahnenklödenblume (Colchicum autum-
nale).
Hahnenklößchen (Evonymus europaeus).
Hahnenklöster (Evonymus europaeus).
Hahnenklöte (Kartoffelsorte).
Hahnenklote (Saffranapfel).
Hammelshoden (Malvesierweinbeeren).
Haseneier (Evonymus europaeus).
Hasenhoden (Orchis bifolia).
Hasenkullen (Orchis mascula).
Harlekin, männlicher (Orchis mascula).
Heiratskraut (Orchis mono).
Heiratswurzel (Orchis bifolia).
Hemdenbeutel (Colchicum autumnale).
Hengsthodenpflaumen (Prunus domesti-
ca var.).
Herrenzipfel (Myosurus minimus).
Hexenei (Phallus impudicus).
Hirschbrunst über der Erde (Phallus
impudicus).
Hödling (Mercurialis perrennis).
Hodenkoriander (Coriandrum testicula-
tum).
Höswuchs (Orchidaceae).
Höswurz (Orchidaceae).
Hundsscham (Cynometra cauliflora),
Hundshoden (Colchicum autumnale).
Hundshödlein (Rubuß saxatilis).
Hundsrute (Cynomorium coccineum).
Hure, nackte (Colchicum autumnale).
Hure, stinkende (Chenopodium vulva-
ria).
Jüngferli (Orchis muscifera).
Jungfer, nackte (Colchicum autumnale).
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
35
Jungfernkitzel (Clitoria).
Kannenhödchen (Ranunculus ficaria).
Kapuzinerzipfel (Impatiens nolitangere).
Katzenklötchen (Evonymus europaeus).
Katzenschwanz (Equisetum arvense).
Katzenzagel (Equisetum arvense).
Kil te (Arum maculatum).
Kiltblume (Arum maculatum).
Kiltblume (Colchicum autumnale).
Kindelkraut (Artemisia abrotanum).
Kitzlerblume (Clitoria).
Kläterbusch (Coryllus avellana).
Klöterbusch (Coryllus avellana).
Klöterjacob (Alectorolophoros crista
galli).
Klöterjochen (Alectorolophoros).
Klöterpot (Alectorolophoros).
Knabenkraut (Orchidaceae),
Knabenkrautmännlein (Orchis mascula).
Knabenkrautweiblein (Orchis morio).
Knabenhoden (Orchis mascula).
Kölbel (Orchis odoratissima).
Krötenkraut (Senecio vulgaris).
Kullekenskraut (Artemisia abrotanum).
Kuttelkraut (Artemisia abrotanum).
Machtheil (Senecio vulgaris).
Maidblume (Parthenium hysterophoros).
Mannskraft (Eupatorium cannabinum).
Mannsliebe (Eupatorium cannabinum).
Maushödlein (Anagaliis arvensis).
Mauzenkraut (Chenopodium vulvaria).
Menschenophrys (Ophrys anthropofera).
Mockel (Colchicum autumnale).
Morioweiblein (Orchis morio).
Nackarsch (Colchicum autumnale).
Narrenhoden (Orchis).
Narrenkolben (Typha latifolia).
Nonnenkutte (Fumaria officinalis).
Ochsenklöten (Centaurea scabiosa).
Pampelblume (Taraxacum officinale).
Papenkule (Typha latifolia).
Papenklöten (Centaurea scabiosa).
Papenpint (Arum maculatum).
Papenpint (Equisetum arvense).
Papenpitten (Arum maculatum).
Papenpitten (Equisetum arvense).
Papenwörtel (Arum maculatum).
Pappenstil (Typha latifolia).
Peselbeeren (Vaccinium vitis idea).
Pfaffenhödchen (Evonymus europaeus).
Pfaffenhödlein (Ranunculus ficaria).
Pfaffenpint (Arum maculatum).
Pfaffenpint (Equisetum arvense).
Pfaffenröhrle (Taraxacum officinale),
Pfaffenröhrlein (Leontodon proteifor-
mis).
Pfaffenrute (Vincetoxicum officinale).
Pfaffenstil (Taraxacum officinale).
Pfaffenzągel (Arum maculatum).
Pfaffenzink (Arum maculatum).
Pfingsthödchen (Trollius europaeus).
Pfyffenpint (Arum maculatum).
Pimpernuß (Staphylea pinnata).
Pint (Arum maculatum).
Pint (Orontium aquaticum).
Pint (Equisetum arvense).
Pintchen (Phallus impudicus).
Pissenlit (Taraxacum officinale).
Pompe (Momocordia elateria).
Pompelblume (Taraxacum officinale).
Pompelblume (Chrysanthemum tanace-
tum),
Priesterpinsel (Arum maculatum).
Pummeldutschen (Typha latifolia),
Pumpesel (Typha latifolia).
Ragwurz (Orchidaceae).
Ragwurz (Bryonia alba).
Rammenhödlein (Ranunculus ficaria).
Riemenstendel (Aceras hircina).
Rute (Arum maculatum).
Rutenmorchel (Phallus impudicus).
Rutkopp (Sanguisorba officinalis).
Sammetweiblein (Ophrys muscifera).
Schamkraut (Chenopcdium vulvaria).
Schamloser Schwamm (Phallus impudi-
cus).
Schamwurz (Symphytum officinale).
Schellenbube (Orchis).
Schellenkraut (Iris pseudacrius).
Schloßkraut (Artemisia abrotanum).
Schloßkraut (Epilobium palustre).
Schloßkraut (Eupatorium cannabinum).
Schioßwurz (Artemisia abrotanum).
Schoßkraut (Artemisia abrotanum).
Schwanzmorchel (Phallus impudicus).
Seichblume (Taraxacum officinale).
Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.
Seicherin (Taraxacum officinale).
Stabwurz (Orchis).
Stabwurzbeifuß (Artemisia abrotanum).
Staubarsch (Bidens tripartitus).
Stubarsch (Bidens tripartitus).
Steh auf (Orchis morio).
Stendel, stinkender (Aceras hircina).
Stendelwurz (Orchidaceae).
Stertmorchel (Phallus impudicus).
Teufelsei (Phallus impudicus).
Trippmadam (Sedum reflexum).
Trippmadam (Sedum album).
Tuttelkolben (Typha latifolia).
Venusblume (Orchis bifolia).
Wuhlkraut (Chenopodium vulvaria).
Wühlkraut (Chenopodium vulvaria).
Wullenpeseke (Typha latifolia),
Zieselkraut (Stellaria media).
Zirselkraut (Stellaria media).
Zumpenkraut (Sedum acre).
Zumpenkraut (Sedum Telephium).
Zunzenkraut (Sedum acre).
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
L Zeitehen in lïorddalmatieii l\
Von Dr. Alexander Mitrovic.
Auf Jahrmärkte, auf Volks- oder Kirchenfeste fuhren
die Mütter
ihre reifen Töchter zur Beschau für die Burschen hin.
Zur Beschau
erscheinen auch junge Witwen. Es finden sich auch
Mädchen ein,
die es wohl de iure, doch nicht mehr de facto sind, weil
sie ihre
Jungferschaft bereits durch eine vorangegangene
Verehelichung ver-
loren haben. Jede solche Jungfer oder jedes Mädchen oder
die Witwe
— zu welcher Kategorie eine gehört, erkennt man nach der
Kopfbe-
deckung (kapa oder śubara) — trägt am Leib ihren gjendar
oder
gendar.
Auch dieses Wort gjendar oder gendar war dem
Lexikographen
Karadzic nicht in der Bedeutung bekannt, in der man es
in Nord-
dalmatiën gebraucht Gendar erwähnt er gar nicht, unter
gjendar
aber steht zu lesen: siehe gjerdan. Gjerdan erklärt er
mit monile (lat.):
.Einen Gjerdan tragen Frauen und Mädchen um den Hals;
sie sind
aus verschiedenen Geldstücken oder aus Perlen, oder
böhmischen
Korallen usw. zusammengesetzt.'2)
In Norddalmatien besitzt gjendar oder gendar eine
völlig andere
Bedeutung. Das ist die Aussteuer, die eine Jungfrau, ein
Mädchen
oder eine Witib in Bargeld dem Burschen zubringt, der
sie heiraten
oder an den sie sich ausheiraten wird. Den Gjendar oder
gendar hat
1) Dieser Bericht erschien in einer etwas anderen
Form zuerst serbisch im
Archiv za pravne і drustvene naukę, Knj. I. Bd. 6.
Belgrad 1906, unter der Uber-
schrift zenidba i udadba u sjevernoj Dalmaciji. Ich
verdeutsche ihn auf Wunsch
des Verfassers, um damit unsere Umfrage
einzuleiten. Krauss.
2) Vgl. Krauss, Sitte und Brauch der Südslaven, Wien
1885, S. 272 f. —
Das Wtb. der südslav. Akad. Agram 1887, S. 5, wiederholt
unter Beibringung
weiterer Belegstellen nur die Erklärung Karadzics. Das
türkische Lehnwort be-
deutet nichts für und nichts gegen den Brauch. Ehedem
hieß eine Halsschnur
slavisch ogrlica, wie aus Guslarenliedern hervorgeht. K.
38
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
man nicht mit der Mitgift (prćija, vom griech.
proikion) zu verwechseln,
die hier eine ganz andere Bedeutung wie gewöhnlich hat
Der Gjendar
besteht aus einem dicken Stoffutter, das zuweilen auch
ausgestickt ist
Das Weibsbild trägt es als ein Fürtuch in einem Stücke
über Hemd
und Kittel und es bedeckt sie von der Kehle bis unter
die Knie her-
ab. An diesen Stoff sind silberne Münzen von einer oder
von fünf
Kronenstücken angenäht Mit dem Auge kann man den Wert
eines
Gjendar, d. h. die Zahl seiner Silberstücke berechnen.
Ehe die Kronen-
währung in Österreich eingeführt worden, bestand der
Gjendar aus
Silberzwanzigern oder aus Talern. Damit die Zwanziger
und Taler
nicht vom Futter abfallen, war jedes Geldstück an zwei,
drei Stellen
durchlöchert. Durch diese Öhren waren Fäden gezogen, um
die Münzen
am Futter festzuhalten. Durch dies Verfahren verloren
die Münzen
an Geldwert, wenn man sie vom Gjendar loslöste, und in
den Ver-
kehr brachte. Jetzt geht man vorsichtiger zu Werke. Das
Geld bleibt
undurchlöchert. Man näht es einfach mit kreuzweis
gezogenen Fäden
aus Seide oder Zwirn an den Stoff an, so daß es festhält
und seinen
Kurswert nicht einbüßt.
Das dergestalt mit einem Gjendar herausgeputzte
Frauenzimmer
unterhält sich und spricht mit ihren Genossinnen. Tritt
ein Bursche
auf sie zu, dem sie zu Gesicht steht, so fuhrt er sie ab
und tanzt mit
ihr allein einen sogenannten Reigen (kolo). Ein
eigentlicher Reigen
ist es freilich nicht, weil den Tanz nur das Paar allein
auffuhrt So
vor den Augen der Mutter und mitunter auch des Vaters
einher-
tanzend, vereinbaren sie mit einander das erforderliche.
Die Haupt-
sache, die sie festsetzen ist die, daß der Bursche das
Mädchen noch
in derselben Nacht zu sich heimführen werde. Von dieser
Nacht
ab werden sie wie Mann und Weib leben, und sich
späterhin trauen
lassen!
So schaut bei uns die leidige Heirat und Ausheiratung
aus. Mit
Vorwissen und Billigung seiner Eltern fuhrt der Bursche
in sein Eltern-
haus ein Frauenzimmer ein, das ihm nicht einmal gut
bekannt ist
Die Eltern der Jungfrau oder des Mädchens — Witwen sind
in dieser
Angelegenheit bereits sui iuris — wissen davon und
heißen es gut
Hauptsache ist der Gjendar und das ius primae noctis. Es
trifft sich
mitunter, daß der Bursche das Mädchen sogar nicht im
geringsten
kennt Er erblickt an ihr 200 oder 300 Kronen am Gjendar
und es
erfaßt ihn Habgier nach dem Gelde. Ist das Weibsbild
jung und
schön, so spielt beim Burschen auch der Geschlechttrieb
mit Noch
in derselben Nacht führt er sie zu sich heim, ohne zu
wissen, wem
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
39
sie angehört oder von welcher Sippe sie herstammt.
Den Gjendar
nimmt der Bursche selbstverständlich sogleich an sich.
Ist der Bursche
noch gar zu jung und sein Vater noch am Leben, so sorgt
der schon
dafür, daß das Geld vom Gjendar nicht spurlos
verschwinde 1
In allem dem läge noch immer nicht das größte Übel.
Ließe
sich das auf solche Art und Weise zusammengekoppelte
Paar nach-
träglich gesetzmäßig trauen, so könnte man über das
Vorspiel noch
den Schleier des Vergessens breiten. Doch kam das nicht
jederzeit
vor. Die Folgen solcher Heiraten und Ausheiratungen sind
häufig
sehr verhängnisvoll
Unser Landmann in diesen Gebieten betrachtet das
Frauenzimmer
als ein höchst untergeordnetes Geschöpf. Vom Weibe
heischt er,
daß es fur ihn arbeite und ihm Nachkommen gebäre. Die
Wesen,
die sie gebiert, braucht der Bauer zur Feldbestellung,
zur Viehhütung
und sonstigen Dienstleistungen. Gebiert ihm das Weib
nicht und er-
weist sie sich als unfruchtbar, so taugt sie ihm nichts.
Die schweren Nachteile der untergeordneten
gesellschaftlichen
Lage ersieht man am deutlichsten bei unseren
Ausheiratungen. Der
Bursche kann oder mag sich aus verschiedenen Gründen
nicht gleich
trauen lassen, ehe er das Frauenzimmer nicht heimgeführt
hat. Er
will sie zu allererst ausprobieren. Er will sehen und
sich überzeugen,
ob sie eine Gebärerin sei oder nicht. Bringt sie ihm
Kinder zur Welt,
namentlich, wenn es Knaben sind, so läßt er sich mit ihr
auch trauen,
wofern er nicht vorher stirbt. Bringt sie keine Kinder
zur Welt, kann
und muß sie das Haus des Burschen räumen.
Das sind die schweren Folgen derartiger Heiraten und
Ausheira-
tungen. Entweder stirbt der Bursche ohne stattgefundene
Trauung
und er hinterläßt Kinder, oder er jagt das Frauenzimmer
davon und
schickt sie zu ihren Eltern heim.
Solang als die Zeitehe kinderlos bleibt, sind die
Folgen der Ehe-
auflösung nicht allzuschwer, denn es leiden nicht
unschuldige mit.
Der Bursche treibt das Mädchen weg, weil er ihrer schon
satt ge-
worden, oder es zwingen ihn Vater und Mutter dazu, wenn
sie merken,
daß keine Kinder dem Band entsprießen. Der Gjendar ist
gewöhnlich
bereits verbraucht oder es beschlagnahmten ihn der
Bursche und sein
Vater. Das auf diese Weise auf die Straße gesetzte
Mädchen sucht
sich zu rächen. Weder ihr, noch ihrem Vater oder ihrer
Mutter ist
es um den verlorenen Jungfernkranz zu tun. Das ist eine
vollkommen
nebensächliche Frage. Die Hauptsache ist, daß man ihr
ihren Gjendar
40
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
zurückstelle und daß sie dem Burschen oder dessen
Vater ein Fron-
geld (najam) für den Leibdienst herausreiße.
Bei diesem Worte muß einem der Verstand stocken
bleiben.
Unsere allerelementarsten Begriffe von Ehre und
Eheleben ge-
raten in Aufruhr. Ein vom Burschen davongejagtes Mädchen
fordert,
der Bursche soll ihr einen Dinglohn entrichten! Wofür
einen Ding-
lohn? Etwa für ihren Leibdienst und den abgenützten
Jungfernkranz?
Wie schon unser Bauer ein Frauenzimmer als ein
untergeordnetes
Geschöpf betrachtet, so erträgt das Frauenzimmer eine
derartige Er-
niedrigung, sozusagen mit Gelassenheit Das Weib zieht
nicht beim
Gatten ein, sie wird ihm nicht angetraut, sie ist nicht
seine Lebens-
gefahrtin, sondern seine Magd, die sich verdingt Das
Mädchen
heiratet man nicht an den Burschen aus, damit sie später
zu seiner
Genossin werde, sie geht zu ihm auf VerdingungI
Schmeisst er sie
hinaus, verlangt sie vom Burschen die Zahlung für den
Leibdienst!
Indessen, dieser Begriff herrscht nicht blos bei der
Ausheiratung
vor, er ist im Blute des Volkes auch bei der
gesetzlichen, kirchlichen
Trauung. Ein Weib, das in schönster Ordnung dem Manne
angetraut
worden, mit ihm eine große Nachkommenschaft gezeugt hat,
doch
mit ihm nicht leben kann, entweder, weil er sie
vernachlässigt und in
der weiten Welt herumstreift, oder sie haut oder mit
einer anderen
eine Liebschaft hegt, faßt den Entschluß, sich von ihm
scheiden zu
lassen. Sie rennt zu Gericht und zu Advokaten. Ihre
ersten Worte
sind: ,Er soll mir den Dienstlohn bezahlen, weil ich so
viele Jahre
lang ihm und seinen Kindern gedient habe4,
gleichsam als ob die
Kinder, die sie zur Welt gebracht, nicht auch ihre
Kinder wären.
In Prozessen um den Gjendar bei Trennung der Zeitehe
sieht
und hört man schauderhafte Wunderdinge. Selbst die
allerheiligsten
Geheimnisse des ehelichen Lebens gelangen in die
Öffentlichkeit Das
davongejagte Frauenzimmer, das keine Jungfrau mehr und
noch
keine Frau ist, erzählt frank und frei mit unerhörter
Kaltblütigkeit
ohne die geringste Spur von Schamgefühl im Gesichte von
allem
und jedem. Ihr schwebt vor Augen nur der Gjendar. Ob sie
nun
den Prozess um den Gjendar gewinnt oder verliert, sie
prozessiert
weiter, sie besteht auf ihrem Dienstlohn.
Und es gab Fälle, daß sie ihn zugesprochen erhielt!
Zwar nicht
bei unseren Richtern, die die Volksseele kennen. Ein
solches Mädchen
erhielt eine Schadloshaltung in Geld für ihren
Leibdienst erst in dritter
Instanz, beim Obersten Gerichthofe in Wien! Ehre und
Hochachtung
sei allen Urteilsprüchen dieses Obersten Gerichthofes,
doch sei es uns
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
41
immerhin gestattet, wenigstens ein Ausrufungzeichen
anzubringen,
wenn wir gewisser seiner Urteile gedenken!
In jüngster Zeit kam noch eine neue Mode in Schwang!
Hat der
Bursche sein Mädchen ohne jede begründete Ursache
davongejagt,
so verfolgt ihn das Mädchen auf dem strafgesetzlichem
Wege. Sie
hängt sich an den § 506 des Strafgesetzes, der einen
Mann bestraft,
wenn er ein Mädchen unter dem Versprechen der Trauung
verfuhrt
und sein Wort nicht einhält. Natürlich verurteilt das
Gericht den
Burschen zu einer Gefängnisstrafe, die er dann mit
stoischem Gleich-
mut übersteht Ist der Bursche vermögend oder Sohn
vermögender
Eltern, so verfolgt ihn das Mädchen auf dem
Zivilrechtwege um Er-
satz für die verlorene Ehre. Öfters wird der Klage auch
stattgegeben
und der dem Mädchen vom Schicksal versagte Bräutigam zur
Zahlung
eines bestimmten Bußgeldes für die verlorene Ehre
verurteilt
Das ist keine Ehre, sondern ein Jammer. Es handelt
sich nicht
um eine Wiederherstellung der bürgerlichen Ehre, sondern
lediglich
um Befriedigung eines Rachegefuhls und in erster Reihe
um den
Wunsch des davongejagten Mädchens, zu Geld zu kommen.
Sobald
ein solches Mädchen Geld erlangt hat, schmückt sie einen
neuen
Gjendar aus. Mit dem neuen Gjendar fuhrt ihre Mutter sie
neuerdings
auf Märkte zur Beschau. Zu Markte gabelt sie einen
anderen Burschen
auf. Er beweibt sie und sie heiratet sich an ihn aus,
obgleich der
Bursche weiß, daß sie vordem mit einem anderen gelebt
hat Darauf
schaut unser Landmann nicht, wenn nur der Gjendar
reichlich ausge-
schmückt ist
Zuweilen widerfährt dem Mädchen auch beim zweiten
Burschen
dasselbe, wie beim ersten. Das hat aber nichts zu
besagen. Die un-
moralische Tragikomödie erlebt nur eine neue Aufführung.
Man sucht
wieder das Gericht auf. Da gibt es dann wieder
Verhandlungen und
Urteilfällungen wegen des Gjendars, der Verdingung,
wegen des § 506
des Strafgesetzes, wegen verlorener Ehre usw. Das
Mädchen und
ihre Eltern fangen zuletzt wieder von vorne an. Man
fuhrt das Mäd-
chen neuerlich zur Beschau aus. Das Mädchen findet nun
zum dritten-
mal und später zum vierten und fünftenmal einen neuen
Burschen,
der sie ehelicht. Und so geht das weiter, solang bis sie
nicht auf
einen trifft, der sie sich auch auf gesetzlichem Wege
antrauen läßt,
nachdem er sich überzeugt, daß sie fur ihn taugt.
Dieser Vorgang hat immerhin noch seine erheiternden
Seiten, es
kommen jedoch auch Fälle vor, wo die Heirat und
Ausheiratung nicht
so glimpflich verlaufen, sondern darauf Jammer und
Tränen folgen.
42
Erbebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
Es wird z. B. das auf solche Art an einen Burschen
ausgeheiratete
Mädchen schwanger und vor der Geburt des Kindes stirbt
der Vater.
Da mag die vom Schicksal nicht bestimmte Schwiegermutter
von der
ihr vom Schicksal nicht bestimmten Schnur nichts wissen.
Sie haut sie
und jagt sie zum Haus hinaus. Sie versetzt ihr Fußtritte
in die Ein-
geweide und die anderen Haussöhne helfen ihr getreulich
dabei. Kommt
die Söhnerin, müd und matt von der Feldarbeit heim, um
mit dem zu-
künftigen Sprossen des Hauses unter ihrem Herzen der
Ruhe zu pflegen,
so schlägt man vor ihr die Türe zu. Man martert sie mit
Hunger
und Durst. Endlich wird der Unglückseligen ein solches
Dasein zur
Last Sie kehrt dann in ihr Elternhaus zurück. Was
geschieht mit
dem Kinde? Die alltägliche Erfahrung lehrt uns zur
genüge, wie der-
artige elende und unglückliche Kinder geraten.
In solchen Fällen offenbart sich die Verderbtheit und
Sittenlosig-
keit auch noch auf eine andere Weise. Stirbt der Bursche
und hinter-
läßt er das Mädchen in gesegnetem Zustande, so springt
ihr ihre Sipp-
schaft hilfreich bei. Man erzeugt ein falsches
Testament. Drei Zeugen
der angeblich mündlichen Testamenterklärung des
Verewigten, schwö-
ren vor Gericht, der Verblichene hätte dem Mädchen oder
dem zu
erwartenden Kinde seine gesamte Habe vermacht. Lügen
sind kurz-
beinig. Höchst selten zünden derartige Vermächtnisse.
Oft stellt
sich das Gegenteil als wahr heraus. Anstatt, daß nun
blos ein Wesen
unglücklich wird, stürzen gleich ihrer mehrere ins
Unglück hinein.
Die angeblichen Testamentzeugen und jene mit, die sie
dazu verleitet
haben, sitzen dafür einige Monate im Gefängnis ab. Dem
Weibsbild
und dem Kinde hat es nichts gefruchtet, doch sich halfen
die Leut-
chen gewaltig dabei ab. Die Verwandtschaft des
verstorbenen Burschen
gerät da erst recht in helle Wut gegen das Mädchen, das
nun unbe-
dingt aus dessen Haus wandern muß.
Und so wiederholt sich unausgesetzt seit
Jahrhunderten dieses
grauenhafte Spiel. Nichts vermag unser Volk von dieser
Art Heirat
und Ausheiratung abzubringen. Weder Ratschläge, noch
Bitten, noch
schimpfliche Zurechtweisungen sind imstande unser Volk
von diesem
Brauch loszureißen. Die Behörden, sowohl die
gerichtlichen als die
politischen, die allein mit strengen Strafen dem
entgegentreten könnten,
tun sehr wenig oder vielmehr gar nichts. Die Schulen,
deren Zahl sehr
gering ist — viele Dörfer in Norddalmatien mit mehr als
tausend Ein-
wohnern sind ohne Schulen — vermögen in dieser Sache
nichts aus-
zurichten. Wenn es gut geht, kommt auf hundert Schüler
erst ein
Lehrer und der kann beim allerbesten Willen eine
Veredlung der
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
43
Kinderseelen nicht durchsetzen. Unablässig fließt das
Wasser im
selben unregelmäßigen Lauf dahin; man kehrt'nichts vor,
um seinem
Bett eine gerade Richtung zu schaffen.
Anmerkung des Übersetzers. Einige serbische und
chrowo-
tische Zeitungen schmählten arg Herrn Dr. Mitrovic wegen
dieser
Enthüllungen als einen Menschen ohne Patriotismus, doch
selbst diese
Heißsporne wagten es nicht, ihn der Unwahrheit zu
zeihen. Meiner
Ansicht nach, erweist sich jener als der ehrlichste
Patriot, der die
Wahrheit rückhaltlos zu Tage fördert, denn nur damit
nützt man
wirklich dem Volke. Hat etwa Freiherr von Helfert, den
ich in der
Anthropophyteia II. S. XIII f. anführe, mit seiner
völlig haltlosen Lob-
preisung der dalmatischen Moralität dem Volke einen
guten Dienst er-
wiesen? Wie man aus Dr. Mitro vi es Ausführungen
ersieht, spricht
sein Herz mit, aber er urteilt zu streng über seine
engeren Lands-
leute, denn was er ihnen vorhält, ist gar nicht ihre
nationale Beson-
derheit und darf ihnen weder als Laster noch als
Verkommenheit
angeschrieben werden, denn er zeigt uns doch nur eine
ziemlich inter-
nationale Erscheinung auch fur einen bisher in Hinsicht
des Geschlecht-
lebens fast gar nicht näher erforschten Bezirk auf.
Was lehrt uns, von allen subjektiven
philanthropischen, nationalen
und politischen Regungen abgesehen, Dr. Mitr o vi es
Bericht?
In Dalmatien ist eine Form der Eheschliesung
gebräuchlich, die
durch ein zeremonienloses Zusammenziehen eines Mannes
und Weibes
erfolgt Es ist eine Zeitehe, deren geringste Dauer von
vornherein
einigermaßen bestimmt ist: sie währt mindestens so lang
als die Geld-
stücke des Gjendars vorhalten. Die Wahrscheinlichkeit
einer Dauer-
ehe wächst, wenn das Weib ein Kind gebiert und das Paar
bequemt
sich dann zur nachträglichen Schließung einer
kirchlichen Zwangehe,
um die Rechte des Kindes zu wahren.
,Das Frauenzimmer, das keine Jungfrau mehr und noch
keine Frau
ist, erzählt [dem Advokaten und dem Richter] frank und
frei mit un-
erhörter Kaltblütigkeit ohne die geringste Spur von
Schamgefühl im
Gesichte von allem und jedem/ — Ist es möglich, daß ein
junges
Weib innerhalb weniger Wochen oder Monate von dem
Burschen
derart entsittlicht wird? Was für ein Scheusal müßte er
sein, um eine
solche Wandlung bewirken zu können? Oder hat sich die
Maid etwa
in ihrem eigenen Elternhause die Zuchtlosigkeit
angeeignet? Dagegen
spricht sehr vieles. Ein Blick auf den Gjerdan gibt
Aufschluß. Die
44
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe,
Frage ist, woher hat das Mädchen die vielen Kronen-
und Fünfkronen-
stücke des Gjerdans? Ja, wenn die Kronen reden könnten,
sie würden
uns von den seltsamsten Übungen berichten, mit denen sie
erworben
worden. Dabei ging jedes Schamgefühl des Mädchens in die
Brüche,
Endlich will sich die Maid dauernd versorgen. Der
Bursche erkundigt
sich weder nach der Sippe des Mädchens noch nach ihrer
Vergangen-
heit, er schaut nur auf den Gjendar hin, der ihm einen
Ersatz fur die
fehlenden sonstigen ethischen und sozialen Werte
darbietet. Die Jung-
fräulichkeit und Keuschheit ist weder für das Mädchen
noch für den
Burchen etwas anderes als gebotenen Falles ein
Gegenstand spital-
ärztlicher Behandlung.
Der Bursche besitzt gewöhnlich gar kein Vermögen. Er
lebt in
der Keusche seiner blutarmen Eltern schlecht und recht
mit. Mit
dem Mädchen bringt er ins Haus eine Arbeitkraft und ein
Betrieb-
kapital mit. Er macht so mitunter ein gutes Geschäft und
hilft dem
Hausstand tüchtig auf. Kommt aber das Mädchen um den
Gjerdan,
so ist damit ihre Existenzberechtigung halb und halb
vernichtet und
sie muß ihr aufgegebenes Geschäft von vorn wieder
anfangen. Darum
kämpft sie mit aller Hartnäckigkeit um einen
Wiederersatz ihres mit-
gebrachten Gjerdans, der allein ihr die Möglichkeit
sichert, einen
anderen Burschen zu angeln. Von Haus aus war auch sie
ebenso
arm und mittellos, wie der Bauernbursche, mit dem sie
die Zeitehe
einging.
Die beiderseitige Armut ist der Anstoß zur Schließung
der Zeit-
ehen. Armut bringt sie zuwege, Armut zerschlägt sie
auch. Es wäre
ein Grundirrtum anzunehmen, es kämen in Norddalmatien
nur solcher-
art Ehen zustande. Daneben kommt ja auch die
einwandfreie Kauf-
ehe mit mehr oder minder lärmender Trauung vor, wenn
Braut und
Bräutigam — nach dortigen Begriffen vermögend sind.
Über die geschilderte Zeitehe entsetzt zu sein, haben
wir kein
Recht. Bis vor 300 Jahren war sie auch in Japan gang und
gäbe, bis
eine weise Regierung in den Städten das Institut des
Yośiwara schuf.
Dahin verdingen arme Eltern ihre geschlechtreifen
Töchter auf eine
Reihe von Jahren und haben sich die mit ihrem Leibe
einiges Ver-
mögen erübrigt, so treten sie aus dem Dienst aus und
verheiraten
sich ,an einen zwar armen, doch braven Mann aus dem
Volke' usw.,
ganz wie in Dalmatien die Mädchen mit ihrem Gjerdan.
Eigentlich gehen die Dalmaterinnen Probeehen ein, wie
solche
auch anwerweitig, nicht blos im fernsten Osten Asiens
vorkommen.
Man lese darüber Friderich Cristoph Jo. Fischer über die
Probe-
Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.
45
nachte der teutschen Bauermädchen nach1),
dann Ploß-Bartels2),
Albert HermannPost3), Friedrich v on H ell
wal d4), C.N.Starcke5)
und Ed. Westermarck in seiner Geschichte der
menschlichen Ehe
(Jena 1893, S. SI7—S37)-
*
Die dalmatische Zeitehe wäre sehr zu beklagen, wenn
die Zwang-
ehe irgendwie besser geartet wäre. Dr. Mitrovic selber
rühmt sie
nicht. Auch ein Kenner der Ehe, wie Dr. Iwan Bloch, weiß
ihr in
seinem Sexualleben unserer Zeit (Berlin 1907) nichts
gutes nachzu-
sagen. Bei uns in deutschen Landen hat jedes Dörfchen
seine Schule
und die Bildung predigt auf allen Gassen, doch gegen die
Zwangehe
wird trotzalledem von aller Welt Sturm gelaufen. Da
fragt es sich,
ob denn gerade in Dalmatien Volkschulen und Schulmeister
eine
Wandlung zum Besseren schaffen könnten. Das Übel beruht
nicht
in der mangelhaften Schulbildung, sondern einzig und
allein in den
trostlosen wirtschaftlichen Verhältnissen, denen
gegenüber alle noch
so gut gemeinten Gesetze und alle von den edelsten
Absichten be-
seelten Beamten ohnmächtig sind. Erzeugt einen
allgemeinen, be-
haglichen Wohlstand im Volke, und Tugend und
herzerhebende Ge-
sittung werden sich von selber in den Familien einfinden
und ein-
bürgern. Dem Armen predigt man umsonst Moral. Krauss.
1) Berlin 1780, Neudruck Leipzig 1891, 67 S. in
8\
2) Das Weib in der Natur und Völkerkunde. Leipzig
1905, I. S. 660—62.
3) Studien zur Entwicklungsgeschichte des Fam і Ii en
rechts. Oldenburg 1889,
S. 75—79. — Grundriß d. ethnolog. Jurisprudenz.
Oldenburg 1895, S. 57 t.
4) Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung usw.
Lpzg. 1888,8.438—452.
5) Die primitive Familie in ihrer Entstehung usw.
Leipzig 1888, S. 277 f.
H Die Zuchtwahlelie in Bosnien
Mitteilungen von F. S. Krauss.
Daß ein Mädchen dem Elternhause entläuft und einem
jungen
Manne ihrer Wahl zuläuft, um mit ihm in freier Liebe zu
wirtschaften,
kommt auch bei uns, wie anderswo nicht selten vor, unter
Südslaven
aber, insbesondere in Bosnien und im Herzogtum
entwickelte sich
daraus sozusagen eine eherechtliche Institution.
Flüchtig gedachte ich
ihrer in meinem Buche über Sitte und Brauch der
Südslaven, Wien 1885,
S. 245 ff, ohne sie damals noch richtig zu verstehen.
Ein reifes Ver-
ständnis ging mir dafür erst auf meinen Forschungreisen
auf Der
einfache, stereotype Vorgang ist der, das ein
heiratfähiges Mädchen
ohne Genehmigung ihrer Eltern und häufig auch ohne
Zustimmung
der Eltern ihres Liebhabers in dessen Haus flüchtet und
sich da ein-
nistet, bis man sich an sie gewöhnt und mit ihr
aussöhnt.
Mein Folkloristenglück war mir im Frühjahr 1885
günstig, so daß
ich selber einen Fall dieser Art miterleben konnte. Im
Kochraum
eines Bauernhauses traf ich vor der Feuergrube ein
Mädchen, das da
kauerte und mit dem Feuerstierer anscheinend zwecklos in
der Glut
herumstierte. Meinen Gruß beantwortete sie nicht und sie
würdigte
mich auch keines Blickes. Es war mir schon im Gehöfte
aufgefallen,
daß ein strammer Bursche mit großen Schritten unter den
Zwetschken-
bäumen auf und abwandelte, ohne sich um mich, den
Besucher zu
bekümmern. Aus der Wohnstube vernahm ich Stimmen und
kurz
entschlossen trat ich mit abgezogener Mütze ein. ,Helfe
Gott und
der heilige Johannes, Hausvorstand, wie geht es
dir?' Auf den Gruß
erhoben sich alle Anwesende, Männer, Frauen und Kinder,
zusammen
etwa neun Personen, und der Hausvorstand, ein Mann von
beiläufig
vierzig Jahren bot mir die Hand und grüßte
zurück: ,So helfe Gott
zu guter Frist, böser kann es nimmer sein l' — ,Das Böse
verwandle
sich zu Stein, was ist dir Gutes widerfahren?' — ,Da ist
ein Verfluchtes
Geschöpf meinem Sohn von selber zugelaufen und sitzt
an der Feuer-
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
47
stelle. Der Teufel soll sie holen 1 Behalten wir sie,
so kommt uns
ihre Sippschaft auf den Hals und sie hinauszujagen
erlaubt unsere
Ehre nicht'.
Mir ging ein Licht auf. Das Mädchen stocherte in der
Kohlen-
glut der Feuerstelle und genoß damit das unverletzliche
Asylrecht.
Um mich nach Art gewisser Balkanethnographen von Ruf
interessant
zu machen, müßte ich jetzt ausfuhrlich berichten, wie
durch meine
entschiedene, umsichtige Vermittlung die Gegensätze
ausgeglichen und
die Maid liebereich von allen als neue Schnur
aufgenommen worden.
Das kann sich jeder nach Bedarf und Geschmack selber
ausmalen, in
Wirklichkeit kam aber nach einer Weile der Jüngling in
die Stube
herein und fragte mürrisch: ,Wollt ihr oder wollt ihr
nicht? Wenn
ihr wollt, ist's mir recht, wenn nicht, so flüchte ich
mit meiner N. in
die Türkei und ihr werdet mich nie wieder erschauen.
Redet, ich
habe keine Lust, länger zuzuwarten!' Vater, Mutter und
Geschwister
zeterten und wetterten, das Ende vom Lied aber war, daß
wir uns
alle gemeinsam — die Braut immer schweigend — zum
Nachtessen
im Küchenraum niederließen. Darnach zog die neue Schnur
dem
Schwiegervater die Opanken von den Füßen ab und begab
sich mit
dem Auserkorenen ihres Herzens in ein Gelass neben dem
Viehstall
zur Ruhe und Rast. Ich nächtigte mit den übrigen
Hausleuten auf
dem Fußboden in der Stube, doch ohne viel Ruhe zu haben,
denn
die Gesellschaft schimpfte unermüdlich über die
Samodośla (allein-
gekommene, zugelaufene), während eine Unzahl von Flöhen
dafür
sorgte, daß meine Aufmerksamkeit stets rege bleiben
mußte.
Früh morgens bevor das Brautpaar wieder zum Vorschein
ge-
kommen, nahm der Hausvorstand einen flachen Holzkrug
voll mit
Branntwein und machte sich, dem Sohn und der Schnur Gott
und alle
Heiligen fluchend auf den Weg ins andere Dorf zu den
Eltern seiner
Schwiegertochter. Gegen Mittag tauchte er mit der neuen
Freund-
schaft, alle stark beschwipst, wieder auf und man trank
einander wahr-
scheinlich noch bis zur Bewußtlosigkeit zu. Näheres weiß
ich nicht
anzugeben, da ich mich mit meinem Reisebegleiter, dem
Guslaren
Milovan Ilija Crljić Martinovic bei Zeiten drückte, um
nicht mitsaufen
zu müssen.
Im Jahre 1884 besuchte ich zu Sarajevo Se. Eminenz
den Bischof
Dr. Josef Stadler, um ihm als einem ehemaligen
Hausfreund meiner
Eltern meine Aufwartung zu machen. Er gedachte gern der
schönen
Jugendzeit, wo er als Kleriker oft die Gastfreundschaft
meiner Eltern
genoß und lud mich auch zu seiner Tafel ein. Für meine
Forschungen
48
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
bekundete er eine tiefe Teilnahme und ließ mir, um
mich zu fördern,
aus eigenem Antrieb einen offenen Empfehlungbrief an
alle Franzis-
kaner seines Bistums ausstellen. Freilich verhehlte er
mir nicht, daß
mir sein Schreiben wenig nützen dürfte, weil er bei den
Mönchen
unbeliebt wäre. Später erfuhr ich, daß ihre Abneigung
gegen ihn
durchaus nicht unbegründet, wenn auch unberechtigt war,
denn er
hatte ihnen strengstens die Erzeugung von Amuleten und
den Handel
damit, sowie auch die Kurpfuscherei verboten und so eine
ihrer loh-
nendsten Erwerbquellen zum Versiegen gebracht. Unter
anderen er-
zählte er mir, er habe im Vorjahre an die Pfarrer eine
Umfrage über
das ius primae noctis und über die Zugelaufene gerichtet
Die ein-
gelangten Antworten stellte er mir zur Durchsicht und
zur Besorgung
von Auszügen zur Verfugung.
Über ein ius primae noctis wußten die Geistlichen
nichts zu be-
richten, außer was sie aus der Literatur her kannten,
die allerdings in
diesem Falle wissenschaftlich wertlos ist. Die Leser der
Anthropo*
phyteia können es nunmehr nach den bisher mitgeteüten
Erzählungen
und Bräuchen selber beurteilen, ob und welchen Sinn ein
solches
Überrecht bei dem südslavischen Bauernvolk haben konnte.
Es war
doch so ziemlich gegenstandlos, weil die Herren
ebensowenig als die
Lehenbauern irgend einen Wert auf den Genuß legten, den
einem
angeblich die Entjungferung bereitet. In den
nachfolgenden Ant-
worten hat man darum die persönlichen Ansichten der
Mönche genau
von den Tatsachen auseinander zu halten, die sie aus
eigener Er-
fahrung kennen gelernt Um mir nicht von böswilligen
Leuten den
Vorwurf zuzuziehen, ich hätte die Antworten zugestutzt
oder umge-
arbeitet, gebe ich sie auch in serbischer Sprache
wieder. Sie werden
zudem wegen ihrer mundartlichen Eigentümlichkeiten den
Philologen
erwünscht sein. Die Mönche sprechen und schreiben
mindergut, nicht wie
etwa Bauern; denn im Grund genommen sind sie nicht ganz
verbauert
Zumindest hat der in den bosnischen Klosterschulen
genossene Unter-
richt auf ihre nationale Sprache und Darstellungart
keinen merklich
günstigen Eindruck fiirs Leben hinterlassen. Eine
scheinbare Aus-
nahme macht nur Frater Alojzija Miśić, der dazumal
Religionlehrer
in Sarajevo war und sich eine höhere akademisch
chrowotische Zei-
tungbildung angeeignet hatte. Ich beginne mit seinem
Berichte, ob-
gleich er sachlich den änderen nachsteht
Die Überschrift lautet: Kako je nasto obićaj, da
djevojke prija
udaje prebjegnu svojim vjerenikom? Wie ist der Brauch
entstanden,
daß Mädchen vor Ausheiratung ihren Verlobten zuflüchten?
Die Zuchtwahlehe in Bosnien. ąq
... U maticah, naravno gdje osebno narod zive a ne
pomjeŚano
sa inimi elementi, rijetko ćeś se namjerit na nezakonitu
djecu. U
zivotu samom naroda nema gadnog obićaja, da neyjenćani
skupa zivu,
jer da bi tko samo ma na kratko vrijeme vodit poćeo
takov zivot,
taj pred narodom zivit ne bi mogo, doklegod se ne bi
odaljio, inaće
svagdje porugom u njeg bi na svakom mjestu govorili i
prstom upiralt
Roditelji sami ako imadu dijete joś neudato ol ako je
bilo udato pa
obudovilo, najvise se staraju do tog, da niti u polje
niti za marvom
idje bez pratnje kog od ukućana a u ćarśiju otić cura,
udovica ol non
provectae aetatis etiam nupta, to Bog sacuvaj da bi
kućni stareśina
dopustio. Danas na żalost u ovoj stvari puno smo od
naśih pregja
zaostali. Drżimo, da nejma pogibelji, ako mladeż bez
nadzora puś-
ćamo ako po javnih mjestih puśćamo ih hodit etc. —
Prijaśnjih vre-
mena turci puno i puno hodili su po selih i baśaluk
provodili tako,
da nitko nije smijo stat i oprt im se, gdje su doŚli.
Tuj nijesi smijo
vrata zatvorit, nego jazom otvori, da kadgod ih je
volja, tamo dogju.
Po kućah su ćinili śto su htjeli, pace i sami svecenici,
ćim bi ćuli, da
turci igju, morali su iz sela u selo bjeżat i skrivat
[se], kucu jazom
otvorit, nek rade śto ih volja, samo nek ostave i ne
zapale ju. U
ovom groznom polozaju Sto je otac obitelji imo da ćini?
Uvjek strepi,
da se ne bi njegova najveca svetinja, obitelj, oskvrnula
od gadni ljudi.
Ako dakle niko onog vremena nije bio mjeran, kako da
bude viSe
mjerna obitelj? Nitko gadnika u nijednom pogledu nije
prijećio.
Sa strane suda dopuśćeno je bilo ubiti ko vrepca
krśćanina; joś
viSe, novaca ćim nijesu imali ubi krśćanina potajno u
onom selu, koje
su globit htjeli. Eto odmah novaca za krvarinu. Sa
strane vjere
nijesu po isti naćin bili smetani, zato i jesu, gdjegod
bilo to, na njivi,
putu, kod kuce itd. obesćaŚćivali żenske. Ako bi se tko
opro od
ukućana ol sama żeńska, odmah bi taj oli ta bila
sasjećena. Ovaki
prigoda, gdje braneć żeńska svoju ćast bi sasjećena, ja
sam pamtim i
novijeg vremena.
Tko dakle nesretnog tog naroda sadaśnji polożaj uvidi
i hladno
prosudi, zar ne će ostat izvan sebe i pitat se, je li
moguće da narod
u zdvojnosti takvoj nalazeć se nije latio i gori
sretstva neg śto doisto
i jest donekle?
Tako eto vidimo, da żenske udate i neudate, ako već u
dobu
nijesu zaŚle, na put, u polje, za blagom, u ćarśiju,
svakud jednom
rijećju, gdje je bila pogibelj, nijesu smjele ići. U
selo Ćim bi turci
dośli, sve śto je mlagje od one kuce, gdje su turci
zakonaćili se, po
selu moralo se je razbjegnuti i sakriti. A da po nesreći
turci, ako bi
Krauss, Anthropophytcia. IV. д
5o
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
gdje slućajno curu odraslu vidili, ne bi joj śto zla
ućinili, obicavali
su ih brijati sve do udaje. Ovijem su htjeli postić to,
da ako bi gadnik
і vidio żensku, pogledom śto je obrijana, svaku
pozornost od nje
otkloni, buduć da je dorasla, obzirom na to śto si svaka
żeńska slavu
u kosah trażi (I. Cor. u, 15) ne bi se dala obrijat
Svecano obavljat zaruke po narodnom obicaju, to je
bilo sasma
u izvanrednih zgodah rijetko. Svecano nijesi smijo
vjencanja obavit
i doma pir ćinit, jer eto nevolja na vrat Prem eto iz
ovog da se
nazret jasno, kako je siromaśni naród sve i svasto ćinio
i izmiśljo,
kako bi zlu mogo doskoćit, nu Ірак duśmani svete vjere
sa svoje
strane gledali su pozorno da saznadu za svaki takov
slućaj, onda bi
se dovukli i kuci dotićnoj nepriliku veliku spravljali;
ko zmija noge,
Sto se veli, narod svaku svadbu ćinio tajnom, jer ko bi
se usudio po
svoju glavu pa javno svecanost pirnu slavio, tuj je
moralo biti obes-
caśćenja sa strane pogana ol glava mrtvi kotrtjat se.
Turei trażili su
za sebe ius primae noctis, i to tako ako se je otpor u
tom upotrebio
sa strane svijeta onda odmah raćunaj, da krv teći mora
po kuci i da
sjerota ostat mora. Onaj je reko sebi odmah: ,z Bogom
djeco draga!'
samo ako je htjeo progovorit ma bud mało, da ne valja
nasilja obitelji
jednoj ćinit. Beg nije dao iz svog sela nikomu da se uda
u drugo
selo, jer buduć je bio begluk, to onda ćim ode jedno
ćeljade vise iz
njegovog sela, tim je njemu manje poslenika, nego baŚ u
njegovo selo
svaka żeńska morala je udat se i vjerenika si trażit Eh!
pa mjerno
motreć ćemu se ćoyjek da ćudi, ako je i otac yjerenice i
otac vjere-
nika privoljio, kako potajno niko da ne zna bilo bi
moguće odvest
curu a da se svakomu nasilju se strane begova ućine
kraj? Za no
im se ćinilo najprikladnije to, ako curu dovedu u drugo
selo, to jest
iz sela nje na u selo drugo. Oni su raćunali ovako: beg
ne da iz svog
sela da igje cura, sad kad ju kradom odvedu u drugo
selo, otad se
lasno da isprićat kod bega: ,Eh, pa śto sam kriv?' może
mu reći kmet,
,ja nijesam dragę volje dao', ko śto u istinu i nije,
,odveli ju samu'.
Begu iz ćijega selo ovako odvedose curu nije ni po jedan
naćin bilo
ugodno i da je ikako znao, to ne bi dao ućinit, nu sad
kad je cura
odvedena, nemoguće je iśto postić, jer već nije mu
raćunat samo sa
svojim kmetom, nego valja sa drugim begom raćun pravit a
borne
ovome nije milo bilo. Lasno je sirotu kmeta tlaćit, nu
bega, koji se
veseli, pośto je za begluk novu silu dobio, nije. Tako
je u mijeru
sad bio і otac cure i onaj koji se żeni a borne і cura
sama, jer je sve
u ćasu bilo pa nijesu znali da dogju, a poslje, da i
dogju, lasno se da
sakrit u selu ol gdje u śumi kod staja.
Die Zuchtwahlehe in Bosnien
S1
Ovo u kratko nam je nastarija povjest o samodoślah.
Sve ako uzmemo pred oći vidimo naród u brigi velikoj
gdje ćami
izgubljen tako rekuć. Na jednoj strani svijest peće, na
drugoj nasilje,
beri śto hoćeś. Da se sad naród ukłoni tom i tom, vidi
kano naj-
prikladnije srectvo u samodoślam. Pośto pako samodośle
prijaŚnjih
vremena nijesu bile kano naśeg vremena, to je joś vise
bilo prikladnije.'
Rekoh, samodośle prvasnjih vremena nijesu bile kano sad
a to zato,
jer onda po curu nije u druStvu iso yjerenik, nego
prijatelji i rogjaci;
drugo, cura nije dovedena u vjerenikovu kucu nego u
drugu, it to ol
u kucu rodbine ol u prijatelja a po tom occasio peccati
bila je i
remota i evitabilis.
Prija eto nużda svjetovala i kano razlog slużila za
samodoSle, nu
sad nejma śto da opravda samodośle pa eto opet ih imał
Naśeg
vremena samodośle drugo niśta nijesu nego izrod svakog
ćina. Uzrok
pravi samodoślam naśeg vremena jest:
a) Siromaśluk. Naród naś u opće puno drzi do ponosa i
dobra
glasa. Naród u opće prigodom kakvih obiteljskih
znamenitijih zgoda
velike hoće da cini sa prijateljima taslame i ćasti. Ja,
ali to sad ne
dopuśtaju raźne okolnosti, pośto naród osim, śto se
veli, gole duśe,
drugo niśta nejma, Moraś pośto poto taslame cinit a ne
moźeś. Ako
ne ćiniś niśta, eto svak s tobom zube ispire. Svak veli:
,Gle, nije
mogao pira od lakomosti pravo ućinitl' Ako ćiniś, joŚ
gore, jer eto
u dug moraś se provalit pa onda cijelog zivota kukaj i
jadikuj. Daj
trażi dakle ovomu lijeka, pita se svaki. Kano
najshodnije srectvo da
se dugu izmakneś a i opet da dobar glas sacuvaS, uzeli
su, da su
samodośle, Kako? Evo! Jedan, koji se redovno żeni a ne
će samo-
dośle, mora na prvo ići na rijeć, t. j. pitat, hoće 1
roditelji bit voljni
dat svoju kćer i hoće li cura htjet za prosca poć. Sama
na sveć-
anost toliko stanę, da siromaka mora uniśtit Po ovom
dogje tako
zvana jabuka i sve dalje. Jednom rijećju: tko misli da
se ożeni bez
samodośle, taj najmanje 200 for. mora imat i ulożit,
drugojaćije ne
igje. Otkud ovoliko siromaku? Nejma ni 10 for. a kamo li
200 for.
Hoće cura da se nosi njoj darova, roditelji nagradu i
dar traże, rogjaci
isto. Kako da no siromak smogne? Borne, ne może. Pa śto?
Vodi
samu pa će i vuk sit bit i koza cijela. Tako siromak
misli, da će na
taj naĆin izbjeć trośku a opet stvar dobro izać. Sto
roditelji cure,
śto rogjaci oćekuju od yjerenika to je straśno.
b) Uzrok samodoślam i u tom leżi, Śto puno ima
bezduśni klevet-
nika. Crnit yjerenika, to je njekim najveca naslada. Ovo
je sigurno
naśega vremena uzrok vażan. Sad da se ukłoni prigoda
nevaljanim
4*
52
Die Zuchtwahlehe in Bosnien
jezikom, da ne bi ko bio pa omrazio vjerenicu sa
vjerenikom, samo-
doŚlom kraj ćine, jer onda mora sve prestat, pośto su
tim već unaprijed
svemu doskoćili.
c) Puno i puno put roditelji i rodbina nijesu voljni
da cura igje
i udaje se za stanovitog, naproti cura hoće. Śto ćeŚ
sad? Ona za
drugog ne će a oni opet njega ne će. Eto odmah razdora.
Da se
ovomu doskoći, vodi samu a onda moraju baś dat za onog,
za kog
cura hoće.
Ovo bi po mom iskustvu i znanju bili najglavniji
uzroci samo-
doślom naśega vremena.
Übersetzung. In den Muttergemeinden, wo natürlich das
Volk
für sich gesondert lebt, nicht aber mit fremden
Elementen ver-
mengt ist, trifft man selten uneheliche Kinder an1).
Im eigentlichen
Volkleben (der Katholiken sei.) existiert der ecklige
Brauch nicht,
daß Leute ungetraut zusammenleben; denn würde einer auch
nur
kurze Zeit ein solches Leben zu fuhren beginnen, er
hätte keinen Be-
stand vor dem Volke, bis er nicht das Weite suchte,
sonst begegnet
man ihm überall mit Schimpf und zeigt mit dem Finger auf
ihn.
Wenn die Eltern ein noch unverheiratetes Kind (Mädchen)
oder ein
verheiratetes haben, das nach der Verheiratung verwitwet
ist, so ist es
ihre größte Sorge, daß es weder zur Feldarbeit noch mit
dem Vieh
ohne Begleitung eines der Hausleute ausgehe; daß aber
ein Mädchen
oder eine Witwe oder eine non prouectae aetatis etiam
nupta die Ge-
schäftstraße besuche, da sei Gott davor, daß ein
Hausältester solchen
Skandal zuließe2). Heutigentags sind wir aber
zu unserem großen
Schmerze in diesen Dingen weit hinter unseren Vorfahren
zurückge-
blieben. Wir glauben eben, es läge darin keine Gefahr,
wenn wir die
Jugend ohne Aufsicht lassen und ihr gestatten auf
öffentlichen Orten
herumzugehen etc.
In früheren Zeiten pflegten die Türken (Moslimen) oft
und oft
die Dörfer heimzusuchen und einen derartigen bösen Unfug
zu treiben,
daß sich niemand getraute, ihnen entgegen zu treten,
wenn sie wo
erschienen. Da durfte man keine Türe versperren, sondern
mußte sie
angelweit offen lassen, damit sie hinein können, wo
immer es ihnen
beliebt. In den Häusern wirtschafteten sie nach Lust und
Liebe, ja,
selbst die Priester mußten, sobald es verlautete, daß
Türken nahen,
von Dorf zu Dorf flüchten und sich verborgen halten, das
Haus aber
offen stehen lassen; mögen darin die Türken schalten und
walten,
wenn sie es nur nicht in Brand stecken. Was konnte ein
Pater fami-
lias in dieser grauenhaften Lage beginnen? Immer befand
er sich in
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
S3
Angst und Beben, es könnte sein größtes Heiligtum,
die Familie, von
eckelhaften Leuten geschändet werden. Wenn also in jenen
Zeiten
Niemand in Frieden lebte, um wieviel weniger konnte die
Familie in
Frieden bestehen? Niemand hat in irgend welcher Hinsicht
den Ver-
worfenen ihr Treiben verwehrt.
Von Seiten des Gerichtes war es erlaubt einen
Christen, wie einen
Spatzen zu töten3); ja noch mehr, fehlte just
einem Türken Geld, so
tötete er insgeheim einen Christen in dem Dorfe, das er
brandschatzen
wollte; denn die Leute mußten sofort Blutgeld
entrichten. Durch die
Religion waren sie in gleicher Webe nicht gehindert, und
deshalb
haben sie auch auf Wiesen, Straßen, im Hause usw. Frauen
entehrt.
Wagte es einer von den Hausleuten oder das Frauenzimmer
selber
Widerstand zu leisten, wurden sie gleich in Stücke
gehauen. Solcher
Fälle, daß Frauen bei der Verteidigung ihrer Ehre,
niedergemetzelt
worden sind, gedenke ich selber aus neuerer Zeit.
Wer also die gegenwärtige Lage dieses unglücklichen
Volkes ein-
sieht und kühl beurteilt, wird der nicht außer sich
geraten und sich
fragen, ist es möglich, daß ein in solcher Verzweiflung
sich befinden-
des Volk, nicht auch noch zu schlimmeren Mitteln, als es
tatsächlich
geschehen, gegriffen hat?
So sehen wir demnach, daß verheiratete und
unverheiratete Frauen-
zimmer, wenn sie nicht schon hoch bei Jahren waren,
nicht auf die
Straße, aufs Feld, dem Vieh nach, in die Marktstraße,
mit einem
Worte, nirgend wohin gehen durften, wo es eine Gefahr
gab. Sobald
die Türken in einen Dorf kamen, mußten sich alle
jüngeren Leute
des Hauses, wo die Türken ihr Nachtlager aufschlugen,
nach allen
Richtungen im Dorf verlaufen und verstecken. Damit aber
nicht un-
glücklicherweise die Türken, wenn sie wo zufällig ein
erwachsenes
Mädchen erblicken, ihr irgend etwas böses zufügen
sollen, pflegte man
sie (die Mädchen) bis zu ihrer Ausheiratung zu
halbieren. Damit
wollte man das eine erreichen, daß, wenn schon so ein
Auswürfling
ein Frauenzimmer auch erschaute, er mit Hinblick darauf,
daß sie
halbiert ist, jede Aufmerksamkeit von ihr abwandte, weil
mit Rück-
sicht darauf, daß jedes Weibsbild seinen Ruhm in den
Haaren sucht
(I. Cor. Ii, 15), es sich [als Weibsbild] nicht
hätte halbieren lassen4).
Eine feierliche Vollziehung der Verlobung nach dem
Volksbrauche
das war völlig in außergewöhnlichen Gelegenheiten
selten. Feierlich
durftest du die Trauung nicht vollziehen und daheim
einen Hochzeit-
schmaus bereiten, denn gleich nahte dir das Ungemach auf
den Hals.
Obwohl also daraus klar zu ersehen ist, wie das
armselige Volk alles
54
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
und jedes tat und ersann, wie es dem Übel abhelfen
könnte, haben
trotzdem die Feinde des heiligen Glaubens ihrerseits
wachsam darauf
geschaut, um von jedem derartigen Fall zu erfahren; dann
pflegten
sie sich herauszuschleichen und dem betreffenden Hause
große Unge-
legenheit zu bereiten; wie die Schlange ihre Füße, wie
man sagt, so
hat das Volk jedes Hochzeitfest geheim gehalten, denn
unterstand
sich einer nach seinem Willen [zu handeln] und
öffentlich die Hoch-
zeitfeier zu begehen, so mußte es da Entehrungen von
Seiten der
Heiden geben oder es wälzten sich tote Köpfe auf dem
Boden hin.
Die Türken heischten für sich das ius primae noctis, und
zwar so,
wenn dagegen von seiten der Bevölkerung ein Widerstand
gebraucht
worden, so rechne gleich damit, daß Blut im Haus
umherfließen und
Waisen verbleiben müssen5). Jener sagte
gleich zu sich: ,Mit Gott,
teuere Kinderl' wollte er auch nur das geringste
bemerken, es wäre
ungebürlich, einer Familie Gewalt zuzufügen. Der Beg
erlaubte nie-
mandem, aus seinem in ein anderes Dorf auszuheiraten,
denn, sinte-
malen die Begherrschaft bestand, hatte er weniger
Arbeitkräfte, sobald
sich eine Person mehr aus seinem Dorfe entfernte, darum
eben mußte
sich jedes Frauenzimmer gerade in seinem Dorfe
ausheiraten und sich
einen Bräutigam suchen. Ehl Und wenn man ruhig die
Sachlage
betrachtet, worüber sollte sich der Mensch verwundern,
wenn sowohl
der Vater der Braut als auch der Vater des Bräutigams
einwilligten,
wie es insgeheim ohne irgend wessen Mitwissen möglich
wäre, das
Mädchen wegzufuhren, um jeder Gewalttätigkeit von Seiten
der Begen
ein Ende zu machen? Zu diesem Behufe erschien es ihnen
als das
allergeeignetste, wenn sie das Mädchen ins andere Dorf
führten, das
heißt aus ihrem Dorf in ein anderes Dorf. Sie rechneten
folgender-
weise: der Beg erlaubt nicht, daß aus seinem Dorfe das
Mädchen
wegziehe, jetzt aber, wenn sie sie verstohlen ins andere
Dorf weg-
führen, läßt es sich daher leicht beim Beg die Ausrede
vorbringen:
,Eh!, und was bin ich da schuld?' es kann zu ihm der
Lehenbauer
sagen: ,ich habe sie nicht von freien Stücken
hergegeben', wie er es
ja in Wahrheit auch nicht getan hat, ,sie haben sie
allein weggeführt'.
— Dem Beg, aus dessen Dorf sie derart ein Mädchen
weggeführt,
war das auf keine Weise angenehm; hätte er irgend
eine Kenntnis
davon besessen, er würde es nicht geschehen haben
lassen, doch jetzt,
nachdem das Mädchen weggeführt worden, ist es
glatt unmöglich
irgend etwas zu erreichen, denn er hat schon nicht mehr
blos mit
seinem Lehenbauer zu rechnen, sondern es gilt auch mit
dem anderen
Beg eine Rechnung zu fuhren, und bei Gott, dem war es
nicht lieb.
Die Zuchtwahlehe in Bosnien
55
Leicht hält es, einen armen Lehenbauern zu knechten,
doch einen
Beg, der sich darob freut, daß er fur seine
Begherrschaft eine neue
Kraft gekriegt, nicht. So war denn nunmehr in Frieden
sowohl der
Vater des Mädchens, als auch jener, der sich beweibt und
bei Gott,
auch das Mädchen selber, denn alles hat sich im
Augenblick abge-
spielt und sie haben nicht zu kommen gewußt, späterhin
aber, selbst
wenn sie kämen, kann man sich leicht im Dorf oder wo im
Wald bei
den Ställen verstecken.
Das ist uns in kurzen Umrissen die älteste Geschichte
von den
Zugelaufenen.
Wenn wir alles vor Augen nehmen, sehen wir das Volk
in großer
Sorge, wie es sozusagen verloren im Gefängnis schmachtet
Auf der
einen Seite brennt ihm das Gewissen, auf der anderen die
Gewalt-
tätigkeit, wähle davon, was dir behagt Um sich diesem
und jenem
zu entziehen, erblickt das Volk das geeignetste Mittel
in den Zuge-
laufenen. Nachdem jedoch die Zugelaufenen
vorhergegangener Zeiten
nicht von der Art wie die unserer Zeiten waren, so war
(das Aus-
kunftmittel) noch mehr zweckgemäß. Ich sagte, die
Zugelaufenen,
vorhergegangener Zeiten wären nicht so wie gegenwärtig
gewesen und
zwar darum, denn dazumal ging um das Mädchen nicht in
Gesellschaft
der Verlobte, sondern die Freunde und Verwandten;
zweitens, ist das
Mädchen nicht ins Haus des Verlobten, sondern in ein
anderes geführt
worden und zwar entweder ins Haus der Verwandtschaft
oder in das
von Freunden, darnach aber war die occasio peccati
sowohl remota
als auch evitabilis6).
Ehedem hat, wie man sieht, die Not beraten und als
Grund fur
die Zugelaufenen gedient, doch gegenwärtig liegt nichts
vor, was die
Zugelaufenen zu rechtfertigen vermöchte und dennoch gibt
es ihrer!
Die Zugelaufenen unserer Zeit sind nichts anderes als
die (mißratene)
Ausgeburt jeder Gesellschaftordnung. Der wahre Grund für
die Zu-
gelaufenen unserer Zeit ist:
a) Die Armut Unser Volk hält im allgemeinen viel auf
Stolz und
guten Ruf. Das Volk ist im allgemeinen bereit,
gelegentlich welcher
bedeutender Familienanlässe mit den Freundschaften
großen Aufwand
und Gastereien zu treiben. Nun ja, doch das erlauben
jetzt verschie-
dene Umstände nicht, nachdem das Volk außer, wie man
sagt, seiner
nackten Seele sonst nichts besitzt. Du mußt, koste es
was es wolle,
Aufwand treiben, kannst aber nicht Tust du gar nichts,
da spült
sich jeder mit dir das Maul aus. Jedermann sagt: ,Schau,
der hat
aus Habgier nicht einmal einen Hochzeitschmaus
ordentlich veran-
56
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
stalten können.' Bereitest du einen, noch schlimmer,
denn siehe, du
mußt dich in Schulden stürzen und dann schrei dein
Lebelang ach
und wehe. Wohlan, such dem dafür ein Heilmittel, so
fragt sich ein
jeder. Als geeignetestes Mittel, damit du der
Verschuldung entgehst
und doch dabei deinen guten Ruf bewahrst, nahmen sie an,
wären
die Zugelaufenen. Wie so? Also! Einer der sich
regelrecht beweibt,
von einer Zugelaufenen aber absieht, muß zu allererst
aufs Wort (Be-
sprechung) geben, das heißt, anfragen, ob die Eltern
geneigt sein
werden, ihre Tochter herzugeben und ob das Mädchen
willens sei, dem
Freier ihre Hand zu reichen. Jene Festlichkeit allein
verursacht der-
artige Kosten, daß sie einen Armen vernichten müssen.
Darnach
kommt der so zubenannte Apfel [Verlobung] und alles
andere. Mit
einem Worte: Wer sich da ohne Zugelaufene zu beweiben
gedenkt, der
muß mindestens 200 Gulden besitzen und einlegen, ansonst
geht es
nicht Woher dem armen Kerl soviel Geld? Er hat keine 10,
ge-
schweige denn 200 Gulden. Das Mädchen will, daß man ihr
Ge-
schenke bringt, die Eltern fordern eine Belohnung und
ein Geschenk,
die Verwandten dasselbe. Wie soll wohl der Arme das
auftreiben?
Bei Gott, er kann es nicht Ja, was denn? Er fuhrt sie
allein und so
wird sowohl der Wolf satt werden als auch die Geis ganz
bleiben. Also
denkt der Arme, daß er auf diese Weise den Kosten
ausweichen und
die Sache gut ausgehen werde. Was die Eltern eines
Mädchens, was
die Verwandten alles vom Verlobten erwarten, das ist
furchtbar.
b) der Grund fur die Zugelaufenen liegt auch darin,
daß es viele
gewissenlose Verleumder gibt Manchen ists der größte
Genuß, einen
Verlobten zu verschwärzen. Das ist gewiß in unseren
Tagen ein
wichtiger Grund. Nunmehr, um den nichtswürdigen Zungen
jede Ge-
legenheit aus dem Weg zu schaffen, damit nicht einer die
Verlobte
mit dem Verlobten entzweie, macht man durch die
Zugelaufene ein
Ende, denn dann muß alles einwilligen, nachdem sie damit
schon im
voraus allem die Spitze abgebrochen.
c) oft und oft sind die Eltern und die Sippe nicht
willens, daß
ein Mädchen einem bestimmten Manne folge und sich an ihn
aus-
heirate, dagegen will das Mädchen. Was fängst du jetzt
an? Sie mag
einen anderen nicht, jene wieder mögen ihn nicht. Da hat
man gleich
ein Zerwürfnis. Um dem abzuhelfen, führt er sie allein
weg und dann
müssen sie sie an den ausgeben, den das Mädchen mag.
Das wären nach meiner Erfahrung und meinem Wissen die
haupt-
sächlichsten Gründe für die Zugelaufenen in unseren
Zeiten.
Anmerkungen des Übersetzers. 1) Solche seltene
Mutter-
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
57
gemeinden anzutreffen, ist mir leider nicht gelungen.
Nicht jedes
nach unseren Begriffen uneheliche Kind gilt auch dem
Bosnier als
unehelich, d. h. als Bankart oder Bastard. Bastarde
(kopilad) nennt
das Volk vorzüglich Franziskanersprößlinge, weil sich
der Mönch nicht
offen als Vater bekennen mag. — 2) Diese schöne
Sittenstrenge ist
nur ein Postulat Miśićs, das er klüglich mit dem
nachfolgenden Satz
berichtigt — 3) Von einer derartigen gerichtlichen
Erlaubnis steht in
den türkischen Gesetzbüchern nichts zu lesen und auch
die Volks-
überlieferung gedenkt ihrer nie. — Von diesem höchst
merkwürdigen
Brauche des Abbalbierens der Mädchen weiß keiner von den
anderen
Berichterstattern irgend etwas zu vermelden. Alle meine
Nachfor-
schungen im Lande unter Geistlichen, Beamten und Bauern
blieben
erfolglos, ebenso all mein Suchen nach einer
folkloristischen Parallele
in der älteren und neueren Literatur. Man kann jedoch
füglich nicht
annehmen, daß ein im Lande geborener, als Religionlehrer
in der
Hauptstadt wirkender Franziskaner seinen Bischof mit
erfundenen Ge-
schichtchen blau anlaufen lassen wollte. Vorläufig
bleibt als einziger
Zeuge für den Brauch eben Frater Mi Sic. Es ergeht einem
dabei,
wie mit gewissen chrowotischen Akademikern. Man muß
ihnen ihre
Behauptungen auf ihr Ehrenwort, ihren Handschlag und
ihren Eid
glauben, wenn man gut aufgelegt ist oder sich um
anderweitige Be-
weise selber bekümmern, wenn man die Angaben
wissenschaftlich
verwerten will. Man bedenke, daß Miśić in seiner Heimat
zu den
hochgebildeten Leuten zählt und erwäge dann, was für
Vertrauen bei-
läufig die älteren Chronisten des Slaventums mit ihren
sich jeder
näheren Prüfung entziehenden und keiner Prüfung stand
haltenden
Erzählungen vom Glauben, den Sitten und Gebräuchen der
heidnischen
Slaven verdienen. Sie sprühen und glühen noch mehr als
Miśić
gegen seine moslimischen Stammbrüder von Hass gegen die
Ungläu-
bigen und sind bestrebt, sie lächerlich und verächtlich
zu machen.
5) Der moslimische Grundherr war ein Lehenmann des
Sultans,
nicht Eigentümer von Grund und Boden und am
allerwenigsten vom
Leben seiner Pächter, und Richter war er vollends nicht.
Ließ er sich
etwas zu Schulden kommen, so mußte er auf eine Klage des
Pächters
hin vor dem Kadi erscheinen. Fand der Pächter sein Recht
nicht,
so ging er zum Vali, dem Gouverneur nach Sarajevo oder
Travnik
und da war gewöhnlich der Beg von vornherein im
Nachteil. Schließ-
lich packte sich der unzufriedene Pächter zusammen und
suchte bei
einem anderen Beg in einem anderen Bezirk eine Pacht,
oder er steckte
des Begen Gehöfte und Wald in Brand oder schlug sich zu
einer
58
Die Zuchtwahlehe in Bosnien
Hajdukenschar ins Gebirge, um Rache zu üben.
Keinesfalls durfte
der Beg mit seinem Pächter harte Bretter bohren. Die
Guslarenlieder,
die am zuverläßigsten über das Leben und Treiben der
Edelleute und
des Volkes berichten, enthalten nicht einmal eine
Andeutung von
einem ius primae noctis und die sonstigen
Überlieferungen ebenso-
wenig. Man überlege doch, der Beg hat daheim drei oder
vier Ehe-
frauen, dazu im Hause mehrere Zofen und Dienerinnen; die
einen
muß er regelmäßig geschlechtlich befriedigen, die
anderen machen
sich eine Ehre und ein Vergnügen daraus, wenn er seinen
Blick wohlge-
fällig auf ihnen ruhen läßt. Im Bedarffalle bieten sich
ihm die sauber-
sten Jungfrauen und Frauen an. Er müßte rein irrsinnig
sein, wenn
er gerade die unpassendste Gelegenheit einer bäuerlichen
Hochzeit
wählen würde, um mit Gefahr seines Lebens einen Genuß zu
suchen,
der ihm keinerlei Reiz der Neuheit, keine Ehre und Lust
darzubieten
hat. Wenn ein Beg bei einer Bauernhochzeit erschien oder
erscheint,
war und ist er stets ein gar willkommener Gast, denn er
muß sich
da als freigebigster Gentleman behaupten. Die
Ausführungen Miś і es
sind als Dichtungen anzusprechen.
6) Die occasio peccati, d. h. eine Gelegenheit zur
Ausübung des
Beischlafs betrachtet als sündhaft wohl der Mönch, nicht
jedoch das
Volk, wie man ja aus unserer Anthropophyteîa genugsam
ersieht.
Miś і es Unterscheidung zwischen den Zugelaufenen von
ehedem und
jetzt, ist willkürlich und ganz mit Unrecht schmäht er
die Zugelaufene
von heute. Heute noch wirken dieselben Ursachen, wie
ehedem und
M. fuhrt ihrer drei richtig an.
2. Bericht des Frater Blaż M. Parduśić in Kresevo.
Obicaj, da mladići prija vjencanja k sebi privedu
djevojku jest
priśo od turaka i na krśteni naród. Turci bo obićaju k
sebi i priko
volje djevojke ugovorivsi prija s roditeljima ol ih
dobro podmitivsi s
noveima djevojku dovesti ne gledajući u tom je li on
mlad iii star,
samo nek je bogat pa ovo isto poće se dogagjat i megju
katolicima.
Osim toga budući da joś potlje osvojenja Bosne po
turćinu postała
protiv jednom krśćanluku svako razbojstvo i otimaćina i
to ne samo
u stvarima gospodarskim nego se dapace na toliko
izopaćiśe, da
poceśe iste żene, cure i mlade, samo ako bi jim se
svidila i dopala
od krśtenog kukavnog puka turci otimati i ius primae
noctis trażit.
Da se ni bi ovo dogodilo unigje u obićaj, da momak curu
s voljom
ol gjekad i priko volje svojih ol njeżinih roditelja
sebi ol komogod
Anm. zu Zeile i von unten: njezinih und komogod,
dialektisch.
Die Zuchtwahlehe in Bosnien
59
odvesti otajno da zato turci ne bi znali i nekolko
vremena ś njom
proboraviti. Iz ovoga dakle і od nuzde jedan put postao
obićaj curu
odvesti, unigje sada posve u obićaj. Sada se uprav onaj
momak na
glasu drżi і slavi, koji curu sebi odvede prije
vjencanja ter bi uprav
sramota pred svijetom bila, kad bi bogat mladić po
crkvenoj odredbi
ozenio se ter ne bi djevojku prija vjencanja k sebi
dovuko. Evo dakle
na koliko se je ovaj zli i opaki obićaj u narodu
bosanskom ukorjenuo.
Zbog toga ima joS njeki uzroka, koji tako rekuć ovaj
obićaj u narodu
uzdrże: kanoti veliki i neiskazani troskovi tako zvane
uiine, koje mladić
mora ćiniti roditeljima svoje zarućene djevojke i to od
zarućenja pa
do vjencanja. Ako je pako k sebi na prosto odvede, onda
sve ove
troskove prikraćuje.
Übersetzung. Der Brauch, daß Jünglinge vor der
Trauung das
Mädchen zu sich heimführen, ging von den Türken auch auf
das ge-
taufte Volk über. Die Türken nämlich pflegen ein Mädchen
heimzu-
führen, selbst gegen den Willen des Mädchens, nachdem
sie • die
Sache vorher mit den Eltern verabredet oder sie mit Geld
tüchtig
bestochen haben, [und die Eltern geben ihr Kind aus],
ohne dabei
darauf zu schauen, ob der Freier jung oder alt ist, er
braucht nur
reich zu sein, und dasselbe begann sich auch unter den
Katholiken zu
ereignen. Außerdem, weil noch nach der Eroberung
Bosniens durch
den Türken gegen das Christentum jedwede Art von
Räubertum und
Gewalttätigkeit entstand, und zwar nicht bloß in
wirtschaftlichen Sachen,
sondern (die Türken) sogar so weit entarteten, daß sie
selbst Frauen,
Mädchen und Bräute, wenn ihnen eine nur in die Augen
stach und
gefiel, vom christlichen, jammerbeladenen Volk
wegzunehmen und das
ius primae noctis zu heischen anfingen. Damit sich das
nicht zu-
tragen soll, kam der Brauch auf, daß der Bursche das
Mädchen mit
ihrer Zustimmung oder zuweilen auch wider den Willen
seiner oder
ihrer Eltern zu sich oder zu irgend einem insgeheim
entführte, damit
davon die Türken nichts erfuhren und daß er einige Zeit
mit ihr ver-
brachte. Der also daraus und aus Not entstandene Brauch
der Mäd-
chenentführung kam jetzt vollends in Übung. Jetzt hält
man geradezu
jenen Burschen für einen besten Rufes und Ruhmes, der zu
sich vor der
Trauung das Mädchen entführt und es wäre geradezu eine
Schande
vor der Welt, wenn sich ein reicher Jüngling nach
kirchlicher Be-
stimmung beweibte, ohne das Mädchen vor der Trauung zu
sich ge-
schleppt zu haben. Da sieht man also, wie sehr sich
dieser böse und
verderbliche Brauch im bosnischen Volke eingewurzelt
hat. Daneben
gibt es noch einige Gründe, die sozusagen, diesen Brauch
im Volke
бо
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
erhalten: wie die z. B. die nicht zu sagen großen
Kosten des soge-
nannten Imbisses, die der Jüngling zu Ehren der Eltern
und Freund-
schaft seines verlobten Mädchens bestreiten muß und zwar
von der
Verlobung an bis zur Trauung. Führt er sie aber einfach
zu sich
heim, so kürzt er alle diese Kosten ab.
• *
Anmerkung des Ubersetzers. Unrichtig ist die
Behauptung,
daß die muslimischen Stammgenossen ihren Brüdern den
Katholiken
die Kaufehe gelehrt haben. Die einen sind ebensoviel
Moslimen, wie
die anderen katholische Christen. Die Kaufehe ist unter
den Serben
Chrowoten und Bulgaren uralt. Daß christliche Burschen
aus Angst
vor einem von den moslimischen Grundbesitzern begehrten
ius primae
noctis zur Entführung der Bräute genötigt gewesen,
widerlegt Frater
Porduśić selber mit der Feststellung, daß auch reiche
Burschen ihre
Bräute, des Ruhmes halber entfuhren oder rauben. Das ist
ein Über-
lebsei uralter Raubehe und eine gewaltsam entführte Maid
kann man
nicht als eine Zugelaufene bezeichnen, eben so wenig
jene, die aus
Ersparunggründen im Einverständnis beiderseitiger Eltern
ins Haus
ihres Herzliebsten einzieht. Das ist in diesem Falle
gewöhnlich eine
Ehe aus Liebe.
3. Bericht des Frater Mihovil Kobaćić in Podhum.
To se dogodi, da udadbenica priko vlastite volje
pogje za mla-
dića od roditelja joj namijenjenog ter ovaki brak ako і
ne svaki put
postaje nesretan. Da bi se to otstranilo obićaje
djevojka svojevoljno
poci po noći sa sebi dragim mladićem ter nekolko dana a
katkat i
mjesecih s njime boraviti ter druge mladiće od sebe na
taj naèin
otstranitL Dapaće u njekijem mjestima jest vrlo opak
obićaj, da
źenidba mladića i kucu mu roditelja uprav na prosjaćki
śtap zbog
silni troskova dotjera, jerbo svake nedilje i svetkovine
od zaruka do
vjencanja dużan je mladić pozvati svu rodbinu udadbenice
na take
z vane uźine, koje ćesto stoję 30—50 dukata. Pa povrh
toga trażi
udadbenica od zarućnika haljine, sebi toli dragocijenje,
koje nadilaze
dohotke njegove, jerbo inaće za njega poci ne će. Stoga
momak
znajući, da haljina i rećeni uźina brez svoje oćite
propasti ne more
pripraviti, obićaje curu pod kakvom izlikom sebi
primamiti i nekolko
dana ś njom proboraviti ter će djevojka onda morat oće 1
ne će 1 za
njega poci i to brez osobitog troska, pośto si je tim
ćinom sebi granu
na put stavila oli bolje rekuć sve druge mladiće od sebe
odbiła.
Üb ersetzung. Das kommt vor, daß ein heiratfähiges
Mädchen
gegen ihren Willen einem ihr von ihren Eltern
zugedachten Jüngling
folgt und eine solche Ehe wird, wenn auch nicht
jedesmal, unglücklich.
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
6l
Um dem vorzubeugen pflegt das Mädchen eigenmächtig
nachts mit
dem ihr teueren Jüngling davon zu gehen und einige Tage,
manch-
mal auch Monate lang mit ihm zu verbringen und auf diese
Weise
andere Jünglinge von sich abzuschrecken. Es besteht
sogar an einigen
Orten der verwerfliche Brauch, daß die Verheiratung
eines Jünglings
auch das Haus seiner Eltern wegen der gewaltigen Kosten
geradezu
auf den Bettlerstab bringt, denn an jedem Sonn- und
Feiertag von
der Verlobung an bis zur Trauung ist der Jüngling
verpflichtet, die
gesamte Sippschaft der Auszuheiratenden zu sogenannten
Schmausen
einzuladen, die häufig 30—50 Dukaten kosten. Und
überdies heischt
die Verlobte vom Verlobten Gewandstücke, fur sich soviel
Kostbar-
keiten, die seine Einkünfte übersteigen, denn sonst mag
sie ihm nicht
die Hand reichen. Darum, weil der Bursche weiß, daß er
die Kleidung-
stücke und die besagten Schmausereien ohne sein
augenscheinliches
Verderben nicht zu leisten vermag, pflegt er das Mädchen
unter irgend
einem trügerischen Vorwand heranzulocken und einige Tage
lang mit
ihr zu verbringen und dann muß wohl das Mädchen, ob sie
will oder
nicht, ihm folgen und zwar ohne besondere Auslage,
nachdem sie sich
durch diese Handlung die Zukunft verrammelt oder besser
gesagt, von
sich alle übrigen Jünglinge abgestoßen hat.
Anmerkung des Übersetzers. Im ersten Falle, läuft das
Mäd-
chen von selber dem Geliebten zu, im zweiten Falle
handelt es sich
um eine Kaufehe und im dritten um eine gewaltsame
Entfuhrung mit
der unerläßlichen Vergewaltigung. Frater Kobaeić spricht
vernünf-
tigerweise nichts von einem entsittlichenden Einfluß der
schlimmen
Moslimen auf die braven Christen, sondern hält sich an
die von den
Tatsachen des Volkslebens gegebene Wahrheit. Auf die
Frage eines
ius primae noctis geht er gar nicht ein, weil er nicht
weiß, was er
darauf antworten sollte.
4. Aus dem Bericht des Frater Anto Androsevic
inPodhum.
Von einem ius primae noctis weiß A. nichts zu sagen.
Ursprüng-
lich, so meint er, wäre das Zulaufen ein fremder Brauch
gewesen, aber
ovi se obicaj uvede i kod rimokatolika, dieser Brauch
ward auch bei
den Römischkatholischen eingeführt, weil die Kaufehe zu
kostspielig
sei: ovi trosak momka vise puta nadilazi vas njegov
dohodak, diese
Auslagen überschreiten oftmals all das Einkommen des
Burschen.
5. Frater Pavao Kolar in Kresevo hat nie etwas
von einem
ius primae noctis gemerkt. Er stellt für seinen
Pfarrbezirk den Brauch
des Zulaufens von Mädchen als gewöhnlich fest, ohne
daran etwas
62
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
anstößiges zu finden. Wenn er der Behörde nicht paßt,
so könnte
man ihn zu ändern versuchen.
6. Aus dem Berichte des Pater Filip Majić in F
oj ni ca.
Ponajprija kako nam pregji pridaju etc. — bili bi
prognjani sa
zemljiśta. — SiromaSni осі djevojacki osobno su
traźili sreću svojoj
kćeri i fako posebna i bez napovidanja i svetkovanja
bila su yjenćanja.
— Da cure kog momka zavole, k njem bijeg imadu. —
Roditelji sile
za drugoga pojti, za kim im nije volja. Roditelji ne
mogu doćekati
na premjer prosce. Curinski roditelji pod izlikom izdaju
svoje cure
.djevojke1, da im ne bude troska. A tako
momci gledeć na istiju
roditelja zahtijevanja, koja ne mogu dokolit, obićaju sa
svojim obića-
jem [sel. curu odvesti].
Übersetzung. Zu allererst, wie uns unsere Vorfahren
überliefern
usw. — jagte man sie von Grund und Boden weg. — Die
armen Väter
von Mädchen suchten persönlich das Glück ihrer Töchter
zu gründen
und so kam es, daß die Trauungen abgesondert, sowohl
ohne (kirch-
liche) Verkündigung, als auch ohne Festfeier,
stattfanden — sowie
Mädchen eine Neigung zu einem Burschen fassen, flüchten
sie zu ihm.
Die Eltern zwingen sie, einem anderen, der die Neigung
des Mädchens
nicht besitzt, die Hand zu reichen. Die Eltern können
zum Beispiel
die Werber gar nicht erwarten [oder, gebürend
empfangen]. Die
Eltern der Mädchen geben ihre Mädchen ,die Jungfern'
unter dem
Vorwande aus, um Kosten zu vermeiden. Und so pflegen
auch die
Burschen mit Hinblick auf die Forderungen derselben
Eltern, denen
sie nicht Genüge zu leisten vermögen, nach ihrem Brauch
vorzugehen
[d. h. das Mädchen zu entfuhren].
Anmerkung des Ubersetzers. Daß man die ansässigen
Bauern
verjagte, ist eine unbewiesene Annahme. Die Bewohner
ganzer Dörfer
verließen bei sehr geringen Anlässen ihre bisherigen
Wohnsitze, um
neue, bessere, aufzusuchen. Die treue Liebe zur
heimatlichen Scholle
bildet keineswegs ein hervorstechendes Motiv in der
Volksüberlieferung,
im Gegenteil. Zutreffend hebt Pater Majić hervor, daß
auch den
Brauteltern bei einer Kaufehe namhafte Kosten erwachsen.
Den
Käufer, d. h, den Bräutigam und seine gesamte
Verwandtschaft muß
man auch unabläßig reichlich bewirten und ihnen mit
Gegengeschenken
aufwarten. Läßt man nun seine Tochter entlaufen, so
richtet man
sich nicht wirtschaftlich zu Grunde und wahrt seine
Ehre.
7. Aus dem Berichte des Frater Antun Pavlinovic in
KreSevo.
Obićaj vidi se, da je nasto radi troskova. Źupnici, koji
su vise
vremena zupnikovali, potvrdice, da mnogi svoje
djevojke, koje bi
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
бз
udavali, Jesu prodavali kao marvu pogagjajući se se s
onim, koji żeli
imati njiovu djevojku, da ima dati tolko novaca, odjeće,
obuće itd.
Sto i danas biva u mnogim mjestim na proSnji iii
ugovoru. Da se
je nastojalo dokinuti taj obićaj to svidoci blagę
uspomene fra Augustin
Mileta, koji u svojih Naredbe i Uprave broj 10
zabranjuje, da se ne
smije vise od 60 para zahtjevati u jabuci, koja se u
znak privole
obićaje davati na prośnji. Isto nastojalo se dokinuti i
obićaj samodośle.
Desi se n. pr. da momak privede djevojku prije udaje.
Ordinarius
zapovjeda, da ju povrati roditeljem i dok je ne vrati,
dotle se ne ce
vjencati. Momak se ne bi hotio podlożiti odredbi, vec bi
se vjenco
kod turskoga kadije i tako in concubinatu zivio. Za
preprićiti ove
zle posledice su vikari bili usilovani pripuśćati
samodoSlice naregjujući
straśne pedipse a njegda i novcane globe, koje su iSle u
kasu crkvenu.
Crkva daje nam vlast pedipsati ovake [samodośle],
Übersetzung. Man sieht, daß der Brauch der Unkosten
halber
entstanden ist. Die Pfarrer, die längere Zeit Pfarren
verwesten, werden
bestätigen, daß viele ihre Mädchen, die sie ausheiraten
wollten, wie
das Vieh verkauften, indem sie mit dem handelten, der
ihr Mädchen
begehrt, er habe ihnen [so und] soviel Geld, Gewand,
Beschuhung usw.
zu geben, was auch heutigentags an vielen Orten auf der
Werbung
oder beim Vertrag geschieht Daß man sieht bemüht hat,
diesen
Brauch abzustellen, das bezeugt Frater Augustin Mileta,
seligen An-
denkens, der in seinen Verordnungen und
Verhaltungvorschriften Zahl
10 verbietet, man dürfe beim Apfel, den man zum Zeichen
der Zu-
stimmung auf der Werbung zu geben pflegt, nicht mehr als
60 Paras
fordern. Ebenso bemühte man sich auch den Brauch der
Zuläuferin
abzustellen. Es trifft sich z. B. daß ein Bursche ein
Mädchen vor der
Verheiratung zu sich heimfuhrt. Der Ordinarius befiehlt,
daß er sie
den Eltern zurückgebe und ehe er sie nicht
zurückgegeben, werde er
sie (das Paar) nicht trauen. Der Bursche pflegte sich
der Anordnung
nicht zu unterwerfen, sondern ließ sich beim türkischen
Kadi trauen
und lebte so in concubinatu. Um die bösen Folgen zu
verhindern,
waren die Vikare genötigt, die Zuläuferinnen [zur
Trauung] zuzulassen
indem sie über sie furchtbare Leibstrafen und zuweilen
auch Geld-
bußen verhängten, die in die Kirchenkassa flössen. Die
Kirche räumt
uns die Macht zur Züchtigung solcher [Zugelaufenen] ein.
Anmerkung des Übersetzers. Die bösen Folgen wären die
gewesen, daß auch andere Katholiken das gegebene
Beispiel nachge-
ahmt und sich vom Kadi bürgerlich hätten trauen lassen.
Dadurch
wären die Pfarrer um die ihnen vom lieben Herrgott im
Himmel
64
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
bestimmten Stolagebühren gekommen, das aber mußte man
verhindern,
selbst wenn die junge Frau unter der Leibzüchtigung
abortierte. Es liegt
auf der Hand, daß eine solche Strenge zur Wahrung des
Einkommens
der Kirchenkasse unter Umständen wesentlich, doch zur
Erhöhung der
Beliebtheit der Franziskaner und des christkatholischen
Glaubens im
Volke nur unwesentlich beizutragen vermochte. Beim Kadi
kostete
die Trauung 2 bis 5 Gröschlein oder auch nichts, wenn
das Paar arm
war, beim Franziskaner immer einen für den Bauer
bedeutenden Be-
trag, zudem mußte man einen Hochzeitschmaus
veranstalten.
8. Aus dem Berichte des Frater Jeronim Vladic im
Bezirk von
Skoplj e.
I to je uzrokom uskoćica, śto su neki krajevi regje
vigjali svece-
nike ter slabije bili poducavani u vjerskih istinah.
Uzimam za primjer
Skoplje. Moźda u cijeloj Bosni nejma primjera tolikim
uskoćicam kao
ovgje a to zato śto se oni od pradavnih vremena tako
żene a ovo
opet śto su rijetko vigjali svecenika ter doslijedno
słabo bili poduéeni
u vjerskih predmetih.
Znamo iz bosanskih ljetopisa, da prije kakvih 200
godina u cijelom
danaśnjem Skoplju nije bilo nigdje sela krśćanskoga,
nego da je bilo
samo 530 duśa katolićkih (Arch, congregationis de
propaganda fide
ad ann. 1675. Izyjeśće biskupa Bentiića i Ogramića) a to
su bile sve
same sluge u bega. Ovim je prolazilo i po vise godina,
da ne bi
vidili svecenika a kamo li da bi imali kada u vjeri biti
poduéeni a
prije kakovih 120 godina bilo je u svem Skoplju
(danaśnje tri źupe)
143 kuce katolićke (ibidem ad ann. 1762. Izyjeśće
biskupa Dragiće-
vica) ter je nekako oko ove godine i żupnik stavljen
ovamo sa sijelom
svojim u zabitnom Voljicu, gdje je moralo biti najvise
katolićkih
obitelji a izgorjev poćetkom ovoga stoljeća żupski stan
u Voljicu preseli
se żupnik za Glavicu (Biljeśka na misalu u Golom brdu
pok. Fra Ilije
Glavocevica onovrjemenog żupnika) otkale vecinom jedan
slużio cijelo
Skoplje od izvora Vrbasa do Doljnega Vakufa a to je
duljina do
kakovih devet sati і tosve do godine 1844.
— Taj nasilni upliv stopram je jenjao okupacijom al
uskoćice
prestale nisu. Możemo indi donekle kazati, da su i
mohamedanci tome
povoda dali.
Übersetzung. Auch das ist ein Grund für die
Ausreißerinnen,
weil einige Gebiete seltener Geistliche sahen und in den
Glaubens-
wahrheiten schwächer unterrichtet wurden. Ich nehme als
Beispiel
Skoplje. Vielleicht gibt es in ganz Bosnien kein
Beispiel für so viele
Die Zuchtwahlehe in Bosnien
65
Ausreißerinnen als wie hier und dies darum, weil man
sich hier seit
uralten Zeiten auf diese Weise beweibt, dies aber
geschah wieder
darum, weil sie selten einen Geistlichen sahen und
folglich schwach
in den Glaubensgegenständen unterrichtet wurden. Aus
bosnischen
Chroniken wissen wir, daß vor einigen 200 Jahren im
ganzen heutigen
Skopljegebiet es ihrer bloß 530 katholischer Seelen gab
(Arch, con-
gregations de propaganda fide ad ann. 1675. Bericht der
Bichöfe
Bentiić und Ogramić) und das waren lauter Bedienstete
der Begen.
Diesen pflegten auch mehrere Jahre zu verstreichen, ohne
daß sie
einen Geistlichen zu Gesicht bekamen, geschweige denn,
daß sie Zeit
zur Belehrung in der Religion gefunden hätten, und vor
einigen 120
Jahren gab es im gesamten Skoplje (den heutigen drei
Pfarren) 143
katholischer Häuser (ibidem ad ann. 1762. Bericht des
Bichofs Dra-
gicévic) und beiläufig um dieses Jahr setzte man hierher
auch einen
Pfarrer mit seinem Sitz im versteckten Voljic, wo es
wohl am meisten
katholischer Familien gegeben hat, und als anfangs
dieses [XIX.] Jahr-
hunderts die Pfarrerwohnung verbrannte, übersiedelte der
Pfarrer nach
Glavica (Notiz auf dem Missale zu Golo brdo von der Hand
des da-
maligen Pfarrers Frater Ilija Glavocevic), von wo aus
der eine das
ganze Skopljegebiet vom Vrbasquell an bis zum Doljni
Vakuf versah
und das hat eine Länge von einigen neun Stunden, und
dies währte
bis zum Jahre 1844.
Frater Vladic weist noch, wie die anderen
Berichterstatter auf
die Reibungen zwischen Moslimen und Christen hin und
fährt dann
weiter fort: Dieser Gewaltmenschenseinfluß ließ erst
seit der Okkupa-
tion etwas nach, doch die Ausreisserinnen hörten nicht
auf. Wir
können also in einem gewissen Sinne sagen, daß auch die
Moslimen
dazu Veranlassung gegeben haben.
Anmerkung des Ubersetzers. Man hat sich zu merken,
daß
Frater Kladić den Brauch als uralt bezeichnet und seinen
unver-
minderten Bestand trotz hundertundsiebenzig Jahre
währender, von
Pfarrern ausgehenden Belehrung und trotz erfolgter
politischer Um-
wälzung feststellt. Die Moslimen haben ihn vielleicht
auch mit ver-
anlaßt, meint der Frater recht verständig, auch macht er
die Armut
des Volkes für die Erscheinung nicht verantwortlich,
denn im Gebiet
von Skoplje, das sich durch seine Fruchtbarkeit
auszeichnet, sind
die Bauern durchwegs vermögend und wären in der Lage,
prunk-
volle Kaufehen zu schließen.
9. Aus dem Bericht des Frater Mihovilo Kopić
in Fojnica.
Zabranjuju uzet djevojku ol udovu svojim sinovma. —
Taj obićaj
Krauss, Anthropophyteîa. IV. c
66
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
biva i zato, Sto se pribojavaju obe stranke, da ih ne
bi tko skudio. —
Djevojka higje s vjerenikom ol drugim od istog poslatim
svojevoljno.
Übersetzung. [Die Eltern] verbieten ihren Söhnen ein
Mädchen
oder eine Witib zu nehmen. — Dieser Brauch kommt auch
deshalb
vor, weil beide Parteien die Besorgnis hegen, es könnte
sie wer durch
böse Nachreden entzweien. — Das Mädchen geht freiwillig
mit ihrem
Verlobten, oder mit einem anderen von ihm abgesandten.
10. Aus dem Berichte des Frater Augustin Purgić,
Pfarrers zu
Gromilj e.
Da djevojke prija vjencanja uskoće oli pribjegnu
svojim yjernikom
[nicht vjerenikom] uzroci su dvogubni. Gospodari joj
udaju sveosve
uskraćuju; sjeromaStvo, sjerotinja, goloća. Uskoćenjem
sve se to mi-
moigje. A cetvrto navedu uskoćile katkad і to za uzrok,
Sto joj je
vjerenik reko, da joj drukćije nije ni muśterija ako
naime ne prib-
jegne.
Dogodilo se njekim źupnicim (prem meni nije nikada),
da je pod
imenom uskoćice dogodio se raptus realis, ali palliatus,
pallio „usko-
cice'V JoS: uskoćica je njegdi manje zla, jer se
cuva djevojka neosk-
vrnjena a njegdje je prizla, jer ju oskvrnji vjerenik
odma. Ćini mi se,
da mnogo ovim uskoćicam uzrok jesu turci radi svoje
nezauzdane puti.
Übersetzung. Daß die Mädchen vor der Trauung
ausreissen
oder ihren Verlobten zugelaufen kommen, dafür liegen
zweifache
Gründe vor. Die Herren verweigern ihr durchaus und
unbedingt die
Verheiratung, [dann] die Armut, gänzliche
Mittellosigkeit, das Ent-
blößtsein von Allem. Durchs Ausreißen weicht man alledem
aus.
Und viertens führen die Ausgerissenen auch das als Grund
an, der
Verlobte habe ihr gesagt, er wäre sonst gar nicht ihr
Kunde, wenn
sie ihm nämlich nicht zulaufe.
Es widerfuhr einigen Pfarrern (wiewohl mir niemals),
daß sich
unter dem Deckschild Ausreisserin ein raptus realis
zutrug, doch ein
palliatus, pallio einer „Ausreisserin". Noch etwas: Die
Ausreisserin
ist hie und da die minder arge Erscheinung, denn das
Mädchen wird
in seiner Keuschheit behütet, zuweilen jedoch eine nur
zu arge, denn
der Verlobte gebraucht es sofort. Es scheint mir, daß
vielfach die
Moslimen wegen ihrer ungezügelten Wollust ein Grund für
die Aus-
reisserinnen sind.
Anmerkung des Üb ersetzers. Unter den Herren meint
der
Frater wohl die Eltern oder die Brüder des Mädchens, die
auf ihren
Vorteil schauen.
Die Zuchtwahlehe in Bosnien
б7
її. Aus dem Bericht des Frater G Drażetić in Gornji
Vakuf.
Uskoćica biva osobito kad bi źenjenik tankovic a
roditelji istog
tvrtcina oli lakomac bili.
Üb ersetzung. Die Ausreisserin kommt besonders vor,
wenn
der Heiratlustige sehr arm ist und seine Eltern
Geizkragen oder hab-
süchtig sind [d. h. wenn sie den Aufwand einer Kaufehe
nicht bestreiten
mögen].
12. Aus dem Berichte des Frater Andrija Juricevic in
TriScani.
— da dakle ovoj pogibili izbjegnu sami bi ju sumovlakom
odveli
ja uprav u kucu roditelja zenjenikovi ja li u ćiju od
obliżnji rogjaka.
— Razlikuju se u sve i posve. — Ispita se rodbina obiju
stranka. —
Udadbenica oteta śto prija se povraca na prostosL
Überset zung. Um also dieser Gefahr [der Entehrung
des Mäd-
chens durch Moslimen] zu entweichen, pflegten sie es
selber geraden-
wegs ins' Haus der Eltern des Bräutigams oder in das
naher Ver-
wandten zu fuhren. — [Die Alleinzugelaufene]
unterscheidet sich him-
melweit [von der Geraubten]. — Man fragt die Sippen
beider Parteien
aus. — Einer geraubten Braut wird ehestens die Freiheit
wiederge-
geben.
Anmerkung des Übersetzers. Fra Juricevic unterließ es
darzutun, warum und wieso denn das Elternhaus des
Bräutigams oder
das eines nahen Verwandten der Jungfer vor den
Nachstellungen geiler
Moslimen eine größere Sicherheit gewährt habe als ihr
Elternheim.
Zu den haltlosen Behauptungen zählt auch der Schlußsatz.
13. Aus dem Bericht des Frater Ivan Vujicic in
Brestovsko.
Ovakove pred żupnika pozvane pokraj svega njegova
katehi-
ziranja i pretnja obićno odgovore: ,Koja usta rekla
ta i porekla', —
,Na me nij ni postało ni ostało1, — ,Kad su
druge mogle tako ućiniti,
mogu i ja', — Nijedne nije vrag odnio, śto je prevarila,
ne će ni
menel'
Iza toga nastaju neprilike za żupnika śto da ćini sa
neyjernicom,
da druge zla izgleda ne slijede i za prevarenoga
żenjenika zbog sramote
megju drugovi i troskova uzalud ućinjenih, gdje ovaj
kadikad i pod-
vojstruci iste a druga stranka ni polovicu zbilja
ućinjenih ne priznaje.
Osim toga roditelji djevojacki ne će da znaju za
povratak troskova
govoreci: ,Eto ti cura, mi je nismo odvratili, Tko ti je
kriv ako te
ona ne će?' Djevojka pako obićno svoga vlastitoga ne ima
niśta da
plati. Onaj pako koji ju je odveo ol će neśto mało
troskova na sebe
primiti ol ne će niśta, govoreci: ,Ko je jeo i pio, nek
ti plaça1, itd. i
5*
68
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
tako se dogodi, da se familije njeke silno zaduże
zbog troskova uzalud
ućinjenih a toga se ne će odvratiti, jer je obićaj takov
te svald mora
ako se hoće źeniti, troSiti makar uzalud bilo. Zbog toga
prevareni
źenjenik ù oćajanju vise puta traźi prigodu osvetit se
neyjernici ol
onomu koji ju je odveo i tako se citave familije zavade
te dogje kadi-
kad do razbijenih glava. A bilo je prije slucajeva, gdje
je prevareni
iz puśke ubijo і djevojku i njezina novoga zavodnika.
Buduć jedno zlo drugo vuće, prevareni źenjenik sebi
drugu nagje
al je visé ne prosi po zakonu već ju nocom
dovede, kod sebe drżi i
poslje igje żupniku na prsten, L j. da zaruke
sklopi. Kad ga żupnik
po svoj dużnosti za to ukori, on odgovara: .Radio sam
dosada po
zakonu pak sam ц crno zavijen i opet prevaren ostao. Kad
imate
zakon, da se ne smije po noći voditi, zaśto ga ne imate
da djevojke
ne smiju varati ol ako prevare, §to je vjencate dok
troskova naśih ne
plateF1
Dapaće tu se proti istomu svetome zakonu govori. Ja
sam kao
żupnik viseput dozivio, gdje su mi mnogi u ovakovih
okolnostih, kad
bi se brzo vjencala djevojka, koja je drugoga tako
prevarila a troskova
ne platila, rekli: ,Nejma strażnjega zakona od nasega.
Bolji je turski
i hriśćanski zakon, jer oni svoje, dok po noći odu,
yjenćaju odmah a
mi troM ovde, trośi onde, pa kad nas prevari, onda
nikomu niśta!'
Übersetzung. [Der Frater spricht von jenen Mädchen,
die sich
nicht verkaufen lassen, sondern dem Mann ihrer Wahl
zulaufen]. Vor
den Pfarrer vorgeladen antworten solche gewöhnlich trotz
aller Kate-
chisierung und allen Drohungen: ,Der Mund, der zugesagt,
derselbe
hat auch abgesagt1, — ,Bei mir hat es weder
angefangen noch aufge-
hört*, — ,Konnten andere so handeln, kann auch ich es',
— ,Noch
keine einzige hat der Teufel geholt, weil sie einen
genasfuhrt hat, so
wird er auch mich nicht holen!'
Darnach entstehen für den Pfarrer Unannehmlichkeiten,
was er
denn mit der Treulosen anfangen soll, damit nicht andere
dem bösen
Vorbild folgen, und wegen des betrogenen Brautsuchers
der Schande
halber unter den Genossen und ob der vergeblich
gemachten Aus-
lagen, wo der doch zuweilen diese auch verdoppelt, die
Gegenpartei
aber nicht einmal die Hälfte der wirklich gemachten
Kosten anerkennt
Außerdem mögen die Eltern des Mädchens von einer
Rückerstattung
der Kosten nichts wissen, indem sie sagen: ,Da hast du
das Mädel,
wir haben sie nicht davon abgebracht. Wer ist dir Schuld
daran,
wenn sie dich verschmäht?' Das Mädchen aber besitzt
gewöhnlich
gar kein eigenes Vermögen, um zu zahlen. Jener wieder,
der sie ent-
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
69
führt hat, mag entweder ein weniges von den Kosten
auf sich nehmen
oder gar nichts, indem er sagt: ,Der da gegessen und
getrunken hat,
der soll dir auch zahlen' usw., und so geschieht es, daß
sich manche
Familien wegen der vergeblich gemachten Auslagen
gewaltig ver-
schulden und davon werden sie nicht ablassen, weil der
Brauch so ist
und jeder ist bemüßigt, der sich beweiben will,
auszugeben und selbst
sollte es vergeblich sein. Darum sucht der hintergangene
Bräutigam
in seiner Verzweiflung öfters eine Gelegenheit, sich an
der Treulosen
oder an jenem zu rächen, der sie entfuhrt hat und so
geraten ganze
Familien in Zwietracht und es kommt mitunter zu
zerschlagenen
Köpfen, früher ereigneten sich auch Fälle, daß der
Betrogene sowohl
das Mädchen als ihren Buhlen mit Gewehrschüssen tötete.
Dieweil ein Übel das andere nach sich zieht, findet
der Bräutigam
fur sich eine andere, doch freit er um sie nicht mehr
nach dem Ge-
setz, sondern führt sie nächtlicherweile heim, hält sie
bei sich und
geht späterhin zum Pfarrer zur Beringung, d. h. um die
Verlobung zu
schließen. Wenn ihn nun der Pfarrer pflichtgemäß
deswegen rügt,
so antwortet er: ,Ich habe bis nun nach dem Gesetze
gehandelt, bin
in Trauerkleidung gehüllt worden und dennoch der
Gefoppte ge-
blieben. Habt ihr ein Gesetz, daß es unerlaubt ist,
nachts eine heim-
zufuhren, warum habt ihr keines, daß die Mädchen einen
nicht narren
dürfen, oder, wenn sie schon betrogen haben, warum traut
ihr sie,
ehe sie uns unsere Kosten bezahlen?'
Ja, man eifert hierbei sogar gegen das heilige
Gesetz. Ich er-
lebte es als Pfarrer mehrmals, daß mir viele unter
solchen Umständen,
.wann eine rasche Trauung des Mädchens erfolgt war, das
einen an-
deren so betrogen, die Auslagen aber nicht bezahlt
hatte, sagten: ,Es
gibt kein rückständigeres Gesetz als es das unsere ist.
Besser ist das
türkische und das altgläubigchristliche Gesetz, denn
wenn die nachts
gehen, vollziehen sie sogleich die Trauung, wir jedoch
gib da aus, gib
dort aus und wenn sie uns betrogen hat, da hat jeder das
leere Nach-
sehen!'
Anmerkung des Übersetzers. Man ersieht aus dieser
lebens-
warmen Schilderung, daß es auch mit dem Brauch des
Brautkaufs
happert und daß die Liebe oftmals stärker ist als das
Geld der Freier
und die Weisheit der Eltern. Daß jedoch der Brauch des
Zulauferis
des Mädchens nur durch den Brauch des Brautkaufs
entstanden sei,
ist bloß die Meinung des Berichterstatters.
JO Die Zuchtwahlehe in Bosnien«
14. Aus dem Berichte der Frater Mate Baljić in
Banbrdo.
Na vise mjesta po Bosni zove se djevojacki greb і
svatovsko
greblje L j. javno vodeci djevojku jedan kmet sa pomoćju
svoga age,
takogjer drugi kmet isto sa pomoćju svoga age doćeka
prvog i za
otimanje djevojke na mjestu pało bi mrtvi.
Buduć da je sloboda nastała kako u stvarma duhovnim
tako u
stvarma źenidbenim da se mogu javno obavljati, Ірак neki
katolici ne
će da obavljaju javno u stvarma żenidbenim, za oto jerbo
po noći
tajno kada privedu djevojku, otstupe od one djevojke i
već volju
izgube a mlogo puta bude da djevojka na svakom ispitu
każe, da oće
za onog mladića, koji ju je po noći tajno priveo k
svojoj kuci; za oto
govori; jer ne ima prostosti od svoje volje.
Übersetzung. An mehreren Orten im Bosnaland heißt man
[gewisse Stellen] das Mädchengrab und das
Hochzeitergrab, d. h. ein
die Braut unter dem Schutze seines Agas heimführender
Bauer ward
von einem anderen Bauern, der gleichfalls mit Hilfe
seines Agas aus-
gezogen, überfallen und beim Ringen um den Besitz des
Mädchens
pflegten Tote den Boden zu bedecken.
Dieweil sowohl in geistlichen Sachen als in
Heiratangelegenheiten
eine Zeit der Freiheit angebrochen, daß man sie
öffentlich vollziehen
kann, so wollen dennoch manche Katholiken in Ehesachen
nicht öffent-
lich vorgehen, und zwar darum, weil, wenn sie nachts
heimlich ein
Mädchen heimgeführt, sie auch wohl von jenem Mädchen
zurücktreten
und schon die Lust zu ihr verlieren, oftmals jedoch
geschieht es, daß
das Mädchen bei jeder [geistlichen] Prüfung aussagt, sie
wolle jenem
Jüngling folgen, der sie nachts heimlich zu seinem Hause
geführt hat;
so spricht sie darum, weil sie die Freiheit ihres
Willens nicht besitzt.
Anmerkung des Ubersetzers. Der Burgherr oder ein
stein-
reicher Bauer hat ein vielumworbenes, wunderschönes
Töchterlein.
Auf der Heimführungfahrt überfallt einer oder mehrere
von den ab-
geblitzten Freiern den Hochzeitzug und bald besiegt der
glückliche
Bräutigam die Angreifer, bald sind wieder die Angreifer
die Sieger.
Das ist ein vielfach in Guslarenliedern abgedroschenes
Motiv und die
Sage tritt an vielen Orten auf, als wäre die Geschichte
just dort
passiert. Den Zusammenhang dieser Sage mit dem Brauche
der Zu-
gelaufenen herzustellen, vermag ich nicht und auch
Frater Baljić
versuchte es nicht. Eigenartig ist seine Behauptung, daß
man ein
Mädchen sozusagen zunächst auf eine Probenacht entführe,
um das
Mädchen darnach, wenn die Probe nicht zur Befriedigung
ausfiel,
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
71
wieder ohne weiteres abstoßen zu können. Richtig ist
dagegen die
Abfuhrung der Braut zur Nachtzeit, was ja auch andere
bestätigen.
In Urzeiten war bei allen jenen, denen in der Brust kein
Heldenherz
schlug, das Eheschließen eine heimliche Sache, eine rein
private An-
gelegenheit und daran hat fur die Menge der
Unbedeutenden, die das
Volk bilden, weder das Christentum noch der Islam unter
den Süd-
slaven viel zu ändern vermocht
15. Aus dem Berichte des Frater Bono Ostojić in
Solakova
kuła.
a) To bude ćestoput zbog nekakvog umiśljenog ponosa,
jer se
kukavstinom ćini, ako koja lijepim se naćinom isprosi.
b) Mnogoput
bude ex coeco amore, da tim bolje osigura svoju udadbu
za dotićnog
svog dragog i da je se drugi, koga ona ne ljubi, tim
pribjegnućem
okani. c) Viseput su uzrokom i previSi troSkovi s kojim
su skopćane
proSnje djevojke pa tomu izbjeguuti misie dotićni na
tald jednostavniji
naćin. d) Taj obićaj poprimili su od turakah i riSćani
koji jim slużi
toboź na diku i ponoś te tako i nasi katolici poprimivSi
od njiha vode
taj obićaj.
Übersetzung, a) Das geschieht oftmals eines gewissen
einge-
bildeten Stolzes halber, denn man hält es für eine
Feigherzigkeit,
wenn man ein Mädchen auf eine schöne Manier erworben hat
b) Viel-
fach geschieht es ex coeco amore, um damit besser ihre
Ausheiratung
an ihren betreffenden Liebsten sicher zu stellen und
damit ein anderer,
den sie nicht liebt, infolge dieses Zulaufens von ihr
ablassen soll,
c) Mehrfach sind auch die übertriebenen Auslagen ein
Grund, mit
denen Werbungen um ein Mädchen verknüpft sind und die
Betreffen-
den glauben damit auf eine einfachere Weise zu entgehen,
d) Diesen
Brauch übernahmen von den Moslimen auch die
(altgläubigen) Christen,
und er dient ihnen angeblich zum Ruhm und Stolz und also
nahmen
auch unsere Katholiken hier diesen Brauch von ihnen an.
Anmerkung des Übersetzers. Unter a) vermengt der
Frater
die gewaltsame Entfuhrung mit dem freiwilligen Zulaufen
der Braut
und zu d) ist hervorzuheben, daß da Moslimen und die
Christen
beider Bekenntnisse von gleichem Stamme, gleicher
Sprache und
gleichen Sitten und Gebräuchen sind, im Grund auch von
ein und
demselben Glauben, den die Lehrer der Religionen nur dem
Schein
nach auszurotten vermochten. Richtig ist zu sagen, die
Bekenner aller
drei Bekenntnisse betrachten es als ihren Ruhm und Stolz
ihren ur-
alten Brauch allen Hemmnissen zum Trotz aufrecht zu
erhalten.
72
Die Zuchtwablehe in.Bosnien.
іб. Aus dem Berichte des Frater S tj ер о Momcilovic
inKise-
ljak.
Ovaj obićaj jest kod nas u Bośni od vise stoleća
uveden, koji
obićaj i dan danas kod krSćana vlada. Uzroci radi kojih
je uvedena
samodoSla jesu a) śto su usvajali turci ius primae
noctis s krSćankom
kao age i bezi, b) jerbo je taj zbilja orijentalski
naćin, korne su i nasi
previkli, tako da su se mnogi i kod turskih kadijah
vjencavali, c) ro-
diteljska odurnost, kojom ne puStaju svojim ćerma volju,
nego ju sami
izbjeru, d) roditelja cjenidba koliko mora dati żenjenik
rodbinł udad-
benice. — Joś peti uzrok mogo bi se navesti, Sto mloge
djevojke,
kad sil već zakonito sklopile zaruke i koji put oglaSene
u crkvi, obi-
ćaju prevariti vjerenika a prebjegnut drugomu.
Uskoćica bosanska ne bi bila otimaćina, jer sama ona
rijeć samo-
doSla ne zlamenuje drugo, nego da je dragę volje hotijuć
ostavila
djevojka svoje roditelje.
Übersetzung. Dieser Brauch ist bei uns in Bosnien
seit meh-
reren Jahrhunderten eingeführt, welcher Brauch auch noch
heutigen-
tags bei den christkatholischen herrscht. Die Gründe,
derentwegen
die Zugelaufene eingeführt worden, sind a) weil sich die
Moslimen
als da sind die Agen und Begen, das ius primae
noctis mit der
Christin anmaßten, b) weil dies tatsächlich die
orientalische Methode
ist, an die sich auch die unsrigen gewöhnten, so daß
sich viele sogar
bei den türkischen Kadis trauen ließen, c) die
elterliche Ruppigkeit,
mit der sie ihren Töchtern den Willen nicht lassen,
sondern selber
die Wahl [eines Lebensgefährten für sie] treffen, d) die
elterliche
Schätzung, wieviel der Bräutigam der Sippe der Braut zu
entrichten
bat. — Noch ließe sich als ein fünfter Grund der
anführen, daß viele
Mädchen, nachdem sie bereits gesetzmäßig die Verlobung
geschlossen
und etlichemal in der Kirche verkündigt worden, den
Brauch üben,
den Verlobten zu betrügen und einem anderen zuzulaufen.
Die bosnische Ausreisserin stellte eigentlich keinen
Raub dar,
denn schon das Wort samodoSla (die allein gekommene)
allein bedeutet
nichts anderes, als daß das Mädchen aus freien Stücken
wollend ihre
Eltern verlassen hat
Anmerkung des Übersetzers. Die Anmaßung eines ius
primae
noctis seitens der Moslimen ist auch bei diesem
Berichterstatter nur
eine Vermutung.
In den öden, unsäglich finsteren, nachtumhüllten,
franziskaner-
losen Jahrhunderten, oder vielmehr Jahrtausende
hindurch, lebten die
Slaven im allgemeinen und die Bosnier im besonderen in
concubinatu.
Die Zuchtwalilehe in Bosnien. 73
Das Weibchen lief dem Männchen zu und sie zeugten
lauter Bankarte,
weshalb denn das ganze, von keinem Licht der heiligen
Glaubens-
wahrheiten bestrahlte, erhellte und beglückte Volk, ein
Volk von
Bastarden war und zum großen Teil allen geistlichen
Ermahnungen
zum Possen es in Sünde und Schande auch noch ist Also
spiegelt sich
in der Auffassung der Mönche das Volksleben ab. Das ist
ihre Meinung
und wir wollen dawider nicht rechten, sondern das Volk
befragen.
Die Mönche fur ungebildet zu halten, wäre töricht.
Alle haben
ein Gymnasium besucht, alle lesen geläufig lateinisch,
manche auch
altgriechisch, viele verstehen italienisch, manche
deutsch, nur ihr Volk
verstehen sie schlecht, dem sie entstammen, weil sie
durch die eigen-
artige Schulbildung dem Volke geistig entfremdet sind.
Sie verloren
die Art des Schauens und Hörens, die den Folkloristen
zum Forscher
erhebt, sonst würden sie nicht ungehört ihre
Volksgenossen erbar-
munglos verdammen.
Von der SamodoŚla oder Uskoćica (Zugelaufene, allein
zuge-
kommene oder Ausreisserin) berichten zahlreiche
Volküberlieferungen.
Keiner von unseren 16 Franziskanern nahm auf sie Bezug,
als ob es
ihrer gar keine gäbe. Manche davon wollen wir in den
nächsten
Bänden der Anthropophyteia anfuhren, hier einstweilen
aber nur die
einfachste und klarste Anschauung des Gewohnheitrechtes
über diese
Eheform kurz mitteilen.
Man schreibt und spricht von der Raubehe und Kaufehe
als
ältesten und verbreitetsten Einrichtungen, übersieht
aber dabei, daß es
im Grund genommen nur die auffälligsten, daher meist
geschilderten,
doch nicht die alltäglichen Formen sind oder sein
können. Die Jüng-
linge, die genug stark und tüchtig sind, ein Mädchen zu
rauben und
den Raub zu behaupten, gehören auch unter den Primitiven
zu den
gefeierten Ausnahmemenschen. Häufiger treten bei einigem
Wohlstande
Kaufehen auf, doch die Menge einer wirtschaftlich
schwachen Volks-
gruppe muß von der einen wie von der anderen
Eheschließungform
absehen. Die .armen und ärmsten des Volkes ziehen aus
Liebe zu-
sammen oder es gelangt eine Art von Zuchtwahl zur
Geltung und
solche Ehen sind durchgehends von dauernderem Bestand
als die vor-
erwähnten zwei anderen Formen. Daß die Zuchtwahlehe
regellos
oder sittenlos sei, wie die Franziskaner dies annehmen,
und daß ihre
Eingehung ohne gegenseitige Bindung geschähe, ist
unrichtig.
Guslarenlieder haben genug oft solche Ehen zum
Vorwurf und
der stereotype Schluß lautet gewöhnlich:
74
Die Zuchtwahlehe in Bosnien.
Kad je momak curu dovodio,
vjenca za se i uze poda se
pa je ś njome poród izrodio.
Als der Jüngling das Mädchen heimgeführt — traute er sie
sich
an und nahm sie unter sich — und setzte mit ihr eine
Nachkommen-
schaft in die Welt
Die erste Zeile sagt an, daß das Mädchen dem
Geliebten ohne
Kampf und ohne Kauf gefolgt ist Die Worte der zweiten
Zeile
yjenća za se verdeutschte ich zunächst der
Verständlichkeit halber in
dem Sinne, in dem man sie in der serbischen
Schriftsprache gebraucht,
ohne sich über deren ursprüngliche Bedeutung
Rechenschaft zu geben.
Ursprünglich bedeuten diese drei Worte: er band sie mit
einem
Kranz an sich. Der Kranz besteht aus Blumen und Laub.
Hymens
Fesseln 1 ruft begeistert ein Poet aus. Wie
herrlich das Symboli —
Fesseln sind es, gewiß, doch von einer solchen
poetischen Symbolik
weiß der Primitive nichts. Er sucht nach einem festen,
starken Band,
und das festeste ist gerade das Blumen- und Laubgewinde;
denn
damit ruft er die Baumselen, an die er und seine
Auserkorene glauben,
zu Zeugen ihres Bundes an. Das ist ein Brauch, der auch
sonst bei
vielen Völkern vorkommt und dem ich in einem Buche, das
ich unter
der Feder habe, einen längeren Abschnitt widme. Sonstige
Bünd-
nisse, z. B. bei Schließung der Wahlverbrüderung oder
der Godschaft
in Notlagen, bindet man mit Gürtelbändern oder Tüchern,
selten mit
Kranzgewinden,
Damit erwarb nun der Jüngling ein Recht auf das Weib
und so
macht er gleich davon Gebrauch und beschläft es. Jetzt
ist sie seine
ljuba (Geliebte) worden und in Guslarenliedern behält
das Weib
ständig diesen Namen bei. Der Alltagmensch wartet ab,
bis ihm sein
Lieb Kinder gebiert und dann erst ist sie seine że na
(griech. gynê),
eine Gebärerin, ein Eheweib vollen Rechtens geworden. Er
achtet
sie und liebt sie, er haut sie braun und blau und läßt
sie sich für seine
Bequemlichkeit abrackern. Dafür ist er der Mann, der
Herr und sie
das Weib, sein wohlerworben Eigentum. Jetzt genießt sie
die gleichen
Rechte, Pflichten, Ungerechtigkeiten und Lasten, wie
ihre vornehmeren
Mitschwestern, die Geraubten und die Gekauften.
Erotische Tätowierungen.
Beobachtungen von Hugo Ernest Luedecke-Zwickau.
Zu dem bekanntlich bereits von Darwin angeschnittenen
Gebiet
der erotischen Natur der Tätowierungen hatte ich schon
seit Jahren
allerhand Material gesammelt. Erst die Umfrage von
Krauss (,An-
thropophyteia', Bd. I, S. 507 fr.) ließ mich meinen
Beobachtungen er-
neutes und erhöhtes Interesse zuwenden. Der von
Robinsohn be-
obachtete Fall eines tätowierten Niederösterreichers
(früher exzessiver
Onanist, Flatoniker, schüchtern, sehr seltner Coitus),
sowie die Bemer-
kung: ,Der von Natur aus schüchterne Jüngling greift zur
Erhöhung
der ihm vermeintlich mangelnden Anziehungkraft zur
Tätowierung1
machten mich sofort stutzig. Der kräftigste Hahn
trägt das schönste,
bunteste Gefieder, wie jeder Züchter weiß. Ergo, sagte
ich mir, wird
sich auch die Tätowierung immer bei sexuell und muskulös
sehr
starken Menschen finden. Ein glücklicher Zufall spielte
mir kurze
Zeit darauf einen Tätowierer Hugo Sch. (s. Abb. 1) in
die Hände,
der mir ein derartig reiches Material vermittelte, daß
ich jetzt eine
Gesetzmäßigkeit zu konstatieren glaube. — Um es gleich
vorneweg
zu nehmen: meine oben ausgesprochene Vermutung ist in
einschrän-
kendem Sinne korrigiert worden. Ich behaupte: die
Tätowierung als
sekundärer künstlicher Geschlechtcharakter tritt auf
teils
bei lediglich vorhandener Libido, teils bei starker
Potenz +
Libido. Die ersteren Fälle, wo nur Libido, bei
mangelnder Potenz,
vorhanden ist, sind relativ selten; zu ihnen gehört der
von Krauss
geschilderte Fall (exzessive Onanie, sehr seltner
Coitus). Die letzteren
Fälle sind allgemein die Regel.
Die Tätowierung gehört, um einen Darwinschen Ausdruck
zu
gebrauchen, zum geschlechtlichen Schmuck. Das Verhältnis
dieses zur allgemeinen sexuellen Psyche ist noch wenig
geklärt, und
ich habe, gerade um die Tätowierung in die Reihe des
geschlecht-
lichen Schmückens einordnen zu können, so eine Theorie
gebildet,
7б
Erotische Tätowierungen.
die weit über diese Sonderfrage hinausgehen dürfte.
Zunächst muß
ich auf die nahe Verwandtschaft des geschlechtlichen
Schmuckes zur
Psychopathia sexualis hinweisen. Meiner Ansicht nach
weist der ge-
schlechtliche Schmuck der Frau (Pelzwerk, gleißende
Juwelen, heraus-
fordernde Haarfrisur usw.) direkt auf sog.
psychopathische Anlagen
des Mannes (Masochismus, Fetischismus, Faszinierung),
der geschlecht-
liche Schmuck des Mannes auf dergleichen Anlagen der
Frau zurück.
Die Tätowierung des Mannes ist zunächst und vor allem
ein Symbol
der Stärke und Grausamkeit, zu dem weiblicher
Masochismus (blinde
Unterwerfung) das Korrelativ ist Ein Analogon ist hierzu
das Be-
malen der indianischen Krieger, die durch den grell
bemalten Körper
im Feinde die Vorstellung der Unüberwindlichkeit,
Grausamkeit, Stärke
wecken wollen; in der modernen Kulturwelt ist dieser
Trieb natürlich
abgeschwächt und — das ist bezeichnend — ins Erotische
spezialisiert.
Das Symbol der Stärke (Tätowierung überhaupt) wird hier
nun —
zwecks Anziehungkraft des Femininen — dadurch an Kraft
erhöht,
daß es aus erotischen Emblemen gewählt wird. In jedem
echten
Weibe schläft ein Stück Masochismus, das vom Manne
instinktiv ge-
ahnt wird. Und so komme ich zu dem Schlüsse, daß i)
in jedem
Geschlechtwesen alle ,psychopathischen' Anlagen vorhan-
den sind, die einen im Keime, die anderen ausgebildet,
eine Reihe
erstickt, eine andere verkümmert, eine dritte
ausgebildet (Meine Selbst-
beobachtung*, die ich objektiv aufgezeichnet habe,
bestätigt mir das
unzweifelhaft). Daß 2) in jedem Geschlechtwesen der
Trieb
zu geschlechtlichem Schmuck vorhanden ist, bis auf die,
deren
Psyche völlig zerrüttet ist Und daß 3) der Trieb des
einen Ge-
schlechtwesens zu geschlechtlichem Schmuck auf psycho-
pathische Anlagen des anderen zielt Die Tätowierung ist,
wie
bereits oben erörtert, der trefflichste Beweis zu diesem
Schluß. Sie
ist zunächst Symbol der Stärke überhaupt, sodann der
sexuellen
Stärke. Hierher gehört schließlich der sexuelle
Einfluß der abson-
deren Farbe. Die unbändige Sucht des Negers nach der
weißen
Frau ist bekannt, sie überwindet sogar die Furcht vor
der bekannten
Lynchjustiz. Ebenso der Zulauf, den andersrassige Männer
seitens
unserer Frauen und Mädchen haben. Im August 1906 hatten
wir z. B.
ein Abessinierdorf in Zwickau; Mädchen und Frauen dieser
,Schwanen-
stadt' schmierten sich an den braunen, dürren Gesellen
förmlich
herum, haschten nach einem Händedruck und — weinten gar
als die
Söhne Afrikas auf dem Bahnhof zur Abfahrt standen; eine
Kellnerin
war gar eine Nacht im Dorfe geblieben und hatte dort als
allgemeines
Erotische Tätowierungen.
77
Lustobjekt gedient. In den erotischen Träumen einer
mir sehr wohl-
bekannten Dame spielt das Amethystblau eine große Rolle
usw.
Dafür, daß sich dies Gebiet dem der Tätowierung
anschließt, spricht,
daß letztere bei ausgesprochen tätowierten Männern fast
stets zwei-
farbig ist (Schwarz und Rot, häufig auch Blau). Soviel
über die
Stellung der Tätowierung in der sexuellen Psyche.
Bei Erörterung der Einzelfälle haben wir natürlich
von vorn-
herein auszuscheiden die Tätowierung als gelegentliche
Laune, als
Liebhaberei Hierin sind die »höchsten Herrschaften' mit
,gutem*
Beispiel vorangegangen, und wirklich ausgezeichnete
,Kunsttätowierer*
gibts genug. Daß es oft wahre Kunstwerke sind, die der
Künstler
in die Haut einsticht, ist bekannt, ja, Künstler von Ruf
geben sich
dazu her, den Pinsel mit der Nadel zu vertauschen, und
unter diesen
nimmt YoshisukiHoritoyo, ein Schüler Toyos, des großen
Meisters
japanischer Kunst, wohl den ersten Rang ein. In Japan
gewesen
und nicht von Yoshisuki tätowiert, das hieße ungefähr
soviel, wie in
Rom gewesen sein, ohne den Papst zu sehen.
Selbst Zar Nikolaus ließ sich, als er als Prinz seine
japanische
Reise machte, eines der japanischen Fabeltiere auf
seinen Arm auf-
tätowieren, und mit ihm Prinz Georg von Griechenland,
der ,Retter
des Zaren', der einen prächtigen Drachen auf seinem Arm
trägt. Von
einem englischen Offizier wurde Yoshisuki angeregt, eine
Reise nach
Europa zu machen, und siehe da, der Mann hatte Glück.
Das wenigste
allerdings am deutschen Hofe, das meiste an den Höfen
von St James,
von Petersburg und von Wien. Unter den »höchsten
Herrschaften', die
sich tätowieren ließen, befanden sich angeblich: der
Großfürst Alexis
von Rußland, der Großfürst Konstantin, der Herzog von
Genua,
Prinz Heinrich von Preußen, der Erzherzog Stephan von
Österreich, der Erbprinz von Österreich, Erzherzog Franz
Ferdinand d'Esté, Prinz Woldemar von Dänemark und — der
König von Schweden.
So hätten wir nicht weniger als fünf tätowierte
europäische Herr-
scher: und den russischen Kaiser, die Könige von
England, von Schweden
und von Griechenland! Aber auch Damen ließen sich
tätowieren.
Viele sogar. Überall, auch in Berlin, ja, wenn man dem
japanischen
Künstler Glauben schenken darf, müßte eigentlich die
ganze weib-
liche Aristokratie, die hohe, hier tätowiert sein.
Die Tätowierung als künstlicher sekundärer
Geschlechtcha-
rakter tritt, wie schon oben dargelegt, selten auf bei
nur vorhandener
Libido mit mangelhafter Potenz. Der von Robinsohn
geschilderte
78
Erotische Tätowierungen.
Fall (.Anthropophyteîa', Bd., S. 507 fr.) ist hierin
recht instruktiv. Ich
habe lediglich einen einzigen Fall eruieren können:
Beobachtung 1: Photographie eines 18jährigen
Jünglings. Auf
der Brust der Kaiser, auf dem linken Unterschenkel das
große Haupt
einer Kaiserin tätowiert Körperbau dem Bilde nach
äußerst schwäch-
lich, fast weiblich. Er wurde mir als ,schlapper Junge*
geschil-
dert, still und angenehm, der ,nie viel gemacht1
habe. Sein jetziger
Aufenthalt war nicht zu erfahren.
Die allgemein giltige Regel aber ist, daß die
Tätowierung nur
eine Erhöhung schon vorhandener Stärke ist. Der
ausgesprochen
erotische Charakter der Darstellungen ist aus dem oben
Gesagten
ohne Weiteres selbstverständlich. Alle folgenden Fälle,
die mir er-
zählt oder bildlich vorgelegt wurden, gehen auf
außerordentlich männ-
liche Männer, Kerle mit starker Muskulatur, heftigem
Geschlechttrieb
und großer Potenz, in allen Sätteln gerecht, in allen
Lebenslagen er-
fahren, .gerissene Hunde' oder, wie man in ihren Kreisen
sagt: ,vige-
lant'
Schon die Art der Häufigkeit der Tätowierungsitte
zeugt hiervon.
Daß bei den libidinösen Ostasiaten, den Japanern ein Un
tätowierter
beinahe eine Seltenheit ist, bedarf keiner Erörterung.
Bei uns in Europa findet sich die Tätowierung am
häufigsten in
den Kreisen der Matrosen, Arbeiter, niederen Artisten
(,Schaubuden-
menschen'), Verbrecher und Prostitution. Alle diese sind
am relativ
unkultiviertesten, sie stehen unter der Herrschaft der
Instinkte. Das
ist ja das Elend moderner Kultur, daß durch sie die
Instinkte ver-
kümmern, die doch die Wurzeln allen Lebens sind. Unsere
Dichter
zwitschern Liebegedichte, d. h. sie treiben
Gehirnonanie, statt ein
starkes Leben des Leibes zu führen; unsere jungen Damen
geben
auf Bällen usw. öffentlich ihre Brüste preis, ohne doch
den Mut zu
einer selbstsicheren, freien Preisgabe zu haben. Dieser
Halbheit
wenigstens sind die Kreise entrückt, in denen die
Tätowierung herrscht.
Stark in ihren Instinkten, erkennen sie kein
Vernunftgesetz an; Ge-
walt und Rohheit ist ihre ,Liebe', deren Genuß durch
Alkohol seine
Weihe erhalten hat; und ihre Mädchen? Sie verspotten das
,Feine',
das »Gebildete', sie zehren diese Besitzenden bis auf
den letzten Lebens-
tropfen aus und beschenken sie zur Erinnerung an sie mit
der Lust-
seuche; sie, ,die goldschillernden Fliegen, die in die
Paläste der Reichen
dringen' (Zola), können aber auch lieben. Mit dem
Instinkt lieben
sie: das Brutale, Gemeine, Starke. Instinkt begegnet
Instinkt.
Erotische Tätowierungen.
79
Wie rüde und von Leidenschaften hin und
hergeschüttelt das Volk
der Schiffer, der Matrosen ist, weiß jeder, der sich
einmal durch die
dunklen Gassen einer Hafenstadt bewegt hat Hier ist denn
auch der
bestgeeignetste Boden für Tätowierung. Fast jeder, der
,auf See1
geht, läßt sich vorher ein Schiff, eine Germania,
ein ,Wiww (sehr
häufig) auf die Brust oder einen Arm tätowieren. Sehr
oft werden
sie .gerupft'. In irgend einer Kaschemme oder einem
Bahnhof
fangt der ,Künstler' an zu kratzen. Mitten in der Arbeit
fragt der
Ärmste nach dem Preise. ,So fifteihn Mark*, meint der
Künstler
schmunzelnd. Hat das Opfer nicht so viel bei sich, muß
er seine
Uhr usw. usw. hinterlegen oder — er zieht das Messer.
Häufig aber
wird das Opfer vorher betrunken gemacht, dann zahlt er,
soviel er
nur hat Die bei den Matrosen und Arbeitern
gebräuchlichsten Muster
siehe auf Abb. 2, 3, 4, 5, 6. Es sind getreue
Wiedergaben der mit
Kopierstift gezeichneten ,Klichés'. Diese werden auf den
mit Speichel
angefeuchteten Arm stark aufgedrückt, wodurch sich das
Muster dem
Fleisch aufzeichnet t und das Schrapen
beginnt Interessant ist das
Muster (Abb. 4), das ein Vexierbild darstellt
Hält man es umge-
kehrt und verdeckt den Kopf, so erscheinen zwei Beine
mit riesigem
Penis in der Vagina. Abb. 5 ist noch relativ
züchtig; manch Maler
hat die Le da naturwahrer abgebildet Daß die Ledasage
überhaupt
ins Volksleben weit eingedrungen ist, bezeugt ein Vers
des Lahnlieds
(s. m. Aufsatz in den »Quellenschriften'). Zum Thema:
Tätowierungen
der Matrosen habe ich folgende Einzelfälle zu
verzeichnen:
Beobachtung 2: Mr. Line, Matrose, Engländer (Abb. Nr.
7),
schön und kräftig gebauter Mann, stark muskulös.
Tätowierungen:
auf der ganzen Brust einen Frauenkopf in Lebensgröße,
mit üppiger
Frisur; auf dem Rücken das Schloß der Habsburger; auf
den Beinen
die Jungfrau von Orléans und Fürstinnen. Der sehr exakt
Täto-
wierte läßt sich für Geld sehen. Geschlechtleben:
kräftig und normal.
Beobachtung 3: Auf einer Postkarte wurde mir
das Bild eines
Hamburger Matrosen gezeigt, eines geradezu selten stark
musku-
lösen Mannes, der, wie mein Gewährmann mir versicherte,
sehr
potent ist. Oberarmmuskulatur: abnorm stark.
Tätowierung: auf der
Brust ein segelndes Schiff, den Rücken bedeckt die
amerikanische
Flagge.
Sehr häufig ist bei Matrosen und Arbeitern der Podex
tätowiert.
Ein Mäuseschwanz, der eben in den ,Hintern'
verschwindet, während
eine Katze darnach hascht; ein umgekippter Wagen mit der
Über-
8o
Erotische Tätowierungen.
schrift: ,Hier kann Schutt abgeladen werden1
sind keine Seltenheiten.
Eine auf den Bauch tätowierte, nach dem Penis zeigende
Hand mit
der Überschrift: ,Hier gehts zur Kegelbahn' ist
ebenfalls häufig.
Wir gelangen in die Kreise der ,Schaubudenmenschen',
jener
Welt, die sich aus verkommenen Artisten, Reklamateuren,
Tätowierten
und Fakiren (Leuten ,bei denen kein Blut kommt', d. h.
die ein
durch die Muskulatur gestoßenes Instrument so schnell
und geschickt
herauszuziehen wissen, daß kein Blut fließt). In diesen
Kreisen ist
die Kundensprache, die ,Eidi-Sprache', b- und u-Sprache
gang und
gäbe. Gewesene Zuhälter sind hier nichts Seltenes. Das
sind die
,vigelanten' Kerls, stramme, muskulöse Männer, libidinös
und potent,
gerieben und vor nichts erschrocken. Viele, die sich aus
Vorliebe
haben tätowieren lassen, erwerben mit dieser Attraktion
dann ihren
gesamten Lebensunterhalt.
Beobachtung 4: Hugo S ehm., ,Kunsttätowierer'
in Zwickau
i. Sa., früher Reklamateur, Fakir (s. Abb. 1, 8
und 9), der bereits
einen namhaften Ruf hat und seine Sache wirklich exakt
und künst-
lerisch besorgt Einen eigentümlichen Anblick gewährt
sein nackter
Körper, der über und über mit Zeichnungen bedeckt ist
Von all
diesen schön ausgeführten Bildern seien folgende
hervorgehoben: 1. Rück-
seite. Den ganzen Rücken bedeckt, groß ausgeführt, die
Kreuzigung
Christi mit der Überschrift: Lerne Leiden, ohne zu
klagen; rechter
Oberarm: eine vollbusige Schlangenbändigerin in Trikot,
mit
offenem, wallendem Haar, umringelt von einer riesigen
Schlange; linker
Unterarm: Indianerkopf in reicher Vegetationornamentik;
rechter Ober-
arm: ein Frauenkopf mit aufgestecktem Haar, die mit Arm-
bändern versehenen Arme erhoben. 2. Brustseite. In der
Mitte, unter
einem großen Stern, die nackte ,Göttin' Fortuna, mit
erhobenen
Flügeln, vollem Busen, schwarzen, langen Strümpfen und
Stie-
feletten, eine Palme schwingend; links oben ein
fürstliches Paar; die
eine Brustwarze zum biblischen ,Auge', die andere zu
einem Stern
verwendet; rechts oben: die Inschrift: Memento mori;
linker Oberarm:
ein geflügeltes Weib à la Fortuna, aber mit Glückrad;
rechter
Oberarm: Brustbild einer üppigen Harfenspielerin; beide
Hand-
gelenke sind mit tätowierten Armbändern umwunden.
Unterhalb der
Kniee ist rechts Led a mit dem Schwane, links ein
Indianerkopf usw.
usw. zu sehen. Früher arger Weiberjäger, jetzt glücklich
verheiratet
Sehr potent und muskulös. Gibt zu, daß seine
Tätowierungen ihm
stets bei den sexuellen Erfolgen geholfen hätten; eine
Kellnerin sei
dadurch ,geradezu verrückt' geworden.
Erotische Tätowierungen.
81
Beobachtung 5: Ein Bäcker (s. Abb. 10), der sich
jetzt fiir
Geld sehen läßt Stark muskulös. Auf der Brust: das
Brustbild
eines Liebepaares (30 cm hoch). Auf dem Rücken: Reigen-
tanz von acht nackten Weibern in üppigen Stellungen,
Beobachtung 6: William, Kollege des Hugo
Schm., Fakir,
muskulös und zynisch. Auf dem rechten Oberarm hat er
eine
nackte Venus tätowiert, der er bei seinen
Fakirproduktionen in die
Vulva sticht mit den Worten: ,Und jetzt, meine
Herrschaften, werde
ich dorthin stechen, wo es die Venus am liebsten hat I'
Geschlecht-
leben stark und normal
Beobachtung 7: Auf einer Postkarte wurde mir
das Bild eines
sehr stämmigen Artisten gezeigt, dem auf die Brust ein
nacktes
Weib tätowiert ist, das einen Bogen hält.
Beobachtung 8: Frank Marwood, Attraktion. Fast über-
mäßig entwickelte Muskulatur. Über und über tätowiert,
unter
der Brust eine Schar geflügelter Engel Geschlechtleben,
soweit
zu eruieren, normal, libidinös.
Beobachtung 9: Kunsttätowierer, Kollege des Hugo
Schm.,
junger Mann ohne Schnurrbart, knabenähnlicher
Gesichttypus, aber
Armmuskulatur abnorm stark. Beine tätowiert Auf den
Armen:
linker Arm trägt einen Frauenkopf, rechter Arm ein
englisches
Flaggenbild, unter dem ein Matrose steht. Stark potent
Vita sexu-
alis normal.
Wir steigen schließlich hinab zur Welt der Verbrecher
und
Prostitution. Der Untersuchungrichter II bei dem
Hamburger
Landgericht erließ am 23. August 1906 einen Steckbrief
hinter dem
Hausdiener Josef Paul wegen Raubmords; in der
,Beschreibungl
heißt es: ,Alter: 28 Jahre, Größe: 1,61 m, Statur:
schmächtig, Haare:
etwas kraus, kastanienbraun, Bart: kleiner blonder
aufwärts gedrehter
Schnurrbart Nase: nach rechts gebogen, Augen: blau,
Zähne: gesund,
Gesicht: blatternarbig, Kleidung: abgetragener grauer
Jackettanzug,
dunkle wollige Jockey- bezw. Radfahrermütze. Besondere
Kenn-
zeichen: Am rechten Ohr fehlt die rückwärtige Ohrleiste.
Täto-
wierungen: Am rechten Ohrläppchen: Halbmond, an den
Armen:
Blume mit Stempel, Herz mit Inschrift P. J. 1894,
Seemann-
grab, am rechten Arm und am Brustkorb: ein durch das
Fleisch
gestochener Dolch'.— Häufig ist die Ansicht verbreitet;
die Täto-
wierung sei gleichsam ein Steckbrief. Dem ist nicht so.
Denn eine
geschickte Tätowierung kann mit Leichtigkeit eine
Zeichnung völlig
verdecken oder in eine andere umwandeln. Häufig wird im
polizei-
Krauss, Anthropophyteîa. IV. 6
82
Erotische Tätowierungen.
lichen Steckbrief lediglich die Tätowierung als
.Merkmal' angegeben, *
aber gerade dann kann man sie oft fünf Jahre und noch
mehr vergeblich
suchen. — Kühnheit und Wildheit zeichnen diese
Verbrecher- und
Prostituiertenkreise aus, in denen die Tätowierung
zuhause ist.
Charakteristisch hierfür ist eine Notiz, die Mitte
September 1906 durch
die Presse ging. In jenen Tagen verhafteten drei
Kriminalbeamte in
Paris zwei besonders auffällige Männer, die in
Arbeiterkleidung aus
einem sehr eleganten Hause hinausschlüpften, beladen mit
einer Menge
schwerer Kleider und überdies alle Taschen vollgestopft.
Als die
beiden Arbeiter endlich mühevoll auf die Polizeistation
gebracht
waren, machte man dort die Entdeckung, daß es Frauen
waren. Die
eine von ihnen, Amélie Rouvère, die auf den hübschen
Kosenamen
,Mélie, das Gift' hört, ist sechsundzwanzig Jahre alt
Ihr ganzer
Körper ist mit Liebeemblemen tätowiert, und diese
lebende
Bildergalerie trug bei sich einen Dolch, ein Messer und
einen Revolver,
dessen Ladung sehr reichlich war. Bei ihrer Verhaftung
sprang sie
dem Polizisten an den Hals und biß sich mit ihren
scharfen
Zähnen fest. Indes wehrte sich auch ihre Gefahrtin, die
zweiund-
zwanzig Jahre zählt, nach Leibkräften. Die beiden
Frauen, die in
einem alten Zirkuswagen in der Nähe der Forts hausten,
gestanden,
daß sie in der Tat einen Einbruch verübt hatten, um
ihren »Freun-
den1 zu helfen, die ,gerade' eine zehnjährige
Zwangarbeit verbüßten.
Beobachtung 10: Eine Prostituierte in Dresden trägt
auf der
Brust eine nach unten zeigende Hand tätowiert, über
dieser die In-
schrift: .Eingang für Herren'.
Beobachtung 11: Hugo Schm. mußte einer sehr
libidinösen
Kellnerin den Arm tätowieren: Herz, Pfeile, Monogramm
und In-
schrift: ,Du kennst mein Herz noch lange nicht!'
Schließlich sei noch auf den vor 20—25 Jahren
stattgefundenen
Skandalprozeß der ,1a ligue noire' hingewiesen,
der s. Z. ganz
Europa erregte. In jenem mit allem Komfort
ausgestatteten Liebe-
hause, wo hochgestellte Persönlichkeiten, ihre Ehefrauen
und sogar
der Herr General-Staatsanwalt Belgiens unerhörte Orgien
feierten,
wurden u. a. zwei nackte Damen der Halbwelt abgefaßt,
deren Rücken
und Schenkel über und über mit erotischen Szenen
tätowiert waren.
Daß der Zigeunerprimas Rig o auf dem linken Unterarm das
Bild
seiner temperamentvollen Prinzessin Chimay (Brustbild)
trägt mit
Federhut und schwarzem Schleier, dürfte bekannt sein.
Ein hier in Zwickau wohnhafter Hotelier (sehr
sinnlicher Natur)
trägt auf dem linken Unterarm das Bild einer schaurig
roten,
Erotische Tätowierungen.
83
von schwarzem Haarwulst umgebenen Vulva tätowiert.
Hugo
Schm. sah bei einer Rekrutenaushebung in Essen a. d.
Ruhr einen
Kerl, der auf dem Rücken eine Päderastenszene tätowiert
trug:
zwei übereinander gehockte Männer, schlecht gezeichnet
Ich schließe mit der Beschreibung des Musterbuchs
eines
Tätowierers, zu dem die Angehörigen genannter Kreise
(Matrosen,
Arbeiter, Artisten, Kellnerinnen usw.) besonders gern
kamen. Ich
habe mir notiert: 1. Ein Matrosenpärchen; 2. ein
knieendes Weib mit
gefleckten Beinen und flehend erhobenen Händen, roter
Gürtel,
schwarzes, niederfallendes Haar, unter einem Palmbaum,
aus dem eine
riesige Schlange niederzüngeit; 3. ein Herz, von einem
Dolch durch-
stoßen; 4. ein Frauenkopf in einem zweifarbigen Stern,
Busen stark
dekolletiert; 5. verschiedene Weiber in engem
Trikot, rote spitze
Schuhe und hohe rote Strümpfe, schwarzes aufgelöstes
Haar, auf
einem Flügelrad stehend; 6. ein Weib in rotem
Badeanzug, mit
schwarzen Schuhen, die Arme hinter dem Haupt (oder dem
Rücken)
verschränkt, Brustwarzen stark pointiert; 7. zwei
verschlungene Hände;
8. ein Matrose faßt ein Weib (rote Bluse, rote
Schürze) um die Taille;
9. ein Jäger zu Pferd hält ein Weib (rotes Kleid) vor
sich liegend auf
dem Rosse; 10. ein Weib in rotem Trikot steht auf einem
Felsen in
brandendem Meer und hält das Sternenbanner, hinter dem
die
ziegelrote Sonne aufgeht; 11. in einer roten Sonne das
Brust-
bild eines Weibes mit abnorm starken Brüsten (sehr
häufig);
12. Anker; 13. Schiff mit geblähten Segeln; 14. ein Weib
in flattern-
dem Rock und hohen roten Strümpfen tanzt auf einem
Flügelrad;
15. Brustbild eines Weibes mit riesigem Federhut; 16.
Ballettänzerin;
17. eine Schlange mit aufgerecktem Halse und
weiblichem Kopfe;
18. ein nacktes Weib mit großen Schmetterlingflügeln;
19. ein
nacktes, sehr vollbusiges Weib taucht aus dem Meer; 20.
ein Artist
hebt ein Weib auf der Spitze eines Fußes hoch; 21. ein
sich küssen-
des Liebepaar in einem großen blutroten Herzen.
Hierzu kommen dann noch die Abbildungen Nr. 2—6.
Das Geschlechtleben der Samoaner.
Von W. von Bülow.
1. Einleitimg.
In dem Geleitworte zu ,L'Art et le beau' (Verleger:
Librairie
artistique et littéraire, Paris) findet sich folgende
Stelle:
,Bei den Griechen war es üblich, herrliche Statuen in
den Frauen-
gemächern aufzustellen, wodurch die Kinder von Jugend
auf an deren
Betrachtung gewöhnt und in das Verständnis fur das
Schöne einge-
führt wurden.
Diese Erziehung fand ihre Weiterentwicklung im
Stadien, wo die
fehlerhafte Muskulatur der Athleten eine ständige
Apotheose, eine
immerwährende Verherrlichung der Formenschönheit
bildete.'
Und ferner: ,Neue Religionen mit engherziger und
strenger Moral
haben versucht, jedes Streben nach körperlicher
Veredelung zu unter-
drücken, indem sie nur die Kunst zuließen, die
Seelenstimmungen zum
Ausdrucke bringt; sie gingen dabei so weit, daß gewisse
Konzile sogar
die Darstellung des nackten Christuskörpers verboten
haben.' —
Die Anstrengungen, die jetzt neuerdings, d. h.
innerhalb der letzten
Dezennien die Dunkelmänner der verschiedenen
Kirchengemeinschaften
und Sekten mit mehr oder weniger Erfolg gemacht haben,
um gesetz-
geberischen Bestimmungen zur Geltung zu verhelfen,
welche darauf
abzielen, die Schaustellung nicht vollständig
bekleideter Abbildungen
oder Nachbildungen des menschlichen Körpers, als
unsittlich, unmo-
ralisch1 unter Strafe zu stellen, zeigen
deutlich, wie weit die Träger
der christlichen Zivilisation' der Natur sich entfremdet
haben.
Ehre und Moral! Beide Worte bedeuten in der Zeit der
Kind-
heit des Menschengeschlechtes dasselbe und haben auch
noch zur
Zeit des klassischen Altertums dieselbe Bedeutung gehabt
(virtus =
àvôçeia).
Die Folge einer Überzivilisation ist die
verschiedengeartete Defi-
nition dieser Begriffe bei den verschiedenen Völkern,
bei den ver-
Das Geschlechtleben der Samoaner.
schiedenen Stämmen innerhalb dieser Völker und bei
den verschiedenen
Ständen und Berufklassen innerhalb dieser Stämme.
Selbst dem deutschen Gesetzgeber ist es nicht
gelungen, die Defi-
nition von Moral sowenig, wie die Definition von Ehre
und deren
Schutz, dem allgemeinen Rechtbewußtsein des Volkes
entsprechend
festzulegen. — Die Entscheidungen des deutschen
bürgerlichen und
des militärischen Strafrichters widersprechen sich in
Bezug auf Ehren-
händel sehr häufig, obgleich für beide Richter dieselben
Grundsätze
als Richtschnur dienen sollen; und für den einzelnen
Deutschen ist
das Standesvorurteil oft zwingender, wie ein Verbot und
die Strafan-
drohung des Strafgesetzes. —
Die Ehre ist nach Sudermann (,Ehre*) nur ein
Schatten, — der
Schatten nämlich, den wir werfen, wenn die Sonne der
öffentlichen
Achtung uns bescheint.
Der richtige Ersatz des Wortes ,Ehre' ist nach
Sudermann ,Pflicht',
Pflicht ist aber die Moral.
Sudermann abhorresziert die Behauptung der die Ehre
(und die
Moral) heuchlerisch monopolisierenden
Gesellschaftklassen: ,Es gibt
nur eine Ehre (eine Moral), wie es nur einen Gott und
eine Sonne
gibt' Diese Behauptung liest sich zwar gut und klingt
ganz drama-
tisch, ist aber im Grunde genommen doch recht
oberflächlich. Denn
es gibt notorisch viele Sonnen und daß es einen
Hauptgott, den
Sonnengott gäbe, behaupteten bereits 2000 Jahre vor der
biblischen
Welterschaffung die Priester der Babylonier (Assyrer)
ohne es be-
beweisen zu können.
Mit den Aposteln der Neuzeit und deren Behauptungen
steht es
kaum besser. —
Was aber Moral im Sinne der menschlichen
Gesellschaftordnung
ist, hat der Codex Hammurabis (2250 v. Chr. Geb.)
wenigstens ein
halbes Jahrtausend, ehe Moses die israelitischen
Moralgesetze nieder-
schrieb, in unvergänglicher Schrift dem Gewissen der
asiatischen
Völker, zu denen wir auch, nach Feststellung ihrer
Urheimat, Indien,
die Polynesier rechnen müssen, eingeprägt.
Die Moral ist die maßvolle Betätigung der
Naturtriebe, so weit
diese Betätigung dem materiellen und geistigen Wohle des
Einzelnen
und der Allgemeinheit nützlich ist Die Diplomatenmoral
kommt hier
nicht in Betracht. —
Unsittlich ist aber die absichtliche Überschreitung
dieser oder
das Zurückbleiben hinter dieser Nützlichkeitgrenze. So
ist fur einen
gesunden Menschen das Gelübde der Ehelosigkeit
unpatriotisch, un-
86
■Das Geschlechtleben der Samoaner.
natürlich und daher unsittlich, während die Eingehung
der Ehe seitens
eines Kranken oder erblich Belasteten unpatriotisch und
daher unsitt-
lich wäre. —
Bei den Polynesiern, und speziell bei den Samoanern,
gibt es
kein Wort für Ehre und Moral.
Moral ist bei ihnen die Befolgung der Landessitte,
bei den Samo-
anern also das Faasamoa, bei den Tanganern das Fakatoga
und so
bei anderen Polynesiern.
Diese Sitte zu verletzen gilt als unmoralisch — leaga
= schlecht,
als eine Handlung, deren man sieb schämen muß — ma,
masiasi =
sich schämen.
Man würde aber fehlgreifen, wollte man annehmen, daß
die Moral
der Polynesier infolge des Mangels an Regeln laxer, wie
die der
Kulturvölker sei.
Viel eher ist das Gegenteil der Fall.
Die Gewöhnung von Jugend auf an den Anblick des meist
nur
wenig bekleideten und auch meistens schön geformten
Körpers des
anderen Geschlechtes, an das tägliche und nächtliche
dichte Bei-
einanderleben der Leute verschiedenen Geschlechtes, die
Gewöhnung
an die Sitte, Jünglinge und Mädchen desselben Haushaltes
als Brüder
und Schwestern zu behandeln und der Gebrauch, daß Brüder
und
Schwestern sich gegenseitig als heilig — paia oder sa —
betrachten,
schützt die Samoaner vor Vergehungen, die unter gleichen
Umständen,
bei Kulturvölkern nicht ausbleiben könnten.
Da nun aber als Brüder (tuagane) und Schwestern
(tuafafine)
nicht nur die leiblichen Brüder und die leiblichen
Schwestern, sondern
auch Vettern und Kusinen selbst entfernter Grade, so wie
die adop-
tierten Kinder (tama fai), die Mitglieder desselben
Haushaltes und die
Söhne und Töchter verwandter Familien gelten, so sind,
selbst in
großen Dorfschaften, nur sehr wenige, oft sogar gar
keine Mädchen
vorhanden, welche vor den Werbungen der jungen Burschen
desselben
Dorfes nicht durch das Paia geschützt wären. —
Im allgemeinen sind die Menschen in dem heißen Klima
ja leichter
auch geschlechtlich erregbar, wie in einem kälteren oder
in dem ge-
mäßigten Klima nördlich, respektive südlich der
Wendekreise.
Das häufige Auftreten des /Tropenkollers' bei
Mitgliedern der
Kulturvölker ist aber wohl nicht eine Folge der erhöhten
Temperatur
allein, sondern auf der langdauernden geschlechtlichen
Abstinenz
während der Seereise und der, durch den sonst
ungewohnten, fortge-
setzten Anblick unbekleideter menschlicher Körper in den
Tropen-
Das Geschlechtleben der Samoaner,
87
ländern bewirkten geschlechtlichen Erregung und hat
daher, statt
seines euphemistischen Namens .Tropenkoller1,
im Volksmund den zwar
etwas vulgäreren, dafür aber zutreffenderen Namen
,Samenkoller, er-
halten.
Dieser Zustand hat sich in allen Tropenländern
gezeigt und ist
nicht bei einzelnen Ständen allein, sondern bei allen
Ständen auf-
getreten.
Ihm sind mitunter Prinzen, Professoren und
Missionare, hohe Kolo-
nialbeamte und Offiziere, Soldaten und Seeleute,
Pflanzer und Kauf-
leute ausgesetzt gewesen.
Er äußerte sich durch erhöhte Reizbarbeit des
Nervensystemes,
in übertriebener Erregbarkeit des Geschlechttriebes, der
selbst bei
denen, die als Vertreter der Staatsgewalt und als
Vorbilder aner-
zogener guter Sitten dienen sollten, die
Vernachlässigung dieser Pflicht
nur allzuoffen erscheinen ließ. In anderen Fällen zeigte
sich über-
mäßiges Selbstgefühl, welches sich bei hohen Beamten in
dem Erlaß
unmotivierter Verordnungen (,Grußordnungen' etc.)
äußerte; bei anderen
trat Verfolgungwahn und Denunzianten-Unwesen,
unmotivierte Grau-
samkeit, übertriebenes Ehrgefühl, Weichheit gegen die
Eingeborenen,
Schärfe gegen die eigenen Landsleute, getrübtes
Rechtbewußtsein
und dergleichen in Erscheinung.
Als Ursache dieser anormalen, krankhaften Zustände
ist aber,
wie gesagt, außer der Tropenhitze, die Einwirkung zu
bezeichnen,
welche der ungewohnte stete Anblick des nackten
Menschenkörpers
und die dadurch ausgelöste Erregung ausübt.
Bei den Polynesiern, die von Jugend auf an den
Anblick des
Nackten und an den Verkehr mit Nackten gewöhnt sind, ist
eine der-
artige Empfänglichkeit für erotische Eindrücke bei
weitem weniger
bemerkbar, wie bei gleichalterigen, den gemäßigten Zonen
entsprossenen
Leuten. —
Die Literatur, die über das Geschlechtleben der
Samoaner mir
zu Gebote steht, ist nicht sehr umfangreich:
Die samoanischen Texte von O. Stuebel enthalten
einige höchst
belangreiche, samoanische Texte mit der deutschen
Übersetzung von
O. Stuebel.
Der Missionar G. Pratt bringt in seinem Wörterbuch
der samoa-
nischen Sprache die samoanischen Bezeichnungen für die
verschiedenen
Körperteile und fur verschiedene Betätigungen der Erotik
und die
Monographie der Samoainseln von A. Kraemer enthält
samoanische
Texte mit Übersetzungen von A. Kraemer, Notizen über das
Ge-
88 Das Geschlechtleben der Samoaner.
2. Die Geburt des Samoaners.
Wer nach einem recht drastischen Beispiele als Beleg
fiir die
Behauptung sucht, daß die Zivilisation den Menschen der
Natur
entfremde, dem kann man auf das Eindringlichste anraten,
sich zu
vergegenwärtigen, welche Hilfmittel allein der
menschliche Geburtakt
bei einem Kulturmenschen zu seiner glücklichen
Absolvierung bedarf,
und wie minimal an Zahl und wie einfach und natürlich in
ihrer Be-
schaffenheit dagegen die dem Geburtakte eines
Naturmenschen dienen-
den Hilfmittel sind.
Zur Erleichterung des Vergleiches folgen hier
nebeneinander ge-
stellt die bei der Geburt benötigten Hilfmittel:
bei Kulturvölkern: bei den Samoanern:
Als Lager, ein vollständiges Bett Ein Lager aus
Pandanusmatten
mit Einrichtung, mit Federoberbett (fala) und
Rindenzeugstoffen(siapo),
und festen Kissen an Kopf- und ein Kopfkissen aus
Rindenzeug
Fußende, ein viereckiges Wachs- (siapo).
tuch zur Verhinderung des Durch-
nässens des Bettes durch Blut und
ablaufendes Wasser. Das Wachs-
tuch wird durch eine zusammen-
gelegte wollene Decke bedeckt.
An die Stelle auf der das Gesäß
der Schwangeren ruht, wird ein
Roßhaarkissen gelegt. Eine Wulst aus Rindenzeug
(siapo).
Zum Abschneiden der Nabel-
schnur des Kindes eine Scheere. Ein Bambussplitter
(ofe).
schlechtleben der Samoaner und einige erotische
Lieder, zumteil mit
lateinischer Übersetzung, — außerdem einen Abschnitt
über Medizin.
Alle benutzten Quellen sollen im Texte namhaft
gemacht werden.
Trotz des heiklen Themas beabsichtige ich jedes Ding
möglichst
bei Namen zu nennen und soweit möglich die Übersetzung
in die
Landessprache hinzuzufügen.
Ich muß daher auch für mich den Standpunkt
beanspruchen, der
durch den Satz ausgedrückt wird:
Naturalia non sunt turpia.
Das Geschlechtleben der Samoaner,
89
Reines unbedrucktes Rindenzeug
(lauua).
Eine Flasche Kokosnußöl und Tur-
merikpulver(lega)—Curcuma longa.
Eine hölzerne Schüssel (umete).
Frisches Wasser.
Reines geöltes Rindenzeug.
Kindermatten.
Zum Abbinden der Nabelschnur
ein leinenes Läppchen.
Verbandzeug: chemisch reine
Verbandwatte. Zur Reinigung der
Wöchnerin und des Kindes mehrere
Schwämme verschiedener Größe,
Flanellhandtücher, mehrere Bett-
laken.
Eine Wärmflasche.
Olivenöl oder Mandelöl.
Ein Puderquast und Puder.
Einige Waschbecken.
Eine Badewanne. e
Warmes Wasser,
Seife.
Leibwäsche der Wöchnerin.
Kinderwäsche, Steckkissen.
Kinderbett oder Wiege.
Wickel und Nabelbinde. —
Chirurgische Instrumente, Zange, —
Nadel und Zwirn. —
Besteck mit Messer, Sonde etc. —
DesinfektionmitteL —
Mutterspiegel. —
Aus dieser Zusammenstellung ist es klar ersichtlich,
daß sich die
Samoaner bei Erledigung der wichtigsten
Lebensbetätigung, dem
Geburtakte, noch auf der natürlichen, der durch keine
Uberkultur
verdorbenen Stufe der primitiven Menschheit befinden.
Es soll hierbei nicht ungesagt bleiben, daß die
samoanischen Ge-
burten in den weitaus meisten Fällen gut verlaufen, die
Kinder und
Mütter meistens nach drei bis vier Tagen wieder gesund
sind.
Ein samoanischer Geburtakt verläuft nun etwa
folgendermaßen:
Seit Ausbleiben der Menstruation, der »monatlichen
Regel', eleele
і le masina oder mai masina, betrachtet sich die Frau
als schwanger,
to, euphemistisch mai (krank) mamata (schwer), mai to
oder bei
Häuptlingfrauen alo genannt Sie merkt sich den Stand und
die
Phase des Mondes, in der die ausgebliebene Regel hätte
eintreten
sollen und rechnet von da ab gewöhnlich noch neun
Mondmonate,
nach deren Ablauf sie ihre Niederkunft — fananga oder
failelega
90
Das Geschlechtleben der Samoaner,
— erwartet. — Daß sie sich oft verrechnet, ist ja der
Lauf der
Welt —
Sobald sie für sich selbst den Monat der Niederkunft
berechnet
hat, teilt sie ihrem Gatten und den Frauen der Familie
ihre Beobach-
tung mit Von nun an darf die Schwangere nicht mehr
allein ge-
lassen werden, ,damit nicht etwa ein aitu ihr Böses
zufüge', sie sich
errege, erschrecke oder eine andere Handlung begehe, die
auf das zu
erwartende Kind einen ungünstigen Einfluß ausübe.
Hier verweise ich auf meinen Artikel im Globus, die
Geburt-
flecken der Samoaner (Band 78, S. 209—210). Dort
heißt es: Die
Samoaner behaupten nämlich, daß, wenn die Schwangere
Nahrung-
mittel stiehlt, um sie heimlich zu essen, oder wenn sie
aus dem
gemeinschaftlichen Nahrungbehälter ihren Hausgenossen
etwas ent-
wendet, um es heimlich zu essen, oder wenn sie aus einem
Hühner-
neste ein Ei nimmt und es heimlich verzehrt, daß also
diese Gegen-
stände, die sie heimlich fur sich verwendet hat, ohne
Andern etwas
davon abzugeben, irgendwo in schwarzer Farbe sich auf
dem Körper
des demnächst geborenen Kindes abzeichnen und so die
Untugend
der Mutter offenkundig machen.
In einem Falle, den ich gesehen habe, war die linke
Seite des
Körpers, vom Rückgrat bis zum Ende der Rippen und von
der
Magengrube bis zum Kreuzbein, mit einem schwarzen
Muttermale be-
deckt, von dem die Eingeborenen behaupteten, daß es die
Abzeich-
nung eines Leberlappens eines Schweines sei, welchen die
Mutter
des Kindes bei Gelegenheit eines Festes, bei welchem
viele Schweine
verzehrt wurden, entwendet und heimlich gegessen habe.
In einem anderen Falle wurde ein Kind mit einem
entstellenden
Muttermale auf dem rechten Ohrläppchen in der Größe
eines sil-
bernen Fünfmarkstückes geboren. Auf die Frage, wie
dieses Mutter-
mal entstanden sei, erhielt ich als Antwort, daß die
Mutter des Kindes
in hochschwangerem Zustande über das Eigentumrecht an
einer be-
stimmten brütenden Henne mit einer Nachbarin sehr heftig
gestritten
habe. Daher sei der Hühnerkopf jetzt auf der Backe des
Kindes
abgeprägt. —
Ich konnte eine Ähnlichkeit zwischen einem
Hühnerkopfe und
dem schwarzen Muttermale bei bestem Willen nicht
herausfinden. —
Gegen diese Muttermale — ila uliuli — schwarze Flecke
—
wenden die Eingeborenen ein Mittel meistens nicht an,
,da sie eine
Folge des schlechten Verhaltens der Mutter sind*. Ganz
bescheiden
möchte ich mir nur noch die Bemerkung erlauben, daß,
wenn die
Das Geschlechtleben der Samoaner.
91
samoanischen Götter die kleinen Näschereien und
Diebereien der
Mütter durch Zeichnung auf den Körper der Kinder
straften, wahr-
scheinlich kein Samoaner ohne sein obligates Muttermal
einherschreiten
würde'.
Vorstehendem habe ich Neues nicht hinzuzufügen. —
Der Gatte schläft seit Beginn der Schwangerschaft von
seiner
Frau getrennt. Er muß sich geschlechtlicher
Enthaltsamkeit be-
fleißigen, sowohl seiner Frau gegenüber wie auch
gegenüber anderen
Frauen und Mädchen. Jede Verfehlung in dieser Beziehung
wird an
der Schwangeren gestraft, welche dann eine um so
schwerere Nieder-
kunft zu gewärtigen hat/ — Wenn daher eine Frau bei der
Nieder-
kunft sehr leidet, das Drängen — oono — bei den Wehen
lange ver-
geblich ist, so beichtet der Mann der Frau seine
geschlechtlichen
Vergehungen während der Zeit der Schwangerschaft oder
auch während
der Zeit des ehelichen Beisammenwohnens. Ebenso beichtet
die
Frau dem Manne ihre eigenen geschlechtlichen Vergehungen
während
der Dauer ihrer Ehe. —
Ist diese gegenseitige Beichte erfolgt, so ist der
Bann gehoben
und die Niederkunft geht glatt von statten. —
Dieser möglicherweise stattfindenden Beichte wegen
ist es nicht
üblich, fremde Frauen zur Pflege einer Wöchnerin oder
zur Geburt-
beihilfe zuzulassen, sondern nur Frauen derselben
Familie, ,damit der
Inhalt der doppelten, etwaigen Beichte nicht etwa in die
Öffentlich-
keit dringe.
Es gibt auch in Samoa viele Männer, welche der
Ansicht sind,
den allnächtlichen Beischlaf nicht entbehren zu können.
Sie gehen
daher des Abends in die Aualumahäuser, in denen die
ledigen Mäd-
chen und Frauen sich aufhalten und schlafen dort mit den
jungen
Leuten des Ortes. Aber es gibt auch sehr viele Samoaner,
welche
sich während der Dauer der Schwangerschaft der Frau der
größten
Enthaltsamkeit befleißigen.
Falls nun ein Mann, während der Schwangerschaft
seiner Frau,
etwa gar zu ungeberdig sich beträgt, sich der
Schwangeren fortgesetzt
geschlechtlich zu nähern sucht oder ganz von Hause fern
bleibt und
in den Aulumahäusern sich aufhält, so gibt die
Schwangere ihrem
Gatten ein Mädchen aus ihrer eigenen Verwandtschaft als
Beischläferin
— faanofo. Dieses Mädchen hat die Schwangere zu bedienen
und
zu pflegen, alle Geschäfte im Haushalte zu versehen und
bei der
Schwangeren zu schlafen. Sie schläft dann zwischen der
Schwangeren
und ihrem Gatten unter derselben Moskitoschutzdecke —
tainamu —
92
Das Geschlechtleben der Samoaner.
und ist dem Gatten auch in geschlechtlicher Hinsicht
vollständig zu
Diensten. Ein Mann, der ohne allnächtlichen Beischlaf
nicht glaubt
leben zu können, wird in Samoa fala і manava genannt, d
L er
macht seinen Bauch zur Schlafmatte. —
In A. Kraemer, Samoa-Inseln, findet sich II, Seite
51, — ein
samoanischer Text mit Übersetzung von A. Kraemer,
welcher den
Vorgang bei einer Niederkunft erzählt. Ich lasse ihn
hier mit eigener
Übersetzung folgen. Die gesperrt gedruckten Stellen der
Über-
setzung sind meine Abänderungen. Auch habe ich noch
einige kleine
linguistische Bemerkungen vorauszuschicken: —
Der Samoaner denkt sich die Genealogie der Familie
nicht wie
einen Baum ^Stammbaum*), sondern wie das große Haus
(fale tele)
der Familie, in dessen Mitte der Mittelpfosten — pou —
das Haus
trägt Alles andere Gebälk hängt mehr oder weniger an
diesem
Mittelpfosten. Mit ihm wird der Gründer einer Familie
verglichen.
Dieser Pfosten, also der Gründer einer Familie, kann in
Samoa, wo
Mutterrecht und Vaterrecht gleichwertig nebeneinander
bestehen, so-
wohl ein Knabe wie ein Mädchen sein. In Tonga dagegen
existiert
nur Mutterrecht Nicht der Rang des Vaters macht den
Tuitoga
zum Tuitoga, sondern der der Mutter.
Was der Deutsche als Stammhalter bezeichnet, heißt in
Samoa
der Stützer des Hauses — alopou. Wobei aso des
Häuptlingkind,
masc. oder fem. und pou der Hauspfosten heißt. Im
Deutschen kann
man also alopou, dem deutschen Sprachgebrauche
entsprechend, mit
Stammhalter übersetzen.
Zu Stuhle gehen, auch Stuhlgang haben, wird im
Deutschen euphe-
mistisch mit ,ein Geschäft verrichten' umschrieben. Auch
im Samoa-
nischen gibt es ganz denselben Euphemismus: alu і se fe
au. Im
Deutschen sagt man auch ,in die Büsche gehen1,
dessen wörtliche
Übersetzung im Samoanischen ,alu і le vao' heißt und
ebenfalls zu
Stuhle gehen bedeutet. —
Wie ich schon oben erwähnte, heißt die
Schwangerschaft to, und
euphemistisch mai — krank oder Krankheit, obgleich
dieser Zustand
nicht als Krankheit, sondern als ein recht erfreulicher
und logischer
Verlauf des Ehelebens betrachtet wird. — Sana ist
kontrahiert aus si
ana = sein, ihr pron. poss.
Das Geschlechtleben der Samoaner,
93
0 le tala і le to alopou.
Afai о se teine e faatoa nofo і
sana (si ana) tane, ona oo lea. і
le tasi aso ua alifai le mai ia te ia.
(ali = to appear; Pratt. Dictionary)
Ona fai atu ai lea o ona matua
ia te ia: Funa e, ia e faaeteete lelei
1 lou mai; ia iloa o le mai e tutu
ma le oti.
Anm. tutu = to reach to the
ing to the eaves. Pratt, Dictionary.
A oo, ina ua ali ai tele mai o
le mai ia te ia, e le toe ai toatasi
e le toe inu toatasi foi і se niu
seiloga ua muamua ona inu o se
tasi; ona faatoa inu ai lea.
Ànm. seiloga ist Kontraktion
her ist Anmerkung 5 bei Kraemer
E le toe alu toatasi foi, seia o
faatasi lava ma se tasi tagata a
alu foi і le vao; e le toe fafa і le
tua sana avega, a e afisi і le tafa-
tafa.
Anm. afisi = to carry under
auf die Hüfte gesetzt getragen.
A 00 і le aso o le a fanau ai,
ona o ane lea o loomatutua e
toalua; ua nofo mai le tasi ma-
Die Erzählung von der Schwan-
gerschaft mit dem Stamm-
halter.
Wenn ein Mädchen zum ersten-
Male mit ihrem Gatten zusammen
lebt, dann kommt es, daß eines
Tages die Schwangerschaft
sich bei ihr zeigt
Dann sprechen ihre Eltern zu
ihr: Mädchen, sei recht vor-
sichtig mit deinerSchwanger-
schaft, wisse, die Schwanger-
schaft grenzt mit dem Tode.
iend, as ,aso' laid on a roof reach -
Wenn es dahin kommt, daß
die Schwangerschaft stark bei
ihr hervortritt, so ißt sie nicht mehr
allein, auch trinkt sie nicht mehr
allein eine Kokosnuß, bis sie weiß,
daß vorher ein Anderer davon ge-
trunken hat; erst dann trinkt sie
davon. —
aus sei-ia-iloga = bis sie weiß. Da-
unzutreffend.
Sie geht nicht mehr allein son-
dern mit einer anderen Person zu-
sammen, auch wenn sie ein Be-
dürfnis verrichtet; sieträgt nicht
mehre Traglast auf dem Rücken,
sondern trägt sie unter dem
Arm an der Seite.
the arm (Pratt); nur ein Kind wird
Wenn nun der Tag gekommen
ist, an dem sie gebären wird, so
kommen zwei alte Frauen; die eine
94
Das Geschlechtleben der Samoaner.
tua і vae, a e nofo mai le tasi і
le ulu.
Ona tautala mai lea o le matua
o i vae:
Funa e, ia e faamalosi, ia matua
fai ni au faiga ia e oono tele.
alte Frau setzt sich an die Füße,
die andere setzt sich an den Kopf.
A e tago mai lena i ulu, ua ia
oomi mai ia tauau ma fetui le ulu
ma fai ifo : Funa e, ia e faamalosi,
aua te faavawai!
E te fia oti ea?
Ona oono tele ai lea o le teinę,
ua paü mai le tama. — Ua ola
le fafine.
Dann sagt die Alte, die an den
Beinen sitzt: Mädchen, strenge dich
an, mache deine Sache recht, gut,
^dränge heftig.
Dann greift die am Kopfende zu,
preßt ihr die Schultern und klopft
den Kopf und ruft hinunter: Mäd-
chen, strenge dich an, laß nicht nach!
Willst du denn sterben?
Da drängt das Mädchen sehr, das
Kind fallt heraus. Die Frau ist
entbunden.
Anm. Bei Häuptlingkindern wurde gleich nach der
Geburt durch
einen Sprecher vor dem Hause der ,Uuu'-Ruf ausgestoßen,
der auch
,Sususu* gesprochen wird.
Sususu ina ist Einer, der mit dem Sususu Rufe
empfangen wurde, als
er geboren ward, — ein Häuptling, ohne Unterschied auf
welcher
Staffel der samoanischen Häuptlinghierarchie er seinen
Platz bean-
spruchen kann — ,ein Adeliger*. Aus Kontraktion der
Worte Sususu
ina ist die Anrede Susuga entstanden. Umsetzung von
,Susuga'-Hoch-
wohlgeboren. —
Ona tago ai lea o le matua, ua
aati le taliga, ua sasae le afuafu.
A urna ona toe punon lea і le
mimiti le isu.
A urna lea, ona fai atu lea і le
tasi matua e ave ane se ofe e ta
ai le uso o le tama.
Wenn sie fertig ist, beugt sie
sich wieder nieder, um die Nase
auszusaugen.
Daraufgreift e i n e A11 e zu, reinigt
die Ohren, zerteilt dieUmhüllung.
Wenn dies fertig ist, sagt sie zur
anderen Alten, sie solle ein Bam-
busmesser bringen um die Nabel-
schnur (uso = Wurzel, Nabel-
schnur) des Kindes abzutrennen
— Cabschlagenü'
Anm. Das Bambusmesser ist lediglich ein
Bambusrohrsplitter,
wie solche wahrscheinlich in jedem Museum zu finden
sind. Mit diesem
Instrumente kann man nichts .abschlagen', wohl aber
abschneiden.
Das Geschlechtleben der Samoaner
95
— Das Wort ta hat so viele Bedeutungen, unter Anderen
auch ab-
schlagen; ta le vao = Wald niederschlagen, ta le laau
pese Harmonika
spielen, die Spieldose spielen lassen, ta le siva tangau
und viele
Andere. Für jedes Instrument muß man sich bei
Übersetzung des
Wortes ta die geeigneteste Ausdruckweise suchen. In
diesem Falle
scheint mir abschneiden oder abtrennen die geeigneteste
zu sein.
Unausgesetzt übersetzt À. Kraemer (II. Band) auch in
seinen Ausein-
andersetzungen über die Tatauierung die Worte ta tatau
mit schlagen,
statt mit tatauieren, wie z. B. S. 71, 72, 73; auf S. 71
werden sogar die
Worte: .Meine Meinung geht dahin, diesen Knaben
tatauieren zu lassen1
in ,den Knaben hier bearbeiten (I) zu lassen'
verwandelt. Noch weniger
erfreulich ist dies, nachdem man S. 67 gelesen hat, daß
die Tatau-
ierhämmer ,geschärft' worden; — oder wenn man gleich
darauf ,malin
mai' mit ,sei willkommen, statt mit ,tritt ein'
übersetzt findet und die
Antwort ,0 alalaga lau afiaga' mit ,möge sich deine
Hoheit Wohlbe-
finden1 statt ,die Residenz (Hofhaltung)
deiner Hoheit/ —
Ona tago atu ai lea, ua ti tipi Sie greift dann zu
und schneidet
ese le fanua. den Mutterkuchen (die Nachge-
burt) ab.
Anm. Nachgeburt = fanua, falefale. Der Gatte der
Wöchnerin, der
am Kopfende sitzt, die Hand der Gebärenden in seiner
Hand ge-
halten und der Gebärenden beim Eintritt der Wehen
(faatigä) fort-
gesetzt zugeredet hat (.faamalosi faamalosi' = strenge
dich an, o-
ono' = dränge, ,toe itiiti, toe itiiti' noch ein wenig),
packt die Nach-
geburt in einen aus Kokospalmblättern geflochtenen Korb,
trägt sie
hinter das Haus, gräbt ein zwei Fuß tiefes Loch und
begräbt Korb und
Inhalt. Dann wälzt er einen schweren Stein auf die
Aufgrabung.
A e avane se fasi lauua, noanoa Dann nimmt sie
ein Stück
ai le pito o le uso o le tama. unbedrucktesRindenzeugund
bindet das Ende der Nabelschnur
des Kindes damit ab.
Anm. Das Abbinden ist nur in einzelnen Fällen
erforderlich und
geschieht daher in Samoa nur selten. In der Natur findet
das Ab-
binden ja auch nicht statt. Zivilisation schafft leider
auch hierin
Änderung 1
A urna lea, ona avane lea o taafi Wenn dies geschehen
ist, nimmt
ua afifi ai. sie Stücke alten Rindenzeuges
und wickelt (das Kind) damit ein.
об
Das Geschlechtleben der Samoaner.
Anm. Das benutzte Rindenzeug muß weich und daher alt
sein; da
neues Rindenzeug zu hart und steif ist. Um das
Rindenzeug noch
weicher zu machen, wird es gründlich mit Kokosnuß öl
eingerieben.
Ona avane lea o le fasi popo
ua mama і le gutu o le matua.
Ona avane lea o le lauua ua
afifi ai, ona tatau lea і le gutu o
le tama itiitl
E inu ai a seia susua susu o le
failele.
Es wird dann ein Stück Kokos-
nußkern gereicht, welches eine
Alte im Munde kaut
Dann wird ein Stück unbedruck-
tes Rindenzeug zur Einwickelung
(des Gekauten) gereicht, und in den
Mund des Kindes ausgequetscht.
Welches davon trinkt bis die
Brüste der Wöchnerin Milch geben.
Kraemer läßt nun noch eine Beschreibung von Festen
und von
dem Austausch von Matten und Waren folgen, die ich mir
fur das
vierte Kapitel vorbehalte.
Dem durch A. Kraemer in Vorstehendem gemachten
Angaben
habe ich Folgendes noch hinzuzufügen:
Die Tätigkeit der beiden alten Frauen beschränkt sich
bei einer
Niederkunft lediglich darauf, die Gebärende bei ihren
Drängen während
der Wochen und bei dem Bestreben, die Frucht zur Welt zu
be-
fördern, durch aufmunternde Zurede, Niederpressen der
Schultern und
durch der Praxis abgesehene Ratschläge zu unterstützen.
Ein
manueller Eingriff wird im allgemeinen von Samoanerinnen
nicht ge-
macht. Doch pflegt die am Fußende sitzende Alte eine
Hand fest
gegen den Damm — tasele (bei Männern), vaivae
(Euphemismus),
faufilo — zu legen, um eine Zerreißung zu verhindern,
Hebammen sind in Samoa unbekannt; dagegen heißt
Geburthilfe
leisten faatosaga.
Als Regel ist anzusehen, daß die Niederkunft im Hause
des
Gatten erfolgt. Nur eine Frau, die ihrer Niederkunft mit
dem ersten
Kinde entgegensieht, wird meistens — auch nicht immer —
in das
große Haus (fale tele) ihrer väterlichen Familie
übergeführt. Eine
Schwester des Gatten wird zu ihrer Pflege mitgegeben.
Mitunter
wird auch ein Sprecher als Begleiter der Schwangeren
bestimmt. —
Bei dieser Überfuhrung werden Waren, mitunter auch ein
Schwein
als Geschenk fur die Familie der Frau mitgeschickt. —
Diese Ge-
schenke, die bei jedem Verwandtenbesuche der Frau sich
wieder-
holen, heißen molaga. Sie werden dem Gatten durch feine
Matten
Das Geschlechtleben der Samoaner. gy
— ie töga — vergolten. — Uber den Ursprung der
Bezeichnung töga
habe ich bereits im Internationalen Archiv für
Ethnographie 1899,
XII, S. 136, Aufschluß gegeben (Analogien: susu ina
=susuga, afio
ina = afioga, to ina = töga). Die Schreibweise tööga ist
unrichtig.
Die Vermutung Kraemers, II, 52, daß das Wort töga von tö
=
schwanger abzuleiten sei, halte ich demnach für
unzutreffend. Sicher-
lich ist es aber ebenso verfehlt, wenn Kraemer I, 283
töga von
Tonga ableiten will. Denn die Tonganer kennen das
Mattenflechten
nicht und beziehen feine Matten aus Samoa. Hierbei
suchen sie nur
nach ganz neuen Matten, die in Samoa etwa Mk. 20 wert
sind und
bezahlen in Tonga $ 30 = Mk. 120.
Töga (selatan tanah) heißt zweifellos das Südland und
hat mit
töga nichts gemein.
Nach erfolgter Entbindung und Reinigung des Kindes
und der
Wöchnerin ist es die Aufgabe der alten Frauen, das Kind
und die
Wöchnerin bis zur Abtrocknung der Nabelschnur zu
pflegen. Das
vertrocknete Ende fällt nach 4 bis 7 Tagen
ab — ,ua pan le pute'
Puderquast und Puder kommen ebensowenig in Anwendung
wie
Wickel oder Nabelbinden und demnach bildet sich der
Nabel ganz
normal. Nur selten sieht man ein Kind mit
hervorstehendem Nabel.
Falls man die Eltern auf diesen Umstand aufmerksam
macht, erhält
man als Antwort: Das schadet nichts, wenn das Kind
wächst, wird
der Nabel normal. Nur einmal habe ich einen Erwachsenen
mit
hervorstehendem Nabel — pute osooso — gesehen, bei dem
ein
organischer Fehler augenscheinlich die Ursache dieser
verunstaltenden
Dekoration war.
Um den Hautreiz des Kindes zu mildern wird es mit
Kokosnußöl
und Turmeric-Pulver eingerieben. — Daß das Kind mit dem
Safte
eines gekauten Kokosnußkernes genährt werde, kommt jetzt
nur noch
selten vor, wenn auch nach wie vor das Hauptopfer bei
einer Geburt,
ein großes Schwein, popo, alte Kokusnuß, genannt wird
und den
Zweck hat, bei den Göttern die glückliche Beendigung der
Kokos-
kernverpflegung des Kindes zu erwirken. —
Mißgeburten sind sehr selten und bestehen in den
weitaus meisten
Fällen ihres Auftretens in einer Rückgratverkrümmung,
vielleicht
hervorgerufen durch das Tragen schwerer Lasten seitens
der Mutter
während der Schwangerschaft; auch ein Fall eines
verkümmerten
Beines ist mir bekannt geworden. Andere konstitutionelle
Anomalien
müssen in Samoa sehr selten vorkommen, sonst würde man
doch
davon hören. Daß sie vorkommen, ersehe ich nur aus dem
Umstände,
Krauss, Anthropophytcia. 7
Das Geschlechüeben der Samoaner.
daß der Missionar Pratt, in seinem Wörterbuche ein
Wort für
Hermaphrodit — faafafine — anfuhrt
Die durch Kraemer und B. Friedlaender erörterte
Frage, in wel-
cher Stellung Samoanerinnen niederzukommen pflegen,
beantworte
ich aus eigener Beobachtung dahin, daß in drei Fällen,
in denen ich
Augenzeuge war, die Gebärenden auf dem Rücken lagen,
unter Kopf
und Gesäß eine Siapowulst hatten und die Knie etwa bis
zu rechtem
Winkel angezogen hielten. Daß eine Samoanerin knieend
nieder-
kommen, halte ich fur möglich, jedoch fur eine Ausnahme.
Es sind mir viele Fälle bekannt, in denen die
Gebärenden,
mangels der Anwesenheit anderer Personen sich selbst
entbanden.
Auch wurde mir von mehreren Fällen berichtet, in welchen
die Ge-
bärende stehend gebar.
Als Regel muß aber jedenfalls die natürlichste
Stellung, die
liegende angesehen werden, bei der dann naturgemäß die
Ober-
schenkel leicht angezogen, die Knie gekrümmt werden.
Übrigens kommt ja auch bei Kulturvölkern — wenn auch
als
große Seltenheit — vor, daß Frauen sich selbst
entbinden, so wie
daß Frauen auf einem Geschäftsgange (z. B. als
,Botenfrau' in den
weniger von der ,Kultur' geschädigten östlichen
Provinzen, Ost-
preußen, Westpreußen, Hinterpommern, Posen) niederkommen
und
nach Erledigung des Botenganges mit dem Neugeborenen
munter
und vergnügt zu Hause eintreffen.
Von einem »Wochenbett' ist bei Samoanern
selbstverständlich
nicht die Rede. Am zweiten Tage verrichtet die
\yöchnerin bereits
ohne Beihülfe ihre Bedürfnisse, am dritten Tage geht sie
bereits ihren
Geschäften im Hause nach. Daß sie Wöchnerin sei, merkt
ein ganz
Unbefangener nur daran, daß die Brüste mit einem Stücke
unbe-
druckten Siapo in die Höhe gebunden sind. Die
Samoanerinnen, die
ja meistens gesund und kräftig und gut gebaut sind,
haben in den
ersten Tagen nach der Entbindung einen so starken
Milchzufluß, daß
der Säugling die produzierte Milch nicht konsumieren
kann. Die
Milch tropft dann aus den straff gespannten Brüsten
unausgesetzt
nieder. Die Brüste werden abnorm groß und schwer und
bereiten
durch ihre Schwere der Säugenden Unbequemlichkeiten. Um
diesem
Übel abzuhelfen, werden die Brüste in der beschriebenen
Weise auf-
gebunden. —
Gleich nach der Niederkunft bereitet der Ehegatte in
Gemein-
schaft mit den jungen Burschen — taulealea — der Familie
fur die
Wöchnerin einen vaisalo; dies ist eine aus jungen
Kokosnüssen und
Das Geschlechtleben der Samoaner
99
Pfeilwurzelstärke — masoa — Tacca pinna-tifida —
durch Kochen
mittelst heißer Steine hergestellte Suppe; .denn die
Wöchnerin fühlt
sich schwach im Magen — ua mole le manava/ Doch genießt
nicht
nur die Wöchnerin davon, sondern alle anwesenden
Personen lassen
sich recht große Portionen sehr wohl schmecken.
Vaisalo ist die spezifische Krankensuppe in Samoa,
die auch
Weiße sehr wohl zu würdigen wissen. Sie ist
wohlschmeckend, nahr-
haft und leicht verdaulich. — Jeder, der einem Kranken
seine be-
sondere Zuneigung oder sein Mitgefühl auszudrücken
beabsichtigt,
setzt ihm eine große Holzschüssel — umete — mit vaisalo
gefüllt
vor sein Krankenlager. Wenn der Kranke auch nur je
morgens und
abends eine Tasse davon genießt, so hat er doch das
Vergnügen das
zahlreiche Pflege- und Besucherpersonal 5 bis
6 mal am Tage auf
seine Gesundheit recht herzhaft vaisalo trinken zu
sehen.
Die Ruhe des Wochenzimmers, wie sie bei Kulturvölkern
fur er-
forderlich gehalten* wird, zu deren Erhaltung. sogar der
Käfig des
Singvogels verhängt wird, damit er nicht etwa ein Lied
erschallen
lasse, kennt der Samoaner nicht. — Vor dem Hause, auf
dem Dorf-
platze spielen, lärmen, schreien und prügeln sich die
Kinder und im
Hause wird eifrig und laut konversiert. Alles dies stört
die Wöchnerin
durchaus nicht. Will sie schlafen, so schläft sie trotz
des Lärmens.
Sie ist es so gewohnt.
Ihre Nerven sind nicht durch starken Kaffee, Thee und
andere
Reizmittel verdorben. Sie ist frei von Nervosität, dem
Produkte
heutiger Kultur. —
Bei der Niederkunft sind, — ganz nach Belieben —,
alle Familien-
mitglieder beiderlei Geschlechtes und jeder Alterstufe
zugegen; Jüng-
ginge, erwachsene Mädchen, jüngere Knaben und Mädchen
jeglichen
Alters. —
Alle verfolgen mit der größten Aufmerksamkeit alle
Vorgänge
bei der Geburt und sind vollkommen orientiert über das,
was das
Entstehen, Leben und Vergehen der Menschen angeht.
Mit Storchgeschichten käme man bei diesem Naturvolke
nicht weit
Daß die Sittlichkeit durch Verheimlichung der
einfachsten und
natürlichsten Vorgänge im Menschenleben gehoben würde,
wird nie-
mand behaupten können, der einmal eine Niederkunft bei
Samoanern
zu beobachten Gelegenheit gehabt hat. —
Deutsche Bauernerzahlungen.
Gesammelt im Ober- und Unterelsaß von F. Wernert
Im III. Bande S. 67—131 brachten wir
hundertundvier mehr oder
weniger derbe Bauernerzählungen, welche im Gebiet
zwischen Rhein
und Vogesen umlaufen. Nach weiteren Studien ist es nun
möglich
gewesen eine größere Zahl ähnlicher Erzählungen fur
dasselbe Gebiet
festzustellen. Es handelt sich dabei, wie nachdrücklich
betont sei,
nicht etwa um Schnurren, die von der Männerwelt
lediglich im Wirts-
haus erzählt werden, sondern um .Schnircheln', die
während der Arbeit
in.Haus und Feld zum besten gegeben wurden.
Vieles konnte während der Heuernte gesammelt werden,
die
Hauptzahl ließ sich bei den Arbeiten im Weingelände
feststellen.
Einzelne, und wie hervorgehoben werden muß, gerade, die
unsauber-
sten Erzählungen gehören zum ,Fabulierbestand* der in
den entlegenen
Dörfern wohnenden Holzfäller, Zotenreiche Stücke nennen
wir ,Holz-
hackersprüche/ Damit ist angedeutet in welcher Sphäre
sich die
Unterhaltung der Waldarbeiter bewegt.
In den Holzhackerortschaften, wie wir die Dörfer
nennen wollen,
deren männliche Bevölkerung hauptsächlich im Walde
schafft, kommen
die meisten Delikte wider die weibliche Geschlechtehre
vor. Der
Hunger nach dem weiblichen Körper, nach geschlechtlicher
Befriedi-
gung scheint um so reger zu sein, je weiter die
männliche Bevölkerung
vom Orte entfernt dem Tagverdienst nachgeht
Neben diesen Wald Ortschaften kommen die
Rebdörfer in Betracht
Der Weingenuß im elsäßischen Rebgelände ist groß
und lockert nur
zu oft alle Fesseln. Namentlich im Herbst, wenn die
Weinberge ein
gutes Resultat ergeben, wird in sexueller Hinsicht
vieles geleistet.
,S'isch Herbscht' mit dieser Redensart deutet man an,
daß alles er-
laubt ist
Wir wollen aber keine Abhandlung darüber schreiben,
welche
Jahrzeit den Geschlechttrieb der Landbevölkerung am
meisten beein-
Deutsche Bauernerzählungen.
101
flußt. Das muß dem Physiologen bezw. der
Moralstatistik überlassen
bleiben. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden
Stücke schienen
diese Andeutungen aber zweckmäßig. Viele der einzelnen
Schnurren
beschäftigen sich mit der Geistlichkeit und da das Elsaß
zu 4/5 katho-
lisch ist, natürlich in erster Linie mit dem
katholischen Klerus.
Diesen Studien wurde besondere Aufmerksamkeit
gewidmet, da
es von kulturhistorischen Wert ist, die Anschauungen des
Volkes über
die Geistlichkeit zu kennen. Das Bild, welches sich die
Volkphantasie
vom Klerus macht, trifft ja keineswegs Strich für Strich
zu, vielmehr
unterschiebt der Landbewohner und gleichfalls der
Städter seine An-
schauungweise über geschlechtliche Vorgänge dem
Geistlichen. Wichtig
ist es aber gerade in dieser Hinsicht die große Masse
kennen zu lernen.
Wir erwähnen zuerst zwei Holzhackersprüche aus dem
Gebiet
der Mittelvogesen.
105.
Lack mi am Arsch Leck mich am A—
esch äui a Danz ist auch ein Tanz
awer gar a wiaschter aber gar ein wüster
ün hett der Pfaff und hat der Pfaff
kä Huur am Schwanz kein Haar am Sch—
Ze esch er äui kan Priaschter. so ist er auch kein
Priester.
Das Alter dieses Spruches, welcher unter der
männlichen Jugend
vielfach gesungen wird, ließ sich ebensowenig
feststellen als das des
nachfolgenden:
S'esch a'rich, wa m'r's bedankt S'ist arg, wenn man
es bedenkt
Wia —n— ar eim hankt Wie er (id est penis) einem
hängt
Wia das eine krankt! Wie das einen kränkt!
Wia das eine awer freit Wie das aber einen freut,
Wann аг eine steijt. Wenn er wieder steigt.
Ein Neckreim, in welchem die Stärke der Manneskraft
angegeben
wird, ist im Haslachtal, einem Nebental des Breuschtales
im Hinter-
elsaß bekannt. Der Text dieses Reimes lautet:
Wer net ewer sewa Magdia grattla kann esch ke Mann,
ke Mann
Wer nicht über sieben Mägdlein krabbeln kann ist kein
Mann, ke Mann
wer net grattla kann ewer sewa Magdia.
wer nicht krabbeln über sieben Mädchen.
Sehr alt ist der Spruch:
Es esch ken aldi Huer am Rhin,
Es ist keine alte Hur am Rhein,
Jewedi wül e Jumpfer sin
Eine jede will eine Jungfrau sein.
102
Deutsche Bauernerzählungen.
Diesen Reim findet man schon bei Fischart, woselbst
es heißt:
Es ist keine alte Huor am Rhyn Grempen =
Wiederverkäuferinnen von
Sy wöllent alle Grempen sein. Eßwaren, Obst, Gemüse
im Kleinen.
106. D'Garschtenarnn.
Die Gerstenernte.
S'esch emol e Buer met dV Gârscht harn kumme. Do
heßt's de
Es ist einmal ein Bauer mit der Gerste heim gekommen.
Da heißt es den
Wâja ôlôda. DV Buer geht nuff uff da Stock ann küm
esch 'r owwa,
Wagen abladen. Der Bauer geht hinauf auf den Heuboden
und kaum ist er oben
ze retscht V üs ann plumps, fallt V arô ens
Schieredann êm von de
so rutscht er aus und plumps fallt er herab in die
Scheunentenne einem von den
Lothrenger Maidia, wie dert gebückt g'stanga—n—esch,
grod uff de
Lothringer Mädchen, welches dort gebückt
gestanden ist, grad auf den
Duckes, daß des lütt uffschreit ann um Helf rüeft
Alli zwai
Dokes (Hintern) so daß das laut aufschreit und um
Hilfe ruft. Alle zwei
leja do bienand'r uff 'm Schierdann. S'Maidel schleed
e cülbütel
liegen da beieinander auf dem Scheunenboden. Das
Mädchen schlägt einen Purzelbaum
ann hett de blutte—n—Orsch ann. e hoorige Pelzkapp
!) gezait ann d'r
und hat den bloßigen A— und eine haarige Pelzkappe
gezeigt, und der
Buer esch glecklicherwies uff a Hüffe Stroh g'falla.
Na 's hett kenns
Bauer ist glücklicherweise auf einen Haufen Stroh
gefallen. Na, es hat keines
ke schweri Verletzunga dVvon getraja. D'r Buer esch
weech g'falla
keine schwere Verletzungen davon getragen. Der Bauer
ist weich gefallen
ann s'lothrenger Maidia het so lang storik an sim
hengere Teil g'hebbt
und s'lothringische Maidel hat so lange stark an
seinem hinteren Teil gehalten
bes aß d'r Buer met a por Dholer Domasch hindern
(gemeint sind
bis daft der Bauer mit ein paar Talern Schadenersatz
dommages intérêts) erüs geruckt esch, do esch der
Teil au wedder
heraus gerückt ist, da ist der Teil auch wieder
gsüand worra2).
gesund worden.
1) Hoorige Pelzkapp id est vulva.
2) Erzählung aus dem Kochersberger Ländel. Der
Kochersberg ist ein westlich
von Straßburg gelegener hügeliger fruchtbarer
Landstrich, in dessen Dörfern zum Teil
noch die unverfälschte alemanische Bauernschaft sitzt,
welche alte Sitte und Tracht bis
zum heutigen Tage bewahrt hat. Die Bewohner des
Kochersberges gelten schon seit dem
Mittelalter her als besonders grob und ungeschliffen.
Mittelpunkt des reichen Land-
striches ist der 650 Einwohner zählende Ort
Truchtersheim. Vergleiche auch: August
Stoeber: Der Kochersberg, ein landschaftliches Gemälde
aus dem Unterelsaß.* —
Die in obiger Erzählung erwähnten Lothringer Maidel
sind Erntearbeiterinnen aus
dem nahen Bezirk Lothringen. Zu Lothringen gehört auch
,das krumme Elsaß' oder das
,Heckenland'. Trotz der Nachbarschaft und obwohl
Lothringen mit dem Elsaß das
deutsche Reichsland bildet, geht jedem Elsässer ein
Schauer durch Mark und Bein, wenn
man von Lothringen redet (Siehe: ,Land und Leute im
,krummen Elsaß* Nr. 16 und
17 Vogesenblatt Jahr 1906).
Deutsche Bauernerzählungen.
ЮЗ
107. s'Karlinnel vom Kocherschbarri.
Das Karolinchen vom Kochersberg.
DV Moosgrejle*) Buer esch 'm Karlinnel met de Hand
fescht om
Der Maßkrügel Bauer ist dem Karolinchen mit den
Händen fest am
Orsch umeg'fohra. ZettV kläut's unn kläuts: 's hett
weh em Kriz,
Anus herumgefahren. Seitdem klagt es und klagt es: es
hätte weh im Kreuz,
s'kann nemmi schaffe, 's esch verderbt fr emmer.
es kann nichtmehr schaffen, es ist beschädigt für
immer.
DV DoktV hett's engersüacht, oww'r hett nix g'funga.
Er mänt
Der Doktor hat es untersucht, aber er hat nichts
gefunden. Er meint
's esch Verstellung. *M Buer esch 's Ongscht worre un
so rüeft V
es ist Verstellung. Dem Bauer ist es Angst geworden
und so ruft er
ganz em Stilla der Knacht unn sät: ,Horich Jockel, dü
wasch, was
ganz im Stillen den Knecht und sagt: ,Höre Jockel, du
weißt, was
bassiert esch met dam Maidel. E will dV ebbs sâja,
ôwV 's Müll
passiert ist, mit dem Mädel. Ich will dir etwas
sagen, aber das Maul
g'halta! Neama nix gepfiffa, denn 's wäß sunsch neama
nix as ech
gehalten! Niemand nichts gepfiffen, denn es weiß
sonst niemand nichts als ich
unn dü unn dV DoktV. ZettV zeh Daü semelier і wie dem
ze hâlfa
und du und der Doktor. Seit zehn Tagen simuliere ich,
wie dem zu helfen
war. Unn 's esch mV a guater Gedanke kummau 'S esch
morn
wäre. Und es ist mir ein guter Gedanke gekommen. Es
ist morgen
Maßti-Sunndi D' Bierra unn ich mV wâra morn verräsa;
do hesch
Meßti-Sonntag. Die Bäuerin und ich wir werden morgen
verreisen ; da hast
a Zwanzig Marik-Stüeckel ! Fiahr de JungfV uff
de'Maßti unn kurier
du ein Zwanzig Mark Stückchen! Führe diese Jungfrau
auf den Meßti und kuriere
mV se. Griff 's schlöü on. Wann 's ferti brengsch,
worr і dV noch
mir sie. Greife es schlau an. Wann du es fertig
bringst, werde ich dir noch
a so e Füachsel an d' Hang springa Ion*. — Des loßt
sich dV Jockel
ein solch ein Füchschen an die Hand springen lassen*.
— Das läßt sich der Jockel
nit zweimôl saja denn 's Karlinnel esch a sakerdies3)
natts Fratzel.
nicht zweimal sagen, denn das Karolinchen ist ein
verflixt nettes Frätzchen.
Glych esch V zürn Balwerer unn loßt d' Hoor unn de
Bort schnieda,
Gleich ist er zum Barbier und läßt die Haare und den
Bart schneiden,
dVno hett V de Sunndismotze4) ôngedôn unn
vun 's Buer sinne
darnach hat er den So Dn tags rock angetan und
von des Bauer seinen
beschte Sigâre ong'flommt. So esch V vor łs
Karlinnel sinem FanschtV
besten Zigarren angerlammt So ist er vor des
Karolinchen seinem Fenster
spoziera stolziart unn het a luschti's Märschel
gepfiffa. As düert nit
spazieren stolziert und hat ein lustiges Märschchen
gepfiffen. Es dauert nicht
1) Maßkrügelbauer ist ein Spitzname, der auf
Trinkfertigkeit in vino hindeutet.
2) Maßti Sunndi = Kirchweihfestsonntag, ein Tag da
furchtbar gegessen, getrunken,
getanzt, geliebt und geschlagen wird.
3) sakerdies bedeutet eigentlich sacré Dieu.
4) Sunndimotze Sonntagsrock, der an der Hosenbrise
aufhört. Mutzen -« mittel-
lateinisch almatia.
I04
Deutsche Bauernerzählungen
lang do hert m'r 's Klewela era geh'n, 's Fanscht'r
esch wia
lange da hört man das KlÖbchen (der Fensters)
herabgehn, das Fenster ist wie
vun âsi uffgange. Es streck sin Habs Kepfela erüs.
von selber aufgegangen. Es streckt sein liebes
Köpfchen heraus.
,Schens Maidel', mänt der Jockel, ,morn esch Maßtil
DV Buer
»Schönes Mädel', meint der Jockel, , morgen ist
Meßtil Der Bauer
unn d' Bierra verräse. As kânnt die niema і glaub,
wann de a poor
und die Bäuerin verreisen. Es kennt dich niemand, ich
glaube, wenn du ein paar
Mol gedanzt hesch geht d'r Butza hienga awack unn dü
wursch wedd'r
Mal getanzt hast geht der Schaden hinten weg und du
wirst wieder
g'sund'. Afä uflfs letscht hett 's Maidel
inggewilligt Küem esch 's
gesund. Enfin zu letzt hat das Mädel eingewillt. Kaum
ist es
im Sunndi uff de Danzbodde kumme esch vo Krizweh,
Buckelweh,
am Sonntag auf den Tanzboden gekommen ist von
Kreuzweh, Rückenweh,
ke Spür meh. Des hett hienga unn vorne nüs g'schlaje,
de Ländler
keine Spur mehr. Das hat hinten und vorne
ausgeschlagen, den Ländler
unn de Hopser, de Walzer unn de Schottisch hett 's
met gemocht,
und den Hopser, den Walzer und den Schottisch hat es
mit gemacht,
so stolz as ans.
so stolz als eines.
Z' morjes um zwei hett 's met 'm Jockel z'Nôcht gâsse1).
Die
Zu Morgen um zwei hat es mit dem Jockel zu Nacht
gegessen. Die
zwanzig Marikle senn g'flöje unn noch Stecker
fünf hatt d'r Jockel sech
zwanzig Mark sind geflogen und noch stücker fünf hat
der Jockel sich
uffkriede Ion2); owwer d'r Buer zohlt se
gare; dann enn dere Nôcht
aufkreiden lassen; aber der Bauer bezahlt sie gerne;
denn in dieser Nacht
hett sech d'r Jockel ewwer das Maidel hergemacht. D'
Kutte hett 'r 'm
hat sich der Jockel über das Mädel hergemacht. Die
Röcke hat er ihm
ewwer de Dockes 'nuff g'sträft unn hett 's bis
uff d' Knoche enger-
über den hinaufgestreift und hat es bis auf die
Knochen unter-
süacht Des Dokt'r Exarna esch em Karlinnel sinnere
Kammer vor sech
sucht. Dieses Doktor Examen ist im Karolinchen seiner
Kammer vor sich
gange. Gejuxt hân se, afä d'r Jockel hett uff sini
Oort kuriert. D'
gegangen. Gejauchzt haben sie, enfin der Jockel hat
auf seine Art kuriert. Die
gonz Nôcht mahnt 's Maidel züem Jockel: Jockel ech
brüch din Hilfl
ganze Nacht meint das Mädel zum Jockel: Jockel ich
brauche deine Hilfe 1
Druck geje mini ennera Verletzunga'. Na d'rwâia het
d'r Jockel wia
Drücke gegen meine innem Verletzungen. Na deßwegen
hat der Jockel wie
łne Fülle gemoocht wie zuem erschte Mol
nooch langer Zitt, üs 'm
ein Füllen gemacht, welches zum ersten Mal nach
langer Zeit aus dem
Stall erüskummt Wott'n er no meh wessa? Viel Wissa
macht Kopf-
Stall herauskommt. Wolltet ihr noch mehr wissen? Viel
wissen macht Kopf-
weh. Nur ans noch, 's Karlinnel hatt sie met 'm Buer
üsg'suent
weh. Nur eines noch. Das Karolinchen hat sich mit dem
Bauer ausgesöhnt
1) In der Meßtinacht wird nach Mitternacht von den
wohlhabenderen Bauernburschen
und Mädchen ein großartiges gemeinschaftliches Mahl in
den Wirtschaften eingenommen
und darnach hebt eine Schlemmerei an.
2) Zeugt von der bäuerlichen Schlauheit des Knechtes.
Deutsche Bauernerzählungen
IO5
unn bliet bie 'm as Mäud. 's esch karne g'süend worre
unn hett d'r
und bleibt bei ihm als Magd. Es ist kerngesund
geworden und hat den
Jockel g'hirote.
Jockel geheiratet
108. Wie dick mal?
Im krummen Elsaß war ein Pfarrer aus dem
lothringischen Gebiet
stationiert. Ein Mädchen kam zu ihm zur Beicht und sagte
unter
anderem, daß ihr gutmütiges Herz den Bedürfnissen der
hitzigen
Knaben nie habe widersagen können. Der Pfarrer fragte
wie oft das
geschehen sei und zwar meinte er in lothringischer
Ausdrucksweise:
,Wie dick mal?' ,0і, sagte das
Mädchen, ,emmer a so deck as d'zelli
Fohnaatang* (immer so dick als jene Fahnenstange), damit
deutete das
Mädchen auf eine der Kirchenfahnen.
109. О ja ich habe.
Ein junger Mann von Ruß (im Breuschtal) wollte sich
mit einem
Dienstmädchen aus Urmatt (ebenfalls im Breuschtal), das
in Ruß
diente, verheiraten. Weil der Mann die näheren
Familienverhältnisse
der Magd nicht kannte, bat er, wie so viele Leute tuen,
den Pfarrer
der möge in der Beicht gleichzeitig das Mädel
ausforschen. Der
Pfarrer, welcher kaum deutsch kannte, wollte das
erstmals bei ihm
beichtende Mädel fragen, und um sich nicht zu blamieren
meinte
er. ,Avez-vous des dettes?1 Das Mädchen
schaute den Pfarrer etwas
verblüfft an, doch als dieser abermals dasselbe fragte
sagte es: ,0 ja
ech ha großi Tetla, lüega'. Damit knöpfte die Magd sich
vorne auf
und ließ den Pfarrer ihren starken Busen sehen.1)
1) Zum Verständnis dieser Schnurre muß erwähnt
werden, daß Ruß zu dem fran-
zösischen Sprachgebiet des Breuschtales gehört. Das
Patois und die französische Sprache
beginnt bereits 3 Kilometer vor Ruß auf dem linken
Breuschufer bei Lützelhausen. Die
deutsche Sprachgrenze bildet Urmatt, das 32 Kilometer
westlich von Straßburg liegt. Als
eine Folge des blühenden Handels und Touristenwesens,
der deutschen Schule, der Heeres-
pflicht macht sich allgemach eine leise Verschiebung der
Sprachgrenze nach der franzö-
sischen Seite zu bemerkbar. Hier also an der Westgrenze
wo zwei Kulturen aufeinander-
stoßen macht die deutsche Sprache anders als an der
polnisch-russischen Grenze unauf-
haltsame Fortschritte. — Wir machen an dieser Stells
aufmerksam auf Dr. Const This:
Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsaß. 8°. 1888
und Dr. H. N. Witte: Deutsche
und Keltoromanen in Lothringen nach der Völkerwanderung.
Die Entstehung des deut-
schen Sprachgebietes. Mit Karten. 8°. 1891. Verlag von
J. H. Ed. Heitz (Heitz &
Mündel) Straßburg i/Elsaß.
io5
Deutsche Bauernerzählungen.
110- SMsch ihr drum.
Ein Pfarrer ging mit seiner Köchin über Feld.
Unterwegs kamen
sie an Kühen vorbei als gerade der Stier an eine Kuh
trabte und von
hinten beroch.
Die Köchin fragte ihren geistlichen Herrn: /Warum
schmeckt dV
»Warum riecht der
Stiar e dere Küah der Hentera?*
Stier in dieser Kuh den Hintern?1
,Na, wil ar ke Hand het' — Ja schmeckt ar's, wann's
ere drum eschi*
,Na, weil er keine Hand hat.* — Ja riecht eres, wenn
es ihr darum ist?'
Ja, ja' — Pfarrer und Köchin kamen auf ihrem Wege
durch den
Wald und da es warm war setzten sich beide ein wenig auf
den
weichen Waldboden. Auf einmal meinte die Köchin:
,Schmecka ehr
nix* (Riechet Ihr nichts?) — ,Nä, was soll i schmecka'.
(Nein, was soll
ich riechen.) —,Na, nahma, d'Hand dVnu ware— n—ehr's
schpire, daß
mV dVum esch*. (Na nehmet die Hand darnach werdet Ihr's
spüren,
daß es mir darum ist'). Diese Schnurre stammt aus
Rosheim kommt
aber im ganzen Unterelsaß vor. Die Redensart: s'isch mir
drum =
es ist mir darum, ist lediglich eine Umschreibung von
geneigt sein
zum Beischlaf Namentlich sagt der weibliche Teil der
Bevölkerung
s'isch m'r drum beziehungweise s'sch mV nit dVum.
111. Er kennt sie noch.
Ein Abbé erkrankte schwer. Der Arzt ordnete an, daß
keine
weibliche Person zu dem Fiebernden kommen möge. Nach
einigen
Wochen kam der Pfarrer langsam wieder zur Genesung und
endlich
erklärte der Doktor eines Tages: ,Hitt kann Sie łm
Herr Pfarrer
.Heute kann Sie dem Herrn Pfarrer
wieder den erschte B'süach mache. Bliet Sie awer um
Gotteswille
ersten Besuch machen. Bleibe aber Gotteswillen
nit lang sunscht könnt 's e rechute gen*. Voller
Freude ging die
nicht lange soast könnte es ein Rückfall geben*.
Magd nach beendeter Arbeit in das Krankenstüblein. Es
war ein
warmer Sommertag und der Herr Abbé schlief gerade als
seine
Köchin eintrat. Leise schlich sie näher heran, um den
Schnarchenden
nicht zu stören. Wie sie an das Bett kam sah die Köchin,
daß ihr
Herr ziemlich unbedeckt dalag. Eben wollte sie den Herrn
Abbé
ein bissei zudecken, da sah die Köchin voller Erstaunen
wie sich
zwischen den Schenkeln des Pfarrers der Schwanz erhob.
Immer
großartiger streckte sich der Schwanz und nickte der
Köchin zu. Die
Deutsche Bauernerzählungen. 107
112. Die Schlange.
In einem Nonnenkloster war der Beichtvater krank
geworden und
man hatte zur Aushilfe einen jungen schönen
Kapuzinerpater. Der
blonde lange Bart des Kapuziners stach den jungen
Schwestern stark
in die Augen und allerlei sündhafte Gedanken kamen den
Nonnen.
Jeden Mittag nach dem Essen ging der Kapuziner in den
Kloster-
garten, der voll Bäume und Sträucher stand, um an einem
stillen
Plätzchen sein Brevier zu beten. Das erspähte die
lebenslustige Nonne.
An einem heißen Tage wo alles im Kloster still und ruhig
war ging
der Kapuziner wieder im Garten spazieren. Die Nonne
paßte auf und
schlich sich ebenso in den Garten und auf einmal kam dem
erschre-
ckenden Mönch eine ganz nackte Person aus dem Gestrüpp
entgegen.
,Pater, Pater mich hat eine Schlange gebissen4.
Als der Mönch sich
vom ersten Schreck erholt hatte, denn er fürchtete es
sei der Teufel,
fragte er mit niedergeschlagenen Augen wo die Schlange
gebissen
habe. Da zeigte die Nonne auf ihre dicken Brüste, die am
Ende rot
geknöpft waren und auf ihren Schnitt wo rotes Haar
stand. Der
Mönch hatte noch kein nacktes Weib gesehen und so
glaubte er die
Brüste seien vom Biß geschwollen. ,Zur Ehre Gottes will
ich das
Gift aussaugen1, erklärte der Mönch, Die
Nonne ließ es sich gefallen
und legte sich auf den Boden. Je mehr der Mönch aber sog
um so
merkwürdiger zappelte es unter seiner Kutte. Der Nonne
ward es
immer wohliger, dem Mönch immer heißer. Auf einmal meint
die
Nonne ,Pater die Schlange ist glaub ich zu Euch
gekommen', und
rasch hob sie dem Kapuziner die Kutte. Wirklich da stand
mit roter
Farb dem Mönch ei;i Schlangenschwanz zum Leib hinaus.
Jetzt will
ich Euch retten', sagte die Nonne und ehe der Mönch nur
denken
konnte lag er auf dem Boden, während die Schwester mit
ihrem
Schnitt den Schlangenschwanz faßte und hinauszuziehen
versuchte.
Bei all dem Zerren und Reißen wurde beiden wohler und um
die
Klosternonnen nicht etwa zu erschrecken behielten beide
den Schlangen-
unfall fur sich.
Rosheim.
aber schlug in heiliger Verklärung die Hände über dem
Kopf zu-
sammen und rief: ,Uh la! D'r Kaib kannt mi noch*'.
,Oh la! Der Kerl kennt mich noch'.
(Aus Bischofsheim bei Oberehnheim. In Bischofsheim
befindet sich
ein Kloster der Liguorianer-Redemptoristen.)
io8
Deutsche Bauernerzählungen,
113. Askese.
Ein Mönch hörte Beicht in einem Nonnenkloster und
übernachtete.
Es war heiß und der Mönch dachte, du kannst dich wohl
nackt ins
Bett legen bei dieser Sommerschwüle. Mitten in der Nacht
wachte
der Mönch auf denn er fühlte sich am Schwanz begriffen.
Halb ge-
lähmt öffnete er die Augen und sieht im Mondenschein wie
um sein
Bett alle Nonnen nackt stehen, während die Oberin den
Mönch beim
Schwanz gepackt hatte. /Verzeihet ehrwürdiger Pater, wir
üben uns
in der Enthaltsamkeit des Fleisches wir töten unsere
Augenlust und
wollen gleichzeitig Euere Fleischeslust abtöten'. ,So
will auch ich
mich an der Askese beteiligen', antwortete der Mönch der
Oberin
und packte sie am Vozenhaar rupfte fest herum und warf
die Oberin
zur Türe hinaus. Dann kam so jede Nonne daran und damit
endete
die Askese. Rosheim.
114. Frei von der Brust.
Die Oberin eines Klosters wollte ihre Nonnen yor
jedem unreinen
Gedanken behüten und so sagte sie: ,die Männer sind
geradeso wie
wir. Gott hat uns wie Adam geschaffen, doch hat er uns
schöner
gemacht und so ließ er den Bart uns aus dem Gesicht.
Brüste hat
der Mann nicht weil Gott wollte, daß alle Männer frei
von der Brust
predigten'. SchlettstadL
115. Die Giftader.
Die Pfarrköchin war krank und man hatte ein junges
Bauern-
mädchen zur Aushilfe genommen. Dem Pfarrer gefiel die
dralle Maid
ausnehmend gut und er suchte nach Gelegenheit die
Jungfer nackt zu
sehen. ,Odile, dü gTällsch m'r gar nit', meinte er
gelegentlich. /Worum',
»Odilia, du gefällst mir gar nicht', »Warum1,
— E dyni Giftoder esch nit b'sorijt'. Ja Herr Abbé do
d'rvun weiß
— Eh nun deine Giftader ist nicht besorgt*. Ja Herr
Pfarrer da davon weiß
ich jo gar nix. Wü haw і denn e Giftoder?' — ,D'sell
esch ganz ver-
ich ja gar nichts. Wo habe ich denn eine Giftader?4
— Das ist ganz ver-
schiade'. — ,Na ze nemma mV dV.Gift'. ,Ze dhüa dy ab'
— Bref
schieden1. — ,Na so nehmen Sie mir das
Gift4. ,So zieh dich aa' (ausziehen) kurz
s' Odile zeit sich ab und d'r Abbé fangt a ganz ze
riddere. Wia—n
das Odila zieht sich aus und der Pfarrer fangt an
ganz zu zittern. Wie
—r s' Odile blott g'siaht mit dam wiße Fleisch, dane
satti Düttel,
er das Odila nackt sieht mit dem weißen Fleisch, den
festen Brüsten,
dane satti Orschbacke isch 's ferrig gsin. Sin
Milewinkes isch hert und
den festen Hinterbacken ist es fertig gewesen. Sein
Penis ist hart und
Deutsche Bauernerzählungen. IO9
stijff in d'Höche gstande. DV Abbé fahrt mit 'm
Finger 'm Odile
steif in die Höhe gestanden. Der Abbé fahrt mit dem
Finger dem Odile
ewer d'Bruscht de Nawel nunter d'r Scheid züa un uff
amol wie—n—
über die Brust den Nabel hinunter der Scheid zu und
auf einmal wie
V 's numm un dumm geteilt het ze riaft V: ,do
zwische de Schankel
er es hinum und herum gestellt hat so ruft er: ,da
zwischen den Schenkeln
haw і d'Giftoder g'funga. ,Ze nemma mV d'r Gift',
battelt s'Odile. DV
habe ich die Giftader gefunden. ,So nehmet mir das
Gift1, bettelt das Odile. Der
Abbé lüpft d' Kutt un fahrt 'm Odile wü mit 'm Rucke
geje 'm ge-
Pfarrer hebt die Soutane und fahrt dem Odile welches mit
dem Rücken gegen ihm ge-
Stande esch mit 'm Milewinkes um d'n Orsch und
zwische de Schankel
standen ist mit dem Penis um den A— und zwischen den
Schenkeln
um. Uff emol esch 'm Pfarrer d' Natur kumme un
do riaft V: ,0
herum. Auf einmal ist dem Pfarrer die Natur gekommen
und da ruft er: ,0
Odilele, heb mi do vorne an dem Gleich s'Gift kummt'.
Nu mit dem
Odilele, halte mich da vorne an dem Glied s'Gift
kommt. Und mit dem
hetV 'm Odile de Waddel in d' Hand druckt so daß 's
Odile dł ganz
hat er dem Odile den Penis in die Hände gedrückt so
daß das Odile die ganze
Nadür in d'Händ verwitscht
Natur in die Hände bekam.
Kreis Schlettstadt und Kreis Erstein.
1) Natur in diesem Sinne = semen virile.
116. Guter Trost.
Magdela wann de dieana wett Mädchen wenn du dienen
willst
Diean numma bi da Pfaffa Diene nur bei den Pfaffen
Do kannsch di Galt em Bett verdieana Du kannst dein
Geld im Bett verdienen
Bruch'sch auch net veal zu schaffe. Brauchst auch
nicht viel zu schaffen.
Dieses Spottlied sang der Ackerer Ignatz Frey aus
Heiligenberg
im Breuschtal. Frey bekannt als Natz war ein wirkliches
Original
von Junggeselle; kein Dummkopf, sondern ein feiner
Dorfpolitiker, der
unter besseren Umständen wohl Schulmeister und mehr
geworden
wäre. Das Liedel dürfte im dritten Vers ursprünglich
wohl das Wort
Bett am Ende stehen gehabt haben, wo sich dann Vers 1
und 3
wirklich reimten, indessen sah ich von einer
Verbesserung aus leicht
erklärlichen Gründen ab.
*
117. Böse Absolution.
Ein Seiltänzer beichtete in einer Mission (während
einer längeren
Zeit währenden Bußübung, die in katholischen Ländern
üblich ist
und aus Adhortationen, Beicht und Kommunion besteht).
Der Geist-
liche sah gleich, wen er vor sich hatte und fertigte ihn
rasch ab. Er-
freut über die schnelle Lossprechung, entfernte sich der
Seiltänzer in
no
Deutsche Bauernerzählungen.
einer ihm üblichen Weise. Vom Beichtstuhl schlug er
bis zu seinem
Platz nämlich das Rad. Eine Frau die nach dem Seiltänzer
beichtete
bekam auch ihre Lossprechung. Als der Beichtvater von
der Buße
anfing begann die Frau : ,0h verzeija Herr
Pfarrer, gen mV kenn Buaß
,0h verzeihet gebet mir keine Buße
wia dem Mann, ech ha jo hit ke Hossa an und kann ke
Rädel schlaue'.
wie dem Mann, ich habe ja heute keine Hosen an und
kann kein Rüdchen schlagen1.
(Lützelhausen).
,Heute' hatte die Frau keine Hosen und zeigte damit
an, daß sie
dieses Bekleidungsstück wie die meisten Bäuerinnen
höchstens Sonn-
tags und Festtags bezw. im Winter als Luxusgewand trägt.
118. Erkannt.
Agnesel hat Anlage für in's Kloster. Bald
verwirklichen sich
auch die Gedanken. Der Vater vom Agnesel führt's mit dem
Wagen
nach der Bahn. Unterwegs trifft man eine Schafheerde.
,Vater', sagt
Agnesel, ,dieses hat wie ich auch schwarze Haare am
Bauch, (dabei
deutete Agnes auf ein schwarzgeflecktes Schäflein)
dieses muß es
aber auch beißen *) und es kann nicht in's Kloster'. —
,Wenn' halt so
isch', sprach der Vater und rief zum Pferd ,hüscht herum
Brüner
(Brauner) un 's Agnesel müass e Liebschter han'.
Erzählung im Breuschtal Stil.
Bezeichnenderweise sind es nach Meinung der Bauern —
und die
müssen es doch wissen — in der Mehrzahl fehlgeschlagene
Heirat-
pläne, welche die Dorfschönen veranlassen den Schleier
zu nehmen.
119. Der über uns.
In einer Dorfwirtschaft wurde ein Mädchen von einem
Burschen
auf den Heuboden begleitet. Dort verwendete der Bursche
das Mäd-
chen zum Liebeakt. Wie's nun am schönsten war und dem
End zu-
ging jammerte das Mädchen Ja wann ech awer a Kend
bakum?' —
Ja wenn ich aber ein Kind bekomm?1
Da stöhnte der Bursche: ,D'seller ewer uns wurd's
schun erhalta'. —
Jener über uus wird es schon erhalten*. —
,Nä, nä! b'hiat Gott', schrie ein Mann, der auf dem
Heustock lag und
,Nein, nein!* Behüte Gott!1
wehrte mit den Händen. J weiß net wü 's Brut
ufdrescha fer mini
,Ich nicht wo das Brot aufdreschen für meine
zehn Ken'.
zehn Kinder*.
i) Beißen = jucken, kribbeln, zur Geschlechtslust
gereizt.
Deutsche BaucrnerzähluDgen. 11X
Anmerkung. Die Schnurre ist zwar angeblich im
Breuschtal in
einem Wirtshaus zwischen Dinsheim und Urmatt tatsächlich
vorge-
kommen und wir bringen sie nur wegen der elsässischen
Fassung; in
Wahrheit handelt es sich um eine mittelalterliche
Fazetie.
120. Seltsam.
,S'esch hart fer a Fräui wann 'r nemm hart esch un 's
esch wajer
,Es ist hart für eine Frau wenn erl) nicht
mehr hart ist und es ist wahrlich
schod, aß r net a su groß esch wie—n—e Düttel vum
em—aide
schad, daß er nicht so groß ist wie eine Brust von
einem alten
Wibsmensch un net a su stiff aß ä Siländerschibbüs',
het d' Großel
Weibsmensch und nicht so steif als wie ein
Zylinderhut', hat die Großmutter
g'sait, un het sech vum Großbabbe met em große Zehe
d'ran2) Speele Ion.
gesagt und hat sich von dem Großvater mit dem großen
Zehe daran spielen lassen.
Ältere Leute neckt man im Elsaß gerne damit, daß
bejahrte
Männer ihre Frauen geschlechtlich nur noch mit Hilfe der
großen
Zehe aufregen können. Molsheim.
121. Missverständnis.
E Juddemaidel üs 'm Frankrich hei in's Dytschland
ghirote, d'r
Ein Judenmädchen aus dem Frankreich hat in das
Deutschland geheiratet der
Mann isch katholisch g'sin und so isch diss
Juddemaidel halt au katho-
Mann ist gewesen und so ist dieses Judenmädchen halt
auch katho-
lisch wore. Wia 's jetzert s'erscht mol gange ist for
ze bichte fröjt
geworden. Wie es jetzt das erste mal gegangen ist für
zu beichten fragt
d'r Pfarrer: ,Haben sie schon mal Buße getan?' Do
isch's dem
der Da ist es dem
Wiwele ganz rot worre vor den Aaue doch sait 's Ja
monsieur le curé,
Weiblein geworden vor den Augen doch sagte es
hab Mann schon an Busen getan'.
122. Der Glatzschwanz.
E Juddeschicksel hat sich verhirote. In d'r
Hochzittsnacht sieht
Ein Judenmädchen hat sich verheiratet In der
Hochzeitnacht sieht
diss jung Wiwele 's erseht Mal e Mannerwaddel.
Jetzert wie 's dene
dies junge Weiblein das erste Mal einen
Männerschwanz. Jetzt wie es den
g'sieht dunkt 's 'm absunderli, daß numme am Sack
Hoor steh'n. D'r
sieht däucht es ihm absonderlich, daß nur an dem
Ilodensack Haare stehen. Der
Mann het du reste e Bluttkopf, un uff emol
fahrt diss Juddewiwel uff
Mann hat übrigens einen Glatzkopf, und auf einmal
fahrt dies Judenweibchen auf
un brialt: ,Nu dü bisch mr a Schener! A
Bluttkopf hesch de un
und brüllt: ,Nu du bist mir ein Schönerl Einen
Glatzkopf hast du und
aach e Bluttschwanz. De bisch wehrlisch e schlechter
Kerl aß de
auch einen Glatzschwanz. Du bist wahrlich ein
schlechter Kerl daß du
i) Er — Penis. 2) daran = Vagina.
112
Deutsche Bauernerzählungen
hast ka Hoor meh bis an de Spitz eun daam Glied, Host
de gelebt
hast kein Haar mehr bis an die Spitze von deinem
Glied. Hast du gelebt
nit koscher un solid. A Bluttschwanz bisch de, isch
dergege möscht
nicht koscher und solid. Ein Glatzschwanz bist du,
ich dergege möchte
wehrlisch ka Bluttvoz sei*.
wahrlich keine ohne Schamhaar sein. Mutzy.
123. Was die
Ob Jud oder Chrischt
D'Nadür isch uns Nischt
Ob Chrischt oder Judd
Wann d'r Stepp nur gut
B'schnitte oder nit
Es koscht ein Geld.
iuren sagen.
Ob Jude oder Christ
Mannessamen ist für uns (Dirnen) nicht
Ob Christ oder Jud
Wenn der Coitus nur gut (scilicet, ist)
Beschnitten oder nicht, das macht
Gar nichts zur Sache, es kostet ein Geld.
(Straßburg und Hagenau).
124. Der Messias.
Eine Jüdin und deren achtzehn Jahr alte Tochter
hatten die Ge-
wohnheit beim Gewitter die Fenster zu öffnen1),
damit der Messias
Eingang habe wie das ja viele Juden tun. Zudem hob sich
die alte
Jüdin und deren Töchterlein jedesmal alle Röcke und das
Hemd über
den Kopf, damit der kommende Messias sähe wie schön
beide seien
und im Hause absteige. Der Sohn des christlichen
Nachbars hatte
das längst gesehen und der fünfundzwanzig]ährige junge
Bursche
brannte vor Begierde, den weißen Bauch der schönen
jungen Jüdin
zu besteigen. Beim nächsten Gewitter, es war Nacht,
machten die
Jüdinnen wieder auf und zündeten Licht an und legten
sich mit auf-
gehobenem Hemd jedes in ihr Bett und deckten sich mit
Tüchern
den Kopf zu. Rasch warf der Nachbarsohn ein Bettuch um
eilte
i) Es ist eine vielfach unter Christen verbreitete
Ansicht, daß Juden während eines
Gewitters die Fenster öffnen, angeblich, um den Messias
zu begrüßen. Im Anschluß
hieran sei eine Schnurre erwähnt, welche man sich in der
Umgegend von Wiesbaden
erzählt. In den vierziger Jahren gab es bekannüich ein
schweres Hungerjahr. Das Ge-
treide ging furchtbar in die Höhe, doch der Kornhändler
S. in Biebrich am Rhein wollte
noch mehr für sein Korn. Während eines Gewitters nun
ließ S. alle Fenster und Öff-
nungen seines Hauses (Kornbodens) aufmachen. Plötzlich
nach einem Donnerschlag
wurde es vor einem Fenster lebendig. Eine schwarze Wolke
erhob sich und flog davon.
Alle Nachbarn liefen nach dem Gewitter herbei, man
untersuchte die Sache und sprang
zum Kornboden. Dort war noch eine schwarze Wolke. — Es
waren lauter Mückchen
und das ganze Getreide war leer. Würmchen hatten sich
darüber hergemacht und flogen
nach der Verpuppung als Mückchen fort. S. war ein
geschlagener Mann und im ganzen
Orte hieß: ,Der Messias furtgeflogen*. Ließ sich S. in
späteren Jahren auf der Straße
sehen, so brüllte die Jugend im Chorus: S. der Messias
fliet (fliegt).
Deutsche Bauernerzählungen.
"З
hinüber und stieg durch das Fenster ein. Mit Gier
sprang er ins Bett
der jungen Jüdin und vögelte nach Herzenslust, während
ein furcht-
barer Donnerschlag die Luft durchzitterte. ,Der
Messias', lispelte er
dem Mädchen durch die Decken zu und wurde fast erdrückt
von den
Beinen des Judenschickseis. Bald war er fertig und
verschwand während
des Gewitters. Die Tochter erzählte nach dem Gewitter
ganz aufge-
regt vor Freude, den Fall ihrer Mutter. Diese war stolz
auf die ihrem
Haus widerfahrene Ehrung. Am anderen Tage berichtete man
die
Sache dem Rebbe, doch der meinte es sei nur ein Traum
gewesen.
Da sagte das Mädchen ,Na so Träume wollt ich jede Nacht
haben'.
Wie die Monate um waren bekam das Mädchen Zwillinge. Da
wurde
die Jüdinmutter ungehalten und schimpfte, daß der
Messias sie ge-
uzt habe. Colmar.
125. Schöne Aussicht.
Ein Mädchen beichtete, es habe dem Schatz an das
Gemächt
(Scrotum + Penis) gefühlt Der Beichtvater erklärte was
das fur
eine Sünde sei und gab als Buße und zur Reinigung der
Hand an:
,Halte die Hand eine Stunde lang in den Weihwasserkessel1.
Das gute
Mädchen ging gehorsam und hielt die Hand in den Kessel.
Eine
gute Freundin kam zur gleichen Zeit in die Kirche und
fragte was
die Maid denn da mache. Jene erzählte den Fall. Kaum
hatte sie
geendet, da sprach die hinzugekommene Freundin: ,Uh
Jesses, ja doa
,Oh Jesus, ja da
müaß ech halt 's ganz Loch mitsamt 'm Orsch in de
Kessel hanke,
muß ich halt das ganze Loch mitsamt dem Arsch in den
Kessel hängen,
ech hob 'na ja drena g'het em Orsch un em Brunzloch*.
ich habe ihn (Penis) ja darin gehabt im Arsch und
im Urmatt
126. Busswirkung.
Zum Beichtstuhl kam ein Mädchen und beichtete dem
Pfarrer es
habe sich in den Fudhaaren spielen lassen. Ganz wütend
sagte der
Pfarrer, ein Grobian: ,Na deine Buße ist, du betest so
viel Rosen-
kränze als du Fudhaare hast*. Das Mädchen ging heim und
begann
zu zählen aber immer verrechnete es sich. So bat es
seinen Schatz
ihm bei der Rechnung behilflich zu sein. ,Gut' sagte
der, .ich will
die Hälfte des Rosenkranzes beten und du die andere,
jedesmal da-
nach wollen wir ein Haar abschneiden. Das ging eine
ganze Weile
und der Bursche sah so jeden Abend sein Mädchen mit
nackter Voze
aber je weniger der Haare es wurden um so dicker wurde
dem Mäd-
chen der Bauch. So hatte die Buße gewirkt. Molsheim.
Krauss, Anthropophyteîa. 8
И4
Deutsche Bauernerzählungen.
127. Unbefriedigt.
Eine ehemalige Nonne heiratete. Wie die nun in der
Hochzeit-
nacht hoffte in allen Ehren gevögelt zu werden, da sah
sie wie der
nicht mehr allzujunge Mann ruhig sich auf die Seite
legte. So griff
die heißblütige ehemalige Nonne ihrem Mann zwischen die
Beine.
,Uh, Jesses, was isch denn diss', jammerte sie auf. Ja
was will diss
Jesus, was ist denn dies1, Ja was will das
sin, min Bippes isch's1, erklärte der
Mann. ,Diss soll e Bippes sin',
sein, mein Penis ist's', ,Das soll ein Penis sein1,
fuhr die Hunrige auf, ,diss isch jo nit emol so viel
ass am e Biwele
,das ist ja nicht einmal so viel als an einem Bübchen
vun finf Johr*. ,Oho zell', sprach entrüstet der
Mann, ,diss isch e
von fünf Jahren*. ,Oho das4, ,dies ist ein
normaler Mannswaddel'. — ,E Mannswaddel? Unserm Herr
Supérieur
Mannspenis*. — ,Ein Mannspenis ?' Unserem Herrn
Klostergeistlichen
sinner isch immer dick g'sin und het kerzegrad in d'
Höh geguckt,
seiner ist immer dick gewesen und hat kerzengrad in
die Höhe geschaut,
dinner dergeja isch schwach und matt. Lingolsheim.
deiner dagegen ist schwach und matt.
128. Ein anderlei.
Ein junger Mann verheiratete sich mit einer Person,
die im Kloster
erzogen worden war. Jedesmal wenn er sie begattete,
legte er fünf
Franken weg und als er nun nach einem Jahre das Geld
zählte zeigte
er es seiner Frau und sagte: ,Siehsch diss haw і jetzert
gespart durch
,Siehst du dieses habe ich jetzt gespart durch
diss, 'aß і g'hirote bin'1). Do sait die
jung Fräui: ,'s isch halt doch
dies, daß ich verheiratet bin*. Da sagt die junge
Frau: ,Es ist halt doch
n anderlei as wie im Kloschter. For e jedwed Tür haw
і vom Süpe-
ein anderlei als wie im Kloster. Für eine jede Tour
habe ich vom Kloster-
rieur numme e Heljele beku'.
geistlichen nur ein Heiligenbild bekommen*. (Dinsheim
im Breuschtal).
129. s' fehlt ebbis!
In einem Kloster malte die Oberin sehr geschickt
Einmal malte
sie einen nackten Mann. Wie sie das Bild fertig hatte
rief sie alle
Nonnen zusammen, damit die das Gemälde bewundern
konnten. Alle
gaben ihr Gutachten, doch einige jüngere Schwestern
murmelten unter
sich: 's fehlt ebbis (= es fehlt etwas).' Die Oberin
wurde das gewahr
und schickte alle fort, dann ließ sie den Gärtner
kommen, weil sonst
keine männliche Person vorhanden war. Sie zeigte ihm das
Bild und
i) Aus diesen Worten spricht eine seltsame
Moralanschauung.
Deutsche Bauernerzählungen.
HS
bemerkte dabei: ,D* Schweschtern han g'sait 's fehlt
ebbis, ich ka 's
Die Schwestern haben gesagt es fehlt etwas ich kann
das
Bild ohne Muschter nit mole. Welle—n—r eich as
Muschter schtelle?'
Muster nicht malen. Wollet ihr euch als Muster
stellen ?
Unter dem Siegel der Verschwiegenheit war der Gärtner
damit ein-
verstanden. Sie begann nun voll Eifer und stummer
Bewunderung
über das, was sie noch bis dato nicht gesehen hatte, das
Meisterstück
zu vollenden. Als sie fertig hatte rief sie wieder alle
Schwestern vor
das Bild zusammen. Allen gefiel das Bild nun
ausgezeichnet, in den
hinteren Reihen stießen sich die Schwestern gegenseitig
an und flüs-
terten: ,0 Jesses-la 'm Gartner siner'.
,0 Jesus dem Gärtner seiner*. Erzählt in Sentheim.
130. Die Nasse.
In Hersbach im Breuschtal kam ein Mädchen aus der
Schule und
weinte, denn die Schwester hat sie geschlagen. ,Worum
hilsch' (warum
heulst du), fragte der Vater. Da zeigte das Mädchen das
Heft in
welchem der Satz stand: ,Die Schwester hat eine große
Nasse*.
131. Teufelvertreibung.
In Mollkirch, im Breuschtal-Mageltal gelegen, wurde
vor langer
Zeit ein neuer Pfarrer angestellt. Da er bald hörte, daß
die Leute
meistenteils den Juden von Rosheim und Oberehnheim
leibeigen
waren und sich auf den Wucher der Gauner schlecht
verstanden,
predigte er und erbot sich in allen Angelegenheiten mit
gutem Rat
beizustehen. Ein herrnloses Mädchen nahm sich das zu
Herzen und
weil es sehr stark Bauchweh hatte, auch ziemlich geil
war ging es
zum Herrn Pfarrer und klagte die Schmerzen. Dem Pfarrer
ging ein
Lachen über das Gesicht und er meinte: ,Mein Kind das
war nicht
so gemeint, wie du meine Worte auffaßt, doch weil ich
ein wenig von
Arznei verstehe wollen wir mal sehen*. ,Ich glaube es
ist der Teufel
der in meinem Bauch sitzt', klagte das Mädchen. ,0
dann wollen wir
ihn schon kriegen. Ziehe dich aus im Namen alller
Heiligen'. — Das
Mädchen zog sich aus und der Pfarrer sah ein prächtiges
Mädel vor
sich, so daß der Schwanz ihm unruhig wurde. ,Wo tut es
weh'. ,Da
auf dem Bauch'. Der Pfarrer legte seine Hand unter den
Nabel. ,Ach,
das tut gut', meinte das Mädchen. ,Weißt du ich will den
Teufel mit
Weihwasser austreiben'. Er spritzte ein wenig Weihwasser
auf den
Bauch des Mädchen, es half nix. Ja der Teufel ist ein
schlauer Fuchs!
Weißt du was. Wir wollen den Teufel betrügen. Ich stecke
dir
etwas in den Bauch und dann schütten wir Weihwasser
darein. Leg
8*
ІІб
Deutsche Bauernerzählungen.
dich dort aufs Bett. Das Mädchen tat so; der Pfarrer
nicht faul hob
seine Soutane und trieb seinen Dicken dem Mädchen in die
warme
Voze. ,Ah Herr Pfarrer, oh Herr Pfarrer, ei Herr
Pfarrer', stammelte
das Mädchen ,nicht zurück, mehr vorwärts, noch mehr,
nicht zurück.
A da kommt das Weihwasser, noch mehr Weihwasser'. Pfff.
Da
mußte das Mädchen einen donnernden Furz lassen.
,Gesiegt', jubelte
der Pfarrer, .hast du gemerkt, wie der Teufel los ist'.
— Ja, am hölli-
schen Geschmäckel mit dem er zu meinem Arsch raus ist'.
■
(Molsheim.)
132. Aus christlicher Liebe.
In einem Nonnenkloster lebte eine herzlich dumme aber
schöne
junge Schwester. Der Klostergärtner hätte diese Nonne
gerne einmal
gerammelt Als die Pflaumen zeitig waren, machte diese
Schwester
mit dem Gärtner die Früchte ab. Einmal kam der Gärtner
mit einem
Korb voll Pflaumen die Leiter herab. Plötzlich ließ er
den Korb
fallen und jammerte ,Au weh mein Bauch'. ,Was habt ihr*.
— ,Ich
habe vorhin einige Pflaumensteine mitgegessen und jetzt
den schweren
Korb hinabgetragen! Ich habe einen Bruch und darin die
Steine'.
,Wo, wo?' — Er machte die Hosen auf und zeigte der
geängstigten
Schwester seinen Sack. ,Spürst du die Steine'. — Die
Schwester be-
fühlte die Hoden und jammerte: ,Läßt sich gar nichts
tuen'. — ,Au
weh, doch, aber ich kann's euch nicht zumuten'. ,Na
sagt's nur, aus
christlicher Nächstenliebe will ich's tuen'. — ,Na so
nehmt den Sack
in euere Hand, hebt gut die Steine (Hoden) und schiebt
alles zwischen
euere Schenkel. Durch den Druck und die Wärme gehen die
Kerne
auf und es fließt alles wie Brei ab'. Aus christlicher
Liebe setzte sich
die Schwester auf den Boden und tat wie gewünscht ,Ach
jetzt
kommt der Kernbrei, Herrjeh wie das viel ist Gottlob,
daß ich euch
helfen kann'. —Ja Gottlob', dankte der
Gärtner. (Molsheim.)
Beide Erzählungen dürften auf ein ziemliches Alter
zurückblicken.
133. Auskunft.
Ein Pfarrer hatte eine Köchin, die in der Kochkunst
noch nicht
durchaus = (völlig bewandert) war. Einmal kaufte der
Pfarrer lebende
Krebse und die Köchin fragte wie sie die kochen solle.
Der Pfarrer
suchte und suchte im Zimmer herum, endlich sagte er ihr:
,die müssen
lange kochen bis sie so rot aussehen', hierbei hob er
die Soutane und
zeigte ihr die Schwanzspitze. Bald nach diesem Vorfall
mußte die
Deutsche Bauernerzählungen.
II7
Köchin auch einmal weg und beauftragte den Pfarrer
Steintaler zu
quellen1). Der Pfarrer verstand sich darauf
aber keineswegs und so
fragte er: ja wann sind dann die gar und gut?' Da hob
die Köchin
ihre Röcke auf und zeigte ihm ihren Schnitt und sagte:
,Wann die
Kartoffeln den Mund aufsperren und so fläcken wie die
da, dann
sind sie gerade recht'. (Lützelhausen).
134. Gerächt,
Am Patronfest in Dinsheim war der Herr Pfarrer von
Flexburg
nicht eingeladen. Zur Rache kam er während des
Gottesdienstes.
Er ging ins Pfarrhaus und da die Köchin in der Küche
unendlich
zu tun hatte schickte sie gutmütig den durstigen Herrn
Pfarrer in
den Keller, sich ein Glas Wein zu holen. Kaum war er
unten so
schrie er die Köchin möge rasch kommen. Die lief auch
hierbei, um
zu sehen, was denn los sei, ob sich Herr Pfarrer
vielleicht weh ge-
macht habe. ,Süache de Zapfe' (sucht den Faßspund)
meinte der
Pfarrer, welcher aber den Zapfen selber aus dem Faß
gemacht und
in seine Tasche gesteckt hatte. Ängstlich suchte die
Köchin nach
dem Zapfen während der Pfarrer das Weinloch zuhielt
Nachdem die
Köchin vergebens gesucht hatte sagte der Pfarrer: ,hebt
die Kutte
auf und stellt Euch mit dem Arschloch an das Faß so will
ich nach
dem Zapfen suchen'. Kaum hatte die Köchin ihren breiten
Arsch an
das Zapfenloch gedrückt da sprang der Pfarrer zum Keller
hinaus und
in die Küche. Dort stopfte er unter den Braten so viel
Holz als
möglich und ging dann ruhig wieder, während man in der
Kirche Deo
gratias (Gott sei Dank) sang nach Flexburg.
Dinsheim ein Ort im Breuschtal. Die Geschichte soll
den Reiz
der Wahrheit haben.
135. Der Teufel im Schraubstock.
Stillvergnügt lebte ein Handwerker mit seiner Frau
auf dem
Lande. Da kamen aber schlechte Jahre und der Verdienst
ging zu-
rück, so daß es gar kein Wunder war wie die Schulden dem
Manne
1) Steintäler, damit bezeichnet man rote Kartoffeln,
die mit der Schale gekocht
werden und allgemein wegen ihres Mehlgehaltes als
vorzüglichste Kartoffel im Elsaß ge-
schätzt werden.
Das Steintal ist ein Nebental des Breuschtales und
wurde besonders durch den
Philanthropen Ob erlin weltbekannt. Oberlin brachte die
Kartoffelkultur und Obstbaum-
pflege in jenes Tal gleichsam auch die Anfange der
Industrie. Oberlin lebte bekanntlich
von 1740—1826.
ii8
Deutsche Bauernerzählungen
über die Ohren wuchsen. Traurig saß er allabendlich
vor dem Schraub-
stock und wäre froh gewesen, wenn der Teufel die
Schulden bezahlt
hätte. Kaum hatte er indessen einen solchen Wunsch
geäußert da
schwänzelte der Käschperle auch schon in der Werkstatt
auf und ab.
Unser Handwerker entsetzte sich gewaltig als er den
Teufel um sich
tanzen sah und hören mußte: ,Dü hesch mi geriaft, na
wass witt de
denn?' Endlich faßte sich der bedrängte Mann ein Herz
und klagte
dem Gottseibeiuns seine Not. ,Isch's e so ! Na ich hilf
d'r'. Do ischłs
Geld'. Wirklich, da funkelte auch schon das Gold. Dem
Handwerks-
mann wurde das Herz schwer als er nach den Bedingungen
fragte.
,Wenn de 's Gald nimmsch müasch unterschriewe, daß de
nur noch
zeh Johr läwe derfsch'. Lange besann sich der Mann aber
endlich
unterschrieb er und konnte die Schulden bezahlen. Von da
ab ging
das Handwerk prächtig und mancher Batzen kam zu
Kameraden in
den Kasten. Die zehn Jahre gingen im hui herum und eines
abends
stand der Schwarze in der Werkstatt. ,Meischter dł
Zitt isch uml
Mach dich bereit un kumm mit in d'Hell'. Da winselte der
arme
Tropf und flehte um weitere zehn Jahre, doch der Teufel
sagte: »Kon-
trakt isch Kontrakt, do bißt ke Müseken Fade ab'. Lustig
scharwenzelte
dabei der Teufel durch die Werkstätte. Unser Meister sah
wie der
Höllenfürst seinen Wadel hinter sich herschleifte. Ei da
blitzte ihm
ein Gedanke auf. Wie der Teufel eben wieder am
Schraubstock vor-
beikam schwapp's, da klemmte der Handwerker den
Teufelswadel in
den Schraubstock. ,0', schrie der Teufel, ,myn
Waddel, o myn armer
Waddell Aul O uil Loß gehn verdammter Wackes! Loß gehn!
Auil
uil O erlöse mich von allen Übeln. Kaib loß mi gehn'.—
,Nit ehnder
(= eher) aß bis de m'r noch zehn Jährel vergunsch'. —
,Na ja solisch
dyn Wille han, loß mi nur gehn'. Daraufhin wurde der
Teufel befreit
und er machte sich mit seinem arg geschundenen Schwanz
eilends
fort. Die Jahre vergingen und mit Schrecken dachte der
Handwerker
an das Ende. Am vereinbarten Jahrestag ging er, auf —
daß der Teufel
ihn nicht finden solle, hinaus auf den Kartoffelacker
und häufelte mit
seiner Frau die schön stehenden Kartoffeln. Als das
Vesperbrot ein-
genommen wurde, sah der Mann plötzlich vom Tal herauf
eine selt-
same Gestalt kommen. Unserem Handwerker, welcher
schärfer zusah,
wollte plötzlich alles Blut in den Adern stocken. ,Gott,
alle Heiligen
im Himmel! Fräui do unte kummt d'r Deifel für mich ze
hole'. —
Die Frau sah den Bösen mit eiligen Schritten
daherkommen. ,Ich
bin verlöreI Diesmol isch alles üs mijni Hab güat
Fräui', jammerte
der Mann. ,Kenn Angscht', erklärte nach kurzer
Überlegung die Frau.
Deutsche Bauernerzählungen.
HC
,D'r Deifel isch noch nit do; ar müaß z'erscht noch
durch's Wäldel.
Dü Mann gehsch her und stelisch mi uff Kopf und Hand und
sorijsch
(sorgst) aß і d'Bai d'Schankel un de Büch (Bauch) ganz
blutt (unver-
hüllt) aneheb (hinheb). Dü awer verschteckelsch di
hinter mich*. So
wurde es auch getan, Die auf den Händen stehende Frau
knickte die
Knie ein und erwartete den Teufel. Der kam, trat näher
stutzte
und hielt an. Mit stets lauterem Herzklopfen näherte
sich der Teufel
der sonderlichen Gestalt, die plötzlich mit den
Gliedmaßen wackelte
und die Schenkel öffnete. Da ließ der Teufel vor Angst
einen Furz
und mit dem Ausruf: ,Nä, nä! In de Schrubstock will і
nimm', kaufte
der Teufel Pech (lief davon). Erzählt in Still im
Breuschtal.
136. Kohlenbrenner.
Zu Ostern war das Wetter sehr schlecht. Die Frau
eines Kohlen-
brenner (Köhler) war krank und konnte den stundenlangen
Weg zur
Kirche nicht unternehmen. Der Dorfpfarrer hatte die
österliche Beicht
zu hören und er fand keine Zeit, hinauf in's Gebirge zu
wandern. Nach
langem Beraten zwischen Köhler und seiner Frau wurde man
einig,
die Frau möge ihrem Manne beichten in der guten Meinung
er sei
ein Pfarrer. Man unternahm sofort das Werk. Der Mann
holte sich
einen Stuhl zog ein weißes Hemd an und war dann wie die
Frau
sehr demütig. Die Frau beichtete alle ihre Sünden.
Zuletzt stockte
sie wegen einer schweren Sünde. Der Mann redete ihr zu:
»Bedank,
»Bedenke,
aß alli Sinda im Himmel drowa Verzäihung finda'. Da
gestand die
daß alle Sünden droben Verzeihung finden*.
Frau, daß der rothaarige Sohn, welcher ein Jahr alt
war, nicht von dem
Ehemann, sondern vom rothaarigen Förster drüben sei, den
der Mann
auch längst in Verdacht gehabt hatte. Wütend fuhr der
Mann auf:
,Du verdammti Hürl D' Axt dhat і hole for dir de
Schaddel ze
,Du verdammte Hurel Die Axt täte ich holen für dir
den Schädel zu
schpalde, wann i nit an Gottsstatt do sitze dhat, for
dich Bicht ze
spalten, wenn ich nicht an Gottes Stelle da sitzen
würde, für dich Beicht zu
(Erzählt im Vogesengebiet des Ober-Elsaß).
137. Keine Chancen I
In der Normandie1) lebten zwei Nachbarn,
der eine ein Kohlen-
brenner der andere ein Fischer. Der Fischer hatte eine
junge schön-
1) Die Verlegung des Vorganges in die Normadie dient
häufig wohl nur dazu, um
ein Dorfereignis zu verhüllen. Ausgeschlossen ist
indessen nicht, daß die Schnurre von
französischen troupiers nach dem Elsaß gebracht ist
worden.
120
Deutsche Bauernerzählungen.
gestaltete Frau, während dem Kohlenbrenner ein
häßliches Weib zu
eigen war. Der Fischer ging tagelang aufs Meer, der
Kohlenbrenner
wochenlang in den Wald. Als eines abends der Fischer
heimkam
erzählte die Frau, ein reicher Engländer habe ihr iooo
Francs ange-
boten, um einmal bei ihr zu schlafen. Sie habe jedoch
die Treue
nicht gebrochen und darum abgelehnt. Als die Frau vom
Kohlen-
brenner das hörte, sagte sie zu ihrem Manne: ,Solche
Chancen habe
ich nie. Der Kaminfeger gibt mir jedesmal nur ю Sous (=
40 Pfennig)'.
138. Radikalmittel.
Wenn einer seine Frau gern los hat, so schlage er ihr
nachts
einen dünnen Nagel ins Hirn. Demo riebtV era 's Loch met
Ziajelmehl
Darnach reibt er ihr das Loch mit Ziegelmehl
in un sait se esch on d'r ruta Ruahr g'schtorwe.
ein und sagt sie ist an der roten Ruhr gestorben.
Erzählt von dem Ziegler Sonntag im Dorfe Still als
eine ,alte
Arznei'. Merkwürdig ist auch die Drohung mit der man
unartige
Kinder einzuschüchtern versucht Bisch still sunscht
kummt d'r Mann
Bist du still sonst kommt der Mann
un schlaat d'r e Naauel in de Kopf (ins Hirn) usw.
und schlägt dir einen Nagel in den Kopf (in das Hirn)
usw.
139- Respektable Grösse.
Der kleine Erhart Schneider hatte eine so geringe
Körpergröße,
daß der Mann nicht die Beine auf den Boden steilen
konnte, selbst
wenn er auf dem kleinsten Schemel saß. Dabei war der
Schneider
am stärksten montiert im ganzen Breuschtal. Sin Wodel
esch a so
Sein Wadel ist so
lang, aß ar d' Hiahner vum Meschthüffa scheicha ka,
wann V uff d'r
lang, daß er die Hühner von dem Misthaufen scheuchen
kann, wenn er auf der
Hüsdheer schteht'.
Haustüre steht4. (Haslach).
140. Meinsch feng's?
Meinst du, findest du es?
Zwei Verliebte von Haslach gingen dem Wald am
Rabenfelsen
zu spazieren. Unterwegs stellte sich der Knabe *)
seitwärts, um seine
kleine Not zu verrichten. Das Mädchen sah dem Vorgang
zu, ohne
an etwas Schlimmes zu denken. Als man weiter ging kam
die Rede
auch auf den Unterschied zwischen Mädchen und Knaben und
auf
1) Knabe heißt in vielen Gegenden jeder
unverheiratete Bursche mag er auch vierzig
Jahre sein.
t
Deutsche Bauernerzählungen. 121
das sonderliche Ding, was die Knaben aus den Hosen
holen müssen.
Das Mädchen wollte bald nicht mehr weiter sprechen, denn
der Knabe
war hitzig; es äußerte: ,Nä, diner esch veel za grüß fer
en mich*. Sie
,Nein, deiner ist viel zu groß für in mich*.
gingen ein Plätzel (= Stück weges) weiter und der
Knabe fand ein
Stück morschen Holzes. Das hob er auf, ohne daß das
Mädchen
groß acht gab. Unterwegs sagte der Knabe: ,Na weisch
was, ech
,Na, weißt du was, ich
brech a Steckel dervun a, losch mi nu'. — Ja', sagte
das Mädchen.
breche ein Stückchen davon ab, läßt du mich nun'.
Er nahm das morsche Holz brach ein Stück ab und indem
er tat als
ob er's aus den Hosen holte, warf er es weit fort. Nun
bogen sie
in den Wald und hockten sich unter Gestrüpp. Der Knabe
legte
seinen Kittel ab und darauf legte sich das Mädchen.
Wie's nun beim
Liebesakt so am besten war, sagte das Mädchen: ,S' esch
doch schad
,Es ist doch schade
fer des Steck wü d' abgabroche heschl Meinsch feng's
nemm?'
für das Stück wo du abgebrochen hastl Meinst du,
findest du es nimmer?
141. Arbeitwillig.
Zwei Schwestern aus Dinsheim fuhren von Straßburg
heim. Eine
Dame, die mit ihnen fuhr, meinte: ,Könnt ihr mir keine
nourrice nam-
haft machen aus euerem Dorf oder der Umgegend? Ich
bezahle
monatlich 200 Franken, gebe gute Kost und gute
Behandlung, sonst
ist nichts zu tun'. Eine Weile besann sich das eine der
nicht eben
klugen Mädel, dann sagte die eine Schwester zur anderen:
,Gehsch dü?
,Gehst du ?
Gesch dü? Wann dü net gehsch ze geh ech'.
Gehst du? Wenn du nicht gehst so gehe ich*.
142. Auskunft.
Der Lehrer von Grendelbruch traf nach der Schule
mittags am
Wald einen Knaben. ,Was machst du1, fragte
leutselig der Lehrer.
.Herr Schüalmeischter der Seppel schißt do in d'r Heck
un ech eß
,Herr Schulmeister, der Josef scheißt da in der Hecke
und ich esse
Brut darzüa'.
Brot dazu*.
143. D'r Klaan frisst d'Mamme.
Der kleine frißt die Mutter.
E Fräui, wü e klaan Kind het g'het, het dem Klaane
[d'Bruscht
Eine Frau, welche e kleines Kind hat gehabt, hat dem
kleinen die Brust
gen un wil 's Kind Hunger g'het het ze schluzzt's nit
schlecht an de
gegeben und weil das Kind Hunger gehabt hat so
schluzt es nicht schlecht an den
122
Deutsche Bauernerzählungen.
Düttle. Diess g'siecht d'r Edward, wü Briaderle g'sin
isch züa dem
Brüsten. Dies sieht der Eduard, wo Brüderchen gewesen
ist zu dem
Kind un wil d'r Edwärel e Kneckes von ebbene sechs
Johr isch un
Kind und weil der Eduard ein Knabe von etwa sechs
Jahren ist und
schun n' bissei Verschtand het, ze lauft d'r Edwärel
züam Babbe un
schon ein bischen Verstand hat, so läuft der Eduard
zum Vater und
brialt: ,Babbe schnell kumm züa d'r Mammel D'r klaan
frißt d'Mamme*.
brüllt: , Vater, schnell komm zu der Mutter 1 Der
kleine frißt die Mutter*.
144. D'r Kinjelesvadderl
Der Kaninchenvater.
Ze Heljebarri het sich s' Üschenie wia 's e Maidel
vun fuffzeh Johr
Zu Heiligenberg hat sich das Eugenie wie es ein Mädel
von fünfzehn Jahren
isch g'sin gern vu de Büawe a' d' Seich griffe lohn,
ewe so het's gern
ist gewesen gern von den Buben an die Vagina greifen
lassen, eben so hat es gern
in de Büwe am Brünzer g'schpealt bis aß 'r stiff isch
worn. Am e
in den Buben am Penis gespielt bis daß er steif ist
geworden. An einem
scheene Döij säät d'r Alfunsel: ,Kumm Üschenie m'r
schpeale weder
schönen Tag sagt der Alfonsel: ,Komm Eugenie, wir
spielen wieder
a bissei'. — Ja', säät 's Üschenie, ,kumm m'r gehn in
de Schtall un
ein bischen' — Ja1, sagt das Eugenie,
,komm wir gehen in den Stall und
d'rno schpeale m'r Kinjele. Bref, se han 's o so
g'macht. Im Schtall
dann spielen wir Kaninchen. Kurz, sie haben es auch
so gemacht. Im Stall
säät 's Üschenie: ,ech bin 's Kinjel un dü d'r
Rammler 1 Allez jetzt
sagt das Eugenie: ,ich bin das Kaninchen und du der
Rammler 1 Allez jetzt
schmeck m'r on den Orsch un lull d'ran'. Afin d'r
Alfunsel macht's.
rieche mir an den Ärsch und leck daran'. Enfin der
Alfons macht es.
's Üschenie hebt d' Kutt uff un hebt 'm de brät Orsch
anne. D'r
Das Eugenie hebt die Röcke auf und hebt ihm den
breiten Arsch hin. Der
Alfunsel lullt 'm Üschenie dran, doch uff emol loßt
's Üschenie e
Alfonsel leckte dem Eugenie daran, doch auf einmal
läßt das Eugenie einen
Scheiß un direkt 'm Alfunsel e 's Müül. ,Uh', jomert
d'zeller, ,ech
Crepitus und direkt dem Alfonsel in das Maul. ,0і,
jammert dieser, ,ich
mechtigt doch kenn véritaveler Rammler sen'. Ja 's
g'hert derzüa',
möchte doch kein wirklicher Kaninchenbock sein*. ,Ja
das gehört dazu,
meint 's Üschenie un säät jetzt müasch mi au
rammeln'. ,Nä', brialt
meinte das Eugenie und sagt: jetzt mußt du mich auch
berammeln1. ,Nein4, brüllt
do d'r Alfunsel ,diss mach i nit Sunsch git 's
Kinjele un i wuer
da der Alfonsel ,das mache ich nit. Sonst gibt's
Kaninchen und ich werde
Kinjelesvadder'.
Kaninchenvater'. (Still im Breuschtal).
145. Andächtige Betrachtung.
Der Pfarrer hatte gepredigt über Sursum corda =
Aufwärts die
Herzen. ,AUes was zur Ehre Gottes ist geht aufwärts.
Schaut die
Dome und Kirchen. Schaut selbst die Hühner wann sie
getrunken
Deutsche Bauernerzählungen. 123
haben, heben sie aufwärts dankbar ihr Haupt. Schaut
die schönen
Berge, schaut die stolzen Tannen. Schauet die Kerzen.
Alles was
aufwärts steht müßt ihr dankbar betrachten*. Abends ging
ein Bursch
mit seinem Schatz spazieren ,hast du gehört was der
Pfarrer gesagt
hat'. — Ja', sait 's Klementinel. ,Also müasch au mine
Waddel an-
,Jal, sagt das ,Also mußt du auch meinen
Penis an-
dachtig betrachte'. — Ja, awer numme wann 'r steht'.
dächtig betrachten*. — Ja aber nur wenn er steht*.
Urmatt.
146. Diebsicher.
Ein Voyageur (gemeint ist hier ein Geschäftreisender)
ging in
ein öffentliches Haus. Nicht lange zuvor war ihm bei
solch einem
Besuche seine Uhr gestohlen worden. Um gesichert zu
sein, bat er
die Dirne bei dem Zusammenliegen: ,Halt mir den
Zeigefinger deiner
rechten Hand in mein Arschloch und mit der linken Hand
meinen
Sack' (Hodensack). Die Dirne tat's und es wurde ihm
nichts gestohlen.
Lützelhausen.
147. Neue Mode.
Ein Voyageur kam in ein Hurenhaus. ,Ich bezahl dir
eine Flasche
Wein, wenn du mir was neues zeigsf, sagte er der ihm
gefallenden
Hure. ,So willst du keinen Vozenfick?' — ,Nein, auch
keinen Arch-
fick'. — ,Nun dann einen Mundfick?— ,Den will ich auch
nicht denn
es ist zu bekannt'. .Dann fick zwischen meinen Dütteln'
— ,Ach
meiner steht ja nicht', klagte der Voyageur. .Steht er
nicht so wollen
wir ihn schon stehen machen'. — ,Wenn du das ohne Hand
und Fuß
fertig bringst bekommst du den Lohn'. — Da nahm die Hure
den
Schwanz und steckte ihr Düttelzäpflein (Brustwarze)
zwischen die Vor-
haut und fuhr langsam mit dem Düttelzäpflein um den
Vorderteil
des Schwanzes unter der Haut herum. Und noch nie hatte
der
Voyageur eine größere Lust empfunden als
so. Lützelhausen.
Lützelhausen ist ein Fabrikdorf im Breuschtal. Die
Erzählung
dient nur dazu, um eine perverse Art des
Geschlechtgenusses zu
schildern.
148. Reingefallen.
In einem Hurenhaus sagte ein ausgespitzter Kopf (=
Schlau-
berger) ,Mädel kannsch mV s auf alle Art machen?' —
Jawohl jeder
Wunsch wird erfüllt wenn drei Mark bezahlt werden'. ,Das
kann і
küm glauwe'. ,Doch du darfst sicher sein! Ich bin auf
jede Manier
124
Deutsche Bauernerzählungen.
und in jeder Position bewandert'. ,Na ich will sehen
wenn ich meinen
Stepp (coitus) fertig habe'. Wie er nun fertig war sagte
er: ,Sie
müssen mir Kredit geben für noch einen Stepp', und
wirklich, die Hure
Ein Jude aus Mutzig hatte sich in Straßburg zu lang
aufgehalten
und versäumte den letzten Zug. Trübselig ging er in die
Stadt denn
von io Uhr ab bis am anderen Morgen um 5 Uhr fuhr
die Eisenbahn
nicht. Der Jude hatte nur noch eine Mark. Mißmutig
dachte er,
vielleicht kannst du für das Geld in einem Hurenhaus
übernachten.
Er ging in die Fischergasse. Eine Hure hätte gern noch
was ver-
dient. ,Ich hab nur noch eine Mark'. ,Na steckst 'n eben
für eine
Mark hinein'. Die Hure legte sich und der Jude begann zu
vögeln.
Plötzlich als der Jude kurz vorm schönsten Moment war,
prang die
Hure auf so daß der Jude purzelte. ,So jetzt hast d' für
eine Mark'.
— ,0 laß mich weiter ich bring dir d' Rest
s'nächstemal'. — ,Drei
Mark und d'r Anfang vom Ficken sind mir lieber als dein
schmieriger
Rest. B'halt den in deinem Sack'. Mutzig.
Zu einem Schneidergesellen, der sich auf der Walze
befand, ge-
sellte sich ein Mädchen, das auch in die Fremde ging.
Nach allerlei
Erzählungen meinte das ziemlich vollblütige Mädchen:
,Ich möchte
nur wissen, wie ich das machen soll; meine Mutter sagte
mir ich soll
nur gut acht geben, daß ich meine Jungfrauschaft nicht
verliere!' —
,Ho, die kann ich dir annähen', sprach der Geselle.
Beide machten
sich im Straßengraben an die Arbeit. Wie sie nun fertig
hatten,
gingen sie weiter; als sie eine Strecke weit gegangen
waren, blieb das
Mädchen stehen und sagte: ,Ich weiß nicht, mich
kitzelt's so zwischen
den Schenkeln. Vielleicht hast du nicht gut genäht.
Willst du mir
sie nicht noch einmal annähen?' Sie wurden einig und er
nähte noch-
mals. Sie gingen wieder eine Strecke, da sagte das
Mädchen aber-
mals: ,Willst du mir sie nicht noch einmal ein ganz
klein wenig an-
heften?' — Jetzt erklärte der Schneidergeselle: ,Ich
habe keinen Faden
mehr'. ,Ho, das esch awer net wuhr, dann de hesch noch a
natt's
,Ho, das ist aber nicht wahr, denn du hast noch ein
nettes
hielt Wort.
Lützelhausen.
149. Den Rest ein andermal.
150. Gutes Handwerk.
Glüjala henga a d'r Nudl hanga'.
Knäuelchen hinten an der Nadel ( = Penis) hängen*.
(Erzählt in Borsch).
Deutsche Bauernerzählungen.
125
151. Lass stehen.
Ein Mann kam in Mutzig abends angetrunken heim. In
der Nacht
wurde er durstig, so stieg er auf und suchte im Zimmer
nach Wasser.
Er fand auf dem Tisch einen Topf mit Milch und wie er im
Begriffe
war davon zu trinken rief die Frau, welche wach geworden
war, aus.
,Wett sa stehn lu, as sell Reum gahn'. Mißmutig stellte
der Mann
,Willst du sie stehen lassen, es soll Rahm geben1.
den Topf hin und suchte weiter nach Wasser. Endlich
fand er den
Wasserzuber und nachdem er getrunken hatte legte er sich
wiederum
in das Bett. Gegen Morgen spürte er, vom Schlaf noch
übermannt,
wie man an seinem Schwanz herumfuhlte. Als er langsam
aufwachte
stieß die Frau ihn an und sagte: ,Allez hopp! Seh'sch
wia nett aß
,Nun hoppl Siehst du wie nett als
ar steht1/ Da gab der Mann, welcher nun
ganz wach war, zur Ant-
er steht Iі
wort: ,Luß 'na nur stehn, as sell Reum gahn*. Sprachs
und drehte
,Laß ihn nur stehen, es soll Rahm geben1.
sich auf die Seite. Mutzig.
152. Nicht beabsichtigt.
Die Bäuerin hatte eine frische (= neue) Magd
angenommen und
bald beargwöhnte die Frau den Bauern, er habe es mit der
rothaarigen
jungen und korpulenten Person. Alle Nacht stieg nämlich
der Bauer,
seitdem die Magd da war auf, verließ das Bett seiner
Frau ganz leise
und kam erst nach einer halben Stunde wieder. Der Bauer
wollte
aber nur seinen achtzehnjährigen Sohn beobachten, ob der
nicht am
Ende nachts bei der Magd liege. Der Sohn merkte wie er
beob-
achtet wurde und ebenso die Magd und bekam erst dadurch
Ideen
für auf die Magd. Die Bäuerin, die gar nicht an den Sohn
dachte,
hielt es auf die Zeit gar nicht länger aus, sie wurde
immer argwöhni-
scher und zugleich hitziger, weil der Mann so gar nichts
mehr an ihrer
Voze tat. Eines Tages hielt sie's nicht mehr aus und sie
sagte der
Magd. ,Diese Nacht komm ich zu dir, denn mein Mann
schnarcht so
arg', das sagte sie, um die Magd zu betrügen und weiter
sagte sie
zur Magd ,du gehst dann an meinem Platz in das Bett,
legst dich an
meine Stelle und, was der Bauer auch sagen mag, du
bleibst still, am
Morgen komme ich dann wieder und dann gehst du zurück in
deine
Kammer'. Die Magd war zwar verdutzt, aber weil es die
Herrin so
haben wollte war sie damit einverstanden. Kaum war der
Bauer
eingeschlafen da stieg die Bäuerin behutsam aus dem Bett
und sprang
ganz nackt zu der Kammer der Magd. Die Magd stand auf
und ging
І2б Deutsche Bauernerzählungen.
ebenfalls ganz nackt mit der Bäuerin in das Zimmer wo
der Bauer
schnarchte. Dort half die Bäuerin der Magd in's Bett.
Dann sprang
die Bäuerin in die Kammer der Magd und legte sich ins
Bett der
Magd und paßte (= wartete). Nach Mitternacht stand der
Bauer wie
gewohnt leise auf und ging nach der Schlafkammer des
Sohnes. Still
machte er auf und horchte. ,Nein er ist doch nicht bei
der Magd',
brummte der Bauer vor sich hin und verließ nach einiger
Zeit das
Zimmer um das Wasser abzuschlagen (mingere). ,Also wegen
dem
kommt allemal der Vater', sagte sich der Bauernbursch,
welcher das
Gemurmel des Vaters gehört hatte. ,Eh bien so will ich
doch sehen
wie sich's bei der Magd schläft'. Nach diesen Worten
stand er auf
und ging verstohlen nach der Kammer wo die Magd wohnte.
,Recht
hab' ich', dachte da jubelnd die Bäuerin, welche im Bett
der Magd
lag. Der Sohn tastete unter die Decken fühlte an die
Voze und
wurde von Begierde ergriffen. Er kroch in das Bett, um
sich an der
Magd zu erlustigen. Diese machte die Beine auseinander
und im
Handumkehr vögelte der Sohn, daß es eine Pracht war. Die
Bäuerin
war verwundert und wütend zugleich, daß ihr Mann so
vögeln konnte,
doch um sich nicht zu verraten hatte sie das Kopfkissen
über ihr
Gesicht gedrückt und da auch der vögelnde Sohn leise
stöhnte ahnten
die beiden nicht wie es stand. Nachdem der Sohn gevögelt
hatte
stand er schnell auf und ging zurück in seine Kammer.
,Lump dich
hab ich', sprach die Frau zu sich, jetzt mußt du mich
jeden Abend
so vögeln, wie heute'. Der Bauer hatte inzwischen wieder
sein Bett
aufgesucht. Da spürte er einen Schenkel auf seinem
Platz, denn die
Magd war eingeschlafen und streckte sich in dem großen
zweischläf-
rigen Bett. Während er den Frauenschenkel wegstieß kam
ihm die
Lust, auch wieder einmal nach langer Zeit zu vögeln. Die
Magd wachte
auf und ließ still mit sich machen wie die Bäuerin
gesagt hatte. So
ließ sie sich denn vögeln und der Bauer tat ganz
verrückt, denn er
hatte nicht geahnt, daß die Voze noch so pfrängen
(klemmen) würde.
,Für die famose Vögelei, bekommst du e Goldstücke!',
sagte der
Bauer, stand auf und machte Licht, um sofort sein
Versprechen zu
erfüllen'. Eben hatte er das Geld geholt, da ging die
Türe auf. Er-
staunt sah der Bauer wie sein Weib nackt ins Zimmer kam.
Er-
staunt sprang der Bauer ans Bett und sah die vom Vögeln
noch
ganz selige Magd. Der Bauer schimpfte, die Bäuerin
schimpfte, die
Magd schimpfte und so kam die Sache an's Licht, daß der
Bauer
größeres Unheil angerichtet hatte als er verhüten
wollte.
(Zabern).
Deutsche Bauernerzählungen.
I27
153. Geheilt.
Ein König hatte eine Tochter, sein einzig Kind. Die
Tochter
erkrankte an einem Geschwür im Halse. Alle Ärzte gaben
die Hoff-
nung auf. Der König ließ im Land bekannt machen, wer
seine Tochter
heile, der werde auch ihr Mann. Es stellten sich bereits
alle Prinzen
vor doch keiner konnte helfen. Nun meldete sich auch ein
Hofnarr.
Der erbat sich, handeln zu dürfen wie er wolle und Lust
hätte. Es
wurde ihm verstattet und er sagte alle müßten fort und
nur er allein
bei der Königstochter bleiben. Kaum war das geschehen so
zog er
sich nackt aus, steckte eine brennende Kerze ins
Arschloch und
kroch rückwärts auf allen Vieren gegen die Prinzessin.
Da mußte
die Prinzessin herzhaft laut auflachen und das Geschwür
brach auf
und die Tochter wurde gesund. Der König, welcher sich
ärgerte,
daß ein Hofnarr seine Tochter bekommen sollte, fragte
die Prinzessin:
,Mein Kind, warum hast du eigentlich gelacht; was war
denn da?' —
Ach', sagte die Prinzessin, ,um den Lichtstock und die
Kerze, welche
brannte, habe ich nicht gelacht, aber über die
Lichtputzschere, welche
darunter hing. So ein Ding sah ich meiner Lebtag nichf.
(Greßweiler im Breuschtal).
154. Gewonnen.
Ein König gab seinem Hofnarrn den Auftrag zu dem
kommenden
hohen Feste einen so gelungenen Witz zu bereiten, daß
ein Teil der
Anwesenden lachen, der andere Teil weinen müsse. Der
Narr sann
hin und her, denn einen so verzwickten Auftrag hatte er
noch niemals
erhalten. Endlich kam ihm ein Gedanke. Im Speisesaal
wurde die
Tafel in Hufform (= Hufeisenform) also gedeckt, daß die
Damen
außen herum und die Herren an der inneren Seite saßen.
Nun ließ sich der Hofnarr ein Kleid machen an dem der
hintere
Teil der Hose völlig fehlte. Bei der Bedienung trat
unauffällig der
Hofnarr ein. Er machte nach der einen Seite der Damen
seine toll-
sten Gesichtverzerrungen und Körperverbeugungen, so daß
die Damen
dieser Tischseite vor Lachen fast erstickten. Die Damen
der anderen
Tischseite sahen den blanken Hintern und noch Allerlei.
Schamhaft
beugten sich alle diese Damen über ihre Teller und waren
wütend
über diese Geschichte, so daß sie vor Wut zu weinen
anfingen. So
hatte der Narr gewonnen. (Greßweiler).
128
Deutsche Bauernerzählungen.
155. Vom Hofgärtner.
Eine junge Königtochter sah verstohlen zu wie der
Gärtner im
Schloßgarten auf das Land brunzte. ,Ach', rief sie voll
Freude hinzu-
springend ,aus dem Röhrchen will ich auch spritzen'. —
,Prinzessin
das geht nicht', meinte der Gärtner, welcher schnell
sein Ding in die
Hosen stecken wollte, ,Es wird schon gehen', sagte die
Königtochter,
welche das Röhrchen packte und hin und her zerrte, wie
sehr sich
auch der Gärtner sträubte. ,Siehst du es tropfet schon',
jubelte die
Prinzessin, auf einmal; doch da sah der Gärtner Hofleute
kommen
sprang fort und ließ die Prinzessin weinend stehen.
156. Erkannt.
Zwei Mädchen aus der Schweiz hatten an einem Abend
Buben-
begleitung und wurden von den Buben auch ihrer
Bedürfnisse be-
friedigt. Am anderen Tag trafen sie sich wieder und
erzählten sich
die Erlebnisse. Die eine sagte: ,Mein Begleiter hat mich
famos bedient;
so etwas nähme ich alltäglich zudem war er ein hübscher
Kerl', —
Die andere meinte: ,M Säckle nuch muaß miner a Simmtaler
g'wan
,Dem Hodensäckchen nach muß meiner ein Simmtaler
gewesen
sen'. Aus Simmental kommen bekanntlich sehr
sprungfähige Zucht-
sein1.
stiere). Die Schnurre erzählt man sich westlich von
Mülhausen im
Oberelsaß in der Gegend von Sentheim.
157. Alles umsonst.
Zwei gute Freunde trafen sich nach langer Zeit. ,Na,
wie kommst
du mir vor; was hast du für einen Kummer', fragte der
eine seinen
Kameraden. ,Ach', erklärte der, ,du kannst mir ja doch
nicht helfen,
wenn ich dir's auch klage'. — ,Na sag's nur, vielleicht
weiß ich doch
Rat'. — ,Gut, du sollst es wissen. Meine Frau ist mit
mir nicht zu-
frieden. Keine Fickerei genügt ihr und jeden Tag soll
ich etwas neues
aufweisen, um sie zu befriedigen. Ich hab's schon auf
alle mögliche
Weisen gemacht, Sie bringt mich um'. — ,Mache doch den
eng-
lischen Box'. — Ja, wie ist denn das?' — ,Du streust
Erbsen ins
Zimmer soviel als möglich. Deine Frau muß sich ganz
nackt austuen
und auf Hände und Füße niederlassen. Du stellst dann
unter die
Hände, unter die Knie, unter die Zehen deiner Frau je
einen Teller.
Dann gehst du von hinten an deine Frau. Bei jedem Stoß
rutscht
sie durch's Zimmer und wird geil4. — ,Ach
nein! Ich hab das auch
Deutsche Bauernerzahlungen.
I29
schon gemacht'. — Ja hats ihr denn keinen Effekt
gemacht?' — ,Gar
keinen! Nur die Kinder haben sich beim Zuschauen ein
wenig amüsiert'.
(Sentheim).
158. Wie's die Fuhrleute machen.
Wann einer a Magd'l züam ficke ka han, net lang arum
g'macht
Wenn einer ein Mägdlein zum ficken kann haben, nicht
lang herum gemacht
D' Hossa a no, 's Hamd e d' Heh, d' Kutte gelüpft,
druff un a nin,
Die Hosen hinab das Hemd in die Höhe, die Weiberkutte
gelüpft, darauf und hinein
a paar mul hin un har, arüß, a bessel abg'schettelt,
e d' Hossa met
ein paar mal hin und her, heraus, ein bissei
abgeschüttelt, in die Hosen mit
159. Was hat da Herr g'wellt?
Was hat der Herr gewollt?
S'Leni isch e süfer Serwierbibbele z'Milhüse. Die
letscht isch 's
Die Lene ist ein sauberes Senrierpüppchen zu
Mülhausen. Letzthin ist es
emol heim uf Gawiller züe syni Litt fir a bitzi ze
verschnüfe. S'Kathri
einmal heim nach Gebweiler zu seinen Leuten um ein
bißchen zu verschnaufen. Die Katharina
isch e Kamerädel un dam hat 's Leni e Stickle
verzehlt, wo nit
ist eine Kameradin und der hat das Leni ein Stückchen
erzöhlt, welches nicht
latz isch. ,Meinsch do Kathri', macht 's Leni, ,do
z'letscht im Augscht
ohne ist. ,Meinst du da Kathri na, sagt die Lene, ,da
zuletzt im August
s' isch am e famos heiße Tag g'si, wann i mi rächt
b'sinn isch's am
es ist an einem famos heißen Tag gewesen ; wenn ich
mich recht besinne ist es an
e Zischtigmorge *) g'si. Grad haw і welle ufstehn.
Kathri dü kasch
einem Dienstagmorgen gewesen. Grade habe ich wollen
aufstehen. Kathrina das kannst
d'r danke, aß ich wage d'r Hitz z'nacht blutt im Bett
g'lage bin.
dir denken, daß ich wegen der Hitze nachts blößig im
Bett lag.
Grad will і s Hem aziege do macht ebber ganz sanft un
g'machlig
Grade will ich das Hemd anziehen da macht jemand ganz
sanft und gemächlich
d' Tiere uf. ,Lüeg do, was e scheens Goggerle', tont
do 'ne Stimme.
die Türe auf. ,Schau da, was ein schönes tönt da eine
Stimme.
S' isch e g'fitzter Voyageur g'sinn. Im erschte
Momant bin і for
Es ist ein feiner Reisender gewesen. Im ersten Moment
bin ich vor
Schracke fascht uff d'r Kopf gstande und hab 's Hern
uf 's Bett ge-
Schreck fast auf den Kopf gestanden und habe das Hemd
auf das Bett ge-
worfe. D's g'fitzt Herr lüegt mi ar sait awer nit Ich
ha ,'ne o
worfen. Der hübsche Herr schaut mich an sagt aber
nichts. Ich habe ihn
aglüegt vo owe bis unte.
auch angeschaut von oben bis unten.
,Pardon, Monsieur, was wann Se?' mein i andli.
»Verzeihung, mein Herr, was wollen Sie?4
meine ich endlich.
1) Zisch tig = Dienstag.
Kraust, Anthropophyteia. IV
Owerlander Ditsch » Oberelsässiscb.
9
Deutsche Bauernerzählungen
Ar sait nit! — Ich frog noch e Rung awer dV Mossiö
schwiegt
Er sagt nichts ! — Ich frage noch ein Mal aber der
Mossiö schweigt.
Uff emol kunnt da Voyageur, packt mi ganz zartlig und
tragt mi
Auf einmal
frei und frank uf 's Bett ,0 mi
Turteltiewele', macht ar, ,dü scheen
,0 mein Turteltäubchen', sagt er, ,du schönes
Bibberle — Bobberle, was hasch dü fürige scheeni
Dittle, was for e
Bibberle — Bobberle was hast du für schöne Tutteln,
was für einen
Näwele, was for schwarzi Krüselhoor*. Jetzt wu—n—er
diss g'sait
kleinen Nabel, was für schwarze Kraushaare'- Jetzt
wo er dieses gesagt
gha hat, stirzt der sunderlig Mensch vorne an mer uf
d'Knie, schlingt
gehabt hat, stürzt der sonderliche Mensch vorne an
mir auf die Knie, schlingt
d' Arm um minni Bai un fangt an mich ze verschmutze.
Indam aß
die Arme um meine Beine und fängt an mich zu
verküssen. Während
er mi verschmutzt, isch der Voyageur, wo wajer kä
gmeiner Mann
er mich verküßte, ist der Voyageur, der wahrlich
keingewöhnlisher Mann
g'si isch, uf emol bi mir g'lage. ,Was welle n er
Mossio', mach і ver-
gewesen ist, auf einmal bei mir gelegen. ,\Vas wollt
Ihr Mossio', mach ich ver
wundert, awer e gibt kenn Antwort un wil er so ne
vornähme Idruck
wundert, aber er gibt keine Antwort und weil er so
einen vornehmen Eindruck
gmacht het, han i nit trauie bees z'werre. Kathri!
Awer g'macht
macht hat, habe ich nicht trauen böß werden.
Kathrina! aber gemacht
hat V! Afâ g'macht hat ar, mV hat g'meint ar seig
verruckt. DV
hat erl Enfin gemacht hat er, man hal gemeint er sei
verrückt Den
blutte—n—Arsch hat ar mV g schmutzt, no hat ar mi
kitzelt, g'schittelt
nackten Hintern hat er mir geküßt, dann hat er mich
gekitzelt, geschüttelt
un zwische d'Bai glottelt Alle Kumplimante hat ar
gmacht. Gob-
und zwischen den Beinen gelottelt. Alle Komplimente
hat er gemacht. Gott-
verdäggele wie isch mV's do worre! In d' Heche blitzt
bin і wie ,ne
verdeckel wie ist mir's da geworden. In die Höhe
geblitzt bin ich wie ein
Haigumper. Kalt und warm han i biku un і ha g'meint і
seig im
Heuschreck. Kalt und warm habe ich bekommen und ich
hab gemeint ich sei im
Himmel. Ganz verdiermelt bin і g'si, wie—n—і wieder
züa mir ku
Ganz verstört bin ich gewesen, wie ich wieder zu mir
gekommen
bin. Allei bin i g'si. Der Herr isch furt g'si un hat
nit g'schnüft
Allein bin ich gewesen. ist fort gewesen und hat
nicht geschnauft
noch dare Fisik. Sithar dank i alli Düür noch, was
hat da
nach diesen Fisematenten. Seither denke ich alle Tour
fortwährend nach, was hat der
Herr eigertli g wellt?
Herr eigentlich gewollt?
160. So wie sie liegt.
Einem einfältigen Juden, der heiraten wollte, hatte
man gesagt,
seine Frau bringe einen köstlichen Schatz mit sich.
,Wühle nur
wenn du dich in der Hochzeitnacht zu ihr begibst, so wie
sie liegt,
ihr im untersten Loch herum, dann hast du den Schatz',
lautete die
Anweisung. Die Hochzeitnacht kam, da die Braut aber zu
viel
Deutsche Bauernerzählungen.
Schleckedissel (Süßigkeiten) genossen hatte, hatte
sie Bauchweh und
sie legte sich auf den Bauch herum. So wie sie liegt,
dachte der
Jude hat man mir gesagt find ich den Schatz. Also nicht
faul nimmt
der Jude ein Chandelle steckt's an und leuchtet seiner
Frau an den
Hintern. ,Nü was mächst de', fragte unwillig die junge
Memme. ,Sei
ruhwisch' (ruhig) beschwichtigte der Jude, welcher aber
immer zitternder
mit den Händen am Hintern seiner Frau herumbohrte bis
die junge
Frau in der Angst lautfurzend auffuhr und das Licht
ausging. ,Nü
denn Schatz gib doch here' kreischte endlich der Jude
als die junge
Frau trotz des Bauchwehes aus dem Bett sprang.
Die Schnurre läuft im Kreise christlicher
Landbewohner umher
und wird in Gegenwart von Israeliten erzählt, ,um die
Juden zu fuchsen'
also, um die Leute zu ärgern.
161. Kurzfutter.
Eine hitzige Jüdin, deren Mann die ganze Woche auf
dem Com-
merce (Handel) war, wohnte gegenüber einem christlichen
Bäcker.
Dieser war ein strammer junger Mann dessen nackte Arme
böse Be-
gierden bei der Jüdin weckten. Endlich hielt sie s nicht
mehr aus,
sondern sie ging zum Bäcker und klagte dem, was eine
junge Frau
doch auszustehen habe, wenn an vielen Tagen in der Woche
der Mann
nicht daheim sei. Der Bäcker nicht faul sprach: ,Euch
fehlt das Kurz-
futter' — ,Ei was ist das', fragte die Jüdin. ,Nix
anders als das', da-
mit langte der Bäcker seinen Weibertröster hervor. Den
sah auch
die Jüdin mit Wohlgefallen aber auch Erstaunen. ,Der is
ja ganz
andersch aß wie in mein Mann seiner', erklärte die
hitzige. ,Er ist
zugewachsen, während bei Eurem Mann Luft geschaffen ist;
ich kann
keine Kinder machen'. Da mußte die Jüdin natürlich mal
probieren,
und die Sache gefiel ihr famos. Weil die Jüdin aber auch
des Ver-
gleiches halber öfters mit ihrem eigenen Manne
zusammenkam, wußte
sie nicht, daß das Kind, welches sie in neun Monaten
gebar, ein
Christenkind war.
Auch diese Schnurre wird erzählt, um Juden zu
erzürnen.
162. Die grosse Nase.
Ein ziemlich alter Jude aus der Gegend von Zabern
nahm eine
dicke Jüdin zur Frau. Der Jude hatte in seiner
ledigen Zeit ziemlich
gehurt und bei der fetten Memme wollte der Bauch gar
nicht dick
werden (d. h, Zeichen der Schwangerschaft zeigen).
Den alten Juden
griff die ewige Fickerei stark an und er klagte dem
Rebbe und allen
9*
132
Deutsche Bauernerzählungen.
Leuten sein Leid, er bekäme keine Kinder. Man zuckte
die Schultern
und damit war's getan. Der Jude klagte weiter und so kam
er auch
mal zu einem katholischen Pfarrer im Gebirge. Da
jammerte er, wie
er geschlagen sei und umsonst gearbeitet habe. ,Schick
mir dein Weib1,
meinte der lustige Pfarrer ,in meinen alten Büchern habe
ich mancherlei
Rezepte'. Hilft's nix so schad's nix, dachte der Jude
und schickte
sein Weib tags darauf zu dem Gebirgspfarrer. ,Ihr kriegt
keine Kinder',
sprach er als die korpulente Jüdin kam. — ,Leider, und
doch han mir,
so wahr aß isch leb schun alles prowiert', beteuerte die
Gelragte. —
,Vielleicht kann ich helfen; zieht euch aus'. ,Awer nu,
das geht doch
nisch', meinte schamhaft die Jüdin. — /Wollt Ihr
Kinder?' — Nadirlich
von meim Mann'. ,Zieht Euch ab, damit ich seh, was
fehlt'. — Was
will die Memme machen? Sie zieht sich aus. Es fährt dem
Pfaff
heiß und warm durch alle Knochen so ein sauberes junges
Weib hat
er in seinem Waldnickeldorf noch nicht gesehen. Die
Dütteln starren
ihm entgegen und er meint daran reibend: ,Euere Dütteln
müßt Ihr
Euch reiben lassen, sonst sind sie zu hart und die Milch
kann nicht
durch. Jetzt muß ich auch in die Spalte (Vagina)
riechen'. Gesagt,
getan. Er steckte seine große Nase in die warme Spalte
und reibt
die Nase hin und her. Der Jüdin wurde immer wärmer von
dem Reiz.
,So jetzt muß ich auch von hinten her riechen, um Euch
ein Mittel
geben zu können'. Gesagt, getan. Er stellt sich hinter
die Jüdin
hebt seine Soutane auf und steckt seinen Wadel in den
Spalt. So
einen dicken Wadel hatte aber der Mann von der Jüdin
nicht mehr
und ganz hinter für sich (= verwirrt) atmete sie: ,Herr
Pfarres, isch,
das a Nos — ä grause Nos — a herrliche Nos u— a Nosen,
Nosen'.
Nachdem der Pfarrer ausgebuttert hatte, schickte er die
Memme heim
und hieß sie nachts zum Babbe zu liegen. — Und veritabel
das Mittel
half. Die Jüdin bekam einen dicken Bauch worüber der
Mann über-
glücklich wurde. Er wurde aber fast maschugge als es ein
Söhnchen
war, das zur Welt kam. Der Pfarrer mit der großen Nase
bekam
iooo Livres ausbezahlt und alljährlich ein Präsent.
Die aus dem Unterelsaß stammende Schnurre zeigt
charakteri-
stische Merkmale ihrer Herkunft. Die Kinderlosigkeit
veranlaßt das
Weib sich den Wünschen zu fügen. Das Volk hält sich
nicht lange
auf bei der minutiösen Aufzählung der Körperreize der
Jüdin, sondern
strebt in der Erzählung sofort auf das Ziel. Der Hieb
auf die
Waldnickel könnte vielleicht die Ansicht stützen, daß
die Schnurre
von den Bewohnern der Bauerndörfer in der Ebene weiter
verbreitet
wird. Denn Waldnickel und Holzhacker nennt man die
Bewohner der
Deutsche Bauernerzählungen. I33
163. Was kann mich das nutzen.
E flotter Juddebüe, wu in de Maidle e bitzi z'viel
g'opfert hat,
Ein flotter Judenbube, welcher den Madchen ein wenig
zuviel geopfert hatte,
hat no z'noh dur die Verschwandung von sinere Kraft
d' Schwindsucht
hat nach und nach durch die Verschwendung von seiner
Kraft die Schwindsucht
an d'r Hals beku, un isch andlich uf 'm Todsbett
glage.
an den Hals bekommen und ist endlich auf dem
Todesbett gelegen.
Jetz geht 's d' Schißmatte awe'1), hat er
dankt un hat afange
Jetzt geht es die Scheißmatte hinab1, hat
er gedacht und hat angefange
hiile un jommere, aß ar müeß starwe un seig doch noch
so jung.
heulen und jammern, daß er müsse sterben und sei
Awer alles Jommere hat halt nix g nutzt. D'r Rebbe wu
— ne o
Aber alles Jammern hat halt nichts genützt. Der
Rabbiner wo ihn auch
b'süecht hat, hat ne halt süeche z' tröschte un hat
g'sait.
besucht hat, hat ihn halt suchen zu trösten und hat
gesagt.
,Nu was jommersch, dank doch dra, aß de in kurzer
Zeit liegsch
,Nun, was jammerst du, denke doch daran, daß du in
kurzer Zeit liegst
in Abrahams Schoos!' — ,Nu', brielt d'r Krank, ,was
ka mich
,Nun', brüllt der Kranke, was kann mich
nutze im Abraham si Schoos? I that liewer liege in
d'r Sarah ihrer'.
nützen sein Schoos? Ich täte lieber liegen in der
Sarah ihrer4.
(Lutterbach im Oberelsaß).
164. Babbe alli zwei?
In einem evangelischen Dorfe lebte ein katholischer
Bäckerge-
selle, dem die dicken Töchter des Pastors überaus
gefielen, und,
welche er gerne einmal profitiert (= beschlafen) hätte.
Alle Ge-
legenheiten paßte er ab, um die Maidle dranzukriegen. An
einem
Sonntag läutete es zur Kirche und als es ausgeläutet
hatte ging der
Pastor zur Kirche hinüber. Da trat ihm der Bäckerknecht
entgegen
und bat man möge ihm zwei französische Zwanziglivres (—
20 Franken)
Stücke wechseln. , Warte bitz aß d' Kirch üs isch',
meinte der Pastor.
,Warte bis daß der Gottesdienst aus ist',
,1 ka nit warte, ich will uf d'r Zug'. ,Na ze gehn
nuflf züe mini
, Ich kaun nicht warten, ich will auf den
Eisenbahnzug1. Na so gehet hinauf zu meinen
Döchter und Ion 's eich schangschiere'. Schnell
sprang der Bäcker-
Töchtern und laßt es euch wechseln*.
bursch hinauf in die Wohnung des Pastors wo sich die
Mädchen
gerade noch schnell für in die Kirche fertig machten.
,Ich soll eich
Jen soll euch
1) Dieser Ausdruck bedeutet, es geht unfehlbar zu
Ende, bergab.
verkehrentlegenen Ortschaften, in denen besonders
derbe Zoten gang
und gäbe sind.
134
Deutsche Bauernerzählungen.
beide vegle'. — Uh Jemmersch nä', sprachen die
Mädchen. ,DY
beide vögeln1. — ,Uh Jesus nein*, ,Der
Babbe will's e so han*. Der Bäckerbursch war ein
sauberer Bursch
Papa will das so haben1.
und die Pastorstöchter junge hitzige Mädel. Um sich
zu vergewissern
riß die eine Schwester das Fenster auf und rief
hinunter: ,Babbe
isch 's wohr?' — ,E nadierlig', antwortete sich
herumwendend der
ist es wahr?1 — ,Ei natürlich4,
Pastor. Nochmals fragte die Tochter: ,Alli zwei?' —
,E nadierlig
wann er könne und wolle'. — ,M'r welle schun', riefen
froh beide,
schlugen das Fenster zu und hüpften mit dem Bursch ins
Bett.
Wird in der Gegend von Barr von Katholiken erzählt,
um Pro-
testanten zu ärgern.
165. Er ersauft.
S'isch im Hoimachet g'sin do han dräij Maidle üs Schtill
*)
Es ist im Heumachen (Heuernte J gewesen da haben drei
Mädchen aus Still
wyl m'r e Rummelwatter ze b'sorje hett g'hett
Watterhüffe2) ge-
weil man ein Donnerwetter (Gewitter) zu besorgen hat
gehabt Wetterhaufen ge-
mocht. Wia—n se ferrig sin g'sin und heime züa gehn
finge se de
macht Wie sie fertig sind gewesen und heim zu gehen
finden sie den
Charles unger 'me Äpfelboim schlofe. D'r Äpfelboim
steht hinger
Karl unter einem Apfelbaum schlafen. Der Apfelbaum
steht hinter
e Heck. ,D'r Kaib isch sicher widder bedüdelt', sait
's Marigel,
eioer Hecke. ,Der Kerl ist sicher wieder betrunken',
sagt das Marie,
,na ich will 'm eine stelle' Die zwei andri Maidle
sin wittersch
,na ich will ihm einen Streich spielen. Die zwei
anderen Mädchen sind weiter
gange. 'S Mariggel awer stellt sich zuam Charles
lupft d' Kutt
gegangen. Das Marie aber stellt sich dicht an den
Charles hebt die Kleider
und brunzt 'm Charles in 's G'sicht. ,0 Gott
verzieh m'r ich ver-
dem Charles in das Gesicht. ,0 Gott verzeihe mir ich
ver-
sufT, brialt do d'r Charles, wü verwacht und g'meint
hett er lait
saufe1, brüllt da der Charlel, welcher
erwacht und gemeint hat er läge
im e Fluß. 'S Mariggel isch awer heidebritsch los.
in einem Fluß. Das Marie ist aber heidebritsch (=
schnell fortgelaufen).
166. Worum hfllsch?
Warum heulst du.
E Maidel isch emol vum e Burscht g'fickt worre. Alles
isch
Ein Mädchen ist einmal von einem Burschen gefickt
worden. Alles ist
scheen g'sin awer wie d'r Burscht 's letzt Dröpfele
aschittelt do
schön gewesen, aber wie der Bursche das letzte
Tröpfchen abgeschüttelt hatte da
1) Still im Breuschtal.
2) Wetterhaufen = das Heu wird
zusammen gerecht und aufgesetzt, um gegen
Regen besser geschützt zu sein.
Deutsche Bauernerzählungen.
135
fangt 's Maidel an ze hyle. ,Müasch nitt hyle',
tröscht d'r Bursch,
fängt das Mädchen an zu heulen ,Mußt nicht heulen',
tröstet der Bursch,
,wäje dem Fick'. Do hett 's Maidel noch meh g'hyle.
,Müasch nit
,wegen dem Da hat das Mädchen noch mehr geheult.
,Mußt nicht
hyle', sait d'r Burscht noch e Düür. .1 hyl jo nit
wäje dem Fick'.
heulen', sagt der Bursch noch eine Tour. ,Ich heule
ja nicht wegen dem
— Ja worum hylsch derno?' ,Wyl de schu ferrig bisch'.
,1 hab
— Ja warum heulst du dann?' ,Weil du schon fertig
bist. Ich
allewyl g'meint 's düert e ganzi Stund'.
alleweil = immer gemeint es dauert eine ganze
Stunde'.
Haslach im Breuschtal.
167. Drucke noch e bissei.
Eine Alte führte ihre Ziege zum Bock, doch der Bock
wollte
nicht springen. Lange versuchte man den Sprung aber es
wollte
nicht gelingen. ,Na bringen Ihr's denn nit fertig',
fragte ungeduldig
die Alte den Bockhalter. ,Ei mir welle's probierń'.
Damit knöpfte
er sich vorne auf und stieß seinen steifen der Ziege in
das Loch.
Der Ziege war diese Art doch nicht so ganz genehm und
sie ließ
die Zunge aus dem Maul hängen. Da schlug die Alte
entzückt die
Hände über dem Kopf zusammen und sprach: ,Herrjeh han
Ihr awer
e langer und satter, e glatter und schöner 1
Drücke noch bissei,
noch e ganz klein bissei no heb і d' Kutt uff und derno
langt's grad
noch fir mich'.
Vergleiche hierzu Anthropophyteia Bd. III, Seite 318,
Nr. 492
Herrgott. Eine Variante zur obigen elsässischen Fassung
der
Schnurre besagt: ein dummes Mädchen ging mit der Ziege
zum
Bockhalter. Der war nicht daheim, dafür sein ältester
auf die Mäd-
chen geladener Sohn. Der Bock will nicht an die Ziege,
da sagte
der Sohn des Bockhalters, ,Es ist ein unerfahrenes
Ziegenpaar wir
müssen es ihnen zeigen 1 Komm Linel stell dich neben die
Gais
bück dich und heb die Kutte über den Arsch'. Linel macht
es so.
Da ruft der Bursche: ,Schau Bock jetzt rieh dem Linel
zuerst zwischen
die Beine machs auch so*. Linel zuckte zusammen als der
Bursche
mit seinem jungen Schnauzbart ihr zwischen die Schenkel
roch.
Jetzt Bock mußt du auch Bocken wie ich1. Da
nahm der Bursche
seinen Kloben und rannte ihn Linel zwischen die Beine,
so daß
vom Anprall Linel hinflog, ,Bock bock', schrie der
tummelnde
Bursche und Linel schrie nichts ahnend auch ,Bock bock*.
Als der
Bursche fertig war bat Linel ,drück noch e bissei, daß
es der Bock
ganz guet versteht'.
Molsheim und Mutzig im Breuschtal.
Deutsche Bauernerzählungen.
168. Jetzt geputzt.
Der alte Vögele von Mutzig hatte wieder einmal eine
junge hübsche
Magd. Lang war er hinter ihr her aber da war nicht
leicht an-
kommen.
Kurz vor dem Herbst wurden große Fässer geputzt und
Rosel
mußte tüchtig helfen. Auf Wunsch vom Vögele mußte sie
ein
großes Faß untersuchen und nahm das Faßtürchen weg, um
in das
Faß hineinzusteigen. ,Rosel schau ob noch ebbs fehlt!'
Rosel
steigt in das Faß und wie sie bis zum Nabel drin ist, da
springt
Vögele herbei, lupft Rosel die Röcke und stopfte das ihm
entgegen-
lachende Loch. Rosel hat gar nicht gebrüllt als ihr Herr
von
hinten daran gegangen war, sondern nur fest die Knochen
zusammen-
geschlossen, daß Vögele gewollt hätte die Lust würde
immer so
dauern. Von da an hat's Rosel auch außerhalb des Fasses
gehalten.
Ja es hat dem alten Vögele oft gegen seinen Willen
zugerufen:
Jetzt geputzt'. Erzählt vom alten Vögele in Mutzig
selber.
169. M. i. g.
Ein Rebbaüer in Mittelbergheim hatte ein schönes
Weib, dem
tlie Weinreisenden stets alle Anträge zum
Zusammenschlafen machten.
Die schönen Hoffnungen, welche man der Frau mit der
schönsten
weißesten Brust weit und breit gemacht hatte, fielen
bald auf guten
Boden und eines Tages, da der Mann heimkehrte, war das
Weib-
chen ausgeflogen. Nur ein Zettel lag auf dem Tisch; es
standen
darauf die Zeichen M. i. g. Rätsel über Rätsel.
Endlich folgte die
böse Lösung, die da hieß, Mann і geh uff de Strich.
Erzählt in Mittelbergheim von einem Bauernmädchen.
170- Ks — ktz — gehsch!
Bei einem Fabrikanten im Breuschtal dienten drei
Leute, ein
Valet de chambre, eine ältere Kammerjungfer und ein
dickes junges
Mädel. Der valet de chambre hätte gern seinen guignol (—
Penis)
einmal zwischen die festen Schenkel des jungen Mädels
gesteckt
aber es mußte mit Vorsicht geschehen, denn man wußte
nicht, wie
das Mädel es aufnehmen würde. Glücklicherweise erspähte
der
Valet de chambre ein Astloch in der Türe, welche nach
dem Schlaf-
zimmer des Mädchen führte. Da steckte er denn jeden Tag
seinen
<jinkel durch, wenn das Mädchen aufgestanden war. Bald
sah das
Mädchen auch den Ginkel aber es wußte sich nicht zu
erklären,
Deutsche Bauernerzàhlungen.
137
was es denn eigentlich sei. Für ein Holzwurm war die
Sache zu
dick. Das Mädchen sagte es der älteren Kammerjungfer und
letztere
hatte nach einmaliger Besichtigung herausgefunden was es
sei, doch
sagte sie nichts, weil der valet de chambre eigentlich
für sie be-
stimmt war. ,Weißt du was du machst, um dieses häßliche
Unge-
ziefer zu vertilgen? Nimm morgen eine von den
Hechtschnauzen,
welche vom heutigen Abendessen übrig bleiben. Kommt dann
das
Tier wieder durch den Spalt so öffne das Hechtmaul und
schnapp
den КегГ. Das Mädchen versprach den Rat zu befolgen.
Früh
paßte es schon an der Türe auf, so daß der Valet de
chambre vom
Mädchen gar nichts sah. ,Na ich muß doch probieren',
dachte der
Bursche, ,denn vielleicht näht das Mädel4. Er
steckte also seinen
Gesellen wieder durch das Loch. Hopla hatte das Mädchen
auch
schon das Hechtgebiß darum gepflastert. ,Au, au',
jammerte der
Bursche, ,ksch, kschl Kts, kts! Kätzel gehsch ewegl
Kätzel! Katz
au, gehsch de'. Und er zog aus Leibeskräften, bis er den
blutenden
wieder im sicheren Gewahrsam hatte. Von da ab erschien
das Tier
nicht mehr. (Erzählt in Mutzig).
Vergleiche dazu Anthropophyteia Bd. I, Seite 253, Nr.
202,
ferner Contes licencieux de l'Alsace: Nr. 56, La
gueule du brochet.
171. Er putzt sich.
Einer wurde überrascht wie er sich eben selbst
abwichste (= ona-
nierte. ,Fi donc du cochon, gibt's dann nit genua
Maidle', rief man
ihm zu. ,Sall schu' (das schon), entgegnete jener, ,aber
kains (= keines)
ka mV d'r Schlim us 'm Lieb pumpe (= aber keines kann
mir den
Schleim aus dem Leib pumpen !). (Gegend von
Schlettstadt).
172. Höher.
Gredel ist ein strammes Bauernmädchen. Als es mit der
Mutter
einmal nach Straßburg kam, waren sogar zwei Offizier in
das Mäd-
chen gleich beim Anschauen verschossen. Da es geregnet
hatte,
hob Gredel die Röcke und es kamen zwei satte Waden (=
dicke)
zum Vorschein. Alle Augenblicke, wenn man eine Straße
paßierte
hob Gredel die Röcke und die Offiziere, welche hinter
Gretel gingen,
flüsterten: ,Höherl HöherГ Endlich drehte sich Gredel's
Mutter
1) Schleim pumper nennt man in einzelnen Gegenden
Deutschlands die Onanisten.
wie ich das in meiner Soldatenzeit häufig hören konnte.
138
Deutsche Bauernerzählungen
am Paradeplatz (= Kleberplatz) um und sprach: ,Gredel
soll'sch d'
Rock üwer dV Orsch ganz in d'Höh hewe; die zwee Herre
welle
dich om Orsch lacke'. Wolxheim).
173. Du Stick Vieh!
Ein Bauer träumte, auf dem Kleeacker bei der Arbeit
zu sein.
Darüber kam ihn harte Not an und da er seinen Klee nicht
ver-
drecken wollte eilte er an den im Nachbarstück stehenden
Baum,
riß die Hosen runter und schmetterte einen Fladen Numero
Pfiff
auf den Boden. Endlich wie er mit Genuß fertig war will
er sich
auch säubern und beginnt kräftig Gras abzurupfen. Aber
was war
denn das. Jählings fährt unser Bäuerlein aus dem Schlafe
auf und
hält sich seine schmerzend brennende Wange an die es
eben ge-
klatscht hatte. ,Du taub Stickel Vieh', hört da der zu
sich kommende
Bauer sein Weib neben ihm im Bett poltern, ,bruchsch mV
au noch
*
d'Hoor volls (= vollends) vum Lieb (= Leib) ze
ropfe*.
Mutzig.
174. Merci, ich will 'ne doch glich nähme!
E Maidel üss 'me bedüechte Büerehoft het vun de Knecht
Ein Mädchen aus einem reichen Bauernhof hat von den
Knechten
allerderhand verzähle höre un isch allgemach so
gereizt worre, daß
allerhand erzählen hören und ist allgemach so gereizt
worden, daß
es sich emol mit eme Knackwurst selwer agewichst het.
Bim
einmal mit einer Knackwurst selber abgewichst (=
onaniert) hat. Beim
beschte arweite, wü 's Maidel d' Schankel z'samme
druckt het, isch
besten arbeiten, wo das Mädchen die Schenkel zusammen
gedrückt, hat ist
d'r Wurscht gebroche. S'Maidel het luck gelon und 's
hetSchmarze
die Wurst gebrochen. Das Mädchen hat locker (= los)
gelassen und es hat Schmerzen
bekumme. Wyl 's d'r Wurscht nit selwer russbringt het
's d'r
bekommen. Weil es die Wurst nicht selber herausbringt
hat es der
Mamme gekläuyt. ,Viehmässi Ding', sait d' Mamme,
,diss müas
Mama geklagt. ,Viehmäßiges Ding1, sagt die
Mama, ,dies muß
mV 'm DoktV geh sage'. DV DoktV kummt. 'S Maidel
müass si
man dem Doktor gehn sagen1. Der Doktor
kommt. Das Mädchen muß sich
blutt üsstien un isch fir d' nähere Untersuchung uf
dV Disch direkt
nackt austuen und ist für die nähere Untersuchung auf
den Tisch direkt
an 's Fenschter in d' Heiterkeit gelait worre. DV
DoktV het iwer
an das Fenster in die Taghelligkeit gelegt worden.
Der Dokter hat über
dene halwe Wurscht iwerlütt lache mian; mit dV flach
Hand het V
die halbe Wurst überlaut lachen müssen; mit der
flachen Hand hat er
Deutsche Bauernerzählungen.
139
'm Maidel uf de Büch g'schläuie. Do ischt d'r Wurscht
direkt züam
dem Mädchen auf den Bauch geschlagen. Da ist die
Wurst direkt zum
offene Fanschter nüss. Fir 'm Fanschter druss het e
Orjelmann
offenen Fenster hinaus. Vor dem Fenster draußen hat
ein Orgelmann
grad eins g'spielt. D'r Wurscht feilt 'm direkt uf de
Orjelkaschte
gerade eins gespielt. Die Wurst fallt ihm gerade auf
den Orgelkasten
un d'r Orjelmann sait: ,merçi, merci, ich will
ne doch glych nähme
und der Orgelmann sagt: ,Danke, danke, ich will ihn
(= die Wurst) doch gleich nehmen
wyl 'r noch warm isch'.
(hier gleich essen) weil er noch warm ist'. Erzählt in
Brumath.
175. Hainichen ziehen.
Zwei Maidle vo Thann sin die letscht gange am e Suntig e
Zwei Mädchen von Thann sind die letzt gegangen an
einem Sonntag eine
Kamerädel b'suache. Se han awer wü se anne ku sin
numme der
Kameradin besuchen. Sie haben aber wo («= als) sie
angekommen sind nur den
Brüader atroffe. Wü se danne g'sahn han, han se 'ne
begrießt un
Bruder angetroffen. Wie sie diesen gesehen haben,
haben sie ihn begrüßt und
glich g'lachelt. ,Brüche kei Angscht z' ha', sait d'r
Burscht. Do
gleich gelächelt. ,Brauchet keine Äugst zu haben*,
sagt der Bursche. Da
druff han 'd Maidle ganz Verlage umenander g'schoit.
Afä se han
darnach haben die Mädchen ganz verlegen umeinander
geschaut. Eutin sie haben
afange ze babble vo allerlei und sin andli wie mV
danke ka uff 's
atigefangen zu schwatzen von alleilei und sind
endlich wie man denken kann auf das
ficke ku. Jetz die Fraid! In de Maidle isch 's Wasser
im Mül
ficken gekommen. Jetzt die Freude 1 Den Mädchen ist
das Wasser im Maul
fascht zamme g'läuife, un 's Mül han se gspitzt wie
ne Küeh uf e
fast zusammengelaufen, und das Maul haben sie
gespitzt wie eine Kuh auf eine
Ardbeere. Afä d' Maidle sin schlackrig worre. S'
Mariki hat 's
Erdbeere. Enfin die Mädchen sind schleckrig geworden.
Das Mariechen hat es
vor Sahnsucht nimm kenne üshalte, in alle Gleich hat
's as kitzelt.
vor Sehnsucht nicht mehr können aushalten, in allen
Gelenken hat es es gekitzelt.
S' Ammereile, 's Kamerädle isch awer o keins vo dane,
wu d' Unter
Das Annemarie, das Kamerädchen ist aber auch keines
von, denen welche die Unter-
hosse mit d'r Bißzange alegt. ,Zeig uns e mol dyn
Groschewurscht,
hosen mit der Beißzange anlegen. »Zeig uns ein mal
deine Groschenwurst (Penis),
wu de im Hosselade hesch', meint andli 's Mariki. ,Sä
do isch 'r
welche du im Hosensack hast1, meint
endlich das Mariechen. ,Da hier ist er
Gottverdammi' und uff emol lüagt a kleiner
Wallebengel 'm Seppi
Gottverdamme mich und auf einmal schaut ein kleiner
Wellenbengel dem Josef
üss de Hosse. Beidi Maidle han das Dings hert aglüegt
un sin
aus den Hosen. Beide Mädchen haben das Dings starr
angeschaut und sind
ganz hitzi worre. ,Zaig', macht 's Mariki, ,dü
Nundebuckel kasch
ganz hitzig geworden. ,Zeige\ sagt das Mariecheu,
,du Kerl kannst
e mol e Fick mache'. — Jo dü Dollweck thatsch allewag
nit d'
einmal einen Fick machen4. — Ja du
Tollpatsch tätest alleweg nicht die
I^o Deutsche Bauernerzählungen.
Kurasćh han*. — ,Ićh glaub's bi Gott nit, zaig
liieg do'. — Do druf
Courage haben4. ,Ich glaub's bei Gott
nicht, zeig schau da*. — Da darauf
hat 's Mariki 's Bai g'lipft und dam Bursch
isch 's worre wie 'me
hat das Mariechen das Bein gelüpft und dem Burschen
ist es geworden wie einem
rammlige Rolli. ,Ebiäng', sagt d'r Bursch, ,das, wu
z'erscht an
rammellustigen Kater. ,Eh bien4, sagt der
Bursche, ,das, welches zuerst an
minere Spatz langt, das wurd z'erscht g'fickt'.
Do han die Maidle
meinen Penis greift, das wird zuerst gefielet*. Da
haben die Mädchen
awer nit welle abisse. ,Na Ammereili lang dü z'erscht
dran'. —
aber nicht wollen anbeißen. ,Na Annemariechen greile
du zuerst daran1. —
Jo dü Mariki reich dü z'erscht, dü hesch agfange mit
dam Dings4.
Ja du Mariechen greife du zuerst, du hast angefangen
mit dem Ding4.
Afä kurz und güet se han alli zwei g'fickt
welle si, awer e jedwedi
Enfin kurz und gut sie haben alle zwei getickt wollen
sein, aber eine jede
vu dane Jumpfern mecht garn noch der ander.
,Krizefürige wurum
von diesen Jumpfern möchte gerne nach der anderen.
,Kreuz feurige warum
thien 'r so lang basse', brielt d'r rammlig Bursch. Д
schamm mi
tut ihr so lang abwarten1, brüllt der
rammellustige Bursche. ,Ich schäme mich
wage wyl i gar ze langi Huur zwische de Bai ha', sagt
's Mariki.
wegen weil ich gar zu lange Haare zwischen den Beinen
habe*, sagtdasMariecheD.
,Schüstammant das isch o bi mir d'r Fall', macht 's
Ammereile.
,Tustament das ist auch bei mir der Fall', sagt das
Annemariechen.
,Eh verdäggele do isch schnall g'hulfe', sagt
d'r Bursch, ,ihr ziage
,Eh vertrackt I da ist schnell geholfen1,
sagt der Bursche, ,ihr zieht
Halmle. Das, wu s' gröscht hat, derf z'erscht an mi
Kleinschter'.
Hainichen. Das, welches das größteHälmchenhat, darf
zuerst an meinen Kleinsten (= Penis).
In eim Witsch sin se handeleinig wore un se han ihre
megligs
In einem Nu sind sie handelseinig geworden und sie
haben ihr möglichstes
g'macht. Jeds vun de Maidle hat welle s'
gröscht ziage fir s'erscht
gemacht. Jedes von den Mädchen hat wollen das größte
(Hälmchen) ziehen für das erste
ze si fir sich mit dam Deckbett züezedecke. Dam
Burscht isch 's
zu sein für sich mit dem Deckbett(d.h. der Bursche)
zuzudecken. Dem Burschen ist es
wohl g'sin uf e jedweder vu dane Matratze denn
se sin guet polt-
wohl gewesen auf jeder von diesen Matratzen (Mädchen)
denn sie sind gut ge-
schtert g'si un an Hoor hat's nit g'fahlt.
polstert gewesen und an Haaren hat's nit gefehlt.
Erzählt im Oberelsaß.
Diese Erzählung spielt schon ein wenig in die Kreise
der
Fabrikarbeiter hinüber. Der Unterhaltungstoff der
Fabrikarbeiter
verdient aber ganz besonders ein eingehendes Studium,
sodaß
ihm ein besonderes Kapitel gewidmet werden muß. Das
Hälm-
chen ziehen ist übrigens eine wahre Geschichte. Beide
Mädchen
waren noch keine 15 Jahre alt, dafür aber inmitten der
Fabrikbe-
völkerung lebend schon ziemlich verdorben.
In Straßburg ist vor kurzen ein Mädchen von 15 Jahren
an
Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden
HI
Lues gestorben. Das Mädchen war eine
Prachterscheinung aber
verdorben bis in die Knochen und ins Mark. Dabei ist
Straßburg
weder Fabrik- noch Großstadt!
Wir möchten gerade bei dieser Gelegenheit anregen,
daß von
den Lesern der Anthropophyteia der Redaktion möglichst
viel be-
zügliches Material eingesendet werden möge. Genaue
Angaben des
Erzählungortes, des Erzählerkreises sind dabei wegen der
wissen-
schaftlichen Verarbeitung nötig.
Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden.
Von F. Wernert
Die Bevölkerung des Großherzogtums Baden, welche ein
im
Süden durch den Bodensee und Rhein, im Osten durch den
Schwarz-
wald, im Norden den Odenwald und Spessart, im Westen
durch den
Rheinstrom begrenztes Gebiet bewohnt, zeichnet sich
durch körper-
liche Kraft und geistige Gesundheit aus.
Im Gegensatz zu den Vogesen mit ihrem ausgeprägt
schmalen
und verkehrhemmenden Hauptkamm neigt der Schwarzwald zur
Hochflächenbildung; er leistet dem Verkehr sonach
Vorschub und
macht damit Baden zu einem straßenreichen Durchgangland.
Dichte Besiedelung ist eine unmittelbare Folge dieser
Bewohn-
barkeit. Die dichte Besiedelung ist aber nur dadurch
möglich, daß
die Industrie in Baden weit bis in die Berghöhen des
Schwarz-
waldes eine Heimstätte fand. Wir erinnern an die
Uhrenfabrikation,
die Granatschleifereien, die Gold und
Silberwarenherstellung, die
Zellstoffabriken, die Spieldosenfabrikation, die
Webereien für Baum-
wolle und Seide. Alle diese Industriebetriebe haben sich
nicht auf
wenig städtische Hauptpunkte vereint, sondern sind in
denkbar
größter Autlockerung vielfach als Hausindustrie über
weite Teile
des Landes bezw. des Gebirges ausgebreitet. All das gibt
dem
Lande ein eigenartiges Gepräge, das sich in
Lebenshaltung und
Lebensanschauung kundgibt. — Wie zäh halten z. B. die
Schwarz-
waldbewohner an ihren malerischen Trachten fest. Die
Eigenart
bekundet einen gewissen Stolz, dem man moralischen Wert
nicht
absprechen darf.
Es ist ein wetterfester Menschenschlag begabt mit
einem hohen
Grade von Tüchtigkeit fürs praktische Leben. Die
Bewohner des
142
Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden
Großherzogtumes Baden sind zum weitaus größeren Teil
katholisch,
evangelisch sind die Landschaften der früheren
Markgrafschaft Baden-
Durlach und die alten württembergischen Lande. Aus
Mittelbaden
bringen wir eine Anzahl Schnurren und kecke Erzählungen,
welche
an Ort und Stelle gehört wurden. Sie sind nicht etwa,
was aus-
drücklich betont werden möge, im Wirtshaus oder nach
fröhlichem
Trunk erzählt worden, sondern während der Arbeit zur
Belebung
des Arbeiteifers, z. B. in Gärtnereien, beim Beschneiden
der Reb-
stöcke, beim Fertigen von Strohbändern, beim Ausmachen
von
Winterrüben, bei der Reparatur von Uhren usw. usw. So
religiös
der Schwarzwälder ist und so streng die Familien, mögen
sie katho-
lischen oder evangelischen Bekenntnisses sein, an den
überlieferten
Sitten und Gebräuchen halten, ebenso ausgelassen lustig
und derb
können diese Kreise werden. Diese Sinnlichkeit,
Sinnenfreude äußert
sich zwar oft in bedenklich derben Erzählungen immerhin
ist sie
nicht zu verwechseln mit der zynischen Gemeinheit, wie
sich solche
in den Städten in den öffentlichen Häusern offenbart.
Leider beginnt das Bordell nicht nur fur die
Stadtburschen,
sondern auch für die Landburschen eine mehr und mehr
verhängnis-
volle Rolle zu spielen. An die Stelle derber
Sinnlichkeit tritt damit
die Brutalität. — Der rasch umgestaltenden Zeit muß es
vorbehalten
sein, durch Aufklärung eine Wandelung herbeizuführen.
Dem Forscher bleibt nur übrig in vorwiegend
landwirtschaft-
lichen Gebieten den derben UnterhaltungstoiT zu sammeln,
um ein
möglichst ungetrübtes Bild zu erhalten.
Die Erforschung erotischer Denkungweise der
Fabrikbevölke-
rung, sowie der Schichten städtischer Bewohner bleibt
ein besonderes
Arbeitfeld für den jeder Romantik abholden Folkloristen.
1. Lug dort am Fenschter!
Ein Bursche aus Kehl hätte sein Mädel gerne vor der
Hochzeit
genagelt. Doch das Mädchen tröstete bis nach der
Hochzeitzere-
monie in der Kirche. Endlich war der Tag gekommen. Man
hielt
einen kleinen Schmaus und darnach wollte man die
Hochzeitreise
nach Karlsruhe machen. Kaum eingestiegen in die III.
Klasse gab
der Mann dem Schaffner ein Trinkgeld um allein zu
bleiben, und da
es ein Schnellzug war konnte das Versprechen auch
gegeben werden.
,Also Else jetzt zieh dich aus!1 Else zog
sich auch schnell aus,
legte alle Unterkleider unter den Arsch und mit
steigender Hitze
sah der Mann wie schön sein Weib sei. Er fuhr leise über
die
Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden. 143
Ringellocken an deren Schneck, küßte die Tutteln,
kurz und vertrieb
sich eine Weile die Zeit mit schnurrendem Kosen. ,Herr
Gott jetzt
mein і ischt's genug sonst wird dei Thedärel alleweil
noch dicker
als er ischt', machte die Hochzeiterin, welche den stets
strammer
werdenden Spatz ihres Mannes prüfend in der Hand
musterte. Die
Mahnung fiel auf guten Boden und der Mann kniete über
Else.
Sanft begann er die haarigen Hindernisse zu räumen, dann
gings
vorsichtig vorwärts bis er mit einem festen Ruck darin
war. Rasch
begann eine Scharrarbeit, daß man gemeint hätte Else
soll auf die
Bank gehauen werden. Immer tiefer gingen die Stöße, aber
auch
die Lottelei und Schottelei begann bedenklich zu werden.
Der Zug
näherte sich Appenweier und da weiß jeder Reisende wie
die Wagen
stoßen, weil der Zug von Geleis zu Geleis hupft. Else
hielt sich
dicht an ihren Mann und drückte ihre Schenkel fest um
dessen
Hüften. Beide begannen zu stöhnen denn jetzt mußte der
Haupt-
punkt kommen. Da, ein Ruck, ein schottein und Elsa flog
links
hinunter nackt wie sie war, und der Mann lag auf der
harten Bank.
Als Else sich endlich wieder vom Schrecken und der
geilen Auf-
regung erholt hatte meinte sie: ,Was ischt jetzt mit dem
Thedärel?'
— Ja, ja', keuchte der Mann, ,lueg dert am Fenschter
hängt V. —
Traurig erhob sich da Else, um sich schnell anzuziehen,
denn justa-
ment fuhr der Zug in Appenweier ein. Am folgenden Tag
flog der
Thedärel nicht mehr ans Fenster sondern in den Bauch.
Kehl.
2. Märtyrin.
Welches sind die selbstlosen Märtyrer? Die Weibsleut.
Sie
lassen sich aufs Kreuz (Rückenkreuz) legen und dann
nageln.
Baden-Baden.
3. Sicherer Modus.
Ist's, daß ein Bauer nicht mehr sich in einem
Weibsbauch be-
haupten kann, so tue er folgendes. Laß das Mädchen oder
Weib
sich fasernackig austuen, stelle das Weib vor eine
Wagendeichsel;
binde der Person nach hinten je einen Arm mit dem
Fußgelenk
zusammen, sodaß die Frauensperson einen Ringel bildet
und an der
Deichsel hängt, reitzel die Frauensperson, hole deinen
Weibertrost
heraus und ziele nach dem Loch. Wem er dabei nicht mehr
Dienste
Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden.
leistet, der ist ein ausgehurter Knochen, und sind an
ihm nackte
Weiber und Vözlein verloren.
Erzählt vom Bauer Schütterle und einem Gärtner im
hanauischen
Ländel. (Großherzogtum Baden).
4. Er geht nicht daran.
Zwei junge Leute kamen von der Bürgerschule auf das
Gymna-
sium, dann auf die Universität. Der eine lehrte fur
katholischer
der andere für protestantischer Pfarrer zu werden. Der
katholische
kam in ein kleines nettes Landstädtchen, der
protestantische wurde
mitten aufs Land versetzt. Lange Jahre vergingen bis man
sich
endlich mal wiedersah. Der Protestant kam in das
Städtchen zur
Erledigung dienstlicher Geschäfte. Nach dem Essen
besuchte er
seinen Jugendfreund ; der war sehr froh und bewirtete
den Besucher
ganz höflich, man ging dann auch ein bischen in den
Garten, denn
dort ließ es sich besser schwatzen und außerdem waren
beide große
Blumenfreunde. ,Du hast prächtige Tulpen', begann der
Protestant.
Ja', sagte der katholische Vikar, aber laß dir auch
sagen ich habe
jede Blumenart nach unseren Heiligen genannt! Die Tulpen
heiße
ich Dorthel, die Narzissen Bärbel und so der Reihe nach
kommt
jeder Name daran'. — ,Das ist aber wirklich seltsam',
versetzte der
Protestant, der musternd den Garten durchschritt.
Endlich gelangte
man an die Gartenlaube woselbst man ein Schwarzwälder
Kirsch-
wässerle und einen Imbiß einnehmen wollte. Am Eingang
der Laube
stand ein Brennnesselbusch. ,Nun wie heißt denn dieser
dar' —
,Hm, der hat einen ganz bösen Namen'. — Ja, wie denn?' —
,Ich
kann dir das nicht gut sagen'. — ,Aber höre einmal,
warum denn
nicht?' — ,Nein du erzürnst dich sicherlich gewaltig'. —
,Oho wir
sind doch gute Freunde, da kannst du wohl gewiß darauf
zählen,
daß ich nicht böse werde'. — ,Also gut, wenn du es
durchaus wissen
willst! Die heiße ich Doktor Martin Luther!' — ,Alle
Gewitter
noch mal! dem hast du wahrhaftig den richtigen Namen
gegeben'.
— ,Du willst mich also foppen?' — ,Bewahre nein, mein
lieber katho-
lischer Freund. Mit den anderen Heiligen, also deinen
Blumen,
kannst du dir mühelos den Arsch putzen, aber mit diesem
Martin
Luther gehst du deiner Lebtag nicht daran'.
Kehl und Kork und Durlach im Großherzogtum Baden.
Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden.
145
5. Schier!
Im e Pfarrhaus isch der Plafond bei 'me starke Wind
'rabroche
und grad iwer der Keche ihrem Bett. Se hän d'r Jipser
gerieft fir
die Sach auszebessere. D'r Jipser kommt, betracht denne
Platz e
Weil und sagt hernoch: »Meinen 'ehr wann das runter
komme war,
wann's mi Bett g'läge wärel Das wird eich geranschiert
hänl' —
'So', sagt do d'Keche, 's'hät im Herr Pfarrer schier
'sKriz ein-
g'schläge'.
Kehl und Durlach im Großherzogtum Baden.
6. Spitze ihn.
Eine Hochzeiterin sah mit Entsetzen, wie zwischen den
Beinen
ihres Mannes ein steifer Knüppel herausschaute. Als gar
der Mann
mit diesem steifen Stück ihr in den Bauch stoßen wollte,
sprang die
Hochzeiterin aus dem Bett mit den Worten: De bisch wohl
verrückt
mir so an Knippel in de Leib renne ze wolle. Weisch
(weißt du)
do bin і doch ebbs andersch g'wöhnt von zu Hausl Geh
spitz dein
Knippel z'erscht un hernach redde m'r wieder mitenand.
(Kehl).
Krauss, Anthropophyteia. IV
IO
Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlechtleben beziehen.
Von Dr. Heinrich Felder.
1. Der Speck.
Bei sehr starken Weibern pflegt man zu sagen, man
könne mit
dem Schwanz (Penis) nicht durch den Speck.
Ich hörte als Knabe von einem Bauern, daß er einem
geilen
Manne seiner Bekanntschaft geraten habe, ein Stück Speck
von 4—
5 Pfund zu nehmen, ein Loch hineinzumachen und darin
seine ge-
schlechtliche Lust zu befriedigen.
2. Woher kommt es, daß die Weiber immer einen kalten
Arsch haben?
Adam soll die Eva zum erstenmal auf dem Eise
beschlafen
haben. Da Eva nun unten lag, wurde ihr Hinterteil kalt,
Adams
Hinter aber auch. Das ist so geblieben bis heute.
3- Der Haufen.
Ein Bauer kam eines Mittags nach Hause. Seine Frau,
ein
lüsternes Weib, hantierte in der Stube herum. Da reckte
sich der
Mann und gähnte. Da er dasselbe abends zu tun pflegte,
legte sich
das Weib schnell hin und erwartete, ihr Mann würde seine
ehelichen
Pflicht erfüllen wollen. Der aber hatte keine Lust. Als
er sah, daß
seine Frau die Augen geschlossen hatte, streifte er
schnell die Hosen
herab und pflanzte einen Haufen auf ihr Loch.
4. Der gerade Weg nach Langenberg.
Am Deubach war einst an einem heißen Sommertag eine
Bauern-
dirne damit beschäftigt, Heu heimzutragen. Da kam ein
junger
Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlechtleben beziehen. 147
Bursche des Wegs daher und erkundigte sich nach dem
nächsten
Wege auf Langenberg zu. Das Mädchen zeigte über die
Schulter,
hob dann das schwere Heubündel und bemühte sich, es auf
seinen
Kopf zu bringen. Dabei raffte es den kurzen Rock mit in
die Höhe
und entblößte damit ihre Fummerl. Dieser Anblick machte
den
Burschen lüstern. Er zog sein Glied heraus und schob es
sofort
an den passenden Ort. Das Mädchen schrie plötzlich laut
auf:
,Ist das der Weg nach Langenberg?'
Jawohl', erwiderte der Bursche, ,der kürzeste Weg ist
der
beste.' (Mündlich.)
5. Von der Hochzeitnacht eines Pfarrers.
In einem kleinen bergischen Landstädtchen lebt das
Gedächtnis
von einem längst verstorbenen Prediger noch ungeschwächt
fort.
Lange Jahrzehnte hat der Pfarrer treu in seiner Gemeinde
gewaltet.
Von seiner Hochzeitnacht erzählt man, daß er, als er
im Begriff
stand, das Werk der ersten Liebe tatkräftig zu beginnen,
betend
zu sich sprach:
,In Gottes Namen fahr* ich nein.
Ich denk, ich werd* der erste sein!'
Die junge Pfarrerin hatte aber den Seufzer ihes
Eheherrn ver-
nommen. Leise sprach sie für sich:
,Ich danke Dir, Herr Jesu Christ,
Daß dies der einundzwanzigste*) ist!'
(Mündlich.)
6. Die herzhafte Maid. Mettmann.
Zur Franzosenzeit, am Ausgang des 18. Jahrhunderts,
kam einer
der galanten französischen Krieger zu einem Bauer in der
Umgegend
von Mettmann ins Quartier. Des Bauern Tochter war eine
schöne,
hochgewachsene Jungfrau, welche sofort die gierigen
Blicke des
lüsternen Franzosen auf sich zog. Er verfolgte sie mit
seinen Liebes-
anträgen auf Schritt und Tritt.
Eines Tages verfolgte der Franzose das Mädchen sogar
in den
Kuhstall. Endlich drängte der geile Mensch das
geängstete Mädchen
in die dunkelste Ecke des Stalls. Schon schien sie sich
ihm preis-
geben zu wollen und der Franzmann zog blank. Aber als er
eben sein
Werk beginnen wollte, zog die kühne Maid ein scharf
geschliffenes,
*) Die Zahl lautet sehr verschieden.
10*
148 Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlechtleben beziehen.
bis dahin verborgenes Messer hervor und schnitt ihm
das, woran
er Mann hieß, glatt vom Leibe weg. Dann stürzte sie
hinaus und
teilte ihrem Vater mit fliegenden Worten das Geschehene
mit.
Dieser versteckte schnell seine Tochter in einen im Hofe
stehenden
Heuwagen und hieß einem Knecht, den schleunigst durch
das
Wuppertal über die nicht zu ferne Grenze zu bringen.
So geschah es auch.
Mittlerweile hatte man den verstümmelten Franzmann im
Stalle
gefunden, den Zusammenhang erfahren und hurtig eilte man
nach
allen Richtungen hinweg, um der Geflohenen habhaft zu
werden.
Einige der Verfolger kamen auch nach Hahnenfurth, wo sie
das
Fuhrwerk einholten, ohne zu ahnen, daß das Mädchen in
dem Heu
versteckt sei. Aber von Argwohn oder Mutwillen
getrieben, stach
einer der Franzosen mehrmal mit seinem Degen ins Heu,
doch ohne
das Mädchen zu treffen.
Einige Stunden später passierte das Fuhrwerk die
Grenze und
die herzhafte Maid war in Sicherheit. (Mündlich.)
7. Wie schön leuchtet der Morgenstern,
In einem kleinen Landstädtchen des Niederbergischen —
den
Namen wollen wir lieber verschweigen, da seine Kenntnis
niemand
frommt — amtierte vor längeren Jahren ein sehr beleibter
Pfarrherr.
Nun war ein sehr heißer Sommer ins Land gekommen und
unser
Pfarrer litt entsetzlich von der Hitze. An einem Samstag
befahl er
seiner Magd frische Rasenstücke auszustechen und damit
die Kanzel
zu belegen, damit er bei der nächsten Predigt einen
kühlen Stand
habe. Die Magd vollzog den aufgetragenen Befehl. Der
Pfarrer
aber ließ zudem alle Unterkleider weg und zog nur den
Chorrock
an, da sein Pfarrhaus dicht an der Kirche lag. Er
bestieg so die
Kanzel und begann die Vorbereitung zur Predigt. Da kroch
eine
Ameise, welche mit dem Rasen auf die Kanzel gekommen
war,
langsam an seinen nackten Beinen empor. Der Pfarrer, der
sich
auf dem Rasen recht wohl fühlte, endete schnell und ließ
dann das
Lied anstimmen: ,Wie schön leuchtet der Morgenstern.'
Diesen
Augenblick benutzte er dazu, seinen Chorrock — an die
fehlenden
Unterkleider dachte er in diesem Augenblick nicht — zu
heben und
den Störefried zu vertreiben.
Als er gerade den Allerwertesten über den Kanzelrand
brachte,
fiel die Gemeinde kräftig ein: „Wie schön leuchtet der
Morgenstern.u
(Mündlich.)
Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlechtleben beziehen, iaq
8. Fatal. Elberfeld.
Eine Dame, welche sehr gut zu Mittag gegessen hatte,
ging nach
dem Essen spazieren. Dabei entfuhr ihr ein Wind und
aufatmend
rief sie aus: ,Ach Gott, war das eine Erfrischung l'
Nach einiger Zeit wiederholte sich der Vorgang und
sie dankte
auch Gott für die zweite Erleichterung.
Doch aller guten Dinge sind drei. Und darum wurde ihr
auch
die dritte Erleichterung zuteil, worüber sie unserem
Herrgott ebenfalls
dankend quittierte.
Kaum war dies geschehen, als sie hinter sich ein
Geräusch
vernahm. Sie wandte sich um und gewahrte in einiger
Entfernung
zu ihrem größten Schrecken einen Herrn, welcher ihr
gemessenen
Schrittes folgte. Sie beeilte ihren Gang. Da aber der
Herr scheinbar
arglos seinen Weg fortsetzte, faßte sie sich und suchte
sich Gewiß-
heit zu verschaffen, ob jener etwas gemerkt habe.
Unbefangen wandte sie sich um fragte den Herrn: ,Ach,
ent-
schuldigen Sie, gehen Sie schon lange hinter mir her?'
Jener erwiderte: ,Ach nein, nur seit der ersten
Erleichterung!'
(Mündlich.)
9. Wie lange soll das noch dauern?
In einem kleinen Städtchen im Bergischen führt eine
schmale
Gasse ziemlich steil zur Anhöhe hinauf. Durch diese
Gasse schritt
einst ein hochschwangeres Weib mühsam dahin. Da sie sich
allein
glaubte, ließ sie einen Wind nach dem andern gehen, daß
es nur
so rollte.
Aber hinter ihr schritt ein Mann daher, ein Schmied,
der an
«einem Tragstock einen schmalen Korb mit Eisenwaren
trug. Da
er mit seiner schweren Last gern schnell vorwärts
gekommen wäre,
die Frau aber ihn hinderte, ihm die von ihr erzeugten
Töne auch nicht
grade zusagten, fragte er plötzlich: ,Wie lange soll das
noch dauern?'
Da wandte sich die Frau, welche in Gedanken nur mit
ihrer nahen
Niederkunft beschäftigt war, bedächtig um und erwiderte:
,Noch
vierzehn Tage!' (Mündlich.)
10. Nur eine Mütze,
In einer der größten Städte des Bergischen Landes
lebte im
Beginn des 19. Jahrhunderts ein origineller, dabei
äußerst witziger
Geistlicher. In jener Zeit trugen die Frauen hohe,
spitze Mützen
I Ejo Bergische Volkserzählungen, die sich
auf das Geschlechtleben beziehen.
Eines Tages stand unser Geistlicher auf der Kanzel
und zog
gegen die Hochmut los, die sich allerorten breit mache.
Dabei kam
er auch auf die hohen Mützen zu sprechen. Zuletzt rief
er aus:
,Alle Frauen haben eine; meine Frau hat auch eine, aber
eine ganz
kleine/
Die ganze Versammlung lachte. Da rief der Geistliche
mit
Donnerstimme: ,Es ist aber nicht, was Ihr meint, eine
Kütze
(Cunnus) sondern eine Mütze/ (Mündlich.)
11. Es war nicht die meinige.
Johann Christ und Johann Hüdig, zwei biedere Männer
aus dem
Oberbergischen, waren eines Tages auf einer Kindtaufe.
Sie hatten
sich recht gütlich getan, aufs beste gegessen und auch
tapfer ge-
trunken, so daß sie spät am Abend in stark benebeltem
Zustande
den Heimweg antraten. Plötzlich bekam Johannes Hüdig ein
Bedürfnis.
Er machte seinem Gefährten davon Mitteilung, und da
dieser eben-
falls ein Bedürfnis verrichten mußte, trafen beide die
nötigen Ver-
anstaltungen. Johann Hüdig, der wohl merkte, daß er kaum
aufrecht
sitzen würde, machte den Vorschlag, sich mit den Rücken
anein-
anderzulehnen. Sein Gefährte war einverstanden. Als sie
nun so
saßen, fuhr Johannes Hüdig, der ein Erz-Hallunke war,
ein Gedanke
durch den Kopf. Behutsam zog er die Hosenklappe (damals
Mode
in unserer Gegend) seines Gefährten zu sich herüber und
hofierte
hinein.
Wie beide ihre Notdurft verrichtet und sich mühsam
erhoben
hatten, rief Jobannes Christ plötzlich aus: Johannes
HüdigI Ich habe
in die Hose gesch--—Г
Der Andere lachte und sprach! ,Ich auch l' Dachte
aber ver-
gnügt in seinem Herzen: Doch es war nicht die meine,
(Mündlich.)
12. Eine unerwartete Antwort.
Ein junger Bursche begegnete einst dem Prediger, der
ihn vor
kurzem konfirmiert hatte. Der Prediger erkundigte sich
nach diesem
und jenem. Zuletzt fragte er ihn, was er des Morgens,
wenn er
aufgestanden sei, zuerst mache. Er erwartete, daß jener
sagen
würde, er bete. Der Junge antwortete: „Wenn ich mich
gewaschen
habe, stelle ich mich auf die Haferkiste und pinkele zum
Fenster
hinaus."
Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlechtleben beziehen, j 5 j
Der Pfarrer fragte nicht weiter, sondern machte sich
schnell
aus dem Staube.
13. Der Kölner Dom.
Eine fromme Bürgerin Kölns erhob sich an einem heißen
Sommer-
morgen sehr früh, um im nahen Dom der Messe beizuwohnen.
Ihr
Eheherr, ein bejahrter Mann, lag ruhig in seinem Bett.
Er war, der
Hitze wegen, nur mit einem Betttuch bedeckt. Ehe die
Frau das
Schlafzimmer verließ, warf sie noch einen Blick auf den
Schläfer.
Da gewahrte sie zu ihrem freudigen Schrecken, daß sein
Glied sich
straff unter dem dünnen Betttuch in die Höhe reckte.
Sofort warf
sie ihre Kleider ab, legte sich zu ihrem Manne ins Bett
uud mur-
melte freudig: ,Der Kölner Dom bleibt stehen; der nicht/
(Mündlich.)
14. Seltsame Anschauung» Elberfeld.
In der Nähe von Elberfeld zog man eines Tages einen
Ertrun-
kenen aus einem Teiche. Zwei Männer, welche zugegen
waren,
stellten eifrige Wiederbelebungversuche an. Zunächst
legten sie den
Verunglückten auf den Bauch. Dann begann der eine, seine
Arme
zu heben und zu senken. Der andere nahm hingegen einen
Stroh-
halm, steckte ihn dem in den Hintern und fing an, aus
Leib-
kräften zu pusten. Nach einiger Zeit wechselten sie mit
ihrer Tätig-
keit um. Der, welcher an der Reihe war, durch den
Strohhalm Luft
einzublasen, zog den Halm heraus, leckte ihn ab und
steckte das
andere Ende ein. Als sein Gefährte ihn um Aufklärung
seines
eigentümlichen Verhaltens fragte, erwiderte er: ,Meinst
Du, ich
wollte das Ende in den Mund nehmen, was Du im Munde
gehabt
hast?' (Mündlich.)
15. Verfängliche Frage,
Als man einst eine Frau fragte, ob sie noch ihre
Unschuld
besäße, erwiderte sie: ,Das zwar nicht, aber das
Döschen, in welchem
ich sie aufbewahrte/ (Mündlich.)
16, Wie ein junger Ehemann seine Mannespflicht
erfüllte.
Ein geistig etwas beschränkter Mann heiratete. Abends
legte
er sich mit seiner jungen Frau zu Bett und schlief
sofort ein. So
trieb er es jeden Abend. Damit war das junge Weib nun
keines-
I j 2 Bergische Volkserzählungen, die sich
auf das Geschlechtleben beziehen«
wegs zufrieden. Endlich zog sie ihre Mutter zu Rate.
Da diese in
so delikaten Dingen nicht mit ihrem Schwiegersohn reden
mochte,
teilte sie ihrem Manne alles mit. Dieser nahm nun den
Schwieger-
sohn ins Gebet und sagte ihm, daß er seine Mannespflicht
bisher
nicht erfüllt habe. Als der sich ganz verwundert und
unwissend
stellte, sagte der Schwiegervater zu ihm: ,Hast du noch
nicht gesehen,
wie es die Hunde machen?' ,Ei freilich,' erwiderte der
Schwieger-
sohn; ,das werden wir schon machen/
Am nächsten Abend, als er zu Bett gehen wollte, nahm
er den
Nachttopf, hob das eine Bein in die Höhe (wie es die
Hunde machen)
und schlug sein Wasser ab. Da er glaubte, nun seine
Mannespflicht
genügt zu haben, legte er sich sehr zufrieden zu Bett
und schlief ein.
(Mündlich.)
17. Du kannst nicht französisch. Elberfeld.
Zur Franzosenzeit kam ein französischer Krieger zu
einem bie-
deren Ehepaar ins Quartier. Da die guten Leutchen nur
eine sehr
bescheidene Wohnung hatten, mußte der Franzose mit den
Ehe-
leuten das Bett teilen. In der Nacht, als der Mann
schlief, vögelte
der Franzmann das Weib. Darüber erwachte der Mann und
machte
seiner Frau bittere Vorwürfe. Diese erwiderte hingegen:
,Du kannst
es nicht so; du kannst ja nicht französisch Iі (Mündlich.)
18. Er kennt sich aus.
Ein Mann hatte fünf schielende Kinder. Er wußte sich
dieses
seltsame Zusammentreffen nicht zu erklären. Als er einst
mit einem
Freunde darüber sprach, sagte der: ,Die Sache ist ganz
einfach.
Wenn du deine Frau vögelst, und es kommt ihr, dann
schielt sie.
Und darum sind alle deine Kinder schielend/
Als er in der nächsten Nacht seine Frau hernahm, gab
er genau
acht, was sie machen würde, wenn die Natur käme. Da
gewahrte
er, daß seine Frau beide Augen schloß und wollüstig
ächzte und
stöhnte. Da stand er voll Zorn auf, prügelte seine Frau
gründlich
durch und schrie: ,WasI fünf schielende Kinder hast du
mir geschenkt
und nun soll ich zu meinem Elend obendrein ein blindes
haben I'
(Mündlich.)
19. Warum?
Ein Radfahrer fuhr lustig seine Straße dahin. Bald
gesellte sich
eine fesche Radlerin zu ihm und mit ,A11 НеіГ
beschlossen sie,
eine gemeinsame Reise zu machen.
Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlechtleben beziehen, j
Gegend Abend fiel ein Unwetter ein, welches sie
nötigte, in
einem kleinen Dorfe zu übernachten. Das bescheidene
Gasthaus
war bald gefunden, aber, o wehl der Wirt hatte nur ein
Zimmer
mit einem Bett zur Verfügung. Nach langem Hin und Her
beschloß
man, sich folgendermaßen zu arrangieren. Der Radler
kleidete sich
aus und legte sich zu Bett; dann würde der Wirt ein
Bügelbrett
ins Bett setzen. Dann könnte die junge Dame sich
entkleiden und
ebenfalls zur Ruhe gehen. Am nächsten Morgen müßte die
Dame
zuerst aufstehen und ihre Toilette im Zimmer des Wirtes
machen.
Alles ging nach Wunsch. Am nächsten Morgen wollten
die
beiden bald wieder darauf los. Da erhob sich ein Sturm
und ent-
führte der Dame ihren Hut über einen die Straße
begrenzenden
Plankenzaun. Im Nu schwang sie sich von ihrem Stahlroß,
kletterte
über den Zaun und holte den Hut wieder. Als sie bei
ihrem Ge-
fährten anlangte, machte dieser ihr Vorwurf, daß sie
nicht ihm
gestattet habe, über den Zaun zu klettern. Da entgegnete
sie
schelmisch: ,Sie konnten doch nicht über den Zaun
klettern, weil
sie diese Nacht nicht einmal über das Bügelbrett
klettern konnten!'
20. Böses Mißverständnis.
Ein junger Ehemann saß eines Abends beim fröhlichen
Gelage im
Kreise seiner Freunde. Da schlug einer eine Wette vor:
Wer den
schönsten Platz in der Welt angeben könne, sollte von
den anderen
einen Korb Sekt erhalten. Alle stimmten freudig zu. Der
eine hielt
der Markusplatz in Venedig für den schönsten Platz der
Welt. Ein
anderer meinte den Konkor diaplatz in Paris usw. Unser
glücklicher
Ehemann meinte aber, der schönste Platz für ihn sei
zwischen den
Schenkeln seiner Frau. Einstimmig wurde ihm der Preis
zuerkannt.
Am nächsten Tage wurde der Korb Sekt bei seiner Frau
richtig
abgeliefert. Als er nach Hause kam, fragte ihn seine
Frau, welche
sehr fromm war und fleißig zur Kirche ging, welche
Bewandtnis es
mit dem Korbe Sekt habe. Etwas bedrückt bekannte er, daß
sie in
fröhlicher Gesellschaft um den schönsten Platz der Welt
gewettet.
Er hätte als solchen den Platz in der Kirche genannt und
den Preis davongetragen. Das freute die Frau sehr und
sie machte
den Vorschlag, die Freunde zu einem Abendessen
einzuladen. Na-
türlich willigte der Mann ein und die Gäste erschienen.
Einer machte
sich zur vorgerückter Stunde an die Frau und meinte
schlau blinzelnd,
ihr Mann habe doch Glück mit der Wette gehabt. ,Das will
ich
auch meinen,' entgegnete die Frau; ,denn ich kann ihn
nur mit Mühe
I ij4 Bergische Volkserzählungen, die sich auf das
Geschlechtleben beziehen.
einmal des Jahres hinein (in die Kirche; der Herr
dachte an einen
andern Platz) bringen, und wenn er drin ist, schläft er
sofort."
21. Zu kurz gekommen.
Eine Mutter besuchte ihre seit kurzem verheiratete
Tochter. Um
sich nützlich zu machen, ordnete sie das Schlafzimmer.
Im Bett der
jungen Frau fand sie ein kleines Daumenkissen, über
dessen Ver-
wendung sie nicht klar war. Sie bat ihre Tochter um
Aufschluß.
Diese erwiderte, daß sie das Kissen unter ihren Hintern
lege, wenn
ihr Mann zu ihr komme, denn dann ginge sein Schwanz 2
ctm tiefer
in ihre Scheide hinein.
Mutter nahm schweigend Notiz von dieser Belehrung.
Kurze Zeit danach setzte man sich zum Essen, aber die
Mutter
fehlte. Die junge Frau stand auf und suchte sie. Endlich
fand sie
ihre Mutter im Arbeitzimmer ihres Mannes, eifrig
rechnend. Ver-
wundert fragte die Tochter: ,Aber, Mutter, was machts du
da?'
Die Mutter entgegnete: ,Ich rechne nur aus, um wie
viel km ich
während der Ehe zu kurz gekommen bin.'
22. Die Blutwärme.
In einer höheren Töchterschule sprach eine Lehrerin
über die
Blutwärme. ,Der Mensch hat', so dozierte sie, ,im
gewöhnlichen
Zustande eine Blutwärme von 37 °. Die Vögel aber,
welche mit Federn
bedeckt sind und in der Luft umherfliegen, haben 420
Warme.' Ein
Mädchen hatte nur mit halbem Ohr gehört und wurde
aufgefordert
sich über die Sache zu äußern. Sie sagte: ,Der Mensch
hat im
gewöhnlichen Zustande 37° Wärme; wenn er aber
vögelt (coitiert),
daß die Federn umherfliegen, dann hat er 420
Wärme.'
Sprachs und setzte sich.
Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein.
Von Dr. Jup Malzbänden.
1. Die Bettschießerin.
Eine der vornehmsten Damen der Stadt Köln, die es
liebte,
sich als Mäcenatin gefeiert zu sehen, hatte für das
damals noch sehr
unbedeutende Museum einige gute Bilder altkölnischer
Meister und
ebensolche altertümliche Holzschnitzereien gestiftet.
Zur Feier dieses
Ereignisses veranstaltete sie in ihrem Hause ein
splendides Festmahl,
zu dessen Gästen auch ein hervorragender französischer
Diplomat,
ebenfalls Kunstliebhaber und Sammler gehörte. Beim
Nachtisch nun
klingelt er an sein Glas und erhebt sich, um einen Toast
auf die
Dame des Hauses auszubringen. Er spricht aber witzig und
launig,
rühmt den Geschmack und die Spenderin und schließt mit
der
begeisterten Aufforderung an die Festteilnehmer:
„Also, meine verehrten 'errschaften, meine schönen
Damen
und 'erren: trinken wir auf das Wohl unserer teueren und
viel-
edlen Gastgeberin — der Beschießerin der Künste I Sie
lebe hochl"
Die Gäste erheben ihre Gläser, versuchen
einzustimmen, aber
ein dröhnendes Gelächter erstickt ihre Worte, nur die
Dame des
Hauses kann ihre Verlegenheit nicht verbergen. Der
Pariser ist
erstaunt und fragt seinen Nachbarn flüsternd, weshalb
dieser schallende
Heiterkeiterfolg ihm beschieden sei! Der Nachbar wispert
ihm ins
Ohr: ,Vous avez omis un ,t' dans votre dernier mot —1
,Ah, je
vois corriger cela/ meint der Franzose. Meldet sich
abermals zum
Wort und ruft im stolzen Brustton die verbesserte
Lesart.
,Meine Damen und 'errenl Soeben 'ör ich, daß mir sein
passirt
eine kleine Irrtum in mein Toast auf unsere schöne
'errin. Ick
erłeb also zum sweitemal mein Glas und
sprecke: ,Sie lebe 'ock —
unsere teuere Wirtin — : die Bettschießerin der
Künste--III'
156
Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein.
2. Putz wider Putz.
Der Pfarrer von Columba ist mit den Leistungen seiner
Gemeinde
an seine Adresse höchst unzufrieden, und er beschließt
seinen Pfarr-
kindern das kund zu tun. Eines Sonntags, nach der
Predigt, beginnt
er folgendermaßen seinen Vortrag:
,Nun muß ich doch auch, meine Geliebten in Christo,
euch
einen Traum erzählen, der mir in der vorigen Nacht
zuteil ward.
Mir träumte nämlich, ich sei gestorben, und der heil.
Petrus hätte
mich bereitwillig eingelassen durch das Himmeltor. Ja,
er erwies
mir sogar, sintemalen ich doch, wie er sagte, ein
Geweihter des
Herrn sei, die hohe Ehre, mich einzuführen in die
himmlischen Räum-
lichkeiten. Diese großen und herrlichen Lokalitäten
liegen nun
ziemlich weit entfernt vom Eingang und wir wanderten
schon hübsch
lange, und waren immer noch im Vorhof, und dieweil mir
noch
vieles von den Schlaken der irdischen Leiblichkeit
anhaftete,
überkam mich plötzlich mit unwiederstehlicher Gewalt
eine mensch-
liche Regung--Ihr versteht mich, nicht wahr? nennen wir
es,
ein gewisses Bedürfnis, dem ich vergebens zu gebieten
suchte. Ich
geriet in die tötlichste Verlegenheit — aber was konnte
ich machen?
Die Qual wurde immer ärger, und es blieb mir nichts
anderes mehr
übrig, als meine Pein dem heil. Petrus anzuvertrauen. —
,Wenns
weiter nichts ist1 — sprach der — ,dem wollen
wir sofort abhelfen../
und dabei zog er eine Falltüre auf, die in dem Fußboden
eingelassen
war. ,Hier ist Gelegenheit —1 fuhr er fort,
,also bediene dich../
Ich trat zu der Öffnung und schaute hinunter. Und nun
denkt euch
nur meine Geliebten — grade unter mir lag meine Pfarre —
und
da hätte ich wollen — ? Oh, das gab mir einen Stich bis
ins innerste
Herz. Ja, was ist dir denn ?' fragte voller Teilnahme
der heil. Petrus.
,Dir scheint nicht wohl — weshalb also zögerst du?'
„Unmöglich,
rief ich, ,ich kann und darf doch nicht meine teueren
Pfarrkinder
besch......?' Der heil. Petrus aber lachte mich aus
und schalt
mich einen ,Driess - in - die Pief. —' Und dann
sprach er ernsthaft
und gewichtig: ,du willst also wirklich nicht? Schau,
ich kann dich
nicht begreifen, deine Skrupel sind wirklich gar zu
einfältig — —
haben deine teueren Pfarrkinder nicht solange du unter
ihnen weiltest
und du deine Mühsal und Fürsorge ununterbrochen ihnen
gewidmet
hast — dich auf das schamloseste beschießen ? ? ? Nun
wohl, so tue
du dir deinerseits jetzt auch keinen Zwang an — lass die
Hosen her-
unter und tu' ihnen das Gleiche/
Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein.
157
3. Geschmacksache.
Eine Gesellschaft lebenslustiger Patriziersöhne kommt
von einem
Kirmesausflug in der Umgebung Kölns zurück. Alle sind
mehr oder
weniger bezecht — besonders einem von der Tafelrunde
geht es
auffallend erbärmlich. Sie haben in einem überfüllten
Eisenbahn-
wagen notdürftig Platz gefunden. Das junge Herrlein
fühlt den
Augenblick herannahen, wo er dem heil. Ulrich ein
ausgiebiges Opfer
darbringen wird müssen. Aber oh Schrecken — das
Abteilfenster
will sich nicht öffnen lassen. Er zerrt an dem
Lederriemen und von
der Anstrengung erschöpft, sinkt er mit totenbleichem
Antlitz, schreck-
lich anzuschauen, zurück auf seinen Sitz. Jedem ist es
klar: es ist
Zeit, die allerhöchste Zeit ihm beizuspringen — soll
nicht ein Unglück
geschehen — ein fatales Ereignis für seine sämtlichen
Fahrtgenossen.
Einer seiner speziellen Freunde ist ihm zu Hilfe
gekommen und mit
sovieler Geschicklichkeit und Kraft wie sein eigener
Zustand ihm
gelassen, hat er gearbeitet und es ist ihm das große
Werk gelungen:
Jupp' — schreit er triumphierend — jetzt kumm her, jetzt
kannst
de dich kotzen — herus mit der Sauerei, alles herus in
Gottes freie
Natur — —.' Aber der Jupp ist ein undankbarer — anstatt
das
offene Fenster als den ersehnten Ausweg zur Rettung in
Anspruch
zu nehmen, bleibt er regunglos. wie ein Ölgötze, auf der
grünen
Polsterung sitzen und sagt lakonisch: ,Mach dat Fenster
wieder zu
— ich han ming Disposition geändert. Grad jetzt han ich
in die
Botz gedrießen *) ?'
4. Höchste Linguistik.
Zwei Kölner kommen nach Rom; sie erlangen Audienz
beim
Kardinal Mezzofanti, von dessen wunderbaren
linguistischen
Fähigkeiten sie Wunderdinge vernommen haben. Schon
früher haben
sie beschlossen, ihn auf die Probe zu stellen und es
läuft eine hohe
Wette, daß der Kardinal diesmal den Kürzern ziehen wird.
Nachdem sie dem Kardinal die Größe der Kölner
Klerisei
pflichtschuldigst ausgerichtet, reden sie ihn
unversehens, in unver-
fälschter Kölner Mundart an. Die Eminenz läßt sie ruhig
ihre Anrede
zu Ende bringen, dann lacht er vergnügt und schaut die
beiden
voller Spottlust an.
,Ihr Drießhüschen**) — meint ihr, ich künnt kei
Kölsch...?1
fragt er die jungen Herren.
*) Botz: Hose. — Gedrießen: geschißen.
**) Drießhüschen: Scheißhäusl, gangbares,
altkölnisches Schimpfwort.
Erzählungen deutscher Matrosen.
Gesammelt auf einer Seefahrt von Georges Apitzsch
in Rom.
1. Frau und Mann konnten wieder einmal ihre
Miete nicht
bezahlen. Der Hausherr wollte beide an die Luft setzen.
Der Mann
geht aus dem Hause mit dem Bemerken: Sieh zu, wie die
Miete
bezahlt wird. Während der Abwesenheit des Mannes kommt
der
Hausherr und drängt wieder um Geld. Die Frau in ihrer
Angst
weiß sich nicht anders zu helfen, als daß sie ihm ihr
Loch offen
hält und sagt: ,Damit können sie sich bezahlt machen/
Der Haus-
herr zögert; ist dann aber einverstanden und vögelt die
Miete ab.
Wie der Gatte nach Hause kommt, steht seine Frau mit
empor-
gehobenen Röcken vor dem Ofen. Erstaunt fragt der Mann:
,Was
machst du denn?' ,Ich trockne die Quittung', entgegnete
die Frau.
2. Ein andermal hatten beide nichts zu essen.
,Wovon sollen
wir leben?' fragt die Frau. ,Leben wir von der Liebe,'
antwortet
der Mann. Wie er am Abend nach Hause kommt, steht seine
Frau
wieder vor dem Ofen in derselben Stellung. Sie antwortet
auf die
Frage, was sie da mache: ,Unser Abendbrot, wir wollen
doch von
der Liebe leben/
3. Ein Förster geht mit seinem Patron täglich
auf die Jagd.
Der Baron ist aber im Unglück und trifft nie etwas. Der
Förster
dagegen hat Schwein. Dieses fallt dem Baron auf, und
eines Tages
fragt er seinen Förster, wie das komme. Zuerst
will der mit der
Antwort nicht heraus. Endlich erklärt er dem Baron, daß
er jeden
Morgen, bevor er auf die Jagd geht, seine Frau ans
Penunchen
greift. Der Baron merkt sich dies, kommt am nächsten
Morgen leise
zu seiner Frau ins Zimmer und will dasselbe tun, aber
heimlich.
Sie hängt gerade Gardinen auf. Wie er nun von hinten
seiner Frau
an die Votze greift (ahnunglos), ruft sie aus, ohne sich
umzusehen:
,Aber Herr Verwalter, haben sie eine kalte Hand 1'
4. Bei einer Hochzeitgesellschaft werden
Rätsel aufgegeben.
Nach verschiedenen Sachen kommt ein Gast mit dem Rätsel
: Es
schreibt sich nicht mit einem F, sondern mit V. Es hat
jedes
Mädchen und jede Frau. Alles empört läuft heraus. Der
Schwieger-
vater holt sich den Menschen unter vier Augen und macht
ihm Vor-
würfe, worauf ihm der betreffende erklärt, daß die Sache
ganz harmlos
sei, da das Wort, was er meinte, Vater hieße. Daraufhin
geht der
Schwiegervater zu den Gästen und ruft ihnen zu: ,Kinder,
es heißt
ja gar nicht Votze, es heißt ja Vater/
Erzählungen deutscher Matrosen.
159
5. Ein Pärchen pimpert im Wasser. Nach dem
geschlechtlichen
Akt schwimmen die kalten Bauern auf dem Wasser. Auf
einmal
ruft das Mädchen: ,Siehł mal, Hans, unsere
Zukunft schwimmt auf
dem Wasser/
6. Ein Droschkenkutscher fährt einen Herrn im
Grunewald spa-
zieren. Er macht dem hübschen und jungen Kutscher
gewisse An-
erbieten. Er geht darauf ein. Der Droschkenkutscher
hatte aber
Diarrhoe. Wie nun der andere beim letzten Arbeiten ist,
kann er
seine Not nicht mehr halten und scheißt dem Herrn in die
Hosen.
Der Herr ruft vorwurfvoll. ,Aber, Verehrtester, was
machen sie denn
da?' Der Kutscher, ganz betrübt, antwortete weinerlich:
,Gnädiger
Herr, was kann ich dafür, wenn meine Natur früher kommt
wie
die Ihrige.'
7. Wenn mit einer Arbeit einige Leute nicht in der
bestimmten
Zeit fertig werden und der Vorgesetzte ungeduldig wird
und drängt
und der Untergebene sagt ihm, er habe zu wenig Mann,
läßt der
Vorgesetzte sich zu dem Ausdruck hinreißen: So gehen sie
doch
schnell an Land, in den Zwick, und machen ein paar
Leute.
8. Eines Morgens fehlt die Butter für den
Unteroffizier. Er
schickt einen Mann fort, welche zu besorgen. Nach
verschiedenen
vergeblichen Gängen meldet der Mann, daß absolut keine
mehr auf-
zutreiben ist. Da der Unteroffizier wütend wird, sagt
der Mann,
ebenso wütend, unüberlegt: ,Ich kann mir doch keine
Butter aus
der Nulle wichsen.'
9. Ein Schiffjunge hat den Schwabber
(Scheuerlappen) nicht
trocken genug gemacht und bekommt deshalb vom
Unteroffizier
Backpfeifen. Er heult und unterdessen kommt der
Wachthabende
und sagt: ,Was, du weinst? der Schwabber soll trocken
sein. Der
leckt ja genau so stark wie deiner Schwester Punz. Du
hast die
Schläge verdient.'
10. Kommt der Sergeant und mustert die Richtung des
Gliedes
und schreit dabei : .Donnerwetter, ist das eine Richtung
! Gerade so
wie ein Bulle gegen den Wind gießt.'
11. Einem Mann, der nie die Hände ruhig halten konnte
beim
Stillstehen, wurde befohlen, die Hände in die Tasche zu
stecken.
Nach einiger Zeit ging das Gespiele und Gezappele der
Hände von
neuem, nun in den Taschen, los, und da es aussah, als ob
der Mann
sich an den Eiern spielte, sagte der Vorgesetzte:
,Lassen sie doch
endlich das Billardspielen sein, oder soll ich den
dritten Mann spielen?*
Rom, im Januar 1907.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Eine Umfrage von Dr. Friedrich S. Krauss.
Erhebungen von Krauss und Mitrovic.
Zu den schwierigsten Aufgaben der Ethnologie gehört
die weiterhin
keiner Streitigkeit unterliegende Aufdeckung der
ursprünglichsten Ansätze
des religiösen Glaubens der Menschheit Die Schwierigkeit
ist all-
zumal im europäischen Kulturkreis groß und darum
flüchten die For-
scher zu den außereuropäischen, kulturell rückständigen
kleinen Völker-
gruppen, um bei ihnen zu holen, was noch zu finden ist
Wenn es
einem schon glückt, die Sprache der Naturmenschen zu
erlernen, so
hängt es noch von mancherlei Umständen und
Zufälligkeiten ab, ob
es ihm auch gelingt, mehr als die von jedermann geübten
Gebräuche
zu beobachten und ihren wirklichen Ursprung zu
ergründen. Am
meisten entzieht sich die Erotik und die Skatologie den
Nachfor-
schungen fremder Besucher.
In unserem Kulturkreis sind wir günstiger daran, doch
fehlt uns
durchgehends die Gelegenheit zur Beobachtung, denn
gerade solche
Bräuche und Anschauungen versteckt man aufs
sorgfältigste vor Neu-
gierigen. Darüber klagte auch H. Frischbier in seinem
wertvollen
Werkchen über Hexenspruch und Zauberbann.x)
In seiner Sammlung
wird die Erotik kaum leise gestreift. Es entging ihm bei
der Unzu-
länglichkeit, weil Abgeschliffenheit seiner Belegstücke,
daß der Hexen-
glaube und Zauberbann der Erotik entsprossen ist. Es ist
ein bleibendes
Verdienst Joseph Hansens2) und noch mehr Dr.
Iwan Blochs3)
1) H.... Z. Ein Beitrag zur Geschichte des
Aberglaubens in der Provinz
Preußen. Berlin 1870.
2) Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter und
die Entstehung der großen
Hexenverfolgung, München 1900.
3) Beiträge zur Ätiologie der Psychopathia
sexualis, Dresden 1902. II. und
Bloch, Das Sexualleben unserer Zeit. Berlin 1907,
— Über die beiden erstge-
nannten Werke vergl. Krauss, Die Volkskunde in den
Jahren 1897—1902.
Erlangen 1903. S. 121—124.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. ібх
den ursächlichen Zusammenhang erkannt und
wissenschaftlich unwider-
leglich fest dargetan zu haben. Unabhängig von beiden
ging mir
auf Grund meiner Materialien das Verständnis dafür auf.
Kam ich
mal auf einen derartigen Spruch, so war das für mich
immer ein
freudiges, erquickendes Ereignis. Wie die Bewohner
Europas vor
4—6000 Jahren gehaust und wie sie sich ernährt
haben, das lehren
uns Prähistoriker; manche Sprachen der Menschen jener
Zeiten sind
uns vielleicht ganz verloren gegangen, wofern wir selber
nicht deren
eine oder andere Sprache als Erben sprechen. Wir wissen
ja nicht,
von wem wir abstammen. Wie unsere verschollenen
Vorfahren einst
gedacht und was sie geglaubt haben, das können wir
jedoch trotz
alledem als Folkloristen ab und zu erraten, wenn wir
eine genügende
Anzahl solcher Sprüche und Bräuche entdecken, wie die
sind, die wir
hier mitzuteilen gedenken.
Mit Hinblick auf die Bedeutung, die man dieser Arbeit
in den
Kreisen der Erforscher ursprünglichster religiöser
Grundvorstellungen
der Menschheit beilegen dürfte, wird die Umfrage gleich
mit einer
größeren Anzahl von Erhebungen eingeleitet Sie beginnt
mit dem süd-
slavischen Volksgebiet, das vielleicht wie kein zweites
in Europa, mit
einer reichen Ernte an urzeitlichen Überlieferungen die
Liebe des
Folkloristen lohnt. Es sind zwar nur vereinzelte
Überbleibsel einer
seit mehr denn einem Jahrtausend der Achtung
anheimgefallenen,
unterdrückten Naturreligion, bloß deren zufällig
aufgelesene Bruchstücke,
die jedoch aneinander gereiht und mit gleichartigen,
weil verwandten
Glaubenerscheinungen anderer Völker verglichen, immerhin
einen tiefen
Einblick in die primitivste religiöse Anschauungwelt
nicht allein der
Südslaven, sondern aller Slaven und der Völker überhaupt
gestatten.
Sowie erratische Blöcke von einer entschwundenen
Eiszeit, so zeugen
so manche der hier angeführten religiösen Bräuche und
Sitten von
einem unserer Kultur völlig fremden Entwicklungzustand
und erlauben
uns sichere Rückschlüsse auf eine Vergangenheit, die
sich jeder näheren
zeitlichen Bestimmung entzieht Sie beweisen
unwiderleglich die
innigste Beziehung der Erotik zur Religion, die bisher
nur einige we-
nige bevorzugte Geister unter den Sexualforschern
sozusagen auf
Umwegen mehr genial erkannt als auf Grund
folkloristischer Er-
mittlungen für jeden klar dargetan haben.
Bei der Neigung sovieler Menschen, eine an sich
richtige Beob-
achtung durch Übertreibung zu verzerren, muß ich mich
von vorn-
herein gegen eine etwaige Unterstellung verwahren, als
ob ich den
Kraussf Anthropophyteia.
IV. II
IÖ2 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Ursprung der Religion ausschließlich in der Erotik
oder Sexualität
suchte. Meine früheren Monographien, die in voller
Öffentlichkeit
erschienen, mußte ich selbst von jeder Anspielung auf
das Geschlecht-
liche frei halten und mich darauf beschränken, nur
solche Erschei-
nungen zu beleuchten, die bei unseren Moralhütern kein
Ärgernis
erregen. Wenn ich nun jene Arbeiten hier in der
Anthropophyteia
ergänze, so verfalle ich damit noch lange nicht in ein
Extrem. Ich
erkenne überhaupt in diesem Falle keinen Gegensatz an.
In der Natur
sind die Erscheinungen einander gleichwertig. Ich stimme
vollinhaltlich
mit Havelock Ellis, einem der namhaftesten
Sexualforscher aller
Zeiten überein, der da bemerkt: ,Der sexuale Trieb ist
nicht, wie
manche sich eingebildet haben, die einzige Wurzel der
mächtigsten
aller menschlichen Regungen, der glänzendsten
menschlicher Fähig-
keiten — von Mitgefühl, Kunst und Religion. In dem
komplexen,
menschlichen Organismus, wo alle Teile so vielfaserig
und ver woben
sind, kann eine so große Kundgebung nicht auf eine
einzige Quelle
zurückgeführt werden. Aber der Sexualtrieb geht in
großem Maße
auf alle diese Regungen und Fähigkeiten über und gibt
ihnen Form,
auf Grund seiner ureigensten Eigenschaften: er ist in
erster Linie der
tiefste und leidenschaftlichste der menschlichen Triebe,
in zweiter
Linie — ungleich dem einzigen menschlichen Triebe, dem
er ver-
gleichbar ist: dem Hunger — kann er sich zum großen Teil
in eine
neue Kraft umwandeln, die sich zu den
außerordentlichsten und ver-
schiedensten Dingen verwenden läßt/ !)
Bei so manchem Volke gelangte der Zumpt- und
Vozenkult
oder wie man ihn sehr unbestimmt nennt, der Phallizismus
zu bedeu-
tender Entwicklung, so z. B. bei den Japanern, den
vorkolumbischen
Mexikanern und den Römern; bei den Japanern baut sich
sogar das
V
Sinto, wie mir scheint, hauptsächlich auf diesem Kult
auf. In allen
diesen Fällen haben wir bereits einen so
vorgeschrittenen Kult vor
uns, daß seine Anfänge durch die zahllosen
Kultureinflüsse schon ver-
dunkelt werden und wir zumeist auf Vermutungen
angewiesen sind.
Bei den Serben und zum Teil bei den Chrowoten stieß ich
dagegen
auf allereinfachste Zumpt- und
Vozenglaubenvorstellungen, die man
als Ansätze zu einem Kult betrachten muß, der jedoch
nachweislich
bei dieser Volksgruppe unentwickelt geblieben ist.
Hält einer eine Ansprache oder flucht, bannt oder
verwünscht er,
i) Geschlechtstrieb und Schamgefühl — Deutsch von
J. E. Kötscher.
Dritte erweiterte und gänzlich umgearbeitete Auflage.
Würzburg 1907. S. 377 f.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
so wendet er sich unbedingt an eine bestimmte
wirkliche oder in seiner
Einbildung bestehende Person (oder an ein Subjekt). Die
südslavischen
Bannsprüche lassen uns in dieser Hinsicht rein im
unklaren und wir
wüßten ohne japanische und römische Parallele gar nicht,
wem sie
eigentlich gelten. Es sind in Japan die Weggötter, im
Latium die
Feldgeister, genau genommen auch da namenlose Daemonen,
deren
Namen unsicher lauten und die man, wenn man sie schon
kennt, doch
nicht auszusprechen wagt Eine nähere Betrachtung lehrt
uns nun,
daß wir auch hier die Sippe der Wald-, Frucht- und
Feldgeister oder
Fruchtbarkeitgeister vor uns haben, die dem
Naturmenschen so wohl-
tätig und so furchtbar zugleich vorkommen. Aus demselben
religiösen
Vorstellungkreis heraus wird uns ja auch die
Beischlafausübung als
Kulthandlung verständlich Wir ersehen daraus, daß
Bräuche und
Anschauungen älter sind; als Namen, ohne sie
bestehen und andauern
können und daß wir methodisch gut tun, nicht von den
akzessorischen
Namen, sondern von den Tatsachen des Glaubens unsere
Betrachtungen
anzuheben. Der eine Name mag recht ungeeignet gewählt
worden
sein und zufällig allgemeine Bedeutung und Geltung
gewonnen haben.
Der Naturmensch ist kein kritischer Namengeber. Ein nach
unserer
Meinung recht unwesentlicher Nebenumstand genügt ihm als
mnemo-
technisches Hilfmittel und der Name oder ein Name mehr
ist da.
Sowohl für Sachen als für Begriffe hat der Primitive
eine reiche Aus-
wahl von/Bezeichnungen ; denn er sieht und erfaßt
gewöhnlich nur
einzelne Eigentümlichkeiten einer Erscheinung, fast
niemals aber die
Erscheinung als ein Ganzes nach ihrem Kern und Wesen. Er
denkt
auch zu anschaulich und für uns zu unlogisch und darum
zieht und
zerrt er an allen Zipfeln und Ecken und meint sich ganz
klar auszu-
drücken, während er für unser gedrilltes Denken nur um
so unklarer
wird. Übrigens spricht er zu Geistern und die verstehen
ihn gewohnheit-
mäßig, wie seine Vorfahren einst, wenn er auch nur noch
deren Rede-
wendungen für sich selber unverständlich hersagt.
1. Gegen Beschreitung.
Od uroka. Putern ide urok, zametnuo kurćetinu;
uroćica niza
selo, zametnula pićetinu. Ni uroka zâmêti, ni uroćice
zavisnicel Ako
je muSko, prsle mu oći; ako je źensko, prsle joj
dojkel — Bannspruch
der Heilkräutlerin (vracara) Milica Vujicic,
einer jetzt (1907) etwa
52 Jahre alten Bäuerin in Resnik bei Belgrad.
Des Weges geht der Beschreiungherr, schulterte den
Riesenzumpt;
ii*
lÔA Erotik und Skatalogie im
Zauberbann und Bannspruch.
Die Beschreiungfrau [geht] dorfabwärts, schulterte
die Riesen voze.
Nimm weder den Beschreiungherrn, noch die neiderfüllte
Beschreiung-
frau wahr! Ist es ein männliches Wesen, so sollen ihm
die Augen
zerspringen, ist es ein weibliches, so mögen ihr die
Tutein zerspringenI
Anmerkung. Der Spruch richtet sich gegen die Geister,
die
mit ihrem bösen Blick den Menschen krank machen. Es sind
dies
für das gewöhnliche Menschenkind unsichtbare
Waldgeister, deren
Geschlecht man von vornherein nicht weis Als unheimliche
Frucht-
barkeitgeister zeichnen sie sich durch ihre
ungeheuerlichen Geschlecht-
teile aus; der männliche Geist schultert seinen Zumpt,
wie ein Soldat
sein Gewehr, der weibliche (was jedenfalls ein größeres
Kunststück
ist) ihre Voze. Daß ich mit der Verdeutschung des
zweiten Satzes
(ni uroka zameti usw.) den richtigen, ursprünglichen
Sinn der
Rede getroffen, wage ich kaum zu behaupten. Wenn ihm die
Augen oder ihr die Brüste zer- oder aufspringen, so sind
beide den
Menschen unschädlich geworden, oder, hat die Zauberin
die Absicht,
die Geister mit der Drohung zur Behebung der Krankheit
zu bewegen?
Die Zauberin lebt unstreitig im Glauben, daß sie über
kräftigere Geister
als die Waldgeister mit ihren riesigen
Geschlechtwerkzeugen gebietet
Sie wirft nämlich vor und während der Aufsagung ihres
Bannspruches
glühende Kohlenstücke in ein Becken oder eine Schüssel
mit Wasser,
macht sich damit den Geist des Feuers und mit den Worten
das mächtige
Wort dienstbar, vor denen die kleinen Geister Reißaus
nehmen müssen.
Das ist um Missverständnissen vorzubeugen, meine
Deutung, nicht
etwa eine Erklärung der Bäuerin, die so handelt und
spricht, weil sie
es so von Vorgängerinnen gelernt hat, sich aber sonst
über ihr Tun
keine Gedanken macht Sie ist blos von der Wirksamkeit
ihres Zaubers
felsenfest überzeugt. Sie vollbringt eine Kulthandlung,
fur die sie
keine Bezahlung heischt, doch schlägt sie ein freiwillig
dargebrachtes
Geschenk, auch wieder grundsätzlich, nicht aus. Der
Zauber hilft in
der Regel nur dann, wenn der seiner Bedürftige um ihn
ansucht und
sich ihm bedingunglos hingibt Es ist nicht gut, daß ein
dritter
anwesend sei, weil die Krankheit leicht auf ihn
übergehen könnte. Das
ist richtig, sowie es ein weitverbreiteter Irrtum ist,
die Zauberer litten
um ihre Weisheiten nicht publik zu machen, keine
Zuhörerschaft.
2. Der HodengrifF gegen den Geistlichen.
Za popa se veruje, da je baksuz, osobito kod se prvo
on u jutru,
vidi. Zato se muśki hvataju za muda cim ga u jutru vide,
verujuci,
Erotik und Skatalogie im Zauberbann und Bannspruch
da ih posle baksuzluk ne će terati. — Mitgeteilt vom
Landmann Sta-
noje Matić aus Levac, Serbien.
Von Popen glaubt man, er wäre ein Ohneglück
(Pechvogel, ein
malum omen), zumal, wenn man ihn als ersten des Morgens
erblickt
Darum pflegen sich morgens bei seinem Anblick die
Mannsbilder bei
den Hoden zu packen, im Glauben, es werde sie später
(tagüber) kein
Missgeschick verfolgen.
Anmerkung. Man vgl. dazu die Erz. Nr. 373,
Anthropophyteia
II. S. 262 f. Meine dortige Auslegung mag zum Teil
zutreffen, doch
muß man sich vor Augen halten, daß der Geistliche als
einer der
ständigen Verkehr mit der Geisterwelt pflegt, auch schon
darum ge-
fährlich werden kann. Auch das Kind, das da durch den
Hodengriff
einen Treffer des Partners vereiteln möchte, handelt so
unter der
Anschauung, der gelungene Streich oder Zug geschehe
unter Mithilfe
eines Geistes, den man verscheuchen könne. Es ist
wahrscheinlich,
daß man in früheren Zeiten gleich auch das entblösste
Gemachte
gezeigt hat Famin bemerkt im Cabinet secret: En Italie,
quand il
arrive qu'un homme a négligé de prendre sur lui de ces
singulières
amulettes (Zumpte, Vozen), il n'est pas rare de le voir
porter sa main
avec affectation sur ses parties génitales, à l'aspect
d'une personne
dont physionomie malencontreuse fait naître des soupçons
de maléfice.
Über die gleiche Stellung der russischen Popen vgl.
Bernh. Stern,
Geschichte d. öffentl. Sittlichkeit in Rußland, Berlin
1907, I. S. 128 ff.
3. Bannspruch, um dem bösen Blick vorzubeugen.
U jutru, kad hoće deca nekud da idu pa da ih ne bi
urekle zle
oći, mati ih prebaje pipajući se za pićku pa njih po
licu govoreci:
,Kad se dlake na pićki prebrojale, tad moju decu zle oći
uroćile!' —
Tako tri put—Mitgeteilt vomLandmannStanojeMatic aus
Levac, Serbien.
Morgens, wenn die Kinder irgendwohin gehen wollen
[die Notdurft
zu verrichten], spricht die Mutter, um sie vor der
Beschreiung von
bösen Augen zu behüten, über sie den Bannspruch, indem
sie sich
dabei an die Voze greift und die Kinder im Gesicht
tätschelt: ,Wann
die Haare auf der Voze abgezählt werden, dann sollen
auch böse
Augen meine Kinder beschrien haben!' So dreimal.
Anmerkung. Vrgl. damit den deutschen Jägerglauben,
den
Apitzsch auf S. 158, N0.3, vermerkt. Auch der Jäger will
die tückischen
Waldgeister verscheuchen. Wie aus der im II. B. der
Anthr, mitgeteilten
Schnurre erinnerlich, wird der Böse mit dem Abzählen der
Vozenhaare
nicht fertig. Es verschlägt nichts, daß dies Motiv auf
den geilen Mönch
166 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
übertragen erscheint; denn er tritt vermutlich als
Ersatzmann des
geschlechtlich überaus leistungfähigen Waldgeistes auf.
Um den Bann
wirksam zu machen, wird mit der Entblössung der
Schamteile auch
eine Aufgabe gestellt, deren Lösung unmöglich dünkt. Man
versetze
sich eben in jene uralte Zeiten zurück, als der Bann
entstanden sein
mag und das Zählen in die tausende hinein als eine
außerordentliche
Leistung galt, dann begreift man, daß in dem Spruch nur
für uns
Rechner eine Komik liegt
4. Ein Haussegen.
Polaźajnik na Bożić dżara u vatru i blagosilja:
,Koliko źiźaka,
toliko ovaca, novaca, kukljate pćenice, kurate dećice,
govedi, konjal'
Mitgeteilt vom Landmann Todor Vukovic bei Poljna,
Ostserbien. All-
gemein üblicher Brauch.
Der Heimsucher zur Weihnacht stiert im Feuer und
spricht dazu
den Segen: ,Soviel als da Funken [sprühen], soviel
Schafe, Geldstücke,
üppigen Weizens, bezumpteter Kindlein, Rindern und
Roße!'
Anmerkung. Uber den Weihnachtbesucher vgl. Krauss,
Volks-
glaube u. religiöser Brauch d. Südsl. Münster i. W.
1890. S. 166 ff. Die
Verrichtungen dieses Besuchers sind ein Überlebzel aus
ältesten Zeiten.
Er kommt im Namen der großen Unbekannten, die die
Geschicke der
Menschen freundlich oder unfreundlich zu gestalten
vermögen und
daher besitzt er für diese Frist auch die Gabe der
Weissagung und
der Glückgewährung. Wie stark der Glaube im Volksgemüt
des
Herzogländers noch wurzelt, lehrt die drollige
Erzähluug: ,Das Schulter-
blatt zur Weihnacht/ Zwölf Erzählungen von Svetozar
Corovic,
deutsch von F. S. Krauss, Leipzig 1906, S. 53—65.
Richard
Andrée weist die Scapulamantia von Westeuropa durch
Asien bis
zu dessen äußersten Ostspitze an der Beringstraße nach
und B. H. Laufer
ergänzt die Mitteilungen hinsichtlich der Chinesen und
Japaner, Boas
Anniversary Volume. Anthropological Papers, New York
1906, S. 143—
165. Auch bei anderen Völkern, so in England und
Schottland diente
die Wahrsagung aus dem Schulterblatt zur Eruierung des
Geschlechtes
des erwarteten Kindes. Vgl. ebenda, S. 161 f. Bezumptete
Kinder
(Knaben) sind dem Landmann erwünscht, Mädchen nicht Vgl.
darüber
Krauss, Sitte u. Brauch, d. Südsl. Wien 1885. Die
Feuerstelle bildet
das Heiligtum des Hauses. Der Schwur bei ihr gilt als
unverbrüchlich
und zu ihr darf auch der Todfeind seine Zuflucht nehmen.
Hier ist
er immun.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. iQj
6. Schamhaare gegen Beschreitung.
Kad neko dete teśko u kuci boluje pa se misli
da je uzrok bolesti
urok (zle oći), namera, svecanenje (rad na neki mali
praznik) iii drugo
śto, onda se protivu toga ćini ovo: makazama se ostrigu
po nekoliko
diaka sa ocevog" kurca i majćine pićke i ispod jedne i
druge miŚke
(pazuhe), strigući pri tom prvo s desne pazuhe pa s
kurca (iii pićke)
pa s levé pazuhe; u nakrst, jer se tako valja. Te dlake
metnu se na
żar pa se s njima okadi tri puta bolesnik, govoreci:
,Beźi cudo od
cuda, tu ti mesto nije! Majka i otac su sa kurcem i
pićkom ovaj
zivot stvorili pa ga sada brane i o vim dimom od
diaka, teraju svako
zlo sa ovog zivota, jer mu tu mesto nije. Beźi cudo
od cuda tu ti
mesto nije I' — Tako tri puta. — Von einem Landmann aus
Levac
in Serbien.
5. Ein Fastnachtbrauch.
Na bele pokładę u осі Velikog Posta vicu niuśkarci
pred kucom :
,Ej, cujete li komśije, od svake kuce domaćinl Ko ima
lisu kobilu,
neka je veze svak za svoja jasła. Ako dogje ovamo, mi
ćemo da
jebemol' Ovo vicu, śto igda mogu, da se ćuje po svem
selu. — Mit-
geteilt vom Landmann Todor Vukovic bei Poljna,
Ostserbien.
Zur Weißen Fastnacht am Vorabend der Großen Fasten
schreien
Mannsbilder vor dem Hause aus: ,Hei, vernehmt es, ihr
Nachbarleute,
einer jeden Heimstatt, Heimvorstand I Wer da eine
fuchsfarbene Stute
besitzt, binde sie jeder an seine Krippe an. Falls sie
herkommt, so
sind wir der Absicht, sie zu vögeln!' Dies schreien sie
mit aller
Kraft aus, so daß man es über das ganze Dorf hören soll.
Anmerkung. Man darf füglich annehmen, daß es in
uralten
Zeiten nicht bei der blossen Androhung geblieben ist.
Das Pferd galt
bei den Völkern seit jeher als ein hochbedeutsames
Schicksaltier.
Vgl. Dr. Ludwig Hopf, Tierorakel und Orakeltiere in
alter und neuer
Zeit. Stuttg. 1888, S. 68—75. Waldgeister verwandeln
sich mit Vor-
liebe in Pferde. Die wie das Herbstlaub fuchsfarbene
Stute ist am
wahrscheinlichsten nur ein Geist. Um ihn
einzuschüchtern, droht man
ihm in der angegebenen Weise. Man ist bereit, ihm nicht
bloß die
Schamteile zu zeigen, sondern ihn auch mit ihnen zu
unterwerfen, um
ihn ganz zu kirren. Es fragt sich, ob das 1 і s nicht
volkglaubenmäßig
als Waldgeist zu erklären ist, statt es von einem lisu,
dem jetzigen
Sprachgebrauch folgend abzuleiten.
168 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Liegt im Hause ein Kind schwer krank darnieder und
glaubt man,
die Ursache der Krankheit wäre eine Beschreiung (böse
Augen, böser
Blick), eine Begegnung [mit einem bösen Geiste], eine
Feiertagent-
heiligung (durch Arbeit an einem kleinen Festtag —
Normatag) oder
sonst etwas, so tut man dagegen folgendes: Man scheert
mit der
Scheere einige Haare vom Zumpte des Vaters und der Voze
der
Mutter und unter der einen wie der anderen Achselhöhle
ab, wobei
man zuerst von der rechten Achselhöhle und dann vom
Zumpte (oder
der Voze), hierauf von der linken Achselhöhle nach unten
kreuzweis
scheert, denn so ist es geboten. Diese Haare legt man
auf Glutkohlen
auf und beräuchert damit dreimal den Kranken, wobei man
spricht:
Entfleuch du Wunderding vom Wunderding, hier ist dein
Sitz nicht!
Vater und Mutter haben mit Zumpt und Voze dieses Leben
erschaffen
und verteidigen es nun auch mit diesem Haarrauch, bannen
jedes Übel
von diesem Leben hinweg, denn hier ist nicht seines
VerweilensI
Entfleuch Wunderding vom Wunderding, allhier ist nicht
dein Ort!'
— Also dreimal.
7. Gegen Beschreiung bei Notdurftverrichtung.
Kad koji sere pa ga drugi vidi, da to radi, on rekne
u sebe:
'Kaćkole, kolenike; ko me vidi da ga ćastiml' Tako tri
puta. Ovo
vele, da se val ja za to da se ne bi dotićnom posle toga
dupe za-
pećatilo (dobio zatvor). — Von einem Landmann aus Levac
in Serbien.
Wenn einer scheißt und einer sieht ihn, daß er es
tut, so sagt er
im stillen: ,Zerquetsche, Spindelholz; auf daß ich den
bewirte, der mich
sieht!' Also dreimal. Man spricht, das wäre darum
geboten, um
damit dem betreffenden darnach das Arschloch nicht
zupetschiert
werden soll (er die Verstopfung nicht bekomme).
8. Wenn die Füllen hinwerden.
Bio neki pop Todosije pa jahao kobilu po parohiji.
Tada će mu
jedan parohijanin prebaciti u sali, da nije pravo, da on
kao sveStenik
jaśe kobilu. Pop Todosije se izgovaraSe, kako mu se
kobila viSeputa
żdrebila pa mu se konji ne drze, već lipsuju.
— Pa ti nisi obnosio, reće parohijanin.
— Kako da obnosim? upita pop.
— Pa da izvadis kurac pa da obneseś kobili oko pićke
i da kaźeś:
,Pop Todosije obnosi!' і da takneś kobilu kurcem po
pićki. Tako
tri puta.
Erotik und Skatologie im Zauberbarm und
Bannspruch. 169
Pop veze kobilu za plot, izvadi kurac i stanę
obnositi i gornje
reci govoriti. Nu, kako be£e pop udovac, to mu se sasvim
kurac
napne. Dva puta se odrżao i obneo, a kad je bilo treći
put, on od
razdrażenja ne mogaśe obneti, već reće:
Vala ću ga jednom opreti.
pa makar da će sve Źteta odnetil
I stera ga kobili. Ali kobila vrisne i ritne ga nogama i
odbaci da-
leko. Pop će na to reći: ,Manje ti pod rep I' — I ovo je
poslovica
koja se każe onome i onda, kad mu se neśto daje a on
nije zado-
voljan, već se ljuti i ne primi. Ova je poslovica ko
uspomena prići.
— Erzählt vom Landmann Todor Vukovic bei Poljna,
Ostserbien.
Es lebte ein gewisser Pope Theodosius, der ritt auf
seiner Stute
in der Pfarre umher. Da warf ihm im Scherz eines seiner
Pfarrkinder
vor, es wäre nicht recht, daß er als Geistlicher auf
einer Stute ritte.
Der Pope Theodosius redete sich aus, seine Stute habe
mehrmals
Füllen geworfen, doch hielten sich bei ihm die Hengste
nicht, sondern
verendeten.
— Ja, so hast du nicht umkreist, sagte das Pfarrkind.
— Wie sollte ich denn umkreisen? fragte der Pope.
— Nun, du solltest den Zumpt herausnehmen, mit ihm
der Stute
um die Voze herumfahren und dazu sprechen: .Der Pope
Theodosius
umkreist!' und dann solltest du die Stute mit dem Zumpt
über die
Voze berühren. Also dreimal.
Der Pope bindet die Stute an den Zaun an, zieht den
Zum
hervor fc und hebt zu umkreisen und die
obigen Worte zu sprechen
an. Doch dieweil der Pope ein Witwer war, so versteifte
sich ihm
der Zumpt völlig. Zweimal bezwang er sich mannhaft und
kreiste mit
ihm herum, als es aber zum drittemal war, konnte er vor
Aufregung
nicht mehr herumfahren, sondern sprach:
Beim Allah, jetzt werde ich ihn einmal anstemmen,
Und mag selbst alles der Schaden wegschwemmen I
Und rammte ihn in die Stute hinein. Die Stute jedoch
wieherte auf,
schlug mit den Hinterfußen auf ihn aus und schleuderte
ihn weit weg.
Darauf bemerkte der Pope: .Dafür kommt dir weniger unter
den
Schweif? — Auch das ist ein Sprichwort, das man jenem
und bei
einem solchen Anlass sagt, wenn man ihm etwas gibt, er
aber nicht
zufrieden ist, sondern sich ärgert und die Gabe nicht
annimmt. Dies
Sprichwort ist wie eine Erinnerung an die Erzählung.
Anmerkung. Wenn einer den Fall nicht kennt, versteht
er na-
170
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
türlich auch die Anspielung des Sprichwortes nicht.
Unser Sprichwort
ist klarer: Tu dem Hund ein Gutes an, billt er. — Die
Stute hätte
eine ausgiebige Erquickung vom ausgerasteten Popen
empfangen und
sie verschmähte sie. Der Pope ruft ihr darum zu: Es ist
nur dein
Schaden! — Im Scherz hält der Bauer dem verwitweten
Popen, der keine
zweite Ehe eingehen darf, vor, sein Daherreiten auf
einer Stute brächte
ihn in den schlimmen Verdacht eines Sodomiten. Als ihm
der Pope
entgegnete, er kenne sich nicht helfen, weil sich bei
ihm Hengste nicht
hielten, da beriet ihn der Bauer im Ernste, wie er den
wirksamen
Zauber zugunsten der Hengste anstellen solle. Der Pope
ist selbst-
verständlich von der Zweckmäßigkeit des Zaubers, so gut
wie der
Bauer, innerlich überzeugt. Sein christlich geistlicher
Beruf erweckt in
ihm auch keine den uralten Volksglauben hemmenden
Vorstellungen von
einer Ungehörigkeit der Zauberbannveranstaltung,
umsoweniger als
von vornherein damit eine Pflicht zur Beschälung der
Stute nicht ver-
bunden war. Im übrigen gilt Sodomie bei dem Volke als
keine Sünde
oder gar als ein Verbrechen, der Pope sah nur ein, daß
er mit seiner
Leidenschaft den Zauber vernichte.
9. Bannspruch gegen Ungewittergeister.
Kad grad (tuća) hoće da ubije, onda se neka baba (iii
covek)
otkrije pa okrene guzicu ka oblaku i govori: ,Beźi
cudo od cuda, ovde
je veće cudo!' Tako tri puta. — Mitgeteilt vom Landmann
Stanoje
Matić aus Levac, Serbien.
Wenn der Hagel (-Schlag) [die Felder] zu vernichten
droht, da soll
sich ein altes Weib (oder ein Mann) aufdecken, den Arsch
der Wolke
zukehren und sprechen: »Fleuch, o Wundererscheinung, vor
der Wunder-
erscheinung! allhier ist ein größeres Wunderl' Also
dreimal.
Anmerkung. Über die Ungewittergeister vergl. Krauss,
Süd-
slav. Hexensagen, Wien 1884 und: Volksglaube u.
religiöser Brauch
d. Südsl. — Über die Entblößung als Abwehrmittel vergl.
Anthrophyteia
I. S. і f., III. S. 352. N0. 522; über den indischen
Brauch Richard
Schmidt, Liebe und Ehe in Indien, und allgemeinere
Nachweise,
Ploss-Bartels, D. Weib in d. Natur- u. Völkerkunde,
VIII. Aufl., wo
namentlich auch der Japan, Brauch angeführt ist — Den
bösen Geist
verblüfft und verscheucht man durch den nackten Leib.
Vergl. Anthro-
pophyteia I. S. 172 f. N0. 143 und 144. Diese Schnurren
verwerten
scherzhaft den Volksglauben als Grundmotiv.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
171
10. Entblößung zum Schutz der Füllen oder der Kälber.
Kad se kobila ożrebi ili krava oteli, da mladunce ne
bi urekle
zle oći, otkrije se pred prolazećeg domaćin iii
domaćica. — Mitgeteit
vom Landmann Stanoje Matić aus Levac, Serbien.
Wenn eine Stute ein Fohlen geworfen oder eine Kuh
gekalbt hat,
so deckt sich, damit böse Augen die jungen nicht
beschreien können
sollen, der Hausvorstand oder die Hausvorsteherin vor
dem [ersten]
Vorübergehenden [der des Weges kommt, den Hintern oder
auch die
Schamteile] auf.
Anmerkung. Der erste, der einem begegnet, ist im
guten oder
bösen Sinne die Begegnung: sreća oder nesreća, Glück
oder Unglück.
Das Füllen oder das Kalb stellt eine Vermehrung des
Hauswohlstandes
vor und der erweckt den Neid. Der Ersthinzukommende
braucht an
sich mit dem bösen Blick gar nicht begabt zu sein, der
böse Geist
jedoch mag ihn für den besonderen Fall zur Verübung
seiner Tücke
trotzdem mißbrauchen. Ein kluger Mensch hält sich über
den Anblick
der Schamteile nicht auf und richtet keine Frage an den
Mann oder
die Frau, sondern wartet die Mitteilung der Neuigkeit
ab. Darauf
spuckt er aus oder, wenn man ihm das Füllen oder das
Kalb zeigt,
spuckt er es an und sagt: ne valja ti niśt! (es taugt
dir gar nichts 1)
oder grdno ti Ii je, ba5 je rużnol (das ist dir recht
greulich, es ist
wahrhaftig häßlichl) Damit bannt auch er jeden
nachteiligen Zauber
und man bewirtet ihn als einen wohlmeinenden Freund mit
Brannt-
wein und einem Imbiss.
Havelock Ellis (Die krankhaften
Geschlechts-Empfindungen auf
dissoziativer Grundlage, deutsch v. Dr. Ernst Jentsch,
Würzburg
1907, S. 213—217) widmet im Anschluß an Ploss-Bartels
und
Dr. Iwan Bloch der Entblößung eine lehrreiche
Auseinandersetzung,
in der er die Handlungweise des Exhibitionisten im
abendländischen
Kulturkreise als ein pseudoatavistisches Wiedererwachen
des Phalli-
zismus bezeichnet Dem ist entgegenzuhalten, daß der
südslavische
Landmann mit seiner Entblößung eine Kulthandlung
vollzieht, der
die erotischen Absichten unserer Exhibitionisten
gänzlich fernliegen.
Wenn das Weib in ihrer Wut dem verhaßten Gegner den
nackten
Hintern zeigt, so ist dies auch keine erotische
Bloßstellung ihrer
Reize, sondern eine sinnfällige, jeden Zweifel
ausschließende Auffor-
derung, ihr in den After hineinzublasen oder mit der
Zunge den After
auszuwischen. Das hat auch nichts mit dem Phallizismus
zu tun und
ist wohl nicht als dessen letzter Niederschlag
aufzufaßen, wie dies
Ij2 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Ellis zu meinen scheint. Er bemerkt (S. 215): Jch
meine nämlich die
Exhibition der Nates als Zeichens der Verachtung. In
ihrer ursprüng-
lichen Form ist dieser Exhibitionismus zweifellos eine
Art Exorzismus,
eine Methode, zunächst böse Geister zu bannen, weiterhin
unangenehme
Menschen fortzuscheuchen. Es ist das einfachste Mittel
des Weibes,
das sexuelle Organ zu exponieren und besitzt deshalb
ebenfalls alle
die mystischen Eigenschaften, die das Enthüllen der
sexuellen Region
bei Naturvölkern mit sich bringen soll. Es wird erwähnt,
daß bei
manchen Balkanvölkern auch diese Geste von den Weibern
in der Schlacht
ausgeübt wurde .... Die Verwendung der Attitude inbezug
auf böse
Geister geht indes verloren mit dem Verschwinden der
naiven Vor-
stellungen, sie erhält sich dann rein als Ausdruck von
Beleidigung.
Die Symbolik erstreckt sich dann auf die Rolle der Nates
als Exkretion-
region im Anus und abstrahiert von der Möglichkeit jeder
sexuellen
Attraktion dieses Körperteils.' — Die chrowotischen
Gutbesitzer
zwangen unfolgsame Untertanen, ihnen den After zu
küssen. So war
es bis zum Jahre 1848 Brauch oder Recht. Die Bäuerin,
die ihr nacktes
Gesäß dem Beleidiger zeigt und ihn auffordert, ihr einen
solchen Dienst
zu erweisen, hat nur nicht die Macht eines vormärzlichen
chrowotischen
Tyrannchens, wenn auch den gleichen, bösen Willen. Wenn
das Sym-
bolik wäre, wie schaute Realität aus?
11. Wie die Mutter von ihrem Kinde die Beschreiung
bannt.
Kad se drżi da su decu urekle zle осі onda se protivu
toga baje:
,Beźi pogan od pogani, ovamo je gori pogan!' Tako tri
puta a svaki
put se pipne zu pićku i huknę u ruku. Zatim: Ova ruka
krsta nema,
na moje dete (po imenu) urok nema l' Tri puta. ,Beżi
pogan od
pogani, ovamo je gori pogan!' Tri puta. Zatim podigne
prednji
skut kośulje pa istim obriśe lice detinje govoreci:
,Kakva mlada ne-
vesta, onakvim se ubrusom ubrisala; kakav kum, takvim se
kanavcem
ubrisao!' Tri puta. ,Beźi pogan od pogani, ovamo je gori
pogan!'
Tri puta. — Mitgeteilt vom Landmann Stanoje Matić aus Le
vac,
Serbien.
Wenn man dafür hält, daß böse Augen Kinder beschrien
haben,
so wendet man dagegen folgende Bannsprüche an: ,Fleuch
Unflat vom
Unflat, allhier ist der größere Unflat!' Also dreimal
und jedesmal tastet
sie [die Mutter oder sonst eine Bannerin] auf die Voze
und haucht sich
in die Hand, Hernach: ,Diese Hand hat kein Kreuz, auf
meinem
Kinde (namentlich) ruht keine Beschreiung!' Dreimal,
,Fleuch Unflat
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
17З
vom Unflat, allhier ist ein größerer Unflat!'
Dreimal. Hierauf hebt
sie den vorderen Hemdschoß in die Höhe, wischt damit dem
Kinde
das Angesicht ab und spricht dazu: ,So wie die junge
Frau [be-
schaffen ist], mit eben einem solchen Wischtuch soll sie
sich das
Gesicht abwischen; wie der Gevatter [ausschaut], mit
einem solchen
Fetzen soll er sich das Gesicht abwischen!' Dreimal.
.Fleuch Unflat
vom Unflat, allhier ist der größere Unflat/ Dreimal.
Anmerkung. Der Beschreiunggeist ist an und fur sich
ein Un-
flat, doch von dem besudelten Kinde, das noch ärger
besudelt ist
wird er sich abwenden müssen. Wenn der Geist weiblich
ist, so macht
ihn die schönrednerische Ansprache Junge Frau, ist er
männlich, die
eines Gevatters, milde gesinnt; umso weniger wird die
Waldgeistin ge-
neigt sein, ihr Gesicht mit dem nach der
Vozenauscheidung riechenden
Hemdschoß und der Geist mit einem groben Leinenfetzen
das Gesicht
abzuwischen und lieber die Flucht ergreifen. Die Worte:
.Diese Hand
hat kein Kreuz' gedenke ich späterhin im Zusammenhang
mit anderem
Volksglauben des näheren zu besprechen. Im alten Latium
schützte
man die Kinder vor dem Blick des Neides durch ein
eigenes Amulet,
durch das Anhängsel eines Fascinum, wovon sich die
Schamhaftigkeit
abwandte. Die gefurchtete Invidia wird nach dem Glauben
des
Altertums umso sicherer abgewehrt, je widriger, je
ekelhafter der An-
blick ist, dem man sie vorhält, bemerkt Dr. Franz
Fiedler in seiner
vorzüglichen Abhandlung über antike erotische Bildwerke,
Xanten
1839. Das Wort Schamhaftigkeit im ersteren Satze ist
eine Auslegung
Fiedlers, die Voraussetzung einer Vorstellung, die dem
primitiven
Menschen in diesem Falle abartig war. Ich bemerke, daß
ich bei
südslavischen Bauern niemals Zumpt- und Vozenfigürchen
als Amulete
für Kinder gefunden, dagegen etwas davon bei spanischen
Juden in
Bosnien. Ich brachte aus Bjelina in Bosnien ein mit
allerlei Zierrat
behangenes Kinderhäubchen mit, das auch mit roten
Korallen ge-
schmückt ist, die beiläufig als Zumpte gedeutet werden
können. Das
Häubchen schenkte ich dem k. k. naturhistorischen
Hofmuseum
in Wien.
Nach Dr. M. Toppen, Aberglauben aus Masuren, Danzig
1867,
S. 51 u. 52, den Frischbier a.a.O. S. 91 f. anführt, war
noch vor
50 Jahren der gleiche Zauber gegen den Urok
gebräuchlich, freilich
in einer Form, die das Erotische des Bannes kaum noch
ahnen läßt;
Zur Heilung des Urok wischt man bei einem Manne mit
Frauen-
kleidern, und bei einer Frau mit Männerkleider bloß über
das Gesicht
i ją Erotik und Skatologie im Zauberbann
und Bannspruch.
12. Guzicu zubima dovatiti.
Kad se za guzicu zubima dovatila, tadar mi naudilal —
Tako se
każe, kad ko korne prijeti, iii kad ko vraca, da ga ne
izije yjeśtica iii
da mu kaka żena cinima ne naudi. — Aus dem bisher
ungedruckten,
in der kgl. serb. Nationalbibliothek zu Belgrad
aufbewahrten Nachlass
Vuk. Stefanovic Karadzics.
Den Arsch mit den Zähnen ergreifen.
Wenn du mit den Zähnen dich beim Arsch wirst gepackt
haben,
dann sollst du auch mir einen Schaden zufügen können! —
So spricht
man, wenn einer einem droht [und man seine Absicht
zunichte machen
will] oder wenn einer zaubert, damit ihm eine Hexe das
Herz nicht
ausfressen oder irgend ein Weib mit ihren Zaubereien
einen Schaden
zufügen soll,
Anmerkung. Der Naturmensch ist mit dem Mammut und dem
ganzen Heer der Giganten der Vorwelt fertig geworden,
wie uns dies
so schön Abels und Wilser in ihren gemeinverständlichen
Schriften
lehren, er rottete auch alle seine nahen
Urstammverwandten aus, die
nicht so schlau und listig wie er waren, seiner Tücke
und Furcht-
losigkeit erliegen alle Teile der bewohnbaren Erde, nur
vor den un-
faßbaren Mächten seiner Traumwelt, vor den halb und halb
seiner
Phantasie entsprungenen Gestalten erfaßt ihn endloses
Entsetzen. Er
merkte, daß sich ihm diese Gestalten nicht selber
entgegenstellen,
sondern sich wieder Menschen, seinesgleichen, als
gefugiger Werk-
zeuge bedienen oder daß sie in den Dienst von Menschen
gezwungen,
Unheil stiften. Um sie zu entkräften, stellt er ihnen,
wie er glaubt,
zunächst unlösbare Aufgaben zur Lösung, so die, sich
vorerst mit den
Zähnen in die Arschbacken zu beißen. Man ersieht daraus,
daß dem
oder auch vom Kopfe bis zum Fuß des Kranken und
spuckt dabei
dreimal aus. Oder man fahrt dem Kranken mit neun
veschiedenen
Tüchern oder Lappen über das Gesicht; auch genügt ein
schon ge-
brauchtes Handtuch, wenn das Überfahren nur im Namen des
drei-
einigen Gottes geschieht.'
In den serbischen Bannsprüchen, die ich hier
veröffentliche, macht
sich noch kein christlicher Glaubeneinfluß, wie in den
masurischen
und noch mehr in den deutschen bei Frischbier, irgendwie
bemerkbar.
Die Worte oben: ,Diese Hand hat kein KreuzI' schalten
sogar ab-
sichtlich das christliche Zeichen aus.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. Ijrg
Naturmenschen die Kunst der Gliederverrenker oder
Schlangenmenschen
unserer modernen Varietes gänzlich unbekannt gewesen
sein muß.
Derartige für die Erwerbung seines Lebensunterhaltes und
zum Schutz
seiner Weiber und Kinder jedenfalls ganz zweck- und
nutzlose Leib-
übungen nahm er nicht vor, doch deren Möglichkeit faßte
er ins
Auge. Unsere Gelehrten sind geneigt, den Naturmenschen
für eine
Art von dummem Kerl zu halten, weil er mit
unvollkommenen Werk-
zeugen und mit einer wenig entwickelten Sprache sein
Auslangen
fand. Aber man übersieht, daß er mit seinen Werkzeugen
die Welt
erobert hat und daß eine unvollkommene Sprache durchaus
nicht ein
unvollkommenes Denken bedingt. Seine Voraussetzungen
sind nur
naturwissenschaftlich verfehlt, sein Denken jedoch
ebenso logisch, wie
das seiner späten und undankbaren Nachkommen.
13. Prvo żeńsko pranje.
Kad żeńsko prvi put dobije pranje (vreme), onda od
one krvi
valja na jednom obrazu da naćini krst pa kad je ko
zapita, śto joj je
to na obrazu a ona neka rekne toliko puta: ,dan i noći'
koliko dana
i noći żeli da joj traje pranje pa će joj ono uvek po
toliko trajati. —
Mitgeteilt von einem Bauernmädchen aus der Sumadija in
Serbien.
Die erste weibliche Reinigung.
Wenn ein Frauenzimmer zum erstenmal die Reinigung
(die Zeit)
bekommt, dann ists gut, daß sie auf einer Wange mit
jenem Blut ein
Kreuz malt, und fragt sie wer, was sie auf der Wange
hätte, so sage
sie sovielmal: ,Tag und Nacht!' als sie wünscht, daß
ihre Periode währe,
und so wird sie dann jeweilig solange nur dauern.
Anmerkung. Die Blutung verursacht ein Geist, der über
das
Frauenzimmer Gewalt erlangt. Den bannt die Heimgesuchte
auf einen
bestimmten Zeitraum. Vergl. den Abschnitt über den
Glauben vom
Ursprung der Menstruation, Ploss-Bartels, Das Weib in
der Natur-
u. Völkerkunde, Leipzig 1905. VIII. Aufl. I. S. 482—487.
14« Zauberbann gegen Menstruation.
Kad cura osjeti prvi put vrijeme neka odma na jedan
dah triput
każe: ,Dvadest i ćetiri sata! Dvadest i ćetiri sata!'
Onda ne će nikąd
imat vrijeme dulje od dvadest i ćetiri sata. —
Mitgeteilt von einem
chrowotischen Taglöhner in Pożega (Slavonien).
Wenn ein Mädchen zum erstenmal ihr Monatliches
verspürt, so
soll sie sogleich in einem Atem dreimal sagen:
,Vierundzwanzig
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Stunden! Vierundzwanzig Stunden! Vierundzwanzig
Stunden!' Darnach
wird sie ihr Monatliches niemals länger als 24 Stunden
haben.
Anmerkung. Sie spricht die vier Bannworte neunmal.
Der
Geist der monatlich ins Frauenzimmer hineinfährt und die
Blutung
verursacht, muß sich der Neunzahl fügen. Über die
Heiligkeit der
Zahlen im Glauben der Völker vergl. die Literatur in der
allgem. Me-
thodik d. Volkskunde, von L, Scherman und F. S. Krauss,
Erlangen
1899, S. 101 f., zu der noch Weinholds Abhandlung über
die Neun-
zahl (Schriften der Kgl. Akad. in Berlin) hinzukommt. —
Ich erwähne,
daß der Bann in vielen Fällen scheinbar erfolgreich
wirkt, denn chro-
wotische Bauernmädchen leiden gewöhnlich nicht solange
an der Men-
struation, wie ihre Schwestern in den Städten. Bei der
Städterin
dauert die Blutung meist 8—10, bei der Bäuerin nur 2—3
Tage. Zwei
Stadtmädchen erwiesen mir, als ich noch Gymnasiast war,
die Ehre, mich
eine Art von Tagebuch über den Anfang und das Ende ihrer
Perioden
fuhren zu lassen, im Glauben sie dadurch abzukürzen,
weil damals dunkel-
rotes Haar mein Haupt zierte. Soviel ich jetzt davon
begreife, ver-
banden sie damit die Absicht, ihr Leiden auf meinen Kopf
zu lenken.
Genützt hat ihnen der Zauber nicht im geringsten.
15. Bannspruch gegen den Teufel.
Jebem ga pod levo koleno! Tako każe svaki kad pomene
gjavola.
Mitgeteilt vom Landmann Stano je Matić aus Levac in
Serbien. All-
gemein.
Ich vögle ihn unter das linke Knie! So sagt jeder bei
Erwähnung
des Teufels.
Anmerkung. Herr Dr. Alexander Mitrovic in Knin
schrieb mir:
Kod nas se ćuje rijeć: ,Poljubi vraga ispod lijevog
koljena!' Ćuje se
u smislu-tako mi je rećeno da pojebe żeńsko. Kad stigne,
da poljubi
ispod koljena, butinu golu, tada je već stigao i do
pićke. (Bei uns
hört man das Wort: ,Küss den Teufel unter dem linken
Knie!' Man
hört es in dem Sinne — so hat man mir gesagt — er möge
ein
Weibsbild abvögeln. Erreicht er es, daß er unter dem
Knie den
nackten Schenkel küsst, dann ist er auch bis zur Voz
angelangt.)
Die Aufklärung gibt keine Erklärung des Bannspruchs. Die
zweite
Fassung bezieht sich auch nicht auf den Teufel als bösen
Geist,
sondern nur auf ein Weib, das einer wohl leicht genießen
kann, wenn
er sie bereits auf den nackten Schenkel küssen darf. Im
übrigen ist
mir dieser Vorgang sonst nicht bekannt. Unser erste
Spruch enthält
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
eine Drohung, die den Teufel abschrecken soll, zu
erscheinen. Dunkel
ist mir nur, welche Stelle unterm linken Knie gemeint
ist Welche
ursprüngliche und jetzt vergessene Vorstellung vom
Körperbau des
Teufels mag die Entstehung dieser Formel hervorgerufen
haben?
Ein Dachs suchte eines Bauern Maisfeld heim. Als alle
Vorkehrungen
zur Vertreibung des Dachses nichts nützten, drohte ihm
der Bauer
Jebaću te! (ich werde dich vögeln!) Da kam der Dachs nie
wieder.
16. Na kurcie prdnuti.
Iśo soldat a sretne żene: ,Dobar dan, zloćeste żenel'
— A jedna
se javi: ,Pa odakle ti znaś, da sam ja zlocesta?' — ,Pa
kad divanisl'—
,Prdni mi na kurćićl1 odgovori żena i ode
svojim putem. — Von einer
Bäuerin aus Petrovo selo, Slavonien. •
Auf den Kitzler farzen.
Ein Soldat gieng daher und begegnete Weibern: ,Guten
Tag, ihr un-
glückseligen Weiber!' — Da meldete sich eine von ihnen:
Ja, woher weißt
du denn, daß ich unglückselig bin?' — ,Nun, dieweil du
redest!' —
,Farz mir auf den Kitzler!' antwortete das Weib und
gieng ihres
Weges weiter.
Anmerkung. Der Soldat sagte nicht einfach ,Ihr bösen
Weiber*
(zle żene), sondern mit Absicht zloćeste ż. ,mit bösem
Geschick
bedachte, unglückselige, W.', und damit beschrie er sie.
Um den
Zauber zu bannen, lädt ihn das Weib zu einer Handlung
ein, die ihn
als Lustknaben erscheinen läßt. Ein Mann hätte dafür
gesagt: prdni
mi na kurac (farz mir auf den Zumpt!), nämlich bei der
Hingabe des
Afters an den stärkeren, den Bezwinger. Es maßt sich
also das Weib
in diesem Falle die Rolle eines Pygerasten an und der
Soldat verfiel
der Lächerlichkeit, die nach dem Volksglauben jeden
Zauber vernichtet
17. Guzicom vrata otvorati і zatvarati.
Bio nekakav Milos ćobanin. Ondak on cuva ovee
pa uzbija, zav-
raća ovee. Ondak on vodi, da pije vode. Ondak njega
pitala druga,
śto S njime cuvala ovee: ,Śta ćeS ti, Milos?' —
,Idem se, sestro, napit
vode'. — Ide on vodi. Dogje on k vodi a vise vode
ploća a vise
nje vila. Ondak on otrgne granu jelovu pa udari vise
glave njoj, da
joj bude lad. I ondak on se napijo vode i otiśa. E, on
je otiśa i
vraca ovee a onamo druga njegova u ładu sigjela. Dogje
vila preda
nj: Jesi 1 ti udario granu viae mené?' — A on
veli: Jesam'. — ,E,
Krauss, Anthropophyteîa. 12
178
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
kad jesi, ti dogji po podne opet na vodul' — ,E, on
je onda otiśa
na vodu i nju naśa na vodi. Napije se vode a ona ga mało
pośpri-
cala a on je vilu zagrlio i onda ona skinę sa svoje
glave krunu і
ondak se poljubila ś njim i ondak mu puśtila jebat, i
ondak je on
nju izjeba dvaput i ondak ona njega poljubila triput
Milos ode kuci a nosi sobom krunu. Vila ne
more ostati, ide za
krunom każe on materi i ocu: ,Tako i tako. Hocete li, da
ona pogje
za mnom?' — ,E, pa dobro l' — I ondak se oni ożene i
yjenćaju.
Źiyjeli su skupa osam godina i imali su cetvero djece,
dvoje muśki a
dvoje żeński. Iza osme godine viii se nije tilo biti
żenom, već vilom
a ćoek njezin, Milos, cuva krunu, da se vila nje
ne domogne. Doz-
nała ona jednoć, gje je Milos cuva pa polako,
polako do onog mjesta,
ugrabi je pa vratima. Vrata guzicom otvorala i triput
govorila: ,Sama
sebi ućinila, sama sebi vrata guzicom otvoralaI' — I
onda ode, nikada
je vise! — Erzählt von einem zwanzigjährigen Schäfer in
einem Dörf-
chen bei Cazin in Bosnien.
Mit dem Arsch die Türe öflhen und schließen.
Es lebte mal ein gewisser Milos, der ein Hirte war.
Alsdann weidet
er Schafe und treibt sie zu Häuf zurück. Alsdann geht er
ans Wasser,
um Wasser zu trinken. Alsdann fragte ihn seine
Gefährtin, die mit ihm
Schafe hütete: ,Was hast du vor, Milos?' — ,Ich
gehe mich, Schwester,
mit Wasser antrinken/ — Er geht zum Wasser. Er kommt zum
Wasser
hin, oberhalb des Wassers befindet sich eine Steinplatte
und ober
ihrer eine Vila. Alsdann riss er einen Tannenzweig ab
und steckte
ihn zu ihren Häupten in die Erde, damit sie im Schatten
ruhe. Und
alsdann trank er sich mit Wasser an und entfernte sich.
Ei, er war
weggegangen und trieb die Schafe zusammen, dort aber saß
seine
Gefährtin im Schatten. Die Vila trat vor ihn hin: ,Hast
du oberhalb
meiner einen Zweig in die Erde gestellt?' — Und er
spricht: ,Ich habe
es getan/ — ,Ei, wenn du es getan hast, so komm du
nachmittags
wieder ans Wasser!' — Ei, er ist alsdann zum Wasser
gegangen und
hat sie am Wasser angetroffen. Er trank sich mit Wasser
an; sie aber
hat ihn ein wenig angespritzt, worauf er die Vila
umhalste und alsdann
nahm sie von ihrem Haupt die Krone herab und dann küsste
sie sich
mit ihm und alsdann gab sie sich ihm zum vögeln hin, und
alsdann
hat er sie zweimal ausgevögelt und alsdann hat sie ihn
dreimal
geküsst
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. ijg
Milos begab sich nach Haus und trägt die Krone
mit sich mit.
Die Vila kann nicht zurückbleiben, sie geht der Krone
nach. Spricht
er zu Mutter und Vater: ,So und so steht es. Wollt Ihr
wohl, daß
sie die meine werde?' — Ei, nun gut!' — Und alsdann
heirateten sie
und ließen sich trauen. Sie lebten acht Jahre lang
zusammen und
hatten vier Kinder, zwei männliche und zwei weibliche.
Nach dem
achten Jahre behagte es der Vila nicht länger ein Weib
zu sein, son-
dern wollte wieder zur Vila werden, ihr Gatte jedochf
Milos, behütet
die Krone, damit die Vila sie nicht erlange. Einmal
erspähte sie, wo
Milos sie, die Krone, aufbewahrt, und sachte,
sachte [schleicht sie] zu
jener Stelle, erwischt sie und [eilt] zur Türe hin. Die
Türe schloß sie
mit dem Arsche auf und sprach dazu dreimal: ,Allein habe
ich es mir
getan, allein mir die Türe mit dem Arsche geöffnet!' —
Und alsdann
entwich sie, niemals sah man sie wieder!
Anmerkung. Die Vila tat nichts anderes als was sonst
eine
Chrowotin oder Serbin macht, wenn sie ihrem Ehegemahl
dartun will, daß
sie ihn für immer verlasse. Mittags tut sie es und am
Abend kehrt
sie wieder gewöhnlich von selber zurück, um beim
nächsten Streit
dasselbe Arschspiel von neuem aufzuführen. Mit dem Arsch
eine
Türe zu öffnen und wieder zu schließen erscheint uns
Männern in
unserer Kultur als ein Kunststück, weil wir wegen der
bauschigen Kittel
und Röcke unserer Modedamen leicht übersehen oder es
vergessen,
daß die Weiber von Natur aus Arschakrobatinnen sind.
Tales gab
der Witwe Wetti Himmlisch den Rat, die „Psychologie der
Kehr-
seite" zu schreiben und sie verspricht in ihrem rasch zu
großer Be-
liebtheit gelangten Büchlein diese Aufgabe zu lösen,
liefert aber dafür
eine Reihe lustiger Erlebnisse, ohne dem eines Forschers
würdigen
Gegenstande weiter eine Beachtung zu widmen. Das Weib
spricht
mit dem Gesässe. Es gibt eine Arschgeberdensprache des
Weibes.
Daß in unserem Falle ein Zauber mitunterläuft, beweist
deutlich der
Vilenspruch. Allerdings vermag ich in Ermanglung
weiterer tatsäch-
lichen Erhebungen über den Ursprung und den Glauben nur
Ver-
mutungen aufzustellen. Es dürfte sich damit ähnlich
verhalten, wie
mit dem Dreckhaufen, den Diebe am Tatorte zurücklassen,
um ihre
Spur zu verwischen. Erwähnen muß ich, daß die
chrowotische Bäuerin
zu Markte, wenn sie eine Gans verkauft hat, dem Käufer
die Gans
mit deren Hintern voraus überreicht, damit er ihr, der
Bäuerin, das
Glück nicht wegtragen oder auch, damit er selber mit der
Gans kein
Glück haben soll. Die mit dem Glauben Vertrauten weigern
sich da
12*
Igo Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
die Grans aus der Hand der Bäuerin zu übernehmen,
sondern bestehen
darauf, sie vom Boden selber aufzuheben, so daß ihnen
der Ganskopf
zugekehrt ist
18. Kako je mornar pojebao staricu.
Bio njeki mornar u velikoj pogibelji zivota. More je
straSnom
hukom udaralo u njegovu lagju. Njekoliko puta more ga je
zapljus-
nulo i na pola napunilo lagju. Videci, da bi mogao lako
utopiti se
zareće se, da će pojebati najstariju zenu, koju nagje u
selu, gdje bi se
źiv i zdrav iskrcao. Sreća ga posluźi te dogje kraju żiv
i zdrav. Po-
traźi u selu najstariju iensku. Namjeri se na babu od
preko osam-
deset godina. Prevali je na tle i pojebe je. Kad je
svrsio svoj posao,
baba se joś valjala po travi. ,Diźi sel' vikao joj
mornar. — ,Ne diraj
me', odgovori mu baba, ,neka mi ova slast progje kroz
sve kosti.
Nijesam je davno osjetilal'
Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic
in
Knin.
Wie ein Seemann eine Greisin abgevögelt hat.
Ein Seemann befand sich in großer Lebensgefahr. Das
Meer
schlug mit furchtbarem Tosen auf sein Schiff ein.
Einigemal brachen
die Wogen über seinem Schiffe zusammen und füllten es
zur Hälfte
mit Wasser an. Als er sah, daß er leicht ertrinken
könne, gelobte
er, das älteste Weib abzuvögeln, das er in dem Dorfe
anträfe, wo er
gesund und mit heiler Haut landen würde. Das Glück
erwies sich
ihm günstig und er landete gesund und heil am Gestade.
Er suchte
im Dorfe das älteste Weib auf. Der Zufall brachte ihm
eine Greisin
von über achtzig Jahren entgegen. Er warf sie zu Boden
um und
vögelte sie ab. Nachdem er sein Werk vollendet, wälzte
sich die
Greisin noch auf dem Grase herum. ,Erheb dich!' schrie
sie der See-
mann an. — ,Laß mich in Frieden,' antwortete ihm die
Greisin, ,es
soll mir diese Lust durch alle Knochen dringen. Längst
habe ich sie
nicht mehr empfunden!'
Anmerkung. Den Sturm riefen die nach Menschenleben
gie-
renden Seegeister hervor. Sie wollen ein Leben unnütz
vernichten.
Der geängstigte Seemann schlägt ihnen zur Besänftigung
und Ablösung
für sein Leben ein Geschäft vor. Er will ihnen seinen
lebenschaffenden
Samen opfern, indem er ihn dessen Bestimmung entgegen
unnütz an-
baut und dabei auf jeden Genuß verzichtet Er bringt ein
Opfer dar
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. jgj
und vollzieht damit eine Kulthandlung zur
Befriedigung der bösen
Geister. Daß die Greisin an der Vergewaltigung ein
großes Vergnügen
fand, ist an und für sich ein komischer Nebenumstand,
deswegen die
Geschichte überhaupt erzählt wird, die, was uns die
Hauptsache ist,
noch in unseren Tagen die Fortdauer einer uralten
allgemein mensch-
lichen Glaubenvorstellung zuverläßig bezeugt
19« Geschlechtbestimmung.
Ako se hoće, da bude muśko dijete, onda ćoek jebe pod
kapom,
ali se ne smije smijat ni jedno ni drugo. Ako se hoće,
da bude żeńsko
dijete, onda ćoek zenu jebe bez каре a mogu se smijati.
U Vrhovcim ima jedna żena, koja ima samu żensku
djecu. Kad
je je jebo ćoek pod kapom, ona se nasmijala pa zato je
rodila żensku
gjecu a ćoek je zato i tuce. — Mitgeteilt von einer
Bäuerin aus
Vrhovci (wo die Ruinen einer türkischen Burg stehen) bei
Pożega in
Slavonien.
Will man einen Knaben zeugen, so vögelt der Mann mit
der
Kappe auf dem Kopfe (bedeckten Hauptes), doch darf dabei
weder
das eine noch das andere lachen. Will man ein Mädchen
zeugen, so
vögelt der Mann unbedeckten Hauptes das Weib und lachen
dürfen
beide dabei.
Zu Vrhovci lebt ein Weib, das lauter weibliche Kinder
hat Als
der Mann bedeckten Hauptes sie vögelte, brach sie in ein
Lachen
aus und darum gebar sie weibliche Kinder, und der Mann
haut sie
auch deswegen.
Anmerkung. Lachen verscheucht im allgemeinen Geister,
in
diesem Fall auch den guten Geist, der die Knaben macht
20. Dreck vertreibt den Krankheitgeist.
Kad se neko pożali, da ga boli guśa, każe mu se:
,Govno ti u
guśi!' Tako se valja, da boljka brże progje i da se ne
bi prilepila na
zdravog. — Mitgeteilt vom Landmann Stanoje Matić aus
Levac in
Serbien.
Beklagt sich einer über Schmerzen in der Kehle (oder
im Unter-
kinn, dem Goderl), so sagt man zu ihm: ,Ein Dreck stecke
dir in der
KehleIe So muß man tun, damit der Schmerz
ehestens vergehen und
damit er nicht auf einen Gesunden ankleben soll.
Anmerkung. Übersetzte man: ,Dreck steckt dir in der
Kehlel1
so wäre dies eine Beleidigung des Kranken. Die
Absicht ist aber die,
l82
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
mit einem Wunsch den die Krankheit verursachenden
Geist zu bannen.
Unrat vertragen die Geister nicht. Darum scheißt man
einem toten
Feinde aufs Grab. Der Geist kehrt nicht mehr in den Leib
zurück
und irrt unstät umher.
21. Dreck hebt die Kraft des Verleumders auf.
Kad nekome izagje ćirić na vrh jezika, onda se to
zove jaśterica.
Veruje se, da ona izilazi samo tada, kad neki laże za
doticnoga.
Protivu toga se baje, kad se tri puta prstom dodirne
jaśterica i dupe,
govoreci: ,Ko mi laże ovde (pipne jaśtericu), izeo mi
ovdel' (pipne
dupe). Mitgeteilt vom Landmann Stanoje Matić aus Levac,
Serbien.
Wenn einem auf der Zungenspitze ein Geschwürbläschen
entsteht,
so heißt man dies eine Hitzpustel. Man glaubt, sie trete
nur in dem
Falle auf, wenn irgend wer über den Betreffenden
lügnerische Gerüchte
ausstreut Dagegen gebraucht man den Zauber, indem man
dreimal
mit dem Finger die Hitzpustel und das Arschloch berührt
und dabei
den Bann spricht: ,Wer mir hier lügt (man berührt die
Hitzpustel),
soll mir von hier [den Dreck] ausfressen!* (man berührt
das Arschloch).
Anmerkung. Dreck fressen mag auch der Lügengeist
nicht,
folglich muß er das Verleumden aufgeben.
22, Dreck gegen die Mutter.
Ako se hoće da sin ne trpi matere, onda treba od
materinog
govna malo uzet, to isuśiti na crijepu na peći i sinu u
jelo metnuti
i kazati: ,Kako to govno smrdi, tako i oni jedno drugom
smrdili!1 —
Erzählt von einer Bäuerin aus der Broder Gegend,
Slavonien.
Will man es erreichen, daß der Sohn eine Abneigung
gegen die
Mutter hege, braucht man ein wenig vom mütterlichen
Dreck zu
nehmen, ihn in einem Scherben auf dem Ofen
auszutrocknen, dem
Sohne in die Speise hineinzumengen und dabei zu
sprechen: ,So wie
dieser Dreck stinkt, so mögen auch sie einander
zustinken!'
23. Dreck unter Liebeleuten.
Kad hoće ćoek da omrazi żeni svalera iii żena ćoeku
inoću turiće
on njoj iii ona njemu govno za cipelu pa će kazati:
,Kako ovo govno
smrdi, tako ona njemu (njoj) smrdi I' — Mitgeteilt von
einer Bäuerin
aus einem Dörfchen bei Poźega, Slavonien.
Will ein Ehemann seinem Weibe den Chevalier oder die
Frau
dem Manne die Kebsin verhasst machen, so steckt er ihr
oder sie
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
183
ihm in den Schuh einen Dreck hinein und spricht
dabei: ,So wie dieser
Dreck stinkt, so stinkt sie ihm (er ihr) zu!'
24. Ćarka govnetom.
U Slatini je bio jedan mladić pa je on jednoj curi
asikovo i ona
se u njega zaljubila, al on nju ostavi pa se ożeni
drugom. Cura se
jedila i jednoć upita jednu babu, kako bi se ona
najlakśe osvetila
onom nesretnjakovicu tako, da u njegovoj kuci nema mira,
već da se
on sa żenom uvijek svagja. Baba njoj każe, da bi ih
najbolje rasta-
vila govnom i naući je, kako će to ućiniti.
Cura se domogne govna ovog ćoeka i govna njegove
żene. Kad
je doŚla mlada nedjelja, cura rano ustane — a kuca joj
je bila do
kuce ovog ćoeka — pa mętne kraj plota tepsiju, u tepsiju
żere a na
żeru govno onog ćoeka i njegove żene pa kadi. Ćoek
namiriśe smrad
pa każe żeni: ,Ćujeś, żeno, sta to smrdi?' — a cura iza
plota govori
u sebi: ,Ona tebi! ona tebi!' — I od onda nije bilo
blagoslova u toj
kuci, żena i ćoek uvijek se svagjali i tukli. — Erzählt
von einem
chro wo tischen Mannweib in Lipik, Slavonien. — Der
Zauber allgemein
unter Chrowoten üblich.
Der Dreckzauber.
Zu Slatina lebte ein Jüngling, der führte mit einem
Mädchen Lieb-
schaft und sie verliebte sich in ihn, doch ließ er sie
sitzen und ver-
heiratete sich mit einer anderen. Das Mädchen härmte
sich ab und
einmal befragte sie ein altes Weib, wie sie sich am
leichtesten an jenem
Unglückmenschen derart rächen könnte, daß er in seinem
Hause
keinen Frieden haben, sondern stets in Streit und Zank
mit seinem
Weibe leben soll. Die Alte sagte, sie könnte sie auf die
beste Art
mit Dreck auseinanderbringen und unterrichtete sie, wie
sie dies an-
zustellen habe.
Das Mädchen verschaffte sich Dreck jenes Mannes. Als
der Neu-
mondsonntag eintrat, erhob sich das Mädchen zeitlich
morgens — ihr
Haus aber grenzte an das Haus dieses Mannes — und setzte
an den
Zaun ein Kupferbecken, in das Becken Glutkohlen und auf
die Glut-
kohlen den Dreck jenes Mannes und seiner Frau und
räucherte damit.
Der Mann roch den Gestank und sprach zum Weibe: ,Hör
mal, Weib,
was stinkt das?' — Das Mädchen hinter dem Zaune spricht
aber in
sich (im Stillen): ,Sie [stinkt] dir zu! Sie [stinkt]
dir zu!' — Und von
da ab gab es keinen Segen in diesem Hause, Weib und Mann
stritten
immer mit einander und hauten sich.
184 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
25. Ćarka: progutala maćka misa.
Na kraj sela u jednoj maloj kućici zivela je jedna
sama samorana
żeńska duśa. Bila je to jedna udovica. Nije bila baś
lepa i nije ni
rużna. Nije bila mlada a nije baś ni stara, ali je bila
vrlo pobożna i
postena duśa. Zivila je od zarade, nadnićila je,
jer je bila vrlo sirota.
Imała je jednu malu sobicu i jednu kujnicu, u kojima
beśe mnogo
miseva. U nje je bilo miseva vise, nego u kojem masnom
podrumu
kog bogataŚa. Ona je imała i jednu maćku, koja je bila i
suviSe lenija,
da vata i tamani miseve; radije je glad trpila.
Sirota udovica već nije znała, Śta da radi od tih
silnih miseva te
se potużila jednom coveku, gde je nadnićila. Ovaj joj
reće: ,U nedelju
u vecer budi kuci. Doneću ti jednog maćka i kazaću ti,
śta da radiś
pa će ti za dva tri dana potamaniti sve miseve V
Źena posluśa. U nedelju u vecer dogje covek i donese
u dżaku
jednog crnog velikog maćka i [reće żeni: ,Ćuj żeno! Ako
oćeś da
nemaś nijednog misa vise, moras ovo uraditi: ti
moraś leci na krevet
i otkriti sve suknje i kośulju i pokazati tvoju maćku,
picu, a ja moram
leci na tebe i tvoja macka mora progutati moga misa,
moj kurac, a
maćka ova sa dżakom zajedno, to jest, u dżaku uvijena,
mora biti na
krevetu pored nas. I kad budemo gotovi, odreśiću dżak i
pustiću
maćka u sobu a ti samo dobro drżi vrata zatvorena, de ne
utekne
na polje. A kad noć nastanę, zabravi se i pusti maćka i
u sobu i u
kujinu. Najbolje će biti, ostavi vrata otvorena od sobe
pa sutra kad
svane a ti ćeś imati posła, dok sve crknute miseve
poćistiś. Ako tako
ne ćeś, ja idem odma sa mojim maćkom natragl4
Sirota źena nije tako mislila, bila je pośtena i
pobożna, no kad
se seti miseva, morala je prestati na taj predlog. Kad
je taj lola zenu
pośteno onako majstorski odjebao, odresi dżak i pusti
maćka na posao.
Ja sad idem kuci a ti se dobro zakljućaj i lezi
spavati, da ne smetaś
poslul' Żena ućini tako, zakljuća vrata i leże u krevet
i zaspa kao
zaklana. Kad al u jutru ima śta videtil U sobi i kujni
same gomile
crknutih miseva, da ih je lopatama na polje iznosila i u
jarak, u rupu,
bacala.
Kad je bila gotova ode tome coveku, da zahvali i
blagodari na
dobro ti, a ovaj reće: ,Eto vidiś#
jesam li ti pravo kazao? Nego da
ti ńisi meni pićku dala, ne bi maćak iz dżaka ni jednog
misa uvatio
pa ma śta radila. Ja poznajem mog maćka. On oće
samo śto je
pravo. On veli: Jedno z drugimi* Tako valja pa onda ide
posao
kao po łoju I' — Erzählt von der Tochter eines
Bauernschmiedes in
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
185
einem Dörfchen im Banat. Die Nennung des Ortes hat zu
unter-
bleiben, weil der Mäusebanner und die arme Witwe noch
leben und
der Zauber vielleicht noch wiederholt werden muß.
Ein Zauberbann: wie die Katze die Maus verschluckt
hat.
Am Dorfende in einem kleinen Häuschen lebte allein
eine auf
sich selbst angewiesene Frauenseele. Das war eine Witib.
Sie war
nicht gerade schön, aber auch nicht häßlich. Sie war
nicht mehr jung,
aber auch geradezu nicht alt, doch war sie eine höchst
fromme und
ehrenwerte Seele. Sie lebte von ihrer Arbeit,
taglöhnerte, denn sie
war sehr arm. Sie besaß ein kleines Stübchen und eine
sehr kleine
Küche, in welchen Räumen sich viele Mäuse aufhielten.
Bei ihr gab
es mehr Mäuse als in irgend einem fetten Keller eines
reichen Mannes.
Sie besaß auch eine Katze, die war aber mehr als zuviel
zu träge, um
Mäuse zu fangen und auszurotten; lieber litt sie Hunger.
Die Witib wusste schon nimmer, was sie gegen diese
Unzahl von
Mäusen tun solle und klagte ihr Leid einem Manne, bei
dem sie im
Taglohn arbeitete. Der sprach zu ihr: Am Sonntag [seit,
im Neumond]
am Abend sei zu Hause. Ich werde dir einen Kater bringen
und dir
angeben, was du tun sollst und in zwei, drei Tagen wird
er dir alle
Mäuse vertilgenV
Das Weib gehorchte. Am Sonntag kam abends der Mann,
brachte im Sacke einen schwarzen, großen Kater mit und
sagte zum
Weibsbild: .Horch Weibl Wenn du willst, daß du keine
einzige Maus
mehr haben sollst, mußt du folgendes tun: du mußt dich
aufs Bett
legen und alle Kittel und das Hemd aufheben und deine
Katze, die
Voze, zeigen, ich aber muß mich auf dich legen und deine
Katze muß
meinen Mauserich, den Zumpt, verschlingen, die Katze
hier mit dem
Sack zusammen aber, das heißt, die in den Sack
eingehüllte Katze,
muß auf dem Bette in einer Reihe neben uns liegen. Und
wann wir
fertig sein werden, so werde ich den Sack aufschnüren
und den Kater
in die Stube loslassen, du jedoch halt nur die Türe gut
verschlossen,
damit er nicht ins Freie entweiche. Und wann die Nacht
anbricht,
verriegle dich und laß den Kater sowohl in die Stube als
in die Kuchel
hinein. Am besten wird es sein, du läßt die Stubentüre
offen und
morgen in Morgengrauen wirst du deine Arbeit damit
haben, bis du
alle die krepierten Mäuse wegsäuberst. Wenn du so nicht
magst, so
gehe ich sogleich mit meinem Kater zurück!'
Das arme Weib hatte nicht solches im Sinn, sie war
ehrenwert
186 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
und fromm, doch wenn sie sich der Mäuse erinnerte,
mußte sie auf
diesen Vorschlag einwilligen. Nachdem dieser Schlankel
das Weib so
ganz gehörig meisterhaft abgevögelt hatte, schnürte er
den Sack auf
und ließ den Kater aufs Werk aus. Jch gehe jetzt heim,
du aber
sperr dich gut ein und leg dich schlafen nieder, um das
Werk nicht
zu behindern I' Das Weib tat also, sperrte die Türe ab
und legte sich
zu Bett und schlief wie abgeschlachtet ein. Ei, da am
Morgen, hat sie
was zu schauen 1 In der Stube und Küche lauter
Haufen krepierter
Mäuse, so daß sie sie mit Schaufeln ins Freie hinaustrug
und in den
Graben, ins Loch schleuderte.
Als sie damit fertig geworden, begab sie sich zu
diesem Manne,
um ihm verbindlichst zu danken fur seine Güte, dieser
aber sagte:
,Da siehst du nun, habe ich dir nicht recht gesagt?
Doch, wenn du
mir keine Voze gewährt hättest, so hätte der Kater aus
dem Sacke
keine einzige Maus gefangen, du hättest tun mögen es sei
was immer.
Ich kenne meinen Kater. Er will nur das, was recht und
billig. Er
sagt: .Eines mit dem anderen!' So ists in Ordnung und
dann geht
das Geschäft wie auf Unschlitt (wie geschmiert)!'
Anmerkung. Mit der Entblössung seiner Geschlechtteile
zeigt
man den Geistern an, daß man sie nicht fürchtet und
zugleich droht
man ihnen, daß man sie gebotenen Falles zu gebrauchen
gewillt sei.
Mäuse, Ratten und Hamster sind eigentlich dem
Volksglauben nach
böse Geister. Im schwarzen Kater steckt auch ein Unhold.
Den will
der Zauberbanner gegen die Mäuse loslassen, um ihm aber
den Sieg
zu sichern, beschläft er zugleich die Hausfrau. Damit
bricht er vollends
die Zauberkraft der Mäuse. Über Tierstrafen und
Tierprozesse vergl.
die gründliche Untersuchung Karl Amiras, Mitt d.
Instituts f. österr.
Geschichtforschung, Innsbruck, 1891. XII. I. S. 548—бої
und Dr. Albert
Herrn. Post, Grundriss d. ethnolog. Jurisprudenz,
Oldenburg 1895, II.
S. 231 f. — Nach der Niederschrift entspann sich
zwischen mir und des Huf-
schmids dunkelbraunem Töchterlein ein Meinungstreit über
den Fall.
Sie meinte, der Bauer habe schlau die Gelegenheit
benützt, um ihrer
Freundin, der ehrsamen Witib billig froh zu werden, ich
führte wieder
ins Treffen, daß die arme Witwe von der Ersprießlichkeit
des Bei-
schlafes vollkommen überzeugt und durchdrungen war und
sich am
anderen Tag für die ihr erwiesene Wohltat ausdrücklich
bedankt habe.
Die Mäuse wären tatsächlich hin geworden. Darauf lachte
die Kleine
unbändig und sagte: ,Ihr Männer seid alle miteinander
Erzschelme.
Schreiben sie noch diese Geschichte auf. Auch die ist
wahr!' — Ich
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. 187
schließe sie gleich an, denn sie spricht deutlich für
meine Ansicht,
die auch mit der K. v. A miras und A. H. Posts
übereinstimmt. Der
Beischlaf bezweckt die Bannung der der Feldfrucht
schädlichen Geister.
26« Yraćka: Kako Banaćanin hvata hrckove.
Jedan Banaćanin imao je strast da jebe te nije mario
ma gde to
bilo. Njemu kad za jepsti dogje, on nije pitao, je 1 kod
kuce, je 1 u
sobu, je 1 na njivu, njemu je to svejedno bilo ma gde;
samo kad je
żena uz njega, nije joj praśtao. No njegova żena nije
tela nikako da
je muz na njivi jebe, N0 ovaj domiśljan se doseti te na
lukav naćin
prevari zenu te je ćesto jebao na njivu. ,Źeno moja',
reće on, ,znaś
ti, Boga ti, hto sam ćuo od ljudi? Bio
jedan Bacvanin u Neuzinu (u
Banatu selo) na vasar te je prićao, da on ovako hvata
hrckove. Gde
misli da ima hrckova, a zna da su hrckovi skodljivi, da
nam tamane
usev, on tamo iskopa rupu i nedaleko od te rupe legnę na
zenu te
se jebu. Hrćak ima fini nos. On odmah omiriśi żensku
pićku te
proviri iz rupe a u isto vreme samo kad sapu, nogu, na
gvozgje mete
isto ga stegne i hrćak je uhvacenl'
Żena kad to ću reće svome muzû : ,ZnaŚ Sta ? Pa ajde
i mi to da
probamo pa ćemo spasti nas usev od tih gadoval' Covek
to jedva
doćeka te brże bolje iskopa rupu na svojoj njivi i na
rupu metnu
gvozgja, no i u gvozgje jednog erknutog hrćka, kojeg je
sakrio, da
źena ne vidi te kad je sve uredio, kako treba, ode kraj
rupe żenom
і ova legnę na njivu i on na nju. Tada izvadi brźe bolje
kurćinu
i stanę zenu bu&ti. Ova poće jaukati od bola a on reće:
.Ćuti żeno
pa trpi, da ne poplaśiś hrćka. Uh! ali tvoja ріска
miriSe, mora hrćak
za celo na rupu doći. Ta on će osetiti taj miris, post
mu njegovl'
reće seljak. I kad je bio gotov, skoci sa żene i ode ka
rupi, A kad
tamo, ima śta i videti, hrćak u gvozgjul ,Evo, żeno,
hrćak ulovljen!
Jesam ti rekol' — ,Gle, Bogme, tu je,' reće żena, ,no ja
ne ćuh, da
jauće.' — ,A gde może da jauće, kad mu gvozgje steglo
vrat a ne
nogul Vidis da ga gvozgje udavilo.' — ,Baś je to
pametno,' reće żena,
,tako ćemo mi potamaniti sve hrckove na naśe njivel' —
,1 komśinske
njive', reće covek. — ,Nije nego joś neśto! Ja ću moju
pićku valjda
da gulim za ceo s vet!' — ,E, vrag ti babin', reće muż,
,mi ćemo samo
na naśe njive hvatati hrckove.' — I tako su se ćesto na
njivi jebali.
Ein Zauberbann: Wie ein Banater Hamster einflng-
Ein Banater war von der Leidenschaft zu vögeln
besessen und er
scheerte sich nicht darum, wo immer es sein mochte. Wann
ihn die
188 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Lust zu vögeln anwandelte, fragte er nicht erst, ob
er daheim, ob in
der Stube, ob auf dem Ackerfeld war, ihm war das
alleseins, wo;
wenn nur sein Weib neben ihm weilte, gab er ihr keinen
Pardon.
Sein Weib wollte sich jedoch um keinen Preis dazu
verstehen, daß
er, ihr Gatte, sie auf dem Ackerfelde vögle. Dieser
aber, ein findiger
Kopf, geriet auf einen sinnreichen Einfall und
übertölpelte auf eine
schlaue Weise sein Eheweib und vögelte sie auf dem
Ackerfelde.
— ,0 mein Weib/ sprach er, ,weißt du, so dir
Gott helfe, was ich
von den Leuten sagen gehört? War da ein Mann aus Baćka
in
Neuzin (ein Dorf im Banat) zu Markte und der erzählte,
daß er auf
folgende Weise die Hamster einfange: wo er glaubt, daß
es Hamster
gebe, er weiß aber, daß die Hamster schädlich sind, daß
sie unsere
Aussaat vertilgen, dort gräbt er ein Loch aus und legt
sich unweit des
Loches auf sein Weib und sie vögeln miteinander. Der
Hamster hat
eine feine Nase, er wittert sogleich die weibliche Voze
und lugt zum
Loch hervor, zur selben Zeit jedoch, kaum daß er die
Pfote, den Fuß
aufs Eisen legt, zieht ihn das zusammen und der Hamster
ist gefangen/
Als dies das Eheweib vernahm, sprach sie zu ihrem
Gatten:
.Weißt was, geh, laß doch mal auch uns das versuchen und
wir werden
unsere Aussaat vor diesem Geschmeiß retten l' — Das
konnte der Mann
kaum erwarten und grub in größter Eile auf seinem
Ackerfelde ein
Loch aus und legte übers Loch ein Fangeisen, doch auch
ins Eisen
einen krepierten Hamster, den er vesteckte, damit ihn
das Weib nicht
erblicke, und nachdem er alles, wie es sich gehört,
getan, begab er
sich nächst dem Loche mit seinem Weib hin und die legte
sich auf den
Acker hin und er auf sie hinauf. Dann zog er in aller
Geschwindigkeit
seinen Zumpterich heraus und begann das Weib zu bohren,
sie aber
fing vor Schmerz zu jammern an, doch er sagte: ,Schweig,
Weib, und
ertrage, um den Hamster nicht zu verscheuchen. Huil beim
Allah,
riecht deine Voze kräftig! Der Hamster muß unbedingt
aufs Loch
kommen, denn er wird gewißlich diesen Duft schmecken,
ich vögle
ihm seinen Fasttag!1 sprach der Bauer. Und
als er fertig geworden,
sprang er vom Weib auf und begab sich zur Grube hin, ja,
wie er
hinkommt, da hat er was auch zu schauen! Ein Hamster im
Fang-
eisen! ,Schau her, Weib, ein Hamster gefangen, habe ich
es dir nicht
gesagt?' — ,Schau nur, Gott straf mich, da steckt er/
sagte das Weib,
,doch hörte ich ihn nicht wehkreischen!' — ,Ei, wie kann
er denn weh-
kreischen, wenn ihm das Fangeisen den Hals
zusammengezogen, nicht
jedoch den Fuß! Du siehst doch, daß ihn das Fangeisen
erwürgt
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. 189
hat!?' — ,Das ist wirklich gescheidt,' sagte das
Weib, ,so werden wir
sämtliche Hamster von unserem Ackerfeld wegvertilgen I'
— ,Auch
von des Nachbars Acker,1 bemerkte der Mann
dazu. — ,Nein, sondern
noch was, soll ich vielleicht meine Voze fur die ganze
Welt ab-
schinden?'. ... — ,Eh, zu deiner Großmutter Teufel,'
sagte der Mann,
so werden wir bloß die Hamster von unserem Acker
wegfangen!' —
Und also vögelten sie häufig auf dem Ackerfelde.
Anmerkung. Nichts wäre verkehrter und unrichtiger als
die
Annahme, das Mädchen, das mir diese nach unseren
Anstandbegriffen
unzüchtige Geschichte zum Besten gab, wäre selber
schamlos oder
unzüchtig. Beim Dorfschmied versammeln sich die Bauern
zum
Plausch, bei ihm machen die meisten Wanderer Halt, um
auszuruhen,
hier berät man die Tagereignisse, die Vergangenheit,
Gegenwart und
Zukunft und noch einiges mehr. Wißbegierige Frauen und
Kinder
hören auch den Gesprächen zu, um sich zu ergötzen und zu
belehren.
Jeder weiß etwas und die Schmiedtochter zuletzt am
meisten. Darum
hielt ich mich an sie und ihr Vater war nicht wenig
stolz darauf, daß
ich aus ihrem Munde Volksüberlieferungen aufzeichnen
mochte. An
dem Inhalt der Geschichten nahm er, wie natürlich auch
keinen Anstoß.
Seine Tochter führte ihm die gar sehr bescheidene
Wirtschaft und
sein einziger Sohn besuchte damals zu Neusatz das
Gymnasium, mit
der Absicht, Volksschullehrer zu werden.
27—28. Luklca vrac odvodio parceve.
Ja sam imo u kuci paraca pa sam doćuo da
Lukica vrac zna
parceve odvesti. Dozovem ga i pogodim se S njim,
da će parceve
za dva forinta odvesti.
Dan prije mladog mjeseca dośo je Lukica pa pregledo
gdje se
parcevi nalaze u kuci, a na dan mlagjaka dośo je
oko dva sata poslje
ponoći pa mi je reko da smijem gledati i za njim
ići po kuci, ali ne
smijem govoriti. Onda se svuko sasma go a opaso se samo
sa kozom,
za koju je kazo da je od paraca, popijo deci sljivovice,
klekno, pre-
krstio se i neśto mrmljo kao molitvu. Ustade a
sobom je imo malu
kandźijicu pa trćo od kuta do kuta u kuci i tom
kandźijicom po podu
udaro a na to fićko ko da ih doziva. Kad je proso
sve kuteve onda
je iziśo na kapiju pa tako otrćo do kriżopuća. Drugi dan
dośao je
po placu pa je kazo, da je sve odveo i da ih je
bilo puno a osobito
se istaklo nekoliko velikih bijelih stakorova. Na putu
se nije smio
ідо Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
obazirati, jer veli, da bi se povratili parcevi
natrag. — Mitteilung eines
Hausbesitzers in Pożega, Slavonien.
Wie Lukica der Zauberer die Ratten von dannen
geführt hat.
Ich hatte im Hause Ratten und bekam zu Ohren, Lukica
der
Zauberer verstände es die Ratten wegzufuhren. Ich lasse
ihn rufen
und behandle mit ihm, daß er für zwei Gulden die Ratten
von dannen
führen werde.
Am Tag vor Neumond kam Lukica und besah die Orte im
Hause,
wo sich Ratten aufhalten und am Neumondtage erschien er
gegen
zwei Uhr nach Mitternacht und sagte zu mir, ich dürfe
zuschauen und
hinter ihm im Hause einhergehen, doch dürfte ich nicht
reden. Hierauf
zog er sich ganz nackt aus, umgürtete sich aber bloß mit
einer Haut,
von der er sagte, er hätte sie von Ratten, trank einen
Deziliter
Zwetschkenbranntwein aus, kniete nieder, schlug ein
Kreuz und mur-
melte etwas, das wie ein Gebet klang. Er erhob sich, mit
hatte er
aber ein kleines Peitschlein und er rannte von Winkel zu
Winkel im
Hause und schlug mit diesem Peitschchen auf den Fußboden
auf und
dazu pfiff er als ob er sie herbeiriefe. Nachdem er alle
Winkel abge-
gangen, gieng er zum Haustor hinaus und rannte so bis
zum
Kreuzweg fort.
Am anderen Tag kam er um die Bezahlung und sagte, er
habe
alle weggeführt und es wären ihrer viele gewesen und
besonders hätten
sich einige große weiße Rattenmännchen hervorgetan. Auf
dem Wege
durfte er sich nicht umsehen, denn, so sagte er, sonst
wären die Ratten
wieder zurückgekehrt.
Anmerkung. Das trug sich im Jahre 1902 zu. Der
Hausherr
versicherte mir, seither wäre sein Haus rattenrein, nur
zuweilen ver-
laufe sich aus der Nachbarschaft eine Ratte zu ihm, ohne
im Hause
zu verbleiben. Lukica der Zauberer wohnte auf einer
Einschiebt
zwischen Sesveti (= Svisveti) und Kutjevo. Er verschied
als betagter
Mann im Juni oder Juli des Jahres 1906. — Mein Schwager
Bernhard
Herzog, Kaufmann in Pleternica, war im Jahre 1856
Handlunggehilfe
bei dem Kaufmann Müller in Naśice in Slavonien, einem
Marktflecken
am Fuße der Krndija. Der Ort bildete damals eine
langgestreckte
Zeile, die zumeist aus niederen, mit Stroh gedeckten
Häusern bestand.
Dort befindet sich auch ein altes Franziskanerkloster
und das Stamm-
schlößchen der Grafen Pejacevic. Im Winter ein
unergründlicher
Sumpf und im Sommer ein von der Sonne ausgedörrter, im
knietiefen
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. \g\
Staub erstickender, wasserarmer, baumloser,
weltabgeschiedener Erden-
fleck, das war damals Naśice. Nur Ratten hatten sich in
Unmenge
eingefunden, so daß sie den Leuten zu Mittag auf den
Tisch sprangen
und die Bissen vom Teller wegschnappten. Da kam ein
Zauberer des
Weges und der machte sich anheischig, für fünf Gulden
alle Ratten
aus dem Orte wegzuführen. Diesen Betrag entrichtete für
den ganzen
Ort zur Hälfte der Kaufmann Müller und zur anderen das
dortige
Franziskanerkloster. Der Zauberer ordnete an, daß man
alle Türen
und Fenster von allen Gebäuden im Orte öffnen und daß
sich die
gesamte Bevölkerung auf die Straße hinausbegeben sollte.
Dann zog
er sich splitternackt aus und gieng mit einer großen
Peitsche schauer-
lich knallend von Haus zu Haus ab und zu schrill
pfeifend und dann
wieder Beschwörungen singend durch den ganzen Ort In
hellen
Scharen kamen die Ratten auf die Straße herausgerannt
und folgten
dem Zauberer nach. Damals wunderte sich mein Schwager,
wie die
Ratten förmliche Knäuel von Ratten, die mit Schwänzen
aneinander ge-
wachsen waren, vor sich herschoben. Naśice blieb mehrere
Jahre
hindurch von Ratten verschont.
29. Nejsrećniji u posteyi.
U njekim svatovima stari svat napijao je mladencima.
Ispijale su
se case za dobro zdravlje mladenaca, njihovih roditelja,
bliże i dalje
rodbine. Vinom se blagoslovio njekoliko puta rod, koji
će mladenci
imati na oranicama i na vinogradima. ,Sve vam bilo
srećno i beri-
ćetnol' zavrsice već okićeni stari svat pośljednu
zdravicu mladencima,
,sve vam bilo srećno i veselo ali najsrećnija i
najveselija bila vam
rabota, koju ćete veceras otpoćeti u postelji vaśoj!' —
Erzählt von
einem Bauern im Kniner Bezirke in Dalmatien.
Aufgezeichnet von
Dr. Alexander Mitrovic in Knin.
Im Bett die aUerglücklichsten.
Auf einer Hochzeit brachte der Hochzeitvorstand
Trinksprüche
auf das junge Paar aus. Man leerte die Gläser auf die
gute Gesund-
heit des jungen Brautpaars, deren Eltern, der näheren
und entfernteren
Verwandtschaft. Mit Wein ward einigemal die Frucht
gesegnet, die
dem jungen Paar auf den Äckern und auf den Weinbergen
gedeihen
wird. ,Alles sei euch glücklich und gedeihlich', so
beschloß der
Hochzeitaldermann, schon etwas beschwipst den letzten
Gesundheit-
spruch auf das junge Paar, ,alles sei euch glücklich und
fröhlich, am
192
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
allerglücklichsten und allerfröhlichsten jedoch
gerate euch der Fron,
den ihr heut abends in euerem Bette anheben werdet.'
Anmerkung. Daß der Vorsteher der Hochzeit die
Feldfrüchte
segnet, das findet der Erzähler in Ordnung, die
Besegnung des Braut-
lagers dagegen komisch und darum erzählt er davon. Er
weiß eben
nicht, daß der Mann nur einen uralten Brauch befolgt.
Unverstandene
Bräuche, Sitten und Glaubenanschauungen der
Vorfahren erscheinen
den Nachkommen häufig lächerlich, wo nicht verächtlich
oder gar
schändlich und sündhaft. Das entschuldigt den Erzähler.
Über die
Bräuche der Brautnacht und die Bannung der den Beischlaf
beein-
trächtigenden bösen Geister wird noch in einem anderen
Zusammen-
hange in der Anthropophyteia die Rede sein. Die
Ansprache des
Hochzeitältesten ist nur ein abgeschwächter Nachhall
einer uralten
Kulthandlung, die einst einer Eheschließung erst ihre
volle Weihe
verlieh. Dabei kamen noch ganz andere obszöne Wendungen
und
Worte vor als hier in der immerhin zarten Anspielung auf
die Bei-
schlafausübung.
30. Stojla uzvjjojla.
Golub guće, golubica ne će.
— Gukni dere bjela golubice
pa mi ajdmo za goru na vodu!
Za górom je bunar voda ładna,
kod bunara śenica bjelica,
posio je bratać i sestrica
a pożeo gjever i snaśica.
Svakoj snahi gjever odgovara:
— Oj snaśice, sjajna narukvice!
evo ima devet godin dana
odkąd dogje za mog mila brata
a ne imaś ćeda pod tkanicom!
Odgovara lijepa snaśica:
— Moj gjevere, moj zlatni prstenel
dok je one Stojle uzvijojle,
hvala Bogu, imati ga ne ćul
Bosnisches Volkslied. Bosanska Vila, Sarajevo 1901,
S. 365.
Der Tauber girrt, das Täubchen mag nicht. — ,Ei, so
girr mal
du, o weißes Täubchen — und laß uns zum Berg um Wasser
gehen!'
— Am Bergabhang ist ein Brunnen, ein kühles Wasser, — am
Brunnen
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
l93
[wächst] weißschimmernder Weizen, — es säten ihn
Brüderlein und
Schwesterlein — doch eingefechst haben ihn Brautführer
und Schnürlein.
— Seiner Schnur antwortet der Brautführer: — O
Schnürlein, glänzend
Armband! — es sind nun neun Jahre daher — seit dem du
meinem
teueren Bruder zugekommen, — und du trägst kein Kind
unterm
Gurtband! — Antwortet das schöne Schnürlein: — ,Mein
Brautführer,
mein goldener Ring! — So lang als da jene Stojla die
Kokette lebt,
— Gott sei Dank, werde ich keines haben!1
Anmerkung. In Zeile 8 ist wohl svakoj ein
Druckfehler' für
svojoj. Die Bosanska Vila, eines der gediegensten
Familienblätter
der serbischen schöngeistigen Literatur, bringt seit
ihrem 23 jährigen
Bestände so gut wie in jedem Hefte auch
Volksüberlieferungen, doch
höchst selten auch Erläuterungen dazu, so wünschenswert
sie für einen
wären, der nicht ständig in Bosnien lebt Die
unfruchtbare Frau be-
schuldigt eine Stojla, ein kokettes Frauenzimmer im
Dorfe, der Zauberei.
Anstatt sich darüber zu kränken, freut sie sich der
Unfruchtbarkeit
und dankt Gott dafür. Das ist die Pointe, um
derentwillen das Reigen-
lied entstanden ist und sich im Volksmund behaupten
kann.
31. Ugljen і voda.
Vjencalo se dvoje mladih. Mladożenja bio je żeljan
pićke a mlada
kurca kao ozebli sunca. Kad je mladożenja, prije
vjencanja, mislio na
prvu noc, udo bi mu se ukrutilo kao drvo, da ga je morao
kupati
u toploj vodi, samo da mu spadnę і da mu se ne prospe.
Kad je,
poslije vjencanja, legao sa mladom, nije mu se kurac ni
maknuo.
Skupio mu se, kao da mu ima sto godina. Nije pomagało ni
milo-
vanje ni ljubljenje ni prevrtanje po postelji.
Mladożenja u zoru skoći
iz postelje ljut i stidan a mlada nezadovoljena. Mlada
otrća svojoj
majci i isprića joj jade. Punica, koja je pomislila, da
je to urok, po-
zove k sebi zeta a kćer otjera muzevljevoj kuci.
Kad su punica i zet ostali sami, punica zapali vatru
na ugljen.
Na vatru mętne malu posudu pune vode, da se prigrije.
Kad se voda
prigrijala, otstrani posudu od vatre i u vodu baci tri
komada ugljena,
jedan po jedan, na kojima se voda prigrijala. Bacajući
ugljen u vodu,
spominjala je imena onih, na koje je mislila, da su joj
zeta urekli, da
ne może jebavati kćer joj. PoSto je i to svrSila, okupa
zetu kurac
i m uda u toj istoj vodi. PoŚalje ga kuci i
zażeli mu, da ogradi sina.
Nije se dobro ni smrklo a mladożenja uhvati mladu.
Kurac mu
se nadigao kao barjak. Svali mladu na postelju. Digne
joj nogę i za-
Krauss, Anthropophyteia. IV. Iß
194
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
prdi joj ga od jednom do muda. Mlada od bola і
radosti prnu nje-
koliko puta. Od tada je jebavao, kada je god htio. Prvo
dijete, koje
mu je rodila, bilo je muśko, po proricanju punice.
Erhoben in Norddalmatien von Dr- Alexander Mitrovic
in Knin.
Kohle und Wasser.
Ein junges Pärchen hatte sich trauen lassen. Der
Bräutigam sehnte
sich nach Voze und die Braut nach dem Zumpt, wie
Halberfrorene
nach der Sonne. So oft dem Bräutigam vor der Trauung die
erste
Nacht in den Sinn kam, versteifte sich ihm das Glied wie
ein Holz
und er mußte es in lauem Wasser baden, damit es ihm
herabfalle und
sich ihm die Sauce nicht vergieße. Als er sich aber nach
der Trauung
mit der jungen Frau niedergelegt, da muckste sich ihm
jedoch der
Zumpt nicht einmal. Er schrumpfte sich ihm zusammen, als
ob er
schon ein hundertjähriger Greis wäre. Da fruchtete weder
ein Herzen,
noch ein Liebkosen noch ein Herumwälzen auf dem Bette.
Im Morgen-
grauen sprang der Bräutigam zornig und beschämt aus dem
Bett, und
die junge Frau unbefriedigt. Die junge Frau rannte zu
ihrer Mutter
und schilderte ihr haarklein ihre Leiden. Die
Schwiegermutter, der
es schwante, daß hier eine Beschreiung vorliege, berief
zu sich den
Eidam, die Tochter aber jagte sie zu des Ehegatten Haus
zurück.
Als da Schwieger und Eidam allein geblieben,
entfachte die
Schwieger ein Feuer, um Kohlen zu gewinnen. Übers Feuer
stellte
sie ein kleines mit Wasser gefülltes Gefäß auf, um das
Wasser lau-
warm zu bekommen. Als das Wasser lauwarm geworden, zog
sie das
Gefäß vom Feuer zurück und warf ins Wasser drei
Kohlenstücke
hinein, eines nach dem anderen. Die Kohle war von
derselben Glut,
an der das Wasser warm gemacht worden. Beim Hineinwerfen
der
Kohlen ins Wasser, gedachte sie der Namen jener, von
denen sie an-
nahm, sie hätten ihr den Eidam beschrien, damit er ihr
die Tochter
nicht vögeln können soll. Nachdem sie auch damit zu Ende
gekommen,
badete sie dem Eidam Zumpt und Hoden in demselben Wasser
rein.
Sie schickte ihn dann heim und wünschte ihm, er möge
einen Sohn
zuwege bringen.
Noch war die Dämmerung nicht einmal richtig
angebrochen, schon
packte der junge Ehemann die junge Frau an. Der Zumpt
erhob sich
ihm wie eine Standarte. Er wälzte die junge Frau aufs
Bett nieder.
Er erhob ihr die Beine und farzte ihr ihn bis zu den
Hoden in den
Leib hinein. Vor Schmerz und Freude farzelte die junge
Frau
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
195
einigemal. Von da an pflegte er sie zu vögeln, so oft
ihn die Lust
dazu anwandelte. Das erste Kind, das sie ihm gebar, war
männlichen
Geschlechtes, der Vorraussagung der Schwiegermutter
gemäß.
Anmerkung. Der primitive Mensch denkt nicht
symbolisch-
mystisch, vielmehr stets handgreiflich anschaulich, man
möchte fast
sagen, unwissenschaftlich folgerichtig. Daß die Impotenz
auf eine Be-
schreiung oder einen bösen Blick zurückgeht, das ist ihm
über jeden
Zweifel erhaben. Es gilt nur dem einen Übel mit einem
anderen,
noch mächtigeren zu begegnen. Am mächtigsten ist der
Feuergeist
an heimischer Feuerstelle, der das Haus beschützt.
Darnach kommt
der Wassergeist. Wenn sich die zwei gar miteinander
verbinden, dann
muß vor ihnen jeder Zauber weichen. Die verlöschende
Kohle über-
trägt ihre Kraft auf das Wasser und das so zauberkräftig
gemachte
Wasser vernichtet, wenn es auf die von einem
Beschreiunggeist heim-
gesuchte Körperstelle übertragen wird, die Macht der
Beschreiung.
Da nun die Frau die Geister schon gerufen, wagt sie es,
auch noch
deren Hilfe fur das Kind in Anspruch zu nehmen. Es geht
ja buch-
stäblich in einem Aufwaschen. Sie hat damit eine
Kulthandlung voll-
zogen, wie einstmal ihre Urmütter in grauer Vorzeit, von
der kein
Lied und kein Buch sonst zu vermelden weiß.
32. Tri uiarena ugljenca.
Żena uzme tri uźarena ugljenca pa kad ima pranje neka
ta tri
uźarena ugljenca ugasi sa krvi. Tako ne će imat djece. A
kad źena
oce da imade djece, onda neka uzme jedan taki ugljenac
pa neka
baci u vatru. Onda će ona iste godine imat djece. — Von
einem
Hermaphroditen zu Lipik, Slavonien.
Drei glühende Kohlenstückchen.
Das Weib nimmt drei erglühte Kohlenstückchen und wenn
sie
ihre Reinigung hat, löscht sie mit ihrem Blute diese
drei erglühten
Kohlenstückchen. So wird sie keine Kinder haben. Wenn
jedoch
das Weib Kinder kriegen will, so nehme es ein solches
Kohlen-
stückchen und werfe es ins Feuer. Dann wird sie im
selben Jahre
Kinder kriegen.
Anmerkung. Der Hermaphrodit geht zwar in
Frauenkleidern
einher, wird als Weib in den Geburtlisten geführt,
verrichtet auch nur
weibliche Arbeiten, hat aber seine Geliebte und mit ihr
ein Kind ge-
13*
Erotik und Skatologie im Zauberbaim und Bannspruch.
zeugt. Dieses Mannweib ist die Tochter oder der Sohn
eines vor
vierzig Jahren vermögenden dörflichen Grund- und
Hausbesitzers und
hat wegen seiner oder ihrer Zwitterbildung ein reges
Interesse für
alles Geschlechtliche in Sitte, Brauch und Glauben des
Volkes, ebenso
fur unsere Forschungen.
33. Zera
se kroz nastavak od kośulje provuce pa se vodom utrne
i zamota se
u krpicu. Tako żena ne će roditi djeteta. A kad ona oce
da imade
djece, onda neka samo baci taki jedan ugljen u vatru, da
se iznova
zaźari. — Von einer jugendlichen Zauberfrau zu Vrhovci,
Slavonien.
Eine glühende Kohle
zieht man durch den Hemdbrustlatz durch, löscht sie
mit Wasser aus
und wickelt sie in einen kleinen Fetzen ein: Also wird
das Weib
kein Kind gebären. Falls sie aber Kinder kriegen möchte,
alsdann
soll sie nur ein solches Kohlenstück ins Feuer werfen,
damit es neuer-
dings erglühen soll.
34. Lües.
Vjencalo se dvoje mladih. Kolo, pjevanje i pucanje
nije nikada
prestajalo. Mladi jedva ćekali, da se smrkne pa da se
stanu jebavati
u lijepo namjeśtenoj sobi. Dośao i taj żeljeni ćas.
Svatovi svedose
mladence u sobu za spavanje i razigjośe se kućama. Mladi
i mlada
trgali sa sebe odijelo, da se Śto prije svuku i legnu.
Kad legośe
i poćeśe milovanja momku nikako da se digne kurac.
Uzaludu se
mlada savijala i previjala oko njega. Uzaludu se znojila
od vatre, da
je sva bila u goloj vodi. Nije pomogło ni da mu śkaklji
jaja, kako je
on naućio. A ja! ne ide pa ne ide. Skupio mu se kurac,
kao da
mu ima osamdeset godina, Mladożenja od muke i stida ne
zna rijeći
da progovori. Oboje se tako mućilo do zore. Umorni,
neispavani
i ona neprobijena ustadośe a jedno drugome ne może od
stida da
pogleda u oći.
Kad je bilo druge noći — po savjetu njeke babe mladoj
— odośe
na oranicu prijatelja svoga, gdje se toga dana orało.
Oraći ostavise
na polju lijes (veliko ralo), kojim su toga dana orali.
Mladożenja
i mlada mu rastavise lijes. Rastavise mu sve komade:
teljige, jarmove,
guzve, zavornje, krćalo, lemes, crtalo, oju, dasku,
zacrtnjak, cimer,
ugarśnjak i sve ostało. Ne ostavise niśta spojeno. Tako
rastavljeni
lijes ostave na oranici a njih dvoje odośe kuci,
da pokuśaju sreću.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
197
Nijesu dobro ni legli a mladoźenji se digne i ukruti
kurac kao budża.
Skoći na mladu, ona vrisnu, jer joj se pićka probi, ali
boi namiri
slaśću, koju do onda nije poznavala. Od tada je
mladożenja jebovao
mladu, kad je god htio. Kurac ga je sluśao, kao śto
vojnik sluśa
starjeSinu svoga.
Erhoben inNorddalmatien von Dr. Alexander Mitrović in
Knin.
Das Ackergezeug.
Ein junges Paar hatte sich trauen lassen. Reigen,
Gesang und
Geknatter hörten schier nimmer auf. Die jungen Leutchen
konnten
die Dämmerstunde kaum erwarten, um in der schön
eingerichteten
Stube mit dem Gevögel anzufangen. Es trat auch dieser
ersehnte
Augenblick ein. Die Hochgezeiter führten das junge Paar
in die Schlaf-
stube ab und gingen dann jeder nach seinem Heim
auseinander.
Bräutigam und Braut rissen sich das Gewand vom Leibe, um
sich so
rasch als nur möglich zu entkleiden und legten sich
nieder. Als sie
sich niedergelegt und mit den Liebkosungen anfingen,
wollte sich dem
Burschen um keinen Preis der Zumpt erheben. Vergeblich
wand und
schlängelte sich um ihn die Braut Vergeblich geriet sie
vor Feuer
in Schweiß, so daß sie vor lauter Wasser troff. Es half
nicht einmal,
daß sie ihm die Eier kitzelte, wie er sie angelernt. Ach
neinl Es geht
nicht und es geht nicht. Sein Zumpt wuzelte sich
zusammen, als
wäre er schon achtzig Jahre alt Vor Qual und Scham weiß
der
Bräutigam kein Wort zu finden. Beide mühten sich bis zum
Morgen-
grauen ab. Ermüdet, nicht ausgeschlafen, sie zudem nicht
durchge-
schlagen, erhoben sie sich und vor Beschämung kann das
eine dem
anderen nicht in die Augen schauen.
Als die zweite Nacht anbrach, begaben sie sich —
gemäß dem
Rate, den ein altes Weib der Braut erteilt hatte — aufs
Ackerfeld
ihres Freundes, wo man an diesem Tage geackert Die
Ackerleute
hatten auf dem Felde das Ackerzeugl (die große
Pflugschar) stehen
gelassen, mit dem sie an diesem Tage geackert Bräutigam
und Braut
legten ihm das Ackerzeug auseinander. Sie legten alle
Bestandteile
auseinander: den Jochbogen, die Joche, die Flechten, die
Deichsel-
bolzen, den Pfluggriff, das Pflugeisen, das Stricheisen,
die Deichsel,
das Brett, den Stricheisennagel, das Pflugschild, den
Roder und alles
übrige. Sie beließen nichts in seinem Verbände. Den so
auseinander-
gelegten Ackerwagen ließen sie auf dem Ackerfelde liegen
und nach
getaner Arbeit begaben sich die zwei heim, um ihr Glück
zu versuchen.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
Sie hatten sich noch nicht einmal recht niedergelegt
und schon erhob
und versteifte sich dem Bräutigam der Zumpt, wie eine
Knüttelkeule.
Er sprang auf die junge Frau, sie schrie schmerzvoll
auf, denn ihre
Voze ward durchbrochen, doch beglich den Schmerz die ihr
bis dahin
unbekannte süße Lust Von da an vögelte der junge Ehemann
seine
junge Frau, so oft es ihm behagte. Der Zumpt gehorchte
ihm, wie
ein Soldat seinem Vorgesetzten.
Anmerkung. Im Geleitbrief zu dieser Erhebung bemerkt
Dr. Mit-
rovic: To se u sjevernoj Dalmaciji ne samo prića nego i
radi joS
і dan as. Imam u ovoj krajini jednog druga iz gimnazije,
koji je
sada pravoslavni pop pa je i on radio po predaji u
„Lijesu", jer prve
noći nije mogao nikako probiti źene. Kad je uradio po
toj prići, iSlo
je kao po łoju. — Trebaće vam i ovo: Kad dvoje mladih ne
mogu
da izvrse copulam carnalem idu svom parohu, da ih on
spoji (kako
oni vele) te im on ćita kojeśta iz evangjelija. Za tim
uspiju. Naravno
sugestija. ,In Norddalmatien erzählt man dies nicht
blos, sondern man
übt es noch heutzutage. Ich habe in dieser Gegend einen
Genossen
vom Gymnasium her, der jetzt griechisch-orientalischer
Pfarrer ist
und auch er hat 'der Überlieferung folgend im
„Ackerzeug" gearbeitet,
denn er konnte in der ersten Nacht auf keine Weise sein
Weib durch-
lochen. Nachdem er im Sinne der Volksage gehandelt, ging
es wie
über Unschlitt (wie geschmiert). — Auch dies wird Ihnen
gut kommen:
Können zwei jung Verheiratete die copulam carnalem nicht
vollziehen,
so suchen sie ihren Pfarrer auf, damit er sie verbinde
(wie sie sich
ausdrücken), und er liest ihnen aus dem Evangelium dies
und jenes vor.
Hierauf gelingt es ihnen. Natürlich beruht dies auf
Suggestion/
Die Bestätigung ist gewiß willkommen, doch dürfte
einer wohl
fragen, ist denn das Pärchen verrückt worden, daß es von
heiler Haut
das Ackerwägelchen eines guten Freundes förmlich
zerstört? In was
für einer sympathetischen Beziehung steht denn die
Impotenz des
Bräutigams zu dem Ackergezeug? Ich sage, eigentlich in
keiner, viel-
mehr liegt hier meines Erachtens ein Mißverständnis vor,
das auf den
Sprachgebrauch zurückzufuhren ist. Ich will meine
Meinung kurz zu
begründen versuchen; denn sie ist nicht willkürlich,
sondern beruht
auf Tatsachen.
Wir müssen uns in die Zeit — etwa vor 2500
oder 2000 Jahren —
zurückversetzen, als noch die Vorfahren der 'Südslaven
mit jenen der
Ruthenen und Russen eine sprachliche und ethnische
Einheit bildeten.
Dazumal war leśu das gemeinslavische Wort für Baum,
nicht für
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. 199
Wald, wie späterhin, als der Naturmensch den Begriff
eines Waldes
entdeckte und den Namen verallgemeinerte. Bei den Serben
und
Chrowoten heißt man noch jetzt den Sarg les, lis oder
lijes, Baum.
Das ist ein Überlebsei aus der uralten Zeit, als man die
Toten noch
in ausgehöhlten Baumstämmen bestattete. Die menschliche
Seele ist
von Ursprung an eine Baumseele und daher muß man sie dem
Baum
wieder zurückgeben. In der Urzeit bestellte man den
Erdboden ohne
Pflug, denn der ist eine junge Erfindung, sondern
scharrte ihn blos
mit einem Stichel, ralo auf, der aber bestand nicht wie
heutzutage
aus Eisen, sondern aus einem Baumpfahl, einem leśu.
Dieser Name
verblieb auch dem Pflug (vergl. Krauss, Die Volkskunde
i. d. Jahren
1897—1902, Erlangen 1903, S. 60 f. Anm.). In uralten
Zeiten glaubten
die Völker, wie vielfach auch noch heutzutage, alles
leibliche Ungemach
sende über den Menschen der Waldgeist aus. Die Russen
und Ru-
thenen heißen ihn leśny. Wenn den Bauern eine Krankheit
heim-
sucht, so geht man in den Wald und verkeilt das Leiden
in einen
Baum hinein oder man bedroht den Baum mit dem Unfällen.
Fällt
der Baum, fällt auch der ihn bewohnende Geist. Den
Chrowoten und
Serben ist im Sprachgebrauch das Wort leśny im Sinne von
Wald-
geist abhanden gekommen, oder vielmehr sie haben diese
seine alte
Bedeutung vergessen, nicht jedoch ihren Glauben und
Brauch. Nun
stellt sich beim Manne die Impotenz ein. Wer ist schuld
daran? Der
lijes, aber man bezieht das Wort gegenwärtig, wie
erwähnt auf einen
Sarg oder auf ein Ackergezeug. Einen Sarg zu zerstören
geht nicht
gut an, weil man doch nicht gleich einen zur Hand hat,
folglich greift
man zu einem lijes, der einen Ackerwagen bezeichnet und
läßt an
ihm seinen Unmut aus. Indem man ihn zerlegt, bricht man
die Kraft
des Baumgeistes und die Potenz tritt von selber wieder
auf. So hat
der Glaube den Sprachgebrauch überlebt Meine Auslegung
ist nicht
unwahrscheinlich, wenn man z. B. ein anderes Überlebsei
in Betracht
zieht, über das ich vor Jahren an einer anderen Stelle
geschrieben.
An manchen Orten pflegen die Chrowoten und Serben selbst
im
heißen Hochsommer einen Toten auf einem Schlitten zu
Grabe zu
fahren, obwohl sie Wägen haben oder den Leichnahm bis
zum Friedhof
tragen könnten. In ihrer nordischen Urheimat pflegten
die Vorfahren
die Verstorbenen auf Schlitten in den Wald zu schaffen.
Damals
hatten sie wohl noch keine anderen Fuhrwerke. Der Brauch
vererbte
sich bis auf unsere Zeit, obgleich der Schlitten
überflüssig geworden.
Vergl. darüber Theodor Volkov. Le traineau dans les
rites funé-
200
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
raires de ГUkraine, Paris 1896 und dazu
Krauss, Allgemeine Me-
thodik der Volkskunde (1891—97), Erlangen 1899, S.
100.
35. Lijes.
Ovako rade u mnogim krajevima sjeverne Dalmacije, kao
i u prići
Lijes. U ovom obicaju u njekim mjestima pośto mladenci
rastave sve
komade lijesa, porazbacaju te komade na dvije strane,
desno i lijevo
pa onda drżeći se za ruke progju kroz sredinu prostora
livade iii
oranice, na ćijoj su desnoj i lijevoj strani porazbacani
komadi lijesa.
Tada će mladożenja, bez sumnje, probiti mladu.
Erhoben von Dr, Alexander Mitrovic in Knin.
Das Ackerzeug.
So macht man es in vielen Gegenden Norddalmatiens,
wie dies
in der Erzählung vom Ackergezeug geschildert wird.
Dieser Brauch
erfährt an einigen Orten eine Ergänzung: Nachdem das
junge Ehe-
paar alle Bestandteile des Ackergezeuges
auseinandergelegt, werfen
sie diese Stücke auf zwei Seiten, nach rechts und links
hin und gehen
hierauf Hand in Hand mitten durch den Zwischenraum der
Wiese oder
des Ackerfeldes, auf dessen rechter und linker Seite die
Ackergezeug-
stücke umhergeworfen liegen. Alsdann wird der junge Mann
ohne
Zweifel die junge Frau durchbrechen.
Anmerkung. Dieser Brauch bekräftigt meine der
vorangehenden
Erzählung angeschlossene Auslegung. Ursprünglich übte
man den
Brauch im Walde, indem man zwischen Bäumen
hindurchschritt. Über
diesen Brauch vergl. die klassische Untersuchung von
Henri Gaidoz,
Un vieux rite médical. Festschrift zu Ehren Anatole de
Barthélémy^,
Paris 1892. Jan Karłowicz, Nachträge dazu, Melusine 1897
aus dem
poln. Volksglauben, mehr darüber gab er in der Wisła; H.
F. Feil-
berg, Zwieselbäume nebst verwandtem Aberglauben in
Skandinavien,
Zeitschrift d. Ver. f. Volkskunde VII. Berlin 1897. — Im
allgemeinen
über den Vorstellungkreis: W. Mannhardt, Der Baumkultus
d. Ger-
manen und ihrer Nachbarstämme. Berlin 1875. Dazu die
wichtigen
Ergänzungen H. F. Feilbergs, Die Baumseele bei den
Nordgermanen.
Am Urquell, Hamburg 1894, und hinsichtlich des
serbischen Volk-
gebietes Tihomir R. Gjorgjevic: Ostaci obozavanja drveta
u nas.
Karadzic, list za srpski nar. zivot. Aleksinac
1901, sowie ebenda die
Nachträge dazu von Bovic und Stanoje M. Mijatovic.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
201
36. Granćice glogova і trnova drveta.
Vjencalo se dvoje mladih, jakih і zdravih. Vjencalo
se na Mitrov
dan a do Gjurgjeva dana mladożenja nije mogao da probije
mladu.
Svakako se mućio. Padao mu obraz pod nogę, kad bi samo
pogledao
svoju zgodnu i lijepu a joś neprobijenu żenicu. Kurac mu
se nikako
nije mogao dignuti, kad bi legao sa żenom. Od puste
strasti i njemu
i njoj tijelo se napunilo ćira. Krv je vrela i kod
jednog i kod dru-
goga a nije mogła da nagje oduśka.
Svekrva mlade poznała je na njoj, da je mući njeka
muka. Vidjela
je da joj redovno dolazi źensko pranje pa je znała, da
joj nevjesta
nije zatrudniła. Jednom je okupi, da joj każe, śta je
muci. Mlada joj
sve po istini każe pa je zamoli za pomoc.
Żao bijaśe svekrvi, da joj kuca ostanę bez poroda a i
da joj se
sin i nevjesta muce. Trażila je pomoći na sve strane,
ali joj niko
niśta nije znao reći. Najposlije ćuje, da u Bośni ima
njeka vracara,
koja lijeći i od toga. U zimsko, najnezgodnije doba
udari svekrva
u Bosnu, preko brda i dolina. Jedva, na sve duge jade,
nagje u Bosnu
vracaru. Isprića joj muku sinovljevu i neyjestinu.
Evo ti stalne pomoći, — reće joj vracara, Prużi joj
nekoliko
granćica glogova i trnova drveta pa je stade
ućiti: ,Neka tvoja nevjesta
svom mużu saplete od ovoga mali kosić a na dnu kośića
neka napravi,
u pletenju, rupu, kroz koju ti sin może provuci svoje
udo. Za dvaest-
ćetiri sata neka ti sin, svaki put kad hoće da pusti
vodu, provuce udo
kroz tu rupu pa neka tako pisa. Ako mu to ne
pomogne, drugo neće!'
Svekrva dobro nagradi vracaru. Uze glogovo i trnovo
drvo te
ga odnese kuci. Kuci stigne na dva dana prije
Gjurgjeva dne. Ne-
vjesta i sin, korne je mlada kazała, kuda mu ode majka,
ocekivali su
je kao ozebao sunce. Bojali su se, da je led i zima ne
pometośe.
Kad je svekrva dośla kuci, dade nevjesti glogovo
i trnovo drvo i kaza
joj, Śta reće vracara. Nevjesta iste veceri od
tih granćica saplete
kosić sa rupicom pri dnu pa ga dade mużu i kaza
mu, śta treba da
radi. Muź je posluśa pa je do sutra dan na vecer puśtao
vodu kroz
onu rupu u kośiću. Kad se navrsilo dvaesticetiri sata і
kad muź leże
sa żenom, njemu se ukruti kurac kao batina. Probije żenu
kao od
Sale. Do zore su se milovali і jebavali blagosivljajuci
bosansku vra-
caru. Nikad im nije do tada osvanuo ljepśi i
srećnije Gjurgjev dan.
— Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitr o vie
in
Knin.
202
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
Zweiglein vom Weißdorn- und Schwarzdornholze.
Ein junges Paar, kräftige und gesunde Menschenkinder,
ließ sich
trauen. Die Trauung fand am Demetertag (am 18. November)
statt,
doch es nahte schon der Georgtag (am 6. Mai) und
der junge Ehe-
mann erwies sich unvermögend seine junge Frau
durchzubrechen. Er
mühte sich auf alle Arten ab. Beschämung verzehrte ihn
schier bis
zur Fußsohle, warf er nur einen Blick auf sein
begehrenwertes und
schönes, aber annoch undurchbrochenes Weibchen hin. Auf
keine
Weise konnte sich ihm der Zumpt erheben, wann er sich
mit dem
Weibe niederlegte. Vor wüster Leidenschaft war sowohl
ihm als ihr
der Leib voll Pusteln geworden. Das Blut siedete sowohl
bei dem
einen als dem anderen und konnte nirgends Erleichterung
finden.
Die Schwiegermutter der jungen Frau erkannte an ihr,
daß sie
von irgend einer Qual abgequält werde. Sie sah, daß sie
regelmäßig
ihre weibliche Reinigung bekomme und wußte darnach, daß
ihre
Schwiegertochter nicht schwer geworden. Einmal bestürmte
sie sie,
damit sie ihr gestehe, was sie bedrücke. Die junge Frau
sagte ihr
alles wahrheitgemäß und bat sie um ihren Beistand.
Der Schwiegermutter tat es leid, sollte ihr Haus ohne
Nachwuchs
bleiben, aber auch daß ihr Sohn und ihre Schnur sich
abmartern.
Sie suchte allerwärts um Hilfe, doch niemand wußte ihr
das geringste
zu sagen. Endlich erfährt sie, in Bosnien lebe eine
Zauberfrau, die
auch davon heile. In winterlicher, allerungünstigster
Zeit schlug die
Schwieger den Weg über Berge und Täler nach Bosnien ein.
Endlich
nach allen den langen Leiden traf sie in Bosnien die
Zauberfrau an.
Sie erzählte ihr haarklein die Qual des Sohnes und der
Schnur.
— Da hast du eine zuverlässige Abhilfe, sagte die
Zauberfrau
zu ihr. Sie überreichte ihr einige Zweiglein vom
Weißdorn- und
Schwarzdornholze und hub sie zu unterweisen an: ,Deine
Schwieger-
tochter soll ihrem Gatten daraus eine kleine Scheibe
flechten, auf dem
Grund des Geflechtes aber, im Flechten eine Lücke
belassen, durch
die dein Sohn sein Glied durchziehen kann. Während
vierundzwanzig
Stunden soll dein Sohn, so oft er Wasser lassen will,
durch selbes
Loch das Glied durchziehen und so pissen. Wenn ihm das
nicht hilft,
ein anderes tuts nichtl'
Die Schwieger belohnte reichlich die Zauberfrau. Sie
nahm das
Weißdorn- und Schwarzdornholz und trug es heim. Daheim
traf sie
zwei Tage vor Georgi ein. Die Schnur und der Sohn, dem
die junge
Frau mitgeteilt hatte, wohin sich seine Mutter begeben,
erwarteten sie
Erotik und Skatologie im Zauherbann und Bannspruch.
203
sehnsüchtig wie ein Halberfrorener den Sonnenaufgang.
Sie waren in
Angst, Eis und Winterkälte hätten die Mutter
verschlagen. Nach ihrer
Heimkunft übergab die Schwieger der Schnur das Weißdorn-
und
Schwarzdornholz und teilte ihr mit, was die Zauberfrau
gesagt. Am
selben Abend flocht die Schwiegertochter aus diesen
Zweiglein die
Scheibe mit der Lücke im Boden, gab sie dem Gatten und
wies ihn
an, was er zu tun habe. Der Mann folgte ihr und ließ
sein Wasser
bis zum Abend des morgigen Tages durch jenes
Scheibenloch hin-
durch ab. Nach Ablauf von vierundzwanzig Stunden und als
sich der
Mann mit seinem Weibe niederlegte, versteifte sich ihm
der Zumpt
wie ein Stock. Er durchbrach das Weib wie im Scherz. Bis
zum
Morgengrauen liebkosten und vögelten sie miteinander,
die bosnische
Zauberfrau segnend. Bis dahin war ihnen noch niemals ein
schönerer
und glücklicherer Georgtag angebrochen.
Anmerkung. Die Zauberlösung besteht in diesem Falle
in einer
Teildurchziehung. Zur Erklärung vergleiche die zu N0.
35 angemerkten
Schriften.
37. Prekrśene granćice.
Poslije crkvenog vjencanja svatovi pratili mladence
mladożenjinoj
kuci. Pjevali su, pucali iz puśaka і veselo skakali.
Mlada, zadovoljna,
obijesna a radujući se noći brała je cvijece i otkidala
granćice sa sta-
bala. Kad svedose mladence u loźnicu mladożenji nikako
da ustane
kurac. Mlada se od muke uzjogunila pa kori mladożenju,
da je slab
i ni za śto. Jedva im je svanulo a da ne ućiniśe niśta.
Ćim je svanulo mladożenja odleti njekoj babi pa joj
isprića svoje
jade i zamoli je za pomoc. Baba je dobro poznavala i
mladożenju
i mladu. Bila je uvjerena, da uroka nema, jer u selu
nijesu imali
duśmana.
— Da nije tvoja mlada, — upitaće baba, — idući kuci
sa svato-
vima prekrśila kakvu granćicu a da je nije prekinula,
nego ostavila da
visi? Ako je to uradila, neka odmah nagje tu granćicu,
neka je pre-
kine da ne visi pa neka je donese kuci iii baci u polje.
Tada ćeś
joj probiti pićku kao smokvu prstom.
Mladożenja vrati se kuci, digne mladu pa
putem, kojim su ih
svatovi pratili mlada prekine i baci u polje sve
granćice, za koje se
sjećala, da ih je jućer prekrśila a nije ih prekinula.
Do prvog sumraka
svrsise taj posao i veselo odośe kuci. Idući
kuci mladożenji se nadizao
kurac pa je od muke htio u polju da prevali i probije
mladu. Radi
204 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Die geknickten Zweiglein.
Nach der kirchlichen Trauung geleiteten die
Hochgezeiter das
Brautpaar zum Hause des Bräutigams. Sie sangen, schössen
aus
Büchsen und hüpften fröhlich. Die junge Frau, zufrieden,
übermütig
und auf die kommende Nacht sich freuend sammelte Blumen
und knickte
von den Baumstämmen Zweiglein ab. Als man das Brautpaar
ins Schlaf-
gemach zusammengeführt, wollte dem jungen Ehemann auf
keine
Weise der Zumpt aufstehen. Vor Qual begann die junge
Frau ernstlich
zu schmollen und tadelte den jungen Gatten, er wäre ein
Schwäch-
ling und tauge keinen Pfifferling. Der Morgen mochte
schier nicht
grauen und ausgerichtet hatten sie gar nichts.
Kaum war die Morgendämmerung angebrochen, flog der
junge
Gatte hin zu einem gewissen alten Weibe und erzählte ihr
haarklein
seine Leiden und erbat sich ihre Hilfe. Die Alte kannte
gut sowohl
den jungen Ehemann als seine junge Frau. Sie war
überzeugt, daß
hier keine Beschreiung vorliege, denn die hatten im
Dorfe keinen Feind.
— Ob wohl nicht deine junge Frau, — fragte ihn die
Alte, —
auf dem Heimwege mit dem Hochzeitzuge irgend ein
Zweiglein
geknickt, ohne es abzubrechen, sondern es hängen
gelassen hat? Wenn
sie das getan, so soll sie augenblicklich dies Zweiglein
auffinden, es
abbrechen, damit es nicht herabhänge und es zu sich
heimbringen oder
aufs Feld hinwerfen. Dann wirst du ihr die Voze, wie mit
dem Finger
eine Feige durchschlagen.
Der junge Ehemann kehrte nach Haus zurück, stöberte
die junge
Frau auf und entlang dem Wege, auf dem sie der
Hochzeitzug ge-
leitet, brach die junge Frau alle die Zweiglein ab und
warf sie aufs
Feld weg, von denen sie sich entsann, daß sie sie am
Vortag geknickt,
doch nicht abgebrochen habe. Bis zum Schummerunganfang
beendigten
sie dieses Geschäft und fröhlich zogen sie heimwärts.
Auf dem Heim-
wege erhob sich dem Ehemann der Zumpt und vor Pein
wollte er
schon auf dem Felde seine junge Frau niederwälzen und
durchbrechen.
Aus Schamgefühl vor den Leuten unterließen sie es doch
auf dem
Felde. Kaum aber langten sie daheim an, mochte der junge
Ehegatte
stida od svijeta to ne uradiŚe u polju. Ćim dogjośe
kuci, mladoźenja
nije htio da éeka vecere, nego izvali mladu na postelju,
digne joj nogę
i od prve zabije joj u pićku kurac sve do muda. Tek u
zoru, bez
vecere ali zadovoljni jebavanjem, malko usnuśe poslije
tolikih muka.
Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic in
Knin.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
205
gar nicht erst aufs Nachtmahl warten, sondern wälzte
der Länge nach
die junge Frau über die Bettstatt hin, hob ihre Beine in
die Höhe
und auf den ersten Stoß rannte er ihr in die Voze den
Zumpt bis zu
den Hoden ein. Erst im Frührot, ohne Nachtmahl, doch vom
Gevögel
befriedigt, schlummerten sie ein wenig nach so großen
Qualen ein.
Anmerkung. Aus Neugierde lugten die Vilen, die
Baumgeister
zu den Zweiglein auf ihre bräutliche, menschliche
Schwester aus, die
aber knickte sie aus Übermut. Zur Strafe fur den Frevel
lähmten sie
dem Brautmann das Glied. Um den Bann zu beheben, mußten
eben
die Zweiglein, die Zeugen der Missetat, beseitigt
werden. Das erkannte
ganz scharfsinnig die alte zauberkundige Frau und ihr
Rat war gemäß
dem slavischen und allgemein menschlichen Völkerglauben.
Vergl.
W. Mannhardt, Der Baumkultus der Germanen und ihrer
Nachbar-
stämme, Berlin 1875. S. 10—12 und S. 34—38.
38. Suvi Sjjivov panj.
Ako żeńska ne će da rodi iza prvog djeteta, onda neka
uzme
poslećić — od pupka ko użićica — pa neka kroz njedra,
kroz nastavak
provuce toliko puta, koliko godina oće da nema djece a
uvijek neka
naćini uzao. Taki se posledak zakopa pod suvi panj od
Sljive pa se
każe: ,Kakogod ovaj slivov panj rodio tako i ja rodilal'
Ako bi żeńska
htjela da ima dijete onda neka rano u jutro krene onoj
Sljivi i neka
krene ono mjesto, gdje je posledak zakopan. — Von der
Zauberfrau
in Skrabutnjik in Slavonien.
Der dürre Zwetschkenbaumstamm.
Mag ein Frauenzimmer nach dem ersten Kinde nicht
wieder ge-
bären, so nehme sie den Nabelstrang — vom Nabel wie ein
Bändchen
— und ziehe ihn so oft durch den Busen, durch den
Hemdbrustlatz
durch, als sie Jahre hindurch kinderlos bleiben will und
jedesmal soll
sie einen Knoten [in den Nabelstrang] knüpfen. Solch
einen Nabel-
strang vergräbt man unter dem trockenen Stamm eines
Zwetschken-
baumes und spricht dazu: ,Sowie dieser
Zwetschkenbaumstamm Früchte
tragen wird, so möge ich auch gebären!1
Sollte das Frauenzimmer
doch wieder ein Kind haben wollen, so begebe sie sich
frühzeitig
morgens zu jener Zwetschke und beseitige die Stelle, wo
der Nabel-
strang vergraben liegt.
39. Dvije vrece.
Ako muż ne może da probije żenu, obicavaju u tom se
pomoći
na dva nacina.
20б
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
Uzmu dvije prazne vrece. Jednu, svezanu metnu u drugu
pa і tu
svezu. Grla u vrece okrenu s jedne strane. Vrece na taj
naèin vezane,
prostru koliko mogu na zemlju pa muź na njih povali
zenu. Pojebaće
je, da ne fali.
Iii, vezu tako dvije vrece. Jednu uvuku u drugu a
grlo jedne
okrenu prema dnu druge. Oba grla treba da budu vezana.
Prostru
vrece na zemlju pa se lako і veselo pojebu, — Erhoben in
Nord-
dalmatien von Dr. Alexander Mitrovic in Knin.
Zwei Säcke.
Vermag der Gatte seine Gattin nicht zu durchschlagen,
so pflegen
sie sich in diesem Falle auf zweierlei Weisen zu helfen.
Sie nehmen zwei leere Säcke. Den einen, der
zugebunden, tun
sie in den andern hinein und binden auch den zu. Die
Sackmündung
stülpen sie von der einen Seite um. Die auf diese
Art gebundenen
Säcke breiten sie, so gut es angeht, auf der Erde auf
und der Gatte
wälzt darauf das Eheweib nieder. Er vögelt sie ab, es
ist unfehlbar.
Oder, man bindet so die Säcke: sie ziehen den einen
in den an-
deren ein und stecken die Mündung des einen gegen den
Boden des
anderen. Beide Mündungen müßen zugebunden sein. Die
Säcke
breiten sie auf dem Erdboden aus und vögeln leicht und
fröhlich.
Anmerkung. Man bannt die dem Beischlaf feindlichen
Geister
in die Säcke hinein und beraubt sie ihrer Kraft und
Macht, indem man
ihnen sowohl die Schamteile zeigt als auch in dem man
auf ihnen den
Beischlaf ausübt, d. h. mittelbar sie selber
geschlechtlich gebraucht.
Die hiebei ehemals vermutlich gebräuchlichen Bannsprüche
gerieten
in Vergessenheit. In Thüringen und Franken kann, wer es
versteht,
die plagenden Spuckgeister in Säcke packen, durchprügeln
und in
wüste Orter tragen und bannen, in Sümpfe, Haselnuß,
Schwarzdorn-
und Eichengesträuche. In der Oberpfalz und im Harz läßt
man die
behexte Kuh in einen Sack, am besten in einen Erbsack
pissen und
prügelt den Sack mit einem Dornenbusch; so wird die Hexe
zer-
schlagen. Vergl. Dr. A. Wuttke D. deutsche
Volksaberglaube d. Gegen-
wart. Dritte Bearbeitung v. E. H. Meyer. Berlin 1890, S.
774 und 702,
40. Popovski blagoslov.
Vjencalo se dvoje (mladih. Oboje zdravi
kao zdrava drenovina.
Kad su na vecer legli i poćeli se milovati, nikako
mladożenji da se
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch
207
digne kurac і da mladoj probije pièku. On, żeljan
pićke a ona kurca,
mućili su se i znojili su se cijelu noć. Badava je bilo
sve.
Oboje mladi i zeleni nijesu htjeli nikome da kaźu to.
Ni otac ni
majka mladożenje i mlade nijesu za to doznali. Noći su
prolazile
a mlada bi podranila cijela kao ubrata ruźa na ljetnom
suncu. Momak
se svakako mućio ali nije mogao da uspije. Tużio se
drugovima svojim
ali піко nije znao, da mu pomogne. Siljali su ga
ljekarima ali on od
stida nije htio da ide.
Razgovarajuci se sa svojom mladom o toj nevolji,
dogovore se,
da odu svom svesteniku pa da ih on spoji svetim
molitvama. Neka
im digne to cudo iii tugji urok, radi koj ega
oboje pogiboSe. Kad bi
momak danju bio na radnji i pomislio na svoju zenu,
kurac bi mu se
odmah digao. Kad bi na vecer legao uz nju, nije ga mogao
ni
maknuti.
Jedne nedjelje po liturgiji, odu popu. Ispovjede mu
se cisto
i bistro. Pop ih utjesi, jer da će biti pomoći. S oltara
digne nekakvu
veliku knjigu. Rastvori je. Nagje u njoj nekakvu
molitvu. Mladencima
pokri glavu petrahiljem і stade da cita iz knjige. Kad
je bio gotov
sa ćitanjem, mladenci poljube knjigu i popa u ruku. Odu
veselo kuci.
Na vecer u postelji mladożenji se digne kurac, kao
da je gvozdeni
śtap u nj uvukao. Probio je mladu і od tada je jebavao,
kad je
god htio. — Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander
Mitrovic
in Knin.
Des Popen Besegnung.
Ein junges Paar hatte sich trauen lassen. Beide
kerngesund, wie
gesundes Kornellkirschholz. Als sie sich am Abend
niederlegten und
mit einander zu kosen anhüben, mochte sich dem jungen
Ehemann
um keinen Preis der Zumpt erheben und es gelang ihm
daher nicht,
der jungen Frau die Voze durchzuschlagen. Er voll
Sehnsucht nach
der Voze und sie nach dem Zumpt bemühten sich und
schwitzten sich
die ganze Nacht ab. Alles war vergeblich.
Beide jung und grün wollten niemand etwas davon
verraten.
Weder Vater noch Mutter des jungen Mannes und der jungen
Frau
erfuhren davon etwas. Die Nächte verrannen, die junge
Frau aber
erwachte früh morgens unversehrt als wie eine
Neugeborene. Sie
welkte im Gesichte und am Leibe dahin wie in der
Sommersonne eine
gepflückte Rose. Der Bursche plagte sich auf alle Art
und Weise ab,
doch konnte er nicht ans Ziel gelangen. Er klagte sein
Leid seinen
*
2o8 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Genossen, doch niemand wußte ihm zu helfen. Man wies
ihn an Ärzte,
doch aus Scham wollte er keinen aufsuchen.
Er besprach mit seiner jungen Frau dies Ungemach und
sie ver-
abredeten, sich zu ihrem Geistlichen zu begeben, damit
er sie mit
heiligen Gebeten vereinige. Er soll ihnen diese
Wundererscheinung
oder diese fremde Beschreiung beheben, um derentwillen
sich beide
nahezu verzehrten. Befand sich der Bursche tagsüber auf
der Arbeit
und fiel ihm sein Weib in den Sinn, sofort stand ihm
sein Zumpt
auf, wenn er sich jedoch am Abend zu ihr hinlegte,
konnte er mit
ihm nicht einmal mucksen.
Eines Sonntags nach der Liturgie begaben sie sich zum
Popen.
Sie beichteten ihm rein und klar den Sachverhalt. Der
Pope tröstete
sie, denn es werde dafür eine Abhilfe geben. Er hob vom
Altare
irgend ein großes Buch. Den jungen Eheleuten bedeckte er
mit der
Stola das Haupt und begann aus dem Buche zu lesen.
Nachdem er
mit der Verlesung fertig geworden, küßten die jungen
Leute das Buch
und dem Popen die Hand. Abends erhob sich dem jungen
Ehemann
im Bette der Zumpt, als ob er in ihn einen Eisenstab
eingezogen.
Er durchlöcherte die junge Frau und von da an vögelte er
sie, so oft
ihn dazu die Lust anwandelte.
Anmerkung. Wenn ein christlicher Geistliche in der
christlichen
Kirche aus einem christlichen Buche über ein mit der
Stola bedecktes
Paar ein Gebet verliest, so vollzieht er eine
Kulthandlung, die jedoch,
wie im berichteten Falle noch lange keine im Sinne des
wahren christ-
lichen Kultes zu sein braucht Hier trat einfach für
die Bajalica (die
Besprecherin) oder den Vrac (den Heilkräutler)
der Priester ein und
verrichtete im christlichen Gewände eine heidnische
Kulthandlung zur
Bannung der die Begattung hemmenden bösen Geister. Nicht
jeder
Pope ist von der Kraft seiner heiligen Altarbücher
durchdrungen,
denn so mancher mag, wie der auf S. 198 erwähnte, wenn
ihn zeitweilige
Impotenz befällt, doch lieber dem altbewährten Glauben
folgen und
u lijes u sein Heil suchen. Schließlich und letzlich
erweist sich der
uralte Volksglaube doch stärker und kräftiger als die
tausendjährige
Herrschaft der christlichen Kirche im allgemeinen und
dazu im beson-
deren der am k. k. Gymnasium und an der theologischen
Lehranstalt
genossene Unterricht des Einzelnen. Und das ist fur die
Wissenschaft
vom Menschen ein Glück, denn sonst stünden wir vielfach
vor lauter
Rätseln des Glaubens und der Sittlichkeit und die
Entwicklung-
geschichte des menschlichen Geistes wäre kaum zu
ergründen.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
4L Brava.
Vjencali se zgodan momak i joś zgodnija cura. On
mlad, jak
zdrav, ona lijepa, zgodna і zdrava kao dren. Rodbina i
roditelji već
unaprijed veselili se lijepom porodu, koji će oni
izroditi. Svatovi
i veselje bijahu veliki.
Nego, tu curu bio je zavolio drugi momak. Ona ga nije
htjela
yjenćati, jer joj se bolje dopao onaj, koga je uzela.
Prvi momak, da
joj se osveti, na dan njenog vjencanja kupi novu bravu.
Zakljuća je
i ode u busiju na drumu, da doćeka svatove. Kad su
svatovi poslije
slave i veselja iśli od kuce mlade mladożenjinoj
kuci, naljegli na busiju,
u kojoj je bio momak, ovaj baci preko svatova na drugu
stranu druma
zatvorenu bravu. Kljuć od brave strpa u dżep i ode
kuci.
Proślo je već njekolko mjeseci od vjencanja a mlada
nikako nije
mogła da zatrudni, i ako je muz jebavao svako jutro, kad
god bi se
probudio. Uzaludu je iśla i popovima i manastirima, da
joj ćitaju
molitve. Bila je velika żalost u kuci
muzevljevoj, jer su se roditelji
njegovi, kod jedinca siae bojali, da im ne ugine
koljeno. Nije niśta
pomogło. Mjeseci su prolazili a sa njima i godine.
Proślo je tako
osamnaest punih godina. Stari roditelji muzevljevi
pomrli, ożalośćeni,
da nemaju unuće.
Njeka baba videci toliku żalost u pustoj
kuci, gdje nema poroda,
reće domaćici, da je njeko morao ureći i preko njenih
svatova baciti
zabravljenu bravu. Savjetova je, neka potrażi toga, koji
je to ućinio
pa neka nagje zabravljenu bravu, neka je otkljuća i da
će tada odmah
zatrudni ti. Domaćica reće to s vom mużu a ovaj
prijateljima i zamoli
ih, neka mu pomognu. Onaj negdaśnji momak, koji je bacio
zabrav-
ljenu bravu preko svatova, vec se bio okućio i
imao lijepog poroda.
Rażali mu se, śto i negdaśnja cura, koju je on htio, da
yjenća, nema
poroda. Ode na onaj isti drum, preko koga je bacio
bravu. Potrażi
bravu і nagje je u njekom grmu. Nagje i kljuè te bravom
i kljućem
ode pravo kuci svog suparnika. Njega i żenu mu nagje
taman na
rućku. Pred njima otvori bravu. Bravu baci njima na sto
a on kljućem
pobjeże iz kuce.
Devet mjeseci poslije toga u samohranpj kuci zaću se
djećji piać.
Otac je plakao od radosti a majka nije mogla, da se
nagrli novo-
rogjenćeta. Bilo je lijepo і zdravo muśko. Na krstu mu
je kumovao
do nedavno nepoznati düsmanin njegovih roditelja. Dijete
je napre-
dovalo, kao mało koje u selu. Kad su mu bile dvije
godine, izgledalo
je, da mu ima ćetiri. Odrastao momćić, da mu na daleko
nije bilo ni
Krauss, Anthropophyteia, IV. I4
2IO
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
slićnog a kamo li jednakog. A kako і ne bil
Roditelji su ga gradili
osamnaest godina і devet mjeseci. — Erhoben in
Norddalmatien von
Dr. Alexander Mitrovic in Knin.
Das Sperrschloß.
Ein prächtiger Jüngling und noch ein prächtigeres
Mädchen hatten
sich trauen lassen. Er kräftig und gesund, sie schön,
stramm und ge-
sund wie ein Kornellkirschbaum. Die Sippen und die
Eltern freuten sich
schon im voraus über den schönen Nachwuchs, den die in
die Welt
setzen werden. Groß war die Hochzeit und das
Freudenfest.
Aber, zu diesem Mädchen hatte ein anderer Bursche
Liebe gefaßt,
doch mochte sie nicht die seine werden, weil ihr jener
besser gefiel,
den sie zum Ehegatten nahm. Um sich zu rächen, kaufte
der erstere
Jüngling an ihrem Trauungtage ein neues Schloß. Er
sperrte es ab
und begab sich in einen Hinterhalt an der Landstraße, um
dem Hoch-
zeitzuge aufzulauern. Als die Hochgezeiter nach der
Feier und Fest-
freude vom Hause der Braut zum Hause des Bräutigams
daherkamen
und in den Hinterhalt gelangten, in dem steh der Bursche
verbarg,
schleuderte der über die Hochzeitleute auf die andere
Seite der Land-
straße das abgesperrte Schloß hin. Den Schloßschlüssel
stopfte er
sich in den Sack hinein und ging heim.
Es waren bereits einige Monate seit der Trauung
verstrichen, die
junge Frau aber konnte auf keine Weise schwanger werden,
obwohl
ihr Gatte sie jeden Morgen, so oft er erwachte, zu
vögeln pflegte.
Vergeblich suchte sie so Popen als Klöster auf, damit
man ihr Gebete
vorlese. Große Trauer herrschte im Hause des Ehemannes,
denn da
er der einzige Sohn war, befürchteten seine Eltern, ihr
Stamm könnte
verlöschen. Es half rein nichts. Die Monde verstrichen
und nach den
Monden auch die Jahre. So vergingen volle achtzehn
Jahre. Die
alten Eltern des Ehemannes starben dabin, tief betrübt,
daß sie ohne
Enkel geblieben.
Als da ein altes Mütterchen so großes Leid im wüsten
Heime
sah, wo kein Nachwuchs sproßte, sagte es zur
Hausvorsteherin, es habe
sie wohl jemand beschrien und über die Hochgezeiter ein
abgesperrtes
Schloß geworfen haben müssen. Sie beriet sie, den Täter
aufzusuchen,
damit er das abgesperrte Schloß auffinde und es
aufsperre und dann
werde sie sogleich schwanger werden. Die Hausvorsteherin
sagte dies
ihrem Gatten und der seinen Freunden und bat sie um
ihren Beistand.
Jener ehemalige Jüngling, der das abgesperrte Schloß
über den Hoch-
zeitzug geworfen, hatte schon ein eigenes Heim gegründet
und besaß
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
211
eine ansehnliche Nachkommenschaft. Er empfand auf
einmal Mitleid,
daß nicht auch das Mädchen von dazumal, das er
heimfuhren gewollt,
einen Nachwuchs habe. Er suchte nach dem Schloße und
fand
es in einem Strauch vor. Er fand auch den Schlüssel und
begab sich
mit Schloß und Schlüssel schnurstracks ins Haus seines
Widersachers.
Ihn und sein Weib traf er just beim Mittagessen. Vor
ihnen eröffnete
er das Schloß. Das Schloß warf er ihnen auf den Tisch
hin, mit dem
Schlüssel aber rannte er aus dem Haus davon.
Neun Monate darnach vernahm man in dem bisherigen
Einsiedler-
hause eines Kindes Geschrei. Der Vater weinte vor
Freuden und die
Mutter konnte sich schier gar nicht genug tun an
Umhalsungen des
Neugeborenen. Es war ein schönes und gesundes Knäblein.
Bei der
Taufe stand ihm Gevatter der bis unlängst unbekannte
Feind seiner
Eltern. Das Kind gedieh, wie wenige im Dorfe. Mit zwei
Jahren
schaute es wie ein vierjähriges aus. Es wuchs da ein
Bürschlein heran,
wie weit und breit kein ähnlicher, geschweige denn ein
gleicher ge-
funden war. Und wie denn auch nicht! Seine Eltern
bosselten ja an
ihm achtzehn Jahre und neun Monate lang herum.
Anmerkung. Vergl. Dr. Ad. Wuttke, Der deutsche
Volksaber-
glaube der Gegenwart Dritte Bearbeitung v. E. H. Meyer,
Berlin 1900,
S. 574: ,Bei der Entbindung muß man alle Schlösser im
Hause an
Türen und Kasten usw. aufmachen, so gebiert die Frau
leichter.' Über
die allgemeinere Verbreitung dieses Glaubens in alter
und neuer Zeit,
Felix Liebrecht, Zur Volkskunde, Heilbronn 1879, S. 360.
42. Katanac u moru.
Momak se zagledao u curu. Zaprosio je i već roditelji
urekli
vjencanje. U djevojku bio je zaljubljen i drugi momak,
ali ga je dje-
vojka odbiła. Ona je bila bogatog roda a on siromah.
Nije htjela
da ga vjenca. Siromah momak zarekao se, da će joj se
osvetiti і da
ne će imati sreće u njenom braku. Na dan vjencanja sa
prvim, bo-
gatim momkom, siromah momak kupi novi katanac sa dobrim
kljućem.
Poslije svrSenog crkvenog vjencanja ode na morsku obalu.
Na obali
zatvori kljućem katanac. Pokusa, da li je dobro
zatvoren. Kad se
o tome uvjerio, zavitla katancem u sinje more i reće:
,Kad ovaj ka-
tanac iz mora izagje i kad se otvori, danaśnji
mladożenja probiće tek
svoju mladu.4 Kljuc od katanca baci takogje u
more.
Mladenci proslavtèe vjencanje. Svedose ih u postelju,
Poćeśe se
ljubiti і milovati, ali se mladożenji nikako, u poćetku,
nije mogło napeti
14*
212
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
udo. Tek pred zoru nadigne mu se kurac i htjede da
probije mladu.
Nije joj se udom dobro ni pribliżio pićki koja
je, sva oznojena, bila
u vatri a kurac mu se na veliku żalost, zbije, prosu i
ne ućini niśta.
Razumjeli su, da je njekakav urok po srijedi. Nijesu
im pomogli
ni popovi ćitanjem evangjelija, ni vracare vracanjem. On
je mogao
a i kuśao je, pojebati svaku drugu żensku ali nije mogao
svoje żene.
Źena mu, koja se nije htjela drugome dati, umrla je
djevica. — Eto
śta może zatvoreni katanac. — Erhoben in Norddalmatien
von Dr.
Alexander Mitrovic in Knin.
Das Vorhängeschloß im Meer.
Ein Jüngling verschaute sich in ein Mädchen. Er warb
um ihre
Hand und die Eltern bestimmten bereits den Trauungtag.
In das
Mädchen war auch ein anderer Bursche verliebt, doch
hatte ihn das
Mädchen abgewiesen. Sie war von reicher Sippe, er aber
ein armer
Schlucker. Sie mochte ihn nicht heiraten. Der arme
Bursche gelobte,
sich an ihr zu rächen und daß sie infolge dessen in
ihrer Ehe kein
Glück haben werde. Am Trauungtage mit dem ersteren, dem
reichen
Burschen, kaufte der arme Junge ein neues Vorhängschloß
mit einem
guten Schlüssel. Nach beendigter kirchlicher Trauung
begab er sich
ans Meergestade. Am Gestade sperrte er mit dem Schlüssel
das
Schloß ab. Er versuchte, ob es gut geschlossen sei.
Nachdem er
sich davon überzeugt, schleuderte er in einem großen
Bogen das
Vorhängschloß ins blaue Meer hinein und sprach: ,Wann
mal dies
Vorhängschloß aus dem Meer emporsteigt und wann es
geöffnet wird,
dann erst wird der heutige Bräutigam seine junge Frau
durchlöchern
könnenIі Den Vorhängschloßschlüssel warf er
ebenfalls ins Meer.
Das junge Ehepaar feierte die Trauung. Man führte die
Leutchen
ins Bette. Sie begannen zu kosen und einander zu herzen,
doch konnte
sich dem jungen Ehemann anfangs auf keine Weise das
Glied ver-
steifen. Erst gegen das Morgengrauen erhob sich ihm der
Zumpt
und er schickte sich an, die junge Frau zu durchlochen.
Noch hatte er
sich mit dem Glied der Voze, die ganz in Schweiß gebadet
und in
Feuer war, nicht recht genähert, als ihm zum größten
Leidwesen der
Zumpt umknickte, sich entleerte und gar nichts
verrichtete.
Sie begriffen, daß dabei irgend eine Beschreiung mit
im Spiele
sei. Da halfen ihnen weder die Popen mit Vorlesungen aus
dem
Evangelium, noch die zauberkundigen Weiber mit
Zaubermitteln. Er
konnte wohl, wie es Versuche bewiesen, jedes andere
Weibsbild ab-
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. 213
vögeln, nur seine eigene Ehegattin nicht. Seine Frau,
die sich einem
anderen nicht hingeben mochte, starb als Jungfrau. — Da
sieht man,
was ein gesperrtes Vorhängschloß zu bewirken vermag I
43. Katanac u zemty.
Zavoljeli se momak і cura. Malo kasnije yjenèali se і
veselo
proslavili svadbu. Bila u selu stara djevojcura, koja je
zavidjela svakoj
udavaci. Na dan vjencanja momka і cure kupi novi
katanac. Zatvori
ga po vjencanju i zakopa ga u zemlju a kljuc, sakrije
misled na
mladence.
Kad na vecer mladenci legośe, mladożenja nikako nije
mogao da
probije mladu. Mućio se і te noći i mnogo noći za tim. I
jedno
i drugo da svisnu od jada. Tużni i żałosni traźili su
pomoći na sve
strane. Sve im je bilo badava.
To je sve znała i gledala ona djevojcura, koja je
zakopała zatvo-
reni katanac. U poćetku je uzivala u svojoj zluradosti.
Najposlije je
i njoj omekśalo srce. Iskopala je katanac iz zemlje.
Otvorila ga je
i bacila u more. Od tada se ono dvoje jebavalo sve u
śesnaesL Tog
istog dana na vecer muź od prva probi pićku żeni.
Źiyjeli su srećni
i zadovoljni. Izrodili su lijepi poród. — Erhoben in
Norddalmatien
von Dr. Alexander Mitrovic in Knin.
Das Vorhängschloß in der Erde.
Ein Bursch und ein Mädchen faßten zu einander Liebe.
Ein wenig
darnach ließen sie sich trauen und feierten fröhlich das
Hochzeitfest.
Im Dorfe lebte ein alter Schlampen, die jeder im
Brautstande Neid
nachtrug. Am Trauungtage des Burschen und des Mädchens
kaufte
sie ein neues Vorhängschloß. Nach der Trauung sperrte
sie es zu
und vergrub es in der Erde, den Schlüssel aber
versteckte sie, wobei
sie an das junge Paar dachte.
Als sich am Abend das Brautpaar niedergelegt,
vermochte der
junge Ehemann um keinen Preis die junge Frau zu
durchlochen. Er
quälte sich damit sowohl in dieser als noch in vielen
Nächten ab.
Das eine wie das andere möchte vor Leid aufwimmern.
Betrübt und
traurig suchten sie nach allen Seiten nach Hilfe. Alle
ihre Bemühung
blieb eitel.
Das alles wußte und schaute jener Schlampen mit an,
die das ge-
schlossene Vorhängschloß vergraben. Anfangs ergötzte sie
sich in
ihrer Schadenfreude, endlich aber erweichte auch ihr
Herz. Sie grub
das Vorhängeschloß aus der Erde aus, öffnete es und warf
es ins
214
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
Meer hinein. Von da ab vögelten jene zwei, daß die
Funken stoben.
Am Abend desselben Tages durchschlug der Ehegatte gleich
auf den
ersten Stich seiner Frau die Voze. Sie lebten glücklich
und zufrieden,
Sie setzten eine ansehnliche Nachkommenschaft in die
Welt
44. Devet katanaca.
Igrała se Adembegovica
do po noći z gjever Muhamedom
od po noći s zaovom gjevojkom.
Ulazi joj svekrva kaduna:
— Bog t ubio, nevjestice moja I
igra mi je dodijala tvoja.
Njojzi veli Adembegovica:
— Gjevojka sam, igra mi je draga.
Evo ima devet godin dana
kako sam vam dovedena dvoru,
ne znam mlada, gje Adembeg spava,
gje li spava, gje 1 se raspasiva,
gje li snima mor misir dolamu,
gje 1 behara, bijela fistana,
gje 1 pupali kajiś sa silaha!
Vrlo muka Adembega majci.
Ona sigje na mermer avliju
pa tu ćeka sina iz ćarśije.
Srdito mu majka progovara:
— Jazuk tebi, sine Adembeźe!
Sto će tebi ljubovca gjevojka?
— Istina je, moja mila majko 1
Pa se vrati natrag u ćarśiju
pa kupuje gjuzel gjeisiju
pa on igje u selo gjevojci
pa dozivlje plemenitu Fatu
pa joj daje gjuzel gjeisiju:
— Otćin ćini, śto si ućinilal
Njemu Fata tiho progovara:
— Nikąd ti ih otćiniti ne ću!
Skovala sam devet katanaca,
kroz sve devet tebe propuśćala
i bacila u vodu studenu!
Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch. 215
On je jami za bijelu ruku
pa je vodi dvoru bijelome
pa je daje ostarjeloj majci.
A on ide ljubi u odaju
pa nakiti knjigu Sarovitu
a na ruke daji Hasan agi:
— Kupi svate, dajo Hasanaga,
kupi svate, śalji dvoru morne,
sve adete kao na gjevojkul
Sve mu piśe śto je і kako je.
Kad je aga knjigu proućio
і vidio śta mu sestrić piśe,
odmah skupi kitu i svatove
pa opremi Adembega dvoru
te odvede Adembegovicu.
Adembeg se s Fatom oźenio.
Moslimisches Guslarenlied aus Bosnien. Bosanska Vila
1896. S. 379.
Neun Vorhängschlösser.
Es spielte die Adembegin — bis Mitternacht mit dem
Brautführer
Mohammed, — von Mitternacht ab mit der Schwägerin, dem
Mädchen.
— Bei ihr tritt die Schwiegermutter, die Edelfrau ein: —
,Gott möge
dich töten, du meine liebe SchnurI — dein Spiel ist mir
schon lästig
geworden/ — Die Adembegin spricht zu ihr: — ,Ein Mädchen
bin
ich, das Spiel ist mir lieb. — Es sind schon neun Jahre
daher — seit
dem ich euch ins Gehöfte zugeführt worden — und noch
weiß ich
junge Frau nicht, wo Adembeg schläft, — wo er wohl
schläft, wo er
sich den Gürtel löst, — wo er den dunkelblauen
egyptischen Dolman
ablegt, — wo den blumengeschmückten weißen Überrock, —
wo den
mit Knospen verzierten Riemen vom Gewaffen.' —
Große Qual schafft dies Adembegs Mutter. — Sie steigt
in den
Marmorhof hinab — und wartet hier die Rückkehr des
Sohnes vom
Markte ab. — Zornig redet ihn die Mutter an: — ,Ein
Schaden dir,
Sohn Adembeg! — Was taugt dir zum Eheliebchen ein
Mädchen?' —
.Wahrheit ist es, meine teuere Mutter I'
Und er kehrte wieder auf den Markt zurück, — kauft
ein schönes
Gewand, — begibt sich damit ins Dorf zum Mädchen — und
ruft
Fata die edle, herbei — und überreicht ihr das schöne
Gewand: —
,Lös die Zauberbanne, die du verhängt l' — Leise spricht
Fata zu
ihm: — »Niemals werde ich sie lösen 1 — Neun
Vorhängschlösser habe
2l6
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
ich geschmiedet, — durch alle neun ließ ich dich
hindurchziehen —
und warf sie ins kalte Gewässer hinein!' —
Da faßte er sie an der weißen Hand — und fuhrt sie
zum weißen
Gehöfte heim — und übergibt sie seiner betagten Mutter,
— selber
aber verfugt er sich zum Ehelieb ins Gemach, — und
schmückte einen
krausgezierten Brief aus, — wohl zu Händen des Oheims
Hasanaga:
.Sammle Hochgezeiter, Ohm Hasanaga, — Sammle
Hochgezeiter,
send sie zu meinem Gehöfte her, — Beobacht alle Bräuche
wie zur
Brautfahrt!' —
Er schreibt ihm alles, was an der Sache ist und wie
sie steht —
Als der Aga den Brief durchgenommen und daraus ersehen,
was ihm
der Schwesternsohn schreibt, — versammelte er sogleich
im Schmucke
Hochgezeiter — und entsandte sie zu Adembegs Gehöfte —
und führte
die Adembegin als seine Braut heim. —
Adembeg aber beweibte sich mit Fata.
Anmerkung. Nach Landsitte mag die Adembegin bei ihrer
Verheiratung 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein, so daß
sie als Einund-
zwanzigjährige, als eine im Käfig gehaltene Schöne noch
immer an kind-
lichen Spielen Gefallen fand, zumal Adembeg ihrer
niemals froh werden
mochte. Auf ihm lag Fatas Zauberbann. Nicht einmal gegen
das
Geschenk eines neuen schönen Frauenanzuges wollte sie
von Adern,
den sie sich selber eingebildet, den Bann lösen, und
selbst wenn sie
es gewollt hätte, wäre es ihr unmöglich gewesen, weil
die neun Vor-
hängschlösser auf des kalten Stromes, wohl der Bosna,
tiefstem Grunde
lagen. Da handelte Adembeg wie ein Weiser des Altertums.
Er
nahm kurzweg die Zauberin zur Frau und verschenkte sein
unberührtes,
jungfräuliches Ehegemahl an den Oheim, dessen Potenz
durch keinerlei
Zauberbann ausgeschaltet war. Der liebe gute Oheim
begrüßte na-
türlich freudig die Gelegenheit, seinen Haremlyk ohne
Brautkauf zu
bereichern und vergnügt zog zu ihm die zarte Lilie, denn
sie blieb
sowieso in der Familie. Erschien dem Guslaren der Fall
genug be-
deutsam, um ihn für das Volk zu besingen, so ist er es
für uns nicht
minder als ein Beweis mehr, daß die slavischen Moslimen
ebenso wie
die Brüder Christen an ihrem uralten vorchristlichen
Glauben fest-
halten. Daß der Ehemann seine rechtens durch Kauf
erworbene Frau
verschenken oder verkaufen darf, ist auch für die
nächstbeteiligte
Frau selbstverständlich, sowie für den unbeteiligten
Ethnologen, der
gewohnt ist, sich über nichts zu entrüsten.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
217
45. Devet vlasi.
Na mladi petak uzme se bijeli grah i po tri vlasi sa
jednog
i drugog pazuva i izmed nogu, skine se gol pa se tako
baci grah
i ovih devet vlasi u vatru i każe: ,Како ovaj grah
pucketo, tako i ona
(on) za mnom pucketala (pucketo) Iі — Von der
Zauberfrau in Streźe-
vica, Slavonien.
Neun Haare.
Am Neumondfreitag nimmt man weiße Bohnen und je drei
Haare
unter der einen und der anderen Achselhöhle und zwischen
den Beinen,
zieht sich nackt aus und wirft in diesem Zustande die
Bohnen und
diese neun Haare ins Feuer hinein und spricht: .Sowie
diese Bohnen
krachein, so möge auch sie (er) nach mir krachein !'
Anmerkung. Unter Krach ein ist das Farzeln bei der
Ausübung
des Beischlafes gemeint. Für eine Gegenliebe ohne
Gymnastik und
musikalisches Geräusch hat man in der Gegend von
Strezevica kein
Verständnis.
46. Gaćnik.
Kad żena осе, da je muz voli a ovaj slabo mari za
nju, ne jebe
je, kako njoj treba, onda ona uzme njegov gaćnjik i na
njemu zaveze
devet cvorova, ali tako jako, da ih niko odreśiti ne
more. I taj gaćnik
mete u krevet devet noći da muz na njega spava. Kad
progje devet
dana, ona ga izvadi iz kreveta i baci u furunu, peć, da
sav izgore,
ali furuna mora biti nova і prvi put da u njoj vatra
gori. I kad u
taku furunu gaćnik izgori, onda muź zenu zdravo voli pa
je pojebe
kad god joj se prohtije. — Erzählt von einem Mädchen aus
einem
Dörfchen bei Pancevo, Südungarn.
Das Leinenhosenband.
Wenn ein Weib will, daß der Mann sie liebe, der sich
aber wenig
um sie scheert, vögelt sie nicht, wie es ihr not tut,
dann nimmt sie
sein Leinenhosenband und bindet an ihm neun Knoten, doch
derart
fest, daß sie niemand aufzulösen vermag. Und dieses
Hosenband legt
sie ins Bett hinein, damit der Gatte darauf neun Nächte
hindurch
schlafe. Nach Ablauf der neun Tage nimmt sie es aus dem
Bett
heraus und wirft es in den Backofen, damit es ganz
verbrenne, doch
muß der Backofen neu sein und in ihm das erstemal Feuer
brennen.
Und wenn in einem solchen Backofen das Hosenband
verbrennt, dann
2ig Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
liebt der Gatte das Weib recht tüchtig und vögelt sie
ab, so oft sie
die Lust dazu anwandelt
Anmerkung. Der Zauber ist klar. Daß der Gatte sie
vernach-
lässigt, kommt von einem fremden Zauber her. Den
übertrumpft sie
mit den neun Knoten. Indem sie sie aber verbrennt,
vernichtet sie
nicht bloß ihren eigenen, sondern auch den fremden
Zauber mit und
des Gatten Zeugungkraft kann sich frei betätigen. — Die
Backöfen in
den Dörfern sind aus Lehm hergestellt und werden leicht
rissig. Ohne
viele Mühe bÜdet man in dem Sumpfgebiet immer wieder
einen neuen
zum Ersatz, so daß eine, die den Zauber anstellen will,
nicht lange in
Verlegenheit wegen eines neuen Ofens bleiben kann.
47. Yraćka, da se pizdę zaćepe.
Kad se hoće, da se covek iii źena ne jebe drugim,
onda treba
gledat kad pisa u dvanaest u dan a kupi se
dvanaest eksera i zabije
se jedanaest u ono mjesto, gdje je piso i każe:
,Sve pizdę bile zaće-
pite, samo moja ne!4 — Mitgeteilt von einer
Chrovotin in Mihaljevci,
Slavonien.
Zauberspruch zur Yozenverstopfung.
Will man es bewirken, daß ein Mann oder ein Weib mit
einem
[oder einer] anderen nicht vögle, so muß man schauen,
wohin er um
zwölf Uhr mittags pißt, und man kauft zwölf Eisennägel
und schlägt
davon ihrer elf in die Stelle ein, wo er geprunzt hat
und spricht:
»Alle Vozen sollen verstopft sein, nur die meine nicht
I'
48. Da veStice ne pojedu deteta.
Kad żena rodi malo pa kad je beba nekrŚtena, ona prvi
sedam
dana cuva dete a u noći donese u sobi gde je beba dve
metle і te
metle prekrsti na vrata i u vrata zabode jedan noż i
kredom belom
napiSe na vrata devet krstova i ta vrata ne sme nikome
otvoriti dok
ne osvane dan. Kad to radi ne će dete pojesti vestice. —
Mitgeteilt
von einem Bauernmädchen aus einem Dörfchen bei Verschetz
in
Südungarn.
Damit die Hexen das Kind nicht aufessen.
Wann ein Weib ein Kleines gebiert und wann das Baby
noch
ungetauft ist, da behütet sie die ersten sieben Tage das
Kind, nachts
aber bringt sie ins Zimmer, wo das Baby ist, zwei Besen
hinein und
diese Besen stellt sie kreuzweis an die Türe und in die
Türe steckt
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
219
sie ein Messer ein und schreibt mit weißer Kreide auf
die Türe neun
Kreuze auf und diese Türe darf sie niemanden öffnen, ehe
nicht der
Tag graut Wenn sie dies tut, werden Hexen das Kind nicht
aufessen.
Anmerkung. Es läge kein Grund vor, diesen Glauben
hier zu
vermerken, hätte nicht anläßlich meiner Aufzeichnung
eine Freundin
des Mädchens erwähnt, wirksamer als mit Kreide wären
Dreckstriche
und zuverlässiger als das Kreuz der Drudenfuß. Wenn die
Wöchnerin
in der Früh das Zimmer verläßt, so soll sie den Scherben
mit ihren
Exkrementen voraushalten, damit sich ein etwa
vorbereiteter Zauber
auf die Exkremente setze und sie, die Mutter, verschone.
49. Yoda i metla.
Prije sunca donest vode u mladi pętak і valja tu vodu
razdijeliti
na tri djela і onda se metla, koja je u kutu kraj vrati
okrene, da ono
ćim se mete, gore stoji i onda se polije mladim petkom,
mladom
subotom і mladom nediljom prije sunca ova metla od
ozgora a ispod
nje je lavor iii zdjela tako, da voda curi ova u zdjelu.
Njom se opère
i każe: ,Boże pomozi i mladi pętak i mlada subota i
mlada nedilja
i draga gospol Kako voda ide sa ove metle dole, tako sa
mené ljubav
saślal1 — Tako se radi i u mladu subotu i
mladu nedilju te se ljubav
od one stekne, koja dosad nije htjela ljubav odvracati.
— Mitgeteilt
von einer Bäuerin in Drvisaga, Slavonien.
Wasser und Rutenbesen,
Man hat am Freitag im Neumond vor Sonnenaufgang
Wasser zu
bringen und dies Wasser muß man auf drei Teile verteilen
und hierauf
soll man den Rutenbesen, der im Winkel bei der Türe
lehnt, umkehren,
so daß der Teil, mit dem man aufkehrt, nach oben steht
und darauf
begießt man am Freitag im Neumond, am Samstag im Neumond
und
am Sonntag im Neumond vor Sonnenaufgang diesen Besen von
oben-
her und unter ihm steht ein Waschbecken oder eine
Schüssel so, daß
dieses Wasser in die Schüssel hinabrinnt Damit wäscht
man sich
und spricht: .Gott steh mir bei und du Freitag im
Neumond und du
Samstag im Neumond und du Sonntag im Neumond und du
teuerste
Gnadenfraue! Sowie dies Wasser von diesem Besen
hinabgeht, so soll
von mir die Liebe abgehen Iі — So tut man
sowohl am Samstag im
Neumond als am Sonntag im Neumond und erwirbt damit die
Liebe
jener, die bisher die Liebe nicht erwiedern mochte.
Anmerkung, Hier ist eine Kombination von Mond-,
Wasser-
220
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
und Baumseelenzauber. Jede von diesen drei
Zauberweisen tritt auch
für sich allein zuweilen auf.
50. Ako se ne może svrsiti,
to jest, da ćoek iii źena da jedno od ovih ne mogu
obaviti, onda
treba ovo: Kad se bika vodi sa kravom, onda metnuti krpu
pod
kravu, tako da spane ono tekućine bike, śto je ko kad se
żena sastane
ś covjekom, i kad bika svrsi, uzeti krpu pa se kad prvi
put sastane, onda
treba krpu metnuti pod żeńsko tako, da je neśto volovske
naravi na
krpu і treba zajedno kazati, ćim se muśkom iii żenskom
pojavi dragost:
,Kako bika i krava svrsili, tako i mi svrsilü' — Onda
valja metnuti
krpu na dnu krevetu na daske i ne treba dirat nikąd u
krpe. Onda
će uvijek muż i żena svrsivati svoj poso. — Mitgeteilt
von einer alten
Bäuerin in Seoci in Slavonien.
Wenn man nicht beendigen,
das heißt, wenn Mann oder Weib, eines von ihnen
nämlich [beim
Beischlaf] nicht vollenden [in Verzückung geraten] kann,
so hat man
folgendes [zu tun]: wann der Stier die Kuh bespringt,
hat man einen
Fetzen unter die Kuh zu legen, so daß jene Flüssigkeit
des Stiers,
die so ist, wie die, wenn ein Weib mit einem Manne
zusammenkommt,
darauf hinabfällt, und wann der Stier beendet, hat man
den Fetzen
aufzuheben und wenn man dann zum erstenmal mit einem
Weibe
zusammenkommt, dann muß man den Fetzen dem Weibe so
unter-
legen, daß etwas von der Ochsennatur auf dem Fetzen
[sichtbar] auf-
liegt und man muß gleichzeitig, sobald sich beim Manne
oder dem
Weibe die Lust zeigt, sagen: ,Sowie der Stier und die
Kuh beendet,
so sollen auch wir beenden!' — Hernach hat man den
Fetzen am
Ende des Bettes auf die Bretter zu legen und darf nie
den Fetzen
wegtun. Darauf werden Mann und Frau immer ihr Geschäft
zu Ende
fuhren.
Anmerkung. Meine Verdeutschung schließt sich eng an
den
Wortlaut der Erzählerin an, um mit dem Beispiel die
naturwüchsige
Stilistik zu veranschaulichen. — Die Übung beruht auf
dem Glauben,
daß bei der Zeugung oder dem Beischlaf ein Geist
mitwirkt Das
menschliche Paar nimmt zu seiner Handlung den
Zeugunggeist des
Stieres zu Hilfe. Der Geist steckt im aufgefangenen
Samen und indem
man den besudelten Fetzen ans Fußende des Bettes hängt,
so bannt
man damit den Geist für beständig an das menschliche
Ehebett.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
221
51. Da se żena laglje porodi.
Kad hoćemo da se żena lahko porodi, treba paziti kad
petao na-
raśćuje kokośku pa ga u tome prekinuti. Onda ispadne kao
neki
mehur (sapunica). To treba pred poragjanje dati
porodilji da popije
pa je za ovim napojiti vodom iz muzevog levog opanka,
olako joj po
strażnjici prevuci ośtru kosu, ośinuti je po dupetu
uckurom (gatnjikom)
i reéi: ,Koliko petao bio na kokośki, toliko dete bilo u
ovoj żeni!1
Onda će se odmah poroditi. — Erzählt vom Landmann
Mihajlo Ko-
vacevic in Trstenik in Serbien, der den Zauber von einem
Greis aus
demselben Orte erlernt hat.
Zur Förderung einer leichter Niederkunft.
Wollen wir die leichtere Niederkunft eines Weibes
erzielen, so hat
man darauf zu achten, wann der Hahn die Gluck bespringt
und ihn
darin zu unterbrechen. Dabei fallt ein Ding heraus, das
wie eine
Seifenblase ausschaut. Die muß man der Gebärerin vor dem
Gebären
zum Trinken eingeben und sie hernach aus dem linken
Opanak des
Ehegatten mit Wasser erlaben, ihr über den Hintern
leichthin mit
einer scharfen Sense fahren, ihr einen Streich mit dem
Hosenband
über den After versetzen und sprechen: .Solang als der
Hahn auf der
Glucke geweilt, solang möge das Kind in diesem Weibe
verweilen!'
Hierauf wird das Weib sogleich gebären.
52. Yraćka, kako ćoek jebe a dobye djecu kad осе,
a kad ne
ce, ne dobije.
Tri zrna graha і tri zrna ugljena to zaveze u krpu
mlada prije
vjencanja — a mora da je cista, nejebena, onda vrijedi
ova vracka —,
і kad осе da ima djecu, onda to baci u vatru i kad se
pojavi ugljen,
kad on ozivi, onda će jebena postati noseća, a ako ne će
djece, onda
krpu sa ugljenom i grahom mętne pod vanjkos i może se
jebat koliko
oce, ne će imat djece. — Mitgeteilt von einer alten
Chrowotin in Gornji
Lazi in Slavonien.
Zauber, wie ein Mensch vögelt und Kinder kriegt,
wann er
will, und wann er nicht mag, kriegt er keine.
Drei Bohnenkörner und drei Kohlenkörner, das bindet
vor der
Trauung die Braut in einen Fetzen ein — es muß aber eine
jung-
fräuliche, ungevögelte sein, dann gilt dieser Zauber —,
und wann sie
Kinder kriegen will, dann wirft sie dies ins Feuer, und
wie sich die
222
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
Kohle zeigt, wie sie lebendig wird, dann wird die
gevögelte schwanger
werden, und falls sie keine Kinder haben mag, dann legt
sie den
Fetzen mit der Kohle und den Bohnen unter das Kopfkissen
und kann
vögeln, soviel als ihr behagt, Kinder kriegt sie keine.
Anmerkung. In Kohle und Bohnen ruht die
„Lebenskraft",
dieses Wort volkstümlich und der Glaube allgemein
menschlich. Man
vergleiche die gründlichen Nachweise bei Edwin Sidney
Hartland,
The Legend of Perseus. A study of tradition in story
custom and
belief. Vol. II. The life-token. P. 1—45. London 1895.
53. Eto śto rade sa onim mesom і кгуЦи te ga babica
izvadi
iz żene nakon porodi.
Ako porodilja żeli i dalje ragjati, onda se ono
prosto iii baci iii
zakopa a ako ne żeli vise ragjati, onda se meso i krv
zakopava pod
plotom pa se każe: ,Kad plot olista, onda i ova
porodilja rodila!' —
V
Mitgeteilt von einem Bauernmädchen aus der Sumadija
in Serbien.
Folgendes stellt man mit jenem Fleisch und Blut an,
das die
Hebeamme aus dem Weibe nach dem Gebären herauszieht:
Wünscht die Gebärerin auch in Zukunft zu gebären, so
wirft man
die Nachgeburt einfach entweder weg oder vergräbt sie,
wünscht jedoch
die Frau nicht mehr zu gebären, dann vergräbt man das
Fleisch und
das Blut unterm Zaun und spricht dazu: ,Wann der Zaun
Blätter
treiben wird, dann soll auch diese Gebärerin
wiedergebären Iі
Anmerkung. In den Dörfern an den Abhängen des
Papukge-
birges in Slavonien ist es ständiger Brauch, die
Nachgeburt, sowie
abgeschnittene Fingernägel und ausgefallene Haare unter
Torpfosten
der Gehöfteumzäunung zu vergraben. Man will damit
offenbar die
bösen Geister vom Besuch des Gehöftes fernhalten, indem
man sie
mit dem Opfer abfertigt.
54. Krznica.
Kad żena ostanę krupna a oce da ne rodi, da pobaci
dete, ona
saśije kośuljicu za dete, to jest krznicu, u kojoj se
treba mało krstiti,
i tu kośulju odnese na raskrśće i ostavi je tamo i jedan
novćić u ko-
śulji, i prekrsti se triputa i reće: ,Ko prvi na nju
nogom stao, taj dete
odno!' To reće triputa i ukłoni se a kośulju i krajcaru
ostavi na
raskrśću. I to se radi samo noću u dvanaest sati, u
ponoć. — Mit-
geteilt von einem Bauernmädchen in Dolovi, Südungarn.
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Barmspruch.
223
Ghrismation.
Wenn ein Frauenzimmer in andere Umstände kommt, doch
nicht
gebären, [sondern] das Kind abstossen will, so näht sie
fur das Kind
ein Hemdchen, d. h. das Taufhemdehen, in dem das Kleine
getauft
werden sollte, und dieses Hemd trägt sie auf einen
Kreuzweg hin und
läßt es dort liegen und einen Kreuzer im Hemde, und sie
bekreuzigt
sich dreimal und spricht: ,Wer der erste mit dem Fuß
darauf tritt,
der trage das Kind mit sich weg I' Das spricht sie
dreimal aus und
entfernt sich, das Hemd und den Kreuzer aber läßt sie
auf dem
Kreuzweg liegen. Und das übt man nur nachts um die
zwölfte Stunde,
um Mitternacht aus.
55. Kad se hoće da ne rodî.
Kad muŚki umre, od tog mrtvaca valja svitnjak uzet pa
ga triput
zamoćit u vodu і kazati: ,Kad mrtvac ovaj ustane, onda
neka se i di-
jete porodi Iі — Von einer Bürgerin in der
kgl. Freistadt Pożega,
Slavonien.
Gegen das Gebären.
Stirbt ein Mann, so hat man von diesem Toten das
Unterhosen-
band zu nehmen, es dreimal ins Wasser zu tauchen und zu
sprechen:
,Wann sich dieser Tote erhebt, dann soll auch ein Kind
geboren
werden Iі
Anmerkung. Man braucht sich über diesen Glauben bei
der
Städterin nicht zu verwundern. Die chrowotischen
Kleinstädter unter-
scheiden sich als kaputaŚi (Rockträger) äußerlich wohl
durch ihre
deutsche Kleidung, ihre behaglichere Lebensweise und
ihre Beschäfti-
gung mit der höheren Zeitungpolitik von den Bauern,
sonst aber stehen
sie religiös auf der gleichen Entwicklungstufe mit
ihnen.
56. Svitr\jak.
Ako żena осе da nema djece, onda neka uzme
svitnjak od mrtvog
nevinog mladića, neka ga opaśe i nikad sa sebe ne skida.
— Von der
Zauberfrau in Strezevica in Slavonien.
Das Unterhosenband.
Will ein Weib kinderlos sein, so soll sie das
Unterhosenband von
einem toten unschuldigen Jüngling nehmen, sich damit
umgürten und
es niemals von ihrem Leib abnehmen.
224 Erotik und Skatologie im Zauberbann und
Bannspruch.
Anmerkung. Unschuldig, d.h. einer, der noch kein Weib
ge-
schlechtlich erkannt hat
57. РапЩіка sa mrtvaca.
Kad źena осе da ne rodi, ona uzme, to jest, dobije od
koje żene
onu pantljiku iii uzicu, kojom su mrtvacu, umrlom, prvu
noc vezali
ruke i tom uzicom iii pantljikom se źena opaSe oko
pojasa ispod ko-
śulje, i onda tako radi sa muźem bezobrazno, jebu se,
ali dece ne će
dobiti. — Mitgeteilt von einem Mädchen in Dolovi,
Südungarn,
Das Bändchen vom Toten.
Will ein Weib nicht gebären, so nimmt sie, das heißt,
sie bekommt
von irgend einem Weibe jenes Bändchen oder die Schnur,
mit der
man einem Toten, einem Verstorbenen, in der ersten Nacht
die Hände
gebunden, und mit dieser Schnur oder dem Bändchen
umgürtet sich
das Weib um die Taille unterm Hemde, und darauf tut sie
schamlos
mit dem Manne, sie vögeln, doch Kinder wird sie keine
kriegen.
58. Da źena vise ne ragja.
a) Kad żeni umre malo dijete, onda treba da ga ta
żena u lijesu
triput protrese i każe: ,Onda rodila dijete kad budem
tebejoś jednom
protresla!1 — I żena onda ne će viSe roditi.
b) Kad umre dijete, onda treba nogom mrtvog djeteta
zatvoriti
vrata i kazati: ,Onda rodila dijete, kad mrtvac bude
otvorio vrata!' —
Mitgeteilt von einer jungen Bäuerin aus der Broder
Gegend, die diese
Vorschriften von einem Hodża in Bosnisch Brod erhalten
zu haben
behauptete. Er lehrte sie nur, was auch sonst das
christliche chrowo-
tische Bauernvolk glaubt
Um keine Kinder mehr zu kriegen.
a) Stirbt einem Weibe ein kleines Kind, so braucht
nur das Weib
es dreimal im Sarge zu schütteln und zu sprechen: ,Dann
soll ich ein
Kind gebären, wann ich dich noch einmal geschüttelt
haben werde l'
— Und das Weib wird hierauf nicht wieder gebären.
b) Stirbt ein Kind, so braucht man nur mit dem Fuße
des toten
Kindes die Tür zu schließen und zu sprechen: ,Dann soll
ich ein Kind
gebären, wann der Tote die Tür geöffnet haben wird I'
59. Lokot.
Kad se mlada na dan vencanja kupa а осе da nekoliko
godina
ne dobije dete, ona u vodi u kojoj se kupa mete mali
lokot i kljuć,
Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
225
ali lokot zakljućan, to jest, zatvoren, zabravljen; і
mete jedan komad
novca od srebra, na primer jednu krunu, forintu ili
desetak novcica,
i kad se okupala, ona uzme sve to, mete u svoja nedra і
s tim ode
na vencanje. I onda nema dece sve donde, dok ne kupi śto
za onaj
novae Sto je u vodi bio kad se kupała. I mora sama
pojesti ono, śto
je za taj novae kupiła, i onda će tek ostati trudna, a
ako taj novae
izgubi, nikąd ne może imat dece. — Mitgeteilt von einem
Mädchen
aus Crepaje in Südungarn.
Das Yorhängschlösschen.
Wann sich die Braut am Trauungtage badet, einige
Jahre lang
aber kinderlos bleiben möchte, so legt sie in ihr
Badewasser ein
Vorhängschlößchen und einen Schlüssel hinein, doch das
Schloß ver-
sperrt, d. h. geschlossen, zugeriegelt; und sie legt ein
Silbermünzen-
stück hinein, z, B. eine Krone, einen Gulden oder ein
Zehnkreuzerstück,
und nach dem Bade nimmt sie dies alles, steckt es in
ihren Busen
und begibt sich damit zur Trauung. Und dann hat sie
solange keine
Kinder, bis sie nicht etwas fur jenes Geld, das in ihrem
Badewasser
gelegen war, kauft Und sie allein muß das aufessen, was
sie um
dieses Geld gekauft hat, und dann erst wird sie
schwanger bleiben;
falls sie aber dies Geld verliert, so kann sie niemals
Kinder kriegen.
60- Yraćka, da jeb popada.
Valja iglu u mladu nedilju uzet pa okrenuti gore
Siljato a dole
tupo pa iglu zataći iii u kose il u śto bilo; onda će
jeb popadat dole
a ne gore. A ima pa gdjekoja uz lijevi kut od kośulje
mętne tako
iglu. — Von einer Bäuerin aus Śkrabutnjik, Slavonien.
Zauber, damit der männliche Same zur Erde falle.
Man hat am Neumondsonntag eine Nadel zu nehmen, die
Spitze
nach oben, den stumpfen Teil nach unten zu kehren und
die Nadel
im Haar oder sei es in was immer zu stecken; alsdann
wird [beim
Beischlaf] der Same hinab und nicht hinauf fallen. Es
kommt auch
vor, daß manche so die Nadel am linken Hemdzipfel
unterbringt
61. Igla u bunaru.
Ako żena осе da nema djece, onda neka baci
iglu u bunar
i neka każe: ,Kad se ova igla udila, onda se meni
povratio porodi*
— Von der Zauberfrau in Strezevica in Slavonien.
Krauss, Anthropophyteîa IV. I
c
226
£rotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.
•Die Nadel im Brunnen.
Will1 ein Weib kinderlos bleiben, so werfe
sie eine Nähnadel in
den Brunnen und spreche dazu: ,Wann diese Nadel
eingefädelt werden
wird, dann soll ich wieder fruchtbar werden!'
62« Kad żena hoće da ne rodi nekoliko godina,
onda uzme od deteta prvu faćnu, naveze na faćnu
toliko kvrga, koliko
godina ne će da rodi i każe: ,Koliko ja kvrga zavezala,
toliko godina
ja ne rodila !1 — Mitgeteilt von einer
Bäuerin aus einem Gebirgdörfchen
bei Pożega, Slavonien.
Zur Erzielung mehrjähriger Unfruchtbarkeit
nimmt das Weib vom Kind das erste Wickelband, knotet
in das Band
soviele Knoten ein als sie Jahre hindurch unfruchtbar
bleiben möchte
und spricht: .Soviel als Knoten ich gebunden, soviele
Jahre hindurch
soll ich nicht gebären. Und sowie einer von den Knoten
aufgehen
sollte, so soll ich gebären l'
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.
Ein Reisebericht für die Anthropophyteîa.
Von Dr. Alexander Mitrovic.
In einem vom Meere weit entlegenen Karstdörfchen
Norddalmatiens haust
eine greise Bäuerin, eine Zauberfrau. Das gemeine Volk
glaubt, ihr wohne eine
außerordentliche überirdische moralische Kraft inne. Man
wallfahrtet zu ihr und
sucht ihre Hilfe in jedem Falle, wenn es für Menschen
und wenn es für das Vieh
notwendig ist. Die psychische Kraft und der große
Einflu$s dieser Zauberfrau ist
so stark, daß man seit Jahrzehnten zu ihr zog und noch
heutzutage suchen sie
Leute nicht nur aus Norddalmatien auf. Zu ihr pilgert
und wandert das Volk aus
dem benachbarten Bosnien und Herzogtum, sowie auch die
Bewohner der entfern-
testen dalmatischen Inseln. Die letzteren verlassen ihre
Heimstätten und Dörfer,
sie reisen zu Fuß, zu Pferd, mit Dampfern und
Eisenbahnen, über Land und Meer,
nur um zu dieser Zauberfrau zu gelangen. Der Name und
die Bedeutung dieser
Zauberfrau ist gar weit über die engeren Grenzen
Norddalmatiens berühmt worden.
Meine Bekanntschaft mit der Zauberfrau hat auch eine
kleine Vorgeschichte.
Als ich vor einigen Jahren hier in Knin meine
Advokaturkanzlei eröffnet,
kam eines Tages zu mir eine ältere Bäuerin. Sie übergab
mir eine strafgerichtliche
Vorladung mit der Bitte, sie zu verteidigen. Sie war
wegen Übertretung nach dem
§ 343 des österreichischen Strafgesetzes angeklagt.
Dieser Paragraph verfügt:
„Wer, ohne einen ärztlichen Unterricht erhalten zu
haben, und ohne gesetzliche
Berechtigung zur Behandlung von Kranken als Heil- oder
Wundarzt, diese gewerb-
mäßig ausübt, — — — macht sich dadurch einer Übertretung
schuldig, und soll
mit Arrest — — — von einem bis zu sechs Monaten bestraft
werden."
Indem ich mich über die strafbare Sache, derentwegen
die alte Bäuerin an-
geklagt war, erkundigen wollte, erzählte sie mir, daß zu
ihr ein junger Mann
gekommen war, um Hilfe zu suchen. Zwei Wochen vorher
hatte er geheiratet.
Er und seine Frau sind jung, kräftig und gesund. Beide
wünschen die copulam
carnalem. Der Mann fühlt den körperlichen und
psychischen Drang seine junge,
schöne, gesunde und kräftige Frau geschlechtlich zu
gebrauchen, aber er kann es
nicht. Sobald er ihr beischlafen will, wird sein Glied
so klein und schwach, daß
er den Beischlaf nicht ausführen kann. Sie, die
Zauberfrau habe ihm geholfen
und der Mann habe den coitus nach Belieben, auch
mehrmals täglich, vollzogen.
Die Gendarmen hätten davon erfahren und die alte Bäuerin
dem Gerichte angezeigt.
Weinend bat sie mich, ich möchte das möglichste tun,
damit sie nicht zu einer
Arreststrafe verurteilt werde. Eine kleine Geldstrafe
würde sie sehr gerne zahlen.
15*
228 Mein Besuch bei einer Zauberfrau in
Norddalmatien.
Wegen der Gesetzbestimmungen, die die Zeugen
befreien, solche Fragen zu
beantworten, die ihnen Schande bringen können, wurde die
alte Frau vom Gerichte
gänzlich freigesprochen und weder zu einer Arrest- noch
Geldstrafe verurteilt Die
Dankbarkeit der Bäuerin für mich war überaus groß. Außer
dem Honorar in
Geld, das sie mir selber gegeben, bat sie mich, ich
sollte mich an sie in jedem
Falle, so oft als es meine Seele oder mein Körper
bedürfen werden, um Hilfe
wenden; sie werde mir jedenfalls helfen.... Ich lachte
dazu, konnte jedoch nicht
umhin ihr zu empfehlen, sie möge sich vor den Gendarmen
und vor den Behörden
überhaupt hüten, um bösen Folgen auszuweichen.
Diese alte Bäuerin war die Zauberfrau. Mehrere Jahre
lang sah ich sie nicht
wieder. Alles, was sie machte und zauberte, war so
geschickt ausgeführt und ver-
borgen, daß die Behörden gar nichts von alldem erfuhren.
Unsere, sehr wenig
vernünftigen politischen und gerichtlichen Behörden
verfolgten die Zauberfrau auch
nach dem Prozesse. Sie haben den Gendarmen und den
Gemeindebehörden em-
pfohlen, auf die Personen, die zur Zauberfrau gehen und
die von ihr kamen,
streng acht zu geben. Sie konnten aber der alten Frau
nicht schaden und sie nie
verurteilen.
Wegen der Anthropophyteia habe ich mich entschlossen,
der Zauberfrau
einen Besuch abzustatten und mich bei ihr über manches,
was mich als Folkloristen
anzieht, zu erkundigen. Die Zauberfrau konnte nicht zu
mir kommen, da sie zu
alt ist und nirgends aus ihrem Hause hingeht. Ein
serbisches Sprichwort besagt:
„Kad neće brijeg Muhamedu, hoće Muhamed brijegu" („Wenn
der Berg zu Mo-
hammed nicht gehen mag, so geht Mohammed zum Berge
hin")- So geschah es
auch diesmal.
An einem schönen Junitage nahm ich einen
Reisebegleiter, dem die Lage des
Hauses der Zauberfrau bekannt war. Eine Strecke zu Fuß
wandernd, eine andere
zu Wagen zurücklegend gelangten wir zum Haus der alten
Frau. Die Zauberfrau
war mit meinem Reisebegleiter sehr gut bekannt Sie hat
auch mich gleich erkannt.
Ich hoffte, daß sie zu mir Vertrauen haben und gar
nichts verheimlichen, sondern
alles offen und deutlich erzählen würde. Anfangs mußte
der Teufel auch hier
die Sache verderben. Eine halbe Stunde bevor ich zur
Zauberfrau mit meinem
Reisegefährten gekommen, war bei ihr ein Bauer, dem das
Vieh an unbekannter
Krankheit zugrunde zu gehen drohte. Der Bauer hatte die
Zauberfrau aufgesucht,
um bei ihr Hilfe zu finden. Zwei Gendarmen sahen das und
stürmten das Häuschen
der Zauberfrau. Sie haben das ganze arme Haus gründlich
durchsucht, aber gar
nichts Gefährliches vorgefunden. Sie nahmen bloß 40
Heller, das ganze baare
Vermögen der Zauberfrau, mit; jagten den Bauer davon und
drohten ihm, ihn und
die Zauberfrau dem Gerichte anzuzeigen. Diese
Heldentaten begleiteten die Gen-
darmen, wie gewöhlich, mit Geschrei und Beschimpfungen.
Die Beschimpfung:
„Jebem ti sto krsta i sto bogova" („Ich vögle dir
hundert Kreuze und hundert
Götter") haben die Gendarmen der Zauberfrau mehrmals
zugeschleudert.1) — Als
1) Die Greisin ist österreichische Staatsbürgerin.
Das Vorgehen der Gen-
darmen ihr gegenüber entspricht weder dem Gesetz noch
Recht im Reiche. Es
fällt mir nicht ein, mich darüber zu entrüsten, denn
auch ich bin ein Staatsbürger
und bin noch schändlicher zu Schaden gekommen, weil ich
mich der Volkforschung
zugewandt. Sein Recht zu suchen oder zu fordern, ist für
den Minderbemittelten
barer Irrsinn; man muß froh sein, wenn man mit heiler
Haut davonkommt. Krauss.
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.
229
ich und mein Reisebegleiter zur Zauberfrau kamen, lag
sie auf dem Bette. Bei ihr
waren zwei Schwiegertöchter, die sie trösten wollten, da
sie ganz erschrocken war.
Das Wohnhaus der Zauberfrau ist klein und armselig,
wie überhaupt unsere
Bauernhäuser. Es hat eine kleine und niedere Tür, wo
sich auch Personen von
mittlerer Gestalt beugen müssen, wenn sie in das Haus
eintreten wollen. Ein
kleines Fenster, das ungefähr 30 cm in der Höhe und 20
cm in der Breite hat,
gibt dem armen Hause Luft und Licht. Das Fenster hat
keine Fensterscheiben.
Es wird mit einem Stücke Holz geschlossen. Weht ein
starker Wind oder regnet
es stark, muß man das Fenster und die Tür verschließen.
Dann ist es im Hause
hell und licht wie in — Hosen. Das ganze Haus der
Zauberfrau besteht aus
einem Räume. In diesem Räume, neben dem kleinen Fenster,
erstreckt sich das
arme bäuerliche Bett. Unmittelbar neben dem Bette
befindet sich der kleine
Feuerherd, der sich 2—3 cm über den Fußboden erhebt. Auf
dem Feuerherde
brannte ein kleines Feuer. Noch einige dreifüßige
Stühlchen bildeten die ganze
Einrichtung des Hauses dieser berühmten Zauberfrau.
— Bog ti pomogao, Mando! (Gott helfe dir,1)
Mandol) — begrüßte ich die
Zauberfrau mit ihrem Namen, als ich mit meinem Begleiter
in das Haus eintrat.
Sofort nahm ich Platz auf einem dreifüßigen Schemel, der
in der Nähe ihres
Bettes stand.
— Bog dao dobro, gospodin doktur, tebi і tvom
prijatelju! (Gott gebe dir
Gutes, Herr Doktor, und deinem Freunde!) — antwortete
die Zauberfrau.
Der Bauer in Norddalmatien tituliert nur die
Advokaten mit Doktur. Die
Ärzte wird er nie so ansprechen, sondern gewöhnlich mit:
gospodin ljekar
(Herr Arzt 1)
— Milo mi je da si doSao, pa da ti vratim milo za
drago — setzte die
Zauberin ihren Gruß fort, überzeugt, daß ich meinetwegen
und irgend eines meiner
Bedürfnisse halber zu ihr gekommen, um Hilfe zu suchen,
die sie mir geben kann;
— sve je sa Bozje, a ne sa vrazje strane, 5to ja ćinim i
pomaiem. Ima mi sedam-
deset i osam godina, a već od Cetrdeset godina travama,
savjetima і molitvama
pomaiem gdje mogu і kako mogu. Du§a na tijesna vrata
izlazi, pa ne treba nikada
lagati. (Es freut mich sehr, daß du zu mir gekommen
bist, damit ich dir deine
Liebe vergelten kann; alles ist von Gottes- und nicht
von der Teufelsseite, was ich
tue und womit ich Hilfe leiste. Ich bin 78 Jahre alt.
Schon seit 40 Jahren leiste
ich mit Gebeten, Ratschlägen und verschiedenen Kräutern
Hilfe, wo und wie ich
kann. Die Seele scheidet aus dem Körper durch eine enge
Tür, und man soll
nie lügen.)
Während der Zeit, als die Zauberfrau so sprach, saß
sie zuerst auf dem Bette.
Später erhob sie sich. Sie war ganz angezogen. Von
mittlerer Gestalt, ein bischen
wegen des Alters gebeugt, mit weißen Haaren und blauen
Augen, die noch immer
lebhaft sind, mit einem gewöhnlichen Stocke in der
rechten Hand, den sie immer in der
1) Die serbischen Bauern sagen immer untereinander ti
(du). Die Ansprache
mit Vi (Sie) ist in der serbischen Volksprache — und die
ist auch die Schrift-
sprache — unbekannt. Der Bauer, der selten in die Städte
kommt, sagt auch
zum Städter du. Wenn man zu ihm Vi sagt, so versteht er
dies nicht Ich war
einmal zugegen, als ein Bauer mit Vi angesprochen wurde.
„Korne każete to? Ja
sam sami" (Zu wem sprechen Sie so? Ich bin allein 1)
fragte der Bauer erstaunt.
Dr. Mitrovic.
230
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.
Nähe des Bettes hat, eignet der Zauberfrau ein etwas,
das anderen Bäuerinnen
fehlt. Außerdem spricht sie so schön, geläufig und mit
leiser Stimme, daß ich
ihr sehr gerne zuhörte.
— U cemu ti mogu pomoći Bozjom, a ne vrazjom pomoći?
(Womit kann
ich dir mit Gottes- aber nicht mit Teufelshilfe nützlich
sein?) — fragte sie mich.
Den Schwiegertöchtern gab sie ein Zeichen, damit sie
hinausgehen, was die beiden
auch befolgten.
Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet. Der
Zauberfrau konnte ich füglich
nicht sagen, daß ich sie wegen unserer Anthropophyteia
aufgesucht, erstens,
weil es zu umständlich gewesen wäre, ihr über Ziele und
Zwecke der Volkforschung
einen Vortrag zu halten, zweitens, weil ihr die
Notwendigkeit unserer Studien viel-
leicht nicht eingeleuchtet hätte, und drittens auch
deswegen, weil sie ihre Zaubereien
als größte Geheimnisse bewahrt und es nicht wünscht, daß
die Öffentlichkeit davori
etwas erfahren soll.
— Der Herr Doktor — half mir mein Reisebegleiter —
ist schon seit mehreren
Jahren verheiratet Er hat zwei Töchter. Er möchte aber
auch einen Sohn haben.
Kannst du ihm in dieser Sache etwa helfen?
Die Zauberfrau vertiefte sich einige Augenblicke in
Gedanken. Sie schaute
mir scharf in die Augen und dann sagte sie zu mir:
— Boźjom, a ne vrazjom pomoći możeS i sina dobiti.
Radi, kako ću ti ja
reći, za tri ve£eri uzastopce. Kad budeS lijegao sa
żenom, svuci svoju lijevu carapu
i daj je njoj, neka je obuce na svoju desnu nogu. Neka i
ona tebi dade sa svoje
lijeve nogę ćarapu, pa je obuci na desnu nogu. Ustani,
pa se raskoraei, a żena
neka ti tri puta progje izmegju noga i neka ti se savije
oko desnog koljena. Daj
joj uz to vuneni konać, kojinl si prije izmjerio §irinu
tvog i njenog vrata, pa neka
ga drżi u desnoj ruci, kad bude prolazila ispod tvojih
nogu. Prolazeći ispod
tvojih nogu, neka tri puta rece:
Voda na vodu,
Riba u vodu,
A meni moj poród muśki
Na mjeru i na vjerul
Sve tri veSeri treba da ima§ grijeh sa żenom. Neka se
sve tri ve£eri ona prevrne
pod tobom. Dok budeS grijeSio s njom, neka drżi pod
glavom onaj vuneni konac,
kojim ti je prolazila megju noge. Neka ti żena spa va na
desnoj, a ne na lijevoj
strani. Kad u jutro ustanete, neka svako obuCe svoju
ćarapu. Ako ti snaga do-
puSta, może§ sa żenom grijeSiti i visé, nego li jednom u
noći. Ona тоґа svaki
put da ima pod glavom vuneni konac. Smjenjene Carape
treba da drżite, dok
üstanete. (Mit Gottes- aber nicht mit des Teufels Hilfe
kannst du auch einen
Sohn bekommen. Tue an drei auf einander folgenden
Abenden das, was ich dif
jetzt sagen werde. Wann du dich mit deiner Frau schlafen
legst, zieh deinen
linken Strumpf aus und gib ihn deiner Frau, damit sie
ihn über den rechten Fuß
anziehe. Sie soll auch dir ihren linken Strumpf geben
und zieh ihn über deinen
rechten Fuß an. Dann steh auf, spreize deine Beine
auseinander und deine Frau
muß dreimal zwischen deinen Beinen durchgehen, und sie
soll jedesmal sich um
dein rechtes Bein winden. Gib ihr dazu "einen wollenen
Faden, mit dem du vorbei^
deine und ihre Halsweite äüsgemesseri hast, und sie soll
diesen Faden in der rechten
Hand halten, während sie zwischen deinen Beinen
durchgeht. Indem deine Frau
zwischen deinen Beinen hindurchgeht, soll sie dreimal
sagen:
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.
231
Wasser aufs Wasser,
Der Fisch ins Wasser,
Und mir meine männliche Nachkommenschaft
Im Vertrauen und nach Gebühr!
Alle drei Abende mußt du mit deiner Frau sündigen.1)
Alle drei Abende muß
sie sich dreimal unter dir umwenden. Solange als du mit
ihr sündigst, soll sie
unter dem Kopfe den wollenen Faden halten, mit dem sie
zwischen deinen Füßen
hindurchgegangen. Diese drei Nächte soll deine Frau an
deiner rechten und
nicht an der linken Seite schlafen. Wann ihr euch in der
Früh erhebt, soll jedes
von euch seinen Strumpf anziehen. Wenn es dir deine
Kraft erlaubt, kannst dü
mit deiner Frau auch mehr als einmal nur in einer Nacht
sündigen. Sie muß
jedesmal unter dem Kopfe den wollenen Faden haben. Die
vertauschten Strümpfe
müßt ihr die ganze Nacht anbehalten, bis zum Aufstehen.)
— Meine Frau hat immer bis jetzt — sagte ich zur
Zauberfrau — schwer
und mit großen Leiden geboren. Was kann ich machen, wenn
sie wiederum
schwanger wird, damit sie leichter gebäre?
— I tu ti se — antwortete die Zauberfrau — Bozjom, a
ne vrazjom pomoći
może pomoći. Do njekoliko dana poslaću ti kuci jedan
Stąpić i mało vode. Ako
ti żena bude teSko ragjala, takni je tim Stapićem, pa će
se odmah osloboditi bre-
mena. Ne pomogne li Stąpić, a ti je poSkropi vodom.
(Auch hier kann man mit
Gottes- aber nicht mit des Teufels Hilfe abhelfen.
Binnen einigen Tagen werde
ich zu dir nach Hause ein Stöckchen und ein bischen
Wasser senden. Sollte deine
Frau eine schwere Geburt haben, so wirst du sie mit dem
Stöckchen berühren
und sie wird sich sofort ihrer Bürde entledigen. Wenn
dir das Stöckchen nicht
nützen sollte, so bespritze deine Frau mit dem Wasser.)
— Was für ein Stöckchen und was für ein Wasser wird
das sein? — bat
ich die Zauberfrau mir zu sagen. Anfangs wollte sie mir
das nicht1 anvertrauen.
Erst später, als ich ihr versprach, niemandem in
Dalmatien, Bosnien und dem
Herzogtum darüber etwas zu erzählen, sagte sie sehr
leise, als ob sie fürchtete,
daß es die Mauern hören könnten:
— Poslaću ti bukov Stąpić, kojim ću ja ili ko od
mojih rastaviti zmiju od
żabe ili od ribe, koju żmija hoće da pojede. U polju se
viSe puta nagje zmija
gdje hoće da pojede iabu iii ribu. Śtapić bukov, kojim
će se rastaviti zmija od
żabe ili ribe, rastavice і tvoju zenu od poroda. — Voda,
koju ću ti poslati, biće
Cista i bistra. U nju ću prije metnuti trave broćike, pa
ću je uliti u posudu kroz
moju tkanicu. Tom vodom poSkropi zenu ili daj joj, neka
umije lice. Kako ti
rekoh, ako ne pomogne Stąpić, pomoći će svakako voda.
(Ich werde dir ein Stöckchen
aus Buchenholz schicken, mit dem ich oder einer meiner
Angehörige eine Schlange,
die sich anschickt, einen Frosch oder einen Fisch zu
verschlucken, von diesen trennen
wird* Im Gefilde trifft man öfters eine Schlange, die im
Begriff ist einen Frosch
oder einen Fisch zu verschlingen. t)as Stöckchen aus
Buchenholz, mit dem ich
die Schlange vom Frosche oder Fische trennen werde, das
wird auch deiner! Frau
von der Leibfrucht trennen. — Das Wasser, das ich dir
zusenden werde, wird reiii
1) Die Zauberfrau hat auch nicht einmal das Wort
jebati, jebavati (vögeln)
gebraucht, Sie hat immer, wo ich sündigen übersetze, die
Worte grijehimati
oder grijeh ćiniti (die Sünde haben, die Sünde machen)
angewandt.
Dr. Mitrovic.
232
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien
und klar sein. In das Wasser werde ich zuerst einige
Krappblätter hineingeben
und es in ein Gefäß durch meinen gewebten Gürtel
hindurchgießen. Mit diesem
Wasser bespritze deine Frau oder gib es ihr, damit sie
sich das Gesicht wasche.
Wie ich dir schon gesagt, das Wasser wird helfen, wenn
das Stöckchen keine
Hilfe schafft.)
— Was soll ich, Mando, anfangen, stürben mir meine
Kinder und sollte ich
keines aufziehen können? — fragte ich die Zauberfrau,
überzeugt,.daß ich nur so
von ihr erfahren werde, was ich zu wissen wünschte.
— Bożjom, a ne vrazjom pomoći ima і tome lijeka —
antwortete mir die
Zauberfrau und setzte sich zu mir. — Ako su ti djeca
pomirala ili se bojis da
ti umiru, vodu, kojom će se oprati novorogjence, nemoj
da bacaS, gdje se baca
gnusna voda, nego njome poprskaj cijelu kucu. Osim toga,
izmjeri novorogjence
na kantar i nikome ne kazuj, koliko je tesko. Tada će ti
zivjeti. MisliS li, da ti
djeca umiru po necijem uroku, a ti uzmi tri piljka
ispred tvoje kuce i mało soli iz
kuce. Bad ih u żivu vodu, neka voda nosi zlo, Sto ti ko
żeli:
Neka nosi vodica,
Pomoc će Bogorodica.
Vodice,
Bogorodice!
Kao Sto će żiva voda odnijeti ta tri piljka i so,
tako će i uroka nestati u tvojoj
kuci. (Mit Gottes- aber nicht mit des Teufels Hilfe hat
man auch dafür ein Heil-
mittel. Wenn dir die Kinder dahinstarben oder
befürchtest du, daß sie hinsterben
werden, so darfst du das Wasser, mit dem man das
Neugeborene gewaschen, nicht
dort ausgießen, wohin man das Schmutzwasser ausgießt,
sondern sollst das ganze
Haus damit bespritzen. Keinen Tropfen darfst du außer
Haus werfen. Außerdem
wäge das Neugeborene auf einer Stangenwage ab,1)
aber verrat niemanden, wie
schwer es ist. Dann wird das Kind am Leben bleiben.
Glaubst du, daß deine
Kinder infolge einer von irgendwem ausgehenden
Beschreiung dahinstarben, so
nimm drei Sandkörner vor deinem Hause und ein bischen
Salz aus dem Hause.
Alles das wirf in (lebendes) fließendes Wasser; das
Wasser trage mit sich das
Böse dahin, das dir jemand anwünscht:
Das Wasser trage es dahin
Die Gottgebärerin wird helfen.
O Wässerlein,
O Gottgebärerin!
Sowie das fließende Wasser die drei Sandkörner und
das Salz fortschwemmt, so
wird auch aus deinem Haus die Beschreiung verschwinden.)
— Ich habe, Mando, — setzte ich fort, als ich sah,
daß die Zauberfrau mit
mir umso vertraulicher redete, je mehr ich ihr vom
mitgebrachten Branntwein zu
trinken gab — einen guten Freund, der vor einigen Tagen
geheiratet hat. Er
kann es sich nicht erklären, aber es ist eine Tatsache,
daß er auf keinen Fall die
nötige Kraft bekommen kann, um den Beischlaf mit seiner
jungen, schönen und
reizenden Frau zu vollziehen. Er ist auch jung und
schön. Zu Ärzten will er
nicht gehen, da er zu ihnen keinen Vertrauen hat;
überdies schämt er sich. Ich
i) Es handelt sich dabei um einen Loskauf durch das
Gewicht. Der Glaube
ist weit unter den Völkern im Schwang, wie dies H.
Gaidoz, Am UrQuell, II.
S. 39—42, 59—61, 74 f. (Ransom by Wight)
nachweist. Krauss.
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.
233
habe gehört, daß du in dieser Sache auch helfen
kannst. Willst du meinem
Freunde diese große Gefälligkeit erweisen?
— Bożjom, a ne vrazjom pomoći może se sve —
antwortete die Zauberfrau.
Kad tvoj prijatelj bude vexeras lijegao svojom żenom,
neka svoj kajis od gaća
i żeninu tkanicu prostré na postelju. Neka sa żenom
legnę na taj kajiS i na tu
tkanicu, pa onda może grijeh uciniti. — Ako mu to ne
pomogne, ima i drugi
lijek. Neka od ovoga korijena cimitrka !) —
und die Zauberfrau gab mir aus ihrer
Kiste eine weiße Wurzel — napravi prsten, kroz koji może
provuci svoju snagu
і zivot,2) pa neka kroz taj prsten samo tri
puta pusti vodu, povratice mu se snaga
i on će sa żenom moći imati grijeh. Korijen od trave
cimitrka ima veliku snagu.
TakneS li s njom żensku, koju si zavolio, a koja tebe ne
begeniSe, pomamiće se
za tobom, dok je ne zadovoljiS. MoraćeS bjeżati od nje,
jer će ti ina£e ispiti svu
snagu. Nikada je ne ćeS zadovoljiti. U tome ćeS po
gotovo uspjeti, ako żenskoj
daS i ona primi taj korijen cimitrka, da ga Cuva kod
sebe. Ne moraS joj samo
govoriti, za Sto joj to dajeS. Za posao, o korne me
pitaS, korijen od trave cimitrka
vrijedi i drukćije. Osim prstena i puStanja vode
kroz-a-nj, taj se korijen meće u
vodu za umivanje. Neka u tu vodu tvoj prijatelj umije
lice, a onda neka tri puta
okupa svoj zivot, svoje udo, pa może grijeSiti svojom
żenom. (Mit Gottes- doch
nicht mit des Teufels Hilfe vermag man alles. Wenn sich
dein Freund mit seiner
Frau heute abends niederlegen wird, so soll er seinen
Hosenriemen und den Gürtel
seiner Frau auf das Bett ausbreiten. Mit der Frau lege
er sich auf diesen Riemen
und diesen Gürtel und dann mag er sündigen. — Hilft ihm
das nicht, so gibt es
auch ein anderes Heilmittel. Aus dieser Wurzel des
Cimitrk soll er einen Ring
bilden, durch den er (seine Kraft und sein Leben) sein
Glied durchziehen kann
und dann soll er dreimal durch diesen Ring Wasser lassen
und seine männliche
Kraft wird wiederkehren und er wird mit seinem Weib
Sünde pflegen können.
Der Cimitrkwurzel wohnt eine große Kraft inne. Berührst
du nur damit ein Weib,
zu dem du eine Neigung gefasst hast, die aber dich nicht
mag, so wird sie nach
dir vor Liebe wahnsinnig, bis du sie nicht befriedigst.
Du wirst sie fliehen müssen,
denn sonst wird sie aus dir die ganze Kraft aussaugen.
Nie wirst du ihr genüge
tun können. Dein Ziel wirst du darin sicher erreichen,
wenn du einer Frau diese
Wurzel Cimitrk gibst und sie sie zur Bewahrung bei sich
annimmt. Du darfst es ihr
aber nicht sagen, wozu du ihr dies gibst. Zu dem Zwecke,
für den du mich
befragst, taugt die Cimitrkwurzel auch sonst. Außer dem
Ringe und dem Harn-
lassen hindurch legt man diese Wurzel auch in
Waschwasser. Mit diesem Wasser
soll sich dein Freund das Gesicht waschen und dann darin
sein (Leben) Glied
dreimal baden. Dann kann er mit seiner Frau sündigen.)
1) Das Wort Cimitrk soll die Zauberfrau erfunden
haben.*) Nirgends, in
keinem Wörterbuche und von keiner Person in
Norddalmatien, konnte ich den
wahren Sinn dieses Wortes erklärt erhalten. Deswegen bin
ich genötigt auch im
deutschen das Wort Cimitrk zu gebrauchen. Dr. Mitrovic.
2) Der serbische Bauer wird sehr selten im Gespräche
das männliche Glied
seinem wahren Namen nach nennen. Er sagt gewöhnlich nur
snaga (Kraft) oder
zivot (das Leben). So nannte es auch die Zauberfrau. Dr.
Mitrovic.
*) Vielleicht Cimbola, chelidonium majus, Zymbelkraut
Cimitrk kann aus
dem deutschen Worte entstanden sein. Wir heißen es auch
Schölkraut und das
Volk gebraucht es gegen die Gelbsucht. Krauss.
234
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien
— Gibt es noch welche andere Abhilfe, wenn ein Mann
mit seiner Frau nicht
verkehren kann? — befragte ich Zauberfrau, als er mir
vorkam, daß es ihr schwer
fiel weiter zu erzählen. Sie fürchtete zweifelohne, daß
ich mir ihre Kunst an-
eignen werde.
— I ako nikome ne kazujem sve — bemerkte die
Zauberfrau — tebi hoću
radi stare tvôje ljubavi. Neka se dvoje mladih izmjere
na kantaru, svakö za se,
ali neka nikome ne kazuju, koüko koje teżi. To treba da
znadu samo njih dvoje.
MuSko treba tada da ustane sa kantara, da se okrene
istoku і da raskoraći noge.
Zena neka mu tri puta progje ispod noga, a neka se
savije oko desne noge mu.
Dok to traje, muSko i żeńsko moraju po tri puta
govoriti:
Voda na vodu,
Riba u vodu,
Meni moja sreća
Na vjeru i na mjeru!
Neka tada mu»ko i żeńsko legnu, vjerom u Boga, pa se
ne boj. — Jo§ ću ti jednu
pomoc u tome kazati, pa viSe ne pitaj o tome. MuSko i
żeńsko neka u ponoći
odu na prijateljsku oranicu, koja se toga dana orała i
na kojoj je ostavljen lijes.
Neka rastave sve komade lijesa a ima ih mnogo —, pa neka
mu&ko polovinu tih
komada baci na desno, a żeńsko drugu polovinu na lijevo.
MuSko tada neka
żeńsko desnom rukom uzme za lijevu ruku njenu, pa neka
se tri puta poseću ili
poigraju po oranici izmegju porazbacanih komada lijesa.
Ne drżeći se za ruke,
neka odu kuci. Tada mogu grijeh imati. (Und ob ich auch
niemandem alles
sage, dir werde ich es um deiner altbewährten Liebe
willen. Das junge Paar soll
sich auf der Stangenwage, jedes für sich, abwägen; sie
dürfen aber niemandem
mitteilen, wieviel sie wiegen. Das brauchen nur die zwei
zu wissen. Der Mann
muß dann von der Stangenwage aufstehen, sich gegen Osten
wenden und seine
Beine ausspreizen. Das Weib soll ihm dreimal unter den
Beinen hindurchgehen
und sich dreimal um sein rechtes Bein winden. Solange
dies dauert, müssen Mann
und Weib dreimal sagen:
Wasser aufs Wasser,
Der Fisch im Wasser,
Mir mein Glück
Im Vertrauen und nach Gebühr!
Dann sollen sich Mann und Weib, mit Gottvertrauen
niederlegen und um den
Erfolg sei dir nicht bang. — Noch eine Hilfe will ich
dir in dieser Sache angeben
und dann frag nicht mehr darüber. Mann und Weib sollen
sich um Mitternacht
auf das Ackerfeld einer befreundeten Person begeben. Das
Feld muß am selben
Tage beackert und der Ackerwagen zurückgelassen worden
sein. Der Mann und
Frau müssen alle Ackerwagenbestartdteile — und es gibt
deren viele >) — ausein-
anderlegen. Die Hälfte von diesen Stücken möge der Mann
auf die rechte und
das Weib die andere Hälfte auf die linke Seite werfen.
Der Mann ergreift hierauf
mit seiner rechten Hand die linke Hand seiner Frau und
so Hand in Hand sollen
sie dreimal über das Ackerfeld zwischen den zerstreut
umherliegenden Ackerwagen-
i) Der Ackerwagen des Bauern in Norddalmatien ist
ganz aus Holz und
besteht aus mehreren, ungefähr dreißig, Stücken. Ein
jeder Bestandteil hat seinen
eigenen Namen. Dr. Mitrovic.
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien
235
stücken einherwandeln oder dahintanzen. Ohne sich bei
den Händen zu halten«
sollen sie nach Haus gehen. Dann vermögen sie der Sünde
zu pflegen.
Die alte, erschöpfte Zauberin war ziemlich müde
geworden, ich bot ihr noch
einmal Branntwein an, und sie sprach ihm gerne zu.
— Manche Weiber — unterbrach ich die Stille —
wünschen nicht schwanger
zu bleiben, wenn sie mit Männern geschlechtlich
verkehren. Was haben sie zu
tun, um nicht schwanger zu werden?
— To nije lijepo — antwortete mir die Zauberfrau — da
rade żene, koje
imaju svog covjeka. Grjehota je uniStavati ljudsko
sjeme. Kad im se duśa rastane
od tijela, odgovarace za to Bogu. Nose na sebi uvijek
nokat od mazginog kopita,
pa vjeruju, da im to pomaże, da nikada ne zatrudne. Piju
i pelina, skuhana sa
liśajem, koji se hvata po kamenju. Sve to nije lijepo ni
poSteno. Ja sam
s mojim Covjekom u grijehu izrodila jedanaestoro djece,
koju sam mukom i trudom
podigla, ali svemogucem za to neću morati da odgovaram.
(Es ist nicht schön,
daß die Weiber so etwas anstellen, die ihren Ehemann
haben. Es ist eine große
Sünde auf solcher Weise den menschlichen Samen zu
vernichten. Wann sich ihre
Seele vom Leibe einmal trennt, werden sie vor Gott dafür
verantwortlich sein. Sie
tragen immer bei sich einen Maultierhuf und sind
überzeugt, daß er ihnen hilft,
nie schwanger zu werden. Sie trinken auch mit
Gesteinmoos abgekochte
Salbei. Alles das ist weder anständig noch ehrenwert.
Mit meinem Manne habe
ich in Sünde elf Kinder gezeugt, die ich insgesamt mit
Plag und Mühe aufgezogen,
doch dafür werde ich nie dem Allmächtigen Red und
Antwort stehen müssen.)
— Was gibst du — befragte ich noch weiter die
Zauberfrau — um venerische
Krankheiten zu heilen? Was gibst du einem venerisch
kranken Manne und was
einer venerisch kranken Frau? Die häufigste Krankheit
ist der Tripper.
— U naSim travama ima lijeka za svaku holest, pa i za
kapavicu. NajuspjeS-
niji je lijek za nju, kad se kadulja svari u vodu.
Bolesnik, svako jutro, dok ne
progje bolest, neka pije po jednu SaSu prije rufcka.
MuSko mora u takvu vodu,
da ćesto pere svoje udo. Żeńsko namoci komad slanine u
takvu vodu, dobro ga
natopi, pa ga onda uvuce u material, dok se ne osuSi.
Osim toga, za tri jutra,
poslije nego li se popije voda sa svarenom kaduljom,
treba prożdrijeti komadić
svjeze slanine od muSkog praseta i pozobati po tri zrna
Senke. — Ima i drugih
bolesti, kojima se bez ljekara more naci lijeka.
Covjeka, żenu iii dijete cestö boli
glava. To nije od prirode, nego su uroci duSmanski. Za
to treba u sudić prinijeti
k vatri vode. U vodu se bacaju komadići ugljena żive
vatre. Pri svakom bacanju
spomene se ime Covjeka iii żene, za koje se misli, da su
na bolesnoga bacili urok.
Ciji komad ugljena potone, taj je sigurno urekao
bolesnika. Tada bolesnik mora
tri puta da prilije vodu iz sudića kroz verige u drugi
sudić, Neka tada umije lice,
pa će ozdraviti. (Unsere Kräuter bergen für jede
Krankheit ein Heilmittel und so
auch für das Getröpfel (den Tripper). Das beste
Heilmittel dafür ist das Wasser,
in dem Salbei abgekocht worden. Der Kranke soll jeden
Tag, bis nicht die
Krankheit vergeht, vor dem Frühstück ein Glas voll davon
austrinken. Der Mann
muß auch öfters sein Glied in diesem Wasser baden. Das
Weib wieder taucht
ein Stück Speck in ein solches Wasser ein, läßt es sich
tüchtig damit ansaugen
und führt es hierauf in die Scheide ein, bis es darin
nicht eintrocknet. Außerdem
müssen die Kranken drei Morgen hindurch, nachdem sie den
Salbeisud ausgetrunken,
ein Stückchen frischen Specks von einem Ferkelmännchen
verschlingen und je drei
Weizenkörner verschlucken. — Es gibt auch noch andere
Krankheiten, für die
Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien
man ohne Arzt eine Heilung finden kann, öfters leiden
Männer, Weiber und
Kinder an Kopfschmerzen. Der aber rührt nicht von der
Natur, sondern von
Beschreiungen her, die von Feinden ausgehen. Zur Heilung
hat man in einem
Fäßchen Wasser ans Feuer zu stellen. Ins Wasser wirft
man einige Kohlen
Stückchen von einem Feuer, das man durch
Reibung gewinnt, hinein. Bei jedem
Hineinwurf gedenkt man des Namens eines Mannes
oder eines Weibes, von denen
man glaubt, daß sie die Beschreiung auf den Kranken
geworfen. Wessen Kohlen-
stück untersinkt, der hat den Leidenden gewiß
beschrieen. Hernach muß der
Kranke dreimal das Wasser durch eine Kette hindurch aus
dem Fäßchen in ein
anderes Fäßchen überschütten. Mit dem Wasser soll er
dann das Gesicht waschen,
und er wird gesunden.)
Noch um eines befragte ich die Zauberfreu, nämlich
was schwangere Frauen
anzustellen hätten, um die Frucht ihres Leibes
abzutreiben.
— Neću ja — antwortete die Zauberfrau — da gine tvoje
sjeme і tvoje zlatne
żenice. Pa to je od Boga grjehota, a od ljudi zazor i
sramota. (Ich will nicht,
daß dein und deines goldenes Weibchens Same zugrunde
gehe. Das ist sowohl
von Gott aus eine Sünde als auch von den Menschen aus
eine Schmach und
Schande.)
— Umsonst versuchte ich die Zauberfrau zu überzeugen,
daß ich ihre Wissen-
schaft nicht für meinen Hausgebrauch benötige und daß
ich von meiner Kenntnis
keinen Vorteil zu ziehen beabsichtige. Sie wollte mir
auf keinen Fall ihr Geheimnis
anvertrauen.
— Ima5 Ii dusmana, a ima ih svaki Covjek, — sagte mir
noch die Zauberfrau
— P°gji u crkvu, uzmi tri карі voska sa
svijece, koja gori pred Bogorodicom.
Za te tri карі daj u crkvu tri jednaka komada novca,
kakvog hoćeS. Vosak cuvaj
u kuci, pa se ne boj, da će ti iko i§ta nauditi i
zla uciniti. (Hast du Feinde, und
deren hat wohl ein jeder Mensch, so gehe in die Kirche,
nimm drei Wachstropfen
von der Kerze, die vor der Gottgebärerin brennt Für
diese drei Tropfen stifte
der Kirche drei gleiche Geldstücke beliebiger Art.
Bewahre das Wachs zu Hause
und dann fürchte nicht, daß dir irgend jemand sei es
womit immer einen Schaden
oder ein Übel zufügen können wird.)
— Die Zeit zum Abschiede war gekommen. Anfangs wollte
die Zauberfrau
das Geldgeschenk, das ich ihr anbot, nicht annehmen. Wir
reichten einander die
Hand und sie gab dem Wunsche Ausdruck, das Glück, das
mich bis jetzt begleitet,
möge mir auch in Zukunft treu zur Seite stehen.
Knin (Norddalmatien), im Juni 1907.
Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten
und Lüstlingen.
Mitteilungen von Karl Amrain.
Dr. Iwan Bloch hat in seiner gedankenreichen
Broschüre „Die
Perversen" den sehr berechtigten Wunsch ausgedrückt, daß
zur
Entschleierung aller Phänomene des Geschlechttriebes dem
Arzte
der Anthropologe, der Ethnologe, der Folklorist, der
Kulturhistoriker
und der Philosoph zu Hilfe kommen müssen. (Vergleiche
auch An-
thropophyteia Bd. II, S. 457). Dementsprechend
seien einzelne Fälle
angeführt, die für die Vita sexualis bezeichnend sein
dürften, ohne daß
irgendwelche weitere Schlüsse gezogen werden sollen.
Die nachstehenden Angaben stammen teils von
Gerichtpersonen,
teils von Ärzten, Pädagogen usw. Um keines der
Individuen irgend-
wie zu schädigen, müssen die genauen Namenangaben
entfallen und
Aufenthaltorte ungenannt bleiben.
I. Fall. Rechtbeflissener, 25 Jahre alt,
Süddeutscher von Ge-
burt. Der Geruch von frisch gemachtem Heu erregt in dem
jungen
Manne den Geschlechttrieb so mächtig, daß er in einem
Heuhaufen
onaniert. Alljährlich, wenn die Heuernte ist, begibt er
sich „einem
inneren Drang folgend" aufs Land, um seinem Trieb zu
willfahren.
Ärztliche Ratschläge befolgt er gern, nennt aber seinen
Trieb eine
Vis maior. Bauern beobachteten den Studiosus, wie er
sich auf
einem Heuboden völlig nackt auszog und sich „wie
besoffen" im
Heu wälzte, dann den Penis erectus in geballtes Heu
drückte und
ejaculatio herbeiführte. Seit dieser Zeit heißt der
Studiosus im Dorfe
„Heuficker".
Anmerkung. Es ist eine in den letzten Jahren stets
genauer
bekannt gewordene Tatsache, daß Heu die Individuen ganz
ver-
schieden affiziert. Heufieber, Heuschnupfen zeigen diese
Tatsache
am besten. Viele Leute nennen den Geruch von Heu
„unangenehm"
238
Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und
Lüstlingen.
sogar „sauer'1, ohne daß im
landwirtschaftlichen Sinne das Heu
sauer wäre.
2. Fall. Pensionierter Regierungsekretär. Alter (?).
Preuße
von Geburt. Der Mann hat „seit langen Jahren das
Bedürfnis",
Soldaten um die Befriedigung seiner geschlechtlichen
Gelüste an-
zugehen. Er wartet bei anbrechender Dunkelheit oder
Sonntags an
Kasernentoren, sucht sich an das Militär heranzumachen
indem er
den Soldaten gratis ein Glas Bier und Rauchmaterial
verspricht.
Beim Biertisch bittet er erst verblümt, dann je nach
Lage des
Falles deutlicher, den Penis des Soldaten in den Mund
stecken zu
dürfen. Er nimmt knieend auf dem Abort der Wirtschaften
das
Glied des willfährigen Soldaten in den Mund und saugt
bis Samen-
erguß erfolgt. Mit dem Augenblick, da der Samen seine
Rachen-
höhle trifft, stellt sich bei dem Manne selber der Erguß
ein. Er
huldigt seit Jahren diesem Verfahren und hat angeblich
nur bei
Soldaten das höchste Lustgefühl. Ohrfeigen und Prügel,
die ihm
reichlich von Soldaten, welche sich diese Schweinerei
verbaten, ver-
abreicht worden sind, schreckten ihn von seiner Passion
ebensowenig
als eine längere Gefängnisstrafe ab. Ob der Ledergeruch
oder der
sogenannte „Kasernengeruch" dabei mit im Spiele ist,
bleibt dahin-
gestellt.
3. Fall. Hausbursche, in den zwanziger Jahren,
Süddeutscher.
Dieses Individuum verlor stets nach kurzer Zeit seine
Stelle, weil der
Bursche morgens, wenn der Milchmann oder das
Milchmädchen kam,
in die gefüllten Milchkannen seinen Penis hing und in
die Koch-
töpfe seiner Herrschaften urinierte.
4. Fall. Bäckerknecht, in den zwanziger
Jahren, Württemberger.
Sein „gröscht Lust" findet er 3 bis 4 mal in der
Woche in den
Semmelteig zu onanieren. Der Teigduft und die Kühle des
Teiges
reizen den von verschiedenen Meistern aus der Stellung
gejagten
Burschen.
5. Fall. Zahntechniker, 28 Jahre alt, aus Nürnberg
gebürtig,
protestantisch, will durch die Lektüre gereizt worden
sein, nur mit
Wasserstiefeln, Mantel und Hut gekleidet in die Straßen
herumzu-
streunen. Verfolgt Dienstmädchen und zeigt sich ihnen
nackt
Manchesmal begnügt er sich die nackten Arme eines
Dienstmädchens
zu beschnuppen. Eine Gefängnisstrafe, die er sich durch
sein Treiben
zuzog, hat ihn insoweit beeinflußt, als er jetzt in
Wirtschaften mit
Damenbedienung geht und daselbst in einem Winkel eine
„Dame"
Von absonderlichen geschlechtlichen
Gelüsten und Lüstlingen. 239
beriecht Er legt seine Nase an die Nase seiner
Partnerin, zieht
tief Atem, dann beriecht er den Nacken, endlich die
Achselhöhlen.
Wenn er seine Nase in die Haare einer schwitzenden
Weiberachsel-
höhle stecken kann, ist er im Himmel. Er hat diesen
Wunsch nicht
immer, nur „wenns Vollmond ist". Als guter Bezahler ist
er bei
den Weibern, nach Aussage eines Kriminalschutzmannes,
sehr beliebt.
6. Fall. Artist (Musiker und
Schmierenschauspieler), Alter un-
bekannt, kam wegen Unterschlagung in Strafhaft. Seit dem
13. Le-
bensjahre Onanist Der Schmutz sub praeputio erschien ihm
als
Eiter. Das Brennen in der Glans trieb ihn zur Onanie,
wie er angibt.
Seit jener Zeit onaniert er in weite Lampengläser, in
Schnapsgläser
usw. Er will besonders vom Geruch der ejaculierten
Samen-
flüssigkeit Genußbefriedigung haben.
Anmerkung. Dänach besteht diese erotische
Handlungweise
aus zwei Höhepunkten, a) Ejaculatio, b) Beriechung. Der
Fall ist
seltsam genug, um entsprechende weitere analoge zu
eruieren.
7. Fall. Gymnasialprimaner. Er mußte das mit
dem Gymna-
sium verbundene Internat verlassen, weil er als starker
Onanist be-
kannt war. Seinen Mitschülern gab er vor dem Akt an, die
ganze
Ejaculation wieder hinunterzuschlucken zu wollen. Die
klebrige
Masse brachte er nur einmal hinunter, später trocknete
er in einem
Wasserglas den Samen und genoß ihn wieder. — Diese
Prozedur
ist an Scheußlichkeit wohl kaum zu übertreffen. Eine
geschlechtliche
Belehrung in den Internaten würde sicherlich mehr zur
Förderung
eines gesunden Geistes beitragen als die bisher geübte
Vertuschung-
politik vieler und namentlich geistlicher Erzieher.
8. Fall. Jurist, Rechtanwalt, 39 Jahre alt,
Norddeutscher.
Starker Alkoholiker. Häufiger Bordelbesucher. Sein
Haupt- und
Mord vergnügen", das ihn sinnlich reizt, ist
Dirnenbesucher, welche
sich bereits über der Dirne beim Akt befinden, an den
Fußsohlen
zu kitzeln. Namentlich auf Leute, welche sich ihrer
Coituspotenz
rühmen, hat es dieser Jurist abgesehen. Der auf die
Fußsohlen aus-
geübte Kitzel soll wie mit einem Schlag den
Erektionzustand beheben.
Das brutale Verfahren dürfte Irrenanstalten manchen
Patienten zu-
fuhren. Bisnun hat dieser tolle Jurist durch seine
Geldmittel unlieb-
same Weiterungen vorbeugen können. Zweifel besteht aber
keiner,
daß solche Neigungen zur Bestialität fuhren müssen.
9. Fall. Buchdrucker, 29Jahre. Keine
besondereAbnormalität,
aber als Bordellbesucher kann er nach eigenen Angaben
keinen
240
Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und
Lüstlingen.
natürlichen Coitus ausüben, weil ihm stets der
Gedanke venerisch
angesteckt zu werden vorschwebt. Seine Lust äußert sich
in Be-
riechen der Hinterbacken — nicht des Anus — und der
Grübchen
über dem weiblichen Becken. Nach dem Beriechen küßt er
die Hinterbacken und geht bei fortschreitendem
Lustgefühl zum
Beißen über.
10. Fall. Taglöhner, Alter? Vor jedem Coitus
Vaginaküsser
und -lecker. Kam mit der Polizei zusammen, als er eine
Prosti-
tuierte, die sich vor dem Vaginaküsser fürchtete, da er
sie früher
einmal an der Scham gebissen hatte, tötlich bedrohte.
Ein zweites
Mal wurde der Mann bestraft, weil eine geschlechtkranke
Dirne,
die sich an der Vagina nicht küssen lassen wollte, von
ihm mit Er-
mordung bedroht wurde.
11. Fall. Bergmann, 47 Jahre alt, Witwer, Vater eines
er-
wachsenen Sohnes. Empfindet größte Lust, wenn er eine
jüngere
weibliche Person veranlassen kann nackt auf ein Pferd zu
steigen
und zwar auf ein braunes Pferd. Er spielt dann der
Person mit den
Fingern an den Geschlechtteilen, steckt dabei die Nase
in das
Schwanzhaar des Pferdes und springt dann auf das Pferd
hinter
das nackte Mädchen, um sitzend mit der vor ihm sitzenden
den
Akt auszuüben. Kam mit den Strafgesetzen in Konflikt,
als er auch
mit einem Mädchen unter 14 Jahren in einem Stalle dieses
Verfahren
übte. Das Mädchen soll gesessen haben „wie eine Mauer".
12. Fall. Ehemaliger Apothekenbesitzer, Witwer. Etwa
52 Jahre.
Von Geburt Franzose (katholisch). Übte mit Rücksicht auf
seine
gesellschaftliche Stellung und seine bildhübschen
Töchter den Bei-
schlaf mit Dirnen sehr diskret. Seine Erlustigungen
bestanden darin,
daß eine junge Dirne — darauf hielt er viel — sich
splitternackt
auszog. Die Dirne mußte sich die Fußsohlen mit Heliotrop
oder
sonst einem Pflanzenparfüm einreiben. Sodann gab B., der
sich
inzwischen auch nackt ausgezogen hatte, der Dirne ein
kleines Rad,
durch welches eine Achse ging, in die Hände. Die Dirne
mußte
sich bäuchlings auf den Boden legen und mit den Händen
die Rad-
achse fassen. B. packte die Dirne bei den Beinen und
schob das
Weib wie einen Schiebkarren durch durch das Zimmer. B.
steckte
nach der ersten Rundfahrt der Dirne ein Geldstück in die
Vagina;
konnte die Dirne während der Fahrerei harnen, dann
erhielt sie zur
Belohnung hernach den doppelten Betrag. Zum Beschluß
leckte der
Mann die Fußsohlen der Dirne bis er ganz in Schweiß
gebadet war.
Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und
Lüstlingen.
241
Der Sonderling starb während eines solchen Vorganges
an Schlag.
Nie wäre man hinter diese Sache gekommen, wenn der
Bordellwirt
nicht in seiner Aufregung über den Todfall den Körper
des
Apothekers bekleidet auf die Straße hätte tragen lassen.
Lage und
Bekleidung der Leiche ließen es der Polizei nicht lange
unklar, daß
der Mann unmöglich auf der Straße zusammengebrochen war.
Die
Untersuchung führte zu einem dem erwähnten Tatbestand
entspre-
chenden Ergebnis.
13. Fall. Eleve auf einem großen landwirtschaftlichen
Betrieb,
22 Jahre alt, vorgebildet auf dem Gymnasium, woselbst er
die Be-
rechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst erwarb.
Stammt aus
einer guten Familie (Vater Gymnasialoberlehrer),
protestantisch. Der
junge Mann galt allgemein als Schürzenjäger, er war
seines freund-
lichen Wesens halber überall beliebt und Mädchen sehen
ihn gerne.
Er hat die Passion a) die Schamhaare der Mädchen mit
einem
Bartbürstchen halbestundenlang zu bürsten, b) mit einer
für die Rad-
schläuche an Fahrrädern bestimmten Pumpe Luft in die
Scheide des
ihm willfahrenden Mädchen zu pumpen. Dieses letztere
Verfahren
betreibt er förmlich systematisch. Weibliche Eifersucht
machte ihm
seine Elevenstellung in dem Betriebe unmöglich. Wohin er
sich ge-
wendet ist nicht bekannt.
14. Fall. Zuckerbäcker, verheiratet. Besucher von
Bordellen.
Sammelt Achsel- und Schamhaare von Weibern. Die Haare
kaut
und beißt er im Munde herum und begeilt sich auf diese
Weise.
Ist besonders auf blondes und rotes Weiberschamhaar
versessen.
Weil er gegen den Willen einer Blondine mit Gewalt deren
Scham-
haare abschnitt und sich zur Tätlichkeiten verleiten
ließ, kam er
Mann mit der Polizei in Konflikt.
15. Fall. Frau eines Fabrikanten, 30 Jahre alt,
Mutter eines
Kindes, brünett, Französin in Deutschland sich
aufhaltend. Der An-
blick reifer Pflaumen erweckt in ihr die Vorstellung von
Hoden. Sie
gefällt sich darin durch zwei reife Pflaumen einen
Bindfaden zu
ziehen und als Hoden gleichsam vor die Vagina zu hängen.
Ließ
sich einmal nackt photographieren mit ihren künstlichen
Hoden.
Geringe Quantitäten Alkohol genügen, um aus ihr die
tollsten Ge-
ständnisse herauszubringen. Vorzüglich versteht sie aus
Äpfeln und
Birnen männliche Glieder zu schneiden. Sie tut das in
Gegenwart
von Gästen. Von ihrem Manne wurde sie mit der
Hundepeitsche
gezüchtigt angeblich, weil sie sich eine Flasche mit
Sodawasser ia
Krause. Anthropophyteîa. IV. j6
242
Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und
Lüstlingen.
die Vagina habe sprudeln lassen. Diese Behauptung
bestreitet sie
energisch und reichte Scheidungklage ein, worauf der
Ehemann aber
nicht eingehen wollte wegen des Reichtums seiner Frau.
Seitdem
leben beide Gatten getrennt.
16. Fall. Rentner, 53 Jahre alt, verheiratet, Vater
von drei
Söhnen, zwei Töchtern. Hat sich im 40. Jahre eine
venerische Krank-
heit zugezogen. Seit jener Zeit findet er Vergnügen
daran, jeweils
drei Dirnen in ein Privatlogis zu bestellen. In diesem
Logis stehen
drei Drehsessel, die sich durch einen Mechanismus
selbsttätig und
zwar schnell drehen. Die Dirnen müssen unbekleidet auf
diesen
Sesseln Platz nehmen und wenn nun die Stühle zu rotieren
anfangen,
hat dieser Lüstling seine größte Freude. Je mehr die
Dirnen herum-
gewirbelt werden, um so geschlechtlicher wird X,
angeregt.
Anmerkung. Man vergleiche über die erotische Manie
des
Schaukeins Havelock Ellis, Geschlechtstrieb und
Schamgefühl,
Würzburg 1907. S. 241 ff.
17. Fall. Jungverheiratete Frau, 25 Jahre alt,
Tochter eines
Hotelbesitzers, brünett. Trinkt gerne. Der Ehemann klagt
dem
Arzt und Freunden über das absonderliche Gebahren seiner
Frau.
Letztere macht den Coitus davon abhängig, daß sie zuvor
den
Hodensack und die Schamhaare ihres Mannes einseifen
darf. Sie
greift dabei den Penis nicht an, sondern agiert ihrem
Manne von
hinten zwischen den Hinterbacken. Je schaumiger die
Schamberg-
gegend desto sinnlicher wird die Frau. Der junge Mann
befürchtet,
daß diese Wünsche der Frau einer Geistesstörung Vorschub
leisten.
18. Fall. Katholischer Theologe, Franzose von Geburt,
etwa
42 Jahre. Folgt seit langen Jahren im Spätjahr „wenn die
ersten
dichten Abendnebel eintreten" einem „unbesiegbaren"
Trieb. Wie
im Fieber begibt er sich in allerlei Verkleidung in ein
Bordell —
seit etlichen Jahren fährt er in eine benachbarte andere
Stadt —.
Bewegt sich beim Beischlaf fast nicht, dafür muß die
unter ihm
liegende Person umso beweglicher sein. Ferner muß
während des
Coitus eine zweite Dirne beständig das Rückgrat des
unbekleideten
Mannes vom Genick bis zur Kreuzgegend mit der Zunge
belecken.
Trifft die Zunge der Leckenden die Kreuzgegend, so zuckt
der Mann
mit lautem „ui, ui," wollüstig zusammen. Ärztliche
Behandlung er-
wies sich bisher als machtlos.
19. Fall. Mann, 22 Jahre alt, Militärperson, sieht
die Frauen
gerne, ist aber Onanist zwischen Bettkissen, verabscheut
den mit
Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und
Lüstlingen. 243
der Hand ausgeübten Onanismus als „ekelhafte
Brutalität und wider-
natürlich (1)". Er will Onanist sein, weil er
beim Akt mit Frauen
„ein Gefühl von Leere" zwischen den Oberschenkeln hat
Besucht
mit Kameraden zuweilen Bordelle und begnügt sich dabei,
wenn er
zwischen seinen Oberschenkeln die Schenkel einer Dirne
krampfhaft
pressen kann, oder wenn die Dirne mit ihrer
unbekleideten Fußsohle
sich gegen seinen Daumen stemmt Den Kameraden ist die
sonder-
liche Veranlagung des P.P. bekannt.
20. Fal 1. 28 Jahre alter Lehrer an einer
Kunstschule. Läßt sich
von gefälligem Hotelpersonal, das er gut entlohnt, in
Schlafzimmer
führen, deren Betten von jüngeren weiblichen Personen
benutzt
wurden. Wenn die weiblichen Gäste das Zimmer kaum
verlassen
haben, schleicht er sich hinein, riecht das Bettlaken
ab, beißt in
erotischer Extase in das Laken in der Gegend wo die
Person etwa mit
dem Gesäß lag und wälzt sich dann nackt im Bett bis
Samenfluß entsteht.
21. Fall. Gymnasiast, 17 Jahre alt. Der Jüngling ist
nach
Aussage der Eltern „wie toll", wenn seine Schwestern,
die 14 und
16 Jahre alt sind, Mitschülerinnen zum Lesekränzchen
einladen. Er
„schnüffelt" in jedem Mädchenhut herum, namentlich im
Hut eines
rötlichblonden Backfisches. Wurde von dem Vater
angetroffen, als
er völlig unbekleidet die Schnürschuhe dieses Mädchen
(Alter 1 6 Jahre)
mit den Senkeln verknotet über seinen erigierten Penis
gehängt
hatte. Auf gütliches Zureden des zu Rate gezogenen
Arztes erklärt
der junge Lateiner einem unwiderstehlichen Triebe zu
folgen. Dis-
krete Erkundigungen ergaben weiter, daß der Junge
wiederholt den
Zopf der Maid aufgeknotet und in den Mund gebracht
hatte, um
das Haar „im Spass" zu beknabben. Der Junge kam in eine
Er-
ziehunganstalt. Weitere Nachrichten fehlen.
22. Fall. Ehemaliger Schutzmann. 38 Jahre alt. Verlor
seine
Stellung, da er sich in Bordellen umhertrieb, doch stets
nur hinter
Rothaarigen her war. Klagte seinem Vorgesetzten, „die
roten Weibs-
bilder sind mein Unglück". War darauf
Fabriknachtwächter; heiratete
eine rothaarige Frau, die sich aber wieder scheiden
ließ, weil der
Mann keine Kinder haben wollte, aber dafür sie (die
Frau) fast jeden
Tag um den anderen „zwischen den Beinen saugen wolle".
Kam
wegen Vergehen mit einem Kinde zur Anzeige, aber entzog
sich
durch Selbstmord der richterlichen Strafe.
23. Fall. Kaufmann, geboren 1878, Mecklenburger,
blond.
Sehr sprachenkundig. Vom 12 Jahre ab, nach eigenem
Geständnis,
16*
244 ^on «^sonderlichen geschlechtlichen
Gelüsten und Lüstlingen.
wütender Onanist, da Geschlechttrieb ihm sonst „Herz
abdrücken'1
würde. War bereits auf Betreiben seiner Eltern
(Lehrerfamilie)
zweimal im Sanatorium, kam mit dem Strafgesetz in
Konflikt, weil
er sich mit Knaben unter 14 Jahren verging. Er küßt
nackte Knaben
und fuhrt Samenerguß herbei, indem er sein Glied an
jenem des
Knaben hin und herfuhrt. Ihn reizen nur unbehaarte
Knaben, Frauen
gegenüber ist er völlig kalt. Mit Rücksicht auf seine
selbst dem
Gericht sonderbar erscheinende Veranlagung wurden dem M,
B. mil-
dernde Gründe zugebilligt.
24. Fall. Blondine, 28 Jahre alt, Tochter eines
verstorbenen
Regierungbeamten. Der Anblick eines behaarten
Männerarmes oder
einer behaarten Männerbrust macht die M. W. seit dem 12
Lebens-
jahre geschlechtlich erregt. Sie ging mit dem
Dienstmädchen gerne
an Plätze, wo Männer im Freien badeten. Wurde, da sie
mit Gym-
nasiasten herumzog, von der höheren Töchterschule
ausgewiesen.
Als sie mit dem Penis eines erwachsenen Cousins wie mit
einer
Puppe gespielt hatte, worüber der Cousin Gewissensbisse
empfand,
kam die M. in eine Nervenklinik. Daselbst gab sie sich
mit dem
Anstaltgärtner ab, dessen geschorenen Schädel sie gerne
zwischen
ihre Oberschenkel brachte. Der Anstaltgärtner verlor
durch die
M. W. seine Stelle, worüber sie nur lachte. Sie gebar
erstmals un-
ehelich, nachdem sie den Kindesvater, einen jungen
Israeliten, um
Vorzeigung der Schamteile gebeten hatte. Seit der Geburt
ihres
ersten im Auslande untergebrachten Kindes ist die M. W.
gründlich
liebeexaltiert und fühlt den Trieb in sich Nase und Mund
in die
Schamhaare blonder und rötlicher (also lichthaariger)
Individuen zu
stecken. Sie erleidet dabei wollüstige Krämpfe, die in
stillem Schluchzen
ihr Ende finden. Sie ist darüber ein zweites Mal von
einem Fa-
brikanten geschwängert worden und hat geboren. Bei
hübschem
Äußern hat sie sich auch körperlich gut zu erhalten
verstanden,
Brüste sehr wenig entwickelt, obwohl sie beide Kinder
ganz kurze
Zeit genährt hat Sie hegt die Hoffnung einen Architekten
zu ehe-
lichen, um in der Gesellschaft einen Platz zu bekommen.
Die M. W.
scheint erblich belastet zu sein, da auch die Mutter
seit dem Tode
ihres Mannes, dessen Ableben sie durch ihr hitziges
Temperament
beschleunigte, sich mit Herren geschlechtlich abgibt.
Der Geruchsina in der Vita sexualis.
Eine Umfrage von Dr. Iwan Bloch (Berlin).
Erhebungen von Krauss, Mitrovic und Wernert.
Vorbemerkung. In der Anthropophyteia II. S.
445—447 leitet
Dr. Bloch seine Umfrage mit einer Darlegung der
Wichtigkeit der
Berücksichtigung des Geruchsinnes für die Erforschung
des Sexual-
lebens ein und wirft eine Reihe von Fragen auf, die fast
alle Er-
scheinungen unseres Studiengebietes streifen. Genau
betrachtet, ent-
wirft er die Umrisse zu einem Buche über diesen
Gegenstand, wie
er ja selber eines bereits verfaßt hat1) Wir
wollen oder müssen
dem Charakter unserer Jahrbücher gemäß unsere
einschlägigen Er-
mittlungen in verschiedenen Abteilungen veröffentlichen,
hier jedoch
nur solche Überlieferungen vereinigen, in denen die
Äußerungen des
Geruchsinnes die Hauptsachen bilden. Kleine Kinder
beriechen zuerst
einen Gegenstand und dann fuhren sie ihn zu Munde, um
seinen Ge-
schmack zu versuchen. Es ist zu bemerken, daß so wie in
unserer
Sprache schmecken sowohl riechen als mit dem
Geschmacksinne
etwas erproben, auch die Sprachen vieler anderer Völker
einen und
denselben Ausdruck zur Bezeichnung beider Sinneindrücke
gebrauchen.
Das führt uns darauf, hier auch Überlieferungen über das
Lecken der
Geschlechtteile mitzuteilen. Wenn sich einer oder eine
zum Lecken
versteht, so muß dabei wohl auch deren Geruchsinn
völlige Befriedi-
gung erlangt haben. Ob ein Riecher oder Lecker ein
Fetischist zu
nennen, daß müßte jeweilig untersucht werden. Es will
uns nämlich
1) Hagen, Dr. Albert: Die sexuelle Osphresiologie.
Die Beziehungen des
Geruchsinnes und der Gerüche zur menschlichen
Geschlechttätigkeit. Berlin,
H. Barsdorf, 2. Aufl. 1905. — Man vergl auch bei
Havelock Ellis, Die
Gattenwahl beim Menschen mit Rücksicht auf
Sinnesphysiologie u. allgem. Bio-
logie, deutsch v. Dr. H. Kurella, Würzburg, G. Stuber,
1906, das Kapitel über
den Geruch, „das viele überraschen wird", wie Näcke
bemerkt (Arch. f.
Kriminalanthropologie u. Kriminalistik, 1907. S. 286).
246
Der Geruchsinn in der Vita sexualis
scheinen, als ob sich Erotiker zu gleicher Zeit allen
möglichen Betä-
tigungen der Geschlechtlust hingeben und daß die
Spezialisten unter
ihnen zu den Ausnahmeerscheinungen ihrer Art gehören.
1. Fledermausflügel.
Djevojka metne ispod prsa od koSulje razapeta krila
od slijepog
misa, da se ocuva od muśkog. — Von einem serbischen
Bauernburschen
bei Pakrac, Slavonien.
Das Mädchen legt unter das Hemd auf die Brust die
ausgebreiteten
Flügel einer Fledermaus, um sich vor den Männern zu
bewahren.
Anmerkung. Um das Mädchen aufzuregen, pflegt der
Bursche
nach ihren Brüsten zu schnappen. Der Geruch der
Fledermaus übt
auf ihn einen geschlechtlich abkühlenden Einfluß aus
Dagegen haben
slovenische Burschen in Krain den Brauch, „um die Liebe
eines jeden
Mädchens zu gewinnen" unter die Achselhöhe (pod pazuh)
eine Fleder-
maus zu stecken.
2- Zumptgeruch.
Da żeńska vol i. Uzme se marama od żenske, potare se
njome
po kurcu i dade se żenskoj natrag, ako se hoće, da se
dobije od te
żenske picke. — Von einem Handwerker in Pożega,
Slavonien.
Um die Neigung eines Frauenzimmers zu gewinnen. Man
nimmt von dem Frauenzimmer ein Tuch, reibt sich damit
über den
Zumpt hin und gibt es dem Frauenzimmer zurück, wenn man
haben
will, daß man von diesem Frauenzimmer Voze kriege.
3. Yozenküssen und Filzläuse.
Ima ljudi, koji kad vole żensku pa je ljube u pićku.
— Angabe
eines chrowotischen Bauern aus einem Dörfchen bei
Kutjevo in Sla-
vonien.
Es gibt Leute, die, wenn sie ein Frauenzimmer lieben,
es auf (in)
die Voze küssen.
Anmerkung. Ein chrowotischer Taglöhner in Pożega
bemerkte,
er würde eine, die er liebte, in die Voze küssen.
Derselbe Geruch-
fetischist machte noch folgende Angabe über die
Nützlichkeit
der Filzläuse, die wahrscheinlich auf seinen und
seinesgleichen Ge-
schlechttrieb einen anregenden Einfluß ausüben. Ich kann
mir näm-
lich nicht denken, daß sonstwie der Besitz von
Filzläusen irgend einem
wünschenswert erscheinen dürfte.
Der Geruchsinn in der Vita sexualis.
247
Piclajs je dobro imati; to je znak, da je krv zdrava.
Ako je krv
nezdrava, onda oni ne će ostati. Tako je jedan pisar
metno piclajse
sa jednog decka pod svoj pazuh, ali mu nijesu htjeli
ostati, jer je krv
nezdrava. Ima ljudi, koji meću piclajze pod pazuv.
Filzläuse zu haben, ist gut; das ist ein Zeichen
gesunden Blutes.
Ist das Blut ungesund, so werden sie nicht bleiben. So
z. B. hat ein
Schreiber Filzläuse von einem Knaben sich unter seine
Achselhöhle
getan, doch wollten sie nicht bleiben, weil er
ungesunden Blutes war.
Es gibt Menschen, die unter die Achselhöhlen Filzläuse
setzen.
Der slavische Volksausdruck fur Filzläuse ist sitne
vasi, feine,
kleine, winzige Läuse.
4. Peśkir.
Ako se hoće, da se sa żenskom (iii curom iii źenom)
vlada i da
ona sve ućini, Sto se joj każe i dade u svako vrijeme,
uzme se peŚkir,
mętne u krevet na śtrożak, ali tako da ona ne vidi i u
jutru poslije
śto ju je jebo valja peśkir metnuti na staro mjesto, da
se żeńska njime
obriśe. — Erzählt von einem Landmanne in Seoci in
Slavonien.
Das Handtuch.
Will man es erzielen, daß man über ein Frauenzimmer
(sei es ein
Mädchen oder Frau) eine Herrschaft ausübe und daß sie
alles tue, was
man sie heißt und zu jeder Zeit gewähre, so nimmt man
ein Handtuch,
legt es ins Bett auf den Strohsack, doch so, daß sie es
nicht sieht,
und am Morgen, nachdem man sie gevögelt, soll man das
Handtuch
an seine alte Stelle geben, damit sich das Frauenzimmer
damit ab-
wische.
Anmerkung. Hier handelt es sich um die Gewinnung der
dauernden Neigung eines Frauenzimmers, dessen einer
ohnehin schon
froh wird. Um einen Burschen zu entflammen, wissen es
die Chro-
wotinnen so einzurichten, daß er zu ihrem Busen
hinschmeckt oder
riecht, oder sie wischen sich mit einem Tüchel ihre
Schamteile aus
und überreichen es beim Tanze, dem Kolo, dem Burschen,
daß er
sich damit das schweißtriefende Gesicht abwische, oder
sie halten eine
Zeitlang einen Apfel zwischen den Beinen an der Scham
und geben
ihn als übliches Liebezeichen dem Burschen zu essen.
Einmal bekam
ich selber ein derart parfümiertes Veilchensträußehen
von einem Mädchen
verehrt. Seit jener Stunde bin ich einer Idiosynkrasie
gegen diese
lieblichsten Frühlingboten nicht los geworden. Es muß
einer offenbar
248
Der Gesuchsinn in der Vita sexualis.
stark erotisch veranlangt sein, soll ihn dieser
eigentümlich stinkende
Duft fur die Spenderin anregen.
5. Djevojacka duśa.
Momak volio curu. Htio je isprositi i vjencati. Cura
nije htjela
ni da ćuje za nj. Momak je neprestano oblijetao oko nje.
Cura bi
uvijek bjeżala, ćim bi ga ugledala. Jednom je momak
nagje samu na
livadi. Prevali je na tle. Jednom rukom zapusi joj usta,
da ne vice,
drugu joj ruku zavuce megju nogę i stanę Joj trljati
pićku. Pośto joj
je dobro istrljao pićku, pusti curu, neka ide kuda hoće.
Momak je
srećan і zadovoljan vonjao ruku, kojom je trao curu
megju noge. ,Ne
ću oprati ruke nikada/ govorio je, jer miriśe kao
djevojacka duśa.
Kad ne mogu u pićku, siatko je i po pićki.' — Erhoben in
Nord-
dalmatien von Dr. Alexander Mitrovic.
Die Mädchenseele.
Ein Bursche liebte ein Mädchen. Er wollte um sie
anhalten und
sich mit ihr trauen lassen. Das Mädchen aber mochte
nicht einmal
hören von ihm. Während der Bursche immerfort um sie
herumscher-
wenzelte, pflegte das Mädchen immer davorzulaufen,
sobald sie seiner
ansichtig wurde. Einmal traf sie der Bursche allein auf
der Wiese
und wälzte sie um. Mit der einen Hand hielt er ihr den
Mund fest
zu, damit sie nicht schreien könne, die andere Hand aber
zog er ihr
zwischen die Beine und begann ihr die Voze zu rüppeln.
Nachdem
er ihr tüchtig die Voze abgerüppelt, ließ er sie, das
Mädchen, frei,
damit sie gehe, wohin ihr beliebt. Glücklich und
zufrieden beroch
der Bursche seine Hand, mit der er das Mädchen zwischen
den Beinen
gerieben. .Niemals werde ich die Hand abwaschen/ sagte
er ,denn
sie duftet wie eine Mädchenseele. Kann ich nicht in die
Voze hinein,
so ist es auch süß über die Voze!'
6. Kolo.
Igrali kolo momei і djevojke. Kolo bilo veselo i
vragolasto.
Pjevalo se і popjevalo se s krają na kraj. Od jednom će
jedan iz
sredine, kad su se stariji odmakli, na sav glas
zapjevati:
Ріка tvoja, duśa moja,
sikilj tvoj, jezik moj !
a z drugog kraja prihvati drugi vragolast momak:
Ove dvje do mené
nisu jośte j ebene,
Der Geruchsinn in der Vita sexualis. 249
al do vece
faliti im ne cel
Vernommen in Norddalmatien von Dr. Alexander
Mitrovic.
Der Reigen.
Burschen und Mädchen tanzten einen Reigen. Der Reigen
war
fröhlich und verteufelt. Man sang und Wiedergesang
erscholl von
einem Ende zum anderen. Auf einmal hub einer aus der
Mitte,
nachdem sich die älteren Leute etwas entfernt hatten,
aus voller Kehle
anzustimmen an:
Dein Vözlein, meine Seele,
dein Kitzler, meine Zunge!
vom anderen Reigenende nahm ein anderer verteufelter
Bursche den
Faden auf:
Diese zwei an meiner Seite
sind noch nicht gevögelt worden,
aber bis zum Abendanbruch
wird es ihnen nicht ermangeln!
Anmerkung. Der erste Bursche gab eine Vertraulichkeit
kund,
die er mit einem der Mädchen pflegte, der andere aber
antwortete
mit stereotypen Reigenzeilen, deren Inhalt vielleicht in
seinem Falle
den Verhältnissen entsprach. Beide taten wohl daran,
ihre Mitteilungen
in Abwesenheit der Mädcheneltern zu verlautbaren, weil
man ja nie
wissen kann, wie sich Menschen von gesetzterem Wesen
solchen Kund-
gebungen gegenüber verhalten werden.
7. Baba і ріска.
Iśao jednom sveti Petar po zemlji sa joś jednim
apostołom. Uz
put reće sveti Petar svome drugu: ,Teo bi, brate, pićke;
jebao bü'
— ,Pa to je lako/ — ,Ćim naigjem na devojku, iskat ću! —
,Iśti pa
ćeś dobiti!'
Tako su iśli neko vreme pa naigju na jednu lepu curu.
Tad reće
drug svetom Petru: ,Eto pićke, da iśtemo?1 —
,Ne, ne, ta mi se cura
ne dopada. Doćiće druga,' — I tako su iśli dalje. Nakon
dugog pu-
tovanja naigju opet na jednu devojku, no ova nije bila
lepa. Opet
oslovi drug svetog Petra: ,Petre, da iStemo pićke od ove
curel' —
.Ne, ne, nikako. Ta nije lepa ni kao ona prva.1
— Ovaj je bio vec
ljutit na svetog Petra te ne reće ni reći vise, iśli su
dalje ćuteći. Tako
su iśli bogme vrlo dugo, al nikako da naigju na koju
curu. Na to reće
sveti Petar: ,Sad bi pićke^ pa ma baba bila!' — ,Znam
to, reće mu
250
Der Genichsinn in der Vita sexualis
drug, jedno govoris a drugo delaś. Da sretnemo opet
neku curu,
znam da ćeś i njoj naci manel* — Na to će sveti Petar:
,ZnaŚ, dajem
ti reć moju, sad bi i babu, samo da je dobijeml' —
Tek to reće a pred njima se stvori jedna stara,
gurava i rużna
baka. ,Petre, śta si rekao mało prije?4 reće
mu drug. Ovaj ne imade
kud, već zaiste od babe pićke. Baba mu reće: ,Daću ti
pićku ali ako
mi obećaś, da ćeś mojoj pićki dati miris najljepśega
rajskog cvetal'
— Petar joj obeća. Kad se sit najebao, duhne babi u
pićku i pićka
zamirisa kao najmiliji cvet rajski.
Drug reće sad svetome Petru: ,Lepo je od tebe, da si
reć odrźao,
no nije pravo, da samo pićka u bake miriśe, nego neka
miriSe i u svake
devojke i żenel' — Na to se sveti Petar okrene istoku i
povika triput:
,Svaka pićka, koja ima uśi, nek miriśe onom koj je
buśi!' — I od to
doba svaka pićka u żenske miriSe kao ruża, neki je i
zovu rużom, to
jest, pićki su dali ime ruża. — Erzählt von einer
Dorfschmiedtochter
in einem Dörfchen bei Pancevo, Südungarn.
Das alte Mütterchen und die Voze.
Es wanderte einmal der heilige Petrus mit noch einem
Apostel
auf Erden. Des Weges sagte der heilige Petrus zu seinem
Genossen:
,Ich möchte, Bruder, Voze haben; vögeln möchte ich!' —
,Na, dem ist
leicht zu helfen I' — ,Sobald ich auf ein Mädchen
stosse, werde ich
verlangen!' — ,Verlang nur und du wirst eine kriegen!' —
Also zogen sie eine Zeitlang umher und stießen
auf ein schönes
Mädchen. Da sprach der Genosse zum heiligen Petrus: ,Da
wäre
eine Voze, sollen wir verlangen?1 — ,Nein,
nein, dieses Mädchen ge-
fällt mir nicht Es wird schon eine andere kommen I'
— Und so gingen
sie weiter. Nach langer Wanderung stießen sie wieder auf
ein Mädchen,
diese jedoch war nicht schön. Wieder redete der Genosse
den heiligen
Petrus an: .Petrus, laß uns Voze von diesem Mädchen
begehren 1' —
,Nein, nein, unter keinen Umständen. Die ist ja
nicht einmal so schön,
wie jene erstere.' — Der war schon zornig auf den
heiligen Petrus
und sprach kein Wörtchen mehr; schweigend schritten sie
fürbaß. So
gingen sie, Gott straf mich, sehr lange, doch fügte es
sich, daß sie
durchaus auf kein Mädchen gerieten. Darauf sagte der
heilige Petrus:
Jetzt möchte ich Voze haben, selbst wenn es ein altes
Mütterchen
wäre!' — ,Das kenne ich,' sagte zu ihm der Gefährte,
,das eine redest
du und das andere tust du. Begegneten wir wiederum einem
Mädchen,
ich weiß schon, du fändest auch an ihr etwas
auszusetzen!' — Darauf
Der Geruchsinn in der Vita sexualis.
251
bemerkte der heilige Petrus: , Weißt du, ich gebe dir
mein Wort, jetzt
möchte ich selbst ein altes Weib, wenn ich sie nur
kriegte!' —
Kaum hatte er dies gesagt, stand schon, wie
hergezaubert, vor
ihnen ein altes, buckliges und häßliches Großmütterchen.
.Petrus, was
hast du kurz zuvor gesagt?' sagte zu ihm der Genosse.
Dieser hatte
da keinen anderen Ausweg, sondern begehrte von der
Strunsel Voze.
Sprach die Vettel zu ihm: ,Ich werde dir Voze gewähren,
doch nur
wofern du mir versprichst, meiner Voze den Duft der
allerschönsten
Paradiesblume zu verleihen!' — Petrus versprach ihr ihn.
Nachdem
er sich satt gevögelt, hauchte er der Vettel in die Voze
hinein und
die Voze begann wie die allerlieblichste Paradiesblüte
zu duften.
Allda sprach der Genosse zum heiligen Petrus: ,Das
ist schön
von dir, daß du Wort gehalten, doch ists nicht recht,
daß bloß bei
dem Großmütterlein die Voze dufte, vielmehr soll sie
auch bei jedem
Mädchen und jeder Frau duften!' — Hierauf wandte sich
der heilige
Petrus gen Osten und rief dreimal aus: Jede Voze, so da
versehen
mit Ohren, soll dem duften, der sie tut bohren!' — Und
von der Zeit
an duftet jede weibliche Voze gleichwie eine Rose, ja,
manche heißen
sie sogar Rose, daß heißt, sie gaben der Voze den Namen
Rose.
Anmerkung Manche Männer versicherten mir, daß ihnen
der
Geruch weiblicher Geschlechtteile Ohnmachtanfälle
verursache, andere
wieder beschnuppern, wie Hunde oder Kater, zuerst diese
Gegend,
ehe sie den Beischlaf ausüben. Übrigens duften nicht
alle Rosen gut,
manche stinken geradezu. Die Entstehung der Bezeichnung
Rose für
die weibliche Scham hat bekanntlich einen anderen
Grund als den der
Schluß dieser Geschichte angibt.
8. Momak olizu pićku.
Sve bi jebo, samo ne bi lizo,
jer je pićka kod dupeta blizo!
Tu je pesmu pevao jedan momak idući śorom (sokakom,
ulicom)
u vecer. To je ćula jedna lepa devojka iz sela te se
brże popela na
tarabu (plot, ogradu) te povika tom momku: ,Ej pevacu,
ne pevao
vise, ko ne liże, ne dobije pićke!' — Na to reće momak:
.Oj devojko,
lepoto devojko, te kad bi mi tvoju dala, ljubio bi je
kao tebe, seko,
a lizo bi je i uz duż i preko; lizo bi te i u dupe i nuz
dupel' —
,Dobro,' reće mu devojka, ,sutra u vecer dogji,
biću sama. Kucni samo
na ovaj mali pendżerl' — I momak ode obecavsi, da
će sutra doći.
Sutra u vecer pre no śto će momak doći, devojka se
otrolja (isere)
і tim govnima namaże svu pićku i butine і
ostrag sredu dupeta.
252
Der Geruchsinn in der Vita sexualis.
Kad bi vreme zakuca momak na pendżer, ova ga pusti.
Sad on
zaiste pićku a ona mu reće: ,Daću ti, ali prvo moraS da
je Hżeśl4 —
I momak ne imade kud, nego poće lizati, ali smrad od
govana da ga
uguśi. ,Aoj, euro, ta tvoja pićka smrdï. smrdi kao
govno!' — ,Pa nije
ni cudo. Sam si pevao, da je pićka kod dupeta
blizol' To reće pa
mu okrene dupe, da liże a ovaj i ovde oseti smrad od
govneta te
reće: ,Hvala lepo, seko, ja to nisam ćekol' i izagje iz
sobe a ova mu
dovikne: Ja se usra od radosti, jer mi eto do danas joś
niko ne oliza
pićke a danas je oliza pevaè!' — Momak osramoćen uteće,
ali vise
nikada nije pevao tu pesmu. — Erzählt von einer
Dorfschmiedtochter
in einem Dörfchen bei Pancevo, Südungarn.
Wie ein Bursche die Voze abgeschleckt hat.
„Auf jede Art möchte ich wohl vögeln, nur lecken
möchte ich
nicht, — denn die Voze ist beim Arschloch nahe!"
Dieses Liedchen sang ein Bursche abends durch die
Zeile (die
Gasse, die Straße) ziehend. Das vernahm ein schönes
Mädchen aus
dem Dorfe und erklomm rasch die Planke (den Zaun, die
Umzäunung)
und rief diesem Burschen zu: ,Heda, Sänger, sollst nicht
mehr singen,
wer da nicht leckt, der kriegt keine Voze!' — Darauf
sagte der Bursche:
,0 du Mädchen, du eine Schönheit, Mädchen, o wenn
du mir die deine
gewährtest, ich tat sie herzen, wie dich, o
Schwesterlein, und lecken
möchte ich sie in die Kreuz und in die Quere; ich tat
dich lecken
sowohl ins Arschloch als neben das Arschloch!' — ,Gut,'
so sprach
zu ihm das Mädchen, ,morgen zu Abend komm, ich werde
allein sein.
Poch du bloß an dies kleine Fenster an!' — Und der
Bursche ging
mit der Zusage weg, morgen zu erscheinen. Morgen am
Abend, vor
des Burschen Eintreffen, kackte sich das Mädchen aus und
beschmierte
mit diesem Dreck ihre ganze Voze und die Schinken und
hinten die
Mitte des Arschlochs.
Als es an der Zeit war, pochte der Bursche ans
Fenster an, die
ließ ihn ein. Jetzt begehrte er Voze, sie jedoch sagte
zu ihm: ,Ich
werde dir gewähren, doch mußt du sie vorerst belecken!1
— Und der
Bursche hatte keinen anderen Ausweg, sondern begann zu
lecken, der
Dreckgestank war aber so arg, daß er ihn fast erstickte.
,0 weh, Mädel,
diese deine Voze stinkt, sie stinkt, wie Dreck!' — ,Nun,
das ist ja gar
nicht wunderlich. Hast ja selber gesungen, daß die Voze
nahe dem
Arschloch seil' Das sprach sie und wandte ihm das
Arschloch zu,
damit er daran lecke, der aber schmeckte auch hier den
Gestank vom
Der Geruchsinn in der Vita sexualis. 253
9. Usmrdelo se.
Bio jedan sasvim glup mladić і prost pa nije znao
niśta. Tako
se i ożeni. Żena mu — mlada nevesta — videci, da on ne
zna śta
je to żena i zaśto se covek żeni, namisli da zbije śalu
s njime. Ona
mu izjavi, kako ona nema pićku.
— Pa śta ćemo sad? upita je on.
— Lako. Ja znam jednoga majstora, koji może pićku da
mi naćini,
odgovori ona,
— Pa hajdmo majstoru!
Ona ga odvede kod njenoga nekadaśnjega jebaća, s
kirne je se
jebavala joś devojkom. Ovaj, budući prepredenjak, każe:
Ja mogu da
joj naćinim pićku, no ti mi donesi dva ovna debela
neośiśana, dva
pętla і dvadeset kilograma soli. Od toga materijala mogu
da joj na-
ćinim pićku.
Ode ovaj i donese sve to. Dok je on iśao za ovaj
materijal,
Dreck und bemerkte: .Danke schön, Schwesterlein, ich
habe das nicht
erwartet!' und ging aus der Stube hinaus, die aber rief
ihm nach:
,Ich beschiß mich vor Freude, denn schau, bis auf heute
hat mir
noch niemand die Voze abgeschleckt und heute schleckte
mir sie der
Sänger ab!' — Beschämt rannte der Bursche davon, doch
nimmermehr
sang er dies Lied.
Anmerkung. Weil ich fur gewöhnlich die
herzogländische Mund-
art spreche und auf die Erzählerin den Eindruck eines
etwas be-
schränkten Menschen machte, hielt sie es für notwendig,
einzelne Worte
durch Synonime zu erklären. Zu ihrer Charakteristik
notierte ich
auch die einigemal und auch weil es nicht gut ist, durch
Zwischen-
bemerkungen den Redefluß zu unterbrechen. — Die
angeführten zwei
Liedzeilen sind Reigensängern allgemein vertraut. Das
Mädchen im-
provisiert mindergute Reime und der Bursche erwiedert
ebenso un-
geschickt im Versbau. — Mit dem Hinriechen findet sich
der Bursche
leicht ab, doch so manches Mädchen und manche Frau hat
den Brauch,
wie man mir glaubwürdig versicherte, den Liebhaber oder
Ehegemahl
zum Lecken förmlich zu zwingen. Das ist es, was die
meisten Männer
verabscheuen, manche wieder behaupten, sie müßten zuerst
ein solches
Vorspiel genießen, um das Frauenzimmer in Stimmung zu
versetzen,
manche wieder finden ihr Genügen schon allein am Lecken,
das offenbar
ihren Geruchsinn befriedigt. Aber auch Frauen lieben es,
an männ-
lichen Geschlechtteilen zu schnüffeln und sie zu
belecken.
2 54 Der Geruchsinn in der Vita sexualis.
majstor mu zenu jebavao. Sedela żena kod
majstora nedelju dana
і ovaj je za sve to vreme jebavao. U rećeni dan ovaj
dogje za żenu.
Ona mu se u putu vracajuci se pohvali, da sad ima ріски.
Kad dogju
kuci a ovaj każe:
— Kamo da vidim, je li naćinio?
Źena mu se otkrije. On videv pićku reće:
— Oca mu njegovoga, ala me je izvarao! Od onolike
vune sa
dva ovna, samo ovolicko vune metnuo! (misli za dlake na
picki; da
je to od ovnujske vune). A gle, od kresie sa dva pętla
samo onolićko
metnuo! (ovde pokaże i misli, da je u sredini picke
sikilj naćinio
od kresle-obera).
Tada zavuce prst u pićku i pomiriśe pa kad vide, da
smrdi a on
każe: I ovo mi podvalio! Ja mu dao dvadeset kilograma
soli, da dobro
posoli a on nije hteo, da dobro usoli, već se
usmrdelo! — Erzählt
vom Landmann Todor Vukovic aus einem Dörfchen bei
Poljna, Ost-
serbien.
Es ist in Gestank übergegangen.
Es lebte mal ein ganz vernagelter, einfältiger
Jüngling, der da
von nichts wusste. Als sein Weib — die junge Frau —
merkte, er
wisse nicht, was ein Weib sei und warum sich der Mann
beweibe,
nahm sie sich vor, mit ihm einen Jux zu treiben. Sie
erklärte ihm
denn, sie besässe keine Voze.
— Ja, was fangen wir jetzt an? fragte er sie.
— Leicht geholfen. Ich kenne einen Meister, der wohl
in der Lage
wäre, mir eine Voze anzufertigen, antwortete sie.
— Nun, so lass uns zu dem Meister gehen!
Sie führte ihn zu ihrem ehemaligen Vogler hin, mit
dem sie noch
als Mädchen zu vögeln pflegte. Dieser, ein mit allen
Salben ge-
schmierter Geselle, sagte: Ich bin imstande, ihr eine
Voze anzufertigen,
doch bring du mir zwei feiste, ungeschorene Schafböcke,
zwei Hähne
und zwanzig Kilogramm Salz her. Aus diesem Material
vermöchte
ich ihr wohl eine Voze herzustellen.
Dieser ging weg und brachte alles herbei. Während er
jenes
Material holen ging, vögelte sein Weib der Meister. Das
Weib saß
beim Meister eine volle Woche und während der ganzen
Zeit vögelte
sie der. Am festgesetzten Tag kam dieser um sein Weib.
Auf dem
Heimwege berühmte sie sich, sie besässe jetzt eine Voze.
Als sie
heimgekommen, da sprach dieser:
Der Geruchsinn in der Vita sexualis. 255
10. Das Lebenslicht.
Javi se sveti Petar jednom coveku, kad ovaj beśe
tvrdo zaspao
pa ga povede u raj. Covek dragovoljno pristade i
pogje sa svetim
Petrom. Dugo su lutali po raju i dogjośe do velike i
prostrane a vrlo
lepo uregjene śumice, gde na svakom drvetu gorahu po
nekoliko
kandila. Covek zapita svetoga Petra, śta je ovo
ovde. Sveti Petar
odgovori, da su to kandila, koja gore sve dotlę, dok je
covek żiv a
ćim ne stanę zejtina i kandilo se ugasi,,mora i covek
odmah umreti.
Ovoga to jako zainteresova pa zamoli svetoga Petra, da
ga odvede
do njegovoga kandila. Sveti Petar primi molbu і odvede
ga do kandila
njegove źene a odmah tu beśe і njegovo. Vide covek
da u żeninom
kandilu ima joś mnogo zejtina a u njegovom vrlo mało pa
mu jako
żao beśe, Śto mora skoro umreti i zamoli
svetoga Petra, da joś mało
dospe zejtina u njegovo kandilo. Sveti Petar reće, da to
Bog sipa
zejtin odmah ćim se ko rodi i odredi ko će koliko
ziveti. Coveka
to jako neraspoloźi i vajkaSe se porad kandila.
Sveti Petar mu reće:
,Ostani ti sad tu a ja moram ici dalje, imam joś posła!'
— Covek se
tome obradova pa ćim izmaće sveti Petar poće umakati
prst u źenino
kandilo i istrisati u svoje. Tako je ponovio vise
puta pa ćim sveti
Petar naigje, on se trze i uplaśi te se od toga i
probudi pa vide da
je prst umakao u zeninu pićku a istrisao u svoja usta
liźući. — Erzählt
— Wo steckt sie? Lass sie mich anschauen, ob er sie
gemacht hat?
Das Weib deckte sich auf. Beim Anblick der Voze sagte
er:
— Ich vögle ihm seinen Vater, beim Allah, der hat mir
das Fell
über die Ohren gezogen 1 Von einer solchen Menge
Wolle von zwei
Schafböcken hat er bloß so winzig Wolle draufgetanl (er
meinte damit
die Haare auf der Voze, die wären von der
Schafbockwolle). Und
da schau her, von den Kämmen zweier Hähne brachte er nur
so ein
Bißchen an! (hier zeigte er und meinte er, der Meister
habe in der
Mitte der Voze den Kitzler aus den Hahnenkämmen
angefertigt).
Alsdann steckte er den Finger in die Voze hinein und
roch daran,
als er aber merkte, daß es stinke, so sagte er: Auch
hiemit hat er
mich begaunert! Ich gab ihm zwanzig Kilogramme Salz hin,
damit
er es tüchtig einsalze, der aber mochte nicht gehörig
salzen, so daß
es in Gestank übergegangen ist!
Anmerkung. Diese Schnurre vom Tölpel, den seine junge
Frau
mit ihrem Liebhaber narrt, ist allgemein verbreitet,
doch selten erzählt
man sie mit der Schlußpointe, wie in dieser Fassung.
256
Der Geruchsinn in der Vita sexualis.
von einem Gymnasiallehrer in Belgrad nach der
Mitteilung einer
Bäuerin aus der Gegend von Kragujevac.
Der heilige Petrus erschien einem Manne, als der fest
eingeschlafen
war und führte ihn ins Paradies weg. Von Herzen gern
willigte der
Mann ein und ging mit dem heiligen Petrus. Lange irrten
sie im
Paradies umher und kamen zu einem großen und geräumigen,
dabei
sehr schön in Ordnung gehaltenen Wäldchen, allwo auf
jedem Baume
mehrere Hängelampen brannten. Der Mann fragte den
heiligen Petrus,
was das hier bedeuten solle. Der heilige Petrus
antwortete, das wären
Hängelampen, die nur solange brannten, als da der Mensch
lebe, sowie
jedoch das Öl verschwände und die Hängelampe verlöschte,
müßte
auch der Mensch sofort versterben. Das hat den sehr
interessiert und
er bat den heiligen Petrus, er möge ihn zu seiner
Hängelampe hin-
führen. Der heilige Petrus erhörte die Bitte und
geleitete ihn zur
Hängelampe seines Weibes hin und gleich dabei befand
sich auch die
des Mannes. Der Mann sah, daß in der Hängelampe des
Weibes
noch viel Öl vorhanden sei, in seiner eigenen aber sehr
wenig und
es tat ihm sehr leid, weil er bald sterben müßte und da
bat er den
heiligen Petrus, er möchte noch ein wenig Öl in seine
Hängelampe
zugießen. Der heilige Petrus sagte, Gott schütte da Öl
gleich bei der
Geburt eines Menschen ein und bestimme jedem die
Lebensdauer.
Das versetzte den Mann in trübe Stimmung und er jammerte
neben
der Hängelampe. Der heilige Petrus sprach zu ihm: ,Bleib
du jetzt
da, ich aber muß weiter gehen, ich habe noch zu tun l' —
Der Mann
freute sich dessen und kaum rückte der heilige Petrus
aus der Sehweite,
begann er den Finger in seines Weibes Hängelampe
einzutunken und
in seine das Öl einzutröpfeln. So tat er es mehrmals und
sobald als
der heilige Petrus nahte, fuhr er zusammen, erschrak und
erwachte
davon und da merkte er, daß er den Finger in des Weibes
Voz ein-
getunkt und leckend in seinen Mund den Finger
abgeträufelt habe.
Anmerkung. Nach einer von einem Handwerker in
Sarajevo
erzählten Fassung erwachte der Mann nach einer Ohrfeige
seiner Ehe-
gattin, die er mit dem Herumbohren in ihrer Scham
aufgeweckt Hier
fehlt der heilige Petrus und statt der Hängelampen
brennen Gläser
mit ÖL — Nach einer dritten Fassung, die ich von einem
Schüler aus
Mostar erfahren, zeigt ein ehrwürdiger Greis dem Manne
verschiedene
brennende Kerzen. Seine ist sehr dünn, die des Weibes
riesig dick,
Nun beginnt der Mann, um sein Leben zu verlängern, mit
brennendem
Eifer die dicke Kerze zu belecken. Da kriegt er aber
eine gewaltige
Der Geruchsinn in der Vita sexualis.
257
Watschen. Da si zivotinja, znała sam, ali da si prase
to beli nijesam!
Daß du ein Vieh bist, das wußte ich, doch daß du ein
Ferkel bist,
das wußte ich wahrhaftig nichtI sagte sein Weib zu ihm,
der er im
Schlaf die Voze beleckte.
Die Geschichte ist außerordentlich weit in Europa
verbreitet Bei
den Südslaven zumal bekannt ist die Fassung, daß der
Schatzfinder
in der Wildnis die ihm gezeigte Fundstelle nicht anders
als durch eine
Entleerung zu bezeichnen weiß, um wieder hinzutreffen.
Er betut sich
aber seinem Weibe auf die Scham, oder den Bauch, oder
sonstwohin.
IL Erst schleck.
Eine Person, welche zuvor im Kloster gewesen war,
heiratete.
Als sie mit dem Mann zum erstenmal beieinander im Bett
lag, wollte
der Mann seinen Schwanz gleich zwischen das Vozenhaar in
die Voze
stecken. ,Nicht so,' wehrte die Person, ,erst schleck
mich an den
Dütteln, dann an der Voze/ — Der Mann wollte zuerst
nicht, aber die
Frau sagte: ,du mußt'. Da tat 's der Mann und fand, daß
die Frau
auf die Dütteln und die Voze Streuzucker gemacht hatte.
,Wer hat
dir das gesagt,' fragte der Mann. ,Die Nonnen im
Kloster,' antwortete
die Frau ,denn es ist ein größerer Genuß fur uns
Weiber!'
Anm. Dieses Lecken der Brüste und weiblicher
Schamteile ist eine
anscheinend stets mehr sich ausbreitende Unart des
modernen Sexual-
lebens. Die in Frankreich dienenden Elsässerinnen haben
zum Teil
diese Tollheit in die bäuerlichen Kreise hineingetragen.
Ein großer
Teil der in Frankreich dienenden Mädchen kommt als
uneheliche
Mütter heim. Das Treiben und die Genußsucht der Städter
steckt
die Mädchen an. Es ist nur ein Zufall, daß die Mädchen
all die Per-
versitäten in Frankreich lernen, würden sie in
deutschen, schweizeri-
schen Großstädten dienen, dann stünde die Sache wohl
ebenso. Man
bezeichnet diese Leckerei im Volk mit Minette machen.
Junge
Mädchen werden nach ziemlich glaubwürdigen Angaben
zuerst durch
Minettemachen auf den Weg des Lasters gebracht. Die
Mädchen
etwa vom 12. Jahre ab bekommen Alkohol zu trinken und
werden
dann im Schlaf von Lüstlingen beleckt. Dieser auf die
Geschlecht-
teile ausgeübte Reiz bringt die Mädchen mit
Notwendigkeit zum Ona-
nismus und liefert den Bordellen neue Ware. Bei dem
gesetzlich leider
sowenig einheitlich geregelten Ziehkinderwesen darf man
sich gar nicht
wundern, wenn selbst Säuglinge in wahrhaft teufelischer
Weise für das
Lasterleben dienstbar gemacht werden. Geile Ammen lassen
sich von
Krauss, Anthropophyteia IV. \y
258
Der Geruchsinn in der Vita sexualis,
den armen Würmchen die Klitoris bepullen, gegen
Bezahlung wird
dieser „Genuß" auch anderen Tieren in Menschengestalt
gewährt und
auf diese Weise der Säugling einem sicheren Hungertod
zugeführt
Wer kann all die Scheußlichkeiten der Engelmacherinnen
ermessen?
— Ein Beispiel noch von der Art des Minette. In einem
kleinen
Vogesenorte erkrankte eine ganze Anzahl von Burschen an
Lippen-
geschwüren. Der herbeigeholte Arzt erkannte sofort den
venerischen
Charakter dieser Pusteln. Auf eingehendes Befragen gaben
die Burschen
an, den Wünschen eines in Nancy dienenden Mädchens, das
zur
Kirchweihfest (Messti) hingekommen war, willfahrt zu
haben. Das
Mädchen hatte sich nach dem Tanz mit einigen Burschen in
eine
Scheune begeben. Dort zog das Mädel alle Kleidungstücke
aus, ließ
dann einen um den andern Burchen auf eine Bank liegen
und stellte
sich dann so über den Burschen, daß die Oberschenkel den
Hals des
Burschen umschlossen. Die Burschen küßten nun die
Geschlechtteile
der Person und preßten gleichzeitig mit den nach oben
erhobenen
Händen die Brüste der geilen Person. Die zuschauenden
Burschen
zählten taktmäßig die Zeit bis Erektion und dann
Ejaculation eintraten
und verglichen diese gegenseitig. Der tolle Vorgang
spielte sich im
heißen Sommer ab und war nach Angaben der Burschen von
auf-
regendster Art Daß die Zeche dieser seltsamen
Unterhaltung nicht
so glatt verlief, erfuhren die Leutchen am eigenen
Fleisch, da die tolle
Weibsperson Spuren einer venerischen Krankheit aufwies.
Aus dem Breuschtal im Elsaß. F. Wernert
12. Minette.
An das „Minette machen" schließt sich, beziehungweise
geht ihm
voraus ein Gelüst von Erotomanen, welches der Franzose
„boire la
tosée" nennt
Man begreift darunter zweierlei: a) das mit leisen
Saugbewegungen
ausgeführte Ziehen an der weiblichen Brustwarze, b) das
Ablecken
der Harntropfen, welche an den Schamhaaren des harnenden
weiblichen
Individuum hängen bleiben.
Namentlich sollen blonde und rothaarige — also
lichtfarbige
Weiber — von der Gruppe dieser Erotomanen unter denen
sich auch
solche weiblichen Geschlechtes befinden, fur diese
„Genüsse" ge-
sucht sein.
Manches blonde Mädchen aus dem Elsaß, welches in
Frankreich
diente, kann von derartigen Dingen Mitteilung machen.
Der Nach-
Der Geruchsinn in der Vita sexualis.
259
ahmungtrieb bringt solche sexuelle Nova auch in
bäuerliche und länd-
liche Arbeiterkreise. Viel verbreitet ist in den Dörfern
die Unart, daß
Burschen mit Zeige- oder Mittelfinger einem Mädchen über
die Brüste
fahren und dabei die Worte sprechen: Derf ich e bissei
Räuhm
schlecke (darf ich ein bissei Rahm schlecken).
Nicht verwechseln darf man mit dem Minette und boire
la rosée
das zur Sättigung des Geschlechtgefühles hie und da
beliebte Küssen
und belecken der Teile zwischen Anus und Vagina.
Äußerungen von
Bauernburschen sowie unauffällige Rückfragen haben mir
eine Gewiß-
heit verschafft, daß solche Lieberauschhandlungen nicht
unbekannt
sind. In welchem Umfang sie erfolgen, ließ sich bei dem
heiklen
Thema natürlich noch nicht abschließend eruieren. Es
gibt da fur
den Forscher, dem namentlich Mediziner zu Hülfe kommen
können,
noch unendlich viele Fragen; ich deute nur noch an die
manchmal
beobachtete Steigerung der Geschlechtlust des Mannes,
wenn das
weibliche Individuum mit seiner Scham sich über das
Genick des flach
liegenden Mannes setzt usw. Dinge, die man im Gespräch
mit Bauern-
burschen hört, die aber eingehend untersucht und geprüft
sein wollen.
Ein einzelner Mann vermag da kaum viel auszurichten;
Erfolg verspricht
die Forschung erst, wenn viele Mitarbeiter dasselbe
Gebiet bearbeiten.
Aus dem Breuschtal im Elsaß. F. Wernert.
13. Żena porodiya i gaće rtfenog muza,
Mućila se źena pri porogjaju pa ugledala gaće njenog
muza i
vikne babici: Jao, ukłoni ono (pokazujući na gaće) da ne
gledam!'
hoteći time da każe, da je kurac njenog coveka kriv śto
se ona ovoliko
mući pa i gaće, koje su kurac skrivale. Babica skłoni
brzo gaće
u kraj.
Kad se pośle porodila i mało odmorila, ona će reći
babici: ,Daj
mi one muzevlje gaće, da ih metnem pod glavu, jer volim
da ih mi-
riśeml — Mitgeteilt von einem Landmann aus Temnić in
Serbien.
Die Gebärende und ihres Ehemannes Leinenhosen.
Ein Weib plagte sich beim Gebären ab, erblickte dabei
ihres
Ehemannes Leinenhosen und rief der Hebamme zu: ,0
weh, entferne
jenes (auf die Leinenhosen weisend), damit ich es nicht
anschaue!'
Sie wollte damit nur sagen, an ihrer großen Plage wäre
nur ihres
Mannes Zumpt und die Leinenhosen auch schuld, die den
Zumpt
verbargen. Die Hebamme beseitigte rasch die Leinenhosen
in den
Winkel.
17.
2бо ^rotîk beim Haberfeldtreiben in
Oberbayern.
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
Von Georg Qu er і in München.
Die Leser dieser Jahrbücher werden im Allgemeinen
über die
oberbayrische Sitte des Haberfeldtreibens unterrichtet
sein. Ich
möchte indessen gleich Eingangs die Feststellung der
Konversation-
lexika korrigieren, daß diese Volksjustiz „namentlich
bei Geiz, Wucher
und Betrug und gegen Feldmarkfrevler" zur Anwendung kam;
das
wird nur durch außerordentlich wenig Fälle belegt. Die
Haupt-
momente, die das Einschreiten des bäuerlichen
Rügegerichtes be-
dingten, sind Ehebruch und sexuelle Verirrungen
überhaupt,
denen man mit einem seltsam zähen Spürsinn
nachzuforschen pflegte.
Die Tendenz der Haberfeldtreiber war die, Laster und
Ver-
brechen aufzudecken, die durch die sanktionierte Justiz
nicht bestraft
werden konnten oder wollten. Andreas Niedermair von
Maxlrain
bei Aibling, der in den Jahren 1862 bis 1864 als
Haberermeister
des Flachlandes fungierte, erklärte mir das kurz und
bündig so:
„Wo der Pfarrer und das Gericht einen Mantel
drüberschmeißt, da
gehn wir los," Allerdings fehlten diesem Losgehen
zumeist die Vor-
bedingungen der klaren Beurteilung der Fälle, der
Erkennung von
Wert und Unwert der Anklagen und der Kritik der
Ankläger. So
mußte die streng prüfende Bauernfehme vor anno dazumal
in pöbel-
hafte Veranstaltungen ausarten, deren Kern wohl der sein
mochte,
dem Laster gröbste Predigten zu halten, deren
vernachlässigte Form
indessen Neidern und hämischen Menschen Intriguen
gestattete, die
den Betroffenen geächtet machten und auch in seinem
Erwerb ge-
fährden konnten. Auch war man von den ehedem
grundsätzlichen
Bedingungen abgekommen, nur solche Leute zu den Treiben
zuzu-
lassen, die im Urbezirk des Brauches erzogen und als
tadellose
Nachdem die Frau niedergekommen war und sich ein
wenig erholt
hatte, bemerkte sie zur Hebamme: ,Geh, gib mir mal des
Mannes
Leinenhosen her, damit ich sie unter den Kopf lege, denn
ich habe
es gern, daran zu riechen/
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern. 261
Charaktere durch Bürgen bezeichnet waren. So mußten
mehr und
mehr die Mitläufer, die radaulustige Rotte, im Heer der
Haberer zur
Geltung kommen und das Gewichtigte, Ernstvolle und
Ansehnliche
der Bauernfehme untergraben.
Und so mußte ein Volksbrauch von unerhörter
Langlebigkeit
durch Selbstzerstörung seinem Ende zugehen, das die
sanktionierte
Justiz so oft verlangt und so oft verfugt hatte — auf
dem Papier
freilich. Es kommt in den Gerich takten vor, daß Herzog
AI brecht
von Bayern im Jahre 1365 die von seinem Vorgänger
bereits ver-
fugte — aber eben wieder nur verfugte — Aufhebung des
bäuer-
lichen Rügegerichtes bestätigt. „Diese Rügegerichte",
schreibt Wi-
guläus Hundius im Bayrischen Stammbuch, „seynd
Inquisitiones
gewesen, allenthalben im Land jährlich gehalten, und die
Leute auf
anderer Mißhandlung heimlich inquirieret worden, daraus
große Feind-
schaft und Unrath erfolgt, derhalb von Hertzog
Albrechten von
Bayern gäntzlich aufgebebt".
Der „gänzlich aufgehobene" Brauch bestand indessen
munter
fort; gleichwohl werden erst zu Anfang des 19.
Jahrhunderts wieder
Verfügungen gegen das Haberfeldtreiben erlassen, indem
Gemeinden,
nicht Persönlichkeiten, für jeden Fall mit 50 Fl.
Geldstrafe belegt
werden. Diese Rechtsprechung wurde indessen von höchster
Stelle
nicht gerne gehört: König Ludwig I. erließ durch
Reskript vom
17. April 1833 einer verurteilten Gemeinde die Strafe in
Gnaden
mit der Verfügung, „daß künftighin eine Einschreitung
gegen die
alte Sitte des Haberfeldtreibens nur insofern
stattzufinden hat, als
solches im Interresse der öffentlichen Ordnung absolut
nötig ist".
Im Jahre 1848 indessen schienen die Haberer sich dadurch
mißliebig
gemacht zu haben, daß sie der besonders geizigen alten
Kurfurstin
Elisabeth von Österreich im Schlosse Brannenburg
haberten (nach
Prof. Sepp); 1849 wurde dann bereits Militär gegen die
Haberer
requiriert und von nun an wurden Mitglieder des Bundes —
soweit
man sie ergreifen konnte — mit Gefängnisstrafen belegt.
Diese Ur-
teile wurden im Lauf der Zeit umso härter, je weniger
der Haberer-
bund sich vor der Justiz beugte; bis zu Ende des 19.
Jahrhunderts
(1898) wurden dann Strafen ausgesprochen, die die
habernden Bauern
geradezu mit dem finanziellen Ruin bedrohten. Wenn auch
8, 9 und
mehr Jahre Gefängnis den Bauern nicht aufrieben, so
vernichteten
doch die Vollstreckungkosten und die Abwesenheit des
Hofherren
den Besitz. — Die Haberer waren eingeschüchtert.
Die Kirche war schon früher gegen die Haberer
aufgetreten: 1828
2Ó2
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
erließ das Münchener Episkopat einen Hirtenbrief
gegen das Haber-
feldtreiben, 1834 einen zweiten, 1863 einen dritten und
zugleich den
größeren Kirchenbann gegen die Haberer. An dreißig Jahre
vermochte der Bannstrahl die Haberfeldtreiben zu
unterbrechen;
aber als eine neue Generation ans Ruder getreten war und
ein
Tölzer Pater sich bereit erklärte, den exkommunizierten
Haberern
im Beichtstuhl Sünde und Strafe zu erlassen — da
begannen die
Treiben in nie gekanntem Umfang wieder, um schließlich
wieder ein-
gestellt zu werden, als die Gerichte mit grausamen
Strafen vorgingen.
* *
Es steht mir hier nicht der Platz zur Verfügung, um
die Geschichte
der Haberfeldtreiben ausfuhrlich zu geben. Sie ist
romantisch, schier
romanhaft; sie spielt auch eine Rolle in
Kriegzeitläuften, wie sie in
die Geschichte des oberbayrischen Klerus eingreift; sie
ist maßgebend
fur die Entwicklung der Gerichtpflege der Landbezirke.
Ich werde
den richtigen Stoff, den ich im Laufe vieler Jahre teils
in den Ort-
schaften des Habererbezirkes, teils in Archiven
gesammelt habe, aus-
fuhrlich in einem Privatdruck behandeln, der im Herbst
1907 er-
scheinen wird.1)
Hier, in den Spalten der Anthropophyteia, sei das
Hauptgewicht
auf folkloristische Momente gelegt in der Voraussetzung,
daß der
ungefähre Hergang der nächtlichen Rügegerichte bekannt
ist. Die
Treiben begannen zumeist um Mitternacht mit einem
fürchterlichen
Radau, in dem neben allen erdenklichen Lärminstrumenten
Schieß-
waffen die Hauptrolle spielten; dann trat Ruhe ein und
der Rügmeister
verlas — zumeist auf öffentlichem Platze — die Rügverse
mit län-
gerer Einleitung. Nach jedem einzelnen Verse frug der
Meister:
„Ist 's wahr oder not?"
,,Wahr is 's!" schrieen die Haberer.
Alsdann treibt 's zual"
Und der grauenhafte Lärm wiederholte sich.
Ich gebe nachstehend die Protokolle von fünf Treiben
aus der
Zeit des letzten Wiederaufblühens des Bundes, also nach
der Pause,
die der erzbischöfliche Bann bewirkt hatte. Die Verse
werden die
Natur der Bauern des oberbayrischen Vorgebirges in
wesentlich an-
1) Das Haberfeldtrciben. Bauernfehme und Bauernerotik
in Oberbayern.
20—25 Bogen. Gr. 8ft. Mit Illustr.,
Faksimiles usw. Preis ca. 20 Mark. Sub-
skription durch Dr. H. Lüneburgs Sortiment (Gais),
München, Karlstraße 4.
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
263
derer Beleuchtung zeigen als die leider anscheinend
systematische
Schilderungart jener Hochflut von Romanen, die gerade
die Bauern
des Isarwinkels behandeln. Und was die oberbayrische
Volksdichtung
anbelangt: mögen Stieler, Kobell und Anzinger immerhin
Kinder
dieses Volkstammes sein — ihre Dialektdichtungen
entbehren zu sehr
aller Derbheit, die für das Schnaderhüpferl typisch ist.
Sie schalten
die Erotik aus und schwelgen in süßlichen Stimmungen, so
sehr
auch das Erotische oder besser das derb Erotische im
Volksgeschmacke
liegt. Vielleicht ist ja auch die Erotik im Sinne aller
Staatsanwälte
aus der Literatur zu verbannen und vielleicht liegt die
volkstümliche
Derbheit nicht im Geschmacke des heutigen Publikums von
Verse-
lesern. Und dann: es herrscht in Bayern immer noch die
Sitte vor,
die volkstümlichen Literaten — ich nenne als letzten
Maximilian
Schmid mit seinen unglaublich unechten volkstümlichen
Romanen
— zu Hofräten zu ernennen. Es ist also in Bayern
wesentlich vor-
teilhafter, das Volk so abzuzeichnen, wie es nicht ist.
Wie es aber ist — in seiner derben
Richterherrlichkeit über
sexuelle Moral — das mögen die folgenden
Haberfeldtreiben an-
zeigen. Ich habe die ursprüngliche rein phonetische
Aufschreibung der
Texte belassen — im Interesse der Dialektforschung; es
erwuchs
indessen daraus mehrmals die Notwendigkeit, vollständige
Über-
setzungen beizufügen, schon aus der Erfahrung, daß
Übersetzungen
aus dem Oberbayrischen dem nicht ganz Geschulten sehr
schwierig
sind und daß Pani zza z. В. in seinem Werkchen über
Haberfeld-
treiben u. a. folgende Übersetzung sich leistete :
„Hast d' Ehhalt'n b'schiss'n um an Lau'n alter Lump"
Hast wegen einer Laune die Ehe gebrochen . . .
Statt: Hast die Dienstboten um Lohn beschissen . . .
Treiben im Egmating
vom 12. zum 13. September 1892.
I.
Gon äschtn köma glei iban D.-Würth, iba den
ehebröcharischen Mo,
Weira bei seina Dachta s Kindamacha gar so guot ko.
Das duat aiwai de Handlungsreisendn sakrisch
vodrüassn,
Weijs für den Huanschtingl an Kindsvotan macha
müassn.
An sölan Votan soi ma as Zuchdhaus bringa.
Na kunda stod seina Tachta an Scheißkübi springa.
2óą
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
(Zum ersten kommen wir gleich über'n D.-Wirt, über
den ehebrecherischen Mann,
weil er bei seiner Tochter das Kindermachen gar so
gut kann.
Das tut alleweil die Handlungreisenden sakrisch
verdrießen,
weil sie für Hurenstingel den Kindsvater machen
müssen.
Einen solchen Vater soll man in's Zuchthaus, bringen,
dann könnt* er statt seiner Tochter den Scheißkübel
springen.)
2.
Na köma glei as Bräuhaus gon Blembi fabrikand iba den
Hund
I glaab it datma in an Zuchdhaus die an schlechdan
Fagabuntn fina kund.
Dä Spizbua ko leichd rächt brozn und seina Kinda kina
leichd schtudian,
Ä duat ja nix ois da Laid as Sach ostain und sei
Herschafd ofian.
A Gsiff machda scho aso a schlachte zon voröka,
Da braugst grod a Hoiwi z trinka na braugst koan
Abadeka,
Was des füra Schwindla is, des muas d Herschafd
dafrong
Damit das do den Lumba amoi ban Loch aussajong.
(Dann kommen wir gleich in's Bräuhaus zum
Plempelfabrikanten, über diesen Hund ;
ich glaub' nicht, daß man in einem Zuchthaus drinnen
einen schlechteren Vaga-
bunden finden könnt'
der Spitzbub' kann leicht recht protzen und seine
Kinder können leicht studieren,
er tut ja nichts als den Leuten das Sach abstehlen
und seine Herrschaft anführen.
Ein Gesüff macht er schon ein so schlechtes zum
Verrecken,
da brauchst du gerade (nur) eine Halbe zu trinken,
dann brauchst du keinen Apo-
theker (kein Abführmittel).
Was der für ein Schwindler ist, das muß die
Herrschaft erfragen,
damit daß sie doch den Lumpen einmal beim Loch
hinausjagen.)
з-
A da R. liegt an Kins Umbringä ganz wöni dro,
Derä Matz ko ada Schlächtikeit gor niama mer o,
Jatz san eham de Morddatn afs Gwisn köma,
Drum hotsi lossn an dritn Ordn afnöma.
Aba zweng dorn duats sei Huararei noit bschliaßn,
Weils d Handwärgburschn oiwai vögln müassn.
Vo da M. wissat ma a netö Brockä,
Dära muaß da Sch. oiwai af seina Britschn oma hockä.
(Auch der R. liegt am Kindumbringen ganz wenig dran,
dieser Metze kann an der Schlechtigkeit gar niemand mehr
an;
jetzt sind ihr die Mordtaten aufs Gewissen gekommen,
drum hat sie sich lassen in den 3. Orden aufnehmen.
Aber deswegen tut sie ihre Hurerei noch nicht
beschließen,
weil sie die Handwerkburschen immer vögeln müssen.
Von der M. wüßten wir auch nette Brocken,
der muß der Sch. allerweil auf ihre Voze oben hocken.)
4-
Jatz köma von R. H. a por Stükln, [din finna.
Den Huanstingl ko ma de ganz Wocha ba den 13 Jahr
oite G.-Deandl ada Kama
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern
265
Dä Huanstingl hot des Deandel gvögld des wor a Graus,
Drum homs an Doktä ghoit as Haus.
Dä Doktä sagt glei
Do isa rächda Huanstingl gläng dabei.
Dä Huanstingl wan bremüat wä des wä a Schand,
Den kundma brauchä ois Bschaihengs am Land.
Jetzt kommen von R. G. ein paar Stückel,
den Hurenstingel kann man die ganze Woche bei dem 13
Jahr alten D. Dirnd
in der Kammer drinnen finden;
der Hurenstingel hat dieses Dirndl gevögelt, das war ein
Graus,
drum haben sie den Doktor geholt in's Haus.
Der Doktor sagt gleich:
(,Da ist ein richtiger Hurenstingl gelegen dabei I
Der Hurenstingl wenn prämiiert war', das war eine
Schand',
den könnte man brauchen als Beschälhengst am Land/')
5-
Jatz kirnt ä ganz schlächdä Kral des is da B.,
Wejra sein Sau rehama ba den 14 Johr oita Sch. Deandl
oiwai ad Fut eihö stockt.
Dea Ehbröchä hot gmoat, ea däfs Deandl gnuo ofieren,
Dö Pframinga wäns Kind scho afziang.
As Brod machda seitdeam a hibsch kloa,
Ä moat ä ko na daro s Kindergehid afd Seitn doa.
Dä H. wart a 3 Tog
Bis d Höwamin sei Wei richdi ausglart hot.
(Jetzt kommt ein ganz schlechter Kerl (an die Reihe),
das ist der B.,
weil er seinen Sauriemen bei dem 14 Jahr alten
Sch.-Dirndl alleweil in die Voze
hineinsteckt.
Der Ehebrecher hat gemeint, er darf das Dirndl genug
anführen,
die Pframinger werden das Kind aufziehen.
Das Brot macht er seitdem auch hübsch klein,
er meint, er kann dann davon das Kindergeld auf die
Seite tun, —
Der G. wartet auch (nur) 3 Tage (mit dem Coitus),
bis die Hebamme sein Weib richtig ausgeleert hat.)
6.
An B. sei Wei des is de Schöna vode Gmoha,
Derä Ehbröcharen kos sei Mo a njma gnua doa,
Koan Handwärgburschn lost si a net aus,
Sie sogt si braucht oiwai schtehadi Mitl an Haus.
Und d W. R. dea Schlambn
Hot oi Aumblig vo de Jaga a groußi Wambn,
D Huararei däfs boid bschliasn
Wei oiwei andani Voda macha müasn.
Und da M. wo Stocka
Mäckt a oiwai auf derä sein Bach omat hocka.
266 Erotik beim Hąberfeldtreiben in Oberbayem.
(Des B. (sein) Weib, das ist die schönere von der
Gemeinde,
dieser Ehebrecherin kann es sein Mann auch nimmer genug
tun;
+
keinen Handwerkburschen läßt sie auch nicht aus,
sie sagt: sie braucht immer stehende Mittel im Haus.
—
Und die W. R., diese Schlampe,
hat alle Augenblick von den Jägern eine große Wampe
(Bauch);
die Hurerei darf sie bald beschließen,
weil alleweil andere Vater machen müssen.
Und der M. Stocken
möcht* auch alleweil auf ihrem Bauch oben hocken.)
Ь
An oitn W. vo Pframing müasma a no mitnöhma,
Wejra duat a no üwa Diana köma,
Dea oit Huanbog is scho ofi an Stohi foihi krocha
Und hot mit sein Huanschwanz de Dian d Löcha rächt
vastocha.
Amoi hot den Ehbröcha do sei Wei datapt
Wira sein Sauschwoaf in da Dian sein Loch hot Dina
ghabt.
Ea häd a so no a rächds Wei dea Stia
Und vögeld no oiwai astugara drei a via.
(Den alten W, von Pframing müssen wir auch noch
mitnehmen,
weil er tut auch noch über die Dirnen kommen;
der alte Hurenbock ist schon oft in den Stall vor
gekrochen
und hat mit seinem Hurenschwanz den Dirnen die Löcher
recht verstochen.
Einmal hat den Ehebrecher doch sein Weib ertappt,
wie er seinen Sauschweif in der Dirn' seinen Loch hat
drinnen gehabt.
Er hätt' so noch ein richtiges Weib, der Stier,
und vögelt noch alleweil der Stücke (ein Stück ihrer)
drei ein vier.)
8.
Jatz kimb da H. vo Emating bei den Ehbröcha hots
oiahand Gwindn,
Ea vöglt sei L. va forn und da G. E. an H. vo hindn.
Und füa dasa stad ist gwön
Hota eham a Kaibi Kuha göm.
Zweng an steh'en homa a no wos z song
Des koni eng song des is a schlächda Mo,
Dea pakt d Laid midn afda Straße o.
Dea Raba hot do gor koa Gwisn,
Dea hot an B. H. hoibat daschlong und an Gehid Beudl
von Sock aussa grissn.
Füa d H. homa a no wos hindn
Ba dea koma Gsöhin Tog und Nocht af sein Loch omat
findn.
(Jetzt kommt der H. von Egmating; bei diesem
Ehebrecher hat's allerhand Gewinden,
er vögelt seine L. von vorne und der H. E. den H. von
hinten.
Und dafür, daß er verschwiegen ist gewesen,
hat er ihm eine Kälberkuh gegeben.
Wegen des Stehlens haben wir auch noch was zu sagen:
das kann ich Euch sagen, das ist ein schlechter Mann,
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
267
der packt die Leut' mitten auf der Straßen an.
Der Räuber hat doch gar kein Gewissen,
der hat den B. H. halb erschlagen und den Geldbeutel
(ihm) vom Sack heraus-
gerissen.
Für die H. haben wir auch noch was hinten,
bei der kann man die Gesellen Tag und Nacht auf ihrem
Loch oben finden.)
9-
Dä B. vo Emating is a rächd a gscheida Mo,
Af 6 Meinoad kimbs eham noit draf o.
AI sei Tachda is ea oiwai afgsprunga,
Jatz is Hansin vo B. worn, jatz is si eham do no
austruna.
Da Schadarm A. dea hotn rächd gean,
Dea wan in Glam no da wä na müasta ban В.
Fleischbschaua wän.
An B. seini Buam wän so schlächd ois wia eha Schwesta
Resl,
Awa da Deifö dea gibt ehama do no an Sässl.
Dä B. hod gmoat ea häd richtigi Buam afzong
Dawej is dalong.
(Der B. von Egmating ist ein recht gescheidter Mann,
auf 6 Meineid kommt's ihm noch nicht (drauf) an;
auf seine Tochter ist er alleweil aufgesprungen,
jetzt ist sie Hansenbäuerin von Berg geworden, jetzt
ist sie ihm doch noch entronnen.
Der Gensdarm A., der hat ihn gern,
der wenn in Glam noch war', dann müßt' er beim B.
Fleischbeschauer werden.
(Er setzte ihm Hörner auf.)
Dem B. seine Buben wär'n so schlecht wie ihre Schwester
Resl,
aber der Teufel gibt ihnen doch noch einen Sessel (in
der Hölle).
Der B. hat gemeint, er hätt' richtige Buben aufgezogen,
derweilen ist's erlogen.)
IO.
Jatz kimb da H. zo den müasma a no abi schrein,
Dea soit ba da Musi Mari seina Britschn amoi din
henga bleim.
Den hot a amoi oana datapt
Wiara sein Schwanabartl ba da B. vo Egmating ada
Kachei din hot ghobt.
D M. voacht den oitn Sch. it schlächd,
Se sog dea mechd a no oiwei vögln und ko njma rächd.
(Jetzt kommt der H., zu dem müssen wir auch noch
hinabschreien,
der sollte bei der Musikantenmarie ihrer Britschen
drinnen hängen bleiben.
Den hat auf einmal einer ertappt,
wie er seinen Schwanenbarthel bei der B, von E. in
der Kachel drinnen hat gehabt.
Die M. fürchtet den alten Sch. nicht schlecht,
Sie sagt, er möcht' auch noch alleweil vögeln und
kann nimmer recht.)
II,
Gon Pfara müasma a no oihi schrein
Go den köma no amoi extri zon Hobafehitreim.
2б8
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
Dea Keal is neidiga ois weihra Hund
Weijra dö arma Baualaid an Kirta d Muhsi as Bier unds
Fleisch it vogund.
Er moat d Laid soitn eham d Sachn göm und an Kirta
obringa
Das sei Wambn no gröaßa wur, na kunda sei Köchin a
njma springa.
(Zum Pfarrer müssen wir auch noch hinschreien,
zu dem kommen wir noch einmal extra zum
Haberfeldtreiben.
Der Kerl ist neidiger als wie ein Hund,
weil er den armen Bauernleuten die Kirchweih, die
Musik, das Bier und das Fleisch
nicht vergönnt.
Er meint, die Leut' sollten ihm die Sachen geben und
die Kirchweih abbringen,
daß seine Wampe noch größer würde, dann könnte er seine
Köchin auch nicht
mehr (be-) springen.)
Treiben zu Harthausen
vom 20. zum 20. November 1892.
I.
Gon äschtn wäds mitn H. vo H. prowiat,
Weira mit sein Paradiesbaam oiwai sei Dachta
krischtiat.
Dea Ehbröcha is a rächd schlächda Hund,
Ea liegt oivai ba da Dachta an Bed din wajas koan
junga Burschn vogunnt.
An sölan Bluatschända und Sau Stia soitma schnein wiaran
Hund
Dos wa ejahm gsund.
(Zum ersten wird's mit dem H. von H. probiert,
weil er mit seinem Paradiesbaum alleweil seine
Tochter klystiert.
Dieser Ehebrecher ist ein recht schlechter Hund,
Er liegt alleweil bei der Tochter im Bett drin, weil
er sie keinem jungen Burschen
vergönnt
Einen solchen Blutschänder und Saustier sollte man
schneiden wie einen Hund,
Das war' ihm gesund!)
2.
Da K. vo H. is a ehebröcharischa Mo,
Weira füa sein Suh s Kindamacha gor so guat ko.
Dea ganz schlächd Huanstïngl häd a so scho dö sei
Und do schleichta sö füarn Suh boi da Dian ada Kama
ei.
Zwöngan Stehin hädma ejahm a no was z song,
Dea Ehbröcha und Spitzbua duatsö ganz leicht,
Weira koa Hoi und koan Deifö it scheicht.
(Der K. von H. ist ein ehebrecherischer Mann,
weil er für seinen Sohn das Kindermachen gar so gut
kann.
Der ganz schlechte Hurenstingel hätt' ohnedies schon
die Seinige,
und doch schleicht er sich für den Sohn bei der Dirn
in der Kammer ein.
Wegen des Stehlens hätten wir ihm auch noch was zu
sagen;
dieser Ehebrecher und Spitzbube tut sich ganz leicht,
weil er keine Hölle und keinen Teufel nicht scheut.)
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern
269
3-
A rächta Huanstingl is a scho da N. von dem heat ma a
netto Stickin,
Den koma dö ganz Wocha ba sein Basi afda Britscha oma
fina.
Mit dera Sach wara stad mit dem müasma lacha,
Ea denkt ejahm ea ko d Hewamin sehiba macha.
Aba dawej köman Zwilling do hat ejahm freîli graust
Nacha is a um d Hewamin gsaust.
(Ein rechter Hurenstingl ist auch schon der N., von
dem hört man auch nette
Stücke,
den kann man die ganze Woche bei seinem Bäschen auf
der Voze oben finden.
Mit dieser Sache war er verschwiegen, mit dem müssen wir
lachen,
er denkt (ihm) sich, er kann die Hebamme selber machen.
Aber derweilen kommen Zwillinge, da hat ihm freilich
gegraut,
nachher ist er um die Hebamme gesaust.)
4.
Jatz köma von B. a netto Brocka,
Weira ba sein Wei a niema ko aufhocka.
Drum is sei Wei gar a so betrüab
Weis füas Mausn Brigl kriag.
Dea Huanstingl soisi früha bössa ham ghoitn
Na kunta sei Wei jotz a no dahoitn.
(Jetzt kommen vom B. auch nette Brocken,
weil er bei seinem Weib auch nimmer kann aufhocken.
Drum ist sein Weib gar so betrübt,
weil sie für's Vögeln Prügel kriegt.
Der Hurenstingl sollte sich früher besser haben
gehalten,
dann könnt' er sein Weib jetzt auch noch erhalten.)
5-
An Sch. und sein Suh Heinrich ko an Schtehin koana o
Soamoi schtehins ban Mair z Aing a Kuha sandamai
packas z Bayrn an Kircharab o
Da Heinrich is a rächt schlächda Huanstingl
Dea hot mit seina Schwösta scho oihand prowiat
Und hots mit sein Sauschwoaf a scho oft grischdiat.
Da Heinrich ho scho efta as Zuchdhaus müasn,
Da koas füa den oidn Raba an Scheißkiwi brav büaßn.
(Dem Sch. und seinem Sohn Heinrich kann im Stehlen
keiner an,
das eine Mal stehlen sie beim Mair zu Aying eine Kuh,
das andermal packen sie
zu (Strigers-)beuren einen Kirchenraub an.
Der Heinrich ist ein recht schlechter Hurenstingel,
der hat mit seiner Schwester schon allerhand probiert
und hat sie mit seinem Sauschweif auch schon öfter
klystiert.
Der Heinrich hat schon öfter in's Zuchthaus müssen,
da kann er's für den alten Räuber am Scheißkübel
(-tragen) brav büßen.)
ч
6.
An Buagamoaschta vo Gr. däfma a it vogößn,
Dea hot da Dian vonuma a Hemad ogmößn.
Koa Weibätz sogta hota no nia koani gschiecha,
Und hotzi schö schtad ban Diandl untas Pfoad
eihögschlicha.
Dea scheitzmi hot mi seina Dachda oiahand prowiat,
Und amoi haman gsähgn do ho tas glei a pormoi
nochananda grischtiat.
(Den Bürgermeister von Gr. dürfen wir auch nicht
vergessen,
der hat der Dirn vornüber ein Hemd angemessen.
„Kein Weib(liches)," sagt er, „hat er noch nie keine
gescheut",
und hat sich schön still beim Dirndl unter's Hemd
hineingeschlichen.
Der, scheint mir, hat mit seiner Tochter allerhand
probiert,
und einmal haben wir ihn gesehn, da hat er sie gleich
ein paarmal klystiert.)
7.
Jatz kimb da G. vo Gr. dea Ehbröcha,
Dea Huanstingi is a it rächt sauwa,
Da ligt a oiwai ba da Dian a sein Gschtauda.
Grod foitz marei, den homa a scho oft geschbant
Boia Dian fügt nacha geita ia oiwai zäscht no d
Zwirnknöiai ei d Hand.
Koan söln Huanstingi muaß a njma göm
Ela hot Dian gvögld und sei äschts Wei is an Todnbeet
glöng.
(Jetzt kommt der H. von Gr., dieser Ehebrecher,
Der Hurenstingl is auch nicht recht sauber,
der liegt auch alleweil bei der Dirn in ihrem Gestade
(Bett).
Gerade fällt mir's ein, den haben wir auch schon oft
bemerkt:
Wenn er die Dirn flickt, dann gibt er ihr alleweil
zuerst die Zwirnknöllchen (Hoden)
in die Hand.
Keinen solchen Hurenstingl muß es auch nimmer geben:
.
er hat die Dirn gevögelt und sein erstes Weib ist am
Totenbett gelegen.)
8.
An M. vo W. den Huanstingi müasma a no mitnöhma,
Wejra z H. üba a njads Weibätz duat köma.
Af d M, und sei Diandl hat asö a scha oft afi traut
Und vo da H. Kathl dera Betschwesta horn Knia no
oiwai üban M, aussagschaut.
Dö Betschwesta moat ba ia is net Sünd
Wei ia da M. oiwai 20 March gib und sis füra neus
Kreuz setzn losn heanimb.
(Den M. von W., den Hurenstingl müssen wir auch noch
mitnehmen,
weil er zu H. über ein jedes Weib(liches) tut kommen.
Auf die M. und ihr Dirndl hat er sich auch schon oft
hinaufgetraut
Und von der H. Kathl, dieser Betschwester, haben die
Knie noch immer über den
M. hinausgeschaut.
Die Betschwester meint, bei ihr ist's nicht Sünde,
weil ihr der M. alleweil 20 Mark gibt und sie es für
ein neues Kreuz setzen lassen
hernimmt.)
Zum Schlüsse ein dreifaches „Gut Heill" auf den
Prinzregenten.
270 Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
271
Treiben in der Valley
in der Nacht vom 16. zum 17. September 1897.
Ös hot woi oiwei ghoaßn dasma ihns it ad Valley zuawj
dan wong,
Aba jatz sama do scho do dasma eng d Worat song.
Den des lost si da Kaisa Karl it gfoin
Was do glumbt wäd vo de Ehbrecha Spizbuam und
Schnoin.
Mir hom de Laid scho efta afgfodat si soin si bekean,
Awa des ams it do, drum müassmas heid effentli hean.
D Schadarm und höhn Hean warn ihns do garit z schlauch,
Und akema lasman äscht rächd it den tausandjäringa
Brauch.
D Schadarm müsma a no warna das it zuahj dan schiassn,
Sischt kundn leicht an ötli ad Ewikeit müassn,
Denn mir ham a guidi Bixn Puiva und Blei und san
dabei sichane Schützn.
So Laid jatz hobts no kloani Geduhid mia san no guat ada
Zeit,
Na wämas glei sehgn was fürj Schbitzbuam und Huanstingl
das geit.
(Er hat wohl alleweil geheißen, daß wir uns nicht
nach der Valley zu täten wagen,
aber jetzt sind wir doch schon da, daß wir Euch die
Wahrheit sagen.
Denn das läßt sich der Kaiser Karl nicht gefallen,
was da gelumpt wird von den Ehebrechern, Spitzbuben
und -Schnallen (Huren);
wir haben die Leute schon öfter aufgefordert, sie sollen
sich bekehren,
aber das haben sie nicht getan, drum müssen wir's heute
öffentlich hören.
Die Gensdarmen und hohen Herren wären uns doch gar nicht
zu schlau
und abkommen lassen wir ihn erst recht nicht, den
tausendjährigen Brauch.
Die Gensdarmen müssen wir auch noch warnen, daß sie
nicht (auf uns) zu täten
schießen,
sonst könnten leicht ein etliche in die Ewigkeit
müssen,
denn wir haben auch gute Büchsen, Pulver und Blei und
sind dabei sichere Schützen!
So, Leute, jetzt habt noch eine kleine Geduld, wir sind
noch gut in der Zeit,
Dann werden wir gleich sehen, was für Spitzbuben und
Hurenstingl daß es gibt.)
I.
Gon äschtn müasma jatz glei an M. vo A. hernöma,
Ba den wäd wos van Kuha Vögln köma.
Den Saukeal hots Gehid a so greut koi a Kuha nachi
hot gstiat,
Drum hot dea Hämo glei sehiba s Kaibi macha prowiat
Den hama scho sauba dawischt do hota dea Kuha an
Beidl eihö gschom und is
afn Stuhalei om gschtana,
Für an sölan schlechdn Huankeal dan do scho glei zecha
Jahr njma glanga.
Wos dea Kuhavögla scho Laid agfiat hot des is njma zon
song,
Koan schlächdan Schbizbuam muas da Deifö ei da Hoi dina
hom.
(Zum ersten müssen wir jetzt gleich den M. von
Unterdarching hernehmen,
Bei dem wird was von Kuhvögeln kommen.
Den Saukerl hat das Geld (ein) so gereut, sobald eine
Kuh nachgestiert hat, (zum
zweiten Mal gedeckt werden mußte)
drum hat der Hammel gleich selber das Kälbermachen
probiert.
272
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
Den haben wir schon sauber (richtig) erwischt, da hat
er der Kuh den Beutel hinein
geschoben und ist auf dem (Melk-)Stülchen oben
gestanden.
Für einen solchen schlechten Hurenkerl täten doch
auch schon gleich zehn Jahr
nicht mehr gelangen (reichen).
Was der Kuhvögler schon Leute angeführt hat, das ist
nicht mehr zu sagen,
keinen schlechteren Spitzbuben muß der Teufel in der
Holl drinnen haben.)
2.
Da E. dea Huanstingl duat si a garit schama,
Dea ho D. Nandl oiwai gvögld und hots a gmacht
schwanga,
Finf Monat hots trang nocha hams Kind wöka putzt,
Füra so a Ehbröcha Panti wars gscheida es wur ehana
da Brunzzeug schö gstutzt.
Gon Wei hota gsagt ea häd z Loading Loschin
dawoi hotn dea Beudl oiwai zon D. eiha triem.
(Der B. E., der Hurenstingl, tut sich auch gar nicht
schämen,
der hat (die) D. Nandl alleweil gevögelt und hat sie
auch gemacht schwanger.
Fünf Monate hat sie getragen; nachher haben sie das Kind
weggeputzt (abtreiben).
Für eine solche Ehebrecherbande war's gescheidter, es
würde ihnen der Brunzzeug
schön gestutzt.
Zu (seinem) Weib hat er gesagt, er hätte zu Leiding
Logis;
Derweilen hat ihn der Beutel alleweil zum D.
hineingetrieben.)
З-
An H. vo A. den bigodischen Schbizbuam müasma a no
wos song
Dea hot ois Steia Einähma 2000 March Steia Gehid
undaschlong
Nocha hot dea Gotsraba und Kirchnschända sei Oiti
afda Orgl om zamaghaut
Und da Grauvogl hot eham schö sauwa vo da Sakrischtei
aus zuagschaut.
Wann a voheirata Mo s Huan ko ada Kircha din it gran,
Da koma nacha do scho vo da Schlechtikeit song.
(Dem H. von Unterdarching, dem bigotten Spitzbuben,
müssen wir auch noch
was sagen,
der hat als Steuereinnehmer 2000 Mark Steuergeld
unterschlagen;
nachher hat der Gottesräuber und Kirchenschänder
seine Alte (sein Weib) auf
(hinter) der Orgel droben zusammengehaut.
Wenn ein verheirateter Mann das Huren kann in der Kirche
drinnen nicht geraten,
da kann man nachher doch schon von der Schlechtigkeit
sagen!)
4-
Jatz kimb a Baua
Bei dem wäds a woita saua.
Dea hot mit sein Sauschwoaf dea Dian oiwai an Bauch
eihögschbiem,
Und wias schwanga is gwen hota ihrs Kind wökatriem.
Des is da Sch. vo D. dea Hämo dea geschwoin,
Dem is gor nix z schlächd, sischt häta an Sch. M. sei
Gehid net geschtohin.
(Jetzt kommt ein Bauer,
bei dem wird es auch Woltern (sehr) sauer;
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
27З
der hat mit seinem Sauschweif der Dirn alleweil in
den Bauch hineingespieen
und wie sie schwanger ist gewesen, hat er ihr das Kind
weggetrieben.
Das ist der Sch. von Darhing, der Hammel, der
Geschwollene,
dem ist gar nichts zu schlecht, sonst hätte er dem
Schuster M. sein Geld nicht
gestohlen.)
5.
Von B. vo U. dama a viahand wissn
Dea Ehbröcha dea vahuat hot a sei Dian oiwei grissn.
Dö wä eham zwor heund no voschwieng
Wara zon Vögln it an Stohi aussiganga und war an Haus
dim bliem.
Dea hot a zwoa Lampin gschtohin aba ea woaß nix davo
hota gsogr,
Dawei hots dea Diab am Denna ada Kischtn din ghobt.
(Vom B. von U. täten wir allerhand wissen:
der Ehebrecher, der verhurte, hat auch seine Dirnen
alleweil gerissen.
Die war' ihm zwar heute noch verschwiegen,
war' er zum Vögeln nicht in den Stall hinausgegangen
und war' im Haus drinnen
geblieben.
Der hat auch zwei Lämmer gestohlen, aber er weiß
nichts davon, hat er gesagt,
derweilen hat sie der Dieb auf der Tenne in der Kiste
drinnen gehabt.
6.
An B. vo A. D. duat a scho gar nix schinian
Sischt dat a net oiwai В. Wabn ban H. krischtian,
Des is a oana dea an Ehschtand gorit betrachd,
Sischt hâta da Kehinarin z M. dent koa Jungs it gmachd.
Söln Huanstingi hot ma friiha Ehbröcha ghoaßn,
Dö wo nem dö Weiwa no Menscha zamhauen und ad
Gebärmuatta neischmeißn.
(Den B. von U. tut auch schon gar nichts genieren,
sonst tat* er nicht alleweil (die) B. Wabn
beim H. klystieren;
das ist auch einer, der den Ehestand gar nicht
(betrachtet,
sonst hätt' er der Kellnerin zu M. drüben kein Junges
nicht gemacht.
Solche Hurenstingel hat man früher Ehebrecher
geheißen,
die (wo) neben den (Ehe-)Weibera noch Menscher
zusammenhau'n und (ihnen) in
die Gebärmutter hineinschmeißen.)
7.
Da Vawoita vo da A. M. dea is a oana dea mit de
Weiwalaid gor nix machd,
Aba da B. Natharin hota do scho Britschn opacht. —
D W. ada Valley hot af sein Mo zweng da Sch.-Köchin
den oiagröaßtn Zorn,
Aba da Hua hot glei ada Schier din mitn Mälza a
Ordnsstück valorn.
D. Z. hot an Vawoita L. um an Schloßstadl umagjogt,
Aba dea is davo weira koa henafleischgflicktö
Britschn it mog hota gsogt.
(Der Verwalter von der A. M., der ist auch einer, der
mit den Weibsleuten gar
nichts macht,
aber der B. Näherin hat er doch schon die Voze
abgepachtet. —
Krauss, Anthropophytcia. IV. l8
274
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
Die W. in der Valley hat auf ihren Mann (zu)wegen der
Sch.-Köchin den aller-
größten Zorn,
aber diese Hur* hat gleich in der Schier drinnen mit
dem Mälzer ein Ordensstück
(die Keuschheit) verloren.
D. Z. hat den Verwalter L. um den Schloßstadel
herumgejagt,
aber der ist davon, weil er keine hühnerfleischgeflickte
Voze nicht mag, hat er gesagt.)
8.
Koan eagan Stia wiaran W. vo H. muas a njima göm,
Dea mechd de ganz Zeit ba da Dian und da Kehinarin
din long.
Danachts hots eham d Kehinarin fürghoitn da hota
woita it gschaut
Denn dea ausgewiesn Strizi hot a scho oii Korbmacha
und Kratta Menscha zsamghaut.
Wann dea Schnointreiwa sein Huan no lang aso treibt,
Na schickman zon Nazi adar Au, dasa eham an Beudl
wegschneid.
(Keinen ärgeren Stier wie den W. von Holzkirchen muß
(es) auch nimmer geben,
der möcht* die ganze Zeit bei der Dira und der Kellnerin
drinnen liegen;
demnächst hat es ihm die Kellnerin vorgehalten, da hat
er weiter nicht geschaut
(war erstaunt)
denn der ausgewiesene Strizzi hat auch schon alle
Korbmacher- und Gratter-(Hau
sierer) Menscher zusammengehaut.
Wenn der SchnaHentreiber seine Huren noch lang (ein) so
treibt,
dann schicken wir ihn zum Nazi in der Au, daß er ihm den
Beutel wegschneidet.)
9
Von G. H. müasma a zuahi schrein
Mia harn scho lang gmoat mia woin eham extri s
Hobafehi treim.
Wia dea Sau Stia d Kehinarina zamvöglt is do a scho a
Schand.
Koan eagan Huanstingl gibts njma an boarischn Land.
Zo den seina Schlächtigkeit is njma zon lacha,
Jatz müaßa scho wieda ba da Kehinarin an Kindsvota
macha.
(Vom G. H. müssen wir auch zuschreien,
wir haben schon lang gemeint, wir wollen ihm extra
das Haberfeld treiben.
Wie der Saustier die Kellnerinnen zusammenvögelt, ist
doch eine Schande;
keinen ärgeren Hurenstingl gibt's nimmer im
bayrischen Land.
Zu dem seiner Schlechtigkeit ist nimmer zum lachen,
jetzt muß er schon wieder bei der Kellnerin den
Kindsvater machen.)
IO.
Da M. H. dea is a sauwana Hämo,
Dea roast mit sein Beudl oiwai aussi zo da L. Nanö,
Dea volumbt a nacha an Wei sei Gehid dea Windbeudl
der nouithi,
Und ko dö Laid ofieren, is dem Schwindla gor nix z
kouithi.
Danachst hota sei Jungs Wei boid daschlong
Wans dea net andast macht müasma eham eins as
Hobafehi jong.
(Der M. H., der ist ein sauberer Hammel,
der reist mit seinem Beutel alleweil hinaus zu der L.
Nanni.
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
275
Der verlumpt auch nachher dem (Ehe-)Weib sein Geld,
der Windbeutel, der notige,
und kann die Leut* anführen, ist dem Schwindler gar
nichts zu kotig.
Demnächst hat er sein junges Weib bald (beinahe)
erschlagen —
wenn der nicht anders wird, müssen wir ihn eigens in's
Haberfeld jagen.)
IL
Wann grod da Foihi war, datma nach Hoizkircha köma,
Na müasma gon äschtn an B. und an G. hernöma.
Da B. duat nem sein Wei oiwai Dian mausn
Und da G. dea hot scho ois vahaut dea ko vor lauta
Nouth njma hausn.
An S. R. darfma a it vogößn,
Dea hot da O. Kehinarin Britschn ogmößn.
Dea Sau Stia hot an Kopf ois wiara Doin
Und vor lauta Vögln und Huan weadn da Deifö boid
hoin.
Wo da Sch. und da J. vo dene Sau Menscha miagma gar
nix mea song,
Dene soitma mit an Büschi Brenössl s Loch rächt
voschlong.
An Bolizeideana B. hama danachst ban Hoiz Stehin
vowischt,
Aba d Famiii hot ihns dabarmt sischt häman seine
vaschtohin Haxn wökpritscht.
(Wenn gerade der Fall war', daß wir nach Holzkirchen
kämen,
dann müssen wir zum ersten den B. und den G. hernehmen.
Der B. tut neben seinem Weib alleweil (die) Dira mausen
und der G., der hat schon alles verhaut, der kann vor
lauter Not nimmer hausen
(sein Anwesen erhalten).
Den S. R. dürfen wir auch nicht vergessen,
der hat der O.-Kellnerin die Voze abgemessen;
der Saustier hat einen Kopf wie eine Dohle so
verschlagen,
und vor lauter Vögeln und Huren wird ihn der Teufel bald
holen.
Von der Sch. und der J., von diesen Saumenschern, mögen
wir gar nichts mehr sagen,
denen sollt1 man mit einem Büschel Brennessel
das Loch recht verschlagen.
Den Polizeidiener B. haben wir demnächst beim
Holzstehlen erwischt,
aber der Familie hat uns erbarmt, sonst hätten wir ihm
seine verstohlene Haxen
weggepritscht. (Onomatopoetisch für „weggeschossen".)
Es folgte ein dreifaches Hoch auf den Prinzregenten
und folgender Merk-
spruch für den Papst:
„An Papstn den römischn Wehid Froß loßrha a schö löm,
Zwar is grod it recht schö ea loßt si vo an jedn
Hoderlumpa und Korbflicka an
Petaspföning göm."
(Den Papst, den römischen Weltfraß lassen wir auch schön
leben,
zwar ist's gerade nicht schön; er läßt sich von einem
jeden Haderlumpen-
sammler und Korbflicker den Peterspfennig geben.)
Treiben zu Finsterwall
in der Nacht vom 30. September zum 1. Oktober 1893.
I.
Z erseht fangma bei den junga Baun *) glei o
Dos is a ganz a jung voheirater Mo,
1) Bauern.
18*
276 Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
Jatzt sagn öams1) d Haberer wie oft
Daß er s seiner oagner Muadan hat do.
Im Jahr 1890 am 12. Februar is gwön,
Da is da jung Baur vo Finsterwall gon erschtmal
Bei seina Muadan a da Kammer drin glegn.
Bei sein Nachbar is a Kuah krank gwen
Jatzt get er öma go 2) sein Kammerad,
Dawei siachta3) a da Kamma din
Daß da jung Baur sein Sauschwoaf
Seine oagna Muadan eihögsteckt hat.
Da alt Diab und Spitzbua hat an Heirat gmacht
Und hats do a net kennt,
Daß da jung Baur statt sein junga Weih
Seina Muadan dera oidn Hur sein Schwoaf eiherennt.
2.
An D. treiwa4) a mit
Dem Hurenstingl, dem Ehbrecher sagmas pfeigrad,
Wei a sei Dirn, dö Hur 2um Meineid triem hat.
Wenn da d Dirn bliebn wa5), da het der
Ehbrecher glacht
Aba sie is öäm davo und denkt du Batzi 6)
hast ma asn scho oas7) gmacht.
Da oit Batzi hat a scho amoi foisch*) gschworn
Und hat an Sch. Nanei oiwai no an Schwoaf eihögschobn
Er hot an foischn Meinoad gschworn, dös wissma ganz
gwiß
Den Ehbrecher und Spitzbuam soi der Teufi hoin,
Wir Haberer treim an Teifö nach bis eihö ö dö)
Hinterriß.
з-
An F. J. müassma a a bißl mitnehma
Der duat oiwei mit seiner Nasn der oitn
Wackersbergerin
Dö koitn Baun10) ausn Loch außerstemma.
Zum Schlüsse ein dreifaches Hoch „auf unseren
hochschätzbaren edlen
Menschenfreund und Armenspender" Herzog Karl Theodor.
Treiben zu Gaissach
in der Nacht vom 9. zum 10. November 1894.
I.
A dreißg Johr is jatz her dasma nimma san kemma,
Drum müassma dö oidn Stückl a dazua nehmal
Gon erschtn werds mitn M. vo Goassa probiert,
Dä Schwankoi11) hot a da Sakristei drin a
Dirn zu da Hurarei voführtl
1) sagen ihm's, 2) hinüber zu, 3) sieht er, 4)
treiben wir, 5) (auf seinem
Hof) geblieben war1, 6) Pazzi, 7) so wie so
schon eines (ein Kind), 8) falsch,
9) bis hinein an die, 10) die „kalten Bauern" (der
männliche Samen) mit der
Nase aus der Voze herausstemmen, 11) Schwänkemacher.
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern,
1) Korbinian, 2) halbes Erbteil abgestohlen, 3) zum
ärgsten, 4) Spürtäzchen
(Zumpt), 5) hat den Zumpt aus- und eingetan, 6) ihnen
allen zweien, 7) zweimal,
8) (so)bald (wenn), 9) seiner Alten den
Pantoffelhelden, 10) sich, 11) abgibt,
12) zu, 13) fehlt, 14) kann das, 15) täten wir raten,
16) sonst.
An B. Kurbi1) an L. hota hoibs Erbtheil o
gstoin,2)
Drum werdn da Teifi a d Holl eini hoin.
2.
Dö Lenggriesa derfma net vogessn,
Do is gon ergstn3) da P. P. auf dö Weibatn
vosessn,
Dem san a dö mehran Zimmamadl davo,
Wei as mit sein Spürtazla4) nimma recht
ko.
3-
Da B. dös is a saubana Mo,
Der hotn bei der P. oft aus und ei do.5)
Dö Jung hota a oiwei müssn mausn,
Aba jatz duat äna oi zwa6) scho grausn.
Er hätt si a scho zwamoi7) aufghenkt,
Wei äm dö Oit koa Geld nimma schenkt.
Ф
Mitn H. vo W. seina Ehrlichkeit hots ollahand Gwindn,
Dä hot vom D.-Baurn no 1100 Mark Baumgeld hintn.
Boi8) da so furt macht mit sölln Sacha
Da werd da Teufi a da Holl drina lacha.
5-
Mitn O.-Wirth mit dem müassma lacha,
Der muaß seina Oitn an Pantofiritter«) macha.
An Veterana-Johrtag hotsn a net geh lassn,
Do hots äm d Liab mitn Stecka aufn Buckl aufi lassn.
6.
Jatz müasma an H. Sch. hernema,
Do werd vo da Blutschand was kema.
Dos is a feina Vota, der weiß wos is da Brauch,
Er zecht a dö Töchta Rausch o, na legt a sö10)
aufi an Bauch.
An Kranz Wurst hot a kauft, daß koan Hunger ogeit11)
Na is a aufi go12) dö Töchta, daß äm gwiß
nixn feit.13)
7.
Da erseht Ehbrecha ist da A. vo R., der kos1«)
Kindamacha so guat,
Vo dem möcht ma wissn warum daß a si vo da Vataschaft
oiwei weg-
schwindln thuat.
Dem that ma rotn,15) er soi sei Votaschaft
bekenna,
Sischt1^) müassma äm an Beutl ausanehma.
278
Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.
8.
Da W. vo G. thuat oiwei sei Schwigamuata zamhaun,
Bei andane Weibatn thuat a sö a sakrisch traun.
Bein H. hot a oani af da Straßn opackt, dö hot oba
sakrisch gschrien,
Na hot a ihr mitn Wedl an Kittl o gschbibn.1)
Dos erseht Hurnhaus vom Tölza Bezirk is bein
Z.
Da Wirth is bei da Dirn an Bett da wischt worn.
Nacha is a no egstri gon2) Hurn auf Münko
ohi3) gfobren.
D Wirthin dös Saumensch dös schlecht,
A jeda Handwerksbursch und Gratia4) boi as
zamhaut is ihr recht.
Vo dö thuat an Leutn iatz teufisch grausn,
Weis vo da Weitn scho stinka von roausn.
IO.
Jatz kema zwoa Dokta, da B. vo Str. und da R. J.
Den thuat a gar nit grausn, der thuat oiwei Sennarina
mausn.
Da B. hot dö oit J. zamghaut
Und Bettlwei wem bei äm a net voschaut.*)
Bei dera Lumperei hot a Filzlaus davotrogn,
Aba wei a Dokta is ko as selba vojogn.
II.
An P. derf ma a not vogessn,
Deö is auf dö Weibaleut sakrisch vosessn,
Dä hot sei Dim a da Kamma drin packt
Auf oamal hot Bettstatt do kracht,
S Nachtgschirr is a no dabrocha,
Drauf is a klei6) a d Stubn oiwei7)
krocha.
12.
Mitn A. B. miissma lacha,
Wie a Pfarabaumoasta8) is gwen hot a
miissn in*) Kindsvotan macha.
Er hots glei auf amoi zahlt, daß a schön da gstan is,
S Kind is ada gstorm,10) iatz hot a denkt is
ma s Geld wieda gwiß.
Er hot glei an Advokatn gnomma und höt s Geld wieda
ming,11)
Do is äm oba da Fotz sauba bliem.12)
ІЗ-
Da Sch, K., da H. vo Reischbeurn13)
Dos is a Mensch dä hot a Lebn aba nidascht14)
a bleibn;
1) Mit dem Zumpt den Rock angespieen, 2) noch extra
zum, 3) hinab,
4) wandernde Krämer, 5) verschont, 6) gleich, 7) hinab,
8) Ökonomieverwalter
am Pfarrhof, 9) den, 10) gestorben, 11) mögen, 12) der
Schnabel sauber ge-
blieben, 13) Steigersbeuren, 14) nirgends (es geht ihm
gut, aber er kann sich
nirgends halten), 15) in die Ställe.
Ein japanisches Frühlingbild.
279
Dä treibt a d Stei*) eini Schaf und a d Widder,
Aba do heilign Zeitn kimt a und stehlts wieda.
s Stehln des tragt zweni und Preisroß san gar,
Drum macht er und sei Bua an Pfarra an Narr.
14.
Da Pfara vo Reischbeurn des is a schlaucha Mo,
Bei den greift d Reiffeißn und Kreditbank a nimma o.
Sei Vieh hot a vosteigert und dabei glacht,
Wei äm dö duma Bauern an Haufn Geld ham as Haus zuwi1)
bracht.
An Knecht hot a furtgschickt weis mit da Ökonomie niks
mehr is
Aba Dirn hot a ghoitn2) für d Nachzucht ganz
gwiß.
Zum Schluß ein dreifaches Hoch auf den Dekan von
Gaißach.
Ein japanisches Frühlingbild.
Von Berthold Laufer, New York.
China und Japan sind unendlich reich an volktümlichen
Kunst-
darstellungen, die, was Japan betrifft, erst zu einem
Teil bekannt,
was China anbelangt, überhaupt noch nicht zugänglich
geworden
sind. Es ist bewußt populäre Kunst, von Leuten des
Volkes, ihrer
sozialen Stellung nach Kunsthandwerkern, nicht
Künstlern, geschaffen,
für die breiten Schichten des Volkes bestimmt. Die
allgemeine An-
schauung geht dahin, daß die Schule der Ukiyoye
(wörtlich ,Bilder
der dahinfließenden, vergänglichen Welt') Japans, die im
schwarz-
weißen und buntfarbigen Holzschnitt das Höchste
geleistet hat, eine
durchaus einheimische, echt japanische Kunstrichtung
sei. Dies
trifft fur die späteren Phasen in der Entwicklung der
xylographischen
Technik und des wesentlichen Inhalts gewiß zu, auf
keinem anderen
Gebiete hat sich Japan auch japanischer bewährt als in
dem der
Holzschneidekunst, und doch muß daran erinnert werden,
daß das
Nachbarreich, die Quelle all seiner Kultur, eine gleiche
Kunstrich-
tung derselben Form und desselben Inhalts besessen hat
und noch
besitzt. Freilich, niemand hat ihr bisher Aufmerksamkeit
geschenkt,
unsere Spezialliteratur über chinesische Kunst enthält
kein Wort
1) zu, 2) zurückbehalten.
28o
Ein japanisches Fruhlingbild.
darüber, von den allgemeinen Darstellungen der
Kunstgeschichte
ganz zu schweigen, und unsere Museen schweigen sich
ebenso gründ-
lich darüber aus. Und doch kann sich jeder, der irgend
eine chine-
sische Stadt mit sehenden Augen durchwandert oder irgend
ein ein-
faches Bürger- oder Bauernhaus betritt, täglich und
stündlich von
ihrer Existenz überzeugen, von ihrer großen
Wertschätzung beim
Volke und ihrer Bedeutung für das gesellige Leben. In
ihrer Technik
sind diese Bilderbogen meist roh, obwohl sich neuerdings
in Shanghai
eine Schule gebildet hat, die der in Europa üblichen
Durchschnitt-
ware kaum nachstehende Farbendrucke herstellt. Aber was
auch
immer der künstlerische Wert dieser Erzeugnisse sein
möge — Ästhetik
hat mich stets herzlich wenig gekümmert — sie sind das
Ent-
zücken des Ethnographen und eine unerschöpfliche
lebenswahre
Quelle der Anregung und Belehrung flir das Studium des
Volkslebens.
Da ist China, wie es leibt und lebt, wie es trinkt und
zecht, wie es
spielt und lacht, wie es feiert und hochzeitet und das
Leben fröh-
lich genießt, das ausgelassene Treiben der Kinder, die
munteren
Spiele der Knaben, die beschaulich-geschäftige Tätigkeit
der Mädchen
und alle Phasen im Leben der Frau. Natürlich, sie steht
im Mittel-
punkt dieser ganzen Kunst, ebenso wie in Japan, die
Frau, von der
man nicht spricht, und in noch höherem Grade, die Frau,
von der
man spricht. Die berühmten Schönheiten und Sängerinnen
von
Shanghai und Peking werden immer und immer wieder
porträtiert,
kahnfahrend, Lotosblüten im See pflückend, in einem
Gartenpavillon
oder in ihrer Häuslichkeit. Darstellungen von Szenen
populärer
Bühnenstücke und beliebter Schauspieler sind ungemein
häufig. Der
Humor kommt nie zu kurz, und Folgeszenen lustiger Bilder
auf
einem Blatt vereinigt sind ganz nach Art der Münchener
Bilder-
bogen. Idyllen aus dem Leben von Pantoffelhelden, die in
China
ebenso florieren als bei uns, gehören dabei zu den
geschätztesten
Sujets. In anbetracht der Tatsache, daß uns das
Familienleben der
Chinesen und vor allem das äußere und innere Leben ihrer
Frauen
verschlossen bleibt, sind diese fliegenden Blätter, die
allenthalben
auf den Straßen feilgehalten und in großen Auflagen über
das ganze
Land verstreut werden, ein willkommener Ersatz fur den
Mangel
direkter Beobachtung und erschließen uns tiefe
Einsichten in ihr
innerstes Fühlen. Ich habe daher von diesem Hilfmittel
reichlich
Gebrauch gemacht und auf meinen Reisen in China keine
Ge-
legenheit vorübergehen lassen, solche ethnographische
Dokumente
zu sammeln, die im Laufe der Zeit auf viele Hunderte
angewachsen
Ein japanisches Frühlingbild.
281
sind. Ob und wie sie sich werden veröffentlichen
lassen, ist mir
vorläufig noch ein Rätsel; wären es prähistorische
Topfscherben, so
hätte sie längst ein Museum auf würdigen Tafeln
publiziert, aber es
ist ja pulsierendes Leben der Gegenwart. Bei der
Engherzigkeit
und fossilen Verdummung, mit der gegenwärtig unsere
amerikanischen
Museen verwaltet werden, ist ohnehin an solche
Publikationen nicht
zu denken.
Diese Volkskunst steht in bewußtem Gegensatz zu der
ernsten,
gleichsam akademischen1 Kunstmalerei, die dem
eigentlichen Volks-
leben fernsteht. Wir sind schulmäßig gewöhnt, in dem
Chinesen
den ernsten und nüchternen Realphilosophen zu sehen;
gewiß, der
Chinese ist ernst und muß ernst genommen werden, viel
ernster
noch in Zukunft als bisher geschehen. Aber mit dem
Ernst, der
Wirkung uralter moralischer Erziehung und ritualer
Einrichtungen,
ist das Wesen seiner Psyche noch lange nicht erschöpft.
Neben
dem offiziellen Menschen kommt auch der natürliche
Mensch zu
seinem Recht. Im allgemeinen ist der Chinese, nicht nur
Bürgers-
und Bauersmann, sondern auch der strenge Konfuzianer,
Beamter
oder Gelehrte, ein heiterer lebensfroher Genußmensch,
nicht einer,
der dem Genuß sinnlos und bedingunglos fröhnt, sondern
der die
Freuden des Daseins mit Maß und Weisheit zu genießen
versteht.
Kaum ein Volk hält so viel auf die Bewahrung des
Decorums und
aller äußeren Regeln des Anstands und guter Sitten,
nicht als einer
rein formellen Äußerlichkeit, sondern wurzelnd in einem
stark aus-
geprägten Moralitätbewußtsein. Das Ritual des Konfuzius
ist der
Ausfluß seiner praktischen Ethik. Ihre Literatur ist
ungewöhnlich
frei von dem, was unsere Moralisten ,Schmutz' nennen,
und ist selbst
von Missionaren als eine der ,reinsten1
gepriesen worden. Dabei
darf aber nicht vergessen werden, daß es sich hier nur
um die offi-
zielle oder anerkannte Literatur handelt; es gibt eben
eine unge-
heure Masse anderer Literatur, die darum, weil sie
anders ist, nicht
zur Literatur gezählt wird. Und diese Literatur ist
gerade die
volktümliche, die von der großen Masse gierig
verschlungen wird.
So gibt es Romane von zynischstem Naturalismus, gegen
die sich die
Versuche der modernen Franzosen wie das erste Erröten
des er-
wachenden jungen Mädchens ausnehmen, bürgerliche
Lustspiele mit
aktuell gegebenen Situationen, vor denen die freieste
Bühne Europas
auf immer zurückschrecken würde. Das eheliche, oft genug
zum
unehelichen gemachte Bett und der Nachtstuhl spielen in
diesen
Stücken eine sichtbare Rolle auf der Bühne. Für die auf
ihr üb-
282
Ein japanisches Frühlingbild
liehe Freiheit der Rede will ich nur ein ganz zahmes
Beispiel an-
führen, das gleichzeitig charakteristisch für die Art
und Weise ist,
wie der chinesische Schauspieler das Publikum mitspielen
läßt. Der
Held des Dramas ist so sehr von Liebe zu einer Schönheit
ent-
flammt, daß er gleich auf offener Szene seine
Leidenschaft stillen
will. Sie wehrt ihn ab. Er: ,Aber warum denn nicht? Das
ist
doch die natürlichste Sache von der Welt, das tun doch
alle
Menschen*. Sie: ,Sehr schön! Aber es geht doch nicht
hier in der
Öffentlichkeit vor dem ganzen Publikum*. Er: ,Ach, das
macht
doch nichts!1 Sie: ,Nun sieh Dir bitte diesen
ehrwürdigen alten
Herrn mit grauem Haar in der ersten Reihe des Parketts
an' (sie
zeigt wirklich auf den Betreffenden); ,wolltest Du es
verantworten,
ihm die Schamröte ins Gesicht zu treiben?' Er: ,Nun ja,
dann
warten wir bis bis später!' Ebenso gelangt in den
Volksliedern die
erotische Seite des Liebelebens in den stärksten Tönen
zum Aus-
druck, und ein besonderer Zweig der oben geschilderten
Volkskunst
ist die Darstellung erotischer Szenen.
Diese Bilder heißen euphemistisch ,Frühlingbilder'
(chcun hua,
in japanischer Aussprache shungwa); die Bezeichnung
,Frühling1
wird vielfach ganz passend fur die Regungen des
Geschlechtstriebes
gebraucht. ,Frühlingsmedikamente' sind Aphrodisiaca. In
Japan ist
ferner der Ausdruck warai-ye d. i. Bilder zum Lachen,
gebräuch-
lich, sodann makura-ye d. i. Kissenbilder; Bücher mit
solchen Ab-
bildungen heißen makura-zöshi. Aus China sind mir auch
gefaltete
Albums mit Malereien bekannt, die ganze Zyklen von
Coitusszenen
darstellen, oder die Geschichte eines Liebepaares in der
wechseln-
den Entwicklung der Ereignisse; manche darunter sind von
tech-
nischer Vollendung der Ausfuhrung und bei der bekannten
Begabung
der Ostasiaten für die Auffassung und Darstellung der
körperlichen
Bewegung meisterlich naturwahr. In Japan scheint der
buntfarbige
Holzschnitt in diesem Fache zu überwiegen. Zu den
künstlerischen
Leistungen der Chinesen gehören auch Karikaturen von
Europäern,
die in solchen Szenen dargestellt werden. In China sah
ich ein
Album, vortrefflich gemalt, in dem Jesuiten auf diese
Weise ver-
spottet werden; ferner erwarb ich eine Serie bis in das
Detail der
Kostümornamentik sehr fein ausgeführter Malereien, die
wahrschein-
lich aus dem 18. Jahrhundert stammen und die sexuelle
Geschichte
eines Europäers und einer Europäerin in der Tracht der
Rokokozeit
illustrieren. Die chinesischen Typen überwiegen
naturgemäß, und
ihnen haftet nicht der Stempel der Satire an. Die
Mehrzahl der
Ein japanisches Frühlingbild.
283
von mir gesehenen Darstellungen kann auch nicht
einfach als obszön
bezeichnet werden, wenn auch noch weniger als naiv; sie
sind künst-
lerisch veredelt und der Ausdruck einer überschäumenden
Lebens-
lust. Manche nehmen sich wie Anleitungen fur angehende
Liebende
aus in erschöpfender Vorführung aller
Stellungmöglichkeiten und mit
besonderer Berücksichtigung der Terrainschwierigkeiten,
z. B. in freier
Natur, im Garten, auf dem Stuhl etc. Daneben gibt es
natürlich auch
viele rohe Darstellungen, besonders in Holzschnitten,
die in Peking
von hausierenden Spielzeughändlern in den Strassen
verkauft werden.
Es sei bemerkt, daß nach dem chinesischen Strafgesetz
die Verkäufer
,unmoralischer Publikationen1 eine Strafe von
hundert Stockschlägen
und Transportation auf drei Jahre verwirken; die Käufer
erhalten
hundert Stockschläge, die Urheber dieselbe Zahl und
außerdem
lebenslängliche Transportation bis zu einer Entfernung
von 3000 Ii.
Trotz dieser Strafandrohungen scheint aber dieser
Kunstzweig eifrig
zu blühen, denn auf Verlangen kann man solche Bücher
überall
leicht erlangen, und aus persönlicher Erfahrung weiß
ich, daß sie
auch von Beamten mit Vorliebe gekauft werden.
In Japan haben die Frühlingbilder eine noch viel
tiefere Be-
deutung für das Volksleben als in China gehabt, denn sie
sind jetzt
von der nach europäisch-amerikanischem Muster prüden
Regierung
strengstens verboten und unterdrückt worden, wie auch
der Phallus-
kultus. Besonders die Illustration von Romanen mit
geschlechtlichen
Szenen war in Japan bis zur Zeit der Restauration in
vollem Schwang,
jedenfalls wird sie auch jetzt noch im verborgenen
betrieben. Ich
habe eine nach etwa hundert Bänden zählende Sammlung
dieser
Art im Besitz eines alten deutschen Residenten in
Yokohama inspi-
ziert, der sie auf heimlichnächtlichen Streifzügen im
Laufe vieler
Jahre zusammengebracht hatte. In Japan sollen solche
Bücher als
eine Art Instruktionhefte zur Brautausstattung in die
Ehe tretender
Mädchen gehört haben. Sicher dienten sie alt und jung
zur Unter-
haltung und Belustigung. Charakteristisch fur die
japanischen Früh-
lingbilder ist die phantasiereiche Mannigfaltigkeit der
Positionen,
und zwei auf den entsprechenden chinesischen Bildern nie
vorkom-
mende Züge, die Anwesenheit von Zuschauern im
Hintergrund, die
durch Luken und Schiebetürspalten neugierig
hereingucken, und
sehr häufig neben dem menschlichen Begattungakt eine
Parallele
aus dem Tierleben, besonders rammelnde Katzen. Auch die
Darstel-
lung von Massenpaarungen in einem Räume ist nichts
ungewöhnliches.
Ein Beispiel der letzteren Gattung ist auf unserer
Tafel nach
284
Ein japanisches Frühlingbild.
einem japanischen Originalholzschnitt reproduziert.
Die Situation
läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und
spricht fur sich
selbst. Aber dies, und darin liegt der besondere Wert
dieses Bunt-
drucks, ist das einzige Frühlingbild, das ich gefunden,
dem an-
scheinend eine mythologische Bedeutung zu Grunde liegt.
Diese
geht aus dem großen Ungetüm mit dem Fischkopf hervor,
das die
lustige Gesellschaft plötzlich überrascht und in wirrer
Hast ausein-
andersprengt. Das Bild hat leider keinerlei
Beischriften, die das
Sujet erklären würden, und ich muß von vornherein
bemerken, daß
mir der eigentliche Sinn der Darstellung unklar ist. Ich
habe sie
bisher verschiedenen gebildeten Japanern vorgelegt, die
gleichfalls
nicht imstande waren, eine befriedigende Erklärung
darüber zu geben.
Vielleicht wird diese Veröffentlichung dazu beitragen,
diese Frage
zu klären. Die drei das Monster begleitenden Männer sind
Hand-
werker, der eine, der drohend seine Säge zum Angriff auf
die Fest-
teilnehmer schwingt, ist ein Zimmermann; sein Nachbar
scheint einen
Bohrer oder anderes Instrument zu halten. Man könnte so
vermuten,
daß die Idee, die der Darstellung zu Grunde liegt, ein
Kampf der
ehrbaren Zünftigkeit gegen die Ausschweifung sei; ich
kann mich
aber in dieser Deutung auch irren. Vielleicht handelt es
sich um
die Illustration einer uns unbekannten Lokalsage, deren
es ja in Japan
so viele gibt. Unzweifelhaft ist jedenfalls, daß das
Bild eine tiefere
mit dem Wesen der Phallusverehrung in Verbindung zu
bringende
Symbolik besitzt. Darauf deuten zunächst die drei großen
weißen
Kalebassen, die auf dem violetten Rock des Ungetüms
angebracht
sind. Die Kalebasse ist in Ostasien ein Symbol des
Phallus. Ferner
schwingt das Frauenzimmer unten rechts einen großen
Penis in der
Rechten, den sie anscheinend dem mit dem Kopf nach vorn
auf
dem Boden liegenden, um seinen Verlust klagenden Manne
ausge-
rissen hat. Hier handelt es sich vermutlich um die
magische Ver-
wendung des Phallus, über die jüngst W. G. Aston in
seinem treff-
lichen Buche jShinto1 (London 1905), p. 196,
gehandelt hat. Ebenda,
pp. 186—198 und p. 363, findet man eine gute
Auseinandersetzung
über den Phalluskultus in Japan *), der in den östlichen
Teilen des
Landes auch jetzt noch nicht ausgestorben sein soll.
1) Altere Literatur darüber: W. E. Griff is, The
Religions of Japan, New York
1896, pp. 27—32, 49—52, 88, 380—384, und Edmund Buckley,
Phallicism in Japan,
publiziert von der Universität Chicago. — Zu beachten
ist die neueste, die einschlägige
ethnologische Literatur fast erschöpfende Monographie
von Dr. Friedrich S. Krauss:
Das Geschlechtleben in Glauben, Sitte und Brauch der
Japaner. Ein Beitrag zur Er-
forschung der Anthropophyteîa, 1907.
Ueber den „zuaßog« der Hellenen.
Studie von Dr. O. Knapp.
Die Sitte der Weiber künstliche Phallen zur
Selbstbefriedigung
zu gebrauchen, von der vielleicht am interessantesten
Pietro Aretino
in seinen unsterblichen ragionamenti berichtet, findet
sich auch bei
den alten Hellenen. Sie muß sogar sehr weit verbreitet
gewesen sein,
wie die wenigen überlieferten Stellen bei hellenischen
Schriftstellern
beweisen. Da wir hierüber, wohl dank der Zimperlichkeit
unserer
Forscher, noch keine Studien besitzen, sei hier der
Versuch gemacht,
die darüber bekannten Angaben zusammenzustellen. (Vgl.
auch den
Artikel: Gegenständliche Mittel zur Befriedigung des
Geschlechttriebes
in Anthropophyteia Bd. III, S. 425 f.). Die älteste
bekannte Stelle ist
wohl folgende, die sich in der Lysistrata des
Aristophanes findet
(v. 108—110), „denn seitdem die Milesier uns verraten
haben, sah ich
nicht einmal einen achtzölligen Olisbos, der uns ein
lederner Not-
helfer wäre".
Die Scholie schreibt zu dieser Stelle:
Olisbos: „ein Schamglied aus Leder. Auch diese Stelle
ist gegen
die Milesierinnen gerichtet Er verspottet sie aber als
solche, die den
Olisbos gebrauchen."
Zu Vers 110: „Nach dem Sprichwort, feigenhölzerne (==
ovxivrj)
Stütze, wegen der Gebrechlichkeit. Er aber hat es
umgeändert in
„oxvtivt]" (ledern), denn ledern sind die
Olisboi. Es sind aber lederne.
Schamglieder, welche die des Mannes beraubten Weiber
benützen"
Die Glosse meint also, es liege ein Wortspiel von
ovxivi] mit oxvxlvrj
vor; denn es gab einen sprichwörtlichen Ausdruck
„feigenhölzerne
Stütze" für etwas, das in Wahrheit keine Stütze war und
nur den
Schein einer solchen vortäuschte. So täuscht das lederne
männliche
Glied, der Olisbos den Schein eines weiblichen vor, ohne
es zu sein.
Schon Suidas schreibt unter oXcoßoq: „ein
ledernes Schamglied, das
die milesischen Weiber benützten, ebenso die Tribaden
und unzüchtigen
286
Über den „Shoßoq" der Hellenen.
Weiber. Es benützten es aber auch die WitwenI"
Und an anderer
Stelle nach Kratinos: „die geilen Weiber werden Olisben
benützen".
Was folgt somit aus der Aristophanesstelle im Ganzent
Man
kannte damals bereits den Olisbos, der anscheinend aus
Milet nach
Athen gekommen war. Er wurde benützt i) von den
eigentlichen
Tribaden, d.h. doch wohl von den weiblichen
Homosexuellen, die damit
ihre geliebten Mädchen und sich selbst befriedigten.
Hierüber müßte
einmal in einer besonderen Studie gehandelt werden. 2)
Von durchaus
„normalen" Weibern, die ihn in Ermangelung eines
lebendigen Penis
benutzten oder wohl auch, wenn sie aus irgend einem
Grund bei ihren
Männern nicht genügende Befriedigung fanden. Dieser
Gebrauch des
Olisbos 1) durch Tribaden), 2) durch normale Weiber wird
durch die
folgenden beiden Stellen bestätigt. Der Gebrauch durch
normale
Weiber illustriert trefflich eine köstliche Szene, aus
den neulich erst
gefundenen Mimiamben des Herondas (von der Insel Kos
um 250 v. Chr.). Den ganzen Mimiambus kann ich hier
nicht ab-
schreiben, man findet ihn gut verdeutscht von O. Crusius
1893. Die
fur uns wichtigste Stelle in Mimiambus VI,
IQ ff. lautet in Crusius
Übersetzung folgendermaßen: „Motro, wer in aller Welt
war es der
nur, der dir den scharlachroten Baubon gemacht hat?"
Koritto:
Wo hast du denn den gesehen, Motro? Motro: „Nossis holte
ihn
neulich, Erimas Tochter, ach, ein Prachtgeschenk!'1
Koritto: Nossis,
woher denn? Motro: „Wirst du mich vertratschen, wenn ich
es sage?"
Koritto: „Bei diesen süßen Augen, was du mir mitteilst,
lieber Metro,
wird aus Korittos Mund kein Mensch erfahren." Metro:
„Eubule, des
Wirtes Tochter, hat ihn ihr gegeben und schärft ihr ein,
es dürfe keiner
merken." Koritto: „O diese Weiberl Dies Weib bringt mich
noch
uml Ich ließ mich durch ihr Bitten und Flehen erweichen
und gab
ihn ihr, eh ich ihn selber brauchte; doch sie, als ob
sie auf der Gasse
ihn gefunden hätte, verschenkt ihn, auch an solche, die
nicht dazu
gehören. Eine Freundin von dieser Sorte kann mir gewogen
bleiben;
eine andere mag sie an unserer Statt als Freundin
suchen. Grade
der Nossis ihn zu leihen! Der würd' ich doch —
vermess'ner red'
ich, als Weibern zusteht; mögst du mich nicht hören,
Adrestine —
hätt* ich tausend, gab' ich der nicht einen ab, und wenn
er räudig
wäre!" Im Laufe des Gespräches gesteht endlich Koritto
auf Motros
Bitten: , In seiner Wohnung arbeitet er und treibt den
Handel heimlich,
denn vor den Hellenen ist ja keine fur dermalen sicher.
Aber Worte
sind es, wie von Athenel Eigenhändige Arbeit von ihr
glaubt man
Über den „dXiaßoc" der Hellenen.
287
zu sehen, und nicht von Kendon. Ich wenigstens — mit
zweien kam
er nämlich, — wie ich sie erblickte, gingen mir vor
Entzücken die
Augen über. Unseren Männern hebt sich — wir sind ja
unter uns —
das Glied nicht so und mehr noch — weich, wie holder
Schlaf, ist
Alles, und Wolle sind die Riemchen, keine Riemen; einen
Schuster,
der es mit uns Frauen besser als dieser meinte, kannst
du lange suchen?
Aus dem Gespräch geht hervor, daß ein wahrer Handel mit
diesen
begehrten Instrumenten getrieben wurde und daß die
Behörden stellen-
weise dagegen einschritten. Das Motiv, warum Frauen, wie
sie uns
hier geschildert werden, neben ihren Männern nach dem
Instrument
Sehnsucht hatten, ist klar ausgedrückt in den Worten
„unsern Männern
hebt sich das Glied nicht so," d. h. mit dem Instrument
waren größere
Raffinements im sexuellen Genuß zu erreichen! Übrigens
scheint die
Stelle „und Wolle sind die Riemchen, keine Riemen"
darauf hinzu-
weisen, daß es sich hier um ein Instrument zur
gegenseitigen Befriedi-
gung, nicht zur einfachen Onanie handelt. Deutlicher
noch behandelt
denselben Gegenstand Lukianos im fünften
Hetärengespräch, das ich,
da es in keiner Lukianausgabe verdeutscht ist, ganz
übersetzen will.
Klonarion: Neuigkeiten hört man von dir, Leaina; die
reiche Lesbierin
Megilla soll in dich verliebt sein, wie ein Mann? Ihr
seid zusammen
und macht da weiß Gott was mit einander? Was? Du wirst
rot, so
ist es also wahr? Leaina: Es ist so, Klonarion, aber ich
schäme
mich, denn es ist so komisch.,.. Klonarion: Bei der
Göttin, was ists
denn und was will diese Frau von dir? Was macht ihr
denn, wenn
ihr beisammen seid? Du bist still? Siehst du, daß du
mich nicht lieb
hast? Sonst würdest du mir sowas sagen! Leaina: Ich hab
dich
lieb wie keine andere. Jenes Weib ist schrecklich
männlich. Klona-
rion: Ich begreife nicht, was du sagst, — oder — sollte
es am Ende
eine männliche Freundin sein? So sollen nämlich auf
Lesbos die
männlichen Weiber sein, die zwar keinen Mann erdulden
können, aber
Weiber genießen, wie es sonst der Mann tut! Leaina: So
ähnlich ist
es. Klonarion: Bitte, liebste Leaina, sag mir doch
alles, wie sie
dich drangekriegt hat, wie du dich überreden ließest,
und was dann
folgtel Leaina: Sie haben ein Mahl hergerichtet, sie und
die Korin-
thierin Demonassa, ebenfalls sehr reich und in derselben
Kunst er-
fahren wie Megilla. Mich ließen sie zum Kitharaspielen
kommen, und
als ich gespielt hatte, spät abends, als es Zeit zum
Schlafengehen war und
sie genug getrunken hatten, sagte Megilla: Jetzt ists
Zeit zum Schlafen,
Leaina, leg dich hier zwischen uns beiden nieder.
Klonarion: Du
hast dich also hingelegt, aber was kam dann? Leaina:
Geküßt haben
288
Über den „Sktoßoc" der Hellenen.
sie mich zuerst, wie Männer, nicht nur mit den
Lippen, sondern mit
ein wenig offenem Mund, und umarmten mich und küßten mir
die
Brüste. Demonassa aber biß mich beim Küssen. Ich
verstand gar
nichts von all dem, was sie wollte. Auf einmal nahm
Megilla, die
schon warm wurde, ihre falsche Frisur herunter, die wie
eine echte
aussah und gut befestigt war; und sie war bis auf die
Haut rasiert,
wie die männlichsten Athleten. Ich war starr, als ich
das sah. Aber
sie sagte: Liebe Leaina, hast du schon mal einen so
schönen jungen
Mann gesehen? Aber, sagte ich, ich sehe hier gar keinen
Mann,
Megilla! Mache mich nicht zum Weibe, sagte sie, ich
heiße Megillos
und habe die Demonassa geheiratet, und sie ist meine
Frau. Da mußte
ich lachen, Klonarion, und sagte: So bist du also ein
Mann, ohne daß
wir's ahnten, Megillos, so wie Achilles unter den
Mädchen geblieben
sein soll in seinem Purpurkleid? Und hast du wirklich
das, woran
man Männer erkennt, und machst's du Demonassa wie ein
Mann? Das,
sagte sie, habe ich nicht; aber das brauche ich gar
nicht; aber du
wirst es mich auf eine eigene, viel wollüstigere Art
machen sehenl
Ja bist du dann, sagte ich, ein Hermaphrodit, wie es
viele geben soll,
und die Beides haben? Denn ich wußte immer noch nicht
was es
sei. Nein, sagte sie, ich bin durchaus ein Mann. Ich
habe, sagte ich,
von einer böotischen Flötenspielerin gehört
(Ismenodora), die berichtete,
daß Jemand in Theben aus einem Weib ein Mann wurde; es
war,
glaube ich, ein berühmter Wahrsager, Teiresias mit
Namen; ist es dir
vielleicht so gegangen wie der? Nein, traurig sagte sie,
ich bin geboren
wie ihr alle; aber mein Empfinden, Verlangen und alles
andere in mir
ist männlich. Und dir genügt das Verlangen? fragte ich.
Gib dich
mir hin, sagte sie, wenn du es nicht glaubst, und du
wirst merken,
daß ich in nichts hinter den Männern zurückstehe, denn
ich habe
anstatt jenes männlichen Teiles etwas — aber laß mich
nur, und du
wirst sehen. So ließ ich sie dann, Klonarion, da sie
mich so darum
bat und mir ein kostbares Halsband sowie feine Hemden
gab. Ich
umarmte sie wie einen Mann, und sie küßte mich, machte
es, kam
außer Atem und um Ubermaß von Wonne zu empfinden.
Klonarion: Was machte sie, Leaina, und wie, das mußt
du mir
vor allem sagen!
Leaina: Frag mich nicht aus; das sind schändliche
Sachen. Bei
der Göttin, ich kann nichts davon sagen!
Soweit Lukian, der doch zweifellos in dem obigen
Dialog den
Gebrauch des künstlichen Phallus beschreibt, wenn er das
Instrument
Über den „Sfooßoc" der Hellenen
289
auch nicht mit Namen nennt. Weitere Stellen aus der
griechischen
Literatur kenne ich nicht; es gibt wohl auch keine.
Dagegen hat die
griechische Kunst und zwar die Vasenmalerei noch Einiges
überliefert.
So findet sich auf einer Schale des Euphronios (etwa v.
500—450 v. Chr.)
ein Bild, das Hartwig, die griech. Meisterschalen 1893,
S. 457, wie
folgt, beschreibt: „Das Motiv der Figur ist die
oxvxivrj èxixovçla,
deren sich die Hetäre bedient (Aristophanes
Lysistrata 109/10). Das
Motiv ist nicht neu, es findet sich bereits im Innenbild
einer Schale
des Pemphaios in London (Klein, Meistersignaturen, S.
93, 14). Der
eiförmige Gegenstand, den die Hetäre in der rechten
Hand hält,---
ist ein Flacon, aus welchem die Hetäre den Phallos
mit Ol beträufelt."
Diese Schale steht übrigens nicht vereinzelt da: Hartwig
erwähnt aus
älterer Zeit noch einige andere Schalen mit künstlichen
Phallen, S. 345,
Anm. 2. Auf einem dieser Bilder fuhrt ein Mann einer
Hetäre einen
Olisbos ein, auf einem anderen trägt ein nacktes Weib
einen Krater
voll Olisben herbei, auf einem dritten hat sie zwei
Olisben in der Hand,
deren einen sie anwendet. Wie viele Abbildungen der Art
mögen
erst in Wirklichkeit existiert haben! Man sieht aus
diesen spärlichen
Resten der Literatur und Kunst, wie verbreitet der
Gebrauch der
künstlichen Phallen schon in den ältesten Zeiten bei den
alten
Hellenen war.
Anmerkung. Über den Autoerotismus vergl, man die
bezüglichen Aus-
führungen bei Dr. Iwan Bloch, Das Sexualleben unserer
Zeit, Berlin 1907,
Havelock Ellis, Geschlechtstrieb und Schamgefühl,
deutsch von Kötscher,
Würzburg 1907 und die literar. Nachweise bei Krauss, Das
Geschlechtleben in
Glauben, Sitte und Brauch der Japaner, Leipzig 1907.
Krauss, Anthropophyteîa. IV.
19
Koitus and Sexualinstinkt.
Eine Umfrage von Dr. Alfred Kind in Berlin.
Die Lehre vom Pathologischen im Sexualleben setzt ein
Normales voraus.
Normal, als Handlung oder Vorstellung oder Trieb, soll
der spezielle Zeugungakt
sein, d. h. Erhaltung der Art Was auch immer nicht
gleich Erhaltung der Art
ist, sei pathologisch (widernatürlich, Sünde).
Diese Formulierung führt, bei Anwendimg durchaus
„normaler" Logik, zu
unsinnigen Schlüssen; also scheinen die Prämissen
zweifelhaft zu sein.
.In der Tat kann man durch Analogien zu einer anderen
These gelangen.
Die Erhaltung der Art erfolgt durch sehr wenige Keime
unter „nutzloser Ver-
schwendung" sehr vieler, im ganzen Tierreich wie beim
Menschen. Folglich
wird jede Handlung aus Instinkt, die Keime
„verschwendet", natürlich d. h. nicht-
pathologisch sein müssen. Damit wäre den Pathologen der
Boden unter den Füßen
weggezogen. Es fragt sich nur um die Tatsachen-Beweise.
Wenn sich der Begriff der Keimverschwendung mit dem
des Pathologischen
deckte, so wäre also die Natur normalerweise
„ökonomisch" und der Sexualinstinkt
müßte die vererbte, apriorische Kenntnis vom Koitus
(wenigstens als einer Lust-
handlung) enthalten. Quod est demonstrandum.
Mir scheint nämlich erstens, daß die Kenntnis vom
Zeugungakt in der Regel
durch Mitteilung oder Eindruck von außen in die
Vorstellung gelangt (vgl. dazu
das Anschwellen der Aufklärungliteratur konform dem
Anwachsen der Großstädte,
in denen der optische Eindruck des Landlebens durch
sprachliche Mit-
teilung ersetzt werden muß).
Mir scheint zweitens, daß in der Regel bei Kindern
eine apriorische Instinkt-
kenntnis von Lusthandlungen besteht, die mit
„Verschwendung" einhergehen oder
zukünftig einhergehen werden.
Zu beantworten wäre also die Frage: War in jungen
Jahren, ohne jede
Vermittelung von außen, eine apriorische
Instinktkenntnis vom
Koitus als Lusthandlung vorhanden? oder daneben, oder
allein, eben-
solche instinktive Vorstellungen von anderen
Verschwendung-Lust-
handlungen?
ч
Die Stärkung männlicher Kraft.
Eine Umfrage von Karl Amrain.
I. Das Nachlassen der geschlechtlichen Triebe ist
wohl von alter-
her bei den Naturvölkern wie bei den männlichen
Angehörigen zivi-
lisierten Nationen als eine physisch wie psychisch
herabstimmende
Tatsache empfunden worden. Sie erinnert an
Vergänglichkeit, an
dahingeschwundene Jugendstärke und mahnt ernster als
vielleicht an-
dere Dinge an das Alter, an Erschöpfung, an Verzicht.
Sehen wir von den immerhin doch stets geringen
Bruchteilen der
Völker ab, bei denen die Selbstentmannung ein
gottgefälliges Werk
zu sein schien oder scheint, so finden wir andererseits
bei den aller-
meisten Völkern Wünsche, die männliche Kraft möglichst
lange zu
erhalten und zu stärken. Schwindet die Zeugungkraft,
dann verliert
der Naturmensch seine unumschränkte Gewalt und
Herrschaft über
sein Weib oder seine Weiber.
Grade weil körperliche und sexuelle Stärke bei den
Naturvölkern
so bedeutungvoll ist, tritt das Bedürfnis die männliche
Zeugungkraft
möglichst mächtig zu erhalten ganz besonders hervor.
Die Jaunde, Bali auch etliche Wei-Stämme in Kamerun
furchten
den „bösen Blick", der sich auf die männlichen
Geschlechtteile richtet,
denn er bewirkt Impotenz. Um ihr möglichst zu entgehen,
tragen die
Männer Panterzähne an einer dünnen Schnur um die Hüften.
Diese
Panterzähne stärken nach Ansicht der Kamerunleute das
Beischlaf-
vermögen. Der 1904 verstorbene lange in Kamerun tätig
gewesene
Arzt Dr. Plehn hat die Furcht der Männer vor dem bösen
Blick
häufig festgestellt. Werden die Leute bei ärztlichen
Untersuchungen,
wo sie sich entblößen müssen, vorgeführt, so klemmen sie
den Penis
mit großer Fertigkeit bei festgeschlossenen Beinen
zwischen die Ober-
schenkel, so daß das Glied jedem Blick entzogen ist.
Gleiches gilt auch für Samoa, aber auch hier nur für
Männer;
19*
2g2 Die Stärkung männlicher Kraft.
Frauen und Mädchen, welche unbekleidet überrascht
werden, bedecken
mit den Händen schamhaft die Hinterbacken und entziehen
möglichst
dem Manne den Anblick ihres Rückens.
Körperliche und sexuelle Stärke erhoffen die Hereros
in Südwest-
afrika, indem sie mitunter die Hoden tapferer Feinde
verzehren.
Hoden von Hähnen, Kaninchen, Hunden gelten in der
Volks-
medizin auch in Europa als Stärkungmittel für Männer.
Wir nennen
da besonders Frankreich. Die Hoden werden im rohen
Zustand fein
gehackt und mit Zwiebeln, Öl und Essig gemengt, dann
gegessen.
Ferner gelten junge Tauben als spermaförderndes Mittel.
Vanille, Zimmet, Gewürznelken werden weniger
genossen, um
Samen zu fordern als vielmehr um kräftige Erektionen zu
erzielen, um
den Grad der Wollust beim Koitus zu erhöhen. Hierher
gehören die
meisten Reizmittel des Genitalsystems. Sie treiben das
Blut in den
Penis, befördern aber nur den Priapismus.
In den Jahren 1830—1900 waren als spermafördernde
Mittel beim
französischen Volke besonders beliebt neben den
verschiedenen Hoden-
gerichten, Eigelb, Krebse, Ochsenmark, Backfleisch,
Milch, — besonders
Frauenmilch! Noch heute wird ja Frauenmilch im Volke als
Universal-
mittel bei Schwindsucht gepriesen. Beliebt waren ferner
gekochter
Knoblauch, Zwiebelkuchen, Hirschfleisch im Oktober oder
Mai, alter
Wein, Schokolade.
Außer diesen vom Magen aus wirkenden Mitteln gab es
und gibt
es solche, die äußerlich wirken. Z. B. mische Honig mit
Ameisen-
spiritus und Fett, gib Senfmehl dazu und füge ein wenig
Moschus bei.
Menge alles und streiche es in die Nierengegend nach dem
After zu
am Damm entlang und salbe den Hodensack. Ein anderes
Mittel
sieht man in Franzbranntwein, darinnen man
Roßkastanienblüte aus-
gezogen hat Mit der Tinktur sind die Hoden einzureiben.
Ein weiteres
Mittel: Zerkaue Weißbrot, tauche es in Rotwein und hülle
den Hoden-
sack und Penis in die Masse. Ferner: Nimm Schamhaare
eines mann-
baren Mädchens und stopfe sie unter das praeputium.
Auch im deutschen Volksliede finden wir Rezepte zur
Förderung
von Erektionen. Siehe z.B. Anthropophyteia, Band III, S.
189. LXXXII
wo es heißt:
Ich lieg im Bett und schwitze,
Mein Mann, der ist eiskalt,
Er hat keine Hitze,
Ist zum Pudem viel z' alt.
Die Stärkung männlicher Kraft
293
Ich koche ihm täglich Eier
Auch Zeller und Salat,
Vergebens ist die Mühe,
Er steht ihm niemals steif.
Hiernach wären also Eier, Selerie und Salat
zweckdienliche Mittel.
Weniger zur Förderung männlicher Stärke als vielmehr
zur Er-
höhung der Wollust beim Koitus scheint das in
Ostfrankreich unter
der Frauenwelt beliebte Verfahren geeignet zu sein. Die
Frau isst
„Zimmetmandeln", wodurch die Menses rascher zum Stillen
gebracht
und die Vagina enger werden soll, sodaß bei der
Cohabitatio die
Friktion außerordentlich erhöht wird. Genaueres ließ
sich leider nicht
ermitteln. — Im Taunus gilt oder galt lange Zeit das
Eintauchen des
Gliedes und Hodensackes in einen Absud von
Nußbaumblättern als
kräftigend. Das Einreiben des scrotum mit Bay-Rum wird
nach An-
gabe einzelner Masseure in großem Maßstab als
Kräftigungmittel an-
gewendet. Es gibt dabei ein nach den Weisen der
Mattchiche zu
singendes ganz nlodernes zotiges Gedicht: Reib mich mit
Bay-Rum
— Rings um das Ei Vum. — Ärzte erfahren von ihren
Patienten
manchmal die tollsten Rezepte, die der Impotenz abhelfen
sollen.
Z. B. Verwendung von Mausefett zum Einreiben der
testiculi. Die
Mäuse müssen lebend gefangen in heißes Wasser geworfen
und das
an der Wasseroberfläche sich sammelnde Fett sorgsam
abgeschöpft
werden. Auch blähende Speisen wie Erbsen, Bohnen,
Linsen, harte
Eier, Rettige essen die Männer in vielen Gegenden
Süddeutschlands
und Frankreichs, um durch die sich ansammelnden Gase
eine kräftige
Erektion zu erzielen. In den letzten Jahren legt man
Wert auf Sonnen-
bäder, genauer auf Besonnung der Dammgegend und des
Scrotum.
Zu den Gewaltmitteln bei wenig kräftigen Erektionen muß
man jeden-
falls auch rechnen die Verwendung eines schwachen
elektrischen
Stromes auf die Glans und ebenso die Verwendung eines
dünnen
Wasserstrahles, der auf die Glans geleitet wird. Ich
gebe nur eine
kleine mir im Laufe der Jahre bekannt gewordene Zahl von
Seltsam-
keiten, welche Stärkung der männlichen Kraft bewirken
sollen. Das
Gebiet ist im Interesse des gesamten Volkswohles von der
Wissenschaft
erst noch gründlich zu durchpflügen. Vielleicht
vermitteln diese Zeilen
dieKenntnis von weiteren ähnlichen Vorgängen, aus denen
der Ethnograph
wie der Arzt manch bedeutungvollen Anhaltpunkt gewinnen
könnte.1)
1) Man vergl. zu diesem Gegenstande Dr. Iwan Bloch,
Das Sexualleben
unserer Zeit, Berlin 1607. S. 488—97. Havelock Ellis,
Geschlechtstrieb und
Schamgefühl, Deutsch von J. E. Kötscher, III. Aufl.
Würzburg 1907. S. 351—78
(Auto-Erotismus).
■2
294
 
Erotik in der Numismatik.
I. Der „Cosel-Dukaten" liefert einen weiteren
interessanten Beleg für
die allumfassende Macht der Erotik, die sich selbst auf
ein so „trockenes" Gebiet
wie die Numismatik wagt.
Beim „Cosel-Dukaten" — unter diesem Namen begreift
man eine ganze
Münzgruppe — hat man den eigentlichen (goldenen) Dukaten
von den Silber-
stücken (Gulden, Va Taler und V6 Taler) zu
unterscheiden. Ersterer ist das origi-
nellste und völlig erotische Werk, bei letzterem spielt
das Sexuelle nur die Rolle
eines Scherzes.
Der Gold-Du kat en, vom Händlerwert 28 M., stammt wie
die nachstehend
beschriebenen Münzen aus den Jahren 1706—1711 und
leistet sich eine „Anzapfung"
auf den bekannten sächsischen Kurfürsten August, der
durch die „Haltung" zahl-
reicher offizieller Maitressen, unter ihnen der
bekannten Gräfin Cosel, „berühmt"
geworden ist und schon durch seine Persona für die
Sittenkunde jener Zeit typisch
ist. Unser Dukaten zeigt auf der einen Seite das Bild
eines Hahns, der eine
Henne tritt. Die Überschrift lautet „Umsonst" —
gewißlich ein klassischer Humor I
Die Rückseite trägt die Umschrift
„Wenn du nicht treu willst sein, so:"
Unter dem Doppelpunkt finden wir das Bildnis eines
zierlichen, halb auf einem
Beine stehenden Amorjungen, der das andere Bein in die
Höhe hebt, um auf ein
Herz zu — scheißen. Gewissermaßen eine bildliche
Paraphrase des bekannten
Abort- und Scherzverses:
„Daß du mich liebst, daß weiß ich,
Auf deine liebe schei—
nt der Mond!"
Relativ harmlos, und doch in der Verstecktheit des
Scherzes viel pikanter
sind der (silberne) Gulden aus dem Jahre 1706, der Va
Taler (1707) und der
Vg Taler (1707). Hier hat der Münzstecher eine
geradezu diabolische Phantasie-
freudigkeit entfaltet. Die Rückseite dieser Münzen trägt
bekanntlich zwei sächsische
Wappen, die in folgender Form aneinandergrenzen (a und b
die
beiden Wappen):
Der kühne Münzstecher hat nun in den dazwischen
liegenden ovalen Raum
einen Punkt gesetzt, wodurch denn das Bild einer vulva
ensteht,
wie es unnütze Schulbuben noch heute an die Wände
zeichnen.
Das Humoristische an der ganzen Sache ist, daß der
verulkte Kurfürst von
diesen Scherzen nichts „weißgekriegt" hat, während sich
Umgebung und Volk
weidlich amüsierten. Oder drückte er im Schuldbewußtsein
beide Augen zu?
Zwickau i. S. Hugo E. Luedecke.
II. Unsere Abbildung auf der Tafel im Anhange zeigt
die Vorderseite einer
Münchener kupfernen Denkmünze auf das J. 1881. Auf dem
aufgedeckten
Bauch eines Frauenzimmers sitzt ein bärtiges Männchen,
das da „stemmt". Die
Rückseite, der hier in natürlicher Größe abgebildeten
Denkmünze weist einen großen
Humpen mit der Inschrift § 11 auf. Daraus erkennt man,
daß eine lustige Tisch
gesellschaft diese Münze für ihre feuchtfröhlichen
Mitglieder zu einem Gründungfest
gestiftet hat. Für die im Handel sehr selten gewordene
Münze bietet man zu
200 Kronen an. F. S. Krauss.
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben
gesammelt von Vuk Stefanovic Karadzic.
(Aus dem handschriftlichen Nachlass.)
Der Vater der neuen serbischen Literatur und
Begründer wissen-
schaftlicher Erforschung des Serbenvolkes Vuk Stefanovic
Ka-
radzic (1787—1864) reihte bereits in die erste Ausgabe
seines ser-
bischen Wörterbuches (Srpski rjećnik) vom Jahre 1818
auch sogenannte
verba obscoena ein. Darum erhob man wider ihn ein
gewaltig Geschrei,
woraus ihm großes Ungemach und mancherlei Verlegenheit
erwuchs,
sodaß er sich genötigt sah, in der zweiten, vielfach
vermehrten Aus-
gabe desselben Wörterbuches (1852) alle Worte und
Wendungen
auszulassen, die den keuschen Leser daran erinnert
hätten, daß er ein
Geschlechtwesen und von Eltern in Sünde gezeugt worden
sei
Nun, wenn er auch dem auf ihn ausgeübten Druck
gehorchend
solche Sachen im Wörterbuche nicht mehr berührte, so
hörte er doch
nicht auf, sich folkloristisch und lexikographisch mit
ihnen zu befassen
und sie vorzumerken. In der kgl. Nationalbibliothek zu
Belgrad be-
wahrt man aus Vuks Nachlass einen Bund Handschriften
auf, denen
nachfolgende auf 272 Blättchen aufgezeichneten Sprüche
erotischen
oder skatologischen Inhaltes entnommen sind. Aller
Wahrscheinlich-
keit nach dürfte sich in den übrigen Papieren Vuks noch
mehr davon
vorfinden.
Jeder Spruch steht auf einem besonderen
Achtelbogenkärtchen.
Bei der Mehrzahl der Sprüche fehlt die Angabe des
Ursprung-
ortes, doch erkennt man schon nach den mundartlichen
Verschieden-
heiten, daß sie nicht aus einem einzigen Gebiete
stammen.
Auf vielen, doch nicht allen Kärtchen sind die
erotischen und
skatologischen Ausdrücke nicht voll ausgeschrieben,
sondern es stehen
bloß die Anfang- und Endbuchstaben, während die Lücken
mit Punkten
2q6 Erotische und skatologische Sprichwörter
und Redensarten der Serben.
oder Sternzeichen ausgefüllt sind, z. B.: G....a,
M..o, d..e = guzica
= Arsch; mudo = Hoden; dupe = Arschloch. Da und dort
waren
ursprünglich die Worte wohl ganz ausgeschrieben, dann
sind die
inneren Buchstaben gestrichen und dafür Pünktchen oder
Sternchen
eingesetzt worden.
Auf vielen Kärtchen sind nachträgliche Verbesserungen
und Zu-
sätze von Vuks Hand zu lesen.
Zu manchen Sprüchen fehlt die Erklärung, wo sie
erforderlich
wäre und es hält schwer deren eigentliche Bedeutung und
Anwendung
zu erraten.
Indessen bilden alle, sowie sie uns erhalten sind,
immerhin eine
kostbare Bereicherung der serbischen Folkloreliteratur
und der Anthro-
pophyteîa überhaupt.1) T. R. Gj.
i) Anmerkung des Ubersetzers. Über Vuk St. Karadzic
vergleiche
man die zwar kurze, doch sehr gediegene Würdigung bei
Tihomir R. Gjor-
gjevic: Zur Einführung in die serbische Folklore, Wien
1902, F. Lang (Karl
Wehle), S. 13—22. Sachlich hätte es sich wohl empfohlen,
diese Aufzeichnungen
aus Vuks Nachlass in meine bedeutend umfangreichere
Sammlung südslavischer
Sprichwörter einzureihen, die in einem späteren Bande
unserer Anthropophyteia
erscheinen soll, die Ehrfurcht vor unserem großen
Vorläufer auf dem Gebiete
der Folklorestudien gebietet uns jedoch, seine Sprüche
gesondert abzudrucken.
Manches Sprichwort, das dem serbischen Leser ohne
weiters verständlich ist, muß
ich für den Deutschen dennoch erklären, bei manchem aber
versagt mein Wissen,
ja, hie und da sogar meine Übersetzerkunst. Vielleicht
vermag der eine oder
andere unserer serbischen Leser durch Umfragen im Volke
Aufschluß zu erlangen
und macht uns davon Mitteilung. Im Herbste des Jahres
1887 besuchte ich in
Wien die einzige Tochter Vuks, die Witwe Mina
Vukomanovic. Sie war
infolge eines schweren Leidens mißgestimmt, empfing mich
aber trotzdem wie
einen Blutverwandten sehr freundlich. Ich erlaubte mir,
mich nach dem Verbleib
der Sammlung erotischer Volkserzählungen ihres Vaters zu
erkundigen. Sie sagte,
die hätte ihr Prof. Valtazar BogiSić, damals Beamte an
der k. k. Hofbibliothek
abgenommen. BogiSić bestätigte mir späterhin die
Richtigkeit der Angabe. Er
selber veröffentlichte nichts davon, nur in den
Kryptadia eine kleine Anzahl von
Erzählungen aus dem Nachlass Vuk VrSevic's. —Bemerken
muß ich, daß mir
von Vuks Sprichwörtern an hundert vorher unbekannt
waren. Sie sind vielleicht
einfach aus dem Verkehr gekommen oder sehr selten
geworden. Sprichwörter
sind kurz und kurzlebig, oft nur von örtlicher Bedeutung
und geringer Verbreitung.
Bloß die allgemeinsten Wahrheiten und Unwahrheiten, die
echte Weisheit von der
Gasse, die öffentlich predigt, die ist dem ganzen Volke
vertraut.
Einen Bannspruch und eine skatologische Erzählung,
die in diese Sammlung
von Vuks Sprichwörtern hineingeraten, brachte ich an
anderen Stellen in diesem
Bande unter, wohin sie gehören.
Von den weiteren 270 Zettelchen las ich bloß 256
Sprichwörter und Redens-
arten ab. Einigemal liegen Doppelschreibungen und das
anderemal nur mit einem
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
1. UkoCio se kao popov na ven^anju (kurac). — Er
versteifte sich
wie des Popen Zumpt bei einer Trauung.
2. Dupe duvaru a pamet u glavu (t, j. Cuvaj se). —
Das Arschloch
gegen die Wand, den Verstand aber in den Kopf (d. h. sei
auf der Hut). — Wenn
man mit einem Unbekanten auf einem Lager nächtigt, muß
man auf seiner Hut
sein, um nicht dessen Gelüsten zum Opfer zu fallen. Gib
dir keine Blöße zum
Angriff, sei verständig und klug.
3. Kako je, slugo, na polju? — Vedro kao srebrol — A
śto su ti
Cizme mokre? — Ki śa pada (a on popiśao Cizme). — Wie
schaut's, Diener,
draußen aus? — Klar, wie Silber! — Und warum sind die
Stiefel nass? — Es
regnet (er aber hatte die Stiefel bepisst).
4. Ne zna goga śta je рібка! (rekla nekakva
żena, koja je prema gogi
rużno sjela pa je neko opomenuo, da se pokrije.) — Der
Maurer weiß von einer
Voze nichts I (sagte irgend ein Weib, das sich einem
Maurer gegenüber häßlich
hingesetzt, als sie einer sich zu bedecken ermahnte.) —
Goga ist ein mazedonischer
Rumäne, der sich als Wanderarbeiter durch die Welt
schlägt. Das Weib verachtet
ihn so sehr, daß sie meint, er wüßte gar nicht, was
weibliche Schamteile wären.
Der fremdsprachige Mann erscheint ihr als zu dumm dazu.
5. Cudna starca, runjata mu je guzica! — Ein
merkwürdiger Alter,
sein Arschloch ist fließig 1 Abweisung eines Erzählers,
der etwas selbstverständliches
als Merkwürdigkeit zum Besten gibt.
6. Ako sam kriva dati, nijesam noge dizatil —
Wenn ich schuldig
bin, dir [Voze] zu gewähren, so doch nicht, die Beine in
die Höhe zu heben! —
So spricht die Frau zum ungeliebten Gatten, dem sie zu
Willen sein muß. — Ich
tue nur meine Pflicht, die mir widerwärtig ist.
7. Daj Boże da ne svane do Gjurgjeva dnel (kazala
nekakva mlada
koja je skoro dovedena). — O Gott, laß bis zum Georgtage
keine Morgendämmerung
anbrechen! (so sagte eine junge Frau in der
Hochzeitnacht.)
8. Bori se kao kalugjer s kurcem. — Er ringt wie der
Mönch mit dem
Zumpt. — Er kämpft gegen eine Naturnotwendigkeit
vergebens an.
9. Bog te sacuvao nova trgovca i stare kurve!
— Gott behüte dich
vor einem neuen Kaufmann und vor einer alter Hure!
10. Udijeli kurCev narode, majku ti jebem! —
(Pripovjeda se, da je
vikao nekakav pijan slijepac na saboru proseći a sad se
гебе kad ko śto iśte pa
einzigen Worte abweichende Fassungen vor. Im zweiten
Falle merkte ich in
Klammern das andere Wort einfach an. Von den kleinen
Schreibversehen, die
leicht zu berichtigen waren, schweige ich hier, weil ich
bei den Studierenden der
Anthropophyteia kein genügendes Interesse für eine
solche nebensächliche philo-
logisch kritische Bemühung voraussetze. Hie und da
reihte ich zusammengehörige
Sprichwörter aneinander. Um alle sachlich nach
Schlagworten zu ordnen, dazu
ist der Vorrat zu bescheiden. Kurze Haare sind bald
gebürstet und eine kleine
Sammlung ist bald überflogen, so klein sie aber auch
ist, so vermittelt sie dem
Leser doch immerhin eine Anschauung von der großen Menge
derartiger Sprich-
wörter und Redensarten des Serbenvolkes.
% Die im Text eingeklammerten
Erläuterungen zu den Sprichwörtern rühren
von Vuk, die anderen, sowie alle Verdeutschungen von mir
her.
Friedrich S. Krauss.
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
se ne moli smijerno i pokorno.) — Spende Almosen du
Zumpt volk, ich vögle dir
die Mutter ! — (Man erzählt, so habe irgend ein
betrunkener Blinder auf der Kirch-
weih bettelnd geschrieen, und jetzt sagt man es, wenn
einer etwas verlangt, doch
darum nicht bescheiden und ergeben bittet.)
11. Stakni babu u guzicu, nek ti dade ljubenicu! (na
pitanje śta?) —
Rühr das Mütterlein ins Arschloch, sie soll dir eine
Melone gebenI (auf die Frage:
was ?) — Des Reimes wegen, wie im Deutschen, wenn einer
aus Unaufmerksamkeit
fragt: was? und man ihm antwortet: Man scheißt dir auf
die Nas!
12. Uśao mu pundrov u dupe. (Kad je ko nemiran.) —
Ein Roßwurm
ist ihm ins Arschloch eingedrungen. (Von einem
Unruhigen.)
13. Tikva glava, govno mozak. — Kürbis der Kopf,
Dreck das Gehirn.
— Damit kennzeichnet man einen bösartigen Hohlkopf.
14. Igra se golim oko gola. (Kad ko vaino śto za malu
stvar drzi). Er
spielt mit dem Nackten um das Nackte herum. (Wenn einer
etwas Wichtiges für
eine kleine Sache hält). — Mit dem nackten Zumpt um das
nackte Arschloch eines
anderen zu spielen, ist keine Kleinigkeit. Wir sagen,
spiele nicht mit Schieß-
gewehren.
15. Lovcu govno u loncu a hajkaSu u bakracu. — Der
Jäger hat
einen Dreck im Topf, der Treiber aber im Kupferkessel. —
Sinn: Viel Plage und
Geschrei um nichts.
16. Da padne na guzicu razbio bi nos. (Kad se kazuje
za koga, da je
vrlo nesretan).— Fiele er auf den Arsch, zerschlüge er
sich die Nase. (Wenn man
wem nachsagt, er wäre vom Unglück verfolgt.)
17. Vidima je bijeda u starca żena mlada. — Bei einem
Greis ein
junges Eheweib ist eine sichtbare Unsaelde.
18. I to je bolje nego śaśom dupe otrti. — Auch das
ist noch immer
besser als sich mit Rietgras das Arschloch auszuwischen.
— Unser: Besser eine
Laus im Kraut als gar kein Fleisch.
19. Ako si i mati, pokri sei — Wenn du auch die
Mutter bist, so bedeck
dich dennoch I — Man darf selbst dem allernächsten
Verwandten gegenüber nicht
die Schamhaftigkeit gänzlich verleugnen.
20. Ostao kao govno na cedilu. (Kad se mlijeko
procijeda.) — Er blieb
wie der Dreck auf dem Seiher zurück (beim
Milchdurchseihen).
21. Ne muti govna, da ne smrde. — Rühr den Dreck
nicht auf, damit
er nicht stinken soll.
22. Nije se setio radi cetvrtka, vec radi svoga
prkna. — Er erin-
nerte sich nicht des Donnerstags, sondern seines
Farzlochs wegen. — Von einem,
der den Gründonnerstag nicht aus Frömmigkeit, sondern
des Festmahls halber feiert.
23. Rasprdnuti igru (t. j. pokvariti. Gledaj: umrije
kumce, rasprde se
kumstvo). — Zerfarzen das Spiel (d. h. verderben. Siehe:
das Pätchen gestorben,
die Gevatterschaft zerfarzte sich).
24. Vjecna mu patarica i blażeni tandrkl (Każe se u
sali mjesto pok-
njiikoga: Vjecna ja mu pamjat i błazen pokój!) — Ewig
sei ihm das Sattelbrett
und seliges Gerassel! (Man sagt so scherzweise statt des
Schriftmäßigen: Ewig sei
sein Gedenken und selig die Ruhe!)
25. Ne valja po pizde vode. — Er taugt keine halbe
Voze Wasser. —
Von einem Taugenichts. — Männer sagen: da pustim kurac
vode = muß mal
einen Zumpt (voll) Wasser lassen; Frauen: pizdu vode,
eine Voze voll Wasser;
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
einer, der nicht einmal die Hälfte des wertlosen
Weiberpisses wert ist, ist schon
ein vollkommener Niemand.
26. Bliżnjoj nagoreo skutak a daljnoj i tupak.— Der
näher Sitzenden
brannte das Fürtuch, der ferneren sogar das Stumpfende
(das Gesäß) an.
27. Pouzdala se strina u sinovca pa ostala jalova. —
Die Tante ver-
ließ sich auf den Neffen und blieb gelt. — Auf Verwandte
gibt es keinen Verlass.
28. Gjavo si ti, kad se natrćiś! (Kad korne u sali і
s podsmijehom hoće
da se każe, da je pametan і dosjetljev.) — Ein Teufel
bist du, wenn du den Arsch
vorstreckst! [als Lustknabe]. (Wenn man einem im Scherz
und schmunzelnd sagen
will, er wäre gescheidt und witzig.) — Er versteht es,
den Arschficker so zu foppen,
daß der seine liebe Not mit ihm hat, ehe er ihn wirklich
drankriegt.
29. Rasrdio se govedar na selo pa osekao sam svoj
kurac. — Der
Rinderhirte erzürnte sich über das Dorf und hieb sich
(zum Trotz) selber den
Zumpt ab. — Wir sagen: er schnitt sich die Nase ab, um
den bösen Nachbar
zu ärgern.
30. Odvalio kao Blagoje serući. — Er legte los, wie
Blagoje beim
Scheißen. — Anspielung auf eine mir unbekannte Schnurre
von B. dem großen Kacker.
31. Ostao kao posran. (Kad se ko od svoje rijeci ili
od svoga djela
postidi). — Er blieb wie beschißen. (Wenn einen
Schamgefühl über seine Worte
oder seine Handlung überkommt.)
32. Pustio guzicu na kolac. (Kad se ko razgolići.) —
Er streckte den
Arsch aufs junge Gras aus. (Auf einen, der sich nackt
ausgezogen.) — Die Redens-
art steht auch in der dritten Auflage von Vuks Wtb.
(Belgrad 1898) mit dem
Bemerken: Man sagt es im Scherz von Moslimen, wenn sie
nicht angekleidet sind.
33. Prdi mara na pudara. (Ko mari za to?) — Marie
farzt auf den
Winzer, (Wer scheert sich darum?) — Zeile eines
Reigenliedes.
34. Pristao kao lisica za ovnujskim mudima.
(Pripovjeda se, da je
lisica videci ovnova muda gdje vise, mislila, da će
skoro otpasti pa öitav dan ili
і vise u zaludu iSla za ovnom po planini.) — Er läuft
hartnäckig hinter ihm einher,
wie der Fuchs hinter den Schafbockhoden. (Man erzählt,
als der Fuchs sah, wie
die Schafbockhoden herabhängen, habe er geglaubt, sie
würden bald abfallen und
da ging er den ganzen Tag oder auch noch länger im
Hochgebirg vergeblich dem
Schafbock nach.)
35. Otiśao u guzicu po med. — Er begab sich ins
Arschloch um Honig
zu holen.
36. Ja tebi dala jedan put kao poStenu knezu a ti
mené (sad) za-
opucao kao kurvu! — Ich gewährte dir einmal [Voze] als
wie einem ehrenwerten
Dorfschulzen, du jedoch begehrst (jetzt) frech von mir
wie von einer Hure! —
Pointe einer mir sonst unbekannten Schnurre. Sinn: wer
sich einmal zu schlechtem
hingibt, den achtet man wie einen Schlechten.
37. Ko (na ovom svijetu) ne jebe punice, (na onom
svijetu) vuci će joj
śaś iz guzice. — Wer (hienieden) seine Schwiegermutter
nicht vögelt, wird ihr
(im Jenseits) Rietgras aus dem Arsch ziehen. — Hat einer
eine noch riegelsame
Schwiegermutter, so belehrt man ihn im Scherz so, wenn
er die Frage, ob er die
Frau auch beschlafe, wie selbstverständlich verneint.
38. Jebem ga za vrat kao Bugarin bivola. — Ich vögle
ihn hinter den
Hals, wie der Bulgare den Büffel. — Die Geschichte, auf
die die Redensart anspielt,
ist mir unbekannt.
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
39. Jebi mlado. da te oeeślja a staro da te poćasti.
— Vögle ein
junges (Weib), damit sie dich kämme, eine Alte aber,
damit sie dich tüchtig bewirte.
40. Ja ne kupujem u kurve kurac. (Reee se u Kotoru
onome, koji
svasto skupo prodaje.) — Ich kaufe einer Hure keinen
Zumpt ab. (So sagt man
zu Cattaro zu jenem, der da alles und jedes teuer
verkauft.)
41. Kad gjavo nije posla imao. metao je petia materi
u pićku. —
Als der Teufel nichts zu tun hatte, da steckte er einen
Hahn seiner Mutter in die
Voze hinein. — Unser Bauer sagt: Einmal hat einer nichts
zu tun gehabt, da
steckte er den nackten Arsch zum Fenster hinaus.
42. Dokle kosih travu lipicu,
dobro probijah svaku pièicu;
a kako stadoh po brdu vresak,
kao da u kurac udari tresak.
Solang als ich noch Bastard-Eibisch mähte, durchschlug
ich tüchtig jedes Vözlein;
— wie ich jedoch auf dem Berge anfing Besenheide [zu
mähen], — als ob ein
Zittern in den Zumpt gefahren wäre. — Das ist ein
Reigenliedchen; zu erklären
vermag ich es nicht.
43. Miti ga kao mati poprdljivu ćerku. — Er besticht
ihn, wie die
Mutter ihre Tochter die Farzerin. — Damit die nicht in
Gesellschaft die Mutter
beschäme.
44. Svakom svoje govno miriśe. — Jedem duftet sein
eigener Dreck.
— Dieses Sprichwort entstand unter Leuten, denen die
Syphilis wenig bekannt
sein mochte; denn den Syphilitischen stinkt ihre eigene
Ausscheidung furchtbar zu.
45. Kamo vas ćako i majko, da vi polijem і da vas
poljubim u
ruku, da mi sjutra govna ne jedetel Rekla nevjesta
svekru і svekrvi i osta-
li jem u kuci prvo jutro pośto se do vela. U Dalmaciji.
— Wo steckt ihr, Väterchen
und Mama, daß ich euch Wasser über die Hände gieße und
euch die Hand küße,
damit ihr mir morgen den Dreck nicht essen sollt! So
sprach die heimgeführte
Braut zum Schwiegervater und zur Schwiegermutter und zu
den übrigen Haus-
insassen am ersten Morgen nach der Heimführung. —
Jemandes Dreck essen,
hier, von jemandem verleumderisch reden. Man vergleiche
unsere Erzählungen im
Abschnitt vom Dreck. — Über die Stellung der jungen Frau
in der Hausgemein-
schaft vergl, die Mitteilungen bei Krauss, Sitte und
Brauch der Südslaven,
Wien 1885.
46. Rovitom govnetu mało kiśe treba. — Ein weicher
Dreck braucht
wenig Regen. — Er geht leicht auseinander. — Von Leuten,
die bei der geringsten
Veranlassung in Tränen ausbrechen.
47. Reci ludu da prdne a on se posere. (Mit
Bleistift: a on će se
posr...) — Sag einem Narren, er soll mal farzen und der
bescheißt sich auch
gleich (... und er wird sich besch .,.,).
48. Prvome muśtuluk a drugome govno. (Kad ko kazuje
śto kao
kaku novinu, śto su drugi već prije kazali.) — Dem
ersten ein Botenlohn, dem
zweiten aber ein Dreck. (Wenn einer etwas als eine
Neuigkeit erzählt, was die
anderen bereits früher erzählt hatten.)
49. Junak je govno (koje svak obilazi. Kad se za koga
rekne, da je junak.)
— Ein Held ist ein Dreck, (dem jeder im Bogen
ausweicht. Wenn man von einem
sagt, er wäre ein Held!). — Helden nennen sich
Kampfhähne, Stänker und Unheil-
stifter. Die Chrowoten berühmen sich z. B. ein
Heldenvolk zu sein, sie sind aber
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
auch überall jedermann und sich selber verhaßt und
wer den Frieden liebt, weicht
ihnen noch mehr als einem Dreck aus.
50. Jebu Ii ti brzu majku, koja je psima na Kosovu
utekla! (Kad
se ko uteće te radi і govori ono sto nije njegov posao.)
— Ob sie nicht deine schnelle
Mutter vögeln, die den Hunden auf den Leiten entronnen
ist! (Wenn sich einer
aufdrängt und tut und spricht, was nicht seine Sache
ist.) [Dies Sprichwort auf der
Rückseite eines Kärtchens, nachträglich durchstrichen,
konnte aber doch entziffert
werden.] — Die Schlacht auf den Leiten, dem schiefen
Gefilde, Kosovo 1389. Den
Namen verdeutschte man falsch mit Amselfeld.
51. Kojoj kobili ne znaś ćudi, ne idi joj k nogama! —
Nah dich
nicht den Füßen einer Stute, deren Gemütart du nicht
kennst.
52. Nepoznatoj se kobili s repa ne ide. — Einer
unbekannten Stute
nähert man sich nicht von der Schweifseite.
53. Vozgovna! T. j. idi odatle. (Kad ko cera koga od
sebe, i znaci:
Bjeż odatle, — idi bez traga!) — Fahr einen Dreck! d. h.
troll dich von hinnen.
(Wenn einer einen von sich wegjagt, und es bedeutet:
Marsch weg von hier, —
geh spurlos weiter!)
54. Kad se obrne tur ha kur; ili: — Wann sich der
Gesäßteil auf den
Zumpt zuwendet; oder:
55. Kad se ono posrano okrene naprijed. (T. j. kad
posao pogje
naopako.) — Wenn sich jenes Beschißene nach vorne
wendet. (D. h. wenn ein
Geschäft schief geht.)
56. Ne bi mu na mizdraku govno pod nos mogao
donijeti. (Kad
se koji ponese pa se ne może s njime lasno da govori.) —
Du könntest ihm auf
einem Speere keinen Dreck unter die Nase zutragen. (Wenn
einer hoffährtig wird
und es nicht leicht hält, mit ihm zu sprechen.) — Er
trägt nämlich die Nase so hoch
usw. Statt Weihrauchs einen Dreck, der ihm gebührt. —
Dies Sprichwort wieder-
holt sich auf Vuks Blättchen noch zweimal.
57. Jedegovna. (Kad ko govori śto ludo ili
nepovoljno. U ovom doga-
gjaju se govore і ove druge sve tri poslovice, koje se s
ovim rijecma poemju.) —
— Er isst Dreck. (Wenn einer etwas törichtes oder
ungünstiges spricht. In diesem
Falle wendet man auch die folgenden drei Sprichwörter
an, die mit diesen Worten
anheben.)
58. Jede govna kao pijan rotkvu. Er isst Dreck, wie
ein Betrun-
kener Rettig.
59. Jede govna kao Grk hàjvar. — Er isst Dreck, wie
ein Grieche Kaviar.
60. Ustima govna jedi (koliko ti drago) samo rukama
ne dirajl (t. j.
możeś govoriti, śto ti drago, samo se rukama ne dovataj.
Osobito reku żene
i gjevojke momćadima.) — Mit dem Mund iss Dreck (soviel
als dir behagt), nur
mit den Händen rühr nicht an! (d. h. du kannst reden,
was dir beliebt, nur mit
den Händen greif nicht zu. So sagen besonders Frauen und
Mädchen zu den
Burschen). Im Reigen, beim Kukuruzrüppeln, in der
Spinnstube, bei der Bittarbeit
und bei geselligen Zusammenkünften überhaupt, zumal beim
Fensterin führen die
Burschen gewöhnlich die losesten Reden, bildlich
ausgedrückt, sie essen Dreck
Der Erheiterung wegen nimmt man dies hin, doch ist es
ein Unfug, jedem Frauen-
zimmer gleich auch nach den Zizen und den Schamteilen zu
greifen.
61. Jede govna, dok mu ja raka uhvatim. — Er
isst solang Dreck,
bis ich ihn nicht bei seinem Krebs packe. — Der Krebs
ist der Arsch. Wenn der
302
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
Kerl nicht aufhört zu schmähen, so werde ich ihn
puzerieren! bildlich: aufs
schimpflichste behandeln.
62. Śto kuma donijela u torbici to odnijela u guzici.
(Kad ko Sto
korne donese pa sam najvise i pojede.) Iii: — Was die
Gevatterin im Hängesäckchen
mitgebracht, das trug sie wieder im Arsche weg. (Wenn
einer einem etwas mit-
bringt und dann selber das meiste davon auch aufisst.)
Oder: — Die Variante
oder die Parallele dazu fehlt in Vuks Vormerkungen.
63. Ne bi kriv ko prde, već ko Cu. — Nicht der trägt
die Schuld, der
da gefarzt, sondern der es gehört hat. — Weil der Hörer
davon ein Aufheben
machte, setzte er den Farzer in Verlegenheit und
beschämte ihn. Den Skandal
verursachen die Farzriecher und Tugendwächter, nicht
derjenige, der zufällig gegen
die gute Sitte verstößt.
64. Sam prde, sam kolac potrze. — Allein farzte er,
allein schwang er
den Pfahl.
65. Ko prde kolac poteże a ko Cu jedva uteće. — Wer
da farzte,
schwang den Pfahl, und der es hörte, entrann kaum. —
Vergl. zu 63—65 Anthro-
pophyteîa III. S. 373—373» N0. 539—541-
66. TrCi se a guzica mu se vidi. Gledaj: Glas do neba
itd. — Er beugt
sich aufdringlich vor, der [nackte] Arsch guckt ihm aber
hervor. (Siehe: Der Ruf
bis zum Himmel usw.) — Das Sprichwort lautet: Glas do
neba a kad dobro
poglediś a ono mućak. Der Ruf (der Henne) drängt bis zum
Himmel, schaust
du aber genauer hinzu, so ist es ein unfruchtbares Ei.
Das Sprichwort auch bei
Vuk in den Narodne poslovice N0. 42.
67. Pri guzici je duśica rtica (t. j. pri brizi o
jelu i o ostalim tjelesnim
potrebama Cesto se duśa 1 zaboravi). — Beim Arsch ist
die liebe Seele das Spitzchen
(d. h. bei Sorgen wegen der Nahrung und übriger
leiblicher Bedürfnisse vergisst
man häufig auch auf die Seele). — Wenn man nichts zu
beißen und zu brechen
hat, scheert man sich wenig um das Seelenheil.
68. Uz kur kurje uz Capurje. — Ist dem Übersetzer
unverständlich.
69. Ne cudim se babi Miljani śto gazi po bari, već se
Cudim popu
Pavlu, śto je on digao glavu! — Ich wundere mich nicht
über Mütterlein
Miljana, daß sie in der Pfütze watet, sondern wundere
mich über den Popen Paul,
daß er den Kopf erhoben ! — Der heilige Mann sollte sich
doch um nackte Beine
nicht bekümmern. Gemünzt auf Heuchler, die anderen
Enthaltsamkeit von fleisch-
lichem Verkehr predigen, selber aber lüstern sind.
70. Hoće guza mesa. (Kad koga biju śto je ukrao kakvo
zivince. koje
se jede.) — Das Arschlöchlein möchte halt Fleisch. (Wenn
man einen haut, weil
er ein Tier gestohlen, das man isst.) Not kennt kein
Gebot.
71. Naduo (napeo) se kao mudo na ugljenu (t. j.
ovnujsko ili jarcevo
mudo kad se peJe za jelo. Kaie se za ponosita ili srdita
Coveka). — Er blähte
sich auf, wie Hoden auf Kohlenglut (d. h. wie Schaf-
oder Ziegenbockhoden, wenn
man sie zum Essen brät. Man sagt so von einem
hochmütigen oder aufbrausenden
Menschen).
72. Da padnem na legja slomio bih kurac! (Kad ko
kazuje, da je
vrlo nesrećan.) — Fiele ich auf den Rücken, bräche ich
mir den Zumpt! (Wenn
einer über sein großes Unglück klagt.)
73. Gola govna (t. j. zlo. Gjekoji u sali odgovori na
ovu poslovicu: Ako
su gola a ti skini kapu te ih pokrij). — Ein nackter
Dreck (d. h. ein Übel. Im
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
Scherz antwortet mancher auf dieses Sprichwort: Wenn
er nackt ist, nimm die
Mütze ab und bedeck ihn).
74. Prva6ast (iza govna. Reee se za nepovoljno jelo).
Das ist der erste
Gang (gleich nach dem Dreck bei einem Festmahl. So sagt
man von einer minder-
wertigen Speise).
75. Pita od govana biti ne może (jer makar se kakvi
mirisi u nju met-
nuli, opet će smrgjeü). — Aus Dreck läßt sich kein
Honigkuchen bereiten (denn
mag man was für immer Wohlgerüche darein mengen, stinken
wird er dennoch).
76. Jec pre glava boli, leb ne stoji. (Kad bolestan
mnogo jede). —
J . . . p . . der Kopf schmerzt, Brot steht nicht. (Wenn
ein Kranker viel isst.) —
Die ersten zwei Worte unübersetzbar.
77. Kad grmi пек i munje sevaju! Pripoveda se, kako
je nekakva
żena prdnula pred mużem koji se bio ućinio gluv pa kad
je on zapitao, śta se to
Cu, odgovorila mu da grmi; onda on uzme ugarak s vatre
pa po njoj govoreci:
Kad grmi пек і munje sevaju I — Wenn es donnert, so
sollen auch die Blitze
zucken ! Man erzählt, wie mal ein Weib vor ihrem Manne,
der sich taub gestellt,
farzte und sie ihm auf seine Frage, was man da gehört,
geantwortet, es donnere,
worauf er vom Feuer einen brennenden Scheit ergriffen
und mit dem angeführten
Ausruf auf sie losgeschlagen habe.
78. Dok bi ciganin govno izio. — Nicht länger als ein
Zigeuner braucht,
um einen Dreck zu verzehren. — Sehr schnell. Der
Zigeuner ist heißhungerig
und ist zur Stillung seines Hungers nicht wählerisch.
79. Dete se vrne i na ujca preko Dunava a kamo li na
slugu u
kuci. — Das Kind gerät sogar dem Oheim jenseits der
Donau nach, wie denn
nicht erst nach dem Diener im Hause. — Die Mutter hat
sich eben verschaut.
80. Da je lasno lajati, ne bi pas prdio. — Wäre es
leicht zu bellen,
tat der Hund nicht farzen. — Auch zum Schmähen
und Verleumden bedarf es
Geschickes.
81. Prevrni govegju balegu, naci ćeś Iriżanina pod
njom. —
Wend einen Rinderdreck um, da findest einen Iriger
darunter. — Die Serben des
jetzt deutschen Ortes Irig in Sirmien trieben sich in
dem neuen Fürstentum Serbien
als Kulturträger herum und verstanden es, sich durch
ihre Aufdringlichkeit sprich-
wörtlich unbeliebt zu machen.
82. Da je dobro govno, izjeli bi ga Cavtacani. — Wäre
Dreck gut
(zu essen), die Bewohner von Ragusa Vecchia verzehrten
ihn. — In Cavtat (R. V.)
wohnten ehemals vorwiegend Kleinhändler, die das Land
als Hausierer bestreiften
und sich durch ihre übertriebene Sparsamkeit
auszeichneten.
83. Ko magarca (na magarcu) jaàe, valja i prdeź da mu
trpi. —
Wer zu Esel reitet, muß auch dessen Farz ertragen.
84. Prda prdu sustiże (n. p. od straha). — Der Farz
holte den Farz ein
(z. B. aus Furcht). — Ein Feigling rennt schneller als
der andere.
85. Ne dao Bog kamenja jesti a govna su mekana.
(Rekne kasto
mlagji, kad ga stariji narani nećiśću.) — Bescheer einem
Gott keine Steine zu
essen, Dreck aber ist weich. (Sagt mitunter ein
Untergebener, wenn ihn ein Vor-
gesetzter mit Unflat abspeist.)
86. Na dram jede, na dram sere. (Seljaci govore za
varosane, koje oni
ponajvise drze za tvrdice.) — Eine Drachme schwer isst
er, eine Drachme schwer
scheißt er. (Der Bauer sagt es den Städtern nach, die er
zumeist für Geizhälse
304
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
hält.) — Spitzname für Krämer: dramoser,
Drachmenscheißer, wie wir sagen:
Zwirnscheißer.
87. Ta prdio, ta govorio, njemu sve jedno. — Ob du
farzst, ob du
sprichst, ihm ists alles eins. Von einem
Unempfindlichen.
88. Navalili kao muhe na govno. — Sie stürzten sich
darauf, wie Fliegen
auf den Dreck. — Von zudringlichen, habgierigen oder
gefräßigen Menschen.
89. Prem есе se s guza na guz. (Kad se za koga hoće
da każe, ne radi
nista, nego leżi besposlen.) — Er rutscht von einer
Arschbacke auf die andere.
(Wenn man von einem sagen will, daß er nichts arbeite,
sondern untätig liege.)
— Bei uns: er wetzt den Arsch.
90. Sveta je ovca, koja se posere u mlijeko pa ga
ljudi opet jedu
(pośto se ocijedi. Ovo se obićno govori, kad se zivom
coveku, n. pr. kakvom
kalugjeru, rekne sveti). — Heilig ist das Schaf, das
sich in die Milch bekackt
und es essen sie die Leute dennoch (nachdem man sie
geseiht. Diese Redewendung
gebraucht man gewöhnlich, wenn man von einem Lebenden,
z. B. einem Mönche
sagt, der heilige).
91. Od sile prdi a od rgje smrdi. —Vor Gewalt farzt
er und von Nichts-
würdigkeit (Rost) stinkt er. — Von einem aufgeblasenen
Wicht.
92. Ta govorljiv, ta poprdljiv (sve jedno je
sramota). — Ob er ge- *
schwätzig, ob er gefarzig ist (auf jeden Fall ist 's
eine Schande). — Von einem,
dem man allerlei Untugenden nachsagt, von denen jede für
sich ausreichte.
93. Ko je srećan i u turu nag je (u sali se
rekne). — Der Glückliche
findet auch in den Hosen [etwas von Wert] (sagt man im
Scherze). — Von einem,
der alleweil irgend eine belanglose Sache findet und
sich seines Glückes berühmt.
94. Svak o svojoj guzobolji nek se brine. — Jeder
bekümmere sich
um sein eigenes Arschweh.
95. More ti do koljena a govno ti do uśiju! (Kad
jednak jednakome
rekne: More!)— Das Meer reicht dir bis zu den Knien, der
Dreck aber bis zu den
Ohren! (Sagt ein gesellschaftlich Gleicher zu einem
anderen: More!) — M. aus
dem Neugriechischen, du Tropf, du Närrchen; slavisch
more = Meer.
96. Ne seri, ne ribari, nego ori pa se rani! (U
Srijemu.) — Scheiß
nicht fisch nicht, sondern acker und ernähr dich! (In
Sirmien). — Gegen speku-
lationwütige Bauern.
97. Misliti і srati, to je sve jedno, (nego valja
raditi). — Sinnen und
scheißen, das ist alles eins (vielmehr muß man
arbeiten).
98. Guta kao hala govna. — Würgt hinab, wie der
Drache den Dreck.
— Nach dem Märchen vom Drachen. Auf einen Fresser.
99. Seta se kao posran golub. — Er ergeht sich, wie
ein beschissener
Täuberich. — Von einem Dünkelhaften.
100. Kad dogje sugjenik, nek izjede govno kućenik! —
Kommt
der vom Schicksal bestimmte [Bräutigam], dann soll der
Hauswirt den Dreck auf-
essen! — Sagt wohl ein unsauberes Mädchen.
101. Ko od straha mre, za duśu mu se prdi. — Wer vor
Furcht hin-
stirbt, für dessen Seelenheil farzt man. — Nur das
Andenken Mutiger ehrt man
durch Seelenmessen, das der Feiglinge jedoch schmäht
man.
102. Ni mu je u kuci sit prdnuo, ni gladan uzdanuo. —
Weder hat
in seinem Hause ein Satter gefarzt, noch ein Hungriger
aufgeseufzt. — Von einem
Geizhals und Knicker.
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
.103. Svjedoku govno od oku.— Dem Zeugen ein
okaschwerer Dreck. —
Als Entlohnung nämlich. Von Leuten, die sich zur
Zeugenschaft aufdrängen, um
daraus für sich einen Vorteil zu ziehen.
104. Uze strunjicu pa obrisa guzicu. Er ergriff den
Ziegenhaarrucksack
und wischte sich damit den Arsch aus. — Von einem, der
in der Verlegenheit zu
einem unzweckmäßigen Auskunftmittel greift.
105. Utiće se, kao krpe u guzicu. — Er drängt sich
ein, wie ein
Fetzen in den Arsch. — Von einem, der sich in fremde
Sachen ungebeten einmengt.
106. Ko se umije posrati, umije se i oprati. — Wer
sich zu bescheißen
versteht, der versteht es auch, sich rein zu waschen. —
Unser: Wer sich selber
eintunkt, tunkt sich selber auch aus.
107. Ne more se i prdnuti і stisnuti. — Man kann
nicht gleichzeitig
farzen und [den After] zusammenziehen.
108. Mlad i zelen kao guSöje govno. (Rekne se korne
mladom u Sali.)
— Jung und grün wie ein Gansdreck. (So sagt man
scherzweise zu einem jungen
Menschen.)
109. Mekoj gjevojci potreni dojci. — Ein
weichherziges Mädchen hat
mürb geriebene Tutein. — Weil sie sich jedem hingibt,
welken ihre Brüste. —
In den Krivoslje: rastrene dojke = zerriebene Tutein.
110. Mekoj gjevojci meke і sise. — Ein weichherziges
Mädchen hat auch
weiche Zizen.
m. S moga meka obraza і sise su mi meke. — Von wegen
meines
weichen Ehrgefühls sind auch meine Zizen weich. — So
sagte wohl ein Mädchen.
112. S meka obraza gola guzica. — Von wegen des
weichen Ehrgefühls
ist der Arsch nackt. — Von einem Lustknaben, der sich
preisgibt.
113. S meka obraza gola govna. — Von wegen des
weichen Ehrgefühls
ein nackter Dreck. — Wie N0. 112.
114 und 115. Cist, kao dupe o berbi. Gledaj: Brblja,
kao guzica
(dupe) o vinoberi. — Rein, wie das Arschloch zur
Weinlese. Siehe: Er schwätzt,
wie der Arsch (der After) zur Traubenlese.
116. Sröku manje u prknu (u Boci). — Der Zornnickel
(Bosnickel) hat
weniger in Arschloch (in der Bocca). — Weil er sich
abseits stellt, essen ihm die
anderen die Bissen weg.
117. Da bih se znao govnima hranitil (ne ću to
ućiniti). — Wenn ich
wüßte, mich mit Dreck nähren zu müssen! (werde ich das
nicht tun).
118. Ne bi s njim otiśao ni na sranje! — Mit ihm
würde ich nicht
einmal kacken gehen!
119. Kad mené staSe moja govna ućiti plivati! —
(Kazała kamila,
kad se plivajuci posrala pa voda pronijela balegu preda
nju.) — Als mich mein
Dreck anfing das Schwimmen zu lehren! (So sagte das
Kameel, als es sich
schwimmend beschissen und das Wasser den Kot vor ihm
dahintrug.)
120. Izrizikovao se, kao govno na mrazu. (Kad se za
koga u Sali
hoće da każe, da mnogo kojeSta probirao і nauöio se. U
Srijemu.) — Ausgekostet
hat er alle Gefährden, wie ein Dreck im Nachtfrost (Wenn
man von einem im
Scherz sagen will, daß er gar mancherlei versucht und
daraus Lehren gezogen.)
1^1. Kako ne zaboravi gaće vezati, kad sere! (Kad se
za koga hoće
da każe, da je vrio zaboravan.) — Wie vergaß er nur
nicht, die Hosen zu binden
beim Scheißen! Zur Bezeichnug einer sehr Vergesslichen.)
Krause, Anthropophyteia. IV. 20
ЗОб Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
122. Kakila bi, ne bi. (Kad ko i hoće і ne će Sto da
ućini.) — Sie
möchte kacken, möchte wieder nicht. (Von einem
Unschlüssigen.)
123. Da może, izio bi ono, Sto isere. (Tako je tvrd.)
— Könnte er nur,
ässe er auch das auf, was er auskackt. (So geizig ist
er.)
124. PojeSće iglu a posraće Cuvalduz. (Presence mu.)
— Eine Nähnadel
wird er aufessen, die Sacknadel aber bescheißen. (Er
wird es satt kriegen.)
125. Prdni gluvom kod uva, on će misliti, da grmi. —
Farz einem
Tauben beim Ohr, er wird meinen, es donnere.
126. Prdnuo u varicak (valjda, kad je u njemu vec
nestalo Zita? Kaie se
obićno za Coveka, kad propadne ili oslabi). — Er farzte
in den Metzen hinein
(wohl, als darin keine Frucht mehr war? Man sagt es
gewöhnlich von einem
Menschen, wenn er zu Grund geht oder schwach geworden).
— Unser: Er bläst
aufs letzte Loch.
127. Pogodio kao prstom u govno. — Er traf es, wie
mit dem Finger
in den Dreck hinein. — Von einem Schlemiehl.
128. Обі piruju a guzica gladuje. (Kad Covek Sto
lijepo samo gleda.)
— Die Augen hochzeiten, der Arsch aber hungert. (Wenn
ein Mensch nur auf
Schönheit schaut.)
129. Cujte ljudi, gdi guzica sudi! (Kad se Sto ludo
radi.) — Hört Leute,
wie der Arsch Urteil spricht! (Wenn man etwas
unvernünftiges treibt.)
130. U toga (njega) je srce kraj guzice. (Ko se za
najmanje Sto
rasrdi.) — Bei dem (ihm) ist das Herz beim Arsch. (Von
einem, der sich über
jeden Schmarn gleich erzürnt.)
131. Ne może se s duSom u raj a s guzicom na pir. —
Man kann
nicht mit der Seele ins Paradies, mit dem Arsch aber auf
die Hochzeit. — Um
ins Paradies zu kommen, muß man sich kasteien; der
Völler ist von den Freuden
des Jenseits ausgeschlossen.
132. Od sira dupe svira, od pogaCe dupe plaCe. — Vom
Käse musiziert
das Arschloch, vom Brotfladen weint das Arschloch. — Der
Wohlhabende hat
leicht zu lachen, der Arme ist leidbeladen.
*33* S jednom guzicom na dvije svadbe ne może se. —
Mit einem
Arsch kann man nicht auf zwei Hochzeiten.
134. Ne nosi on tebi soli u guzici. (Kad ko pristaje
za kim.) — Er
trägt dir kein Salz im Arsche nach. (Wenn sich einer an
einen eng anschließt.)
— Er tut es nicht, um dir, sondern um sich zu nützen.
135. Nije kriva guzica da je skupa Senica. (Darnach
steht in ( ) doch
durchstrichen: U Risnu reCe se onome koji ciganiSe pri
żenidbi ili krsnom imenu.)
— Der Arsch ist nicht schuld daran, daß der Weizen
teuer ist. (Man sagt es zu
Risano zu jenem, der bei einer Hochzeit oder beim
Sippenfest knausert.) — An
der angeblichen Teuerung ist der Appetit der Gäste
unschuldig. Gäste muß mar*
ausgiebig unter allen Umständen bewirten.
136. Trpa kao pij an u tur. (Kad ko ludo govori.) —
Stopft, wie ein Be-
trunkener in den Hosensack hinein. (Wenn einer dummes
Zeug daherredet.)
137. Cic, guzica, do Bożića! (Kazao nekakav pojedavsi
kokoś na Badnji
dan u veCe.) — Hast das leere Nachsehen (schmecks!
wienerisch), Arsch, bis zur
Weihnacht! (Sagte mal einer nachdem er am Jultag abends
eine Henne aufgegessen.)
— Seine Gefräßigkeit brachte ihn um den Festbraten
zur bestimmten Zeit.
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
138. Izjela ti guzica kośulju. (Kad komu ostrag
upadnę kośulja a on
ne zna nego onako ide. — Auf einem zweiten Zettel
dasselbe Sprichwort mit dem
Zusatz: Kad korne upadnę i prione kośulja megju guzove,
da se vidi spolja.) —
Der Arsch hat dir das Hemd aufgegessen. (Wenn einem von
rückwärts das Hemd
eingezwängt ist, er es aber nicht weiß, sondern arglos
dahergeht. — Wenn einem
das Hemd zwischen die Arschkerbe eindringt, so daß man
dies von außen merkt.)
— Vgl. Anthropophyteia III. S. 361 f. N0. 531.
139. Sveta Petkol Crveni guzica! (Rekla iena, kad je
drugu vidla meta-
niśući ocaparenu). — Heilige Petkal [Paraskeue]. Der
Arsch schimmert rotl (Sagte
ein Weib, als sie ihre Genossin beim Kniefall (in der
Kirche) mit nacktem Arsche
sah.) — Auf eine blöde Bemerkung zur Unzeit.
140. Ako sam ti u kucu, nijesam ti u guzicu! — Wenn
ich auch dein
Hausgenosse bin, hänge ich dir doch nicht zum Arschloch
heraus!
141. Pre guzo! (Ala baś!) — Potz Arsch! (Ei der
tausend!)
142. Magarac se po strnjiki valja,
strnjika ga u guzicu bada. Aus einem Volkslied. Der
Esel wälzt
sich auf dem Stoppelfelde, die Stoppeln stechen ihn in
den Arsch. — Wie es einer
treibt, so hat er es.
143. U Jerine na guzici drenjina. — Jerina hat auf
dem Arsch eine
Kornelkirsche. — Sie tut so hochmütig als ob sie usw.
Sie leidet an Vorzugwahn
oder Größenwahn, wie ein chrowotischer Göttererzeuger.
144. Ne vjeruj mu, da sjedne golom guzicom na vatru!
— Glaub
ihm nicht, und wenn er sich mit nacktem Arsche aufs
Feuer setzte!
145. Grko, puno prkno! (Kad je ko sit pa jelu nalazi
manu.) — Es ist
bitter, das Gesäß ist voll! (Wenn einer satt ist und an
den Speisen auszusetzen hat.)
146. Zabij se ti u petu numeru (t. j. u guzicu. Kad
ko rekne śto ludo.
U avstrijskim drzavama і to najvise po varosima). — Laß
du dich auf die fünfte
Nummer auframmen! (d. h. ins Arschloch. Einer, der etwas
törichtes sagt. In
österreichischen Provinzen und zwar zumeist in Städten
gebräuchlich). — Die zwei
Hände und zwei Beine sind vier und der Zumpt die fünfte
Nummer. Du hast
genug Verstand, um einen Lustknaben abzugeben, oder man
könnte feiner sagen:
Schreib für chrowotische Blätter Rezensionen!
147. Kao da mu je pundrav u dupetu. (Kad je ko
nemiran.) — Als ob
ihm ein Roßwurm im Arschloch stäke. (Von einem
Unruhigen.)
148. Kao da mu je erv u dupetu (tako je nemiran). —
Als ob er einen
Wurm im Arschloch hätte (so sehr ist er unruhig).
149. Kazi guzici, nek se raduje. (Kad ko śto trażi
ili se nada бети, śto
ne će dobiti.) — Sag dem Arsch, er sol! sich freuen.
(Wenn einer was verlangt
oder auf etwas hofft, was er nicht bekommen wird.)
150. Ubio mraz obraze a nacve guzicu. — Der
Nachtfrost hat das
Ehrgefühl und der Backtrog das Arschloch ertötet. — Wenn
die Saat zugrunde
geht, hat der Bauer wenig zu essen; er verarmt. Mit
seinem stolzen Selbstbewußt-
sein ists dahin. Als Armer muß er borgen und betteln.
151. Nos piruje, guzica gladuje. —Die Nase hat einen
Hochzeitschmaus,
der Arsch hungert. — Vgl. N0. 128.
152. Śto bih ja za tugju guzobolju glavu lomio? (t.
j. za tugj posao).
— Warum sollte ich mir für fremdes Arschweh den Kopf
zerbrechen? (d. h. um
einer fremden Angelegenheit willen). Vgl. N0. 94.
20*
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
153. Kad vrana na dva koca stoji, jedan će u śupak. —
Wenn der
Rabe auf zwei Pfühlen steht, fährt ihm einer in den
Arsch hinein.
154. Kad megjedu guzica zaraste (t. j. nikąd. Gdekoji
joś dodadu:
sad je koliko zolota). — Wenn dem Bären der Arsch
zuwächst (d. h. niemals.
Manche fügen noch hinzu: er ist jetzt schon so klein wie
eine Zolota). — Zolota
ist eine Münze im Werte von 30 Paras.
155. Bez mrtva nije puna prkna. — Ohne Toten wird das
Gesäß nicht
УОцв — Beim Totenschmaus
(Fellversaufen) essen sich die Gäste bumvoll an.
156. Da może zavukao bi mu se u dupe. (Kad se
ko korne vrlo ula-
guje.) — Könnte er nur, er kröche ihm ins Airschloch
hinein. (Von einem, der
sich bei einem anderen einzuschmeicheln sucht)
157. Zamaglio kao pas ispod repa. (Kad ko
puseći vrlo zadimi.)— Er
dampft, wie ein Hund unterm Schwanz.) (Wenn ein Raucher
stark qualmt)
158. Zena ima sedamdeset i sedam rupa, (koje
sve valja da zatisne
onaj, koji se ożeni, t j. żeni valja mnogo kojeśta). —
Ein Weib hat siebenund-
siebzig Löcher, (die der verstopfen muß, so sich da
beweibt, d. h. ein Weib hat
gar zahlreiche Bedürfnisse).
159. Progovorio bi na guzicu, (da mu usta svezu). —
Der tat mit dem
Arsch noch sprechen, (wenn man ihm den Mund verbände).
160. To su govna u Gjurgjevoj kaci. (Kad je kakav
posao rgjav.) —
Das ist der Dreck in Georgs Bottich. (Von einem
schlechten Geschäft). — An-
spielung auf eine mir unbekannte Schnurre, die
vielleicht der Schnurre Pravica
(Das Richtige) im Abschnitt vom Dreck in diesem Bande
ähnlich war.
161—162. Śto muz, to guz (t. j. Sto omuze, to i
pojede a ne może da
nakupi sira i masła. Gledaj: Sto kuc, to muc.) —
Was du milkst, verzehrt der
Arsch (d. h. was sie milkt, das isst sie auch auf und
gelangt nicht dazu, daraus
Topfen (Käse) und Butter zu sammeln. Siehe: (dies
Lautspiel unübersetzbar).
163. Hajde, guzo, da putujemo! (Kad ko besposlen a і
nespremljen
kako valja kud pogje.) — Komm denn, Ärschlein, laß uns
wandernI (Wenn sich
einer wohin aufmacht, ohne ein Geschäft vorzuhaben und
ohne sich anständig
angezogen zu haben.)
164. Pićku valja milovati a ne gledati, (jer se nema
Śta lijepo vigjeti).
— Die Voze muß man liebkosen, nicht jedoch betrachten,
(denn man hat nicht etwas
schönes zu schauen). — Vuks Erklärung des Sprichwortes
ist unzulänglich; denn
man gebraucht es, um zu sagen, man solle den
Geschlechttrieb bei gebotener
Gelegenheit befriedigen, sich aber nicht mit dem
Anschauen begnügen, weil es
die Frau erbittert und zum Ehebruch zwingt. Diesen
Ausspruch tut in einer
Erzählung meiner Sammlung eine Frau ihrem ältlichen
Manne gegenüber, der ihr
ihre Untreue vorwirft.
165. Na vjetru puśenje i danju jebanje ne valja.
(Pripovjeda se, da
je rekao ciganin.) Gledaj: Pi£ku valja milovati a ne
gledati. — Im Winde das
Rauchen und bei Tag das Vögeln taugt nicht. (Man erzählt
das habe ein Zigeuner
gesagt). — Vuks Hinweis auf unsere N0. 164 ist
unzutreffend. Der Beschnüfler und
Belecker der weiblichen Schamteile findet diese
keineswegs unschön, er rät vom
Beischlaf bei Tag nur darum ab, weil beide* darnach matt
und zur Arbeit minder
fähig werden.
166. Kad ću dati dupe, volim moje dupe (t j. kad ću
promeniti moju
stvar za tugju opet onaku, volim moju stvar.) — Soll ich
Arschloch für Arschloch
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
eintauschen, so bleib ich lieber bei meinem Arschloch
(d. h. wenn ich meine Sache
für eine fremde, gleichwertige eintauschen soll, so habe
ich doch die meine lieber).
167. Crnogorac kupio u Kotoru nove plavetne od raśe
gaće i odmah ih
metnuo na sebe. Viäe Kotora kad je bilo za puśtit vodu,
vidiv plavetan od gaća
kurac, povice: A sta je ovo, źla mi śreća! Ko mi ga
promijeni? — Ein
Montenegrer kaufte zu Kattaro neue, bläuliche Lodenhosen
und zog sie gleich an
den Leib an. Als er oberhalb Kattaros Wasser lassen
wollte, da sah er seinen
von den Hosen blaugefärbten Zumpt und rief aus: ,Ei, was
ist denn das, ein bös
Geschick auf mich! Wer hat mir ihn umgetauscht?*
168. I do sad je kuga strijeljala, al nije u dupe
zgagjala (u gu-
zicu z.). — Auch bisher sandte die Pest [ihre
Giftpfeile] aus, doch zielte sie nicht
aufs Arschloch (in den Arsch). — Ein Arschficker
maskierte sich als Pestfrau, um
einen Jüngling nachts zu übertölpeln. Zu Tod erschrocken
rief er aus, als er sich
dem Angriff ausgesetzt sah: Auch bisher usw. Vielleicht
eine Variante zu N0. 140,
Anthr. II. S. 232 f.
169. Izgubio (sam) kljuce od guzice. (Kad koga cera
napolje.) — Er
(ich) verlor die Arschschlüssel. (Wenn einer auf die
Seite hinaus muß.)
170. Kad kurcu ora progje, sto pićaka za paru. — Wenn
einmal die
Zeit des Zumptes vorbei ist, sind hundert Vozen um eine
Para feil.
171. Usta su joj dinarom prorezana a guzica svrdlom
jarmenja-
kom provrcena. (Kad koja stiskuje usta, kad govori a
jede za dvojicu.) — Ihr
Mund ist mit einem Denar durchschnitten, der Arsch aber
mit einem Jochbohrer
durchbohrt. (Von einer redefaulen, wortkargen
Fresserin.)
172. Juhe do guzice a mesa ni zalogaja. — Suppe gibt
es bis zum
Arsch, Fleisch aber keinen Bissen. — Von einem, der viel
redet und nichts zu
sagen weiß.
173. Zauvar je i mu(v)a u guzicu kad uleti (t. j. od
gladi je dobro
i najmanje śto izjesti.) — Es ist auch eine Fliege von
Nutzen, wenn sie einem in
den Arsch hineinfliegt (d. h. es ist gut, wenn man
hungert, das allergeringste auf-
zuessen.) — In der Not frisst der Teufel Fliegen.
174. Pitali sarova: ,Śto su ti muda otrag?' a on
odgovorio: ,A śta
mi je naprijed?' (Kad ko u kakvom dogagjaju reće za 5 to
da ne val ja a niśta
nije kao śto bi trebalo.) — Man fragte den fleckigen
Hund: ,Warum hängen dir
die Hoden rückwärts?' und er antwortete. Ja, was habe
ich denn vorne/ (Wenn
einer bei einer Gelegenheit bemerkt, es wäre etwas nicht
recht, während gar nichts
so, wie es sein sollte, beschaffen ist.)
175. Tako me ne ljubilo śto zuba ne imalo (t. j.
zadnjica).— So wahr
mich das nicht herzen möge, was keinen Zahn kriegen
soll! (d. h. der Hintere). —
Beteuerung: So wahr ich nicht gezwungen werden soll,
einen in den A. z. 1. —
Vgl. Anthropophyteîa III. S. 350, N0. 521.
176. Smije se kao lud na pićku. — Er lacht, wie ein
Narr über die Voze.
177. Pun novaca kao muda kostiju. — Voll Geldes, wie
die Hoden
voll Knochen. — Von einem Habenichts.
178. Sacuvaj me, Boże, jepca ukraj kuce a jebice u
sred kuce! —
Bewahre mich, o Gott, eines Hurers neben dem Hause und
einer Hure mitten im Hause !
179. Sila pravdu jebe kad god hoće. — Gewalt vögelt
das Recht, so oft
sie die Lust dazu anwandelt.
180. Pala pćela u hodże na kurac, da nagje meda. —
Eine Biene
IQ Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
ließ sich auf des Hodżas Zumpt nieder, um Honig zu
finden. — Die Schnurre
dazu folgt unter Nr. 211.
182. I stara ovca so liże. — Auch ein altes Schaf
leckt Salz. — Geschlecht-
lichen Freuden jagen auch bejahrte Leute nach.
183. Ko na tugju zenu uzjaSe i niz brdo jaSe, ne zna
§ta ćini.
(U KrivoSijama.) — Wer auf ein fremdes Weib auf reitet
und wer bergab reitet,
der weiß nicht, was er tut. — Er setzt sich einer
Lebensgefahr aus.
184. Kad guske prde (n. pr. ustao, t. j. u nesrećan
Cas). — Wenn die
Gänse farzen (z. B. ist er aufgestanden, d. h. in einem
unglücklichen Augenblick).
185. Kazali Nasradin-hodżi: ,OdlećeSe pićke u
oblakel' a on ufativsi
se za kurac odgovorio: ,Evo im sjedalal, (na koje će
opet doći). — Man sagte
zu Nassreddin dem Hodża: ,Die Vozen entflogen in die
Wolken!' er aber griff
sich nach dem Zumpte und antwortete: ,Da haben sie ihren
Sitzplatz!' (auf den
sie wiederkommen werden.)
186. Sirotinjo, golotinjo, — Jebu ti mi majku! — Kud
ćeś, kad
ja umrem? — (A ona iz prikrajka odgovorila:) U tvoj rod!
— [Ein Mann auf
dem Sterbelager klagt wehvoll: O du Armut, o du
Nacktheit, — Deine Mutter
vögeln die Leute! — Wohin ziehst du, wann ich versterbe?
— (Die Frau aber
antwortete aus der Ecke;) Zu deiner Sippe! — Den Mann
peinigt der Gedanke,
sein Weib werde, um die verwaisten Kinder erhalten zu
können, ein Hurenleben
führen müssen, der Gattin erscheint die Aussicht jedoch
nicht trostlos.
187. Turi i to babi, mudar majci bio! — Steck auch
das in das
Mütterlein ein, sollst deiner Mutter weiser Sohn sein! —
Vgl. dazu die Schnurren
Anthropophyteia I. S. 441—443, N0. 329—331.
188. O mjeseće, suncevo govno! (Pripovijeda se, da je
rekao ozebao
ciganin putujući noću prema mjesecu.) — O du Mond, du
Dreck der Sonne!
(Man erzählt, so habe ein Zigeuner gegen den Mond
ausgerufen, als er frierend
nachts dahinwanderte.)
189. Siatka ti zemlja kao popu pićka! (Vicu ratari
volu kad ga uće
o rati. U Crnoj Gori i u Zeti.) — Die Erde sei dir süß,
sowie dem Popen die
Voze! (So rufen die Ackerleute dem Ochsen zu, wann sie
ihn ackern lehren.) —
Das ist eigentlich ein Zauberspruch oder eine Besegnung
(in Montenegro und im
Herzogtum).
190. Oj orasi, suvo voce O ihr Nüsse, dürres Obst,
I babi se kurac осе! Auch die Vettel will den Zumpt!
Aus einem Reigenlied.
191. PoStena ka і vrata od Śuranja. (Śuranj se zove
nekoliko kuca na
juźnoj strani Kotora, po ćemu se i kotorska vrata od one
strane zovu: vrata od
Śuranja. Poslovica se ova rekne onuda za nepostenu zenu
ili gjevojku i znaći:
kao Sto su vrata ona svakome otvorena, tako je i ona za
svakoga.) — Jungfräulich
gleichwie auch das Tor von Śuranj. (Śuranj heißen einige
Häuser auf der Süd-
seite von Kattaro, wonach auch das jenseitige Tor von
Kattaro das Suranjer Tor
genannt wird. Dies Sprichwort gebraucht man dortzulande
von einem buhlerischen
Weibe oder Mädchen in dem Sinne: So wie jenes Tor
jedermann offen steht,
ebenso auch dies Frauenzimmer für jeden.)
192. Nikao kao gljiva iz govna. (DoSao od nekud.) —
Er sprosste auf
wie der Schwamm aus dem Dreck. (Er kam von irgendwoher.)
Von einem
Dahergelaufenen.
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben. 311
193. Prde pa se onda okreće, (da nije ko ćuo a to
jevaljalo €initi prije.
Kad ko §to ruino rekne ili ućini pak se onda kaje). — Er
farzte und dann dreht
er sich um, (ob es nicht wer gehört habe, das aber hätte
er früher tun sollen.
Wenn einer etwas garstiges sagt oder tut und es dann
bereut.)
194. Da mi je i poloSa vina,
Samo da je krćmarica mladal — Der Wein dürfte auch
von min-
derer Sorte sein, nur die Wirtin soll jung sein! — Aus
einem Volkslied.
195. Daće diaku! (t j. stradaće). — Sie (er) wird
Schamhaare hergeben 1
(d. h. in arges Ungemach geraten).
196. Dvije volje, gaće dolje! — Zwei Willen, die
Hosen herunter! —
Ein Tor ist immer willig, wenn eine Törin will.
197. Da ti je sad glavica gje żenina guzica! (Rekne u
Sali drug drugu
na zlu konaku.) — Läge dir jetzt dein [Zumpt-]Köpfchen,
wo deines Weibes Arsch
ist! (Spricht scherzweise der Gefährte zum Gefährten auf
schlimmer Herberg.)
198. Uziva kao kurac u ladnoj vodi. — Er erfreut sich
seines Daseins
wie der Zumpt im kalten Wasser.
199. Kalugjere! żeniće te! — Ne bi ta. — Kalugjere!
izbice te! —
Biće ta! — Mönch, man wird dich beweiben! — Das
geschieht nicht. — Mönch,
man wird dich durchhauen! — Das kann geschehen!
200. Kalugjere, da te ożenimo? — Da je prosto, kad
ste naumili!
(navalili). — Mönch, sollen wir dich beweiben? — Es mag
geschehen, da ihr
dazu die Absicht habt! (mich dazu drängt).
201. Tajała, tajała pa i popi kazała. (Valjada kad
gjevojka ili udovica
zatrudni?) — Sie verheimlichte und verheimlichte es und
teilte es auch dem Popen
mit. (Wohl, wenn ein Mädchen oder eine Witib schwanger
wird?)
202. Odnijela bi greben u brucama. (Rekne se za mladu
gjevojku, kad
se hoće da każe, da već nije dijete, nego da je odrasla
sasvim.) — Einen Rechen
trüge sie davon (in den Schamhaaren. Von einem jungen
Mädchen, wenn man
sagen will, daß sie kein Kind mehr, sondern völlig
erwachsen ist.)
203. Ko se najviSe klanja, najviSe ga jebu. (t. j.
mladu nevjestu, a
upravo znaći: Ko se svakom jednako pokorava, najvise ga
gaze, cf.
Svakoj suSi: hejvala!
Osta glava cela va!)
Wer sich am meisten verbeugt, den vögeln sie am
meisten (d. h. die junge Frau,
geradezu aber bedeutet das Sprichwort: wer sich jedem
gleichermaßen untertänig
zeigt, den treten sie am meisten nieder, cf. Ruf jedem
Niemand: ,Grüß dich Gott!'
zu, dein Kopf bleibt davon kahl!). — Das Sprichwort ist
auch wortwörtlich zu
nehmen. Vgl. dazu Anthropophyteia I. S. 262.
204. Liże kremen (svaki ćas), kao pas kurac. (Kad
koji sve u puSku
zagleda.) — Er leckt den Feuerstein (jeden Augenblick),
wie der Hund den Zumpt.
(Wenn einer ständig sein Gewehr beschaut.)
205. Ko ne vidi pićku kroz reśeto, ispale mu осі!
(Ovako reku u
Risnu, kad ukori koji koga da ne zna niSta.) — Wer eine
Voze durch den Reuter
nicht sieht, dem sollen die Augen herausfallen! (So sagt
man zu Risano, wenn
einer einen rügt, er wisse gar nichts.)
206. Svaka ova dobrosretna upljina hoće svoj ćeif.
(Pop Śćepo iz
Grabova uzimljući u nos burmuta ovako mi je rekao.) —
Jede dieser glückseligen
Öffnungen will ihr Vergnügen haben. (So sagte zu mir
Pope Stefan aus Grabovo.
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
indem er Schnupftabak der Nase zuführte.) — Er setzte
seine Nasenlöcher der
weiblichen Scheide gleich. Der Witz beruht darin, daß er
das Schnupfen dem
Vozenriechen verglich.
207. Od prvoga tira dobrogo sinal (U Dubrovniku
ćestita se mlado-
żenji poslije vjencanja.) — Vom ersten Stoß einen
tüchtigen Sohnl (So beglück-
wünscht man in Ragusa den jungen Ehemann nach der
Trauung*) Im Wörter
buche bemerkt Vuk, selbst der Geistliche gratuliere so.
Vergleiche dazu die
Glückwünsche in diesem Bande der Anthr. S. 192. N0. 30.
208. Niti iStem, da mi daS, — niti velim, da ne das,
— samo
każ em, neka znaSI — Weder verlange ich, daß du mir
gewährest, — noch sage
ich, du sollst nicht gewähren, — sondern sage so bloß,
damit du es wissestl —
— Vgl. dazu die Erzählung Anthropophyteia II. S. 281,
N0. 388.
209. Sit pas, vaistinul (Kazao kalugjer żeni, koja mu
se tużila da je
muz goni od sebe.) — Ein satter Hund, in Wahrheit! (So
sagte der Mönch zum
Weibe, das ihm klagte, ihr Mann jage sie davon.) —
Dieser Spruch gehört in
Marie Luise Luzian's Modernes Ehe-Dirnentum, Randglossen
aus meinem Ehe-
leben (Leipzig 1907) hinein. Das Weib muß dem Manne auch
zur unentbehrlichen
Freundin und Helferin werden, nicht bloß seiner Wollust
dienen, dann behält er sie.
210. Raz vi la bar jak (t. j. postała javna kurva). —
Sie entfaltete die Fahne
(d. h.. sie ist eine öffentliche Hure worden.) — Vor
drei Generationen warb man
die Soldaten zur aufgepflanzten, flatternden Fahne auf
offenem Markte.
211. Moś se odm or і ti (al ne ćeś meda naci. Kazao
Nasradin hodża celi
kad mu je pala na neku stvar). — Kannst wohl rasten
(doch einen Honig wirst du
da nicht finden, sagte Nassreddin der Hodża zur Biene,
die sich ihm auf eine
gewisse Sache niedergelassen).
212. Ne će pica sena ni Sevara,
Nego hoće zilavoga mesa!
Das Vözlein will weder Heu noch Schüfrohr — sondern
will muskulöses Fleisch.
— Aus einem Volkslied.
213. Nosi pamet u gaćama. — Er trägt den Verstand in
den Hosen. —
Er läßt sich vom Zumpt leiten und lenken.
214. Marko sjaśi a Janko uzjaśi,
Dok doratu muda otpadośe!
Marko stieg ab und Janko schwang sich auf, — bis dem
Braunen die Hoden
abfielen. — Aus dem Volkslied. — Von erbarmunglosen
Ausbeutern.
215. Ożeniće i tebe tata! (t. j. dobićeś i ti ovo śto
ja imam pa ćeś se
kajati. Kad je nekakvo ożenjeno dijete kunjalo pred
kucom, zaleti se pijetao te
kljune u slinac, koji mu je iz nosa visio a on onda kao
pola plaćući rekne: ,Iś!
Boga mi će tebe ożeniti tata!) — Auch dich wird der
Vater beweiben! (d. h. auch
du wirst das kriegen, was ich habe und wirst auch Reue
empfinden. Als mal ein
verheiratet Büble vor dem Hause napezte (im
Halbschlummer dasaß), flog auf
ihn der Haushahn zu und pickte ihn auf den Rotz, der ihm
zur Nase heraushing,
worauf der Junge weinerlich sagte: ,Troll dich! So war
mir Gott, dich wird der
Vater beweiben!) — Offenbar führte das Knäblein neben
seiner erwachsenen Frau,
der Beischläferin seines Vaters, nicht das glücklichste
Leben. Vgl. darüber Anthro-
pophyteia I. S. 255—281: Von der Zeitehe des
Schwiegervaters mit der Schwieger-
tochter.
216. Ne bih ga ubio da ga uhvatim żeni megju nogama!
— Ich
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben. 313
würde ihn nicht töten, selbst wenn ich ihn zwischen
den Beinen des Weibes anträfe.
— Er ist mir so lieb und wert, daß ich ihm sogar
einen Ehebruch mit meinem
Weibe verziehe.
217. Lasno je tugjim kurcem gloginje mlatiti! —
Leicht ists mit
einem fremden Zumpt Weißdornbeeren herabzuschlagen I —
Unser: Leicht ists von
fremder Haut Riemen zu schneiden.
218. Ko ne skvasi guzicu, ne izjede ribicu. — Wer
sich scheut, seinen
Arsch zu befeuchten, der aß sich am Fischlein nicht an.
— Beim Fischfang mit
Netzen oder Angeln kann einer am Leib trocken bleiben,
das Sprichwort weist
aber auf eine Gegend hin, wo es Brauch ist, ins Wasser
zu steigen und die Fische
im Flug aufzugabeln (diese Art des Fischfangs ist
besonders den Zigeunern eigen),
oder, wo man einen Bach abzweigt, den Arm absperrt und
dann die darin gefan-
genen Fische mit der Hand aushebt.
219. Za parice i u carice, — Fürs liebe Geld gewährt
auch eine Kaiserin.
— In einer Gesellschaft höchster Herrschaften, so
erzählt man in Wien, stellte
einmal Saphir die Behauptung auf: .Fürs Geld ist jede
Frau zu haben!' Entrüstet
fuhr ihn die Fürstin XYZ an: ,Sie werden doch nicht
behaupten wollen, ich z. B.
wäre zu haben?'— ,Wenn aber Eurer Durchlaucht einer eine
Million Golddukaten
bar aufzählte?' — ,Na, eine Million Dukaten ist halt
viel und man könnte damit
mancherlei gutes stiften, z. B. eine Kirche erbauen.
Wenns nur einmal wäre und
mein Mann, der Fürst davon nichts erführe, soll der Herr
meinetwegen das Ver-
gnügen haben.' — ,Also sehen S', Durchlaucht, die Hur
war da, nur der Narr
fehlt!' — Wie so viele Sprichwörter ist auch dieses in
seiner Verallgemeinerung
unwahr, denn es gibt in jeder Gesellschaftschichte
Frauen, die sich eher töten, ob
sie sich einem ungeliebten Manne für Geld hingäben, von
den Urninden ganz
abgesehen, denen der Mann ein Greuel ist.
220. Da je svuda, kao oko muda, (nit bi trebale gaće
ni koSulja; ili kao
Sto se u Magjarskoj po varoSima govori: ne bi trebala
bunda.) — Wäre es überall
so. wie um die Hoden herum, (bedürfte man weder
Unterhosen noch Hemde; oder
wie man in Ungarn in den Städten sagt: brauchte man
keinen Schafpelzrock).
221. Klin se klinom cera. (Kazao Nasradin-odźa, kad
je u jedan put jeo
i srao pa ga neko zapitao, zasto to Sini.) — Den Keil
treibt man wieder mit einem
Keil aus. (So sagte Nassreddin der Hodża, als er einmal
gleichzeitig aß und
schieß und ihn einer befragte, warum er dies täte.)
222. Proganja se kao kurva kroz pazar. — Stolziert
aufgedonnert
einher, wie die Hure durch den Bazar. — Wie z. B. in
Agram die Lustknaben
geschniegelt und gestriegelt auf dem Jelacić-Platze
umhersteigen. Eine Kravatte
oder eine Kokarde oder ein Hemdknopf in rotweißblau
kennzeichnet die Rupfer.
223. Boji ga se kao neka stvar ki§e. — Er fürchtet
ihn, wie eine
gewisse Sache den Regen. — Gemeint sind die
Geschlechtteile.
224. Isla na oproStenje, da izgubi poStenje. — Sie
begab sich auf
die Wallfahrt, um ihre Ehre zu verlieren. — Vgl.
Anthropophyteîa II. S. 297 f.
N0. 396. Auch der Mönch von Montaudon sagt: Das Weib,
das Gottergeben, bringt
sich selber gern zum Opfer dar. Casanova, der sich von
Berufswegen in geist-
lichen und als Erotiker seiner Natur nach in
Frauensachen bestens auskannte, sagt
einmal: ,Ich habe überall bemerkt, daß fromme Frauen
mehr für die sinnlichen
Genüsse empfänglich sind als andere.' — Der Chrowot
nennt eine bestimmte Reihe
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben.
unehelicher Kinder, deren Väter unbekannt bleiben,
Bistricka deca (Maria Feist-
ritzer Kinder) und der Niederösterreicher kennt
entsprechend Maria Zeller Kinder.
225. Majka ti se gola bola! (Kao kletva ili psovka
gjeci — u Sali.) —
Deine Mutter möge nackt gestochen werden 1 (Gleichsam
eine Verfluchung oder
Beschimpfung gegen [unartige] Kinder — im Scherze,
226. Zekreće, kao iguman mudi. — .... wie der Abt mit
den Hoden.
— Ursprünglich schrieb Vuk: zakreće (wendet seitwärts),
strich dann aber das a
und setzte darüber ein e. Das Wort ist mir unbekannt.
227. Ko ima masła on i muda maże a ko nema njemu i
usne
pucaju. — Wer da Fett hat, der schmiert auch die Hoden
ein, wer aber keines
hat, dem springen selbst die Lippen auf. — Der Reiche
kann sich jeden Luxus
vergönnen, der Arme aber entbehrt selbst das
notwendigste.
228. Kao da je сага za muda uvatio. (Kad se vrlo ko
ponese.) — Als
ob er den Kaiser bei den Hoden gepackt hätte. (Von
einem, der sehr hoffährtig
tut.) — Stolz, wie ein kaiserlicher Lustknabe.
229. Ne pada mi na um, koliko staru masku na mater.
(U Crnoj
Gori.) — Ich entsinne mich dessen nicht, soviel als ....
auf die Mutter. (Aus
Montenegro.) — Staru masku kann sowohl altes Maultier
als alte Maske bedeuten.
Der Sinn des Spruches ist mir unklar.
230. Ko se svoje żene stidi, drugi mu je jase. — Wer
sich seines
Weibes schämt, dem vögelt sie ein anderer.
231. Lice kurvu ljubi. — Das Gesicht kost die Hure. —
Der Sinn ist
wie der eines ebenso weitverbreiteten Sprichwortes: Lice
piöku prodaje, das
Gesicht verkauft die Voze.
232. Mic po mic pa namic! — LTnübersetzbar, Der Sinn
ist: Nach und
nach kriegt man ein Frauenzimmer herum.
233. Nad tebe se gaća ne odrijeSilo! (Kletva żeni.) —
Über dir soll man
keine Unterhosen auflösen 1 (Fluch für ein Weib.) — Sie
soll keiner begehren.
234. Na gjevojku gaće, gaće;
AI neka ih, daće, daće! (Aus einem Reigenliedchen.)
Auf das Mädchen Unterhosen, Unterhosen; — doch laßt sie
sein, sie wird schon
gewähren, gewähren!
235. Kurvi se naprijed plaća! (Kad ko i§te, da mu se
kakav posao
naprijed plati.) — Der Hure zahlt man im vorhinein.
(Wenn einer den Arbeitlohn
vorausbezahlt haben will.)
236. Jebena baka vrata zatvara. — Das gevögelte
Mütterlein schließt
die Türe ab. — Erzählungen zu diesem und dem folgenden
Sprichworte im Abschnitt
vom Humor in der Anthropophyteia.
237. Ja kriva, ja popu dala. — Ich bin die
Schuldtragende, ich gewährte
dem Popen (Voze). Eine Erzählung dazu folgt im Abschnitt
vom Humor.
238. Jebem ti Segedin! (Jedan Covek ode u Segedin
zimi a zaboravi
opakliju poneti. Napati se straSno i nazebe pa kad dogje
kuci nalożi veliku vatru,
zaogrne se u opakliju i legne pored vatre, kad ga vatra
s jedne strane ргеребе
i prepali, on se onda okrene na drugu stranu govoreci:
Jebem ti Segedin!) — Ich
vögle dir Szegedin! (Ein Mann begab sich zu Winterzeit
nach Szegedin, vergaß
aber den Schafpelz mitzunehmen. Er mühte sich
schrecklich ab, fror halb ein und
heimgekommen, legte er ein großes Feuer an, hüllte sich
in den Schafpelz ein
und legte sich ans Feuer nieder. Als ihn das Feuer von
der einen Seite heiß
Erotische und skatologische Sprichwörter und
Redensarten der Serben. ^ 15
brannte und versengte, drehte er sich auf die andere
Seite um und sprach: Ich
vögle dir Szegedin!)
239. Jebao mu і misa u duvaru. (Kad se kazuje,
da je ko korne sve
psovao.) — Er vögelte ihm selbst die Maus in der Wand.
(Wenn man erzählt,
einer habe einem alles beschimpft.) — Vgl. zur vorigen
und dieser Redensart
Anthropophyteia I. S. 11. N0. 16 und die folgenden
Erzählungen.
240. I snaśica vodu puSta. (Kad se hoće da każe da
nije sramota od
ljudi otići da se izide na polje.) — Auch die junge Frau
läßt Wasser. (Wenn man
sagen will, daß es keine Schande vor den Leuten ist,
hinaus auf die Seite zu gehen.)
241. Ziva dala! (Rekne se u sali poznatoj
gjevojci ili mladi, mjesto: ziva
bila!) — Lebend sollst du gewähren! (Voze). (Man sagt es
im Scherze zu einem
bekannten Mädchen oder einer jungen Frau, anstatt:
Lebend sollst du sein!)
( sollst leben!)
242. Zacrvenuo se kao da je pred kumom prdnuo. — Er
errötete,
als ob er vor dem Gevatter gefarzt hätte. — Dem Paten
ist man besondere Ehr-
furcht schuldig. Vgl. Krauss, Sitte und Brauch der
Südsl. Wien 1885. S. 606—618.
243. Oli pas oli neko od nas. — Entweder hat der Hund
oder einer von
uns (einen gehen lassen). — Einer ist der schlechte
Kerl, der z. B. gestohlen hat.
244—246. Ima ih kao і krivokurijeh tatara. — Els gibt
ihrer, sowie
auch krummzümptiger Tataren. — Daß es auch so
beschaffene Tataren, d. i.
kaiserlicher Kourriere gibt, ist selbstverständlich. Vuk
erinnerte sich rein äußerlich
dabei an die Sprichwörter Ima kao i kusi pasa und: Ima
kao u żabe diaka,
es gibt sowie auch kurzstummeliger Hunde, und: Es gibt
[Geld] wie bei einem
Frosche Haare; später aber durchstrich er diese zwei
Sprichwörter, da er wohl
erkannte, daß sie zum ersteren nicht gehören.
245. Glava u berbernici і guzica u aśćinici ne może
biti. — Der
Kopf in der Barbierstube und der Arsch in der Küche
können nicht zugleich sein.
246. Kao prdeż u turu (n. pr. smeo se). — Wie ein
Farz in den Hosen
(z. B. in Verlegenheit, weiß nicht, wo aus und wo ein).
247. Ko gladne godine govno izije, site se kaje. —
Wer im Hunger-
jahre einen Dreck auffrisst, bereut es im satten Jahre.
— Wer sich in einer Not-
lage zu schimpflichen Dingen hergibt, bereut seine
Charakterlosigkeit, wenn er
einmal in gute Verhältnisse kommt. Vgl. N0. 57—60.
248. Posrao se pa rućao. — Er bekackte sich und aß zu
Mittag davon.
— Er zehrt von seiner Schändlichkeit.
249. Saradżom srao! (Kletva.) — Die rote Ruhr soll
dich zum Scheißen
treiben! (Fluch.)
250. Sluśa Bog śto kaćura prdi! (Kad ko koga kune.) —
Als ob Gott
aufs Gefarze der Blasserin (der Kuh) hörte! (Wenn einer
einen verwünscht.) —
Unser: Der Mond achtet nicht aufs Hundegebell.
251. Ko se ruga, poseru g a. — Wer die Leute
verhöhnt, den be-
scheißen sie.
252. Valja posrati ponjavu dok se umre. Gledaj; Nije
(takoj lasno
umrijeti. — Man muß das Leintuch bescheißen, ehe man
stirbt. — Siehe: Es ist
nicht (so) leicht zu sterben.
253. Govna i kuöine (t. j. zlo). — Dreck und Werg (d.
h. ein Übel).
254. Kranjsko govno i Arbanaśka żena i gradsko
magare, to su najveéi
mućenici na ovome svijetu. (Za kranjsko zvono za to se
misli, śto Cesto zvoni. U Lici.)
Grundlagen der Skatologie.
— Eine krainerische Glocke und ein albanesisches Weib
und ein städtischer Esel,
das sind die drei größten Märtyrer auf dieser Welt. (Von
einer Krainer Glocke
glaubt man es darum, weil sie häufig läutet. In der
Lika.) — Gemeint sind nicht
Kirchenglocken, sondern die dem Vieh angehängten
Glocken, die nie zur Ruhe
kommen. Die soziale Stellung des albanesischen Weibes
ist durchaus nicht
ungünstiger als die einer Serbin in der Lika, der Bauer
hat aber ein Einsehen bei
der Albanesin, nicht bei seinem eigenen Weibe. Der
städtische Esel ist bei schlechter
Nahrung immer als Lasttier im Dienst.
256. Prda (prdeźom se) ne bojadiśe no broc (L
j. spraznim se rijeCma
ili s besposlićenjem posao ne svrsava). — Nicht der
Farz, sondern die Färberröte
[rubia tinctorum] färbt [das Tuch], (d. h. mit leeren
Worten oder mit Müsßiggang
erledigt man keine Arbeit).
Grundlagen der Skatologie.
Von Hugo E. Luedecke (Zwickau i. Sa.).
Motto: „Mit der eigentlichen Zeugung haben
diese Sachen wenig zu schaffen, doch mit anderen
Dingen, die von der menschlichen Notdurft und
grobtierischen Lebensäußerung unzertrennlich sind.
.... Das Menschliche, das Allzumenschliche, das
Unabweisliche, das täglich Wiederkehrende kommt
hier zur unbestreitbaren Geltung....."
Friedrich S. Krauss.
Diese Sätze, die Krauss in den Vorbemerkungen zu den
Abschnitten 25—28
seiner Südslavischen Volksüberlieferungen (Anthr. III.
S. 343) sagt, wurden für mich
eine Quelle neuer, klarer Erkenntnisweise auf
skatologischem Gebiet; kurz gesagt:
die Bedeutung der Skatologie wurde mir offensichtlich,
und alles, was ich —
gelegentlich oder absichtlich — gesammelt hatte —
stellte sich mir in neuem Licht
dar, regte mich zum Nachdenken über die Grundlagen der
Skatologie an.
K. Reiskel hat bekanntlich eine Umfrage nach
skatologischen Inschriften (Anthr.
III. S. 244 ff.) erlassen. Als eine Antwort diene die
nachstehende Veröffentlichung
meiner Sammlung, deren Kern durch zahlreiche Beiträge
von Dr. Friedr. S. Krauss
und mehrerer Mitarbeiter (darunter auch E. K. Blümml,
sowie ein Thorner, ein
Erfurter, Ungenannnte und Dr. Heinrich Felder,
Elberfeld) stattlich vergrößert
worden ist.
Man fragt sich unwillkürlich: was ist das Agens, das
dazu treibt, die Wände
eines Aborts zu bekritzeln? Ein einheitliches Agens gibt
es nicht. Der Motive
sind mehrere. Die bei einigen Forschern sich vorfindende
Ansicht, es kämen hier
lediglich pathologische Motive in Betracht, ist in
diesem Umfang schwerlich
haltbar. Die pathologischen Fälle, wo weitliegende
Vorstufen von Koprolagnie in
Aktion treten, sind sehr vereinzelt und — vor allem I —
nicht kontrollierbar.
Grundlagen der Skatologie.
1) Andere Handschrift. 2) Handschrift nicht
angegeben.
Die Strophen einer skatologischen Inschriftsammlung
lassen sich unschwer
in zwei Klassen teilen: in i) solche Strophen, die von
Gebildeten stammen
und meistenteils einen Witz (oft einen guten I)
darstellen, und 2) Strophen, die von
Leuten des einfaches Volkes ,,verfaßt" sind und — wie
ich nachher zeigen
werde — fast ausnahmlos physiologische Substrate haben.
Zur Fesstellung der
Motive ist diese Einteilung unentbehrlich. Und der
Wichtigkeit dieser Klassifi-
zierung halber möchte ich es hier energisch betonen, daß
es die unabweisbare
Pflicht jedes Erforschers der Skatologie ist, bei jeder
einzelnen Strophe (neben
genauer Angabe der Art des betreffenden Abtritts) die
Art der Schrift anzu-
merken. Nur so wird man zu wertvollen Resultaten
gelangen. Bei meiner
Sammlung aus Halle a. S. ist dies Prinzip meist
durchgeführt worden.
Betrachten wir die beiden großen Klassen näher. Was
an skatologischen
Inschriften von Gebildeten herrührt und zumeist einen
Witz, vergröberten Esprit,
darstellt, verdankt seinen Ursprung zwei Faktoren: der
Langeweile und dem
Nachahmungtrieb. Langeweile und damit skatologische
Neigungen treten natürlich
dort ein, wo als Papier keine Zeitungen hingelegt sind!
Auf irgend eine Weise
muß man der tötlichen Langeweile entrinnen, die leeren
Wände laden unwillkürlich
zum Beschreiben ein und — das Geistesextrement steht da.
Die Behandlung
religiöser, konfessioneller, nationaler und sozialer
Gegensätze ist hier
nicht selten. Ein paar typischer Beispiele dafür (durch
die Handschrift sämtlich
Gebildete verratend):
1. Hier in dieser weichen Butter 3. Im Grab und
dieser Halle*)
liegt begraben Dr. M.....Lu ... . sind alle Menschen
gleich.
Doch1) greifst du etwas tiefer hinein: Im
Grabe faulen alle
da liegt derP...., das dicke Schwein. und hier stinkt
arm und reich.
(Zwickau. 1905. Hotel-Abort.) (Admont i. Steiermark.
August 1906.
2. Hier sammeln Mann sowohl wie Frau Bahnhofabort. —
Abgeschrieben von
Liebesgaben für den Ackerbau. E. K. Blümml.)
Drom dränge und drücke mit ganzer Ą
WagM und 0nanie>
Kraft tschaft! wie lieben sich
die!
Zum Wohle der notleidenden Landwirt- .
(Thorr, 1897. Abort eines Cafés.) <HalIe
** S" Umveratätsabort)
Auf letzterem werden von der Studentenschaft mit
Vorliebe durch Inschriften
die bestehenden Gegensätze ausgefochten die christlichen
und die schlagenden
Korporationen, die Farbentragenden und die Finken
befehden sich hier aufs heftigste
— mit wenig akademischer Würde.)
*
і. Preuße: All wo ein Bayer scheißen tut, Bayer: Der,
der dies geschrieben hat,
da gibts 'nen großen Haufen. ist gewiß aus Preußen.
Das kommt gewissen vom Fressen nur Denn wo es nichts
zu fressen gibt,
und vom vielen Saufen! da gibts auch nichts zu scheißen!
(München. 1905. Abort und Art der Handschrift nicht
festgestellt.) Von
diesem Vers — muß schon mehr „Lied" genannt werden —
gibts zahlreiche
Variationen. Wörtlich mit obiger stimmt überein die aus
Nordhausen. Am
vollständigsten behandelt unser Thema die aus O derb
erg. An der Wand des
Bahnhof ab tritts war im Mai 1880 zu lesen:
Зі8
Grundlagen der Skatologie
2. Ein jeder, der hier scheißen will, 4. Wer
Deutschlands Einheit sehen will,
muß sich ein wenig sputen, braucht gar nicht viel zu
wandern,
denn die Bahn gewährt hiezu denn, wie man hier
geschrieben sieht,
in Gnaden 5 Minuten. scheißt einer auf den
andern.
Ein Norddeutscher. Ein Österreicher.
3. Der obiges geschrieben hat, 5. Ob
Süd-, ob Nord-, ob Österr-Deutsch,
ist sicherlich aus Preußen, Ihr Deutschen müßt doch
raufen,
den wo es nichts zu fressen gibt, drum scheiß ich euch
als Streitobjekt
da gibts auch nichts zu scheißen. zur Teilung einen
Haufen.
Ein Süddeutscher. Ein Ungar.
Anders liegen die Verhältnisse in der zweiten
(größeren) Klasse, deren
Inschriften von einfachen Leuten aus dem Volk stammen.
Sehr richtig sagt
K. Reiskel in seiner oben erwähnten Umfrage: „Die Luft
der Latrinen muß für
viele Besucher etwas Inspiratorisches haben; denn sie
bringt manchen der Besucher,
dem die Regeln der Dichtkunst wohl unbekannt sind, dazu,
Verse zu schmieden
und an die Wand zu schreiben." Dies inspiratorische
Moment ist zweifellos
vorhanden und bedarf nur einer zoologischen Erklärung.
Meiner Ansicht nach
kommen hier zwei physiologische Tatsachen in Betracht,
je nach welcher
Richtung hin sich die Aufmerksamkeit des
Exkrementierenden konzen-
triert. Auch hier gibt wieder eine Durchsicht des
gesammelten Materials Licht.
Wir sehen da, daß die Konzentrierung des Interesses in
zwei Richtlinien erfolgt:
in der der Exkrementierung und der des Sexuellen.
Bezüglich der ersteren
müssen wir zunächst (ohne uns der Überhebung schuldig zu
machen!) feststellen,
daß auf der großen Stufenleiter der Entwicklung der Mann
aus dem Volke eine
Stufe niedriger steht als wir; wir haben die
Instinktwelt (leider!) längst verlassen
und sind Gehirn geworden; das Volk lebt im Instinkt und
strebt dem Gehirn zu.
Dies zugegeben, fällt die Auffindung des physiologischen
Substrats nicht schwer:
die Lust an Fäkaüen und Exkrementierung, wie sie sich
inspiratorisch auf Unkul-
tivierte in skatologischen Inschriften äußert, ist
weiter nichts als ein Residuum
aus der Tierzeit. Man braucht hier nur die Tatsache zum
Vergleich heranzu-
ziehen, daß es eine wahre Wonne der Hunde ist, an
Fäkalien der Straße zu
schnuppern, sie intensiv zu beriechen, um für Reiskels
Wort des „Inspiratorischen
der Luft der Latrinen" eine ausreichende Erklärung zu
haben. In uns allen steckt
ein Stück Tier, ein Stück entwicklunggeschichtlicher
Vergangenheit; je mehr wir aber
Kultur, Gehirn, Intellekt werden, desto mehr wird es
abgeschwächt. In dieser
Unterklasse (Interesse auf örtlichkeit und Aktus
konzentriert) finden wir als Motiv
zunächst das Gefühl der Erleichterung. Eine Probe:
6. Wer nie mit Schweiß im Angesicht der kennt das
Wonngefühl noch nicht,
dem Abtritt zugekeucht, wenn man ihn hat erreicht.
(Elberfeld. 1905. — Offenbar schwebten hier dunkle
Erinnerungen an
Goethes „Wer nie sein Brot" vor.)
*
Ferner das Gefühl des Wohlbehagens. In Halle ist
allgemein sprich-
wörtlich: „Ein guter Kaktus ist was Schönes." Auch hier
eine Probe:
7. Gott gebe dir zu diesem Werke dazu des
Spatzen Emsigkeit —
des Rosses Mut, des Bullen Stärke, von nun an bis in
Ewigkeit!
(Halle a. S. 1904, Universitätabort.)
Grundlagen der Skatologie.
З19
Oder das Gefühl der Beeinträchtigung des
Wohlbehagens:
8. O welch ein Plaisir:
noch nicht einmal Papier!
Das hätt ich früher wissen müssen,
ich hätte dann zuhaus geschissen!
(Elberfeld. 1907. Gasthof abort.)
9. Mein lieber Wirt, ich rate dir,
sorge für Klosettpapier t
Denn der Mensch in seiner Not
beschmiert die Wände sonst mit Kot.
Variation:
Denn der Mensch in seinen Nöten
greift sonst oft zu den Tapeten.
(Dennheritz i. Sa. 1906. Abort des
dortigen Gasthofs.)
10. Ich kann es nicht ermessen,
was der Schweinhund hat gefressen
Und das da stinket so
aus dem Popo.
(Weißenfels a. S.)
Solchen „Gefühlen" entspringen die in skatologischen
Sammlungen überaus
reich vertretenen Mahnungen bezw. Drohungen bei
Verunreinigung:
11. Ihr lieben Leute habt Verstand!
Scheiß t ins Loch und nicht auf n Rand !
(Kolberg. 1902.) — Eine andere
Fassung aus Elberfeld:
O Mensch bedenke doch,
hier ist ein großes Loch!
Gebrauche den Verstand
und scheiß nicht auf den Rand.
*
12. Wer hier will nach der Ordnung leben,
der scheiß ins Loch und nicht da-
neben!
(Binz auf Rügen. 1902. Bahnhof-
abort.)
13. Variante: Wer Freude hätt in seinem
Leben,
der scheiß ins Loch und nicht da-
neben !
(Halle a.S. 1903. Café International,
Abort. — Gemeingut des Volks.)
♦
14. Wer das Sitzbrett bekackt,
dem wird der Arsch abgehackt.
(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)
15. Malerei ist fein und zierlich,
aber nicht an diesem Ort,
wo der Finger dient als Pinsel
und der Arsch als Farbentopf.
(Breslau. 1895. Abort der Artillerie-
kaserne.)
16. Lieber Freund, ich rate dir:
stehle kein Klosettpapier!
Du bist wie ein Kinderlein,
wenn du nimmst Papier mit heim.
Drum horche auf und merke dir:
für deinen Arsch genügt das gröbste
Sandpapier !
(Zwickau i. Sa. Abort des Polizei-
amts. 1904. — Dem Vers liegen Tat-
sächlichkeiten zu gründe.)
17. Wenn Ihnen etwas fehlt allhier
Sei 's auch nur weiches Druckpapier,
So bitte drücken Sie nur brav!
Sogleich besorgts der Telegraf.
(Elberfeld.)
18. Gar höflich wird gebeten —
Und dies gilt einem Jeden —
Daß für schmierserge Hände
Man nicht die Wand verwende!
Doch drückt ein Witz dich gar zu
sehr
Und ist er wert, bewahrt zu werden
So setz ihn, bitte, nicht hierher!
Bedenk', es gibt noch Schreibpapier
auf Erden.
(Elberfeld.)
320
Grundlagen der Skatologie.
Die zweite Unterklasse, wo sich das Interesse des
Exkrementierenden auf das
Sexuelle konzentriert, ist ungeheuer groß. Die einfache,
auf der Hand hegende
Erklärung dafür bietet die bekannte Tatsache, daß bei
Exkrementierung häufig
Erektion des Penis eintritt (die Fäkalien drücken auf
ihrem Wege auf den
Samenleiter). Das reiche Belegmaterial möge man unten
nachlesen. Leider haben
wir so wenig Skatologisches aus Frauenabtritten. Mir ist
die Erlangung einer
einzigen derartigen Inschrift gelungen, die den
treuesten Ausdruck eines verliebten
„Verhältnisses" bildet:
19. Viktor von Stein
der macht's recht fein
und steckt ihn1) auch süß hinein.
(Halle a. S. 1903. Klause St. Lukas. Frauenabtritt.)
*
Nach dieser Darlegung der physiologischen Grundlagen
aller Skatologie
möge das weitere Material der Sammlung in Gruppen, nach
dem Inhalt sortiert,
folgen:
20. Daß ich hier gewesen,
kannst du selber lesen;
wie lange geblieben,
steht nicht geschrieben.
(Würzburg. 1905. Bahnhofabort.)
21. Mensch achte deinen Namen mehr
und schreib ihn nicht aufs Scheißhaus
her.
(Halle a. S. 1904. Männerabort des
22. Ein Nilpferd saß am Meeresstrand,
Wusch sich den Arsch mit Wüsten-
sand.
O möchte doch dein Herz so rein
Wie dieses Nilpferds Arschloch sein !
(Halle a. S. 1903/4, Auf mehreren
Abtritten. — Variante aus Elberfeld
1905: Nilesstrand — O mög dein Herz
so zart und rein ...)
*
Cafés Clause St. Lukas. U. H.2)
Der von K. Reiskel (Anthr. III. S. 246) angeführte
Abortspruch (Jahr 1850):
23. Hier ist das hohe Hochgericht, Wer scheißen will,
soll selber kommen,
Advokaten braucht man nicht, Advokaten werden nicht
angenommen.
Liegt mir in vier, zum Teil klareren und
ursprünglicheren Fassungen vor. Er ist in
Nordostdeutschland (Pommern und den beiden Provinzen
Preußen) ziemlich all-
gemein bekannt.
24. Hier ist Appellationsgericht,
Wo jeder Arsch sein Urteil spricht.
Vertreter werden nicht angenommen,
Wer scheißen will muß selber
kommen.
(Thorn. 1906.)
25. Hier ist das Oberlandsgericht,
Wo jeder Arsch sein Urteil spricht,
Dukaten werden nicht angenommen,
Wo Scheiße nicht will von selber
kommen. Die Direktion.
(Halle. 1904. — Café International
Abort. Sehr kindliche Handschrift.)
26. Hierjst das Oberlandsgericht,
Wo nur der Arsch sein UrteU spricht.
(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)
27. Hier ist das Scheißgericht,
Wo jeder Köttel den Hals zerbricht.
(Elberfeld. 1905.)
Weitere Variationen aus Chemnitz i.S.
28. Hier ist das Ober-Appellationsgericht,
Wo jeder Arsch sein UrteU spricht I
Kein Advokat wird angenommen,
Wer scheißen wül muß selber
kommen.
1) Penem. 2) U. H. = Ungebildete Handschrift.
Grundlagen der Skatologie«
321
29. Hier ist das große Scheißgericht,
Wo jeder Köttel den Hals zerbricht!
Advokaten usw.
30. Hier befinden sich: Leber, Herz und
Lunge,
Arschloch, Votz und Zunge.
(Zwickau. 1906. Abort des Schützen-
hauses.)
31. In diesem Hotel
gibts warme Würste ohne Schell
(Schale).
(Binz a. Rügen. Bahnhofabort. U.H.)
32. Hier in dieser Halle,
wo kein Vogel singt,
läßt der Mensch was fallen,
was entsetzlich stinkt.
(Würzburg. 1905. Bahnhofabort.)
*
33. Was der Bäcker backt,
was der Fleischer hackt,
wird hier ganz exakt
wieder ausgekackt.
(Halle a. S. 1903. Auf mehreren
Abtritten. Auch in Pommern und im
Bergischen weit verbreitet.)
34. Ist die Musik so hoch gestiegen,
daß auf dem Abtritt Noten liegen,
das kann sich anders nicht beweisen:
der Arsch, der muß nach Noten
scheißen!
(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)
35. Wer eines Menschen Freude stört, —
der Mensch ist keine Freude Wert.
Ruhig und friedlich kneipe man hier,
der Hausknecht lauert vor der Tür.
(Linz a. D. 1905. Kasernenabtritt.)
36. Die Liebe und Diarrhoe,
die machen viele Schmerzen,
die Diarrhoe im Unterleib,
die Liebe, ach, im Herzen.
(In Halle a. S. 1904. Auf Abtritten
weit verbreilet, auch auf dem Univer-
sitätabtritt.)
37. Variante: Die Liebe und der Dünn-
schiß,
die machen beide Schmerzen.
Der Dünnschiß macht das Arschloch
wund,
Die Liebe nagt am Herzen.
(Elberfeld. 1905.)
*
38. Fünf Minuten wird geschißen,
wer länger scheißt, wird 'rausge-
schmissen.
(Aus Erfurter Abtritten. 1906. In
der völlig gleicher Passung auf dem
Bahnhofabort zu Ad mont i. d. Steier-
mark, gesammelt von E. K. Blüm ml.)
*
39. Scheiß, daß die Wände krachen!
Scheiß dem Teufel in den Rachen!
Scheiß dem N. N.1) ins Angesicht,
daß2) er vor Angst gleich pischt!
(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhof-
abort. Sehr kindliche Handschrift Die
ursprüngliche Fassung der vorstehenden
Strophe, die Allgemeingut des Volkes ist,
erhellt aus den folgenden beiden:)
40. Scheißt, daß alle Wände krachen 1
Scheißt dem Teufel in den Rachen!
Scheißt der Welt ins Angesicht, —
nur bescheißt den Abtritt nicht!
(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)
41. Scheiß, daß die Felsen krachen!
Scheiß dem Teufel in seinen Rachen!
Scheiß dem Bauern ins Gesicht —
nur auf unsere Freundschaft nicht!
(Wien. 1850.)
42. Wer Ordnung liebt und Sitte,
erfülle mir die Bitte
und mache nach der Sitzung
zum Dank für die Benützung
hübsch den Deckel wieder zu.
(Elberfeld. 1905.)
43. Wer den Arsch wischt mit der Hand
Gehör'n dem Aas nicht Prügel?
1) 3 Fassungen waren durchgestrichen. 2) Zusatz von
zweiter Hand
Kraust, Anthropophyteia. 21
322
Grundlagen der Skatologie.
Wozu hat man das „Vaterland"
Von Doktor juris Sigl?
(Nordhausen.)
44. Das größte Schwein auf Erden ist,
Wer den Arsch mit den Fingern
wischt.
(Nordhausen. Hotelabort.)
45. Wenn du willst scheißen mit Verstand,
so nimm den Kopf in deine Hand,
und krumme die Ellenbogen auf die
Knie,
dann kannst du scheißen wie noch nie І
(Chemnitz.)
46. Himmel, Arsch und Zwirn,
Der Mensch, der kann sich irr'n!
(Elberfeld.)
47. Auf der Bank da geht's nicht gut,
Weil es da so rumpeln tut
(Nordhausen.)
48. Wer hier zu seines Körpers Ruh'
Den Rest der Mahlzeit schendet,
Der mach auch hübsch die Klappe zu,
Wenn er sein Werk vollendet.
(Nordhausen.)
*
49. Nunnen, die seind selten frumb,
machen sich von Speck und Ziebeln
einen derben Burschenpiebel,
humpeln in dem Loch herumb.
Nunnen, die sein selten frumb.
(Einem Elberfelder Herrn mitgeteilt
von einem Lehrer am Niederrhein.
1905. Soll aus einem Nonnenkloster-
abort in Kaiserswoerth stammen.)
*
50. Welcher hübsche junge Mensch
läßt sich für і M. einen ablutschen
und sich in Arsch ficken?
(Halle a. S. Ostern 1905. Bahnhof-
abort.)
51. Ist das Mädchen noch so schön,
scheißen muß es gehn.
Trägt sie die Nase noch so hoch,
stinken tut es doch.
(Aus Erfurter Abtritter. 1906.)
52. Did you ever see Selly make water,
she has a terrible stream.
She piss's three miles and a quarter,
you could'nt see Selly for stream.
(Aus Hamburger Abtritten. 1906.)
53. Ein altes Weib wollt scheißen gehn,
der Abtritt war verschlossen.
Da sah sie eine Leiter stehn
und schieß nun durch die Sprossen.
(In Thorn allgemein verbreitet. 1906.)
54. О Votze, du unschuldig Lamm,
dich trennt vom Arsch ein kleiner
Damm.
Und wenn der kleine Damm tut reißen,
dann tut der Arsch die Votze be-
scheißen.
(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhof-
abort. U. H.)
55. O puella, quid fecistil
In saltando cecidisti,
monstravisti genera
ceteraque omnia.
(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofabort.
Geb. Handschr. — Diese Strophe ist
Gymnasiastenpoesie und in den Aborten
der Gymnasien ganz Deutschlands zu
lesen. Sie existierte z. B. 1892 in sehr
erweiterter Form in Neustettin in
Pommern.)
56. Dein Auge dumm und ehrlich
scheint gänzlich ungefährlich.
(Halle. 1904. Abort des Cafés Clause
St. Lukas. U. H.)
57. „An die Geliebte."
Es pißt der Hund auf 3 Beinen,
auf allen Vieren pißt die Kuh.
Es pißt ein Jeder mit dem Seinen.
In meinem Herzen — bist — nur Du !
(Chemnitz.)
58. Warum küßt du die Wangen
deiner Braut?
Küß doch aufs Arschloch, —
s'ist dieselbe HautI
( Wildenfels b. Zwickau. 1906. Abort.)
Grundlagen der Skatologie.
59. Vögeln, das war Gottes Wille!
Dazu schuf er uns die Nille.
Mädchen, warum wollt ihr nu noch
trotzen?
Wozu schuf er euch die Votzen?
( K o 1 b e r g. 1904. Bahnhof abort.)
60. Variation: Ficken, das ist Gottes
Wille.
Wer nicht fickt, hat keine Nille.
(Aus einem Erfurter Abort. 1906.)
61. Doo hime an dem Eck
doo wohnt der Schuster Beck!
Streckt den Arsch zum Fenster enaus
unn sagt, es war e Weck!
Kommt e Fraa gelaufe
will ihm den Weck abkaufe.
Streckt er'n wieder 'nei
und sagt: der Weck is mei!
(Mainz.)
62. Hier durch diese Brille
guckt Arschloch, Voz und Nille.
(Nimbsch i. Schlesien. 1894. Abort
eines Restaurants.)
63. Was ist der Mensch? Ein Erdenkloß,
gefärbt mit roter Tinte;
das Loch ist wie ein Taler groß
und vorne hängt die Flinte.
Und drunter hängt der Pulversack,
gefüllt mit zwei Patronen,
und hinten ist der Schießeplatz,
da donnern die Kanonen.
(Großwikau i. Schlesien. 1894. Mit
Blaustift in großen Schriftzügen. Auch
in Pommern weit verbreitet.)
64. Da kam der Vater mit dem Bambus-
rohr,
Und schlug die Mutter vors Pisskontor
(Elberfeld. Piss = menschlicher
Geschlechtteil.)
65. Pimpern, vögeln, ficken
tu ich nur die dicken.
(Halle a.S. 1904. Universitätabort.
Geb. H.)
66. Nach des Gesetzes Regeln
muß jeder junge Mann
als Jäger 3 mal täglich vögeln.
67. Pumpe, Votz und Eierfaden,
das sind der Dinge drei.
Stoßt ihn 'rein mit Jugendkraft,
bums geht das Ding entzwei.
(Aus einem Erfurter Abort. 1906.)
68. Ich bin lustig und vögle gern, [fern,
ich ficke die Mädchen von nah und
Ich liebe die Großen und die Kleinen,
die Häßlichen und die Feinen.
Zum Vögeln sind sie gut genug,
und zum Kinderkriegen — na, ich
bezahl sie nicht!
(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofabort.
Sehr kindliche Handschrift.)
69. Hier geht das Vögeln gut,
das muß ich sagen:
die Altsch* hat 'ne fett Kurt' (vulva)
und 'nen fetten Magen.
(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofabort.)
70. So sah die erste aus, die ich erblickte
und sogleich von vorne fickte-
Zuerst war sie spröde,
nachher gar nicht mehr blöde.
Sie sagte, hab ich nicht ein feines Loch ?
Darum fick doch noch!
(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofaborf.
Sehr kindliche Handschrift; zum Bild
einer weiblichen Scham.)
71. Alle Mädchen sollen leben,
die das Hemd von selber heben
und den Schwanz mit eigner Hand
führen ins gelobte Land.
(Binz, Halle, Würzburg. 1903/5.
Die Würzburger Variante: Solche Mäd-
chen muß man lieben.)
73. Liebes Mädchen, laß dich ficken,
das ist dir ja sehr gesund.
Dann bekommst du dicke Titten
und ein Bauch wie Kugel rund.
(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhof abort.
U. H.)
21*
324
Grundlagen der Skatologie.
Eine Variante :
73. Mädchen, laß dich vögeln,
denn das ist gesund,
du kriegst dann dicke Tittchen,
dein Arsch wird kugelrund.
(Weißenfels a. S.)
74. Vögeln, ach vögeln ist eine Lust,
unter die Arme, zwischen die Brust,
von hinten, von vorn, es ist egal,
wenn er nur steif bleibt jedesmal.
(Weißenfels a. S.)
75. Ficken, das ist schön,
drum möcht ich gleich ficken gehn.
(Halle a. S. Ostern 1905. Bahnhof -
abort. U. H.)
76. Die Zeit, wenn man verheiratet
ist muß man benutzen um
zu ficken.
(Halle a. S. Ostern 1905. Bahnhof-
abort. Kindl. Handschr.)
77. Vögeln soll man täglich
ein Stück Zucker geben.
Aber vögeln täglich stündlich,
das ist sündlich.
(Halle a.S. 1904. Bahnhof abort. U.H.)
Aus obigem erhellt zur Genüge die Wichtigkeit der
Beobachtung von Bahn-
hofaborten. Wo die stärkste Benützung vorhanden, da
gedeiht die Muse der
Latrine am üppigsten. — Des Weiteren sei hier nun
einiger skatologischen
Spezialitäten gedacht, die mit obigem Material in
durchgehende enger Beziehung
stehen. Als ein Beispiel skatologischer
Erzählungen
diene das folgende „Erzählchen", aus Zwickau i. S.
1906 stammend und weit ver-
breitet:
82. „Der Affe." Ein Affe, der in einer Restauration
frei gehalten ward, hat
ein Spiritusfaß aufgedreht und deswegen vom Wirt
fürchterliche Senge bezogen.
Heulend flüchtet er in die Brille (Abort). Die Frau des
Wirts geht „schiffen"
(urinieren), setzt sich auf die Brille. Doch als Strahl
kommt, kneift der Affe,
der da denkt, das Spiritusfaß laufe noch, von unten
erschreckt die Möse zu.
Sehr verbreitet sind die skatologischen
Rätsel,
die in manchen Aborten geradezu grassieren. Hierzu
drei Beispiele:
83. Wenn „sie" das erste sagt (Vic) So bist du das
mittelste, (tor)
Und du nicht das dritte (ja) Das ganze ist der Name
einer Herrscherin.
(Victoria.)
78. Fick mich tot, dann sterb ich seligL
Deck mein Grab mit Schwänzen zu.
Schreib darauf mit rotem König:
Hier ruht eine alte Sau.
(Elberfeld. 1905. — Übrigens nur
der Anfang eines Herrentischlieds.)
79. Marie, Marie, wat häw eck en doch
stieff
Hess en stief, haul en stief,
steck en in dat örgerlies (vielleicht:
Ärgernis?)
(Elberfeld. 1905.)
80. Kutte, süßes Loch!
Hätt ich meinen Dreier (Taler) noch!
(Elberfeld. 1905.)
81. Du ahnst es nicht,
wie tief er sticht
der Mutter ins Leibgericht (Uterus) Г
(Elberfeld. 1905. — Verhunzung
des bekannten Gassenhauers. Der dritte
Vers auch häufig: der Omnibus im
Schnee.)
Grundlagen der Skatologie.
З25
84. Was ist Geduld? — Einen toten Juden in 'n
Arsch ficken, bis er schwitzt.
(Nimbsch i. Schles.)
85. Welche Ähnlichkeit zwischen Abort und
Bankgeschäft? — Im Abort
krachts, dann fallen die Papiere; beim Bankgeschäft ists
umgekehrt.
(Nimbsch i. Schles.
Oft werden solche „Rätsel" zu liedartigen Scherzen in
die Länge gezogen,
wie das folgende aus Glauchau stammende Abortliedlein
zeigt, das den „Unter-
schied zwischen Möschen und Vötzchen" darlegen will:
86. Was zwischen Hös'chen hervorlugt, Und was
unter einem Unterrock
wie ein Röschen, hervorstinkt wie ein Ziegenbock,
und einläd zu 'nem Stößchen, gerade so zum Kotzen,
das ist ein Mös'chen. das ist eine Votzen!
An dieses schließen sich, für die spezielle
Skatologie noch enger, die
Lieder
an, die sich teils mit den Fäkalien und der
bezüglichen Tätigkeit befassen, teils
für die skatologische „Dichtung" bedeutungvoll geworden
sind (denn nicht wenige
der einzelnen Abortverse stammen aus einem längeren
Ganzen 1). Besonders
interessant in dieser Beziehung ist das „Lob des
Scheißens". Dr. Friedrich S.
Krauss schreibt hierzu:
87. »Wer der Verfasser dieses Lobgedichtes und
wann es entstanden ist,
weiß ich nicht, doch scheint es in den weitesten Kreisen
sehr bekannt und beliebt
zu sein. Das geht schon daraus hervor, daß einzelne
Zeilen und Strophen daraus
sehr häufig die Wände von Aborten in Nieder- und
Oberösterreich verunzieren.
Nachfolgende Fassung ist vor etwa 20 Jahren in
Wien-Ottakring vermerkt worden.
Sie steht in einer Sammlung, die erotische Gedichte von
Klopstock, Blumauer,
Saphir, Castelli und Nestroy ziemlich wahllos
vereinigt." — Das Lied lautet:
Scheißen ist mit nichten unanständig, Seht den Doktor
auf dem Scheißhaus
alle sind wir ja zum Schiß gemacht, sitzen,
alles, was auf dieser Welt lebendig gravitätisch
scheißt er seinen Dreck,
hat den Göttern einen Schiß gebracht oft muß er bei
seinem Scheißen schwitzen
Um zu leben muß ein jeder scheißen, und
der Unrat &eht nur
mühsam we&-
Adler, Elefanten, Mäuse, Hahn, Hinter seiner Hütte
scheißt der Bauer
alles muß bei seinem Scheißen greißen, freudenvoll
sein hartes Bemmchen Mist;
wohl dem Wesen, welches scheißen kann. dort scheißt
Fritzchen an derGartenmauer,
Jupiter scheißt unter Donnerblitzen, wahrend
er sein Butterbrötchen isst.
den Olymp durchtönt des Dreckes Sturz, Schüchtern
scheißt die Kuhmagd in
nichts kann ihn von seinem Abtritt dem Stalle,
schützen voller Angst, daß sie der Knecht belauscht,
und selbst Götter loben einen Furz. ihr entfährt
derDreck mit dumpfem Knalle
Juno scheißt auf goldlackierten und vom heißen Duft
wird Hans berauscht.
Stühlen, Enten scheißen nicht gar appetitlich,
die mit Roßhaar weich gepolstert sind, Gänse kacken
auch nicht elegant,
trotz der Gottheit muß sie dennoch fühlen doch das
Lamm legt seine Lorbeern
Dreck im Arsch, wie jedes Menschen- niedlich,
kind. der Aptheker nimmt sie in die Hand.
32б
Grundlagen der Skatologie.
Unter allen aufgeschiß'nen Drecken
ist der leckersten der Schnepfendreck,
man speist ihn geschmiert auf Butter-
wecken
und vereint mit frischem Schweinefett.
Schweine lieben sehr die Schweine-
schi ße,
wenn er frisch von seinem Arsche fällt,
Fliegen, Wespen, jederlei Geschmisse
liebt den Dreck als bestes auf der Welt.
Scheißen überhaupt ist Götterwonne,
grunzt ja selbst das Schwein vor lauter
Lust,
der Soldat scheißt in die Pulvertonne,
Wollusttöne hebts ihm aus der Brust.
Ja, die Bomben füllt er oft mit Drecke,
Mörser selbst verschont sein Arschloch
nicht,
und auch in der stillen Straßenecke
scheißt der Wächter beim Laternenlicht.
so
Ängstlich und verdrießlich ist man
immer,
wenn das Arschloch widerspänstig ist,
auf und ab spaziert man in dem Zimmer
und erpresst sich mühsam einen Furz.
Warum spricht man denn ach, gar
wenig
von des Scheißens wonnigem Genuß,
wer gut scheißt, ist glücklich wie ein
König,
arm der Mann, den man klystieren muß.
Freudvoll und beglückt ist jeder
Scheißer,
daß er frohen Mutes essen kann,
seinem Mund entströmt ein Dank, ein
heißer:
wohl dem Mann, der immer scheißen
kann!
Außer manchen anderen kommt hier auch ein Erfurter
Herrentischlied, das
sog. „Puplied" in Betracht. Es lautet:
88. „Das Puplied". (Nur zu singen bei
feuchtfröhlicher Laune und
geschlossenen Fenstern. Melodie: Bin kein Freund von
Traurigkeit.)
Prost! Ihr lieben Pupkameraden,
freundlich seid Ihr eingeladen.
Ob Ihr sitzet oder geht,
Euch das Puploch offen steht.
Pup, pup, pup, pup, Heideritchen,
Ob Ihr sitzet oder geht,
Euch das Puploch offen steht.
Auch Offiziere pupen gerne,
sind sie mal in der Kaserne,
pupen tut der Grenadier,
seine Köchin sorgt dafür.
Pup etc.
Selbst, so'n Klosterbruder,
ist in Pupen auch ein Luder,
Hat er sein Gebet vollbracht,
pupt und furzt er, daß es kracht.
Pup etc.
Und die schöne Leonore
vor dem Rosentaler Tore
will sie morgens früh aufstehn,
läßt sie erst noch einen gehn.
Pup etc.
Pupen tun alle Kinder,
pupen tut ja auch der Schinder,
Puparsch1) ist sein Lieblingstrank,
pupt er nicht, so ist er krank.
Pup etc.
Auch die Köchin in der Küche,
sie verbreitet Wohlgerüche,
wenn sie Zwiebelsauce macht,
pupt sie gleich, daß alles kracht.
Pup etc.
Arbeitsmann in stiller Kammer,
7 Kinder, s'ist ein Jammer,
läßt der Vater einen streichen,
müßen Frau und Kinder weichen.
Pup etc.
i) Sachs. Ausdruck, mißratenes Getränk.
Grundlagen der Skatologie
З27
Pupen tun die Restaurateure,
pupen in die Ofenröhre,
pupen in den Apparat
und das Bier schmeckt delikat.
Pup etc
In Afrika, dem Land der Tropen,
pupen Affen, Antilopen.
Mit am interessantesten sind jene
Pupen tut auch König Bell,
scheußlich stinkt sein schwarzes Fell
Pup etc.
Zum Pupen hat im Sattelsitz
der Radler einen großen Schlitz.
Pupen tut er meistens auch,
pumpt er Luft in seinen Schlauch.
Pup etc.
Kinder-Abzählverse,
die man gar nicht häufig findet. Kindliche Naivetät
übernimmt ahnunglos berüch-
tigte Abortverse, ohne deren Sinn zu ahnen. Häufig
finden halbwüchsige Burschen
oder abgelebte Lüstlinge eine Pikanterie darin,
derartige Dinge aus unschuldigem
Munde zu vernehmen und so lehren sie es auch. Ich habe
nur drei solcher
„Abzählverse" ermitteln können, der erste ist mir aus
Zwickau i. Sa., Leipzig und
Nimbsch i. Schlesien, der zweite aus letzterem Orte, der
dritte (in charakteristischem
Dialekt) aus dem Erzgebirge bekannt:
89. Es war einmal ein Mann,
der hieß Pumpan,
Pumpan hieß er,
große Fürze ließ er.
Große Fürze könnt er lön, (lassen)
aus dem Arschloch Butter schlön.
(schlagen.)
90. Ficke, ficke, vögel!
Der Bauer nimmt den Schlegel,
der Bauer nimmt den Habersack,
haut den Großknecht auf den Sack.
91. One tone turz
der Teifel ließ en Furz.
Schiß er in die Hus'n,
könnt er nich mehr dus'n (?).
Stieg er aufn Baam,
könnt er nich mehr laam (leben).
Schließlich, und nicht zum wenigsten, bleibt nun der
Nachttopf-Verse
zu gedenken über, eines wichtigen, aber recht
vernachläßigten Zweiges der Skato-
logie. Aus Wien stammen die folgenden:
92. Bescheiden steh ich unterm Bett,
bewahre dich vor großem G'frett.
93. Wie auf den Stuhl der Götter
setz du dich auf dieses Geschirr,
und laß den Sturm, das Donnerwetter
laut krachen unter dir.
94. Heiter ohne Sorgen
bombardiere alle Morgen.
95. Immer lustig, fesch und munter,
der am Scherm sitzt, geht net unter.
96. DasBächlein rauscht, der Donner rollt,
Was darin steckt, ist kein Gold.
97. Das geheimnisvolle Geschirr
überreich ich heute dir;
erfasse es mit rascher Hand
und füll es an bis an den Rand.
98. Nur außi mit die tiafn Tön*.
99. Ich bitte, machen Sie in die Mitte,
nicht auf den Rand,
das wäre a Schand.
100. HalloI wer dort?
Ich sitz' am Scherm
und kann nicht fort.
328
Grundlagen der Skatologie.
Anhang.
ioi. „Leben, Meinungen und Wirken der Witwe Wetti
Himmlisch,
die ihre Laufbahn als Malermodell angefangen,
langjährige Toillettefrau gewesen
und jetzt von ihren Zinsen zehrt. Von ihr selber
eigenhändig niedergeschrieben."
Leipzig 1907. Deutsche Verlagsactiengesellschaft. Preis
2,— M.
Mein obiger Versuch bliebe unvollständig, würde ich
hier nicht anhang-
weise eines kürzlich erschienenen Buches Erwähnung tun,
das an Seltsamkeit
und Wert alle Memoirenwerke der Jahrzehnte hinter sich
läßt. Wetti Himmlisch's
Niederschrift eröffnet ein völlig neues, in dieser
psychologischen Wahrheit auch
vom Forscher noch unerschlossenes Gebiet. Was bedeutet
unserem Gros der
Kulturmenschheit ein „Häuselweib"? Nichts. Es ist so
verachtet wie ihr Gewerbe
und das Material, das das Bestehen solches Gewerbes
ermöglicht. So ruft der
Durchschnittmensch, der doch sofort anderer Meinung
wird, sowie er die Lektüre
hinter sich hat. Letztere beweist schon der enorme
buchhändlerische Erfolg, den
die ehemalige Toiiettefrau erzielt hat. Ja, die Augen
werden dir geöffnet, lieber
Leser; du tust einen Blick in ein Daseingebiet, an dem
du bisher achtlos vorüber-
geschritten bist. Die Schwere allen Menschenschicksals,
mit ihren zahllosen
Bitterkeiten und kleinen Freuden geht dir auf, dein Herz
wird reicher, denn ein
Detail mehr ist sein eigen geworden I Und das Besitztum
an Details entscheidet
über inneren Reichtum.
Für den Forscher, speziel den Skatalogen, bedeuten
der Himmlisch' Me-
moiren natürlich weit mehr, denn sie berühren sein
eigenstes Gebiet Freilich
rühren unsere Sammlungen nicht lediglich von
Toilettewänden her, ich meine:
aus öffentlichen Aborten, sondern auch die Hotels
liefern reiches Material. Aber
die öffentlichen „Häusel", in denen so eine Wetti sitzt,
geben doch das Meiste.
Wenn man nun erfährt, daß eine solche — ohne Fingierung
— tatsächlich ihre
Meinungen und Erfahrungen persönlich niedergeschrieben
hat, so ist nur billig und
recht, daß jeder auf diesem Gebiet Forschende und
Klärende genanntes Buch
kennen muß. In dieses sind eine ganze Menge bekannter,
auch in dem vorste-
hendem Aufsatz wiedergegebener Abortverse eingestreut,
freilich für die breite
Öffentlichkeit dezent gekürzt, doch unschwer ergänzbar.
So z. B. auf Seite 38 :
„An X. X.
Du bist ein Dichter unter Dichtern
_ _ _ _ _ _et
Fehlt: „Wie der Arsch unter Gesichtern"). Weiterhin
lese man die Verslein auf
den Seiten 36, 37, 39, 40, 47, 71 usw. Interessant ist,
daß wir bei nicht wenigen
auch die Entstehunggeschichte solcher Versreihen
erfahren. Die Memoiren gewinnen
dadurch einen biologischen Wert.
Jn aller Kürze nur, da es nicht zum vorliegenden
Thema gehört, sei darauf
hingewiesen, daß des Häuselweibes Werk nicht nur ein
Document humain bedeutet,
sondern auch einen sehr interessanten durch die
Schicksale fesselnden Roman,
den jeder mit wachsendem Vergnügen genießen wird.
Unseren Freunden aber
von der Folkloreforschung sei das Buch als unentbehrlich
empfohlen.
Hugo E. Luedecke.
Sudslavische Volksuberlieferungen,
die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.
(III. Fortsetzung.)
Gesammelt, verdeutscht und erläutert von Dr.
Friedrich S. Krauss.
Vom Dreck.
Prije jeb an ja dao bih joj dva ovna,
poslije jebanja dva — govna.
Sprichwort in Norddalmatien. Mitgeteilt von
Dr. Alex. Mitrovic.
Vor dem vögeln gäbe ich ihr zwei Schafböcke,
nach dem Vögeln zwei — Drecke.
Vorbemerkung. In der Kulturgeschichte der Menschheit
kommt dem Dreck
eine außerordentliche Bedeutung zu und jene Völker, die
sie erkannt haben, stehen
kulturell so hoch, daß sie zur Hebung der Landwirtschaft
Dreck (Guano) über-
seeisch beziehen und auch künstlich erzeugen. Egypter
und Römer wußten ihn
bereits zu schätzen und anthropomorphisierten oder, was
dasselbe ist, sprachen ihn
heilig. Die Verfasser der Bibliotheca scatologica leiten
mit einem darauf bezüg-
lichen Exkurs ihr Bücherverzeichnis ein und wir
wiederholen ihn mit der Bitte an
unsere Leser, uns für die weiteren Bände Ergänzungen
beizusteuern.
Vile excrementum es stercus, sed inutile non es;
Tu nutrimento das alimenta meo.
J. Owenius.
Les anciens avaient fait plusieurs divinités du
Stercus.
1. Stercus ou Stercès, père de Picus,
inventeur de la méthode de fumer les
terres. (St. Aug. De civ. Dei, 1. 18. c. 15.)
2. Sterculius (Macrob., Satura, 1. 1, c. 7);
Stercutius (Lactant, De fal. reb., 4),
Stercutus, Sterquilinus, Sterquiline, divinités qui
présidaient aux engrais. Quelques
personnes croient que c'étaiet un surnom de Saturne
comme inventeur de l'agri-
culture; d'autres y reconnaissent la terre alle-même.
Pline dit que ce dieu était fils
du dieu Faune et petit-fils de Picus, roi des Latins.
(Pline, 1. 17. c. 9, no. 40;
Pers., Sat. і, v. 3.)
On honore aussi Faunus avec les deux derniers surnoms
(Pline, loc. cit).
330 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen.
570. Dreck eines Blinden.
a) Svaleru valja dati slepcevo govno, da
zaćori za svalerkom. —
Angabe einer Bäuerin aus einem Dörfchen bei Kragujevac,
Serbien.
Dem Liebhaber soll man eines Blinden Dreck
eingeben, damit er
nach der Liebsten verblendet werde.
b) Mnoge prostije devojke veruju, da će je uzeti onaj
na koga je
sama bacila oko, ako mu da te pojede vrh slepceva
govneta. Toga
radi staraju se, da same lieno to uzmu i na raźne
naćine ili uz kakvo
pice ili uz jelo daju budućem mużu da pojede. —
Mitgeteilt von einem
Bauern aus einem Dörfchen bei Kragujevac, Serbien.
So manches gemeinere Mädchen glaubt, jener, auf den
sie selber
ihr Auge wirft, werde sie zur Frau nehmen, wenn sie ihm
die Spitze
des Drecks eines Blinden aufzuessen gibt. Deswegen
bemühen sie
sich, dies selber persönlich aufzugreifen und geben es
auf verschiedene
Art und Weise, entweder mit einem Getränke oder mit
einer Speise
dem zukünftigen Ehegatten zum verzehren ein.
3. Dieu particulier qui présidait à la garde-robe.
[Diva Cloacina, eine Gott-
heit, der man zu Ehren auch Medaillen prägte. Lactant.
Inst. 1,20, § u; S. Cypr.,
Von d. id. c. 2, § 6; Min. Felix Oct., c. 25, § 8; Plin.
Hist. nat. XIV. 29;
Livius III. 48.]
4. On trouve encore dans Arnobe un dieu Latrinus,
duquel il dit: Quis
Latrinum praesidem latrinis? (Adv. gent. 1. 4.)
On sait que Tescarbot ou fonille-merde, qui nait
dedans et qui s'en nourrit,
était pour les Egyptiens l'image du monde, du soleil,
d'Iris, d'Osiris (Pline, 1. 30,
c. il, no. 15; Id. t. 2. no. 30).
Wohl darum, weil diese Gestalten dem niederen
Volksglauben angehören,
gedenken ihrer die meisten Mythologien, so z. B. die von
Preller mit keiner Silbe.
Ausführlich behandelt im Anschluß an den angeführten
Auszug aus der
Bibl. scatologica Captain John G. Bourke die Dreckgötter
(Scatologie rites of all
nations. A Dissertation upon the Employment of
Excrementitious Remedial Agents
in Religion etc. Washington D. C 1891, Cap. XIX, p.
127—133): Excrement gods
of Romans and Egyptians. — The Assyrian Venus had
offerings of Dung placed
upon her altars. — The mexican goddes Suchiquecal cats
ordure. — Israelitich
dung gods. — Einen kurzen Auszug daraus bei Dr. Iwan
Bloch, Beiträge zur
Aetiologie der Psychopathia sexualis, Dresden 1903. II.
S. 234—236. — Man ver-
gleiche auch die sehr wichtigen und lehrreichen
Auseinandersetzungen Havelock
Ellis' über skatologischen Symbolismus, die Urolagnie,
Koprolagnie usw. in seinem
trefflichen Werke: Die krankhaften
Geschlechtsempfindungen auf dissoziativer
Grundlage. Deutsch von Dr. Ernst Jentsch, Würzburg 1907.
S. 155—181.
Stofflich fußt auch er hauptsächlich auf Bourke, dessen
Werk ich ehebald unseren
Lesern deutsch vorlegen werde.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
571. Kako je snataa svekru za muśtuluk govno dala.
Krćio covjek u njivi. Imao je duge opanke. Navali mu
srati
i on skala gaće i posere se. Kada je bio gotov obazdre
se, da vidi
govno, ko śto je to u seljaka obićaj, ali govnu ni
tragal On se pre-
pane, da mu je to prama glavi te kako je već vecer bila
ode kuci
i sjede kod vatre, podboći se źalostan. Snaha ga upita:
,Sta je tebi,
babo?' — A on joj pripovjedi, kako je iśo srati pa mu se
ućinilo, da
je i crijeva izasro a kada je pogledo,.ne ima govnu ni
traga pa veli:
,Ta mi je prama glavi Iі
Kada je snaha stalą izuvati svekra nagje govno u
opanku pa
zavice: ,Babo, meni muśtuluk, tebi govno I Evo ga
u opanku I'
Erzählt von eiuem Bauernmädchen aus einem Dorfe am
Mittellauf
der Bosna.
Wie eine Schnur ihrem Schwiegervater gegen Botenlohn
einen Dreck gegeben.
Es rodete ein Mann im Ackerfelde. Er trug lange
Bundschuhe.
Es befiehl ihn ein Scheißdrang und er streifte die
Leinenhosen herab
und kackte sich aus. Als er damit fertig war, schaute er
sich um,
um seinen Dreck zu besehen, wie dies schon bei den
Bauern Brauch
ist, vom Dreck jedoch keine Spur! Er entsetzte sich [im
Glauben],
das wäre [ein Vorzeichen], daß es ihm an den Kopf gehe
und wie
es schon Abend war, ging er heim und setzte sich ans
Feuer. Betrübt
stemmte er seine Arme in die Hüfte. Die Schwiegertochter
fragte
ihn: ,Was fehlt dir, Vater?' — Er aber erzählte ihr, wie
er scheißen
gegangen und es habe ihm geschienen, daß er sogar die
Gedärme
herausgeschissen, als er aber hingeschaut, da sei vom
Dreck nicht
einmal eine Spur dagewesen, und er spricht: ,Dieser Fall
weist gegen
meinen Kopf hin!4
Als die Schnur dem Schwiegervater die Fußbekleidung
auszuziehen
anfing, fand sie den Dreck im Bundschuh vor und rief
aus: ,Vater,
mir ein Botenlohn, dir ein Dreck! Hier ist er im
Bundschuh!'
Anmerkung. Der primitive Mensch kommt infolge seiner
Unwissenheit,
aus der sein Glaube sprießt, weniger dazu sich seines
Daseins zu freuen als ein
gebildeter Mensch in der Kultur. Alles um ihn herum
erscheint ihm beseelt und
ihm nur selten wohlgesinnt. Daher erblickt er in jedem
ihm ungewohnten, neuen
Vorfall ein Anzeichen drohender Gefahren für sein Wohl
und Wehe. In höheren
ausgebauten Religionformen verdichtet sich solcher
Glaube zur Vorstellung von
Sünden, für die es Ablösungen gibt. So gewinnt der höher
Gebildete für seinen
Wahn wenigstens die Hoffnung und dank priesterlicher
Bereitwilligkeit zu Opfer-
entgegennahme auch eine Möglichkeit zur Entlastung
seines bedrängten Gemütes,
2 Südslavische Volksüberlief erungen, die sich
auf den Geschlechtverkehr beziehen
während der Primitive seiner Verzweiflung unterliegt.
— Die meisten Säugetiere
begucken oder beschnuppern ihren frischen Unflat, so
auch der rückständige
Mensch. Viele primitive Völker errichten Aborte, nicht
so sehr aus ästhetischen,
als aus religiösen Rücksichten, um das, was aus ihrem
Leibe herauskommt, keinen
ungewissen Zufälligkeiten preiszugeben und um sich von
Zeit zu Zeit vom Vor-
handensein der Ausscheidungen überzeugen zu können. Zum
Überfluss lehnt sich
der Geruchsinn der Primitiven gegenüber ätzenden
Gerüchen lange nicht so heftig
auf, wie der von Kulturmenschen und der Südländer und
Polarländer sind un-
empfindlicher als die Bewohner mittlerer Breitegrade. —
Einen Botenlohn, d. h.
ein Trinkgeld geben auch wir für eine frohe Botschaft,
aber bei den Orientalen
verläßt sich der Bote nicht auf die Freigebigkeit des
Nachrichtempfängers, sondern
behandelt vorsichtigerweise seinen Lohn vorher aus. — In
den Worten der Söhnerin
steckt für den Serben noch ein besonderer Witz, den auch
unser deutsche Land-
mann verständnisinnig nachzufühlen vermag.
572. Trażili blago.
Dva prijatelja idući kroz śumu ugledaju na jedan put
plamen ne-
obićne plavkaste boje i po prićanju, koje su iz ranije
joś sluśali, za-
kljuće, da će tu biti zakopano blago. Ali te noći nisu
hteli niśta
preduzimati, dok se ne izveste, da li je doista takov
plamen siguran
znak, da tu ima blaga i dok ne raspitaju, kako ga valja
kopati.
Sutradan odu jednom coveku, za koj ega se u celom
selu prićalo,
da je covek pun iskustva i da je mnogo po svetu putovao
і svasta
vidio i ćuo ali koji je u ist o vreme bio źiv
okaćenik. Każu mu, sta
su videli u śumi i zapitaju ga, śta to może biti.
— ,To su vam se pokazale pare!1 odgovori
onaj covek
— ,Pa śta da radimo? Kako da ih iskopamo?'
— ,Bome. to je poteśka stvar. Valja dobro, da se
drżite onoga,
Sto vam bu dem kazao!'
— ,Hoćemo, razume se, samo da nagjemo pare!'
— ,E, lepo. Otidite noćas oko pola noći, ponesite
budak i motiku,
ali za celo vreme morate ćutati i ne smete ni
jedne reći da progovo-
rite. Kad ugledate plamen, prigjite polako bliźe i
tu ćete posigurno
naci kakvu kładu. Ako vam je sugjeno, da iskopate
pare, onda će
na kladi biti kakav znak ili kakva crknuta tica ili miś
ili guja iii ljucki
pogan. Sto bude bilo, morate zajedno pojesti i
tek onda kopajte
i tada ćete izvesno naci pare!'
Ona dvojica tako i ućine. I kad su
dośli u Sumu na ono isto
mesto, gde su prosie noći ugledali plamen, vide ga i
ovoga vecera
i doista, kako im je onaj covek kazao, nagju kod
plamena i kładu i na
kladi skoraśnje ljucke pogani.
Obraduju se veoma, jer je to po rećima onoga ćóveka
bio znak,
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
da im je sugjeno, da iskopaju na tome mestu pare.
Poćeśe se tutkati
znacima, jer govoriti nisu smeli, ko će prvi poćeti
jesti. Najzad se
jedan reśi i poce. Bilo mu je gadno, ali valjalo je to
ućiniti pa da
se dogje do para.
Kada je dośao do polovine, dade znak onome drugome,
da pro-
duźi. Ali ovaj odmahnu rukom, kao da bi hteo reći:
,Produźi, kad
se već opoganio!7 Pośle duźeg razmiśljanja
onaj produźi. Śta je znao,
da ćini? Pojeo je vise od polovine; sad da ostavi, ne će
biti niśta od
para. Tako produii i pojede sam celu gomilu.
Poćeśe potom kopati, ali ih već i zora zateće u tome
poslu a oni
ne iskopaśe ni krśene pare. Snuźdeni se vratise kućama i
pośto se
ispavaSe odośe onome coveku i isprićaśe mu sve, Sta je
bilo, dodav,
da su mu ućinili sve, śto im je kazao, ali da para nisu
naŚli.
— fPa jeste li pojęli pogan po pola?'
— ,Nismo', reće jedan od njih, ,pojeo je onaj sam!ł
— ,E, pa da Borne, da niste mogli naci pare! Trebali
ste svaki
ravno po polovinu da pojedete!1
Aus Serbien.
Die Schatzgräber.
Auf dem Weg durch den Wald erblickten zwei Freunde
auf
einmal eine Flamme von ungewöhnlicher bläulicher Farbe
und nach
Erzählungen, die sie schon früher vernommen, zogen sie
den Schluß,
daß hier ein Schatz vergraben sein dürfte. Sie mochten
jedoch in
dieser Nacht nichts unternehmen, ehe sie sich nicht
vergewissert hätten,
ob wirklich eine solche Flamme ein zuverläßiges Zeichen
sei, daß
allhier ein Schatz vorhanden sei und bevor sie nicht
erfrügen, wie
man ihn auszugraben hätte.
Am anderen Tag begaben sie sich zu einem Manne, von
dem im
ganzen Dorf der Ruf ging, er wäre ein Mensch voller
Erfahrung und
daß er viel in der Welt umhergewandert sei und allerlei
gesehen und
gehört habe, doch der war zu gleicher Zeit mit allen
Salben, nur mit
keiner guten geschmiert. Sie berichten ihm, was sie im
Walde gesehen
und befragen ihn, was das wohl sein könnte.
— Da ist euch ein Geld erschienen! antwortete jener
Mann.
— Und was sollen wir tun? Wie sollen wir es
ausgraben?
— Gott helf mir, das ist eine ziemlich schwierige
Sache. Ihr müßt
euch genau an das halten, was ich euch sagen werde!
— Das wollen wir, versteht sich, wenn wir nur das
Geld finden!
— Ei, schön. Verfugt euch heute nachts um Mitternacht
dahin,
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen
nehmt eine Rodehacke und eine Haue mit, doch während
der ganzen
Zeit müßt ihr schweigen und ihr dürft auch nicht ein
einziges Wort
sprechen. Wenn ihr die Flamme erschaut, nähert euch ihr
langsam
und ihr werdet daselbst so gut wie gewiß irgend einen
umgestürzten
Baumstamm vorfinden. Wenn es euch vom Schicksal
beschieden ist,
das Geld zu heben, so wird sich auf dem Stamm irgend ein
Zeichen
vorfinden, entweder irgend ein krepierter Vogel oder
eine Maus oder
eine Giftnatter oder ein menschlicher Unflat. Was es
immer sein mag,
müßt ihr es gemeinsam aufessen und dann erst grabt
darauf los und
sodann werdet ihr gewißlich die Münzen entdeckenl
Also taten denn auch die Zwei, Und als sie in den
Wald an jene
selbe Stelle kamen, wo sie in der vergangenen Nacht die
Flamme
erblickt, erschauten sie sie auch an diesem Abend und
wahrhaftig, so
wie es ihnen jener Mann gesagt, fanden sie bei der
Flamme auch den
umgestürzten Stamm und auf dem Stamm frischen
Menschenkot vor.
Darob waren tie höchlich erfreut, denn das war nach
den Worten
jenes Mannes das Zeichen, daß es ihnen vom Schicksal
beschieden
sei, an dieser Stelle die Münzen auszugraben. Sie
begannen einander
mit stummen Geberden anzueifern, denn reden durften sie
ja nicht,
wer der erste zu essen anfangen solle. Schließlich
entschloß sich der
eine und machte damit den Anfang. Es war ihm ekelhaft,
doch mußte
dies geschehen, damit man zu dem Geld gelangen könne.
Als er bis zur Hälfte kam, gab er jenem anderen ein
Zeichen,
fortzusetzen. Dieser jedoch winkte mit der Hand ab, als
ob er sagen
wollte: ,Fahr nur weiter fort, nachdem du dich mal schon
verunflätigt
hast!' — Nach längerem Nachdenken setzte jener [das
Mahl] fort.
Was wußte er denn sonst zu tun? Mehr als die Hälfte
hatte er bereits
verzehrt; läßt er jetzt die Sache stehen, so wird aus
dem Gelde nichts
werden. Also setzte er fort und aß allein den ganzen
Haufen auf.
Hernach begannen sie zu graben, doch schon
überraschte sie
auch das Morgenrot bei diesem Geschäfte, während sie
nicht einmal
einen entzweigebrochenen Pfifferling ausgegraben.
Betrübten Gemütes
kehrten sie zu ihren Häusern heim und nachdem sie sich
ausgeschlafen,
begaben sie sich zu jenem Manne und erzählten ihm
haarklein alles,
was sich zugetragen mit dem Hinzufugen, sie hätten alles
getan, was
er ihnen angeraten, Geld jedoch hätten sie keines
entdeckt
— Und habt ihr den Unflat zu gleichen Hälften
aufgegessen?
— Das taten wir nicht, sagte einer von ihnen,
aufgegessen hat
ihn jener allein!
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
— Ei, nun, so Gott mir helfe, da habt ihr natürlich
die Münzen
nicht finden können. Ihr hättet müßen jeder gerade die
Halbscheit
aufessen I
Anmerkung. Das Dreckessen ist in diesem Falle ein
Sühn-oder Ablösung-
opfer von sehr abgeschwächter Art. Der Ratgeber machte
sich aus den zwei
Schatzgräbern einen nach bäuerlichen Begriffen
ausgezeichnet gelungenen Jux. Sonst
heischt der Volksglaube blutige Menschen- oder
Tieropfer. Vgl. Krauss:
Menschenopfer in Serbien, Am Ur-Quell, VI. S. 137—140.
573. Dreck als Heilmittel.
1. Govno covecje se upotrebljava kao lek
protivu nicine, ćirića
i priSta (zalca), kad se isto prosto metne na ranu
(boljku).
— Menschendreck gebraucht man als Heilmittel gegen
Beulen,
Geschwüre und Pusteln, indem man ihn einfach auf die
Wunde auflegt.
2. Prvo govno, koje malo dete isere posle porogjaja,
treba uzeti
i namazati detetu (istom) obrve і brkove (ako je muśko)
pa će posle
biti lepo.
Den ersten Dreck, den ein kleines Kind nach der
Geburt aus-
kackt, muß man nehmen und damit dem Kinde [demselben]
die Augen-
brauen und die Oberlippe [falls es ein Knäblein ist]
bestreichen und
es wird schön werden.
3. Da bi źena općinila muza te da ne bi video
i znao, Sta ona radi,
daje mu kradom da okusi od slepcevog govna.
Will ein Weib ihren Ehegatten mit Zauber so
verblenden, auf
daß er nicht sehe und wisse, was sie treibe, so gibt sie
ihm ver-
stohlenerweise vom Dreck eines Blinden zu verkosten.
Diese drei Vorschriften aus Levac in Serbien, üblich
sind sie aber
weit und breit unter den Südslaven.
4. Zur Vertreibung von Leberflecken und
Runzeln im Gesichte
und auch zur Erzeugung eines reinen, hellen Teintes
pflegen die
Chrowotinnen allgemein vor dem Schlafengehen ihr Gesicht
mit Lappen
zu belegen, zwischen die sie frischen Menschenkot
gegeben. Ein Mädchen
klagte mir einmal ihre Not, sie vertrüge nachts den
Gestank nicht
und es befielen sie davon Üblichkeiten. Ich riet ihr,
sich grüne Kohl-
blätter aufzulegen, vor Sonnenaufgang eine Stunde weit
auf die Wiesen
zu gehen und sich mit Tau zu waschen und dann zum
Frühstück
eine Maß voll Milch zu trinken. Das erlöste sie von
Verdauung-
beschwerden und nach einigen Wochen verloren sich die
Pusteln und
Flecken in ihrem Gesichte.
2 2Ö Südslavische VolksüberUef erungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen.
574. Dreck als Wundenpflaster.
Viastito govno valja metnuti na nogu ili na ruku, kad se
na-
gnoji pa će proći. — Von einem bäuerlichen Zimmermann in
Poiega,
Slavonien.
Es ist gut, den eigenen Dreck auf den Fuß oder die
Hand auf-
zulegen, wenn [die Wunde] voll Eiter ist und sie wird
vergehen.
575. Harn als Heil- und Zaubermittel.
1. Ćetrdeset jutara daju po negde da pije
detinju piSaću bolesniku,
koji boluje od suhe bolesti (jektike), verujuci, da će
posle upotrebe
tog leka bolesnik ozdraviti.
2. Da ne bi naiśla kakva bolest na decu po negde ih
majkę mazu
s veceri po licu s piśaćom.
3. Ne valja se piśati u vodu, jer je to
grehota a hoće i majka
da umre.
4. Ne valja se piśati na put, jer će dim s
vatre da ide na tebe,
5. Ne valja se mahati ugarkom sa iivim
ugljenom, jer ćeS da se
upiśaś u posteljl
Alle diese Angaben von mehreren in Levac in Serbien,
doch auch
sonst allgemein.
1. Vierzig Morgen hindurch gibt man an manchen
Orten Kinder-
harn dem Kranken ein, der an der Auszehrung leidet, im
Glauben,
der Kranke werde nach Gebrauch dieses Heilmittels
genesen.
2. Damit nicht irgend eine Krankheit die Kinder
befalle, wischen
die Mütter an manchen Orten abendlich die Kinder mit
Harn ein.
3. Es ist nicht gut, ins Wasser zu harnen,
denn das ist eine Sünde,
es würde aber auch die Mutter davon sterben.
Anmerkung. Das Volk schöpft Trinkwasser meist aus
offenen Gerinnen
und Brunnen, deren Verunreinigung hintanzuhalten ist.
Wirksamer als ein Polizei-
verbot erweist sich die Aufrechthaltung des vermeldeten
Glaubens.
4. Es ist nicht gut, auf den Weg zu harnen,
weil sonst der Rauch
vom Feuer auf dich hinziehen wird.
Anmerkung. „Die Vila vom grünen Felsen" erteilte dem
Volke ähnliche
Vorschriften (Krauss: Volksglaube und religiöser Brauch
der Südslaven, Münster
1890, S. 83 f.): ti ne seri gje te svijet glegje, kack
nicht, wo dich die Leute sehen;
— ti s ne mokri kada putem igjeś, jer ćeś sebi gaće
pomokriti, piß nicht, wann
du auf dem Wege einherschreitest, denn du wirst dir die
Hosen benässen; —
putem iduć preda se ne piśaj, auf dem Weg
einherschreitend, piß nicht vor dich
hin; ne pogani se kud svijet prolazi, verricht deine
Notdurft nicht dort, wo Leute
vorübergehen usw. usw.
5. Man darf keinen Brandscheit mit glühender
Kohle daran schwingen,
weil du dich sonst im Bett bepißt.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Anmerkung. Seit dem Aufkommen der Zündchölzchen
verwehrt man
kleinen Kindern mit der gleichen Begründung das Spielen
damit.
6. Wenn man vom Feuer träumt, bepißt man sich
ins Bett
576. Pećene govno.
Bio ćoek dobar żeni, mlad se ożenio. Śto mu god żena
każe, on
ju posluśa, Jednoć izagju sve żene iz sela pa se
spominju, kako koja
oprela, kako koja otkala i kako koja Zivi i kakoj kojoj
ćoek dobar.
A ta se ista żena javi: ,Meni je moj ćoek dobar. Tri
godine nije mi
niśta kazo, śto mu każem, posluśa me/ — A druga će
kazat: ,1 meni
ćoek dobar bio, dok sam bila mlada. Deder se ti razboli
pa ćeś vidit,
kako će ti bit u bolestil'
Ode ćoek u drva te dogje u vece iz drva a żena glavu
zavezala
maramom a samulira: ,Joj, dragi ćoek, ja ću umrijetil' —
A on gladan
nju dvori citavu noć. Pita nju oće 1 ić vracu ili po
doktura ili po
babicu. ,Ne idi nikuda, dok ja ne sanjam!'
Kad u jutru svanulo każe ona: ,Izvedi me napoljel' —
Iznese on
napolje te se ona posere za kucu i on je opet odnese u
kucu natrag.
,Fala Bogu, saće ti bit lakśel* veli on a ona każe: Ja
sam sanjala, o
śto ću ozdravit Moj mili ćoek, da ti ispećeś ono moje
govno a ja
ću bit odma zdraval' — A taj ćoek jedva to doćeka te on
uzme
räjliku i nalożi veliku vatru i mast ucvrce і ide on po
njezino govno
i ispeće ga punu räjliku, i kad je peko zaćepio je nos і
vavijek se Bogu
molio, da bi Bog dao, da mu żena ozdravi. A ona se
smije, da on
ne vidi. Kad je ispeka i donio k njoj i vavijek se
smija: ,Vala Bogu,
saće mi żena ozdravit!* A ona zdrava zdravcata i bila.
Kad je donio
ona njega pita: Joj, moj ćoek, jesi 1 solio?' — ,Bome,
żeno, ja ne znaml'
,A kako si mogo peći a ne znaS je 1 siano?1 Svako
kuvanje ja pro-
bam, je li siano. Probaj i ti, je li siano/ — A kad je
on próbo, pljune:
,Ko bi to jiol* — Joj I' veli ona, ,da ja jedem
bolesna, kad a ti ne
możeś zdrav!' — Erzählt von einem Taglöhner aus einem
Dörfchen
bei Gospić in der Lika.
Der ausgebackene Dreck.
Ein Mann war seinem Weibe gar gut, jung hat er sich
beweibt
Was immer das Weib von ihm heischt, er tut ihr den
Willen. Einmal
gingen alle Weiber vors Dorf hinaus und plauderten, die
eine, wie sie
ihr Gespunst, die andere, wie sie die Leinwand
aufgearbeitet und wie
die eine und die andere lebt und wie der und jener der
Mann ge-
wogen ist. Auch dieses selbe Weib meldete sich zu Wort:
,Mir ist
Krauss, Anthropophyteîa. IV. 22
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen
mein Mann gar gut Während dreier Jahre sagte er mir
kein unbe-
schaffen Wort, was ich ihm heiße, erfüllt er.4
— Eine andere aber
bemerkte dazu: ,Auch mir war einst mein Mann
wohlgeneigt, solang
ich jung war. Geh, erkrank du nur mal und du wirst schon
sehen,
wie er dir während deiner Krankheit sein wird I'
Der Mann ging ins Holz und kehrte abends aus dem Holz
heim,
sein Weib aber hatte den Kopf mit einem Tüchel verbunden
und
simulierte: ,Wehe, mein teuerster Mann, ich werde
sterben!' — Er
aber hungrig, wie er war, wartete ihrer die ganze Nacht
Er fragt
sie, ob er zu einem Heilkräuter (Besprecher) oder um den
Doktor
oder um die Hebeamme gehen soll. ,Geh nirgends hin, bis
ich nicht
geträumt habe I'
Als es am Morgen tagte, da sagte sie: ,Führ mich
hinaus I' —
Er trug sie hinaus und sie beschieß sich hinterm
Hause und er trug
sie wieder zurück ins Haus hinein. ,Gott sei es gedankt,
jetzt wird
dir leichter sein!' spricht er, sie aber sagt: ,Ich habe
geträumt, woran
ich genesen werde. Mein liebster Mann, wenn du jenen
meinen Dreck
ausbäckst, so werde ich sogleich gesundenl' — Dies
erlösende Wort
hat der Mann kaum erwartet und er ergriff ein
Reindeichen und machte
ein großes Feuer an und das Schmalz brodelte auf und er
holt ihren
Dreck und bäckt davon ein volles Reindeichen aus und
während er
ihn buk, verstopfte er sich die Nase und betete dabei
unablässig zu
Gott, Gott möge gewähren, daß ihm sein Weib wieder
genesen soll.
Sie jedoch lacht sich die Haut voll an, so daß er es
nicht merke.
Als er ihn ausgebacken und ihr hingebracht — und sie
lachte immer-
fort — sagte er: ,Gott sei gedankt, jetzt wird mir das
Weib genesen I'
Sie aber war sowieso kerngesund und wohlauf. Als er
ihn hingebracht,
da fragte sie ihn: ,0 weh, mein Männchen, hast du ihn
gesalzen?1 —
,Gott straf mich, Weib, ich weiß es nicht!' — Ja, wie
hast du ihn
backen mögen, ohne zu wissen, ob er salzig ist!? Jedes
Gericht ver-
suche ich, ob es salzig ist Versuch es auch du, ob es
gesalzen ist?
— Als er aber probierte, spuckte er aus: ,Wer möchte
das essen!'
— ,0 Weh/ spricht sie, ,da soll ich ihn krankerheit
essen, wenn du
ihn als Gesunder nicht magst I'
Anmerkung. Zuerst denkt der Mann in seiner
Bekümmernis, wie
natürlich, an den vra6, den Beschwörer, der gegen
Beschreiung wirken könnte, an
zweiter Stelle an den geschulten Arzt und zuletzt an die
Hebeamme. Diese
Frau ist freilich in keiner Hebeammenschule ausgebildet
worden, sondern
nur eine Praktikerin im Dorfe geworden, doch auch die
kennt allerlei Mittel und
ist eine geübte Masseuse. Die Simulantin ist aber noch
klüger als der Gemahl,
sie verläßt sich auf eine Traumeingebung. Da der Mann
weiß, daß Dreck als
Südslavische Volksüberliefeningen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Heilmittel Wunder wirken kann, so bereitet er ihn
ohne Bedenken vorschrift-
gemäß her.
577. Covjecji kleger.
Magjari prave rakiju od govna. Kad koga potjera srat
a on brże
bolje na lonac, priklopi lonac brzo, da onaj miris ne
ode i istrese
govno u jednu kacu, koja je sa svih strana zatvorena.
Kad se tako
skupi mnogo govana, namjeste kazań, istresu u nj govno
pa onda peku
rakiju. Kazu, da je to fina raki ja i onaj, koji imade
suśicu, da od
nje ozdravi. — Erzählt von einem Chrowoten aus dem
Zagorje.
Menschlicher Kleger.
Die Magyaren erzeugen aus Dreck Branntwein. Wenn
einen
Scheißdrang befällt, so eilt er so rasch als möglich auf
den Topf hin,
deckt schnell den Topf zu, damit sich jener Duft nicht
verliere und
schüttet den Dreck in einen Bottich aus, der von allen
Seiten wohl
verschlossen ist. Kam auf diese Weise viel Dreck
zusammen, setzt
man den Kessel auf, schüttet den Dreck hinein und brennt
den
Branntwein. Man sagt, das wäre ein feiner Branntwein und
jener, der
an der Auszehrung leide, genese von ihr.
Anmerkung. Davon hörte ich vielfach erzählen, bekam
jedoch niemals
einen solchen Branntwein zu Gesicht. In Niederösterreich
sagt man den galizischen
Polen nach, sie erzeugten aus Menschenkot Branntwein,
den sie in den Handel
brächten. Dreck enthält aber keinen Alkohol und wenn
schon möglicher-
weise irgendeiner einmal versucht haben sollte, aus
diesem billigen Stoffe
ein Destillat zu gewinnen, so hat er sich bald von
dessen Wertlosigkeit überzeugt.
Die Chrowoten sagen den Magyaren auch noch nach, sie
stammten von Hunde-
köpfen (psoglavci) ab, vögelten ihre Weiber nur in den
After und die Magyarinnen
brächten ihre Kinder zum After zur Welt. Das ist
chrowotischer Volksglaube, der
nicht um ein Haar weniger wert ist als die von der kgl.
Akademie zu Agram
gestiftete neue Religion der Serben und Chrowoten
(Religija Srba і Hrvata),
von der allerdings die Serben vorläufig noch nichts
wissen wollen.
578. Kako je covjek bio poboian.
Ono je ćoyjek bio poboźan pa sve molio krunice.
Jednom ode
srati a moli krunicu. Vrag dogje k njemu i stane mu se
rugati i go-
voriti: ,Eto ti tvoja pobożnost, sereś a Bogu se moliSI1
A onaj od-
govori: ,Śto na usta izlazi ono Bogu a śto na guzicu ono
tebil' —
Onda vrag pobjegne. — Erzählt von einer Bäuerin aus der
Gegend
von Żepće in Bosnien.
Von einem, der fromm gewesen.
Es war einmal ein frommer Mann, der betete unabläßig
zum
Rosenkranz. Der Teufel kam zu ihm, begann ihn zu
verhöhnen und
22*
O Südslaviscbe Volksüberlieferungen, die sich
auf den Geschlechtverkehr beziehen
zu ihm zu reden: ,So schaut dir deine Frömmigkeit
aus, scheißt und
betest dabei zu GottIі — Jener aber antworte:
,Was zum Mund heraus-
kommt, das gehört Gott, was aber zum Arschloch, das
fällt dir zu!'
— Hierauf lief der Teufel auf und davon.
Anmerkung. Die Volksmeinung geht dahin, daß die
unerläßlichen und
unabweislichen leiblichen Verrichtungen mit Gott und dem
Jenseits nichts zu
schaffen haben. Ausscheidungen fahren zum Teufel, d. h.
sie sind zu nichts
weiter nutz. Der Teufel holt sich seinen Anteil und
darum ist er gewöhnlich an
unreinen oder verunreinigten Orten zu finden. Man meidet
die Kackplätze nicht
bloß um ihres Gestankes wegen, sondern auch, um dem
Teufel auszuweichen.
Zur Abwehr sprechen fromme Menschen auch irgend eine der
üblichen Gebet-
formeln, Frauen schlagen ein Kreuz. Im alten Irland
bestand bei den Mönchen
die gleiche Übung. (Dr. Reeves, On the Culdees; Trans,
of the R. Irish Aca-
demy, XXIV. Antiquities, Part. II. p. 209. — Zitiert
nach Kryptadia, IV. S. 386.)
Now the privy-houses and the urine-houses, they are the
abode of demons. Let
these houses be blessed by any one going thither, and
let him bless himself when
he enters them, and it is not lawful to say any prayers
in them, except Deus in
adjutorium to festin a. — Ständiges Rosenkranzbeten kann
man im Süden
gewöhnlich bei gewerbmäßigen Wucherern, Kupplerinnen und
sonst allen un-
ehrenwerten Personen beobachten, die mit ihrer
Frömmigkeit den Einfältigen
die Augen auswischen wollen. Im allgemeinen sind aber
die Südslaven so Christen
wie Moslimen, nur äußerlich Monotheisten unter dem Zwang
des auf sie vom
Staat und der Geistlichkeit ausgeübten Druckes, wirklich
nicht aus innerer Über-
zeugung. Daß der Islam und das Christentum die Südslaven
glücklich gemacht
und sittlich gehoben habe, ist eine Behauptimg, auf die
man sehr häufig in ihren
Büchern stößt, dagegen strengten sich sl ovenische und
chrowotische Mythologien-
erzeuger an, nachzuweisen, daß die Slaven gerade infolge
der Annahme des
Christentums von einer herrlich wundersam strahlenden
Höhe der Gesittung herab-
gekommen wären.
579. Kako je vlah postao.
Iśao Bog sa svetim Petrom po svetu pa nagju na putu
gomno od
mećke. Może li neśto od ovoga da bude? pitao ga sveti
Petar. -
Może, odgovori Bog, pazi samo! — Udari Bog tojagom
(Stapom) po
gomnetu і vikne: Skoleće, Romune! — I u taj ćas skoći
vlah: Jaka
ma żopune, ku lula 'n gura, ku kaćula mare!
Kad ga tako Bog stvorio, naredi svetome Petru, da ga
izmeri sa
Srbinom, da vidi, da 1 je ak Turi svetar Petar i Srbina
і Vlaha na
terazije — teżi Srbin. Otsece on Srbinu kurac, zavuce
vlahu u dupe
pa meri opet. Sad pak teżi vlah. Onda on otseće vlahu
nos pa za-
vuce Srbinu u dupe, izmeri — barabar.
Kad i to bilo gotovo, pogledaju — vlah nema dupe. Sta
će onda
da rade? Uzmu svrdao te vrti, vrti, provrte mu і dupe. —
A zar ovo
iverje da ide u śtetu? pitao Boga sveti Petar. — Ne će,
każe Bog,
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
prekrsti gal — I tako postane Cincarin. —
Erzählt von einem Land-
mann in Vrazogrnac in Serbien.
Wie der Walache (Rumäne) entstanden ist.
Gott wanderte mit dem hl. Petrus über die Welt und
sie stießen
auf dem Wege auf einen Bärendreck. ,Kann wohl etwas aus
dem da
werden?1 fragte ihn der hl. Petrus. — ,Kann
wohl', antwortete Gott,
,paß nur mal auf!' — Gott schlug mit dem Stab über den
Dreck und
rief aus: ,Erheb dich, Rumäne!' — Und in diesem
Augenblick sprang
der Walache auf: ,Da bin ich, Herr, mit der Tabakpfeife
im Maul,
mit der große Pudelmütze!'
Nachdem ihn Gott also erschaffen, befahl er dem hl.
Petrus, er
soll ihn mit dem Serben ausmessen, um zu sehen, ob er
vollgewichtig
wäre. Steckte der hl. Petrus sowohl den Serben als auch
den Wlachen
auf die Wagschalen, — der Serbe wiegt schwerer. Schnitt
er dem
Serben den Zumpt ab, zog ihn dem Walachen ins Arschloch
ein und
wägt wiederum. Jetzt aber wiegt der Walache schweren
Hierauf hieb
er dem Walachen die Nase ab und zog sie dem Serben ins
Arschloch
ein, wog sie ab, das Gleichgewicht ist hergestellt
Als auch dies fertig geworden, schauen sie nach, —
fehlt nicht
dem Walachen das ArschlochI Was fangen sie alsdann an?
Sie nehmen
einen Bohrer, und bohr und bohr drauf los, sie bohren
ihm auch ein
Arschloch aus. — Ei, sollen denn diese Splitterabfälle
aufs Verlust-
konto kommen? fragte der hl. Petrus Gott den Herrn. —
Das sollen
sie nicht, sagt Gott, mach ein Kreuz darüber! — Und so
entstand
der Zinzare.
Anmerkung. Infolge häufiger Völkerverschiebungen sind
die Bewohner
des Timokbezirkes national und sprachlich sehr stark
gemischt. Da gibt es ser-
bischer Altansiedler, Einwanderer aus Altserbien, die am
Anfang des XVIII. Jahr-
hunderts eingewandert, dann Rumänen, Bulgaren, Zigeuner
und da und dort auch
noch Angehörige anderer Völker. In diesem Gemisch ist
ein fruchtbarer Boden
für den Völkerspott (blason populaire), was gar nicht
auffällig ist, weil ja die
Serben ohnehin diese Art von Spott sehr lieben und die
Bewohner eines Dorfes
den Bewohnern des anderen, auch wenn sie national
verwandt sind, alles mögliche
in Sage und Lied nachsagen. Mit der oben angeführten
Erzählung verspotten die
Serben die rumänischen Nachbarn, die fast ausschließlich
in den gebirgigen
Gegenden ansäßig sind. Sie machten die Beobachtung, daß
der Rumäne seinem
Aussehen, Auftreten und seiner Lebensweise nach etwas
bärenhaftes an sich habe,
daß er sich von seiner großen Pelzmütze und seiner
Tabakpfeife nicht zu trennen
vermag, daß er durchschnittlich eine kleine Plattnase
besitzt, stark hervortretende
Backenknochen hat und breit gebaut in den Hüften ist.
Die Entdeckung, daß
der Zinzare (oder Aromune) sprachlich zu den Rumänen
gehört, machte auch der
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
serbische Bauer. Unter den Serben auf den Dörfern
sind die Zinzaren, wie schon
oben erwähnt, Kleinkrämer, die sich auch mit
Darlehengeschäften befassen. —
Der Witz ist nicht übel. Weil der Zinzare, um Geschäfte
zu machen, jedem Kunden
ins Arschloch hineinkriecht, muß er wohl von den
Abfällen entstanden sein, die
bei der Afterbohrung übrig geblieben.
580. Palio gjavolu svecu te mu i pomogao.
Covek jedan hteo da se obogati od jednom, sve
sanjao o tom da
nagje gde zakopan ćup para. Svima je vec
svecima po crkvi popalio
svece, ali mu nijedan ne dogje u snu, kako se on
nadao i molio se —
niti mu kaza, gde blaga ima.
Kad je već bio gotovo s vu nadu izgubio u svece i
smislio teśka
srca, da se batali corava posła, senu mu u glavu, da taj
posao oko
blaga i nije svetih otaca i apostola, koji su i sami
gladovali i samo
0 onom svetu radili, neko upravo onoga
nepomenika, anatema ga bilo!
Video i njega u crkvi na ikoni svetog arhangela Mahaila,
kako ga
ovaj metnuo pod nogę te i njemu upali pogolemu svecu i
vécu nego pre
svecima i pomoli mu se, da mu dogje u snu te każe, gde
ima blaga.
I gle, gjavo ga posluźa i dogje, bai onaj s ikonę,
pljunu ti. Dogje
1 uze ga lepo za ruku i kao povede ga nekud. Vodio
ga, vodio, dok
ne dogjośe u grdnu neku śumu, gustu, visoku. Dugo su joś
tako iśli,
tako da se covek već pomeo i zaboravio put, na koji je
dotlę sve
lepo motrio. Dogjośe i do jednog drveta, obicnog. Tu
gjavo pokaza
rukom i reće: Eto, ovgje ima grdno blagoI Covek
uze razgledati drvo,
da mu umotri kakav znak, po korne bi ga posle poznao pa
kad vide
da mu je uzalud, zapita briżno anatemnjaka: A kako ću ja
sutra po-
znati, kad nemam nikakvog znaka, ni noża pri sebi, da ga
zareżem?
— A gjavo mu reće: Naseri se dobro pa to ti je znaki — I
ne
stade ga.
Covek se obradova na to pa se napregne, koliko
vec ne bi mogao
od radosti te naćini povecu gomilu. Kad se
sutradan probudio, obeseli
se, setivsi se sna, ali se brże joś sneveseli, kad vide,
da je gaće na-
punio i prepunio.
Tako mu je gjavo pomogaol
Erzählt von einem Lehrer aus Belgrad in Serbien.
Wie einer dem Teufel eine Kerze anzündete und wie
der ihm
geholfen.
Wollte mal ein Mann auf einmal reich werden und
träumte un-
ablässig davon, um irgendwo einen vergrabenen Topf mit
Geld finden
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen. 343
zu können. Schon hatte er allen Heiligen zu Ehren in
der Kirche
Kerzen brennen lassen, doch erschien ihm keiner im
Traume, wie er
dies hoffte und worum er betete, — auch zeigte ihm
keiner eine
Schatzfundstelle.
Als er bereits so gut wie alle Hoffnung auf die
Heiligen verloren
und schweren Herzens mit sich einig geworden, vom faulen
Geschäft
abzustehen, fahr ihm der Gedanke in den Kopf, die
Schatzgräber-
angelegenheit wäre überhaupt nicht eine Sache der
heiligen Väter
und der Apostel, die ja auch selber am Hungertuch nagten
und sich
ausschließlich um jene Welt bemühten, vielmehr gerade
jenes, nicht
gedacht soll seiner werden, das A na them auf ihn! Er
schaute auch
ihn in der Kirche auf dem Bilde des heiligen Michaels,
wie ihn der unter die
Füße gekriegt und also zündete er auch diesem eine recht
ansehnliche
Kerze an und die war noch größer als die vordem den
Heiligen
geweihte und er flehte ihn an, er möge ihm im Traume
erscheinen
und ihm angeben, wo ein Schatz läge.
Und schau, der Satan folgte dem Rufe und erschien,
just jener
vom Heiligenbilde, ich spucke dir vor ihm aus. Der
erschien, ergriff
ihn artig an der Hand und führte ihn gleichsam
irgendwohin weiter
weg. Er führte ihn und führte ihn, bis sie in
irgendeinen greu-
lichen, dichten, hochstämmigen Wald hingelangten. Sie
gingen noch
lange so einher, so daß der Mensch bereits irre ward und
den Weg
vergaß, auf den er bis dahin so sorgsam geachtet. Sie
trafen auch
bis zu einem Baume, einem ganz gewöhnlichen Baume ein.
Hier wies
der Teufel mit der Hand hin und sprach: ,Wohlan, allda
liegt ein
gewaltiger Schatz Ie — Der Mensch begann den
Baum von allen Seiten
zu betrachten, um irgend ein Merkmal an ihm zu erspähen,
an dem
er ihn späterhin erkennen würde, als er aber sah, daß
sein Bemühen
vergeblich sei, fragte er bekümmert den Verfluchten: Ja,
wie soll ich
ihn denn erkennen, wenn ich keinerlei Merkzeichen habe
und auch
kein Messer bei mir, um ihn einzukerben? — Der Teufel
aber sagte
zu ihm: Scheiß dich tüchtig aus und das diene dir als
ZeichenI —
Und schon war er verschwunden.
Der Mann war darüber hoch erfreut und strengte sich
tüchtig an,
wie sollte er es vor Freuden nicht gehörig können und
machte einen
ziemlich großen Haufen. Als er am nächsten Tag erwachte,
war er
frohen Sinnes, indem er sich seines Traumes besann, doch
noch
schneller befiel ihn Betrübnis, als er merkte, daß er
seine Leinenhosen
voll und übervoll angefüllt hatte.
Anmerkung. Die Schnurre ist alt und in ganz Europa
allgemein im Volke
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
verbreitet. Bald betut sich der Mann auf sein neben
ihm ruhendes Weib, bald
auf seinen Genossen, wie in der elsässischen Fassung,
vgl. oben S. 72—75, N0. 15.
Die Einkleidung gibt aber richtig den serbischen
Volksglauben an die Wahrheit
der Träume wieder. — Pljunu ti, ich spucke dir aus, da
ne bude uroka (damit
kerne Beschreiung erfolge; angesichts eines Kindes z.
B.), wenn man aber den
Satan meint und ausspuckt, fügt man gewöhnlich noch
hinzu: Іібі on, suncem
se mjerio!
581. Prića, kako je onąj vragu svijecu zapalio.
Ono je, vele, dośo jedan ćoyjek u pravoslavnu crkvu,
vele, da je
bio turcin, pa je vidio, gdje pred svakim svecem voscana
svijeca gori.
On zagje od slike do slike i zapita klesara, podvornika
crkve: ,Koji
je ovo svetaca, koji je ono?' і sve redom dok dogje do
jedne slike,
pred kojom nikakova svijeca nije gorila. Zaćudi se i
upita: ,Koji je
ovo svetaca, śto mu nikakova svijeca ne gori?!' — A oni
mu reće:
/То je slika vrazija!' — On ode, uzme svijecu i pred
vraiijom slikom
zapali i reće onome: ,Kad vragu niko ne će svijece da
zapali, beli ću
mu je ja zapaliti pa nek bude śto će bitiIі i
ode.
U vecer toga dana dogje on u kahvu, zadrema i zaspę.
Kahva
je puna ljudi. On usne, dośo vrag k njemu i reće mu: ,Ti
si me ni
danas zapalio svijecu, ajde ti sa mnom i ja ću tebi
kazati, gdje ćeś
mnogo novaca naci!' — On pogje sa njim i vrag ga izvede
na jedno
polje i reće: ,Evo vidi, ode su novci zakopani. Dogji
sutra, ponesi
trnokop, mało zakopaj, naćeś pun kazań novacal' — On ga
zapita:
Kako ću ja pogoditi na ovo mjesto?' a vrag mu reće:
,Lahko. Poseri
se tute pa ćeś sjutra lahko naci!' — On se stanę
natezati, dok puknę,
posere se u gaće, po kahvi zasmrdi. Ljudi skoće. Onaj
oźeżi ćibukom,
onaj sakom, onaj odvezi sile i zavicu: ,Polja, jebo ti
Sarov mater! Zar
si ode dośo sratil' — On skoći iz sna і zavice: ,Stante
ljudi, ako Boga
znate! Naśo sam pare!' — Poslje im je sve pripoyjedio,
kako je vragu
svijecu palio. — Erzählt von einem Bauern in Bistrica
bei Źepće in
Bosnien.
Erzählung, wie jener dem Teufel eine Kerze
angezündet.
Kam mal, so erzählen sie, ein Mann in die
Altgläubigenkirche, sie
sagen, es wäre ein Moslim gewesen, und der sah, daß vor
jedem
Heiligen eine Wachskerze brenne. Er ging von Bild zu
Bild und
fragte den Küster, den Kirchendiener: ,Wer ist dieser
von den Heiligen,
wer jener?' und so der Reihe nach, bis er zu einem Bilde
kam, vor
dem gar keine Kerze brannte. Er verwunderte sich darüber
und fragte:
,Wer ist der unter den Heiligen, dem zu Ehren gar keine
Kerze
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
brennt?!' — Und jener sagte zu ihm: ,Das ist des
Teufels Bildnis!1 —
Der ging hin, nahm eine Kerze und entzündete sie vor dem
Teufel-
bilde und sprach zu jenem: ,Wenn dem Teufel niemand eine
Kerze
anzünden mag, wahrhaftig, so werde ich ihm zu Ehren eine
anzünden
und da mag kommen, was immer!1 und damit
entfernte er sich.
Am Abend dieses Tages kam er in die Kaffeeschenke,
schlummerte
und schlief ein. Die Kaffeeschenke ist voll Leute. Ihm
träumte, der
Teufel komme zu ihm und spreche ihn an: ,Du hast mir zu
Ehren
heute eine Kerze angesteckt, so komm denn mit mir und
ich werde
dir angeben, wo du viel Geld finden wirst!' — Er folgte
ihm und der
Teufel führte ihn in ein Gefilde hinaus und sprach: ,Da
schau, hier
sind Gelder vergraben. Komm morgen, bring eine Rodehacke
mit
her, grab ein wenig nach, du wirst einen vollen Kessel
Kupfer Geldes
finden!' — Er fragte ihn: ,Wie werde ich auf diese
Stelle hertreffen?'
und der Teufel sagte zu ihm: ,Leicht. Scheiß dich da aus
und du wirst sie
morgen leicht wiederfinden! — Er begann sich
anzustrengen, bis er
herausplatzte, er beschiß sich in die Unterhosen, in der
Kaffeeschenke
verbreitete sich ein Gestank. Die Leute springen auf.
Der eine brennt
ihm einen mit dem Ćybuk auf, der wieder versetzt ihm
einen Faust-
schlag, der andere reißt ihm eine Watschen herunter und
sie schreien:
,Hinaus, der fleckige Hund soll dir die Mutter vögeln!
Was, bist du
hierhergekommen, um zu scheißen?' — Er sprang aus dem
Traum auf
und schrie auf: ,Haltet an, Leute, so Ihr von Gott wißt!
Ich habe
einen Schatz gefunden!' — Späterhin erzählte er ihnen
alles, wie er
dem Teufel zu Ehren eine Kerze angezündet.
582. Der Dreckhaufen.
I. Chrowotische Einbrecher und Diebe pflegen am Orte
der Tat,
zumeist auf dem Tische oder sonst an einer auffalligen
Stelle ihre
Notdurft zu verrichten, weil sie glauben, daß der
Dreckhaufe die
Eigenschaft besitze, ihre Spur den Verfolgern zu
verwischen. Es liegt
mir kein Beleg vor, daß serbische oder bulgarische
Freunde fremder
Habe diesen Glauben auch hegen, es scheint mir aber das
Gegenteil
der Fall zu sein, was ich aus folgender Begebenheit
schließen möchte.
Einmal um das Jahr 1895 brach ein Chrowote bei einem
aus
Bosnien eingewanderten serbischen Bauern ein, der sich
in Gornji
Vrhovci bei Poiega in Slavonien angesiedelt hatte. Die
ganze Familie
des Serben war zu Besuch bei einem Freunde, der das
Sippenfest
(krsno ime) feierte und das Haus blieb ohne jede
Bewachung. Als
die Leute am anderen Tag heimkamen, fanden die Frauen
ihre Truhen
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
ausgeräumt und man erblickte auf dem Tische einen
riesigen Dreck
häufen. Über diese ihnen zugefügte Schmach waren die
Serben be-
sonders aufgebracht, doch chrowotische Nachbarn redeten
ihnen die
Sache aus mit der Erklärung, Diebe pflegten überall
solche Denkmäler
ihrer Aufmerksamkeit zu hinterlassen. Das machte den
Hausvorstand
stutzig und er untersuchte genau den Dreck. Darin
entdeckte er eine
Menge Kirschenkerne. Es war noch im Frühsommer als reife
Kirschen
selten waren. Dieser Umstand brachte ihn auf den
Gedanken, nach-
zuforschen, wo man schon reife Kirschen fände. Er begab
sich nach
Poźega und traf dort einen Chrowoten aus Komu&na an, der
auf dem
Hauptplatze als einziger schöne, rote Kirschen
feilhielt. Dem kaufte
er Kirschen ab und überzeugte sich, daß die im Dreck
vorgefundenen
Kirschenkerne die gleiche Größe haben. Der Verkäufer
selber war
zwar nicht der Einbrecher, doch stellte es sich heraus,
daß es dessen
Gevatter gewesen, der nach chrowotischem Bauerngebrauch
auch die
Kerne gierig mit verschluckt hatte. Jener Bauer allein
hatte dazumal
in der ganzen Umgegend die ersten reifen Kirschen in
seinem Garten. Der
überwiesene Dieb gab die gestohlenen Sachen gutwillig
heraus, weil
ihn der Serbe sonst ermordet hätte. Die Angelegenheit
glich sich
dann in Frieden und Freuden durch Wahlverbrüderung aus
und
man schied in dickster Freundschaft von einander.
2. Chrowotische Diebe pflegen, wie bemerkt, am
Orte ihrer Tat
einen Haufen zu pflanzen, weil sie glauben, daß der
Dreck ihre Spur
verwische. Die Bestohlenen hingegen meinen, wenn sie den
Unflat
in ein Säckchen tun und in den Rauchfang hängen, müße
der Dieb
verdorren.
Anmerkung. Vgl. die Umfrage Dr. Albert Hellwigs,
Anthropophyteia
II. S. 442—444. Desselben: Die Bedeutung des grumus
merdae für den Praktiker,
Archiv f. Kriminalanthropologie und Kriminalistik hrg.
v. Groß, 1906, S. 188—191
und: Weiteres über den grumus merdae, Monatschrift f.
Kriminalpsych. u. Straf-
rechtreform hrg. v. Aschaffenburg, 1905, S. 639—643. „Es
ist offenbar der
Grundgedanke, daß der Kot als freiwilliges Opfer an die
Götter zurückgelassen
wird, um hiedurch die Götter gewissermaßen zu bestechen,
den Verbrecher vor
Entdeckung zu sichern. Es ist uns ein allen schon aus
dem „Ring des Polykrates"
geläufige Gedanke. Zum Opfer nimmt man etwas wertvolles,
mit der Persönlichkeit
in enger Beziehimg stehendes. Wie Polykrates sein
liebstes Kleinod opfert, so ist
vielfach Menschenblut Gegenstand des Opfers, so ist auch
bei uns der Kot, ein
Sekret des menschlichen Körpers. Damit dürfte der
Grundgedanke zu Genüge
klargestellt sein." — Für „Götter" hätte Hell wig besser
„Hausgeister** sagen
sollen, sonst muß man seiner Ausführung nur
beipflichten.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
583. Ostavi mu obilje^el
Dogovorilo se njekoliko obijesne momćadije, da
pokradu imućnog
suseljanca. Ulovise priliku, kad je on sa svojom
porodicom bio na
njekom sajmu a kuca mu ostała na jednom samom momku.
Śest
momaka dovuku se po noći u kucu, preskoće preko zida,
uhvate
momka u kuci, preko glave bace mu vrecu da ih ne
pozna i veźu
za murvu, koja je bila u avliji. Momci, lupeźi, otjeraju
iz obora blago,
go kuci polupaju, śta nijesu mogli odnijeti a ukradu i
neśto novca.
— Ded, da mu ostavimo obiljeżjel reće jedan od njih,
kada su već
połazili.
— Moźemo nas dva! prihvate dva megju njima. Skinu
ćak&re.
Jedan skoći na sto i posere se posred stola. Drugi uzme
bakru pa
se posere u nju.
Kad su i to svrsili, odmagle iz kuce ostaviv
momka vezana, sa
vrecom preko glave, i posrani sto i bakru.
Ovo se ćesto prića po Dalmaciji a i dogagja. Lupeźi
hoće tim
da pokazu svoje prezrenje i sprdnju prema pokradenom.
OStetili su
ga materijalno pa hoće da ga ponize i moralno, jer je
govno kod
seljaka Dalmacije najgnusnija stvar u svakom pogledu.
Kad neko nekoga hoće da ponizi, kaiu: ,Poseri mu se
na sto!' —
,Poseri mu se u bakru!' — ,Poseri mu se u bronsinl' (od
italijanskog
bronzino, posuda, u kojoj se kuva.)
Erhoben von Dr. Alexander Mitrovic in Knin.
Hinterlafl ihm ein Denkzeichen !
Einige übermütige Burschen verabredeten miteinander,
einen ver-
mögenden Mitdörfler zu bestehlen. Sie erlauerten eine
Gelegenheit,
da er mit seiner Familie auf irgend einem Markte weilte,
sein Haus
aber nur unter Obhut eines einzigen Knechtes stand.
Ihrer sechs
Burschen schlichen sich bei Nacht ins Haus ein, sprangen
über die
Mauer, erwischten den Knecht im Hause, warfen ihm über
den Kopf
einen Sack, damit er sie nicht erkenne und banden ihn an
den Maul-
beerbaum an, der im Hofe stand. Die Burschen, Diebkerle,
treiben
aus der Hürde das Vieh weg, zerschlugen im Hause, was
sie nicht
wegschaffen konnten und stahlen auch einiges Geld.
— Geht, laßt uns ihm ein Denkzeichen hinterlassen!
sagte einer
von ihnen bereits im Abzüge.
— Wir zwei vermögen es! so nahmen zwei unter ihnen
den Vor-
schlag auf. Sie lassen die Hosen herab. Der eine springt
auf den
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Tisch hinauf und bescheißt sich mitten auf dem
Tische, der andere
nimmt den großbauchigen Kochtopf her und scheißt sich
darein aus.
Nachdem sie auch dies Geschäft verrichtet,
verdufteten sie aus
dem Hause unter Hinterlassung des gebundenen Knechtes
mit dem
Sack überm Kopf, des beschissenen Tisches und des
Kochtopfes.
Das erzählt man in Dalmatien häufig und es kommt auch
von
Damit wollen die Hausdiebe ihre Verachtung und ihren
Spott dem
Bestohlenen gegenüber bekunden. Sie haben ihn materiell
geschädigt
und wollen ihn auch moralisch erniedrigen; denn Dreck
ist beim Land-
mann in Dalmatien die in jeder Beziehung
allerekelhafteste Sache.
Will einer einen demütigen, sagt man: ,Bescheiß dich
ihm auf den
Tisch!' — ,Bescheiß dich ihm in den großen Kochtopf!' —
Bescheiß
dich ihm in den glasierten Kochtopf!'
584. Dreck als Diebelohn,
Im Frühjahr 1876 fuhren acht Śijaken aus Nurkovci und
Skende-
rovci fur einen Branntweinhändler aus Poźega auf ihren
knarrenden
Wägelchen jeder je ein Zwölfeimerfaß mit
Zwetschkenbranntwein über
Djakovar nach Essegg. Die alte, steile Türkenstraße über
die Krndija
war für die halbkrepierten Rößlein der Chrowoten
unwegsam und
darum schlugen die Bauern den zeitraubenden Umweg durch
die Tief-
ebene ein. Die Zeit kostet dem Chrowoten gar nichts und
das Futter
für die Pferde ebensoviel, solang als es rechts und
links der Straße
Wiesen und Felder gibt Die erste Rast hielten sie nachts
auf einer
fetten Wiese vor dem Serbendörfchen Bresnica oberhalb
Pleternica
ab. Sie ließen ihre Klepper ruhig weiden, fachten ein
mächtiges Feuer
an, als ob sie einen Ochsen zu braten gehabt, brieten
aber blos einige
zufällig auf dem Wege aufgelesene Hühner und eine
vorwitzige Gans
ab, die sie boshafterweise angeschnattert hatte. Zu
einem guten Braten
gehört ein guter Tropfen und so bohrten sie die Fässer
an und zapften
genug von dem brennenden Naß zu ihrer Labung ab. Nachdem
sie
sich zur Nachtruhe ausreichend gestärkt und gekräftigt,
entdeckte einer
von ihnen in seinem Wagen ein durch einen rätselhaften
Zufall dahin
gelangtes, fest gearbeitetes, mit Messingreifen
beschlagenes Halbeimer-
faßchen, das aber noch leer war. Nach kurzer, doch
reiflicher Be-
ratung beschlossen die acht Frachter einhellig, selbiges
Fäßchen mit
Branntwein zu füllen und es im dichten Gestrüpp zu
verbergen, um
es auf glücklicher Heimfahrt hervorzusuchen und um dann
wieder
miteinander einen sorglos heiteren Abend zu verleben.
Durch den lodernden Feuerschein und die lebhafte
Unterhaltung
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
angelockt, näherte sich dem Chrowotenlager jener
Serbe, der im
Grundbuch als Eigentümer der Wiese vermerkt war. Der
unverhoffte
Besuch bereitete ihm wenig Freude, doch hielt er es
nicht für ange-
zeigt, sich den acht geistvollen Śijaken bemerkbar zu
machen, sondern
belauschte aus schattigem Dunkel das Tun und Treiben der
Reise-
gesellschaft. Als die im Morgengrauen ihre Fahrt nach
der Haupt-
stadt des Königreichs Slavonien fortgesetzt, räumte er
das Gestrüpp
weg und rollte das Fäßchen mit dem Branntwein ins Dorf
zu seinem
heimischen Herde, jeden Morgen und jeden Abend suchte er
aber
die öde Stätte wieder auf, um da, wo das Fäßchen
gelegen, einen
Haufen hinzupflanzen. In der neunten Nacht trafen die
acht Śijaken
wieder ein und lagerten sich wieder auf derselben Wiese.
Wieder
flammte ein Feuer auf und wieder staken Gänse am Spieß.
Alsdann
begaben sich die Männer ins Gestrüpp. Was sie anstatt
des Fäßchens
im Finsteren ergriffen, erfüllte sie mit tiefem Ingrimm
und sie schleu-
derten einander den Fund ins Gesicht Es kam zu einer
blutigen
Schlägerei und dann schirrte jeder, den Dieb verfluchend
und ver-
wünschend, die Pferde an und in wildem Hader miteinander
fuhren
sie heimwärts nach Nurkovci und Skenderovci. Seit jener
Kampf-
nacht aber steht Bresnica in der ganzen Śijakei im Rufe
eines gott-
verfluchten Diebenestes.
585. Grabschändung aus Rache.
1. Aus Rache scheißt der Chrowot auf das Grab
seines Feindes.
Auf dem Grabe des im Vuéijak-Friedhofe zu Pożega
bestatteten
Advokaten und Bürgermeisters P. fand man so viele
Dreckhaufen, daß
die Leute der Sehenswürdigkeit halber dahin pilgerten.
Selbstver-
ständlich verrichteten die Grabschänder ihre Notdurft im
frühen
Morgengrauen. Bei Nacht hätten sie die Strafe der Toten
und bei
hellem Tag die der Lebenden gefürchtet
2. U Levcu (u Srbiji) do skora je bio obićaj
(a może se po gdegod
i sad naci), da se Zivi suparnik isere mrtvom suparniku
na grob.
Otuda i żeńska grdnja, koja se i sada ćuje: ,Sraću ti se
(t j. posraću
ti se) na grobl' — Mitgeteilt von einem Beamten aus
Levac.
Zu Levac (in Serbien) bestand bis jüngsthin der
Brauch (den man
hie und da auch gegenwärtig noch antreffen kann), daß
sich der
lebende Gegner auf das Grab des Toten ausschiß. Daher
rührt auch
die bei Weibern übliche Schimpfrede her: ,Scheißen werde
ich dir
(d. h. ich werde mich dir ausscheißen) aufs Grab!'
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen
Anmerkung. In einem anderen Sinne bedient sich der
niederösterreichische
Bauer dieser Redensart. Er sagt z. B. zu einem
Freigebigen, der einen unwür-
digen, undankbaren Menschen beschenkt: ,Dafür wird er
dir aufs Grab scheißenI*
586. Cosa i mehandżija.
Radio Cosa neko vre me i zaradio ćetir
dukata i tri dinara, za
dukat kupio magare a ono resto ćuvao i otiśao kod
mehandżiji da
pije. Kad je napravio trośak za tri dukata
i tri dinara on otide kra-
dom u śtalu, gde mu je magare boravilo pa mu
nabije u dupe tri
dukata i tri dinara zatim pozove mehandżiju da mu plati
raćun. Kad
su dośli kod magareta Ćosa łupi pesnicama magare u trbuh
a ono
ispade dukat i dinar. Lupi ga drugi put, a ono opet
tako. Lupi ga
i treći put a ono opet ispade dukat i dinar. — Vise
ne ću; toliko ti
dugujem. Uzmi tvoje pa idil Każe Ćosa mehandżiji.
Mehandżiji se dopadnę ćosino magare, koje sere sve
same duka te
i dinare pa navaii na Ćosu, da mu ga prod
a. Ćosa mu ga na pos-
letku proda, ali mu każe, da ga zatvori u Stalu pa da ga
ne gleda za
Sest dana. Śestog dana da otvori i tada će
naci punu Stalu sve samih
żutih dukata i belih dinara. Mehandżija tako i uradi,
ali kad je śestog
dana otvorio śtalu, nagje magare gde je lipsalo i napelo
nogę u vis.
Mehandżija pogje u poteru za Ćosom, da ga bije śto ga
prevario.
Nagje Ćosu u njivi, gde drżi jednog zeca a drugog je bio
tu prikrio
u blizini zajedno s donetim rućkom. Mehandżija vikne na
njega, Sto
ga prevario a ovaj mu każe, da će s njim razgovarati tek
pośto mu
zec donese rućak od kuce. U tom, kao bajagi, każe
zecu, da trći za
rućak pa ga pustiI Nije mało postojalo a on se osvrne
kao onom
drugom zecu, koji je tu bio sakriven zajedno s rućkom i
uzvikne:
,Evo, doneo gal1
Dopadnę se mehandżiji zec, koji tako brzo donosi
rućak pa na-
vaii na Ćosu, da mu ga proda i Ćosa mu ga na posletku
proda po
skupe novce. Odneo mehandżija zeca kuci pa ga s njive
poślje po
rućak. Ćekao i ćekao pa ni rućka ni zeca. Kad je video,
da ga i tu
Ćosa prevario, reśi se da ide da ga nagje i da ga ubije.
Tako ga
nagje kod kuce. Ćosa se već nadao da će mu ovaj
opet doći pa
svakom ukućaninu vezao oko guśe po crevo puno krvi i kad
mu
mehandżija podviknuo a on ga stanę moliti, da ga prićeka
samo u
toliko, da pokolje sve njegove ukućane pa ga pośle może
slobodno
ubiti. Zagje i svima preseće crevo. Krv line i oni
popadaju. Zatim
każe mehandżiji, da ga prićeka, da ih ozivi te da
vide kako će ga
ovaj ubiti. Uzme sviralo i poćne svirati, kada svi
poklani namah
ustanu.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen. з q і
Dopadnę se mehandżiji ova ćosina svirala, pa ga
okupi, da mu
je pçoda. Ćosa mu je na posletku proda po skupe novce.
Mehandżija
se vrati kuci i pokolje sve śto je imao źivo u
kućŁ Za tim uzme onu
ćosinu sviralu i poćne njom svirati, ali bez
uspeha. Śto je već bilo
zaklano, to se ne due. Zato se najodlućnije reŚi,
da ide da nagje
Ćosu pa da ga odmah ubije, bez reći.
Kad je tako dośao cosinovoj kuci, njegovi mu ukućani
każu, da
je Ćosa već davno umro. Megjutim on je znao, da će
ovaj opet da
ga trażi pa je bio naredio njegovima, da ga tek mało
zaćeprljaju u
zemlji a u ruci je drżao jedan śiljat kolac.
Mehandżija ćuvśi to po-
trażi mu grob, da se bar posere na njega. Ovi mu każu,
gde mu je
grob, i kad je ovaj taman ćućnuo, da se posere a
Ćosa mu odozdo
ćuśne kolac u guzicu, zbog ćega mehandżija ostanę
tu na mestu
mrtav. — Erzählt von einem Bauern aus Temnić in Serbien.
Bartlos und der Schankwirt.
Bartlos arbeitete eine Zeitlang und erwirtschaftete
vier Dukaten
und drei Denare. Um einen Dukaten kaufte er einen Esel
und was
übrig blieb, bewahrte er auf und begab sich zum
Schenkwirt, um zu
trinken. Als er einen Verbrauch von drei Dukaten und
drei Denaren
gemacht, ging er heimlich in den Stall, wo sein Grauchen
weilte und
stopfte ihm drei Dukaten und drei Denare ins Arschloch
hinein.
Hierauf rief er den Schenkwirten herbei, um ihm die
Rechnung zu
begleichen. Als sie zum Esel kamen, versetzte Bartlos
dem Esel mit
der Faust einen Schlag auf den Bauch, und da fielen ein
Dukaten und
ein Denar heraus. Er schlug auf ihn zum zweitenmal ein
und es ge-
schah wieder das gleiche. Er schlug auf den noch ein
drittesmal ein
und da fielen wieder ein Dukaten und ein Denar heraus. —
,Mehr will
ich nicht; soviel schulde ich dir; nimm das deine und
gehl' sagt Bart-
los zum Schenkwirten.
Der Schenkwirt fand an des Bartlos Eselchen
Wohlgefallen, das
da lauter Dukaten und Denare scheißt, und bestürmte
Bartlos, er möge
ihn ihm verkaufen. Zu guterletzt verkaufte ihn Bartlos
ihm, sagte ihm
jedoch, er soll ihn in den Stall einsperren und während
sechs Tage
nicht nach ihm schauen; am sechsten Tage soll er öffnen
und dann
werde er den Stall voll angefüllt mit lauter gelben
Dukaten und weißen
Denaren finden. Der Schenkwirt tat auch so, doch als er
am sechsten
Tag den Stall aufschloß, da fand er den Esel verendet
und mit den
nach oben gespreizten Beinen vor.
Der Schenkwirt nahm die Verfolgung des Bartlos auf,
um ihn zu
2 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich
auf den Geschlechtverkehr beziehen.
hauen, weil er ihn betrogen. Er traf Bartlos auf dem
Ackerfelde an, wo
er einen Hasen festhielt, einen zweiten aber hatte er da
in der Nähe
zugleich mit dem ihm hingebrachten Mittagessen bedeckt
Der
Schenkwirt schrie ihn an, weil er ihn betrogen, der aber
sagt, er werde
mit ihm die Unterredung pflegen, erst bis ihm der Hase
das Mittag-
mahl vom Hause gebracht haben wird. Währenddessen sagte
er, als
ob es im Ernst gemeint wäre, zum Hasen, er soll ums
Essen laufen,
und ließ ihn los! Es währte nur ein Weilchen, da drehte
er sich dem
anderen Hasen zu, der hier zusammen mit dem Mittagessen
versteckt
war und rief aus: ,Da schau, hat es gebracht!'
Der Schenkwirt fand an dem Hasen Wohlgefallen, der so
flink
das Mittagessen herbeiholt und bestürmte Bartlos, er
möge ihn ihm
verkaufen und Bartlos verkaufte ihn ihm zu guter Letzt
um teueres
Geld. Der Schenkwirt trug den Hasen heim und schickte
ihn vom
Acker um das Mittagmahl aus. Er wartete und wartete,
weder zeigt
sich das Mittagmahl noch ein Hase. Als er merkte, daß
ihn Bartlos
auch hiemit betrogen, entschied er sich dafür,
hinzugehen, ihn auf-
zufinden und zu töten. So traf er ihn daheim an. Bartlos
erhoffte
schon dessen neuerlichen Besuch und band jedem seiner
Hausgenossen
um die Gurgel einen Darm voll mit Blut um, und als ihn
der Schenkwirt
anrief, hub er ihn zu bitten an, er möge nur noch soviel
zuwarten, bis
er alle seine Hausgenossen abgeschlachtet, und hernach
könne er ihn
ohne Umstände umbringen. Er nahm einen Zulauf und
schnitt allen
den Darm durch. Das Blut schoß hervor und sie sanken zu
Boden
nieder. Hierauf sagte er zum Schenkwirten, er möge sich
etwas ge-
dulden, damit er sie wieder belebe und sie sähen, wie
ihn dieser ab-
murksen werde. Er ergriff eine Schalmei und begann zu
blasen, als
sich da im Augenblick alle Abgeschlachteten erhoben.
Der Schenkwirt fand an des Bartlos merkwürdiger
Schalmei Wohl-
gefallen und er drängte auf ihn ein, damit er sie ihm
verkaufe. Zu
guter Letzt verkaufte sie ihm Bartlos fur teueres Geld.
Der Schenk-
wirt kehrte nach Haus zurück und schachtete der Reihe
nach alles
ab, was da im Hause lebte und webte. Hierauf ergriff er
jene Schal-
mei des Bartlos und begann auf ihr zu blasen, doch ohne
gewünschten
Erfolg. Was einmal abgeschlachtet war, das erhob sich
nimmer
wieder. Darum beschloß er aufs allerentschiedenste,
hinzugehen, Bart-
los aufzusuchen und ihn sogleich ohne ein Wort mehr zu
verlieren,
totzuschlagen.
Als er mit dieser Absicht in Bartlos Haus kam, sagten
ihm dessen
Hausleute, Bartlos wäre schon längst gestorben.
Inzwischen wußte
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
dieser, daß ihn der da wieder aufsuchen wird und
hatte seinen Leuten
aufgetragen, ihn nur so oberflächlich in die Erde zu
verscharren, in
der Hand aber hielt er einen spitzen Pfahl. Als der
Schenkwirt die
Trauerkunde vernommen, suchte er dessen Grab auf, um
sich
wenigstens auf ihn zu bescheißen. Die Hausleute sagten
ihm, wo
dessen Grab ist und just, wie sich dieser niederhockte,
um sich zu
bescheißen, rammte er ihm von unten mit einem Stoß den
Pfahl ins
Arschloch hinein, weshalb der Schenkwirt allda auf der
Stelle tot
liegen blieb.
Anmerkung. Vgl. damit Anthropophyteîa III. No. 535
und die Note. Die
vorliegende Fassung gebe ich nur des Schlusses halber,
aus dem deutlich hervor»
geht, daß die Verunreinigung des Grabhügels eine
Rachehandlung darstellt. Sie
wäre sinn- und zwecklos, richtete sie sich nicht gegen
den Geist oder die Seele
des Verstorbenen, die nach urältestem Glauben der Slaven
nicht in den Himmel
oder ein Paradies fährt, sondern die längste Weile in
reger Verbindung oder in
regem Verkehr mit dem Leibe steht. Erst wenn sie durch
den Unflat vom Grabe
vertrieben wird, irrt sie ruhelos umher.
587. Da mu ospjetl nameru.
Umirao neki covek pa kad je vec naredio
kako da bude sa
imanjem i śta će korne ostati reće:
— ,Molim vas joś, prijatelji moji, kad me sahranite,
zabodite mi
krst u trbuhl' —
— ,Zaśto, da od Boga nagjeä?!1 upitaśe ga
prijatelji.
— ,Eto zasto', odgovori samrtnik, ,żiveo sam vrlo
hrgjavo sa
mojim komśijom Petrom i ćesto smo se svagjali. Jedanput
mi se u
svagji zakune, da će mi se posrati na grob. On je kao
covek i kako
mu se sad dala prilika, on će izvrSiti svoju zakletvu.
On će se pos-
rati ispod krsta raćuneći, da mi je to glava pa zato vas
i molim, da
mi zabodete krst u trbuh pa neka mi se posere na kurac,
oca mu
rćinskogl'
Aus Serbien. (Mehrfach).
Um die Absicht des Rachsüchtigen zu vereiteln.
Ein Mann lag im Sterben und nachdem er bereits über
sein Ver-
mögen verfugt und jedem sein Erbteil bestimmt hatte,
sagte er:
— Ich bitte euch noch, meine Freunde, wann ihr mich
begraben
habt, steckt mir in den Bauch das Kreuz einl
— Warum denn, daß dirs Gott heimzahle? — fragten ihn
die
Freunde.
— Da habt ihrs, warum, antwortete der Sterbende, ich
habe mit
Kraoss, Anthropophyteîa. IV. 23
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
meinem Nachbar Peter sehr schlecht gelebt und wir
stritten oft mit-
einander. Einmal im Streit schwur er mir, er werde mir
aufs Grab
scheißen. Er ist als ein Mann [von Wort bekannt] und da
sich ihm
nun die Gelegenheit dazu darbietet, wird er seinen
Schwur auch aus-
fuhren. Er wird sich unter dem Kreuz ausscheißen
berechnend, dort
wäre mein Kopf, und darum eben bitte ich euch, daß ihr
mir das
Kreuz in den Bauch hineinstecken sollt, damit er mir auf
den Zumpt
scheiße, [ich vögle] ihm seinen Jagdhundvater!
Anmerkung. Wie die folgende Fassung (No. 561) zeigt,
begegnet der
Brauch der Grabentweihung allgemeinem Verständnis. — Die
Abwehr ist klar
gedacht. Wenn dem Verstorbenen der Grabschänder auf den
Zumpt scheißt,
so macht er es, wie sonst wohl ein Pathicus seinem
Puzeranten und zieht
sich selber damit die gröbste Entehrung zu. Nebenher
erklärt der Sterbende,
nur einer, der aus dem sodomitischen Umgang seiner
Mutter mit einem
Jagdhund entsprossen, könne seine Rachsucht so weit
treiben und darum beschimpft
er zu guter letzt auch dessen Erzeuger, den er zur
Strafe für des Sohnes Missetat
auch selber vögeln möchte.
588. Krst na trbuh.
Nekakav nevaljali covek razboli se i oseti, da ce
umreti te pozove
jednog jedinog svog prijatelja, da mu iskaże poslednju
żelju. Kad
ovaj dogje reće mu: ,Kad umrem pobodi mi krst na trbuh a
nemoj
nikako vise glave.' — ,Zaśto?' upita prijatelj. —
,Zato', progovori ne-
valjalac, jer sam za zivota poćinio grdnih zala pa może
korne pasti
na um, da dogje na grob і da mi se pored krsta posere na
glavu a
ovako će pored krsta na kurac da mi se posere!' —
Aus dem Rudniker Kreise im Serbien. Erzählt von einem
Bauern.
Das Grabkreuz über dem Bauche.
Irgend ein nichtswürdiger Mensch erkrankte und
fühlte, er werde
sterben und da berief er einen, seinen einzigen Freund,
damit er ihm
den letzten Wunsch erfülle. Als der eintraf, sagte er zu
ihm: ,Wann
ich gestorben, pflanz mir das Kreuz auf den Bauch, unter
keiner Be-
dingung aber ober dem Haupte ein. — Warum? fragte ihn
der Freund.
— Darum, erwiederte der Haderlump, denn ich habe mein
Lebtag
greuliche Übeltaten verbrochen und da könnte es einem
einfallen, mein
Grab heimzusuchen und mir neben dem Kreuze auf den Kopf
zu
scheißen, so aber wird er mir neben dem Kreuze auf den
Zumpt
scheißen!
589. Osveta.
1. Poseru se protivniku noću na pragu kapije.
2. Kad zimi sere u svojoj avliji, zabode drvo u
govno. Kad se
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
govno smrzne, on ga sa sve drvce baci protivniku u
avliju. Tako
radi cele zime. Kad sijne proleće i nastanu topli dani a
ono onome
użasan smrad u avliji. — Mitgeteilt von einem Bauern
namens Vucetic
aus Trstenik, Ostserbien.
Rachehandlung.
1. Sie scheißen dem Gegner nächtlicherweile aut cüe
Haustor-
schwelle hin.
2. Wenn er zur Winterzeit in seinem Hofe scheißt,
steckt er ein
Holz in den Dreck ein. Wann der Dreck gefriert, wirft er
ihn mit
dem ganzen Hölzchen dem Gegner in den Hofraum hinein. So
tut
er den ganzen Winter über. Wann der Frühling anbricht
und warme
Tage da sind, so hat jener einen furchtbaren Gestank im
Hofe.
Anmerkung, і und 2 sind wohl lediglich als sichtbare
und den Geruch-
sinn herausfordernde Zeichen der Verachtung aufzufassen.
Wer den Schaden hat,
braucht für den Spott nicht zu sorgen. Einem Fuhrwerker
aus der Pożegaer
Gegend, aus der s. g. Śijadija besudelten die Bauern aus
der Essegger Gegend
seinen Karren oder Wagen, den er in einem
Wirtshausschoppen geborgen. Er
suchte nach den Tätern, um sie derb zu züchtigen, denn
er hatte niemanden auch
nur im geringsten gekränkt. Man wollte ihm nur
begreiflich machen, daß man
у
den Sijak verachte. — Statt prezirem te (ich verachte
dich) sagt der Chrowot
gewöhnlich serem ti se na glavu, ich scheiße dir auf den
Kopf, der Bosnier:
redim ti se u bradu, ich betue mich in deinen Bart
hinein.
590. Pravica.
Bila tri brata pa se dvojica zavadila trećim і svaku
noc bi se
bratu posrali pred pendżer. Brat kad bi u jutro usto і
govna pred
pendżerom naśao, uzeo bi lopatu pa govna usuo u futunju,
Doskora
se futunja napuni a taj brat nju dobro zatvori, samo
gore ostavi otvor,
koji se cepom mogao zatvoriti. Naprti ju na se i ode u
svijet. Pitaju
ga ljudi, śto on to nosi a on każe: ,Pravicu nosim. Dete
mi pet
forinti pa możete primiriŚat' — A nagje se koji, dade
peticu i pri-
miriśi otvoru. ,Baś je pravica! Jer dobro smrdi/ —
Erzählt von
einem Bauern im chrowotischen Zagorje.
Das Richtige.
Es waren ihrer drei Brüder und zwei von ihnen
gerieten mit dem
dritten entzwei und pflegten jede Nacht dem Bruder
vor das Fenster
zu scheißen. So oft der Bruder in der Früh aufstand
und den Dreck
vor dem Fenster fand, nahm er die Schaufel und
schüttete den Dreck
in den Treberbehälter hinein. Alsbald füllte sich der
Treberbehälter
23*
3j6 Südslavische Volksüberlieferungen, die
sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.
an und dieser Bruder verschloß ihn gut, nur oben ließ
er eine Öffnung
frei, die mit einem Propfen geschlossen werden konnte.
Er lud ihn
auf sich auf und zog in die Welt hinaus. Die Leute
fragen ihn, was
er da trüge und er sagt: Das Richtige trage ich. Gebt
mir fünf
Gulden und ihr könnt dazuriechen.' — Und es trifft sich
mancher, der
einen Fünfer hergibt und zur Öffnung hinriecht
,Wahrhaftig, das ist
das Richtigel Denn es stinkt gediegenIe —
Anmerkung. Pravica, das Richtige, hier im Sinne von
Wahrheit, die reine,
unverfälschte Wahrheit. Um das Richtige zu erkennen, muß
man viel bezahlen
und wenn man es erkannt hat, wird einem Übel davon.
591. Cikoćan posro se na zrvanj.
Kraj Pakraca ima jedno selo Cikote a na glasu je
svuda ko Pożega
megju gradovima, da su seljani najpametnijL Ovako
prićaju o jednom
Cikoćanu. Pop propovijedo, da ljudi na taj i taj dan idu
poljubit
hranitelja, Jedan Cikoćanin razmiSljo, ko je to
hranitelj i napokon se
domislio: otići će on u mlin pa će poljubiti
zrvanj. Ode u mlin. Vo-
da tjera zrvanj. Cikoćanin rad bi poljubiti, al ne może.
,Boga ti
tvoga!' Kaie, ,kad se ne daś poljubiti a ja ću te
posratl' — Spusti
gaće pa na zrvanj a zrvanj, kako se okreto, ufati ga pa
ga okrene
nekoliko puta i otepe mu glavu.
Bratu bilo dugo ćekat kod kuce pa ode da traii
svog brata Sto-
jana. Sretne seljanina. ,Ćuje£, Jovo, a jesi li ti vidio
mog brata, da
je bio bez glave? Ma o Boźiću, kad je pjevo, imo je joś
glavuI' —
Erzählt von einem Burschen aus Kutina in Chrowotien.
Wie sich ein Cikoter auf den Mahlstein beschissen.
Bei Pakrac ist ein Dorf, das Cikote heißt und
überall, wie Pożega
unter den Städten berufen ist, daß die Dörfler zu den
ganz gescheidten
zählen. So erzählt man von einem Cikoter. Der Pfarrer
predigte, die
Leute mögen an dem und dem Tag ihren Ernährer küssen
gehen.
Ein Cikoter sann darüber nach, wer dieser Ernährer sei
und endlich
kam er auf den Gedanken, in die Mühle zu gehen und den
Mahlstein
zu küssen. Er begab sich in die Mühle. Das Wasser treibt
den Mahl-
stein. Der Cikoter möchte ihn gern küssen, kann aber
nicht Daß
ich dir deinen Gott v. . .1' sagt er, ,wenn du
dich nicht küssen läßt,
so werde ich dich bescheißen I' — Er ließ die
Leinenhosen herab und
hockte sich über den Mahlstein nieder, der Mahlstein
aber ergriff ihn
im Drehen, drehte ihn einigemal herum und schlug ihm den
Kopf ab.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen. 357
Dem Bruder war es lang zu Hause zu warten und er
machte sich
darum auf die Suche nach seinem Bruder Stojan auf. Er
begegnete
einem Bauern. ,Hörst du, Jovo, hast du wohl meinen
Bruder gesehen,
daß er ohne Kopf gewesen? Zu Weihnachten, als er sang,
hatte er
noch seinen Kopfl*
Anmerkung. Die Cikoter Dörfler gelten als harmlose
Abderiten, nicht so
die Bewohner von Pożega, und darum trifft die Parallele
nicht gut zu. Die
Dummheit des Poźegaers äußert sich in einem maßlosen
Eigendünkel, dem
sich eine Freude an VerÜbung schandlicher Grausamkeiten
zugesellt Er stimmt
ein Hohngemecker über die Qualen an, die er Wehr- und
Hilflosen bereitet und aus
Größenwahn nennt er sich einen echten Chrowoten.
592. A, izlazi, paąja veröl
Srao Crnogorac pa nije mogao lako govno da isere.
Posle dugog
natezanja uzvikne: ,A, izlazi, pasja vero, ne mući mel*
— Kad je tako
s mukom govno israo, uzme jataganom pa preko govna flis
pa onda
poćne lizati jatagan govoreci: ,Eto, tako ću ja tebe,
pasja vero, da ti
se napijem krvil dosta si me namućilo!' — Erzählt von
einem monte-
negrischen Ansiedler in KruSevac in Serbien. Auch in
Poljna bekannt
Ach, heraus mit dir, du Hundeseele 1
Ein Montenegrer verrichtete seine Notdurft und konnte
nicht leicht
den Dreck herausscheißen. Nach langer Anstrengung rief
er aus:
,Ach, geh heraus, du Hundeseele, marter mich nicht I' —
Nachdem er
so mit Mühe und Plag den Dreck herausgeschissen, ergriff
er den
Jatagan und hui! fuhr er damit über den Dreck hin und
fing dann den
Jatagan zu belecken an, indem er dazu sprach: ,Da hast
du es, so
werde ich, du Hundeseele, mit dir verfahren, um mich an
deinem Blut
satt zu trinken! Genug hast du mich abgequält!
Anmerkung. Vjera ist in diesem Falle sinnverwandt zu
Ehrenwort, doch
im Deutschen sagt man nicht ein Hunde-Ehrenwort,
sondern, eine Hundeseele.
— Nach altem Kriegbrauch trinkt der Montenegrer vom Blut
des getöten Feindes;
das tun die chrowotischen Bauern auch heutigentags noch,
wenn sie bis zur äußerster
Verzweiflung getrieben, einige ihrer
nationalpatriotischen Bedrücker töten, ja, sie
essen dann sogar ihr Fleisch. So ein Fall trug sich im
September 1897 zu Sjeniôak
in Chrowotien zu, worüber man in meinen Slavischen
Volkforschungen, Leipzig
1908 nachlesen mag.
593. Da zna da je tursko, і iyemu bi sudiol
I5ao primorac kroz Bosnu pa video kraj puta poveliko
govno.
Koliko je mrzeo turke a nikako ne mogao da im napakosti,
reće gov-
netu: A, gado, da znadem da si tursko, sad bih te svega
izgrizao!
Aus Bosnien. Erzählt von einem Belgrader Lehrer.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Wüßte er, daß es ein türkischer Haufen ist, er hielt
auch über
ihn Gericht!
Ein Küstenländer wanderte durch Bosnien und erblickte
einmal
am Wegrain einen ziemlich großen Dreck. Wie er so sehr
die Mos-
limen haßte, auf keine Weise aber in der Lage war, ihnen
mit argem
Leid lästig zu fallen, sprach er zum Dreckhaufen: Ach,
du Unflat,
wüßte ich, daß du moslimisch bist, auf der Stelle würde
ich dich ganz
zerbeißen!
Anmerkung. Der biedere Hasser steht im Banne des
Glaubens an sympa-
thetischen Zauber. Wenn man von einem Haare, Fingernägel
oder Blut oder auch
nur einen Lappen von seinem Gewand besitzt, so kann man
ihn dieselben Leiden
fühlen machen, die man über die Teile seines Leibes
verhängt. Wenn der Hasser
nun den Dreck zerbisse, so wäre damit auch jener, der
ihn dort gelassen, arg
getroffen. Weü aber der Dreck möglicherweise von einem
Christen herrühren
kann, so schont ihn der Küstenländer. Drollig ist es,
wenn einer aus Wut den
Dreck seines Feindes zertritt, um an ihm seinen Zorn
auszulassen. Das kommt
vor und darauf weist auch die häufige Drohung hin:
zgaziću te ko govno! Zer-
treten werde ich dich, wie einen Dreck! — Aus bloßen
Behagen stampft auch
der Serbe in keinen Dreck hinein.
594. Vera govnetu.
Mućio se crnogorac oko jednog govneta pa nikako da ga
is tera.
Badava je stenjao, badava stiskao zube i buljio осі, ne
će pa ne će;
zaglavio se na pola puta pa nikako napolje. U veljoj
muci napreze
svu silu i povika mu: ,Ama izljezi nikogovicu! Evo ti
davam junaćku
vjeru tvrdu, da ti niśta ućinjeti ne ćul1 —
Govno se zbilja otkaći te
on odahnuvsi okrete mu se: ,Sreća tvoja, śto povjerova a
da me ne
posluśa, Bożja mi vjera, hoćah te ziva zubma zaklati і
tvoje ti se krvi
napiti, Sto me namući tako!'
Erzählt von einem Serben aus dem Timokgebiete in
Serbien.
Einer verpfändet sein Ehrenwort dem Dreck.
Ein Montenegrer mühte sich mit einem Dreck ab und es
gelang
ihm auf keine Weise, ihn herauszuquetschen. Vergeblich
ächzte er,
vergeblich preßte er die Zähne zusammen und glotzte sich
die Augen
heraus, der mag nicht und mag nicht; auf dem halben Wege
hatte
er sich festgerannt und wollte um keinen Preis heraus.
In gewaltiger
Pein spannte der Mann mit aller Gewalt an und rief dem
Dreck zu:
.Aber, so komm doch heraus, du Niemandsohn! Da verpfände
ich
dir mein festes Heldenehrenwort, daß ich dir kein Leid
zufügen werde!'
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
— Der Dreck riß sich tatsächlich los und aufatmend
wandte sich der
Mann zu ihm um: ,Dein Glück, daß du mir Vertrauen
schenktest,
hättest du mir jedoch nicht gehorcht, mein Ehrenwort bei
Gott, ich
war daran, dich lebendig mit den Zähnen zu zerfleischen
und mich
an deinem Blute satt zu trinken, weil du mich so sehr
abgemartert hast!'
Anmerkung. Der Montenegrer liebt es, sich in der
gewöhnlichen Rede
des Alltags in der ungewöhnlichen Sprache des
Guslarenliedes auszudrücken. Er
bramarbasiert ständig, wie ein Don Quixote und merkt es
gar nicht, wie sehr er
sich lächerlich macht. In dummer und
selbstbeschmutzender Prahlerei übertrifft
ihn nur der Chrowot, der echte sowie der künstliche. Da
stieg z. B. in Wien einer
herum, der sich berühmte, sein Großvater wäre ein Likaer
und ein Wegelagerer
gewesen, der auf dem Galgen geendet, nachdem er vierzig
Menschen umgebracht.
In Wahrheit stammte der Jüngling — er studierte in
Wiener Nachtkaffeeäusern
Jurisprudenz — aus Neugradiśka in Slavonien und war der
Sohn eines armen
Handwerkers, der sich als Wandergesell aus der Polakei
dahin verlaufen hatte.
— Ein anderer, der in Wien sogenannte slavische
Philologie studierte und Imhof
hieß, behelligte mich einmal auf der Gasse mit seinem
chrowotischen Größenwahn.
Unter anderem behauptete er, vom König Zvonimir
abzustammen und daher ein
Urchrowot zu sein. Zufällig kannte ich den Urheber
seiner Tage, einen Schwaben
aus Vinkovci in Slavonien, der als ein Eingewanderter in
der deutschen Umgebung
ein Deutscher blieb und nicht einmal notdürftig
chrowotisch zu reden erlernte.
Das hielt ich dem Jüngling vor und der erhitzte sich
darüber gar sehr: ,Das ist
gar nicht mein VaterI meine Mutter hat mit Chrowoten
gehurt!' — Empört warf
ich ihm vor, daß er sich trotzdem vom Schweiß eines
Deutschen nähre und verbat
mir für immer seine Annäherungen.
595. Zgadio se na dlaku.
Razgovarali se neki ljudi u drustvu o gagjenju. Tek
će jedan
izmegju njih reći, kako se on nićega ne gadi pa da bi to
i dokazao
opkladi se z drustvom. da će pojesti ljucki pogan.
Donesu mu u ćanku tada baś zgotovljene pogani i on
poce da
jede. Videlo se po njemu, da mu nije prijalo, jer se sve
vise mrśtio,
ali on nije hteo da prizna, da se gadi, već se upinjao
te i dalje jeo.
Kad je doterao do polovine, on se najeżi i poće da
povraca.
— ,Sta ti bi?' privikase ostali.
— .Nagjoh jednu diaku', odgovori on, ,pa mi se zgadü'
—
Aus Serbien.
Ein Haar verekelte es ihm.
Gewisse Leute unterhielten sich in Gesellschaft vom
Ekeln. Da
bemerkte von ungefähr einer aus ihrer Mitte, er
empfände rein vor
gar nichts einen Ekel und um dies zu beweisen,
wettete er mit der
Gesellschaft, er werde einen menschlichen Unflat
aufessen.
Збо Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen.
Man tischte ihm in einer Holzschüssel einen eben
hervorgebrachten
Dreck auf und er begann ihn zu essen. Man sah es ihm an,
daß ihm
das Gericht nicht munde, denn er zog immer mehr die
Brauen zu-
sammen, doch mochte er nicht eingestehen, daß es ihn
ekle, sondern
tat sich Zwang an und aß auch weiter. Als er die Aufgabe
bis zur
Hälfte erledigt, überkam ihn ein Grauen und er hub sich
zu er-
brechen an.
— Was ist bei dir los? riefen die übrigen aus.
— Fand ein Haar darin, antwortete er, und es befiel
mich ein Ekell
Anmerkung. Die Sache erklärt sich recht einfach: der
Geruch und der
Stoff der Exkremente ist dem Dreckesser angenehm, das
Haar dagegen löst bei
ihm eine ihm widerliche Vorstellungreihe aus und darum
muß er kotzen.
Diese Geschichte dürfte gleich mancher anderen als
Wandergut den Weg
auch zu den Serben gemacht haben, was man aus ihrem
Vorkommen bei den
Franzosen vermuten darf. Das Dreckfressen ist übrigens
den Südslaven wohlbekannt,
wie dies ja schon die Wendung jesti govana = Dreck
essen, im Sinne von
dummes Zeug reden oder treiben, bezeugt. Die Herausgeber
der Bibliotheca
Scatologica widmeten dem Brauch des Dreckessens eine
kleine Auseinandersetzung,
zu der sie die Angaben aus der ihnen zu Gebote
gestandenen Literatur schöpften:
„... après avoir parlé de ceux qui en ont écrit, nous
voulons dire un mot de
ceux qui en ont mangél non plus par prescription des
médecins, par crainte
de la maladie, de la mort, mais librement,
volontairement, spontanément, par
goût, par réflexion! I! Ces gourmets d'un gerne
particulier, ces ruminants de
nouvelle espèce, ces épicuriens blasés ou raffinés,
s'appelaient scatophages ou
scybalophages (De scybales, skybala. —Voyez dans
Dioscoride lib. 5, c 77
et Gorreus, Def. med., p. 579, les diverses acceptions
de ce mot).
L'empereur Commode était de ceux-là. ,Dicitur saepe
praetiosissimis cibis
humana stercora miscuisse, nec abstinuisse gustu', dit
Lampride (Vie de l'em-
pereur Commode).
Les Romains ont été nos maîtres en toutes choses.
Riedlinus (Linear, medic, an. 1697, mens, nov., obs.
23, p. 800) rapporte
les cas d'une femme qui affirmait: nullum cibum in tota
sua vita palato magis
satisfecisse.
Sauvages (Nosologie méthodique) dit qu'une fille lui
a avoué qu'elle
avait mangé jadis avec un plaisir infini la croûte qui
s' attache aux murailles des
latrines.
Zacutus Lusitanus a connu une demoiselle qui, ayant
par hasard goûté ses
excréments, en fit dans la suite sa nourriture favorite,
au point qu'elle ne pouvait
s'en passer sans être malade.
J. B. Von Helmont (Tractatus sextuplex, Digestio
alimenti humani,
§ 36, fol, 132): ,Nobilis virguncula, salutis suae
avida, proprium stercus edit:
petitum fuit ab ilia cujus saporis esset, ас respondit
esse fétide et aquose dulcis/
Le même raconte qu'un peintre de Bruxelles, réfugié
dans une forêt, vécut
pendant trois jours de ses propres axcrément, et,
interrogé sur leur saveur, il
répondit: Sapit ut olet.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Le même récite qu'un enfant qui avait fait dans son
lit, craignant d'être
puni, mangea sans difficulté et sans inconvénients le
corps du délit.
J. J. Wepffer (Dec. III, an. 2, obs. 135, schol., p.
199) rapporte un fait du
même genre. De même: Ehrenfried Hagendornius (Obs. et
hist. phys. med., cent. 3,
hist. 95). — Daniel Eremita (Descript. Helvet. oper. p.
402). — P. Tollius (Epist.
itinerar. 62, p. 247). — Tob. Pfanner (Diatrib. de
Charismati seu miracuL antiqu.
eccles., c. 2). — J. Chr. Frommann (De fascinatione,
lib, 3, part. 4). Il rapporte
plusieurs cas. — Rosinus Lentilius (Dec. II. an. 2, obs.
150), 2 observât. —
P. Borellus (Obs. phus. med. cent. 4, obs. 2). — J.
Johnstonus (Thaumatograph. ad-
mirand. homin. c. 2, art. 2). — Georg. Hannoeus (Dec.
II, an. 8, obs. 115). —
Paullinus (Dec II, an. 5). — P. Rommelius (Dec. III, an.
6 et 8, obs. 40). — Mich.
Bern. Valentin (Novell, med. log., cas. 11).
Nous croyons nous rappeler qu'il existe des exemples
du même genre dans
l'ouvrage de J. B. Cardan, intitulé: De abstinentia ab
usu ciborum fetido-
rum libellus, imprimé à la suite du traité De utilitate
ex adversis capienda
de son père.
On a connu à Paris un riche bourgeois, nommé Paparel,
qui, par une étrange
dépravation de goût, avalait des excréments de petits
enfants (Virey, Nouv. diet,
d'hist. nat., Deterville, t. X). La tradition même
rapporte qu'il les mangeait avec
une cuiller d'or. Enfin Tavernier, déjà cité pour le
singulier tabac indigène dont
se servent les habitants du royaume de Boutan, dit que
la même substance,
puissée à la même source, leur fournit des
assaisonnements, et les Tartares et les
Japonais tenaient en pareille vénération la merde du
grand lama et du Daîri.
(Ce n'est pas seul exemple d'un goût aussi bizarre.
Bullion portait toujours une
boîte d'or remplie non de tabac, mais d'excrements
humains. — Vog. Dulaure,
Hist, de Paris, édit. de 1825. t. VII, p. 262).
Les nombreux exemples précèdent rendent moins
intéressantes la question
de savoir an Ezechias stercus comederit: ce ne serait
qu'un mangeur de
plus. Pourtant, on peut voir dans la Bible le verset 12
du chap. 4 de ce prophète:
Et quasi sub cinericium hordaceum comedes illud: et
stercore quod
egreditur de homine operies illud in oculis eorum, et
les diverses inter-
prétations données par les différents traducteurs et
commentateurs.
Enfin Walther Schulzius (Ostindianische Reise, lib.
4, c. 10) cite une
tribu de l'Inde, dite Gioghi, qui ne prend aucun aliment
sans y ajouter de la
bouse de vache, et qui se barbouille la face et les
cheveux avec cet excrément.
Nous avons nous — mêmes imité ces Indiens, car
Bouillon Lagrange, phar-
macien à Paris, que ses confrères appelaient Bouillon le
Pointu, a publié un
ouvrage, intitulé la Chimie du goût, sur la fabrication
des liqueurs de table, et
il donne la recette d'une préparation qu'il appelle Eau
de mille fleurs, qui se
compose de bouse de vache infusée dans l'eau-de-vie.
Du reste, il paraît qu'on se lasse de cela comme de
toutes les bonnes choses,
même pour les causes les plus futiles, car nous
connaissons une chanson qui, si
elle n'est pas imprimée, mérite de l'être, et que dit:
Je suis dégoûté de la merde
Depuis que j'y ai trouvé un ch'veu.
Erschöpfendere Mitteilungen aus der ethnologischen
Literatur liefert Captain
John G. Bourke, Scatologie rites of all nations. A
Dissertation upon the Em-
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen
ployment of Excrementitions Remedial Agents in
Religion, Therapeutics, Divination,
Witchcraft, Love-Philters etc., in all Parts of the
Globe. Washington D. C. 1891.
S. 27: The Urine Dance of the Zufiis may conserve a
tradition of the time when
vile aliment was in use. — S. 29—32: Human excrement
used in food by the
insane and others. — Man vergleiche auch die geistvollen
Darlegungen Dr. Iwan
Blochs, Beiträge zur Aetiologie der Psychopathia
sexualis, Dresden 1903. IL
S. 222—234. (S. 228 f.): „[Die Scatologie] liefert einen
Schlüssel für viele Tatsachen
auf dem Gebiete der geschlechtlichen Verirrungen und
erleuchtet insbesondere das
Wesen der Kopro- und Urolagnie, indem wir durch die
Skatologie erfahren, wie
tief eingewurzelt, ja allgemein menschlich die Neigung
ist, jene ekelhaften Vor-
gänge in Beziehung zum Geschlechtakte zu bringen und
überhaupt an solchen
Vorstellungen ein Gefallen zu finden."
596. Opogani ali ne prevari!
Verovanje je u narodu, da će onoga goniti cele godine
zla kob.
koga prevari kukavica te je ćuje pre nego śto uzme
zalogaj u usta.
Jedan crnogorac izagje u proleće u polje, da se
otarasa svojega
tereta i ćućne, ali tamam je bio u polovini posla, kad
kukavica za-
kuka. On brże bolje umoći prst iza sebe i pokusa pa
uzviknu:
— ,Opogani pasja vero, ali ne prevari !'
Aus Serbien.
Verunflätigt, du Hundetreu, doch überrascht hast du
mich nicht
listig!
Im Volk besteht der Glaube, denjenigen werde das
ganze Jahr
über ein böses Geschick verfolgen, den der Kuckukvogel
listig über-
rascht, so daß er dessen Ruf früher vernimmt als er
einen Bissen in
den Mund genommen (nüchtern morgens).
Ein Montenegrer gieng mal im Frühjahr ins Feld, um
sich seiner
Last zu entledigen und hockte sich nieder, doch eben wie
er in Mitten
der Verrichtung war, ließ ein Kuckuk seinen Ruf
erschallen. So
hurtig als nur möglich tunkte er seinen Finger hinter
sich ein,
schmeckte davon und rief aus:
— Verunflätigt, du Hundetreu, doch überrascht hast du
mich
nicht listig!
Anmerkung. Wir haben das Sprichwort: Besser eine Laus
im Kraut als
gar kein Fleisch, der Montenegrer hier sagt sich wieder,
besser sich mit eigenem
Kot den Mund besudeln, als sich für ein Jahr unglücklich
machen lassen. Das Unglück
besteht eigentlich im Glauben, das einer, der nüchtern
zum erstenmal im Jahre
den Kuckuck vernimmt — das Jahr begann bei den Slaven
einst mit dem Frühling-
anfang — das ganze Jahr hindurch werde hungern müssen. —
Sein Glauben ver-
setzte ihn in eine Notlage, aus der es für ihn kein
Entrinnen gab, außer seine
eigene Ausscheidung zu verkosten. So errettete ihn seine
Geistesgegenwart aus
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
der veimeintiichen Gefahr. — Über den Kuckuck als
Jammervogel vgl. Krauss
in: Bojagić Aliles Glück und Grab.
597. Ne ćeś, rgjo, ne ćeś!
Putovao Era i nosio na konjima katran. To je bilo u
proljeće
pred Gjurgjevdan. U putu mu se prisere i on odreśi
pelengire i ćućne
uz jedan trn da sere. Tek śto je poćeo da sere a na
jednom drvetu
vise njega zakuka kukavica.
— ,E, ne ćeś, rgjo, ne ćeś me, vala, prevaritü'
uzviknu Era pa
zgrabi punu saku govana ispod sebe te u usta.
Kod Srba je svuda rasprostranjeno verovanje da
kukavica i joś
neke tice mogu prevariti coveka i da mu onda ne će biti
dobro. To
se ,varanje* sastoji u tome, ako koji prviput s proleća
ćuje kukavicu
a ne bude niśta u jutru okusio. Era to jutro niśta nije
okusio pa
mu niśta nije smetalo i svoje govno da pojede, kad drugo
bolje nije
imao tada pri ruci, samo da kukavica ne prevari. Toliko
se od toga
bojao. — Erzählt von einem Landmann aus Levac, Serbien.
Nein, das sollst du nicht, du Rostfleck!
Ein Herzler wanderte und verfrachtete zu Rossen Teer.
Das war
im Frühling vor dem Georgtag. Auf dem Wege wurde er
kackerig
und er löste seine tuchnen Kniehosen auf und hockte sich
neben einem
Dornstrauch nieder, um zu scheißen. Kaum begann er zu
kacken,
als auf einem Baume ober ihm ein Kuckuk zu kucken anhub.
— Ei, du sollst mich nicht, du Rostfleck, beim Allah,
du sollst
mich nicht übertölpeln! rief der Herzler aus, raffte
eine volle Hand
Dreck unter sich auf und fuhr damit in den Mund.
Bei den Serben ist der Glaube allgemein verbreitet,
der Kuckuk
und noch einige Vögel könnten den Menschen übertölpeln
und es
werde ihm dann nicht gut ergehen. Diese „Ubertölpelung"
besteht
darin, daß einer zum erstenmal im Frühjahr einen Kuckuk
vernimmt,
ehe er morgens einen Bissen verkostet. Der Herzler hatte
an diesem
Morgen noch keinen Bissen im Munde gehabt und es
hinderte ihn
nicht im geringsten, selbst seinen eigenen Unflat
aufzuessen, da er
damals gerade nichts anderes zur Hand hatte, nur damit
ihn der
Kuckuk nicht übertölple. So sehr fürchtete er sich
davor.
598. Wie ein Schenkwirt einen Zigeuner Dreck essen
lehrte.
Ein Schenkwirt dang einen Zigeuner zum Schankburschen
auf
und sagte zu ihm: ,Siehst du diese Holzschüssel unter
dem Faß? So
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
oft du einem einschenkst, wird der Wein über das
Maass hinaus in
diese Holzschüssel hinabrinnen, doch paß auf, daß ihn
einer nicht
wegtrinkt, denn abends dient der Tropfwein mir und
meinem Gesinde
zum Trunki' — Der schlaue Zigeuner leckerte sich auf den
fremden
Wein und soff täglich insgeheim mehr als die Halbscheidt
vom Tropf-
wein aus der Schüssel weg. Der Schenkwirt merkte etwas
und be-
schloß, sich am Zigeuner zu rächen. Da stieß er drei,
vier von den
größten Paprika staubfein und nahm ebensoviel gestoßenen
Pfeffers
und warf alles in den Wein in die Holzschüssel hinein.
Wie gewohnt,
setzte der Zigeuner die Holzschüssel an den Mund und
trank mehr
als die Hälfte vom Wein ab, doch es währte nicht lange,
fieng es ihn
in den Gedärmen zu schneiden, reißen und zu zwicken an
und er er-
hob ein Wehgeschrei. Der Wirt kam gerannt und fragte
erschrocken :
,Was ist geschehen? Das Unheil soll dir den Sinn
verwirren! Hast
doch nicht etwa gar vom Wein aus der Holzschüssel
getrunken, in
die ich Arsenik fur die Mäuse hineingetan?4 —
,So Gott mir helfe,
habe es wohl getan, doch was fang ich nun an, o du vor
Gott mein
Vater?' — ,Iß raschestens einen warmen Kuhdreck auf, daß
du nicht
schändlich hin wirst!' — Als dies der Zigeuner hörte,
rannte er flugs
in den Hof hinaus, wo die Kühe wiederkäuen und fand
einen frischen,
noch dampfenden Kuhdreck und fraß ihn mit wilder Gier
bei Putz
und Stengel auf und gleich ward ihm leichter und als er
sich erleichtert
fühlte, sagte er zu sich im Stillen: ,Beim Allah, wenn
ich noch einmal
aus der Holzschüssel einen Wein trinken sollte, so gäbe
es Gott, daß
ich einen noch abscheulich größeren Dreck, nicht den von
einer Kuh,
sondern einen von meiner Großmutter aufessen muß!1
Erzählt von Vuk Vrcevic, Srpske narodne pripovjetke
ponajviSe
kratkę і saljive. II. Ragusa 1882, S. 69f.
Anmerkung. Als Gegengift bei Vergiftungen gebraucht
man frischen Dreck.
Der Zigeuner ist wie der Serbe gewohnt täglich seine
Speisen mit Paprika zu
würzen und eingesäuerte rote Paprika zu genießen, so daß
ihm der neue Geschmack
des Weines nicht auffiel, zumal da er sehr rasch trank,
ehe man ihn dabei
überraschte.
599. Ispećena balega.
Ismo neki grof kuvara. Jednoga dana zapovidi mu grof,
da mu
priredi jilo, kakog joś піко nije jio na svitu. Ako to
ne ućini, glavu
će mu otsić. Kuvar snuźden śta će i kako će pa se seta
avlijom i
razmiślja a krave prolazile pa se jedna posrala, ,Aha!
domislio sam
sel' uzme lopatu, mętne na nju balegu, odnese je u
kujnu. Onda
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
uzme gvirca, Sekera i kojeśta, pomiśa sa balegom pa
sve to turi u
śporet. Kad je bila balega ispećena, kuvar je jo§ lipśe
iscifra gore і
sa strane i odnese grofu na stoi. Grof sidne i kolac
pojede, a nije
znao, da je pećenu balegu jio. ,Ćujete vi, kuvare,
kaiite vi meni,
kako ste vi ovaj kolać priredili?' — ,E, gospodine,
il bilo ovako il
onako, ja ću vam kazati. Uzeo sam kravju balegu pa u nju
pomiśo
svega і svasta i onda to ispeko I' — ,Ajde de4,
reće grof, ,sad sam bar
jio krayjeg govna pa mi je dobro iSlo u tek. Siatko je
bilo I* — Er-
zählt von einem Mannweib in Lipik, Slavonien.
Der ausgebackene Kuhfladen.
Ein gewisser Graf hatte einen Koch. Eines Tages
befahl ihm der
Graf, für ihn ein Essen zu bereiten, wie ein solches
noch niemand auf
der Welt gegessen hat Wenn er das nicht täte, werde er
ihm den
Kopf abhacken. Betrübt, was er und wie er es zuwege
bringen soll,
erging sich der Koch im Hofe und sann nach. Da zogen die
Kühe
vorbei und eine bekackte sich. ,AhaI Jetzt habe ich
einen Gedanken
gekriegt l' Er ergriff eine Schaufel, legte darauf den
Kuhfladen und
trug ihn in die Küche. Dann nahm er Gewürze, Zucker und
mancherlei
dazu und vermengte es mit dem Kuhdreck und steckte dies
alles in
den Sparherd. Als der Kuhdreck ausgebacken war,
verzierte ihn der
Koch oben und von der Seite noch schöner und trug ihn
dem Grafen
auf den Tisch hin. Der Graf setzte sich nieder und
verzehrte den
Kuchen, ohne zu wissen, daß er einen gebackenen Kuhdreck
gegessen.
Hören Sie mal, Koch, sagen Sie mir, wie haben Sie diesen
Kuchen
zubereitet?* — ,Ei, Herr, mag es so oder so ausgehen,
ich werde es
Ihnen sagen. Ich nahm einen Kuhdreck, vermischte ihn mit
allem
und jedem und dann buk ich ihn aus I' — ,Das mag
angehen,' sagte
der Graf, jetzt habe ich wenigstens Kuhdreck gegessen
und es schmekte
mir. Es hat mir fein gemundet!'
600- Zaśto covek radi.
Bila nekad dva brata pa jedan sve radio i hranio se a
drugi nije
hteo da radi, već śto posere on izede a i tugja govna
jeo. Tada
covecja govna ne smrgjahu. Onaj śto radi, potuźi se Bogu
na brata,
koji jede govna. Bog naredi te govna postanu smrdljiva
te je i onaj
brat morao raditi. — Erzählt von einem Bauern namens
Vucetic aus
der Gegend von Trstenik-Polnja, Ostserbien.
Südslavische Volksüberiieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Warum der Mensch arbeitet.
Es waren einmal zwei Brüder und der eine war
unablässig ar-
beitsam und ernährte sich, während der andere nicht
arbeiten mochte,
sondern, was er geschissen, aufaß und auch fremden Dreck
aß. Da-
mals stank der menschliche Dreck nicht Jener, der tätig
war, führte
vor Gott wider den dreckessenden Bruder Klage. Gott
verfugte, daß
der Dreck stinkig wurde und so mußte auch jener
Bruder arbeiten.
Anmerkung. Diese Erzählung kann man als das
Schulbeispiel einer Pa-
rabel hinstellen. Śto posere on izede, ,was er
geschissen, das aß er auf, bedeutet
soviel als: er verleumdete, stänkerte, davon zehrte er,
und tugja govna jeo, er
wiederkäute den Unflat anderer, sowie dies z. B. der
Lustknabe von Karlowitz,
sein Afterfreund der Gymnasiastenschänder von Neusatz
und ihre chrowo-
tischen Genossen in Agram als Rezensenten tun. Sie sind
anrüchig geworden,
und müßen am Ende doch irgend etwas arbeiten, um nicht
auf dem Mistberg zu
verenden, wofern es nicht dem einen und anderen glückt,
im Dienste der Natio-
nalen oder Politiker oder Glaubenretter irgend eine
Versorgung zu ergattern. Sie
unterscheiden sich bloß durch ihr gedrucktes Gefasel von
den übrigen Dreckfressern,
die auch dem Bauernvolke auffallen. Der Sinn der Parabel
ist: von schuftigen
Ehrabschneidungen kann einer nicht immer sein Dasein
fristen, sie fangen zu
stinken an und dann muß er, um nicht zu verhungern,
endlich doch zur Arbeit
greifen.
601. Cigan jio govno.
Carica imała na prsima mjesec, na pupku sunce a megj
nogama
zvijezdu. A to nije піко znao, vec se iślo na pogagjanje
a ko pogodi,
dobije pol carstva.
Bila tako tri brata, najmlagji najlugji. Kad je on
pośo, braća su
ga grdila. ,Nismo mogli mi, koji smo pametnijil' — Kad
je iśo a
sretne ga ciganin. ,Kuda ideś, momće?' — ,Idem i ja, da
pogodim
u naśe presvijetle carice, śta ima.1 — Każe
cigan: ,Idem i ja s tobom.'
— Kad su dośli tamo a ovome momku je kazato u snu, da to
imade.
Kad su redom svi divanili, onda dośo red i do toga.
Najmlagji naj-
lugji a cigan je stao baś uż njega. Ovaj rekne: ,U naśe
presvijetle
carice* na prsima ima mjesec!' — Cigan rekne: ,Mjesec!'
— Ovaj rekne:
,Na pupku ima sunce!' — Cigan rekne: ,Ima sunce l'
—,Megj nogama
ima zvizdal' — Cigan odma za njim: ,Med nogama zvizda!'
Nijesu se mogli pravo pogodit, ko je pravo pogodio.
Iće sve
troje, cigan, najmlagji brat i carica u jedan krevet
leci. Korne bude
carica okrenuta, onaj je pogodio. Seljak ponese sa sobom
svakojaki
koląca a obnoć ustane, uzme cizmu, ode za vrata pa
stenje. Cigan
,ga pita: ,Sta ti radiś?' — ,Evo serem u cizmu'. Uzme
kolać pa jede
V
a fentijero je, kako će cigana prevarit Cigan ga
pita: ,Sta radiś?' —
Evo, sad jedem govno a ono śto ostanę, potrt ću po
glavü' — Navali
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
se cigan srat. Ide i cigan za vrati srat. Nasro je
pol sare, onda zaćmę
jesL Sto ostało potare po glavi. Kad je lego u krevet,
smrdi cigo
ko futav. Kad je dan svanuo, carica se od njega
otkrenula i seljaku
dobro nakrenula. U jutro su dali cigana pogubit, zaśto
je vaki
smrdljiv usto i uz presvijetlu caricu leżo. — Erzählt
von einem Bauern-
mädchen in Seoci, Slavonien.
Der Zigeuner afl Dreck.
Die Kaiserin hatte auf dem Busen einen Mond, am Nabel
eine
Sonne und zwischen den Beinen einen Stern. Davon aber
wußte
niemand zu sagen, sondern man gieng aufs Erraten, und
wer es er-
riete, bekommt das halbe Kaiserreich.
Es waren so ihrer drei Brüder, der jüngste unter
ihnen war der
dümmste. Als er sich auf den Weg machte, schmähten ihn
seine
Brüder: ,Haben wir es nicht gekonnt, die wir die
gescheidteren sind I'
— Als er dahinging, begegnete ihm ein Zigeuner.
,Wohin gehst du,
Bürschlein?' — ,Auch ich gehe, um bei unserer
erlauchtesten Kaiserin
zu erraten, was sie hat/ — Sagt der Zigeuner: ,Ich gehe
auch mit
dir/ — Als sie dort ankamen, erfuhr der Bursche im
Traume, sie
habe das und das. Nachdem sie alle der Reihe nach
gesprochen,
kam die Reihe auch an diesen. Der jüngste, der dümmste,
der
Zigeuner aber stellte sich just ihm zur Seite. Dieser
sprach: ,Unsere
erlauchteste Kaiserin hat am Busen einen Mond!' — Der
Zigeuner
sagte: ,Einen Mond!' — Dieser sprach: ,Am Nabel hat sie
eine Sonne!'
— Der Zigeuner sagte: ,Hat eine Sonne!' — ,Zwischen
den Beinen hat
sie einen Stern I' — Der Zigeuner gleich nach
ihm: ,Zwischen den
Beinen einen Stern!'
Sie konnten sich nicht recht darüber einigen, wer das
richtige
getroffen. Darum sollen sich denn alle drei, der
Zigeuner, der jüngste
Bruder und die Kaiserin in ein Bett legen. Der, dem die
Kaiserin
zugewandt sein wird, der hat es getroffen. Der Bauer
nahm allerlei
Kuchen mit sich, bei Nacht aber erhob er sich, ergriff
den Stiefel,
gieng hinter die Türe und stöhnt. Fragt ihn der
Zigeuner: ,Was tust
du?' — ,Da scheiße ich in den Stiefel hinein!' Er
ergreift den Kuchen
und ißt, er machte aber den Spiegelfechter, um den
Zigeuner zu
foppen. Fragt den Zigeuner: ,Was treibst du?' — ,Da esse
ich jetzt
den Dreck und das, was übrig bleibt, werde ich auf den
Kopf
schmieren!' — Den Zigeuner befällt ein Scheißdrang. Es
geht auch
der Zigeuner, hinter die Türe scheißen. Er schiß die
halbe Stiefel-
röhre voll an, dann hub er zu essen an. Was übrig blieb,
damit rieb
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen
er sich den Kopf ein. Als sich der Zigeuner ins Bett
gelegt, stank
er, wie ein Wiedehopf. Als der Tag dämmerte, hatte sich
die Kaiserin
von ihm abgewandt und dem Bauern tüchtig zugekehrt. In
der Früh
ließen sie den Zigeuner hinrichten, weil er als solcher
Stinkkerl er-
standen und neben der erlauchtesten Kaiserin gelegen.
602. Die Geschichte vom geschundenen Flohbalg.
(Pripoyjetka o buvinoj kozi oguljenoj.)
Es war einmal ein Kaiser, der hatte ein sehr schönes
Töchterlein,
die war schon reif zu heiraten. Nun sann er darüber
nach, an wen
er sie zur Frau ausgeben solle und geriet auf einen
sinnigen Einfall,
fand einen Floh, schund ihn ab und nagelte den Flohbalg
an die Türe
an. Nachdem er den Flohbalg an der Türe angenagelt
hatte, erließ
er eine Kundmachung, daß der die Tochter heimfuhren
solle, der da
erkennt, von was für einem Tier der Balg herrühre. Alle
Welt eilte
herbei und keine Seele konnte herauskriegen, was für
Balg an der
Türe sei.
Dazumal lebten ihrer drei Brüder, einer darunter war
ein Narr,
die anderen zwei galten aber als gar gescheit. Der eine
von den
Klugen machte sich reisefertig und wanderte dahin zum
Kaiser. Also
ausgerüstet zog er des Weges und begegnete auf der
Wanderung
einem alten Weibe. Die Alte bat ihn um ein Stückchen
Brot
.Hungrig bin ich', sagte sie: ,Habe wohl Brot', sagte
er, ,gebe aber
keines her, taugt mir selber welches.' Darauf sprach
sie: ,So mögst
du denn auch nicht das Ding erraten, dessentwegen du
dich bemühst'
Und so erzielte er denn auch wirklich nichts.
Begab sich dann auch der andere Kluge auf die Reise
und auch
er begegnete dem alten Weibe und auch von ihm verlangte
sie Brot
und sagte: ,Ich bin hungrig* und er erwiderte ihr: ,habe
wohl eines,
doch dies brauche ich für mich allein', und sie
versetzte darauf: ,So
mögst du, Söhnchen, auch nicht erraten, was du
beabsichtigst!' Und
also war sein Mühen vergeblich, erraten konnte ers nicht
Schließlich bereitete sich jener Narr vor, kochte
einen Brotfladen
ein und machte sich auf den Weg zum Kaiser, um die Art
des selt-
samen Balges an der Türe herauszufinden. Auf der
Wanderung be-
gegnete er dem alten Weibe: ,Söhnchen, so du an Gott
glaubst und
einen Bissen Brot mit dir trägst . . . ich bin halb
verhungert!1 Ant-
wortete er: ,Habe wohl eines, Mütterchen mein!' und
schenkte ihr den
ganzen Fladen. Sie sprach zu ihm: ,Gott soll geben,
Söhnchen, daß
du erraten mögst, auf was dein Sinn gerichtet ist!'
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen. 369
Auf der Weiterreise traf er mit einem Hodża zusummen,
der auch
zum Kaiser wanderte, um zu erraten, was für ein Balg an
der Türe
befestigt sei. Sie langten gleichzeitig vor dem Kaiser
an. Da sprach
der Narr zum Hodża: ,Geh, rede du zuerstI' Entgegnete
der: ,Du
Narr vorher I' Sagte darauf der Narr: ,Das ist ein
abgeschundener
Flohbalg!' Gleich fiel der Hodża ein: ,Siehst du, das
wollte ich eben
selber sagenJ' Jetzt war der Kaiser in Verlegenheit, was
er anfangen
soll und entschied also: ,Meine Tochter möge zwischen
euch zweien
schlafen heute zu Nacht, und wem sie sich in der Frühe
zugekehrt
haben wird, wann ich zu euch komme, dem gehört sie zu
eigen.'
Abends begaben sich die drei zu Bette. Der Narr
sprang plötz-
lich vom Lager auf und schritt zur Türe hin. Fragte ihn
der Hodża:
,Wo bist du gewesen?' ,Wasser habe ich abgeschlagen',
sagte er. Der
Hodża glaubt, es sei wahr, erhebt sich und pisst sich
bei der Türe
aus. Nach einer Weile springt der Narr wiederum auf und
eilt zur
Türe hin. Fragt ihn der Hodża: ,Wo bist du gewesen?'
Antwortete
er: ,Ausgeschissen habe ich mich!' Hurtig erhob sich der
Hodża auf
die Beine und kackte sich bei der Türe aus. Zum
drittenmal sprang
der Narr vom Bett auf und lief zur Türe hin. ,Wo warst
du, Tropf?'
fragt ihn der Hodża. Entgegnete der Narr: ,Mußte doch
das Zeug
aufessen, das ich hingeschissen; denn kommt morgen früh
der Kaiser,
läßt er uns aufhängen, erblickt er das bedreckte
Zimmer!' Der Hodża
glaubte ihm aufs Wort und tummelte sich, alles
aufzuessen, was dort
lag, beschmierte sich dabei den Bart und legte sich so
stinkig wieder
ins Bett hinein. Auf der Seite lag der Hodża, auf der
anderen
der Narr.
Das Mädchen roch den Gestank und wandte sich vom
Hodża ab
und dem Narren zu. Morgens, als der Kaiser kam und die
Prinzeß
dem Narren zugekehrt, den Hodża aber bedreckt erblickte,
ließ er
den Hodża hinrichten, indeß der Narr das Fräulein bekam.
Und wenn
er noch lebt, geht es ihm auch heutigentags gut Hab* ich
eine Lüge
gehört, hab' ich eine Lüge erzählt
(Von einem Bauer aus einem Dörfchen bei Srebrenica.
Drina-
gebiet Bosnien).
Anmerkung. Die Ausstellung eines geschundenen
Flohbalgs ist ein in
nordtürkisch asiatischen Märchen sehr beliebtes Motiv.
603. Husarsko govno.
Jednoć iśli husari manevrirat pa su pośli u jednog
grofa Sumu.
Jednom husaru dogje potreba da ide na stranu, zaostane,
sveze svog
Kraustt Anthropophyteia.
IV. 24
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
konja za jedan rast, nasloni puśku do drugog rasta,
ćućne pa sere.
A u to dogje grof, zgrabi karabin, koji je nabit bio pa
zavikne: ,Ili
pojedi ovo govno ili ću te ubit!' — Husaru ne bi na ino,
već sjedni
pa poćni jist. Al mu se jako gadilo, a kad je grof
vidio, da je husar
malne polovicu svoga govna izjeo, oprosti mu ono śto ga
je joś bilo
pa mu vrati karabin. Husar brźe objaśi konja, skoći
prema grofu,
naperi na njega karabin pa mu zapoyjedi: ,11 pożderi
umah ostatak il
ću te na mjestu ubiti!1 — Kuce, śta će ti moj
grof, milo mu ne bijaśe,
siła kola tare, već ajd, pojedi onu ostalu polovicu
husarske kobasice.
Sutradan dogje grof ritmajstoru, da tużi tog husara.
Husari sol-
dati su stajali u glidi pa grof nije prepozno onoga,
kojega bi okrivio.
Onda je ritmajstor zapovjedio: ,Onaj, koji grofa
poznaje, nek stupi
van!1 — A izagje na tu zapovijed onaj husar
pred ritmajstora: ,Gospo-
dine ritmajstore, ja poznam toga gospodinal' — ,A odakle
ga poznasz
— ,Poznam ga, jer smo jućer zajedno rućali.' — Da se
ne osramoti,
odustane grof od tużbe pa mu dade saku dukata, da nikom
ne kazuje,
kako su se ćastili. — Erzählt von einem chrowotischen
Taglöhner aus
einem Dorfe bei Belovar in Chrowotien.
Der Husarendreck.
Einmal zogen Husaren zu Feldübungen aus und gelangten
in den
Wald eines Grafen. Einen Husaren befiel die Not, auf die
Seite zu
gehen, er blieb zurück, band sein Pferd an einen Baum,
lehnte die
Büchse an einen anderen Baum an, hockte nieder und
kackte. In-
zwischen kam der Graf heran, packte den Karabiner, der
geladen war
und rief aus: ,Entweder iß diesen Dreck auf oder ich
erschieße dich!1
— Dem Husaren blieb nichts übrig, als setz dich
nieder und fang zu
verspeisen an. Doch, es ekelte ihn recht sehr, und als
der Graf sah,
daß der Husar nahezu die Hälfte seines Dreckes
aufgegessen, erließ
er ihm gnädig, das was noch übrig geblieben und gab ihm
den Kara-
biner zurück. Rasch schwang sich der Husar aufs Pferd
hinauf
sprengte gegen den Grafen los, legte den Karabiner auf
ihn an und
befahl ihm: »Entweder friss augenblicklich das
Überbleibsel auf oder
ich töte dich auf der Stelle!' — Wohin soll er, was soll
er dir mein
Graf, lieb war es ihm nicht, Gewalt bricht den Wagen,
vorwärts, mit
frischem Mut, iß die übrige Halbscheidt der Husarenwurst
auf.
Am anderen Tag kam der Graf zum Rittmeister, um
diesen
Husaren zu verklagen. Die Husaren standen in Reih und
Glied und
der Graf vermochte jenen nicht wiederzuerkennen, den er
beschuldigen
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
sollte. Hierauf befahl der Rittmeister: Jener, der
den Grafen kennt,
soll heraustreten!1 — Auf diesen Befehl hin
trat jener Husar vor den
Rittmeister vor: ,Herr Rittmeister, ich kenne diesen
Herrn l' — ,Und
woher kennst du ihn?' — ,Ich kenne ihn, weil wir gestern
zusammen
gefrühstückt haben.' — Um sich nicht zu beschämen, nahm
der Graf
von der Klage Abstand und gab ihm eine hand voll
Dukaten, damit
er niemandem erzähle, wie sie in Ehren einander bewirtet
haben.
604. Da govno otrese.
V
U śumi bio Sumar sa paurom. Sumara potjera i on ode
za panj
pa se posere, uzme papir pa otare guzicu. To je gledo
paur pa kad
ga jednoć potjeralo srat, ponese papira a kako je papir
bio tvrd,
razgrebe guzicu. Drugiput kad ga je tjeralo srat, uzme
flispapira,
ode za panj srat, tare guzicu papirom, papir se prodere
a paur prstima
vuće po guzici. Kad je osjetio, da su mu ruke usrane,
poćne rukama
treskati, da govno otrese. I ovako treskajući udari o
panj i udari se
jako. Kako je to već obićno, kad se ćoek udari po ruci,
da je ustima
prinese, da ga tako boi mine, ućini i on tako te posranu
ruku turi u
usta. — Erzählt von einem Bürger zu Pożega in Slavonien.
Um den Dreck abzuschütteln.
Im Walde weilte der Förster mit einem Bauern. Den
Förster
befiel ein Drang und er begab sich hinter einen
Baumstamm und
kackte sich aus, nahm ein Papier und wischte den After
ab. Dem
schaute der Bauer zu und als es ihn einmal zu scheißen
drängte, nahm
er Papier mit und da das Papier hart war, zerkratzte er
sich das Arsch-
loch. Ein zweitesmal, als es ihn zu scheißen drängte,
nahm er Fließ-
papier, gieng hinter den Baumstamm scheißen, wischte den
After mit
dem Papier aus, das Papier reißt durch und der Bauer
zieht mit den
Fingern übers Arschloch. Als er seine Hände beschissen
fühlte, be-
gann er mit den Händen zu beuteln, um den Dreck
abzubeuteln. Und
so beutelnd schlug er an den Baumstamm an und schlug
sich fest an.
Wie das schon gewöhnlich ist, wenn sich der Mensch auf
die Hand
schlägt, daß er mit ihr zum Munde fährt, damit so der
Schmerz von
ihm weiche, tat auch er und steckte die beschissene Hand
in den
Mund.
Anmerkung. Wie schon früher einmal bemerkt, waschen
sich die Moslimen
nach jeder Notdurftverrichtung den After und die
Geschlechtteile, nicht so der Christ,
indessen geht auch der christliche Bauer oder die
Bäuerin gewöhnlich nicht mit
Kotüberbleibseln einher, sondern wischt sich mit grünen
Blättern, mit Gras oder
24*
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Heubüscheln gründlich aus. Auch wascht er seine
Finger zuweilen ab, wenn daran
Unflat kleben blieb. Den im Freien abgesetzten Dreck
fressen die Schweine oder
pickt das Geflügel auf oder es setzen sich unzählige
Fliegen und Mücken auf
die Bescheerung und verbreiten dann etwaige
Krankheitkeime weit und breit.
Darum herrscht unter den Chrowoten, wo sie in Dörfern
gedrängt Haus an Haus
nahe an einander siedeln, gewöhnlich Krankheit jeder
Art. Zur Zeit der Müitär-
grenze zwang die deutsche militärische Verwaltung die
Leute, an jedes Haus einen
Abort anzubauen. Nach Auflösung der Militärgrenze
zerfielen mit der Zeit auch
die aus Bretterwänden hergestellten Aborte und die
ursprüngliche Säuerei nahm
wieder überhand.
605. Galetica.
Sastala se dva bodula u njekom malom dalmatinskom
mjestu.
Trebalo je tu da prenoće pa sjutradan dalje da otputuju.
Nagju u
njekoj gostioni zgodnu sobu pa kako su bili
prijatelji, nije im bilo za-
zorno zajedno noćiti. Jedan od njih, debeo i
krupan, pio je ćesto
vode po noći. Radi toga zamoli gostionićara, neka mu
donese vre
vode, kako bi se mogao napiti po noći, ako kao obićno
uzżedni.
Dva bodula zaspała a debeljko naslonio vrc
vode pokraj svoje
glave. U njeko doba noći moga drugoga bodula potjerala
mala і
velika tjelesna potreba. U sobi nije bilo vrea za to a
on je bio lijen,
da se oblaci i izlazi na polje. Uzme vrc sa
vodom, koju je debeljko
bio namijenio za pice. U njemu ućini i malu і
veliku potrebu. Zado-
voljan, śto se oprostio toga tereta, legnę po novo i
zaspa kao zaklan.
Mało kasnije probudi se debeljko, źedan. Prihvati vrć
i dobro
gutne vode. Pijući vodu dogje mu u usta komad govneta.
I ni snije-
vajuci śta je, reće:
— Ki je vrag moćija galeticu u ovi verć?l
Sjutradan kad je vidio śta je, podigao je larmu na
gostionićara,
koji nikako nije znao, da protumaći to cudo. Onaj drugi
boduo mu-
ćao je kao zaliven.
Aufgezeichnet in Norddalmatien von Dr. Alexander
Mitrovic.
Zwieback.
Zwei Eiländler trafen einander in einem kleinen
dalmatischen Orte.
Da mußten sie übernachten, um am anderen Tage weiter zu
wandern.
In einem Gasthofe fanden sie eine geeignete Stube, und
da sie mit-
einander befreundet waren, war es ihnen nicht zuwider
gemeinsam zu
nächtigen. Der eine von ihnen, ein dicker,
vierschrötiger Mann, trank
nachts öfters Wasser. Deshalb ersuchte er den Gastwirt,
er möge ihm
einen Krug Wasser bringen, um sich nachts, wann es ihn,
wie ge-
wöhnlich dürsten sollte, anzutrinken.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Die zwei Eiländler schliefen ein, der Dickwanst aber
lehnte den
Wasserkrug neben seinem Haupte an. Zu vorgerückter
Nachtstunde
bedrängte meinen anderen Eiländler die kleine und die
große Not-
durft. In der Stube gab es zu diesem Zwecke kein Gefäß,
der jedoch
war zu faul, sich anzukleiden und hinauszugehen. Er
ergriff den Krug
mit dem Wasser, das der Dickwanst zum Trinken bestimmt
hatte.
Darein verrichtete er sowohl die kleine als die große
Notdurft Zu-
frieden, daß er sich dieser Bürde entledigt, legte er
sich neuerlich
nieder und schlief wie geschachtet ein.
Ein wenig später erwachte durstig der Dickwanst, hob
den Krug
und tat einen tüchtigen Schluck Wasser. Beim Trinken
geriet ihm
ein Stück vom Dreck in den Mund. Und ohne im Traum nur
zu
ahnen, was es wäre, sagte er:
— Welcher Teufel tunkte Schiffzwieback in diesen Krug
ein?!
Als er am anderen Morgen sah, was der Mähr sei, erhob er
gegen
den Gastwirten ein Gelärm, der sich dies Wunder gar
nicht zu er-
klären vermochte. Der andere Eiländler schwieg dazu wie
begossen.
Anmerkung. Der Schiffzwieback (ital. galetta) ist
zuweilen so abgelagert,
daß er ein Gerüchlein und Geschmäcklein gewinnt, der an
Dreck gemahnt. In
dalmatischen Einkehrwirtshäusern gehört ein Nachttopf zu
den seltensten Luxus-
gegenständen. Die Eiländler, die noch die im Austerben
begriffene chrowotische
êa-Mundart sprechen, hält der Festlandbewohner, der rein
serbisch spricht, für
ungehobelte, rücksichtlose Gesellen, die er spöttisch
bodu lani (Einzahl: bo du o)
nennt.
606. Turćin, sveti Nikola i Muhamed.
ZaSao spahija turćin po spahiluku te pokupio od raje
ovce pa ih
poterao u grad na prodaju. U putu naigje na jednu reku
preko koje
je morao da se preveze s ovcama na skeli.
— Pomoli se aga svecu, da zdravo i mirno pregjemo
preko reke!
każe mu Srbin, koji je ovce gonio.
— A korne, bre rajo, svecu da se pomolim?
— Pa naśem svetom Nikoli, aga, jer on pomaźe i na
putu i
na vodi!
— Vas sveti Nikola neka jede govna a
moj dobri і veliki prorok
Muhamed neka mi bude u pomoći! odgovori turćin.
Tako se naveze s ovcama i kad je bio na sred reke
jedna ovca
skoći u reku a za njom poćnu da skaću і ostale.
Videci to turćin
po vice iz s vega glasa:
— Muhamede govna jede, sveti Nikola ne daj i pomozil
Ovce isplivaju і izagju zive na obalu a turćin će
Srbinu:
Südslavische Volksüberlieferungen! die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen
— E bre rajo, an as an a bre, megjer je istina, da
vas sveti Nikola
bolje pomaże no naS Muhamedl
Erzählt von einem Bauern aus der Gegend von Temnić in
Serbien.
Der Moslim, der hl. Nikolaus und Mohammed.
Ein muslimischer Gutherr zog durch seine
Gutherrschaft, sammelte
von der Rajah Schafe ein und trieb sie in die Stadt zum
Verkauf.
Auf dem Wege kamen sie an einen Fluß, über den er mit
den Schafen
auf einer Fähre übersetzen mußte.
— Richte, Aga, ein Gebet an den Heiligen, damit wir
heil und
ruhig über den Fluß hin überkommen I sagte zu ihm
der Serbe, der die
Schafe trieb.
— Ja, Rajah, zu welchem Heiligen wohl, soll ich denn
beten?
— Nu, zu unserem heiligen Nikolaus, Aga, denn er
hilft sowohl
auf Land- als auf Wasserwegen/
— Euer heilige Nikolaus soll Dreck essen, mir aber
soll mein
guter und großer Prophet Mohammed hilfreich beistehen!
antwortete
der Moslim.
Also tauchte er mit den Schafen an und als er sich in
Mitten des
Flusses befand, sprang ein Schaf in den Fluß und ihm
begannen auch
die übrigen nachzuspringen. Als dies der Moslim sah,
rief er aus
voller Kehle aus:
— Mohammed ißt Dreck, o heiliger Nikolaus, wehr ab
und hilf!
Die Schafe schwimmen heraus und erreichen lebend das
Ufer.
Der Moslim aber bemerkte zum Serben:
— Ei, potz Rajah, unvermutet ists, potz, also ists
doch wahr, daß
euer heilige Nikolaus wirksamer als unser Mohammed
hilft!
607. Nasredin odża u Debru.
Kad je Nasredin odia posao u Debar (Makedoniju), on
je mislio,
da će i tamo ćiniti ono śto je po drugim varoSima ćinio.
Kad se je
pribliżio Debru on sretne na putu jednog Debranca i
pośto ga zadrżą,
upita: ,Ama, Boga ti, ima li u Debru kakva stvar, koja
bi se mogła
za deset para kupiti i da se od nje covek dobro najede
pa da je pośle
może prodati za deset paraf' — Debranac mu odgovori:
,Ima, i możeś
kupiti za deset para jedno śkembe, i pośto pojedeś izmet
ako si voljan
da prodaś śkembe, svaki će ga za deset para kupiti.1
— Ćim je Nas-
redin odża dobio ovakav odgovor, odmah se s puta vratio
i vise ni-
kako u Debar nije dolazio. — Brastvo, В. IX u. X. S.
443.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Nasreddin der Hodźa in Debar.
Als sich Nasireddin der Hodia nach Debar (in
Mazedonien) auf-
gemacht, da gedachte er, auch dort dieselben Streiche
auszuführen,
die er in anderen Städten den Leuten gespielt. Als er
sich Debar
genähert hatte, begegnete er auf dem Wege einem Debarer
und nach-
dem er ihn aufgehalten, fragte er ihn: ,Aber, Gott steh
dir bei, gibt
es wohl in Debar irgend eine Sache, die man für zehn
Paras kaufen
könnte, und daß sich ein Mensch an ihr tüchtig anessen
könnte und
daß er sie später wieder für zehn Paras weiterverkaufen
könnte?' —
Der Debarer antwortete ihm: ,Die gibts, und du kannst um
zehn Paras
eine Kuttelflecke kaufen, und nachdem du daraus den
Unflat aufge-
gessen, wird dir sie jeder, wenn du willens bist die
Kuttelflecke zu
verkaufen, um zehn Paras abkaufen*. — Sobald als
Nasireddin eine
solche Antwort erhalten, kehrte er sogleich vom Wege um
und ist
unter keinen Umständen je mehr nach Debar gezogen.
#
608. Prst u guzicu.
Natezao se Bugarin i nikako nije mogao da bljuje
(povraca).
Video ga Era pa će ga upitati:
— A śto radiS to, Bugo?
— Niśta, Ero, bljuje mi se pa ne mogul
— Ta to je lako, brate, odgovori mu Era, prst u
guzicu pa u
usta, pa opet u guzicu pa u usta pa ćeś izbljuvati i ono
śto si na
lanjski Bożić pojeo!
Erzählt von einem Landmann (St M.) aus Jasika bei
Krusevac in
Serbien.
Mit dem Finger ins ArschlochI
Ein Bulgare strengte sich an und konnte sich auf
keinerlei Weise
erbrechen (kotzen). Ein Herzler sah ihn und fragte ihn:
— Ja, was treibst du da, Bulgl?
— Nichts, Herzler, es ist mir brecherisch zu Mute und
ich kann
nicht !
— Na, dem ist doch, Bruder, leicht abgeholfen,
antwortete ihm
der Herzler, fahr mit dem Finger ins Arschloch und in
den Mund
hinein, dann wieder ins Arschloch und dann in den Mund
und
du wirst erbrechen auch jenes, was du zur vorjährigen
Weihnacht
gegessen !
2 уб Südslavische Volksüberlieferungen,
die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.
Anmerkung. Das Mittel erscheint dem serbischen Bauern
im serbischen
Binnenlande höchst ekelhaft und darum erzählt er davon;
er selber pflegt in einem
solchen Falle bloß den Mittelfinger in die Kehle tief
hineinzustecken. Chrowotische
Bauern sah ich öfters den mit Speichel durchsetzten
Bodensatz aus der Tabakpfeife,
den sie bag au 5 heißen, entnehmen und schlucken. Die
Brechwirkung ließ gar
nicht lange auf sich warten. Manchem Zuschauer ward vom
bloßen Mitansehen
totschlecht zu Mute. Als sich einmal bei einer
Kirchweihe in einem chrowotischen
Dörfchen ein betrunkener Gast erbrochen, der auch zuviel
fettes Schweinefleisch
gegessen, weigerten sich alle Frauen im Hause, das
Erbrochene vom Tisch weg-
zuputzen. Man ließ ein großes Schwein in die Stube
hinein, das leckte alles auf
und dann setzte man sich wieder gemütlich zu Tisch, um
weiter zu schmausen
und zu saufen.
609. Govna jisti.
DoSao Sobotaga u nekakva seljaka pa ce od sale
oprijet gjetetu
ćibukom u trbuh i upitati ga: ,Śta ti je, dijete,
u trbuhu?' — ,Bogme,
skrob, agal1 — Dijete ne budi lijeno pa poSto
mu odgovorilo upitaće
ono njega: ,A Sta je u tebe, aga?* — ,Govna,
dijete!' — ,A Boga ti,
aga, kad si ih ijor* — ,Bogme, dijete, kad sam tebe
pitao/ odgovori
Śobot Poslije toga je ovo Sobotaga ceSće prićao
pa bi uvijek dodao:
,E, niko me ne pre van ko vlasko dijete!' —
Entnommen Luka Grgjić-Bjelokosićs: Stotina Saljivih
prića
iz srpskog narodnog zivota u Herceg-Bosni. Mostar 1902,
S. 82 f. —
In einer dieser vorangehenden Erzählung sagt Grgjić:
JEs lebte einst
ein gewisser Śobo Avdic zu Rudine, ein
wegen seiner Heldentaten im
Kriege und wegen seines fröhlichen Humors in
Gesellschaft berühmter
Türke/ Das war wohl um die Mitte des 18.
Jahrhunderts, da Śobot
als ein Gefährte des gefurchteten
DerviSpaSa genannt wird.
Dreck fressen.
Sobotaga traf bei irgend einem Bauern
ein und spaßeshalber
stemmte er sein Pfeifenrohr einem Kinde auf den
Bauch an und fragte
es: ,Was hast du da, Kind, im Baucher' — ,Bei Gott, Aga,
Haber-
grütze!' — Das Kind nicht faul, nachdem es ihm
geantwortet, richtete
wieder an ihn die Frage: Ja, was hast
denn du in dir, Aga?;--
,Dreck, o Kind.' — ,Ei, so Gott dir helfe,
Aga, wann hast du denn
einen gegessen:' — ,Gott schlag mich, Kind, als
ich dich befragte.4
antwortete Śobot. Späterhin pflegte Sobotaga
des öfteren davon zu
erzählen und immer fügte er hinzu: ,Ei, niemand
hat mich so wie das
vlahische (christliche) Kind übertölpelt!4
Anmerkung. Die Geschichte erklärt fein den Sinn der
Redewendung vom
Dreckessen. Ich will sie noch deutlicher durch ein
anderes Beispiel erläutern. Ende
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Mais 1906 erschienen die „Abgesandten des
chrowotischen Volkes" (eine Anzahl
ihrer Landtagabgeordneten) vor dem neugewählten
magyarischen Präsidenten des
Budapester Reichparlaments und der Führer der Chrowoten
hielt an den Magya-
rember eine deutsche Ansprache, was ja natürlich ist, da
er selber kein magyarisch
und der Magyar kein chrowotisch versteht. Da warf sich
der Magyar in die Brust
und belehrte die Gratulanten mit erheuchelter
Entrüstung, in diesem hohen Hause
dürfe man nur magyarisch oder chrowotisch sprechen,
nimmermehr aber deutsch,
die Sprache des Feindes, zu dessen gemeinsamer Abwehr
man sich all hier vereinige I
Das heißt man auch: Dreck fressen. Übrigens, was solche
Magyaren und Chrowoten
einander gönnen, das möge ihnen zukommen.
Wie sich der Witz Sobotagas mit dem Kinde zu einem
allgemeinen Volks-
witz abgeschliffen, das lehrt die nachfolgende Fassung
des Gesprächs.
610. Śta imaS u trbuhu?
Pitao turćin raju: Śta imaś u trbuhu?
— Hleba, aga.
— Kad si ga jeo?
— Jutros, aga.
— To nije hieb, nego to su govna.
— A Sta ti imaś u trbuhu, aga?
— Govna, dakakol odgovori aga.
— A kad si ih jeo?! upita raja.
Aus dem Moravagebiete in Serbien. Von einem Lehrer
erzählt.
Was hast du im Bauche?
Ein Türke fragte eine Rajah: Was hast du im Bauche?
— Brot, Aga.
— Wann hast du es gegessen?
— Heut morgens, Aga.
— Das ist kein Brot, sondern ein Dreck.
— Ja, was hast denn du, Aga, im Bauche?
— Dreck, selbstverständlich! gab der Aga zur Antwort
— Ja, wann hast du ihn denn gegessen?! fragte die
Rajah.
611. Gincarin i śegrt.
Pitalo Segrće majstora ein carina: ,Śta ćemo,
majstore, danas rućku?'
— ,Govno!' — ,Dobro majstore tebi, ali śta će biti
meni?' — Ognjen,
Bosanska Vila 1887, Heft 9, Nr. 78.
Der Zinzare und der Lehrling.
Der Lehrjunge fragte seinen Lehrherrn den Zinzaren:
,Meister,
was nehmen wir heute zum Mittagessen ein?' — ,Einen
Dreck!1 —
,Gut, der ist für dich, Meister, doch was werde ich
kriegen?' —
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
612. Slabigovno.
Po uveravanju jednoga kolege, 1886 godine bio je u V.
razredu
Druge Beogradske Gimnazije gjak koji se prezivao
Slabigovno. Ne
seća se ödakle je, ali mu se ćini, da je iz uźićkog
okruga. — Mitteilung
eines Belgrader Gymnasialprofessors.
Schwächdendreck.
Nach der Versicherung eines Kollegen war im J. 1886.
in der
V. Klasse des II. Belgrader Gymnasiums ein Schüler, der
den Über-
namen Schwächdendreck führte. Er entsinnt sich nicht,
woher der
stammte, doch scheint es ihm, er wäre aus dem Kreis von
Uźica
gewesen.
Anmerkung. Slabigovno dürfte wohl nur ein Synonim für
das gewöhn-
lichere Govnogrizac, Dreckbeißer sein, das einen
bezeichnet, der verrücktes Zeug,
vorzugweise falsche Gerüchte weiterverbreitet. Es kommt
auch der Name Gazi-
govno, Trittindendreck vor, angeblich als gemeingiltiger
Zuname. Das wäre
wieder ein Synonim zu gazibiato (Kottreter,
Trittindenkot, Wichtigtuer) und
kalógaża. Vielleicht ist aber gazigovno ursprünglich ein
Schimpfwort: ghazi
govno, der Glaubenkämpfer Dreck, für einen, der den
lieben Gott bei den großen
Zehen zerrt, wie man bei uns sagt und als Gottes Gendarm
und übereifriger Ver-
treter der Religion friedliebenden Leuten beschwerlich
wird. Slabigovno könnte
man auch als einen Dreckbezwinger auffassen, als einen
Bramarbas, wie man
einen solchen Helden bei uns heißt.
613. Buba ga sere.
DoSlo dete kod cincarina, da kupi za marjaS meda.
Cincarin kao
cincarin ne dade ni pola kasike.
— ,Pa ovo je mało, ćićal' reće dete.
— ,E, dete/ odgovori cincarin, med je to, buba ga
sere. Da ga
serem ja pa da ti napunim corbaluk za marjaś!' — Aus
Serbien.
Die Imme scheißt ihn.
Es kam ein Kind zum Zinzaren, um für einen
Mariensilberling
Honig zu kaufen. Der Zinzare, wie ein Zinzare schon ist,
gab nicht
einmal einen halben Löffel voll.
— Aber, das ist doch wenig, Onkel! sagte das Kind.
— Ei, Kind, antwortete der Zinzare, das ist ein
Honig, die Imme
scheißt ihn. Laß du mich ihn mal scheißen und ich bin
bereit, dir
für ein Marienstück eine Suppenschüssel anzufüllen!
Südslavische Volksüberiieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Anmerkung. Der Witz wird dadurch verstärkt, daß der
Zinzare für Imme
(p2ela) buba (Geziefer) sagt. Die Zinzaren sind Rumänen
aus Mazedonien. Die
Greisler (Viktualienhändler), Krämer und
Allesbesserversteher in Serbien sind zu-
meist Zinzaren. Man behauptet scherzweise und meint es
halb im Ernste, der Zin-
zare esse aus lauter Sparsamkeit den Dreck unter sich
weg. — Marjas heißt in
Serbien ein Zehncentimes-Stück (deset para). Der Name
ist ein Überlebsei aus
älterer Währungzeit.
614. Pojedi Lazu!
S one strane Save egzekutor, koji naplaćuje
porezu i izvrSuje
ostale naplate vazi kao bauk i ceo ga se svet plaśi.
Tako kao śto
u nas décu plaśe vukom, tako i u njih
egzekutorem.
Covek i źena iz jedne siromaśne kuce pogju
jednog letnjeg dana
na njivu, da żnju a kod kuce ostave samo
svoja dva sinćića, manjega
Lazu u kolevci i vecega Triśu kod kolevke, da
Lazu ljulja i zabavlja
i da ga cuva.
Najedanput banu egzekutor u kucu. Triśa videci
strano lice, kao
śto već obićno deca eine, uplaśi se i zbuni. Uzalud je
egzekutor pitao,
gde su mu otac i mati, Triśa sa uplaŚio pa ni da beknę.
Najzad se
egzekutor doseti pa reće:
— ,Odmah da kaźeś, gde ti je otac ili ću te pojesti!
Ja sam eg-
zekutor I'
Dete znajući, da se samo onom detetu każe, da će ga
pojesti
egzekutor, koje ne sluŚa a znajući opet da samo nije
niśta skrivilo,
reće placu ći:
— ,Nemoj mené, ja sam dobar. Pojedi Lazu, on se
usrol' — Aus
Serbien.
Friß Lazar auf!
Jenseits der Save gilt der Exekutor, der die
Steuern eintreibt und
sonstige Zahlungen einhebt, gleichsam als ein Baubau und
alle Welt
hat eine Angst vor ihm. Sowie man bei uns die Kinder mit
dem
Wolf schrickt, so bei jenen auch mit dem Exekutor.
Mann und Frau aus einem armen Hause begaben sich
eines
Sommertages auf den Acker, um zu fechsen, daheim aber
ließen sie
blos ihre zwei Söhnchen, den kleineren Läzar in der
Wiege und den
größeren Triśo an der Wiege, mit der Aufgabe, Lazarchen
zu wiegen,
zu unterhalten und zu behüten.
Auf einmal fiel der Exekutor ins Haus herein. Als
Triśo das
fremde Gesicht sah, erschrak er und geriet in
Verwirrung, wie dies
schon gewöhnlich bei Kindern eintritt. Vergeblich
befragte ihn der
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Exekutor, wo ihm Vater und Mutter wären, Triśo war
erschrocken
und es verschlug ihm die Rede. Endlich hatte der
Exekutor einen
guten Einfall und sagte:
— Augenblicklich sollst du es sagen, wo dein Vater
ist oder ich
freß dich aufi Ich bin der Exekutorl
Wohl wissend, daß man nur dem unfolgsamen Kinde
droht, der
Exekutor werde es fressen, dann aber auch im Bewußtsein
seiner Un-
schuld, rief das Knäblein aus:
— Verschon mich, ich bin brav. Friß Lazar auf, der
hat sich
beschissen!
Anmerkung. Zur Zeit der Aufzeichnung dieser Erzählung
war der Gericht-
vollzieher im Königreich Serbien noch eine sehr seltene
Erscheinung und man
konnte die ungarischen und österreichischen Serben wegen
ihrer hohen Steuerlasten
und ihres Exekutors verspotten. Seitdem aber auch
Serbien mit Einsicht, Fleiß und
Eifer bestrebt ist, politisch eine Großmachtstellung im
Staatenkonzerte durch
massenhafte Kanonen- und Gewehranschaffungen zu
erringen, hat sich der Kultur-
zustand allgemein gehoben und es besuchen sehr häufig
Gerichtvollzieher die.
Heimstätten des serbischen Städters und Bauers, um der
noch wenig patriotisch
lodernden Steuerbegeisterung des Volkes nachzuhelfen. So
ist denn auch in dem
reinen serbischen nationalen und konfessionellen
Königreich der Exekutor eine zwar
dem Gedankenkreise, doch nicht dem Herzen des Volkes
sehr befreundete Gestalt
geworden.
615. Kadya і tri brata.
Bio jedan covek, imao tri sina, і svu je trojicu lepo
othranio і
oźenio. Kako je on bio postar, te nije mogao raditi,
sinovi mu odrede
jednu sobicu, gdi je sam sedeo i sam se sluśao, a oni ga
prenebregnu.
Vide starać Śta sinovi od njega uradiŚe i da se ne może
dugo ovako
izdrźati, doseti se jadu, te nabavi jedan cup i nekoliko
tantuza, pa
donese u svoj sobićak a da sinovi ni znali nisu. U cup
je starać
srao, a tantuze svako veće pośto se zatvori, brojao.
Jedne veceri
jedna od njegovih snaha ćuje da u starcevoj sobi neśto
zvecka, osluśne
na vrata i ću da starae broji pare, pa kaze svome muźu a
ovaj osta-
loj braci. Nekoliko veceri tako su svi sluśali і uvek
ćuju da kod starca
zvece pare, pa najzad se reśe da ga pitaju śta to on
radi svako vece.
Sjutra dan sva tri sina odu u ocevu sobu: Śta ti, babo,
svako vece
brojiś? — A starać im odgovori: Brojim pare śto sam u
srećno doba
uśtedio. — Oni ga zapitaju: Gdje su ti te pare? Śta ćeś
s njima da
radiś? — A starać im odgovori: Evo ih u ćupu i ostavicu
onom sinu,
koji me bude najbolje nadgledao. — Sinovi kad ovo Ćuju,
stanu se
nadmetati, ko će oca bolje da uslużi. Kad je starać
video da su sinovi
poćeli s njim dobro postupati, mete u ćup povrh govana
tantuze, uveze
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen. 381
ćup i zakopa ga pod krevet і posle kratkog vremena
umre. Posle
smrti oceve stanu se braća svagjati korne će pripasti
ćup, jer je svak
od njih govorio, da je on оса najbolje nadgledao і da po
ocevom
zaveStaju treba njemu da pripane ćup, pa kako se nisu
mogli slożiti,
odu kadiji da im on presudi. Kadija naredi da se donese
ćup, prostré
na sred sobe ćilim, a ćup obesi na sredini nad ćilimom.
On sedne
na sred ćilim a ispod ćupa, a njima naredi da stanu van
ćilima, pa Sta
pane na ćilim i na njega, to će biti njegovo, a Sto pane
van ćilima,
to njih trojica da podele; pa naredi gavazu, da jednom
batinom łupi
po ćupu i razbije ga. Gavaz uradi po naredbi a govna se
iz ćupa
sroljaju na kadiju, njega i ćilim sve izmacaju a i braću
poprskaju.
I tako je kadija najviSe dobio.
Aus der serbischen Krajina. Erzählt von einem
Beamten.
Der Kadi und die drei Brüder.
Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne und alle
drei erzog
er ordentlich und beweibte sie. Wie er so alt war und
nicht mehr
arbeiten konnte, bestimmten ihm die Söhne ein Stübchen,
wo er allein
saß und sich selber bediente, sie aber kümmerten sich um
ihn gar
nicht mehr. Der Alte sah, was die Söhne aus ihm gemacht
und daß
es nimmer länger so auszuhalten sei, erfaßte die Ursache
seines Un-
gemachs und schaffte sich einen Schmalztopf und einige
Salzkörner-
stücke an und trug dies in sein Stübchen hinein, ohne
daß seine Söhne
davon irgend etwas wußten. In den Topf schiß der Alte
hinein, die Salz-
stücke aber zählte er allabendlich, nachdem er sich
eingeschlossen hatte.
Eines Abends vernahm eine seiner Schwiegertöchter,
daß in des
Alten Stube etwas klimpere, loste ein wenig an der Türe
auf und hörte
den Alten Geld zählen. Da sagte sie davon ihrem
Ehemanne, der
aber erzählte es den übrigen Brüdern. Einige Abende
hindurch haben
so alle zugehört und immer vernahmen sie, daß beim Alten
Münzen
klingen und schließlich beschlossen sie ihn zu fragen,
was er da all-
abendlich treibe. Am andern Tag begaben sich alle drei
Söhne in
des Vaters Stube: Was zählst du, o Vater, jeden Abend?
—Der Alte
gab ihnen aber zur Antwort: Ich zähle das Geld, das ich
in glück-
licheren Tagen erspart habe. — Sie fragten ihn: Wo hast
du diese
Münzen aufbewahrt, was gedenkst du mit ihnen anzufangen.
— Und
der Alte gab ihnen zur Antwort: Hier stecken sie im
Schmalztopf
und hinterlassen werde ich sie jenem Sohne, der mich am
sorgsamsten
betreuen wird. —
382 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen.
Als die Söhne dies vernommen, begannen sie
miteinander zu wett-
eifern, wer von ihnen dem Vater die besten Dienste
leisten werde. Als
der Alte merkte, daß die Söhne mit ihm gut vorzugehen
angefangen,
legte er in den Schmalztopf über den Dreck die
Salzstücke, verband
den Schmalztopf und vergrub ihn unter dem Bette und
kurze Zeit dar-
nach verschied en —
Nach dem Ableben des Vaters entbrannte zwischen den
Brüdern
ein Streit, wem der Schmalztopf zufallen werde, denn
jeder von ihnen
behauptete, er habe den Vater aufs allersorgsamste
betreut und das
nach des Vaters letztwilliger Verfügung ihm der
Schmalztopf zuzu-
fallen habe. Und da sie auf keine Art und Weise einig
werden konnten,
begaben sie sich zum Kadi, damit er ihnen Recht spreche.
Der Kadi
verfügte, daß man den Schmalztopf zur Stelle herschaffe,
breitete dann
mitten in der Stube einen Teppich auf, den Schmalztopf
aber hing er
mitten über dem Teppich auf. Er setzte sich mitten auf
dem Teppich
unterhalb des Schmalztopfes nieder, ihnen aber befahl er
sich außer-
halb des Teppichs aufzustellen und was auf den Teppich
und auf ihn
herabfalle, das werde ihm zufallen, was aber über den
Teppich hinaus-
falle, das sollen ihrer drei unter sich aufteilen. Und
er befahl dem
Kavaz, mit einem Stocke auf den Schmalztopf loszuhauen
und ihn
zu zerschlagen. — Der Kavaz tat nach dem Befehl, die
Dreckmasse
aus dem Schmalztopf brauste auf den Kadi nieder und
bedeckte ihn
und den Teppich von oben bis unten, bespritzte aber auch
die Brüder.
Und also hat der Kadi den größten Teil abbekommen. —
Anmerkung. Die Geschichte vom alten Ausgedinger ist
sehr verbreitet.
Absichtlich wählte ich vorstehende Fassung zuerst, weil
sie der folgenden gegen-
über zeigt, wie sich eine Erzählung verschlechtem kann,
wenn ein Erzähler die
Pointe sei es aus Nachlässigkeit sei es aus mangelndem
Verständnis ausläßt, so
daß der Witz, in unserem Falle die Rache an dem Kadi,
ohne Begründung bleibt.
616. Ćup.
Imo j otac dva sina. Oba su bili trgovci pa se zavade
sa ocom
te ga oće da iśćeraju iz kuce. Onda će otići oba
sina kod kadije i
ponesu dvije junge masła. Onda će kazati: ,Efendija, mi
viSe ne mo-
remo oca da trpimo. Prvo ne će da sluśa nas a drugo ne
će naśije
żena.' — Onda će kadija kazati: ,Nek dogje taj vaś otac
k menil'
Onda sinovi ocu kaźu: ,Ajdemo, otac, kadiji. Neśto
nas poziva!1
— Onda dogje otac sa dva sina kadiji. Kadija upita
starca: ,Zaśto,
stari, ti ne sluśaś svoji sinova?' — Starać każe kadiji:
Ja ne mogu
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
sinova sluśiti, jer sam već ostarijo a kad sam ja nji
ranio niko nije
ćuo a kada oni mené poćeśe raniti hljebom ondo svatko
ćuje!'
Kadija otsudi starcu, da mora sinove slużiti ili ici
kud mu drago.
Onda pogje starać sa svoja dva sina niz ćarśiju. Onda
trgovci kaźu
sinovima: ,To je, bolan, sramota svoga oca oterati pa da
ide pod
starost drugoga slużit; nego podajte mu jednu odaju u
kuci pa nek
starać Zivi tute!' — Onda oni dadu ocu jednu odaju.
Onda će starać ziviti u toj odaji nekoliko dana. Onda
zovne
mlagju snahu a smete mnogo krtoga za vrata i baci u nj
nekolika
karantanca pa każe snahi: ,De, żiva bila, izbaci onaj
krtog iza vrata!*
Śto snaha i posluŚa i nagje one karantane u
krtogu pa każe: Joj babo,
evo nekakvi para! To si ti prosuo/ A starać każe: ,Ta
sta će mi
pare? Imam ih, da ji jedem, ne bi jih pojiol* Pa izvadio
tri grosa i
dade snahi, da mu ćup kupi. Onda snaha donese njemu ćup
a starać
imao nekolko karantana pa po celi dan gje saspi gje
istresi iz ćupa
na zemlju, samo da zvoni.
Onda starija snaha prividi pa każe svome ćoeku:
,Bome, u naśega
babe ima dosta novaca; vazda ij je danas brojio a daj da
ga zovnemo
sebi. Babo će umreti pa će ostati Zlati sve pare!' śto i
ućine. Starać
sada pregje u odaju starijega si sina pa u onaj ćup, śto
mu je mlagja
snaha kupiła napogani pun i napiśe jednu knjigu i mętne
na ćupa.
Cup smołom zapećeti i odnese ga u li v ad u u vrbu i
odma se razboli.
Onda ga sinovi zapitaju: ,Babo, ti ćeś belćim umreti
a może biti
da imaś novaca pa ća ostati drugom!' — Starać odgovori:
,Sinko, vi
mené dobro saranite, kazaću vam za novce. Novaca eno u
livadi u
vrbi, ali sinko, tako ne imali za mnom na onaj svijet,
kako bez kadije
podjelite!' — Sinovi oca sarane i uzmu ćup pa odnesu
kadiji, da im
podjęli. Kadija uzme ćup a reće starcevim sinovima, da
sjedu oko
njega. Kadija mętne ćup sebi na glavu pa każe: ,Śto
novaca padnę
na desno, to jednom, a śto s leva, to drugom, a śto u
krilo i nazad
to kadiji!' te zapovjedi jednom, da udari po ćupu. Ovaj
udari po ćupu,
ćup se razbije a pogan sva po kadiji i ispane knjiga
preda nj, koja
je glasila: ,Neka znadeś kadija mené mrtva, kako si mi
pravo sudijo,
da pod starost sinove slużim!' —
Erzählt von einem Bauern aus der Gegend von Bjelina
in Bosnien.
Der Schmalztopf.
Ein Vater besaß zwei Söhne. Beide waren Kaufleute und
sie
gerieten mit dem Vater in Streit und waren willens, ihn
aus dem Haus
zu jagen. Hierauf begaben sich beide Brüder vor den Kadi
und
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
nahmen zwei Töpfe mit Schmalz mit. Alsdann sagten
sie: ,Efendi, wir
können nicht länger den Vater dulden. Erstens mag er uns
nicht
folgen und zweitens unseren Weibern nicht!' — Hierauf
bemerkte der
Kadi: .Er soll erscheinen, dieser euer Vater vor mir!'
Hierauf sagten die Söhne zum Vater: ,Laß uns, Vater,
zum Kadi
gehen! Er lädt uns wegen irgend etwas vor!' — Hierauf
trafen der
Vater und die zwei Söhne beim Kadi ein. Der Kadi fragte
den Alten:
,Warum, du Alter, magst du deinen Söhnen nicht folgen?'
— Sagt der
Alte zum Kadi: ,Ich kann den Söhnen nicht dienen, weil
ich schon
hoch bei Jahren bin, als ich aber sie ernährte, hat
niemand etwas da-
von auch nur gehört, wo sie jedoch mich mit Brod zu
ernähren an-
fingen, allda vernimmt es jedermann!'
Der Kadi verurteilte den Alten, er müsse seinen
Söhnen dienen
oder sich fortpacken, wohin er mag. Darnach gieng der
Alte mit
seinen zwei Söhnen die Geschäftstraße hinab. Alsdann
sprachen die
Kaufleute zu den Söhnen: ,Das ist, sollst nicht krank
sein, eine
Schmach, seinen Vater davonzujagen, auf daß er im Alter
anderen
dienen gehe; gebt ihm vielmehr eine Stube im Hause und
der Alte
soll daselbst leben!1 — Hierauf räumten sie
dem Vater eine Stube ein.
Hierauf verlebte der Greis in dieser Stube einige
Tage. Hierauf
rief er die jüngere Söhnerin herbei, kehrte viel
Stubenmüll hinter der
Tür zusammen, warf einige Kreuzer darauf und sagte zur
Schnur:
,Geh, sollst leben, wirf den Stubenmist von hinter der
Tür hinaus!' —
Die Schnur folgte auch der Weisung und fand jene Kreuzer
im Mist
und sagte: ,0 weh, Vater, da liegt so ein Geld!
Das hast du ausge-
streut!' — Der Alte aber sagte: ,Aber geh, was soll mir
das Geld?
Habe davon soviel, daß, wenn ich es äße, ich es nimmer
aufessen
könnte!' Und zog aus der Tasche drei Groschen heraus und
übergab
sie der Söhnerin, damit sie ihm einen Schmalztopf kaufe.
Hierauf
schaffte ihm die Schnur einen Schmalztopf herbei, der
Alte besaß aber
einige Kreuzer und den ganzen Tag über beschäftigte er
sich damit,
bald die Münzen in den Topf hineinzuwerfen, bald aus dem
Topf auf
die Erde zu streuen, nur damit sie erklingen sollen.
Hierauf belauschte ihn die ältere Schnur und sagte zu
ihrem
Manne: So Gott mir helfe, unser Vater hat Überfluß an
Geld. Er hat
es heute unablässig gezählt und so laß uns denn, ihn zu
uns rufen.
Der Vater wird sterben und so wird Zlata (mir) all das
Geld ver-
bleiben!' — Gesagt, getan. Der Greis übersiedelte nun in
die Stube
seines älteren Sohnes und kackte jenen Schmalztopf, den
ihm die
jüngere Söhnerin gekauft hatte, voll an und schrieb
einen Schreibe-
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
brief und legte ihn oben auf den Schmalztopf. Den
Schmalztopf ver-
siegelte er mit Wachs und trug ihn in die Wiese in eine
(hohle) Weide
hin und gleich verfiel er in Krankheit.
Hernach fragten ihn die Söhne: ,Vater, du wirst
höchst wahr-
scheinlich sterben, es kann aber sein, daß du Geld
besitzest und das
verbleibt einem andern!' — Der Greis antwortete:
,Kindchen, besorgt
mir ein anständiges Begräbnis, so werde ich euch vom
Verbleib des
Geldes sagen. Das Geld ist dort auf der Wiese in der
Weide ver-
borgen, doch, Kindchen, so mögt ihr nicht mir auf jene
Welt folgen
wenn ihr die Teilung ohne den Kadi vornehmt!' —
Die Söhne bestatteten den Vater, nahmen den
Schmalztopf und
trugen ihn zum Kadi hin, damit er ihn unter sie
aufteile. Der Kadi
ergriff den Schmalztopf und hieß die Söhne des Alten,
sich um ihn
herumzusetzen. Der Kadi setzte sich den Schmalztopf auf
den Kopf
und sagte: ,Was vom Geld rechts fällt, das fällt dem
einen und was
links, dem anderen zu, was aber in den Schoß und nach
hinten, das
dem Kadi!' und befahl einem, auf den Schmalztopf zu
hauen. Der
schlägt auf den Schmalztopf los, der Schmalztopf
zerschlägt sich, der
ganze Unflat ergießt sich über den Kadi und vor ihn hin
fallt der
Schreibebrief, der also lautete: ,Du sollst, o Kadi,
mich den Toten kennen
lernen, dieweil du mir Recht gesprochen, daß ich im
Alter meinen
Söhnen dienstbar sein müssei'
617. Nasarajdin odża platijo kadiji tapiju.
Ode odża kod jednog seljaka i kupi od njega jednu
njivu i ode
kadiji na tu njivu da izvadi tapiju. Kadija rekne odżi:
,Dobro, odża,
ali ja ti ne mogu prije petka dati tapije, jerbo imam
mlogo posla.
Nego idi kuci i dogji u pętak i donesi mi jedan
ćup masła pa ćeś u
pętak bit got o vi'
Odża pośto sasluśa kadiju izigje i ode kuci pa
uzme jedan ćup
pa poćme i on i njegova żena u njega srati i do petka
naseru pun
ćup, samo mętne na vri ćupa jednu litru masła i onda
poravni tako,
da bi reko ćoek, da je to sve masło. Te uzme ćup i ode
opet kadiji.
Ali prvo je odża predo oni ćup kadinoj żeni i rekne joj:
-,Kazo je
efendija, da ostavis o vi ćup masła i ne smijeś, da ga
naćneś, dok on
ne dogje 1'
A odża ode kod kadije i rekne mu: .Efendija, ja sam
dośo, da mi
daś tapiju na onu njivu a masło sam dao tvojoj kaduni.
Ako se ne
yjerujeś a ti poślji zaptiju, neka pita kadune, jesam li
donijo masło!'
Krauss, Anthropophyteîa IV. 25
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
— Kadija odma posla zavtiju і osvedoci se kod kadune,
da je odźa
don'jo maslo.
Zatim kadija odma napravi odżi tapije i odźa ode. A
kadija odma
ustane i ode kuci, dokopa oni cup pa udari svom rukom
kroz maslo.
Kad izvuce, kad pogleda a on izvuko punu ruku govanal Te
odma
povice na zaptiju, da vrati odżu. A odża pośto vidi
zaptiju poćme
bjeżati a zaptija povice: ,Vrati se odża, ne valjaju te
tapije, jerbo nije
kadija udarijo mural' — A odźa bjeżeći povice: ,Vala,
ako ne valjaju
tapije, beli, ne valja ni masloIі I
pobjegne.
Erzählt vom Bauern Vaso Pavlovic zu Pilica in
Bosnien.
Wie Nasreddin der Hodża dem Kadi einen Grundschein
be-
zahlte.
Der Hodża begab sich zu einem Bauern und kaufte von
ihm ein
Ackerfeld und gieng zum Kadi, um auf den Acker einen
Grundver-
schreibungschein zu beheben. Der Kadi sagte zum Hodża:
,Gut, Hodża,
doch kann ich dir vor dem Freitag nicht den Grundschein
ausstellen,
weil ich viele Arbeit vor mir habe, sondern geh du heim
und komm
am Freitag wieder und bring mit einen Topf mit Schmalz
her und du
bist am Freitag [mit deinem Anliegen] fertig!' —
Nachdem der Hodża den Kadi gehört, ging er hinaus,
begab sich
heim, nahm einen Schmalztopf und sowohl er als sein Weib
begannen
hineinzuscheißen und bis zum Freitag schissen sie den
Topf voll an, nur
legte er [der Hoża] ganz oben auf den Topf eine Litra
Schmalz und
dann glättete er es so, daß wohl jeder sagen würde, dies
alles wäre
Schmalz. Und er nahm den Schmalztopf nnd begab sich
wieder zum
Kadi. Vorher jedoch übergab der Hodża jenen Schmalztopf
der Frau
des Kadi und sagte zu ihr: ,Der Efendi hat dich
geheißen, diesen Topf
mit Schmalz aufzubewahren und du darfst ihn nicht eher
angänzen,
als bis er [der Kadi] eintrifft!' —
Der Hodża aber begab sich zum Kadi und sagte zu ihm:
,Efendi,
ich bin gekommen, damit du mir einen Grundschein auf
jenen Acker
ausstellst, das Schmalz aber habe ich deiner Hausfrau
überreicht.
Wenn du dem keinen Glauben schenkst, schick den
Amtschergen hin,
er mag die Frau befragen, ob ich das Schmalz gebracht
habe!' — Der
Kadi schickte gleich den Schergen ab und überzeugte sich
bei der
Hausfrau, daß der Hodża das Schmalz gebracht.
Hernach fertigte der Kadi sogleich dem Hoża den
Grundschein
aus. Der Kadi stand aber sogleich auf und begab sich
nach Haus,
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
langte jenen Schmalztopf herbei und schlug mit seiner
Hand durch
das Schmalz durch. Als er sie herauszog und sie
beschaute,
ei, da hatte er die Hand voll Dreck herausgezogen 1
Und sogleich
schrie er auf den Amtschergen, er soll den Hodża
zurückrufen. Der
Hodża aber, wie er den Schergen erblickte, hub zu laufen
an und der
Scherge rief ihm zu: ,Kehr um, Hodża, die Grundscheine
taugen nicht,
denn der Kadi hat sein Petschaft nicht draufgedrücktl' —
Flüchtend
aber rief der Hodża aus: ,Beim Allah, taugen die
Grundscheine nicht,
taugt auch das Schmalz nicht! — Und rannte davon.
Anmerkung. Der Kadi war verpflichtet, den
Feldeigentumschein unent-
geldich auszustellen, wollte aber seine Arbeit noch
besonders belohnt wissen, nur
machte er die Rechnung ohne den Hodfca. Da er der
Ehrlichkeit des Hodża
mißtraute, mußte er selber heimeilen, um sich von der
Güte des Schmalzes zu
überzeugen.
618. Dva brata oba objeśenjaka.
Dva brata najme se u jednog adze, da cuvaju ovaca.
Jedanput
popne se mlagji brat na kruŚku da trese kruśaka. Polete
ovee a jedu
kruśke. PoĆne stariji braniti od ovaca a ovce sve kruśke
pojedośe.
Onda reće mlagji brat s kruśke: ,Odi ti tresi a ja ću
braniti!' — Stariji
se na kruśku popne a mlagji poćne braniti. Uzme malj pa
sve ovcu
po ovcu u glavu, sve ovce pobije samo jedan ovan ostanę.
Kad poćnu
vuci ovce u potok mlagji po dvije u potok vuce a stariji
po jednu.
Dok sve ovce u potok svuku budne i mrak pa na onoga
jednog ovna
svezu sva zvona і zatvore ga u baŚću pa dogju adżi i
reknu: ,Ti nama
plati. Mi vise ne ćemo biti u najmu u tebe!' — Adżo poće
njima
plaćati, starijem bratu po dvi cvancike a mlagjem po
jednu cvanciku.
Onda reće mlagji brat: Ja sam po dvije u potok vuko!' —
Onda reće
adżo: ,A śta no govori?' — A stariji brat odgovori:
,Bunca ko
b udała!' —
Kad njima adźo plati a oni igju kuci, nagju na
putu jedan mlin,
ugledaju, gje se pod mlinom okreće kolo. Onda rekne
stariji: Ja ću
ovo kolo ponijeti sestri prśljenćićl' — On uprti kolo na
se i putujući
.zavrne u konak pod jednu jelu.
Kad adżo iz jutra da vidi ovaca ali sam ovan u baśći.
Brże bolje
adżo sazove turke, da idu naci ona dva brata. Oni
putujući i nji zavrne
konak pod istu tu jelu, gje su se i ona dva brata
okonaćila. Poćnu
peći jednog ovna. Onda reće stariji brat: ,Meni
natużi mokriti! —
On se pomokri, ovarise adżi niz bradu. Onda reće
adżo: ,Ala s jele
jfosicel* — Onda reće: ,Bome, meni natużi i sratil' —
On se ozgo po-
25*
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
sere. Opet ovarise adżi niz bradu a adźo reće:
,Alasjele smokvicel'
— Onda reće: ,Bome, meni doteśća drźatil' — On pusti
kolo niz jelu.
Poće krŚiti niz jelu a turci pobegnu. A oni sigju s jele
pa poćnu jesti
ovna. A turci pośalju jednog turćina da vidi, śta radi
ovan. Turćin
izviri iza obalę a kad ga vide dva ona brata, viknu ga:
,Odi, ne boj
se!' — Turćin dogje njima. Poćnu jesti ovna a jedan brat
rekne tur-
ćinu: , Eto ti dlake na jeziku!' — Turćin isplazi jezik
a on mane no-
żem po jeziku i otseće mu jezik a turćin poleti za onim
turcima, po-
vice: ,Blug! blugl' ko nema jezika a turci ga ne
razumiju a pobegnu
od njega. Tako ona dva brata upute adżi ovce!
Erzählt von einem vierzehnjährigen Serben zu Derventa
in Bosnien.
Zwei Brüder, beide Galgenstricke.
Zwei Brüder verdangen sich bei einem Pilgram, um
Schafe zu
hüten. Einmal erklomm der jüngere Bruder einen Birnbaum,
um Birnen
zu schütteln. Die Schafe eilen flugs herbei und fressen
die Birnen.
Der ältere begann die Schafe abzuwehren, doch die Schafe
fraßen alle
Birnen auf. Darauf sagte der jüngere Bruder vom Birnbaum
herab:
,Komm mal, schüttle du, ich aber werde abwehren!1
— Der ältere
kletterte auf den Birnbaum hinauf, der jüngere aber
fieng abzuwehren
an. Er ergriff einen Holzhammer, traf damit ein Schaf
nach dem
anderen und erschlug alle Schafe, nur ein Schafbock
blieb übrig. Als
sie die Schafe in den Bachgraben zu schleppen anfiengen,
zog der
jüngere je zu zwei, der ältere aber je eines fort. Bis
sie alle Schafe
in den Bachgraben hinabgeschleppt, brach auch die
Dunkelheit an,
dann banden sie sämtliche Glocken an den einen Schafbock
an, schlössen
ihn in den Garten ein, traten vor den Pilgram hin und
sagten: ,Du
zahl' uns aus. Wir wollen nicht länger bei dir verdungen
sein!' — Der
Pilgram begann ihnen auszuzahlen, zahlte dem älteren
Bruder zu zwei
Silberzwanziger, dem jüngeren aber je einen
Silberzwanziger. Hierauf
sagte der jüngere Bruder: ,Ich habe ihrer zu zweien in
den Bachgraben
gezogen!' — Hierauf sagte der Pilgram: Ja, was redet der
daher?4 —
Der ältere Bruder aber antwortete: ,Er kaudert krauses
Zeug, wie ein
Narr!' —
Als ihnen der Pilgram [den Lohn] gezahlt, begaben sie
sich auf
die Heimreise, trafen auf dem Wege eine Mühle und
erblickten, wie
sich unter der Mühle ein Rad dreht. Da sagte der ältere:
,Ich werde
dieses Rad der Schwester als ein Ringlein mitnehmen!' —
Er belud
sich mit dem Rade und einherwandernd machten sie unter
einer Tanne
Nachtherberge.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Als der Pilgram gegen Morgen die Schafe besehen
wollte, — doch
da fand sich der Schafbock allein im Garten. So rasch
als nur mög-
lich rief der Pilgram die Türken [Moslimen] zusammen, um
die Ver-
folgung jener zwei Brüder aufzunehmen. Auf ihrem Wege
mußten
auch sie gerade unter jener Tanne ihr Nachtlager
aufschlagen, wo sich
auch jene zwei Brüder zur Nacht niedergelassen. Sie
begannen einen
Schafbock zu braten. Hierauf sagte der ältere Bruder:
,Ich habe einen
lästigen Drang zu brunzenl' — Er pißte, es traf sich
just den\ Pilgram
über den Bart. Hierauf sagte der Pilgram: ,Ei, fällt da
von der Tanne
ein lieblicher Tau herab!' — Hierauf sprach er: ,Gott
helf mir, mich
befiel auch ein arger Scheißdrang!' — Er beschiß sich
von oben.
Wieder rann die Bescheerung gerade dem Pilgram über den
Bart und
der Pilgram bemerkte: ,Ei, von der Tanne [fällt] eine
liebliche Feige
herab!' — Hierauf sagte er: ,Gott helfe mir, es ist mir
zu schwer ge-
worden, es länger zu halten!' — Er ließ das Rad von der
Tanne
hinabfallen. Es begann im Falle die Tannenzweige
abzuschlagen und
die Türken liefen davon. Da stiegen die von der Tanne
herab und
begannen den Schafbock zu essen. Die Türken aber
schickten einen
Türken nachschauen, was der Schafbock macht Der Türke
lugte
hinter dem Gestrüpp hervor und als ihn jene zwei Brüder
erblickten,
riefen sie ihn an: ,Komm, furcht dich nicht!' — Der
Türke kam zu
ihnen. Sie fingen den Schafbock zu essen an, der eine
Bruder aber
sagte zum Türken: ,Da hast du ein Haar auf der Zunge!' —
Der Türke
streckte die Zunge hervor, der aber fuhr ihm mit dem
Messer über
die Zunge und hieb ihm die Zunge ab. Der Türke rannte
eilig jenen
Türken nach und rief: fBhjg! blug!' wie
einer, der keine Zunge hat,
die Türken verstehen ihn jedoch nicht und laufen vor ihm
davon.
Also haben jene zwei Brüder dem Pilgram die Schafe auf
den richtigen
Weg gebracht!
Anmerkung. Diese ebenso einfältige als allgemein
verbreitete Spottge-
schichte zeichnete ich nach dem Diktat des Jungen auf.
der aber bei der Wieder-
erzählung gerade die in seiner ersten Fassung ausgiebige
skatologische Aus-
schmückung ausließ, offenbar weil er sich vor, mir dem
Fremden der bösen
Schweinereien schämte. Die zwei Brüder hatten ihrem
Brotgeber auch einen Un-
flat und Urin vorgesetzt, ihn dann durch List zum
Herumwälzen im Dreck ver-
anlaßt usw., welche Streiche den Zuhörern ein
bedeutendes Vergnügen bereiteten.
Moslimen und Christen haben von ihrer gegenseitigen
Gescheidtheit die gleiche,
geringe Meinung.
619, Opklada: ko może srati a da ne stenje?
Opklade se srbin і svaba, da vide, koji je tvrgje
petlje: ko może
srati a da ne stenje. Potera prvo svaba, potera, ne
dise, ne treplje,
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen«
ali kad vec bi, da izvali govno, on ne mogade,
da ne zastenje. Onda
poće srbin. Da bi prevario Svabu, da mu ne opazi
stenjanja, on za-
metnu razgovor kroz zube: ,A je li, kazi ja Svabo, a
imaś li oca, de?1
— Jmaml' — ,A je li tvoj otac imo oca, ä?' —
Jmala.' — ,A Sta ti
je bio deda, är' itd. — I tako dobije opkladu.
Erzählt von einem Belgrader Serben.
Wette: wer kann scheißen, ohne dabei zu ächzen?
Es wetteten ein Serbe und ein Schwabe (Deutscher)
darüber,
wessen Afterring widerstandfähiger wäre: wer nämlich
scheißen könnte,
ohne dabei zu ächzen. Zuerst treibt der Schwabe an, er
treibt an,
er atmet nicht, er zittert nicht, als er jedoch schon
daran war, den
Dreck herauszuwälzen, konnte er nicht umhin, er mußte
aufstöhnen.
Hierauf begann der Serbe. Um den Schwaben zu
übertölpeln, damit
sein Stöhnen von diesem nicht wahrgenommen werde, hub er
so
zwischen den Zähnen ein Gespräch an: ,Äh, richtig,
Schwabe, sag, äh,
hast du noch einen Vater, hä?' — ,Habe einen!' — ,Hä,
hat auch dein
Vater einen Vater gehabt, ha?* — ,Hat sie eine gehabt' —
,Hä, und
was war dir dein Groß Väterchen, hä?* usw. — Und
auf diese Weise
gewann er die Wette.
620. Mećkino prokletstvo.
Zavuko se jazvac kuma Meje u jazbinu. Mućila ona da
ga istera,
mućila, — oja, ne će da izide. Zvala jednoga, da ga
istera, zvala
drugoga, ne może! Zavukô se on pa ne će da mrdne,
Najposle dogje
kuma Strja, uvuce se u jazbinu, zvrn zvrcal zvrn zvrcal
— росо da
ga bode zavkom, jazvac uteće. E, oce kuma Meja da ga
cast! Od-
vede ga pod kruśku a ona se prepne, da natrese. Tresne,
padnę kruśka
pa ubije kuma Strju. Śta će sad da ćini? Zakopa ga pod
kruśku pa
nameni: Kuj se tu posere, da ide gomno za njiml
A pośo svat na svadbu pa ga svije nevolja te se
posere baś ispod
kruśke, Sveze ćakśire pa pogje, kad oćeś! gomno ide za
njim і vice:
Ćekaj men, tatoI Ćekaj men, tato! — On se
osvrne, udari gomno to-
jagom, ono se rasprśti. Kad malo cas, jopet vice: Ćekaj
men, tato!
Ćekaj men, tato! — On ga pâ (opet) udari. Tako i treći
put On ga
tad uzme te u ćakśire.
Dogje na svadbu, sedne da ruća; je (jede) on a gomno
jednako
vice: Daj i men, tatol Daj i men, tato! — On turi zalog
u ćakśire.
Malo ćas, ono jopet: Daj men, tato! Daj men, tato! — On
mu jopet
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
da. Pa tako turao, turao, pa ga vise bilo
sramota, tek (nego) izide
pa ga spuśti u grne (lonac) kraj ognja.
Ete ti ga aćija (aśćija), da promesa grne i da ga
posoli. Turi so
a gomno vikne iz grneta: Kuj me se soli, posolim ga; kuj
me papri,
zapaprim ga! — Aćija se upudi (uplaśi), uzne grne pa ga
isiplje
svinjama.
Progune svinja gomno, arna se strevi te svinju
izê vuk. Progje
mu gomno kroz creva, dogje do dupeta pa tu gvfri. Kako
vuk pogje
da davi ovce, gomno tek zavice: Ovcar bre, izede vuk
ovee! Ovcar
bre, izede vuk ovce! — te siroma vuk nikako ne moż da
udavi ovcu,
odma ga pojure. Trajalo tako za mnogo, stao vuk kâ rt:
kudgod se
V
mrdne, vice gomno iz dupeta: Vuk brel vuk bre!
— Sta će onda vuk
da ćini, nagje dva drveta jedno uz drugo, oce da protrći
izmegju nji,
to va će gomno ispadnut, kad se provukuje. Zaleti se,
Stogod może
te megju ti dva drveta pa se tu і zaglavi te lipce.
Erzählt von einem aus Vrazogonac gebürtigen Manne. In
diesem,
sowie in einigen umliegenden Dörfern wohnen Einwanderer
aus Alt-
serbien. Sie sprechen die ekavische Mundart der
ibraresaver Färbung.
Bisher erschien in dieser Mundart nur noch ein Text,
eine Sage: ,Gute
Taten gehen nicht unter", im Letopis Matice Srpske in
Neusatz 190a
Die Verfluchung der Gevatterin Petzin«
Grimbart der Dachs verkroch sich in den Bau der
Gevatterin
Petzin hinein. Sie plagte sich weidlich damit ab, um ihn
herauszujagen,
sie plagte sich, ach nein, der mag nicht herauskommen.
Sie rief da
einen, um ihn herauszutreiben, sie rief einen anderen,
es geht halt
nicht: jener hat sich verschlieft und will sich nicht
mucksen. Zu guter
Letzt kam die Gevatterin Hornis, kroch in den Bau
hinein, stich, brumm,
stach! stich, brumm, stach! Fing ihn mit dem Stachel zu
kitzeln an,
Grimbart der Dachs rannte aber auf und davon.
Ei, will nicht Gevatterin Petzin ihre Gevatterin
Hornis mit Ehren
bewirten! Sie führte sie unter den Birnbaum, kletterte
hinauf und
schüttelte von ihm mehr als genug ab. Sie schüttelt
drauflos, fällt
eine Birne und schlägt die Gevatterin Hornis maustoL Was
soll die
Gevatterin Petzin jetzt tun? Sie begrub die Verunglückte
unterm Birn-
baum und weihte ihr den Spruch:
Wer sich hier bescheißt, dem soll sein Dreck
nachlaufen!
Kam daher ein Hochgezeiter zur Hochzeit und der Drang
bezwang
ihn und er kackte sich just unter dem Birnbaum aus. Er
bindet die
Südslavische Völksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Hosen zu und schreitet weiter, ja freilich, möchtest
wohl! der Dreck
hinterdrein und schreit: Wart auf mich, Papa! Wart auf
mich, Papa!
— Er kehrt sich um und versetzt mit dem Stock dem Dreck
einen
Streich und der Dreck zerfliegt überallhin. Wie aber ein
Weilchen
verstreicht, schreit er wieder: Wart auf mich, Papal
Wart auf
mich, Papa! — Wieder versetzt er ihm einen Hieb. So auch
zum
drittenmal. Dann hob er ihn auf und steckte ihn in die
Hosen
hinein.
Er traf zur Hochzeit ein, setzte sich zum Mahl hin;
er ißt und
der Dreck schreit ohne Unterlaß: Gib auch mir, Papa! Gib
auch mir,
Papa! — Er steckt einen Bissen in die Hosen hinein. Ein
weilchen
darnach schreit er wiederum: Gib mir, Papa! gib
mir,Papa! — Wiederum
gibt er ihm. So schob er ihm zu und schob ihm zu und
mehr noch
war ihm eine Schande, so gieng er denn hinaus und ließ
ihn in den
Topf am Feuer hineinfallen.
Da kommt der Koch daher, um den Topf umzurühren und
zu
salzen. Er gibt Salz hinein, der Dreck aber schreit aus
dem Topf
heraus: Wer mich salzt, den salz auch ich! Wer mich
papriziert, den
paprizier auch ich! — Der Koch erschrak darob, ergriff
den Topf und
schüttelte ihn den Schweinen vor.
Verschluckte das Schwein den Dreck, es traf sich
jedoch, daß der
Wolf das Schwein auffraß. Der Dreck gieng ihm durch die
Einge-
weide, kam bis zum Arschloch und lugte heraus. Sobald
als sich der
Wolf dran machte, die Schafe hinzuwürgen, schrie auch
schon der
Dreck aus: Schäfer, holla! Der Wolf fraß die Schafe auf!
Schäfer,
holla! Der Wolf fraß die Schafe auf! — Und so konnte der
ärmste
Wolf auf keine Weise ein Schaf erwürgen, gleich hub man
ihn zu
hetzen an. Das währte so lange Zeit; der Wolf schaute
schon wie
ein Windhund aus; wo immer er sich hinmuckst, schreit
der Dreck
aus dem Arschloch heraus: Der Wolf, holla! Der Wolf,
holla! — Was
soll alsdann der Wolf anfangen, er fand zwei Baumstämme,
einen neben
dem anderen und will zwischen ihnen beiden durchrennen,
dann wird
der Dreck herausfallen, wann er, der Wolf, sich
hindurchziehen wird.
Er nimmt aus allen Kräften einen Anlauf, fährt zwischen
die zwei
Baumstämme, bleibt aber da auch stecken und verreckt
Anmerkung. Auf altbosnischen Grabsteinen sind häufig
Inschriften zu
lesen, die den Grabschänder verfluchen. Die Verfluchung
in unserer Erzählung
ist nicht als Scherz aufzufassen. Man setzt den
Verstorbenen aufs Grab eine Seelen-
speise, setzt man ihnen aber einen Haufen hin, so
beleidigt man sie aufs schwerste,
nicht minder als täte man dies einem Lebenden an oder
noch mehr; denn nun
Südslavische Volksüberliefenmgen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen. 393
irrt die Seele zur Qual anderer Menschen ruhelos
umher. Um das zu verhindern,
wünscht man, der Dreck soll dem Grabschänder nachlaufen.
Vergl. Nr. 559, 3
und 560—561.
621. Prica, kako je onaj popu mjesto smokve donio
govno.
Bila u popa vrlo lijepa na udaju kćer. Pop proglasi u
narodu,
da će onomu ko mu o Gjurgjevu danu donese taze smokvu,
dati kćer.
To se svuda na daleko i śiroko ćulo pa to zaćuju i neka
tri brata.
Oni se dogovore i tri smokve metnu u med pa kad je dośo
Gjurgjev-
dan, onda najstariji brat izvadi onu jednu smokvu, uzme
u ruku і po-
nese popu i dogje do jedne ćuprije. Na toj ćupriji nagje
jednu vrlo
staru babu. Ona ga zapita: ,Sta to nosiś u ruci?'a on
odgovori: ,N0-
sim govnoI, Ona mu reće: ,Govno i bilo!'
Kad je dośo popu, pruźi mu ruku i reće: ,Tebi taze
smokva a
meni tvoja kćil' Otvori ruku, kad u ruci taze govno, joś
se veli, puśi!
Pop ga sikteriśe i reće: Jzdiri na polje! Jebo ti pas
mater! Zar ti
je to smokva?' — On pokunjen ode kuci.
Kad je vidio drugi brat, da starijt cure dobio nije,
uzme i on
smokvu i odnese popi, al mu se sve dogodi kar i starijem
bratu.
Mlagji brat kao obićno najlugji, uzme onu treću
smokvu. stisne u
saku, dogje do ćuprije, baba ga zapita: ,Gdje ćeś to
sinko?' a ort reće:
,Valaj idem popu, da iśtem od njega kćer!' A ona će mu:
,A śta
ti je to u ruci?' — ,Bogme, baba, taze smokva. Nosim
popi!' — Babä
mu reće: ,Smokva ti bi bila!'
Kad je dośo popi pruźi mu smokvu i reće: ,Popo, tebi
taze smokva
a meni tvoja kćer!' — Pop primi smokvu ali mu reće: Ja
ti kćeri ne
mogu dati, dok mi tri dana ne cuvaS sto zeceva pa ako mi
sve zeceve
doreneś, vodi, slobodno kćer!1 — On ne tjedne
zeceve cuvati, znajući
da će se zecevi po Sumi razbjeći, već se vrati nazad i
dogje babi na
ćupriju. Baba ga zapita, je li mu pop dao djevojku a on
joj reće, da
ne da, već hoće, da mu tri dana zeceve cuvam. Baba mu
dade jednu
sviralu i reće: ,Ajde popu pa mu cuvaj zeceve. U vecer
kad kuci
pogjeś, ti sviraj u sviralu, zecevi će svi za tobom a ti
ji predaj popu!'
— Tako i ućini. Kad je bilo u vecer, ide on, svira a
zecevi svi za
njime. Pop izagje pa gleda i ne bi mu drago,
Sutra dan ode on opet cuvati zeceve. Pop reće curi:
,Idi pa na
kakav mu drago naćin dobij jednoga zeca od onoga
lopoval' — Cura
ode i zaiste od njega zeca, da joj proda, ali on ne da,
već joj reće,
da će joj dati jednog zeca ako mu dade da ju jednom
jebe. Ona se
otimala, ali nije smila kuci bez zeca pa se pusti
i on joj zaklepa. Uvati
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
jednog zeca і da'de joj. Ona ponese zeca kuci. On
uzme sviralu,
zasvira a zee moj iz ruku iskoći i pobjegne. Ona opet
zamoli ćobana,
da joj dade drugog zeca. On reće: ,Hoću, arna da mi daś
da te opet
jebeml' — Ona jadna, ja śta će, pusti, i opet joj
zaklepa. Dade joj
zeca, ona ga ponese a on zasvira na sviralu. Zec se
koprene, izmakne
i pobigne a ona jebena bez zeca ode kuci.
Drugi dan pośalje pop popadiju, da od ćobana izmakne
bud kako
jednog zeca. Ona ode al joj se dogodi isto kao i kćeri
pa i ona jebena
ode kuci i każe popi da ćoban nikako zeca ne da.
Treći dan ode pop sam ćobanu, da borne preobućen, i
zaiste da
mu proda jednog zeca. On mu reće, da on zeca prodati ne
more ni
po jedne novee, a kad ga je pop obrlatio, da mu jednog
zeca po śto
po to dade, on mu reće: ,Hoću, ako ćeś mi dati, da te
jednom jebeml'
— Popo ko popo, żao mu dati kćer za prosta seljaka a
bogme i
guzice, stanę se izvinjavati, da to ne more biti, već
neka trail novaca
koliko hoće, ali ćoban ostanę pri svome i reće popi:
,Nema druge,
ako hoćeś dobiti zeca, daj da ti jednom żegneml* — Pop
savre rame-
nima, skala gaće, naguzi se a ćoban otraga ut era svom
popi. Kad je
sve lijepo svrSio, ufati jednog zeca i dade popu, a on
ga uzme u naru-
ćaj і ponese kuci, ali ćoban zasvira na sviralu,
zec se koprene, iskoći
і pobigne u Sumu. Pop se pokunji, jeben ode kuci.
U veće dojavi ćoban sve zeceve i preda popu i reće:
,Eto pope,
ja tebi tri dana cuvah zeceve i predo sam ti sve, daj mi
sada svoju
kćerkul' — Pop ga odbije govoreci mu: ,Hoću, akoś mi ovu
veleku
kacu punu nasuti besjedal' — On śta će, vidi da je
prevaren, vrati
se kuci.
Kad je dośe na ćupriju, upita ga ona baba: ,Gje ti je
djevojka?'
a on joj sve każe i reće: ,Ne pitaj, ne da pop. Veli mi,
da mu jednu
veleku kacu natrpam besjeda pa da će mi onda dati kćer!1
— Baba
savjetuje da se vrati popu i povede Sto viSe ljudi i
neka u kacu go-
vori, kako je sve od poćetka bilo, pa će mu pop dati
kćer.
On tako ućini. Vrati se popu, zovne desetak ljudi i
poĆme u
kacu govoriti, da svi ljudi i pop ćuju sve iz poćetka.
Kad je dośo
da reće: ,Prvi dan pośalje pop svoju kćer, da kupi od
mené jednog
zeca, ali ja nisam dao, dok mi nije dala, da ju jebem.
Eto, pope,
jednał' — Pop se uzvrpoljio, onda će on dalje: ,Drugi
dan pośalje
pop popadiju, da od mené kupi zeca, ali joj ja nisam
dao, dok mi
nije dala, da ju jebem Eto, pope, biśe dvije rijeći!' —
Pop se stanę ćeśati iza uśiju, al on dalje nastavi:
,Treći dan dogje
pop i zaiste od mené jednog zeca, al mu ja nisam dao
dok* — a pop
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
zavice: postal Ne more viäe u kacu stati! Eto ti kćer
ivodi ju bez
tragal' — Erzählt von einem Bauern in Bistrica bei Zepće
in Bosnien.
Die Erzählung von der Hasenweide wie Anthropophyteîa II.
Nr. 421,
S. 340—344. Es ist möglich, daß der eine Erzähler vom
anderen die
Geschichte hat, wahrscheinlicher jedoch, daß beide von
einander un-
abhängig einem dritten oder vierten Gewährmanne
nacherzählten. Die
vorliegende Fassung ist wegen der Alten auf der Brücke,
deren Ge-
stalt an einen Flußgeist erinnert, bemerkenswert. In
einen Fluß darf
man nicht hineinpissen noch hineinkacken und ebensowenig
den
Flußgeist mit unanständiger Rede beleidigen oder seine
Rache
herausfordern.
Erzählung, wie jener dem Popen statt einer Feige
einen Dreck
gebracht hat.
Der Pope hatte eine schöne, heiratfähige Tochter. Der
Pope ver-
lautbarte im Volke, er werde jenem die Tochter geben,
der ihm am
Georgtage eine frische Feige bringt Davon vernahm man
überall weit
und breit und davon hörten auch gewisse drei Brüder. Sie
trafen eine
Verabredung und taten drei Feigen in Honig einlegen, und
als der
Georgtag eintraf, da nahm der älteste Bruder die eine
Feige heraus,
nahm sie in die Hand und trug sie zum Popen fort und auf
dem
Wege kam er an eine Brücke. Auf dieser Brücke traf er
ein stein-
altes Mütterlein an. Sie fragte ihn: ,Was trägst du da
in der Hand?'
und er antwortete: ,Ein Dreck trage ich l' Sie sprach zu
ihm: ,Ein
Dreck soll es auch sein!'
Als er beim Popen ankam, reichte er ihm die Hand und
sprach:
,Dir die frische Feige, mir aber deine Tochter!' Er
öffnete die Hand,
siehe da, in seiner Hand ein frischer Dreck, der noch,
wie man sagt,
raucht 1 Der Pope schimpfte ihn einen Zumpterich
und sagte: ,Zerr
dich hinausI Ein Hund soll deine Mutter vögeln!
Wie? Ist dir dies
eine Feige!' Niedergeschlagenen Sinnes zog er nach
Hause,
Als der andere Bruder sah, daß der ältere das Mädel
nicht ge-
kriegt hat, nahm auch er eine Feige heraus und trug sie
zum Popen
fort, doch ereignete sich ihm alles genau so, wie auch
dem älteren
Bruder.
Der jüngste, wie gewöhnlich, der dümmste Bruder, nahm
jene
dritte Feige, preßte sie in der Faust zusammen, kam zur
Brücke und
das Mütterlein fragte ihn: ,Wohin zeuchst du, Söhnchen?*
und er ant-
wortete: ,Beim Allah, zum Popen gehe ich, um von ihm die
Tochter
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen
zu heischen!' worauf sie zu ihm: Ja, was hast du denn
da in der Hand?'
— ,Gott helf mir, Mütterlein, eine frische Feige. Ich
trage sie dem
Popen hinl' — Sprach zu ihm das Mütterlein: ,Eine Feige
soll es dir
auch sein!'
Als er zum Popen kam, reichte er ihm die Feige und
sprach:
,Pope, dir die frische Feige, mir aber deine Tochter!'
—* Der Pope
nahm die Feige an, sagte jedoch, zu ihm: ,Ich kann dir
nicht eher die
Tochter geben, bis du mir nicht drei Tage lang hundert
Hasen be-
hütet hast und wenn du mir sämtliche Hasen heimgebracht,
dann fuhr
ohne weiteres die Tochter heiml' — Der mochte die Hasen
nicht be-
hüten, wohl wissend, die Hasen würden sich im Walde
verlaufen,
kehrte darum zurück und kam zum Mütterlein auf die
Brücke hin.
Das Mütterlein fragte ihn, ob ihm der Pope das Mädchen
gegeben
und er sagte ihr, der gebe sie nicht her, sondern
wünscht, daß ich
ihm drei Tage lang Hasen behüte. Das Mütterlein gab ihm
eine
Schalmei und sprach: ,Geh zum Popen hin und behüt ihm
die Hasen.
Abends, wann du heimwärts ziehst, blas du auf der
Schalmei, alle
Hasen werden dir nachfolgen und du übergib sie dem
Popen!' — So
tat er denn auch. Als der Abend kam, macht er sich auf,
schalmeit,
die Hasen insgesamt folgen ihm. Der Pope tritt heraus,
schaut zu
und es war ihm gar nicht lieb.
Am anderen Tag gieng er wieder fort, die Hasen zu
weiden.
Sagte der Pope zum Mädchen: ,Geh und schau auf was immer
für
Art von jenem Halunken einen Hasen herauszukriegen!' —
Das Mädel
gieng und verlangte von ihm einen Hasen zu kaufen, doch
er gibt
keinen her, sondern sagte ihr, er wolle ihr einen geben,
wenn sie ihm
gewähre, sie einmal zu vögeln. Sie sträubte sich, doch
durfte sie ohne
Hasen nicht heim und so gab sie sich denn hin und er
rammelte ihn
ihr ein. Er fing einen Hasen und überreichte ihn ihr.
Sie nahm den
Hasen mit nach Haus. Er ergriff die Schalmei, blies
darauf, mein
Häslein aber sprang ihr aus der Hand und entwischte.
Wieder bat
sie den Hirten, ihr einen anderen Hasen zu geben. Er
sprach: ,Ich
will, doch sollst du mir wieder dich zu vögeln
erlauben!' — Sie, die
ärmste, ja, was soll sie tun, läßt ihn drüber und wieder
rammelte er
ihn in sie ein. Er gab ihr den Hasen, sie nahm ihn mit,
er aber blies
auf die Schalmei. Der Hase zappelte auf, riss sich los
und lief davon,
sie aber gieng gevögelt ohne Hasen nach Haus.
Am anderen Tag schickte der Pope die Popin ab, damit
sie dem
Hirten, sei es wie immer, einen Hasen entlocke. Sie ging
weg, doch
ihr widerfuhr dasselbe was auch der Tochter und auch sie
ging ge-
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
vögelt heim und sagte dem Popen, der Hirte gäbe um
keinen Preis
einen Hasen her.
Am dritten Tag begab sich der Pope selber zum Hirten,
selbst-
verständlich in Verkleidung und verlangte von ihm einen
Hasen zu
kaufen. Der sagte ihm, er könne um kein Geld der Welt
einen Hasen
verkaufen, doch als ihn der Pope bestürmte, er möge ihm,
sei es um
welchen Preis immer einen Hasen verkaufen, sagte er zu
ihm: ,Ich
will, wenn du mir gewährst, daß ich dich einmal vögle!1
— Dem Popen,
wie einem Popen, tat es leid, die Tochter an einen
gemeinen Bauern
auszugeben und, Gott helf mir, auch um sein Arschloch
tat es ihm
leid, und darum drehte und wand er sich, dies könne
nicht geschehen,
sondern er möge soviel als ihm beliebe, Geld heischen,
der Hirte
jedoch beharrte unerschütterlich auf seiner Forderung
und sagte zum
Popen: ,Es gibt sonst nichts, wenn du einen Hasen
bekommen willst,
laß dich einmal von mir anfeuern!' — Der Pope zuckte mit
den
Schultern, streifte die Hosen ab, streckte den Arsch vor
und der
Hirte trieb ihn von hinten seinem Popen ein. Nachdem er
fein säuber-
lich alles erledigt, fing er einen Hasen ab und übergab
ihn dem Popen,
dieser aber nahm ihn in seine Arme und trug ihn heim,
der Hirte
jedoch blies auf die Schalmei, der Hase strampelte,
sprang aus und
entwich in den Wald hinein. Der Pope ließ betrübt den
Kopf hängen
und gieng gevögelt nach Haus.
Am Abend trieb der Hirte alle Hasen heim und übergab
sie dem
Popen und sagte: ,Wohlan, Pope, drei Tage hindurch
weidete ich dir
die Hasen und übergab dir alle wieder, jetzt folg du mir
dein Töchter-
chen aus I' — Der Pope wies ihn ab mit den
Worten: ,Ich will, sofern
du bereit bist, mir diesen großen Bottich voll mit Reden
anzuschütten!'
— Was fangt der an, er sieht, daß er der betrogene ist
und kehrt
nach Haus zurück.
Als er auf die Brücke gekommen, fragt ihn jenes
Mütterlein: ,Wo
bleibt dir das Mädchen?' und er erzählt ihr alles und
sagt: ,Frag nicht,
der Pope gibt sie nicht her. Er sagt zu mir, ich soll
ihm einen großen
Kupferkessel voll mit Reden anstopfen und dann erst
werde er mir
seine Tochter ausfolgen!' — Das Mütterlein beriet ihn,
zum Popen
zurückzukehren und möglichst viele Leute mitzufahren und
er soll in
den Kupferkessel hineinreden, wie sich alles von Anfang
an zugetragen
und dann werde ihm der Pope die Tochter geben.
Also tat er. Er kehrte zum Popen zurück, rief an zehn
Leute
herbei und begann in den Kupferkessel hineinzureden, so
daß alle die
Leute und der Pope den ganzen Hergang von Anfang an
vernehmen
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
sollen. Als er dazu kam zu sagen: ,Am ersten Tage
schickte der
Pope seine Tochter, damit sie von mir einen Hasen kaufe,
doch gab
sch ihr keinen, ehe sie sich nicht mir zum vögeln
überließ/ geriet der
Pope in große Aufregung, der aber fuhr weiter fort: ,Am
zweiten
Tage sandte der Pope die Popin ab, um mir einen Hasen
abzukaufen,
doch gab ich ihn keinen, ehe sie mich nicht vögeln ließ.
Da hast du,
Pope, das waren zwei Worte!' —
Der Pope hub sich hinter den Ohren zu krauen an, doch
der
setzte weiter fort: ,Am dritten Tag kam der Pope und
verlangte von
mir einen Hasen, doch gab ich ihm keinen, ehe er nicht'
— der Pope
aber rief aus: ,Genugl Mehr hat im Kupferkessel nicht
Raum! Da
hast du die Tochter, führ sie heim, verschwinde
spurlosl' —
622. Zlatna tica.
Iśo seljak na koli. Kraj druma sio ćoek pa drżi kapu
rukom.
Pita ga seljak: ,Sta ti to radiś?' — ,Evo ćuvam zlatnu
ticu. Već mo-
lim te, ako Boga znaś, de ti misto mené ćasak pridrżi,
dok ja odem
u selo pa se vratim'. — Seljak privoli i drżi rukom kapu
a taj ćoek
ode bez traga.
Ide potjera a na celu grof. Dogje do seljaka. ,Ćujeś,
jesi li ti
rio koga — ,Pa jesam/ — Jesi 1 vidio da śto nosi?' —
,Imao je
niśto sjajno pod pazuvom.' — ,Pa bi 1 ti mogo njega
stić? Evo ti
konja a mi ćemo te tu ćekati.' — ,Ma da, gospodo, ja bi
iśo, a ko će
éuvat zlatnu tica pod kapom a kapa se ne smije dići dok
sunce ne
zagje/ — Grof każe: Ja ću već kapu cuvât, ajde til' —
Seljak zajaśi a ovi ćekaju do veceri. Vrati se
seljak, nije mogo
onog naci. Vecer nastała, sad se zlatna tica może
pustiti. Grof stade
pred kapu a drugi će svojim карата doćekat ticu. Jedan
odigne kapu
a grof rukom pod kapu pa u govno. ,0, vidis ti
tog lopova, kako
je i mené i moju gospoju prevario! Dogje on u moj dvor
ko prosjak
a moja gospoja njega pita, odakle je on, a on każe, da
je iz raja.
Pita ga, je 1 pozna njezinog оса i strica i śta rade. A
taj lopov każe,
da ih pozna i da bi se rad kartali al nemaju novaca.
Moja gospa
njemu da novce, da ih preda njezinom ocu i stricu u
raju, da se mogu
kartat a on uteće s novci. A sad mené tako prevari!' —
Erzählt von
einem Mannweib in Lipik in Slovonien.
Der Goldvogel.
Ein Bauer fuhr zu Wagen. An der Straße saß ein Mann,
der
hielt die Kappe mit der Hand (an die Erde gedrückt).
Fragt ihn der
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Bauer: ,Was tust du da? — ,Ich bewache da einen
Goldvogel. Doch,
ich bitte dich, so du um Gott weißt, geh, halt mal da
anstatt meiner ein
weilchen an, bis ich ins Dorf gehe und zurückkehre/ —
Der Bauer
willigte ein und hält mit der Hand die Kappe nieder,
dieser Mann
aber entfernte sich spurlos.
Es naht eine Verfolgung und an deren Spitze der Graf.
Er kommt
zum Bauern: ,Hörst du, bist du wem begegnet?' — ,Nun,
ja/ — ,Und
hast du gesehen, daß er etwas trägt?' — ,Er hielt etwas
glänzendes
unter der Achsel.' — ,Und könntest du ihn einholen? Da
hast du ein
Pferd und wir werden dich hier erwarten/ — .Schön, Ihr
Herren, ich
möchte gehen, doch wer wird den Goldvogel unter der
Kappe be-
wachen, die Kappe aber darf man nicht aufheben, ehe
nicht die Sonne
untergegangen.4 — Der Graf sagt: ,Ich werde
schon die Kappe be-
wachen, geh du nur!' —
Der Bauer bestieg das Pferd, die aber warten bis zum
Abend.
Der Bauer kehrte zurück, er war außerstande, jenen zu
finden. Der
Abend war angebrochen, jetzt kann man den Goldvogel frei
lassen.
Der Graf stellte sich vor die Kappe, die anderen aber
wollen mit
ihren Kappen dem Vogel aufpassen. Einer lüftet die Kappe
ein wenig,
der Graf aber fährt mit der Hand unter die Kappe und in
einen Dreck
hinein. ,0, siehst du diesen Erzschelm, wie er
sowohl mich als meine
Frau betrogen hat! Kam er da als Bettler in mein Schloß
und meine
Frau befragt ihn, woher er wäre und er sagt, er käme aus
dem Para-
diese. Sie fragt ihn, ob er ihren Vater und Onkel kenne
und was sie
machten. Und dieser Erzlump sagt, er kenne sie und sie
rriöchten
gern Karten spielen, hätten aber kein Geld. Meine Frau
gibt ihm
Geld, damit er es ihrem Vater und Onkel im Paradiese
übergebe, da-
mit sie Karten spielen können sollen, der aber brannte
mit dem Gelde
durch. Und jetzt hat er gar mich so angeführt!
623. Śto żdral і divlja guska govore.
Podunavcu jaje a Misircu govno! Tako govori żdral і
divlja guska
s proleća a s jeseni każe: Misircu jaje a Podunavcu
govno! pośto on
tada bega od zime u topli Misir. — Als sprichwörtliche
Redensart
mitgeteilt von einem Landmann in Levac, Serbien.
Was der Kranich und die Wildgans reden.
Dem Donauländer das Ei, dem Ägypter aber der Dreck!
So
spricht der Kranich und die Wildgans am Frühlinganfang,
im Herbst-
400 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen.
beginn aber sagt er: Dem Ägypter das Ei, dem
Donauländer aber
der Dreckl nachdem er da vor dem Winter ins warme
Ägypten
flüchtet
Anmerkung. Wahrscheinlich ist das Sprichwort
türkischen Ursprungs, denn
der Bauer hat von der geographischen Lage Ägyptens und
von den Wanderungen
der Tagvögel sehr undeutliche Vorstellungen, nicht aber
so der vieireisende Mos-
lim, der auf seinen Wallfahrten nach Mekka und Medina
seinen Gesichtkreis er-
weitert.
624. Śmrkelj i drek.
Śmrkelj i drek iśli su vu fremt Kad su se vec dosti
sveta na-
gledali bili dośli su doma pak su si pripovedali, kaj su
sega na svetu
vidli pak ćuli. ,Ej/ veli drek, ja sam puno gospodarov
imal al naj-
gorśe mi je bilo pri gospodi. Tak sam ti imal jednoga
gospodara,
koj se je posral pak me je hitil s trećega śtoka doli,
da mi se je mam
drob raspuknul. A blaźeno mi je bilo pri muźu. On ti me
je lepo
polahko pustil doli, da mi se ne bi kaj pripetilo. Pa
kam sam god
opal, naśel si poznancov, nigdar, nisam bil sam!1
— ,Haj, haj/ odgo-
voril mu je śmrkelj, ,meni ja bąś lepśe bilo pri gospodi
neg pri muźu.
Muz me je znal primiti za vrat pak me je frknul doli, da
sam se na
sto komada razletil. A pri gospodi mi je lepo bilo.
Gospon me lepo
v rubec spravil pak me je cuvai lepo v żepu. Kad se joś
jenput
narodim ne bum stel drugo neg gospon biti!' —
Aus Kopreinitz (Koprivnica) in Chrowotien. Erzählt
von einem
Gastwirt.
Der Rotz und der Dreck.
Rotz und Dreck giengen einmal in die Fremde. Als sie
bereits
genug von der Welt geschaut hatten, kehrten sie zurück
heim und
erzählten einander, was sie alles in der Welt gesehen
und gehört.
,Ach/ spricht der Dreck, ДсЬ habe viele Gebieter gehabt,
doch am
schlimmsten erging es mir bei den Herren. So z. B. hatte
ich einmal
einen Herrn, der sich auskackte und mich vom dritten
Stock hinab-
schleuderte, daß mir augenblicklich die Eingeweide
zerplatzten. Doch
selig befand ich mich beim Bauern. Der ließ mich schön
langsam
herab, daß mir nichts schlechtes zustoßen möge. Und wo
immer ich
auch hinfiel, fand ich Bekannte vor, niemals befand ich
mich allein!'
— ,Hei, hei, antwortete ihm der Rotz, mir erging es
gerade bei den
Herren besser als beim Landmann. Der Bauer verstand es,
mich beim
Hals zu packen und hinabzuschmeißen, daß ich zu hundert
Stücken
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen, aq £
zerflog. Bei den Herrschaften dagegen stand ich mich
wohl. Der
Herr barg mich artig ins Sacktüchlein und bewahrte mich
schön in der
Tasche auf. Wenn ich nochmals auf die Welt komme, mag
ich nichts
anderes als ein Herr sein!'
Anmerkung. Vgl. die magyarische Fassung auf S. 64.
Nr. 3. — Die
Schnurre zeigt klar ihren städtischen Ursprung. — In der
ersten Zeit meiner For-
schungreise befand ich mich einmal in Gesellschaft
moslimischer Edelleute in Bos-
nien. Wir unterhielten uns recht lebhaft. Da entstand
unversehens eine peinliche
Pause und einer der älteren Herren forderte mich auf,
mit ihm hinauszugehen.
Vor der Türe sagte er mir in wohlwollendem Tone: ,Wir
haben dich alle lieb ge-
wonnen und in unsere Gesellschaft aufgenommen, aber in
unserer Mitte mußt du
dich auch anständig benehmen.' — Ich errötete über und
über und fragte ihn, was
er damit meine, ich wäre mir keines absichtlichen
Vergehens bewußt. — Du zogst
aus der Tasche ein weißes Tüchel, schneuztest dich
hinein und stecktest den Rotz
in die TascheI' — Ja, wie hätte ich es denn tun
sollen?!' — ,Das ist ekelhaft.
Das tut man nicht. Ein Mann von Lebensart geht vor die
Türe und schneuzt sich
draußen mit den Fingern.' — Ich dankte aufrichtig für
die Belehrung und zog mir
nie wieder auf der Reise wegen des Sacktücheis eine
Zurechtweisung zu.
625. Gomno i mrsojj.
Dodijalo gomnetu da sedi u gradu pa uteće i pogje u
selo. Kad
bilo na pola puta, skobi ga mrsolj. ,Pomozi Bog!1
— ,Bog ti pomogo!'
— Kud ćeś?' pita ga mrsolj. ,Vala, dodijalo mi',
rekne mu gomno,
,u gradu. Ne éuvaju me nimalo. Tek kad me puste
od visine, ja kad
padnem, sva mi se rebra polomel' — ,Ne brini,4
każe mu mrsolj, ,idi
ti u selo, tu će da ti bude dobro; tam nema zavod, samo
te spuśte
na zemlju pa i ne osetiś!' — ,A kud si se ti uputio?'
pita ga gomno.
,Men pa dosadilo u selu. Kad me uvate s dva prsta pa me
ljosnu
o zemlju, ju żiv premrem. Trpe, trpe pa ne mogu vise!' —
,Tdi ti,
brajko, u grad, tam ćeS da uzivas. Ceo dan će da te nose
u marame,
nikako ti ne dadu da padneś na zemlju 1' — I tako
se rastanu. — Er-
zählt von einem Bauern in Vrasogrnac im Zajećarbezirke
in Serbien.
— In einer anderen Fassung aus derselben Gegend fuhrt
eine Spinne
mit dem Rotz dieselbe Unterhaltnng.
Der Dreck und der Rotz.
Der Dreck ist des ewigen Sitzens in der Stadt
überdrüssig worden
und er entfloh und zog ins Dorf fort. Als er mitten auf
dem Wege war,
stieß der Rotz auf ihn. »Helfe Gottl' — ,Gott soll dir
helfen!1 — .Wo-
hin des Weges?' fragt ihn der Rotz. .Beim Allah, ich bin
des Stadt-
lebens überdrüssig geworden,' sagte der Dreck zu ihm,
,man respek-
tiert mich nicht im geringsten. Sie lassen mich
rücksichtlos aus der
Krauss, Anthropophyteîa. IV» 26
Ą02 Südslavische Volksüberlieferungen, die
sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.
Hohe hinab, und wie ich falle, zerbrechen mir alle
Rippen!' — ,Sei
ohne Sorge,1 sagt der Rotz zu ihm, geh du ins
Dorf) da wirst du dich
wohl befinden; dort gibt es keinen Abort, man läßt dich
blos sachte
auf die Erde nieder und du spürst es gar nicht!' — ,Und
wohin hast
du dich aufgemacht?' fragt ihn der Dreck. — ,Mir ist es
wieder im
Dorfe lästig worden. Wenn sie mich mit zwei Fingern
anpacken und
mich auf den Erdboden niederhauen, sterbe ich bei
lebendigem Leib
ab. Ich duldete und duldete und länger halte ichs nicht
aus!' — ,Geh
du, Brüderlein, getrost in die Stadt, dort wirst du dein
Dasein genießen.
Den ganzen lieben Tag über tragen sie dich in
Sacktücheln herum,
unter keinen Umständen erlauben sie es dir, auf den
Boden zu fallen!'
— Und so trennten sie sich voneinander.
626. Jutroklek.
— Joj, joj, śto jaućeś?
— Joj, joj, boli me zub!
— Joj, joj, mętni na nj jutrokleka pa dobro zgrizi!
Allgemein und sprichwörtlich verbreitet.
Der Morgenhock.
— Weh, weh, was jammerst du?
— Weh, weh, der Zahn tut mir weh!
— Weh, weh, leg darauf einen Morgenhock und beiß ihn
tüchtig
zusammen!
Anmerkung. Morgenhock == frischer Dreck. — Den Rat
erteilt man
scherzweise und mancher mag ihn im Ernst befolgen; denn
auch bei den Südslaven
hält man große Stücke auf die Heilkraft des Drecks. Um
einen zarten Teint zu
bekommen legen sich, wie schon oben bemerkt, eitle
Mädchen über Nacht frischen
Dreck aufs Gesicht auf und waschen sich ständig mit
Urin.
627. Śokaćka slava.
Vice bika iz Dubovika: ,Rodi se dite u prve pivce,
nit je rance
ni donośće, već kopile, guje ga popile!' Pop huće,
popadija suce. Pop
pita: ,Od koliko ćemo kita?' — Jami vraze, od kôliko mu
drażeI' —
,Otstupite stare, pristupite mlade u żutim
Sebernićima, u crvenim
papućicama, da vam dadem svitoga Antuna paląc. I nokat
je bio,
arna sam ga zbijo. Jalovicu gonim, svitoga Niku iz
kupusa gonim.
Izigji sviti Niko iz kupusa! Niti si kupusa sadijo niti
si vrtla gradijo,
Kupus mi je lipo masno zeljice, so mu je zacina, maslo
mu je zatuka.
Ti bi ga dumo i ja bi ga dumo. Sokcići bogćići, mladi
momćići, po
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen.
Rimu hodeći, Rim papu dvoreci. Jozo je Jozetan, Pajo
je Pavletan,
Niko je Nikletan. Megju sobom zborili: ,Ko će turki
turkétan na
mejdanl' Veli Niko niketan: Ja ću turki turkétan na
mejdan!' — To
oni zborili, eto ti turke turketan na mejdan: nà konju
brnjasu, na glavi
mu zarkula, kożni je lakota, gvozdeni je peta, mrsna
para, nekrśćena
yjera, nazva salam. Niko na mejdan, uvati Niku za kiku.
Niko se
vrti, guzica mu prdi. Niko se mace, kika se izmaće. Ko
prvice po
Bogu sestrice. U dnu se rastani, u vrhu se sastani.
Bjeżi dolje niz
udjele, gji no kuca Davidova i u kuci s vita diva. Ona
kliknu: ,Za vas
greśne Boga moleći, Amin!'
Vom serbischen Bauern Ilija Savic in Priboj in
Bosnien.
Das Sippenfest der Katholiken.
Diese Dreckgeschichte, deren Pointe in einer Farzerei
und Scheißerei gipfelt,
ist eine Verhöhnung des katholischen Heiligenkultes und
einer Franziskanerpredigt.
Sie ist absichtlich so verworren gehalten, daß sie weder
der Erzähler verstand noch
ein Zuhörer begreifen konnte. Es scheint nur als ob
irgend ein Sinn in dem durchaus
nicht witzlos aneinandergereihten, pompös klingenden
Wortschwallstücke stäke. Wir
nennen derartige Redeleistungen einen gediegenen
Bierschwefel. Mit der deutschen
Wiedergabe solcher Redeübungen würde man
unverantwortlich Zeit vergeuden,
denn die Arbeit wäre sehr mühselig, um auch im deutschen
die gleich lustige
Wirkung zu erzielen.
628. Turćin i srb.
Neki turćin igja§e sa Simom Gospavicem iz Ćardaćina u
lug, da
nasijeku drva te se tako zdruziśe. Simo je veliki
gjavolan i danas
pak ga svaki ovdasnji poznaje. E, oni su tako iśli, da
nasjeku drva,
dok jednom turćin: ,Ćujeś, Simo, da se nadlagujemo!' —
,Pa de vala,
turćinel' — Turćin veli: ,Sluśaj:
Je li via ko ora?
Je li ora ko ljeljak?
Je li ljeljak ko brabonjak?
Je li brabonjak kao i govno?
E, pa tako ti je via!' —
— ,Sluśaj turćine ti:
Je su li turci ko vuci?
Je li vuk ko kurjak?
Je li kurjak ko pasće? . ' " ,
Jede li paśće govno?
E, tako su ti tvoji turci!'
Aufgezeichnet in Janja in Bosnien i. J. і88б.
Erzählt von einem
Schreiber namens Lazar Łazić.-
26*
404 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen.
Moslim und Serbe.
Ein gewisser Türke (Moslim) ging mit Simon Gospavic
(griech.-
orient.) aus Ćardaćina ins Gehölz, um Brennholz zu
hacken und so
schlössen sie sich an einander an. Simon ist ein großer
Teufelkerl
noch heutigentags und jeder hiesige kennt ihn. Nun denn,
sie gingen
so einher, um Holz zu hacken, bis auf einmal der Türke
anhub : ,Horch,
Simon, laß uns mal einander überlügen I' — ,Wohlan, beim
Allah, du
Türke!' — Der Türke spricht: ,So hör zu:
Ist der Vlahe (Serbe) wie die Nuß?
Ist die Nuß wie die Hetschepetsche?
Ist die Hetschepetsche wie das Ziegenkügelchen?
Ist das Ziegenkügelchen soviel wie ein Dreck?
Nun, und so viel gilt dir auch der Vlahe!'
— .Horch mal, Türke, du:
Sind die Türken wie die Wölfe?
Ist ein Wolf wie ein Isegrimm ?
Ist ein Isegrimm wie ein Hündchen?
Frißt ein Hündchen Dreck?
Nun, so sind dir deine Türken geartet!'
Anmerkung. Diese Unterhaltung soll sich vor der
österreichischen Besitz-
nahme Bosniens abgespielt haben, als es noch als eine
gewaltige Vermessenheit
galt, einen Moslim zu reizen. — Das Überlügen, das
einander im Lügen über-
trumpfen ist beim Volke ungemein beliebt und man schätzt
einen tüchtigen, schlag-
fertigen, lustigen Lügner und Aufschneider in jeder
Gesellschaft. Weniger harm-
los und gemütlich schaut die Sache aus, wenn gewisse
Chrowoten ihre aufgelegten
Lügen auf Kosten gelehrter Gesellschaften und natürlich
gegen hohe Honorare
drucken lassen, um damit nach ihrem Geschmacke die
Geschichte und die Wissen-
schaft umzustilisieren.
629. Pitaitfa.
1. Kad bi bila uzica preko puta prevucena a na jednom
kraju
drek a na drugom kurac, kud bi ti vuko? Iii govno u zube
ili kurac
u guzicu? — Von einem Bürger in Poźega, Slavonien.
2. Śta bi ti volio, da ideŚ grabom a u
grabi govno pa da govno
zine na te ili ti na govno? — Gegenfrage eines zweiten
Bürgers.
3. Śta bi dao ono me, ko bi se tebi za pete posro? —
Frage eines
dritten Burgers an den zweiten, ebenda.
4. Da Ii volis: jaser ili tiber? — Svaki
odgovara da voli jaser.
5. Da Ii voliS: krv u kucu ili piast iza kuce? — Krv
u kuci
to je siani na a piast iza kuce govno.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen. 405
6. Da Ii voliS śeke-beke ili kruśke meke? — Śeke-beke
to
je śećer a kruśke meke govno,
Nr. 4—6 aus Ostserbien.
Fragen.
1. Wäre eine Schnur über den Weg gespannt und an dem
einen
Ende ein Dreck, am anderen aber ein Zumpt, wohin zögst
du an?
Mit dem Dreck zwischen die Zähne oder mit dem Zumpt ins
Arsch-
loch hinein?
2. Was wäre dir lieber, giengst du durch einen
Graben hin, im
Graben aber läge ein Dreck und der Dreck sperrte das
Maul auf dich
oder du auf den Dreck auf?
3. Was gäbst du dem, der sich dir hinter die Fersen
beschisse?
4. Was ist dir lieber: Ichscheiß oder Duklaub?
— Jeder ant-
wortet, ihm wäre ein Ichscheiß lieber.
5. Ist dir lieber: Blut ins Haus oder ein Schober
hinterm
Hause? — Blut im Hause das ist eine Speckseite, der
Schober
hinterm Hause aber ein Dreckhaufen.
6. Hast du lieber: Zuckirne-schirne oder weiche
Birne? —
Zuckirne-schirne ist ein Zucker, weiche Birne aber ein
Dreck.
630. Pitanja і odgovori.
1. Ćije je govno u tebi? — U mené je od pćele,
jer pćela nema
govna a u tebe od żene.
2. Kako bi ti pretjero jato gusaka preko
ćuprije a da se nijedna
ne posere? — ZnaŚ kako? Ja bi turio svakoj kljun u
guzicu a zadnjoj
bi moro ti kurac turiti u guzicu.
Beides vernommen in Pakrac in Slavonien.
Fragen und Antworten.
1. Wessen Dreck steckt in dir? — In mir ist
einer von der Biene,
denn die Biene hat keinen Dreck, in dir aber einer vom
Weibe.
2. Wie tatst du eine Gänseschar über
die Brücke treiben, ohne
daß sich auch nur eine beschisse? — Weißt du, wie? Ich
tat jeder
den Schnabel ins Arschloch hineinstecken, der letzten
jedoch müßtest
du den Zumpt ins Arschloch stecken.
631. Rätselfragen chrowotischer Städter.
i. Śto je nemoguće? — Nemoguće je, golom se
posrat u dźep і
turiti kiśobran u guzicu pa ga otvoriti.
40б Südslavische Volksüberüef erungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen,
Alltägliche Hausmittel.
632. Zur Abwehr der Mar.
Kad żensku tmora sisa neka uzme svoje vlastito govno
і neka
ga metne na svoje sise і tmora će otstupiti. — Allgemein
in Chro-
wotien und Slavonien.
Saugt eine Mar an einem Frauenzimmer, so nehme es
seinen
eigenen Dreck und lege es auf seine Zizen auf und da
wird die Mar
von ihr abstehen.
Anmerkung. Über die Mar im südslavischen Volkglauben
vergl.
Krauss, Slavische Volkforschungen. Abhandlungen über
Glauben,
Gewohnheitrechte, Sitten, Bräuche und die Guslarenlieder
derSüdslaven,
Leipzig 1908, Wilhelm Heims.
2, Śto je bezobrazno? — Bezöbrazno je, dragöj doć pod
prozor,
posrat se і pozvat je, da pogleda.
3, Śta je najveca brzina? — S prozora trećeg kata
posrat se na
sokak, brże bolje na sokat izletit i ufatit govno u
usta.
4, Śta je strpljivost? — Turiti magarcu pol lęmuna u
usta i onda
na guzicu cuclat.
Allgemein unter den Chrowoten verbreitet.
1. Was ist unmöglich? — Unmöglich ist es, einem
Nackten in die
Tasche zu scheißen uud ihm einen Regenschirm ins
Arschloch zu
stecken und den dann aufzuspannen.
2. Was ist unverschämt? — Unverschämt ist, der
Liebsten unter
das Fenster zu kommen, sich auszukacken und sie zu
rufen, daß sie
sich die Bescherung anschaue.
3. Was ist die größte Schnelligkeit? — Vom Fenster
des dritten
Stockes auf die Gasse hinabzuscheißen, raschestens auf
die Straße
hinauszulaufen und den Dreck mit dem Munde aufzufangen.
4. Was ist Geduld? — Einem Esel ins Maul eine halbe
Lemone
zu stecken und sie dann beim Arschloch zu sutzeln.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen, qqj
633. Dreck auf der Nase.
Kad ko koga pogledom осе da urekne, onda se każe
protiv
uroka: Oh, ali ti je drek na nosi, obriśi ga! — Aus dem
chro wo tischen
Küstenlande. — Nosi, richtig für das sonst übliche:
nosu.
Will einer einen mit dem Blick beschreien, so spricht
man gegen
die Beschreiung: ,0, hast du aber einen Dreck auf
der Nase, wisch
ihn abl'
634. Wie man einem den After verstopft.
Kad se ko posere pred pendżerom, onda neka gazda uzme
drvo,
śto ide na drljaću (da bolje zagje u zemlju) pa neka
zavrta u to drvo
govno, i onda će posrancu guzica zaćepita biti i on će
doć moliti
gazdu. I da je to govno i drvo bacit u vodu, onda će on
dobit vo-
denu bolest. — Allgemein in Slavonien.
Wenn sich einer vor dem Fenster bescheißt, so nehme
der Haus-
herr jenes Holz, das man zur Egge verwendet (damit sie
tiefer in die
Erde eindringe) und verbohre den Dreck in dieses Holz
hinein und
dann wird des Scheißers Arschloch verstopft sein und er
wird kommen,
um den Hausherrn [um Vergebung] zu bitten. Und wenn man
diesen
Dreck und das Holz ins Wasser würfe, so befiele ihn die
Wassersucht
*
635. Um unangreifbar zu werden.
Ima jedan gospodin pa nosi komadić svog govna u
briftaśnu.
Njemu ne może niśta nauditi, kad bi ko vraco protiv
njega ili kad bi
ga komad drveta udarilo. — Aus Pożega in Slavonien. Auch
sonst
gebräuchlich.
Es ist da ein Herr, der trägt ein Stück seines
Dreckes in der Brief-
tasche mit sich herum. Ihm kann man gar nichts böses
anhaben, wenn
einer gegen ihn zauberte oder, wenn ihn ein Stück Holzes
träfe.
636. Eines Reichen Dreck.
Na vecer kad se prva zvijezda pojavi, da je ufatit
malo govna
od bogataśa i kuci ponest, to će tome éoeku
uvijek sreća prijat —
Chrowotisch, städtisch.
Wann sich abends der erste Stern zeigt, erwische man
etwas Dreck
eines reichen Mannes und trage den heim, so wird diesem
Menschen
immer das Glück lächeln.
40$ Südslavische Volksüberlieferungen, die
sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.
637. Dreck vor Gericht«
Kad se ide na sud pa se imade govna od momka u dźepu,
onda
je njegova prava. — In Chrowotien und Slavonien üblich.
Wenn man aufs Gericht geht und hat in der Tasche
Dreck von
einer Wassereidechse (triton vulgaris L.), so gewinnt
man den Prozeß.
638. Gegen Hexen.
Sa kokoSnjim govnom namazat kravi med rogove і
viätice ne
mogu njoj uradit. — Aus Slavonien, allgemein.
Man hat eine Kuh zwischen den Hörnern mit Hühnerdreck
zu
beschmieren und die Hexen können ihr nichts antun.
Anmerkung. Über die Hexen vergl. Krauß, Slavische
Volk-
forschungen, IL Abschnitt
639. Dreck einer schwarzen Sau.
Kad se ide u cirkus і sa sobom ponese govno od crne
krmaće,
onda će on vidjeti kako onaj pravi komedije. Onaj ga ne
će moći
zaslijepiti. — Aus Pożega, Slavonien.
Wenn einer in den Zirkus geht und den Dreck einer
schwarzen
Sau mit sich mitnimmt, so wird er sehen, wie jener
Komoedien treibt
Jener wird ihn nicht verblenden können.
640. Hundedreck gegen Fieber.
Onaj koji ima sedam godina teśku groznicu, neka uzme
tvrdog
psećjeg govna і neka ga u mlijeku skuva i procijedi i
onda popije.
I neka rekne: ,Kako god ovaj pas teSko ovo isro, tako
ova tvrda
groznica s mené spala!' — Onda neka uzme orah i u ljuske
metne
pauka і to sveze і око vrata nosi te neka każe: ,Kako
venuo pauk,
tako venula groznica1/ — Unter Chrowoten
allgemein.
Jener, der sieben Jahre lang an schwerem Fieber
leidet, nehme
harten Hundedreck und koche ihn in Milch ab und seihe
ihn durch
und trinke ihn dann aus. Und er spreche dazu: ,Sowie
dieser Hund
dies da schwer herausgeschissen hat, also falle auch
dieses harte Fieber
von mir ab!' — Alsdann nehme er eine Nuß und lege in die
Nuß-
schalen eine Spinne und binde dies zusammen und trage es
um den
Hals und spreche: ,Sowie die Spinne hinwelke, so soll
auch das Fieber
dahinwelken!'
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen, aqç
641. Gansdreck gegen Brandwunden.
Kad se ćoek opeće onda neka lipovïnu pali, drvo to
stuca, po-
mijeśa sa guśćim govnom i namaźe rami. — Aus Chrowotien
und
Slavonien«
Wenn sich ein Mensch eine Brandwunde zuzieht, so
brenne er
ein Lindenholz an, das Holz stoße er zu Staub, vermische
ihn mit
Gansdreck und schmiere damit die Wunde ein.
642. Für die männliche Kraft.
Ako ćoek izgubi snagu time śto sjedne na flek krvi od
żenskog
vremena, onda neka se popiśa i neka toj żeni każe, da
ona ide i na
piśalo sjedne. Kad ona to ućini, onda će se njegova
snaga povratiti.
— In Chrowotien und Slavonien gebräuchlich.
Wenn ein Mann seine Kraft (Potenz) dadurch einbüßt,
weil er sich
auf einen Blutfleck von der weiblichen Zeit gesetzt, so
soll er sich
bepissen und diesem Frauenzimmer sagen, sie soll
hingehen und sich
auf die Pisse hinsetzen. Wenn sie dies tut, so wird
seine Kraft wieder
zurückkehren.
643. Pissend in den Mond schauen.
Kad bi ćoek piso u neki sat noći i gledo u
mjesec, może ograj sat;
kurac ili pićka odma svrbi. — Allgemein in Chrowotien
und Slavonien.
Wenn ein Mensch in gewisser Nachtstunde pißte und
dabei in den
Mond schaute, so könnte er üble Folgen davontragen;
sogleich juckt
der Zumpt oder die Voze.
644. Pisse gegen Beschreiung.
Kad je koji urećen, neka se umije u svom piSalu.
Allgemein ge-
bräuchliches Abwehrmittel.
Ist einer beschrieen, so wasche er sich mit seiner
Pisse das Ge-
sicht ab.
645. Nicht ins Wasser pissen!
Żena, koja je krupna, zbabna, ne smije u vodu piśat,
jer će dijete
uvijek piśat. — Allgemeiner Glaube.
Ein schwangeres, der Niederkunft nahes Weib darf
nicht ins
Wasser hineinpissen, denn sonst wird das Kind immer
pisserig sein.
J • t
410 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf
den Geschlechtverkehr beziehen;
646. Um trächtige Stuten zu bekommen.
Ako je źena zbabna, neka se popiśa i neka ono piśalo
baci na
kobilu, onda će ona postât żdrebna, kad se pusti
źdrijebac na nju. —
In Chrowotien und Slavonien.
Wenn ein Weib hochschwanger geht, so soll sie sich
bepissen
und diese Pisse auf die Stute werfen, dahn wird die
trächtig Werden,
wenn man den Hengst auf sie läßt
647. Kauernd pissen.
Ko ćućeći pisa taj nije ni za śto (źensko).
Allgemein in Chro-
wotien.
Wer kauernd pißt, der taugt zu nichts (ist ein Weib).
Anmerkung. In Bosnien pissen die Moslimen hockend.
648. Gegen das Bettnässen.
Kad ko pisa u krevet, onda treba ovako:
komśinici zdogovornoj
sa gazdom popiśanca pośalje gazda popiśanca po kaku
stvar uzajmit
a ona ga doćeka sa novom kaśikom i poćne udarat po
njemu. — In
Chrowotien und Slavonien üblich.
Wenn einer ins Bett näßt, so muß man dem auf solche
Weise
abhelfen: Einer Nachbarin, die mit dem Hausherrn des
Pissers im Ein-
verständnis ist, schickt der Hausherr den Bettnässer zu,
damit er irgend
eine Sache ausborge, die aber empfängt ihn mit einem
neuen [Holz-]
Löffel (Kochlöffel) und fangt damit auf ihn
loszuschlagen an.
649. Gegen die Schwindsucht.
«
Protiv tizike treba vlastito svoje piśalo pit — tri
ćaśe svaki dan
— i stare slanine — od tri godine — jest. — Allgemeines
Heilmittel.
Gegen Schwindsucht hat man seine eigene Pisse zu
trinken — drei
Gläser voll jeden Tag — und alten Speck — von drei
Jahren — zu
essen.
650. Gegen Impotenz.
Ako ćoek ne może pojebat zenu, neka se popiśa kroz
ćupriju. —
In Slavonien üblich.
Wenn ein Mann sein Weib nicht abvogeln kann, so soll
er durch
eine Brücke pissen.
Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den
Geschlechtverkehr beziehen, ац
651. Um das Weib anzufeuern.
Ako ćoek осе da mu żena bude ostra u
jebanju, neka joj dade
svog vlastitog piśala, jer je piśalo ostro. To se
obićaje uradit, kad
mladi ćoek ima staru zenu. — In der Gegend von Pożega,
Slavonien.
Wenn der Mann will, daß sein Weib beim Vögeln feurig
(scharf)
sein soll, so soll er ihr von seiner eigenen Pisse
eingeben, denn Pisse
ist scharf. Das pflegt man zu tun, wenn ein junger Mann
ein altes
Weib hat.
Die weiteren Abschnitte und die Fortsetzungen zu den
bisherigen
folgen in den weiteren Bänden der Anthropophyteia nach.
Vom Buchertische.
Bloch, Iwan, Dr. med.: Das Sexualleben unserer Zeit
in seinen Beziehungen zur
modernen Kultur. Berlin 1907. Louis Marcus. VIII, 822 S.
gr. 8e (in
6 Monaten 18 000 Ex.) I
Bloch faßt den Begriff unserer Zeit in dem Sinne, als
das Wissen der Vergangen-
heit unser Besitz geworden und sich als überkommenes
Erbe den Anforderungen des
durch die naturwissenschaftlichen Errungenschaften
beeinflußten gesellschaftlichen
Zustandes der tonangebenden oder führenden weißhäutigen
Schichte der gegen-
wärtigen Menschheit anpassen muß. Die Geschlechtlichkeit
als tierische Erscheinung
ist nicht aus der Gegenwart, sondern ein aus der
Anfangzeit der Menschwerdung
unverändert herubergenommener Trieb zur Erhaltung der
Gattung. Die Kultur
ist das gewordene und in Weiterentwicklung oder
Umwandlung oder Anpassung
ständig befindliche, durch das eine Einschränkung des
Geschlechttriebes bedingt
und erzwungen wird, um die gesellschaftlichen Gruppen in
ihrem Gedeihen zu be-
schützen. Man könnte mit Recht Blochs Werk auch als eine
Geschichte des
Kampfes zwischen dem Geschlechttrieb und der
Gesellschaft bezeichnen. Das ist
eines der wichtigsten Blätter der Menschheitgeschichte,
das vor uns aufgeschlagen
wird und man muß sich nur wundern, wie viele
Jahrtausende der Kultur verstrichen,
ehe sich einer fand, der dies Blatt beschreiben konnte.
Allerdings hat'Bloch ein
endlose Reihe von Vorgängern, die dem Buche mit ihren
Einzelforschungen vor-
gearbeitet haben und er selber ist einer von ihnen, daß
er jedoch die ungeheure
Literatur verschiedener Völker und Sprachen mit
unermüdlichstem Fleiße und mit
dem sicheren Unterscheidungvermögen des wahren Forschers
durchzustudieren,
für sein Werk auszunutzen und all den Stoff in eine
literarisch mustergültige Form
zu bringen vermocht, das verleiht seiner Leistung einen
außerordentlichen Wert
und eine bleibende Bedeutung für den Fortschritt unserer
aufstrebenden Wissenschaft
Wir von der Anthropophyteia bemühen uns, ein
folkloristisches und ethno-
logisches Grundbuch des Sexuallebens zu schaffen; wir
liefern Erhebungen und Ab-
handlungen, die sich auf einen bestimmten Kreis von
Gefühlen, Empfindungen
und Neigungen beziehen, Blochs Werk dagegen ist der
erste Grundriß der Sexual-
wissenschaft, ein Lehrbuch für Lernende, eine Stütze für
Lehrende, ein Buch von
so reichem und gediegenem Inhalt, daß keiner dasteht,
der von sich behaupten
dürfte, es bereichere ihn nicht in vieler Hinsicht.
Dieses Werk bedeutet aber weitaus
mehr, denn wenn mich meine Lebenserfahrung nicht irre
führt, leitet es durch
seinen gewaltigen buchhändlerischen Erfolg auch einen
Umschwung in der öffent-
lichen Meinung zugunsten der Sexualwissenschaft ein und
macht die weitesten Kreise
der Gebildeten für unsere naturwissenschaftlichen
Forschungen empfänglich. Alle
Vom Büchertische
413
Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß damit eine
segenreiche Wendung auch in
der Volks- und Völkerforschung anhebt. Ein Buch ist
nicht allein durch seinen gründ-
lichen Inhalt wertvoll, sondern noch mehr durch die
Anregungen, die es den Geistern
gewährt. Es gibt Bücher, die ihren Verfasser mit einem
Schlag berühmt machen
und ihn zu einem Führer erheben. Eines von diesen guten,
leider so seltenen Büchern
ist auch das Blochs und nun kommt das Seltsamere: er
selber hat seinen wissen-
schaftlichen und den Erfolg seiner Persönlichkeit so
wenig gemerkt, daß er gegen
eine sogenannte Rezension, die sein Gegner Dr. Albert
Moll im Zeitgeist (Bei-
blatt z. Berl. Tgbl. v. 17. VI. 07) veröffentlichte,
eine Erklärung loslassen mochte,
anstatt sich am unverhohlenen Ärger des Referenten zu
ergötzen. Richtig ist unter
allen Vorhalten, die ihm Moll macht, der eine, daß er
(Bloch) seine Meinung leicht
ändert, das heißt sich in allen Sonderfällen der
Belehrung zugänglich erweist und
ohne Trotz und Zorn eine Meinung aufgibt, sobald neue
Tatsachen seinen Gesicht-
kreis erweitern und sein Verständnis vertiefen. Wer am
Abend nicht anderer Meinung
als des Morgens ist, der hat den Tag nicht durchgelebt
und tagsüber nicht nach-
gedacht; für den ist der Tag verloren. Bloch brauchte
angeblich anderthalb Jahre
zur Änderung seiner Meinung über die Ehe. Das ist ein
fast zu langer Zeitraum.
Mancher lernt sein Weib sechs Wochen vor der Ehe,
mancher sechs Wochen nach
der Ehe kennen. Einmal in der Woche wünscht jeder
Ehegatte sein Weib in das
Land hin, wo der Pfeffer wächst, aber es gibt auch
glückliche Ehen, so z. B. die von
Philemon und Baucis, und vielleicht weiß einer von
unseren freundlichen Lesern
aus seinem Bekanntenkreise noch welche anzuführen. Es
ist doch eigentümlich,
daß man immer die Ehen anderer, selten oder nie die
eigene als die glücklichste
preist. Warum darf nach Moll ein Bloch über die Ehe
keine eigene Meinung
haben? 1 Warum verwehrt er і h m ein Recht, das jedem
Taglöhner zusteht? !
Zum Überfluß stellt Bloch die Einehe als Kulturideal hin
und befürwortet sie, doch
verdammt er die Zwangehe. Sollte mal ein vernünftiges
Ehegesetz beschlossen
werden, so daß Ehescheidungen ohne besondere
Schwierigkeiten erfolgen können,
so müssen die Weiber in der Ehe alles aufbieten, um mit
Liebenswürdigkeit, Geduld
und Nachsicht den Mann an sich zu fesseln, statt, wie
bisher auf ihr Recht zu pochen
und dem Manne leidige Jahre und Tage zu bereiten. Dann
ist auch der Streit zwischen
Moll und Bloch gegenstandlos.
Weniger spaßhaft klingt der Vorwurf, Bloch habe sich
von K r a f f t -
Ebings und seiner (Molls) Ansicht über Homosexualität
abgewandt. Hierin
erging es ihm nicht anders wie mir, der ich durch das
Studium von Hirsch-
felds Jahrbüchern für sexuelle Zwischenstufen gründlich
bekehrt worden bin.
Da gibt es keine Wahl als die, die Tatsachen
anzuerkennen oder sie, nach Art ge-
wisser Rabulisten, einfach als Märchen zu bezeichnen.
Der Wahrheit aber muß
man sich als Forscher fügen, und etwas anderes tat auch
Bloch nicht.
Wahrheit sucht und findet man bei Bloch in allen
33 Abschnitten seines
Buches, das wohl bereits jeder Studierende der
Anthropophyteia in Händen hat.
Darum ist eine nähere Inhaltangabe diesmal überflüssig.
Freuen wir uns des Werkes,
das uns allen als ein trefflicher Wegweiser auf dem bis
vor kurzem so schwer gang-
baren Gebiete der Sexualforschung dient.
Dr. Moll nennt Blochs Buch unwissenschaftlich. Da muß
man ihn doch daran
erinnern, daß er selber, der mehrere für die
Sexualforschung grundlegende Werke
veröffentlicht hat, bei einer akademischen Größe, wie
sie von der Gestalt des Jenaer
Privatdozenten Dr. L o b o s c h dargestellt wird, einen
so abfälligen Eindruck
4H
Vom Büchertische.
machte, daß selbiger Herr unsere Bemühungen samt und
sonders als eine Pseudo-
Wissenschaft brandmarkt und gegen unsere Bestrebungen
die Sittlichkeitschnüffler
aufruft. Molls Referat ist Wasser auf die Mühle eines
Dr. Lobosch und noch so
mancher ihm gleichwertiger Erzeuger der öffentlichen
Meinung. Vor dem Richter-
stuhle dieser Herrschaften kann auch Moll nicht
bestehen. Übrigens ist zur Zeit
eine dritte vielfach verbesserte Auflage des Blochischen
Buches im Druck und sie
wird auch des sichersten, von Moll schmerzlich vermißten
Kennzeichens der Wissen-
schaftlichkeit, eines Registers nicht ermangeln.
Krauss.
Dr. Magnus Hirschfelds Bestrebungen.
Nach dem Ableben des berühmten Psychiaters und
Sexualforschers Richard
von Krafft-Ebing dürfte zur Zeit wohl Dr. Magnus
Hirschfeld
in Charlottenburg als der bedeutendste Sachverständige
auf dem Gebiet des SexuaJ-
lebens zu gelten haben. Krafft-Ebing wagte es zuerst,
gestützt auf die Autobio-
graphien zahlreicher sexuell anormal Veranlagter, die
sich vertrauenvoll an ihn
wandten, in das dunkle, bisher aus Prüderie gemiedene
Gebiet der Geschlechtkunde
mit der Fackel der Wissenschaft hineinzuleuchten. Daß
ihm in dem Bestreben,
recht genau zu klassifizieren, hie und da noch Irrtümer
mit unterliefen, war bei
der Unberührtheit des Forschungfeldes, auf dem er noch
eigentlich keinen medi-
zinischen Vorläufer hatte, verzeihlich; die These von
der Erwerbungmöglichkeit
homosexueller Triebe durch Verführung und Suggestion hat
Krafft-Ebing später
selbst fallen lassen, obwohl sie leider noch heutzutage
in manchen wissenschaftlich
nicht aufgeklärten Köpfen noch weiter spukt und Unheil
anrichtet.
Das Erbe Kraf ft - Ebings hat nun Dr. M. Hirschfeld
übernommen, der
in zahlreichen aufklärenden Schriften die Ergebnisse
seiner Forschungen auf dem
Gebiet des Sexuallebens Ärzten und Laien zugänglich
gemacht und viel zur Klärung
und Richtigstellung irrtümlicher Anschauungen
beigetragen hat.
Von mehr fachwissenschaftlichem Interesse ist
Hirschfelds Broschüre
,,G eschlechtsübergäng e",der er das Motto voranschickt,
daß die Natur
nie sprungweise, sondern immer nur schrittweise vorgeht.
Durch Aneinander-
reihen und Gegenüberstellen verwandter
Naturerscheinungen sucht der Verfasser
die Gesetze zu eruieren, die ihm für die Entstehung
sowohl der Geschlechtunter-
schiede als der Geschlechtübergänge maßgebend
erscheinen. An der Hand neuer
Fälle von Hermaphrodisie und „irrtümlicher
Geschlechtbestimmung1' bespricht er
die Übergangerscheinungen am Genitalapparat selber,
sodann legt er an einer
weiteren Reihe von Beispielen die „sekundären"
Annäherungen und Übergänge dar,
so enges Becken, Bartwuchs, Verkümmerung der Brüste bei
Frauen, weibliches
Becken, Mammaentwickelung, weiblichen Habitus bei
Männern. Nachdem er die
Darstellung des Hermaphroditen in der Kunst gestreift,
die in dem von prüden
Anwandlungen unberührten Altertum aus der ideal
dargestellten Vereinigung
männlicher und weiblicher Elemente mancherlei
eigenartige Anregungen empfing,
geht H. zu der eigentlichen Homosexualität über, dem
männlichen Geschlechttrieb
bei Frauen, dem weibartigen Geschlechttrieb bei Männern
zu Personen des —
scheinbar — gleichen Geschlechts. In Wirklichkeit findet
jedoch bei den Homo-
sexuellen eine solche Mischung männlicher und weiblicher
Elemente statt, daß die
Уот Büchertische
415
Diagonale der Kräfte sie entgegen ihrem scheinbaren
Geschlecht, ihrem äußeren
Genitalapparat, auf den Vollmann bzw. das echte Wçib als
reizgebenden Gegensatz
hinweist. Durch die Hermaphf odisie wird die
Homosexualität,
aus den „stärkeren Graden" die „leichteren", aus dem
„Mehr" das so oft verkannte
„Minder" begreiflich gemacht. H. gelangt zu
hochinteressanten „Genogenetischen
Gesetzen", unter denen ich nur folgende hervorheben
möchte.
„Jeder Geschlechtcharakter ist in der befruchteten
Keimzelle präformiert,
eingeboren."
„Alle Geschlechtmerkmale beruhen auf einer
verschieden starken Entwicke-
Uing einer einheitlichen Anlage."
„In jedem Bion, das aus der Vereinigung zweier
Geschlechter hervorgegangen
ist, finden sich neben den Zeichen des einen
Geschlechtes die des anderen oft weit
über das Rudimentärstadium hinaus in sehr verschiedenen
Gradstufen vor."
„Je später die Differenzierung eines
Geschlechtzeichens erfolgt, um so häufiger
weicht seine Graduierung von dem sexuellen Durchschnitt
ab."
Bietet das eben besprochene Werk dem Arzt, dem
medizinischen Sachver-
ständigen eine Menge neuer Anregungen, so wendet sich
Hirschfelds Broschüre
„Berlins drittes Geschlecht" mehr an das Laienpublikum.
Einer Aufforderung
des Seemannschen Verlages, der eine Serie von
„Großstadtdokumenten" heraus-
zugeben beabsichtigte und H. um Bearbeitung des
augenblicklichen Standes der
gleichgeschlechtlichen Frage in Berlin anging, glaubte
der Verfasser sich nicht ent-
ziehen zu dürfen, damit nicht ein anderer damit betraut
würde, der nicht nur viel-
leicht mit weniger Sachkunde, sondern auch mit weniger
Wohlwollen und Mitgefühl
geschrieben hätte. Daß eine ganze Reihe für den normal
Empfindenden nicht
gerade sympathischer Züge nicht übergangen wurde,kann
dagegen der Wahrheit-
liebe und Sachlichkeit des Verfassers nur zur Ehre
gereichen. Das Bild würde durch
Weglassung dieser charakteristischen Einzelheiten an
Vollständigkeit und Treue
verloren haben. H. durfte sich nicht dadurch abhalten
lassen, daß einzelne extreme
Elemente unter den Homosexuellen sich gern als eine Art
Elitemenscheji betrachtet
sehen; diese erklären die Theorie von den weiblichen
Zügen im Uranier als „alles
verwirrend und verzerrend" und wollen es als eine
Forderung männlicher Gesellung-
freiheit hingestellt wissen, daß der Mann sich an Mann
oder Jüngling liebend an-
schließe; sie vergessen dabei nur, daß es keinem
nichthomosexuellen Mann je einfallen
wird, sich in eine über die Freundschaft hinausgehender
„Liebe" einem Geschlecht-
genossen zuzuneigen. Jenem Übereifer der extremen Kreise
hat die Bewegung zur
Verbesserung des Loses der Homosexuellen es zu danken,
daß sich ihr noch immer
Unverständige und Übelwollende entgegenstemmen, indem
sie von einer unbe-
rechtigten Propaganda für die Homosexualität sprechen.
Was Dr. Hirschfeld
anstrebt, ist nur, daß alte Vorurteile und irrige
Ansichten über das Wesen des
Uranismus berichtigt werden, daß die Behandlung der
Homosexuellen vor Gericht
und im öffentlichen Leben eine gerechtere und
menschenwürdigere werde ; eine
Verherrlichung, eine Höherstellung über die Normalen
hinaus liegt ihm fern und
muß ihm fernliegen. .....________
Sehr anerkennenswert ist endlich — und den Lesern
dieses Jahrbuches wird
es besonders wertvoll erscheinen —, daß H. auf die
Bedeutung der Erforschung
uranischer Erscheinungen bei Naturvölkern hinweist.
(Gynäkomastie eines jungen
Eingeborenen des Bismarck-Archi pels aus der
„Menschenkunde" von A. S o k o -
1 o w s k y und Mikromastie zweier eingeborener
Peruanerinnen und männliche
Vom Büchertische»
Konturen bei einem Makavamädchen aus Ploß-Bartels
klassischem Werk
„Das Weib in der Natur- und Völkerkunde.")
Hier eröffnet sich den folkloristischen Forschern ein
dankbares Gebiet. Die
gleichgeschlechtliche Liebe ist ein nicht unwesentlicher
Bestandteü im Leben der
Naturvölker. Leider wurde dieser Erscheinung in
einschlägigen Werken manchmal
zu wenig Beachtung geschenkt, wenn sie nicht gar aus
Prüderie ganz mit Still-
schweigen übergangen wurde. Wie schon Friedrich von
Hellwald her-
vorhebt, findet sich aber gleichgeschlechtliche Liebe
nirgends mehr, wie bei den
wilden Stämmen, wo doch von Überkultur keine Rede sein
kann. Und nicht sind
es verweichlichte Südländer, sondern gerade oft die
Bewohner des äußersten Nordens,
bei denen diese Erscheinungen mit elementarster
Natürlichkeit zutage treten.
Während allerdings die alten spanischen Schriftsteller,
besonders O v i e d o und
Garcia, bei Schüderung der Kulturzustände der
neuentdeckten Welt nicht
genug tun konnten in schmähenden Ausdrücken, wie
„Verbrechen wider die Natur",
lobt T a n n e r das anständige und züchtige Betragen
der Indianer. Wilson
hebt hervor, daß die Polynesier ungeachtet der bei ihnen
im Schwange befindlichen
Laster in Gegenwart von Fremden niemals etwas Anstößiges
begingen ; M о e r e n -
h o u t kann nicht umhin, seiner Verwunderung Ausdruck
zu geben über die naive
Unbefangenheit, mit der die Tahitier sich über alles
aussprachen, jedes Ding beim
rechten Namen nennend, ohne irgend eine Art des
geschlechtlichen Verkehrs ver-
werflich zu finden ; W r a n g e 1 drückte den
Tschuktschen seinen Abscheu über
die Männerliebe aus, was die Leutchen unbegreiflich
fanden, da bei ihnen hierin
jeder seiner Natur und seinem Geschmack folgen dürfe.
Bei einigen Naturvölkern
war die Pflege gleichgeschlechtlicher Beziehungen
geradezu staatlich sanktionierte
Volksitte, so in Dahomey und Neu-Caledonien, wo Liebende
sich zur Waffenbrüder-
schaft auf Tod und. Leben zusammenschlössen. Steindorff
berichtet von
feierlichen Hochzeiten unter den männlichen Bewohnern
der Oase Siwah, die mit
großem Pompe begangen und durchaus nicht als etwas
Schimpfliches oder Ver-
heimlichenwertes angesehen werden. Bei den Indianern
Floridas werden die „Herma-
phroditen" nach Le M о y n e als Krankenträger und
Pfleger der verwundeten
Krieger herangezogen. Auch zu religiösen Zeremonien
wurden Homosexuelle be-
nützt, da man ihnen besondere Fähigkeiten im Verkehr mit
der Gottheit zuschrieb,
ja selbst übernatürliche Kräfte, so bei den Sakalaren
auf Madagaskar. Ja, die
Kamtschadalen übertrugen selbst auf ihren obersten Gott
Kutka die bei ihnen
gebräuchlichen Volksitten, wie aus ihren Poesien
hervorgeht. In den Sagen und
Liedern der Naturvölker harrt überhaupt noch ein reicher
Schatz der Hebung
durch folkloristische Forscher; daß man aus sogenannten
moralischen Gründen
heute noch charakteristische homosexuelle Erscheinungen
absichtlich fälscht oder
verdunkelt, kann dank der Aufklärungarbeit namentlich
deutscher Gelehrter auf
dem Gebiet der Sexualkunde, wozu auch die beiden
besprochenen Broschüren
Dr. Hirschfelds gehören, wohl hoffentlich als
ausgeschlossen gelten.
Dr. J. E. Meisner.
Vorlesungen über Geschlechtstrieb und gesamtes
Geschlechtsleben des Menschen.
Yon Dr. Hermann Rohleder« 2. verb., verm., u.
gänzl. umgearb. Aufl.
Bd. I: Das normale, anormale u. paradoxe
Geschlechtsleben. XVI 600 S.
Vom Büchertische
Bd. II: Das perverse Geschlechtsleben des Menschen.
545 S. 1907. Berlin,
Fischers mediz. Buchhandlg. H. Kornfeld. Lex. 8°.
brosch. 20 Mk.
Neben dem Bloch sehen wird dies Werk für den Forscher
ein notwendiges
Nachschlagehandbuch sein, zumal ähnlich umfassende
Darstellungen bei dem
encyclopädischen Anschwellen des Materials in nächster
Zeit kaum zu erwarten
sein durften; vielmehr wird man zu Monographien
übergehen müssen, um wenig-
stens an der einen oder anderen Stelle von der
Oberfläche der logischen Spekulation
bis zum Felsgrund der Wahrheit hinabzuloten. Rohleders
umfangreiche
Übersicht wird besonders für diejenigen wertvoll sein,
die gleich ihm nicht nur
wissen, was „normale" Sexualität ist, sondern diese
Grenze auch relativ eng
ziehn und die Masse der übrigen Erscheinungen als abnorm
und pathologisch hin-
stellen. In dieser Hinsicht wird das eigene Nachschlagen
in Krafft-Ebing, Moll &c
ungemein erleichtert. Anders steht es freilich mit der
Benutzung von Werken
wie die Antrhopophyteia ; hier scheint indessen die
Zurückhaltung des Autors nur
einen subjektiven Grund zu haben, auf den ich noch zu
sprechen komme. Schema
und Einteilung des ersten Bandes sind folgende:
I. Libido sexualis. A. Normaler Geschlechtstrieb
(Allgemeines, Definition,
Ehe und ihre Hygiene, außerehelicher Verkehr und seine
Prophylaxe, persönliche
individuelle Prophylaxe, freie Liebe, Pubertät,
Pollution, Menstruation, Ovulation).
B. Abarten und Paradoxien; a) zu geringer Trieb; 1.
Anaesthesia sexualis ^Para-
doxia libidinis im Kindesalter, im Greisenalter,
Anaphrodisia sexualis totalis und
partialis, Frigiditas organica idiopathica) ; 2.
Dyspareunie der Frau (mangelnde
Empfindung) ; 3. Abstinentia sexualis; b) zu starker
Trieb (Hyperesthesia sexualis) :
і. Satyriasis; 2. Nymphomanie. Anhang: Geschlechtstrieb
bei Hermaphroditismus
Kastrierter und Eunuchen.
II. Kohabitation. A. normale (Physiologie,
therapeutische Wirkung, De-
floration) ; B, abnorme (übermäßiger Verkehr und seine
Folgen, Vaginismus, Klito-
rismus, Koitus interruptus, Neomalthusianismus, bei
Erkrankungen).
III. Konzeption. A. normale, physiologische; B.
pathologische (kranke Keim-
zeilen, abnorme Befruchtungsvorgänge) ; C. künstliche.
Schema und Einteilung des zweiten Bandes sind: *
I. Die heterosexuellen Perversionen. A. Rein
heterosexuelle Perversionen:
і. Notzucht und Beischlaf an Mädchen unter 14 Jahren; 2.
Unzucht (andere Hand-
lungen als Kohabitation an Kindern unter 14 Jahren. Alle
diese Gruppen auch
immer de lege lata und de lege ferenda); 3. Paedicatio
mulierum; 4. Abnorm-per-
verse Sonderheiten im heterosexuellen Verkehr
(Cunnilingus [sie! als Handlung,
wie leider üblich], Fellatorismus [sie! statt fellatio],
Irrumatio, Cunnilingus analis
[sic!!], Coitus in sinus mammarum, mutuelle [?]
Masturbation per puellam, Coitus
inter femora, genua, axillas &c feminae); 5. Incest; 6.
Unzucht (also andere Hand-
lungen als Koitus) an Blutsverwandten; 7. Unzucht an
Pflegebefohlenen, Ver-
führung. B. Meist heterosexuelle Perversionen: 8.
Frottage (Reiben der Genitalien
an irgend einem Körperteil einer anderen Person); 9.
Exhibitionismus; 10. Sadis-
mus oder Activismus (ideeller, Pollutionismus, aktiver
Flagellantismus, Strangu-
lomanie, Lustmord und Anthropophagie, Leichenschändung,
Statuenschändung
oder Pygmalionismus, endUch Sodomie, zerfallend in a)
Zooerastie oder Zoo3tuprum
auf pathologischer Grundlage, b) Bestialität oder
Zoostuprum auf unmoralischer
Grundlage, c) Zoo3adismus; 11. Masochismus oder
Passivismus (ideeller, Submis-
Krausi, Anthropophyteia. IV. 27
418
Vom Büchertische.
sionismus, passiver Flagellantismus, Fakirismus,
passiver Pollutionismus, Kopro-
lagnie, Mixoskopie oder Voyeurs, Fetischismus auf
Körper, weibliche Kleidung,
Tiere und leblose, zufällig von Weibern getragene
Gegenstände.
IL Homosexuelle Perversionen, zunächst Masturbation
und psychosexuelle
Hermaphrodisie, dann speziell: A. reiner
Konträrsexualismus beim männlichen
Geschlecht: i. griechische Liebe Eros, Paedophilie), 2.
Feilatorismus oder homo-
sexueller männlicher Cunnilingus [siel], 3.
Paederastie, 4. Konträrsexualismus
sensu stricto (mutuelle Onanie, Immissio penis inter
femora, in axillas, inter genua,
appressio ad partem corporis alterius, Küsse,
Liebkosungen), 5. Ätiologie: a) ange-
boren, b) vereinzelt erworben durch erbliche Belastung,
falsche Erziehung, Nach-
ahmungstrieb, Abstinenz, unglückliche Ehe, Furcht vor
Ansteckung oder Kinder-
segen, Impotentia coeundi, Geisteskrankheit, Pädophilie,
Beruf), 6. Diagnose,
Prognose, Therapie, lex lata, lex ferenda,
Seelenzustand. B. Konträrsexualismus
beim weiblichen Geschlecht: 1. mutuelle Masturbation, 2.
Lesbismus oder Sapphis-
mus (lambendo), 3. Tribadismus (fricando vulvam
ad vulvam), 4. homosexueller
weiblicher Feilatorismus [!] und Klitoriskohabitation
[in vaginam aut anum!],
indessen vom Verf. für mehr „theoretisch" gehalten,
5. Paedophilia erotica homo-
sexualis feminarum (Handlungen an unreifen Mädchen).
III. Automonosexualismus (Masturbation mit
Gedankenrichtung auf sichselber).
Wissenschaft ist ja Ordnung; aber ich fürchte, in das
Prokrustesbett dieser
Rubriken wird man so leicht niemand lebend
hineinbringen. Wer vielen Leuten
auf dem Gewissen gekniet hat, weiß, wie ungemein
vielfältig und in alle Rubriken
ausstrahlend die Tendenzen jedes einzelnen Individuums
sind. Die feste Systemati-
sierung droht alle Schattierungen der Psyche zu mehr
groben Farbunterschieden
zu verwischen, und was die Erklärung anlangt, so kommt
man aus der Sack-
gasse nicht heraus, wenn man zu den Fenstern auch noch
die Fensterkreuze zählt.
Diese Mängel, wenn sie vorhanden sind, fallen aber nicht
dem Autor zur Last,
sondern dem unreifen Stadium, in dem sich unser Wissen
von der Sexualität über-
haupt befindet. Und gerade deshalb wiederhole ich
dringend meine Empfehlung
des Werkes, weü es vielleicht in Zukunft deutlich die
Biegung des Weges markieren
wird, den wir zurücklegten. Wir haben hier die Lehre von
der Pathologie ziemlich
nach jeder Seite erschöpfend dargestellt, und für alle,
die von dieser Lösung geistig
nicht befriedigt sind, bedeutet das einen gewissen
Abschluß und das weitere
Verlangen: quid no vi?
Eine Eigenart des Verfassers ist noch zu erwähnen: er
belegt alles, was nicht
normal ist, mit gut variierten Ekelnamen. Das geht so
weit, daß er z. B. den be-
kannten Fall eines Grafen, der zum Zweck der Potenz eine
Erdbeere mit den Menses
der Gattin in Berührung bringt und verzehrt, als das
Scheußlichste erklärt, was
ihm vorgekommen sei. Das geht so weit, daß er, als
Psychopathologe, sagt: ,,Ich
habe nur Bruchstücke der de Sadeschen Werke gelesen —
ich hatte genug." Dies
"Betonen einer ganz subjektiven Ästhetik, die sich bei
einem objektiven Natur-
wissenschaftler völkerkundlich durch nichts
rechtfertigen läßt, hat Ver-
fasser auch wohl abgehalten, sich mit den Erhebungen
dieser Jahrbücher vertraut
zu machen. Als Gegenansicht führe ich nur eine Stelle
aus der eben erschienenen
interessanten Studie von L. M. K ö t s c h e r in
Hubertusburg (Erwachen des
'Geschlechtsbewußtseins) an: „Abgesehen von einer
ästhetischen Wertung, die
bekanntlich sehr subjektiv ist, und sich sogar bei
manchen Leuten als Abscheu
auf die eigentlichen Genitalien erstreckt, wird man in
der Fellatio und im Cunni-
Vom Büchertische,
419
lingus kaum etwas besonders Perverses sehen können
&c." Also die Ästhetik des
Verfassers in allen Ehren. Wenn aber die Tausende von
gebildeten Laien, die nach-
weislich in der Hauptsache diese Bücher lesen, nicht nur
erfahren, daß ihre ange-
borene perverse Richtung eine psychische Krankheit,
sondern auch eine ekelhafte
Scheußlichkeit ist, so erzeugt solche ganz überflüssige
Bemerkung nur vermehrtes
taedium vitae und vor allem, zum Schaden der
Wissenschaft, absolute Verschlossen-
heit gegenüber den „unverständigen" ärztlichen
Untersuchern.
Berlin. Alfred Kind.
Die Verirrungen der Liebe. Studien zur
Sexualpsychologie von Hans Rau (2. Bd.
der Beiträge zu einer Geschichte der menschlichen
Verirrungen). Leipzig,
Leipziger Verlag (1907). 8°. XXIV 303 S. brosch. 8 Mk.
Der früh verstorbene Verfasser führte eine gute
Feder. Das hob ihn schon
ohne weiteres aus der Masse der Skribenten, die mit der
gleichen Ware handeln.
Aber er war auch bemüht, jenseit von Kompilation und
Abschriftsteilerei eigene
Studien zu machen und sich eigene Gedanken zu bilden.
Was besonders vom ersten,
hier schon besprochenen Bande (Verirrungen in der
Religion) gilt. Der zweite,
vorliegende, ist flüchtiger geraten, vielleicht wegen
der schweren Krankheit des
Verfassers. Der Forscher wird nicht sonderlich Neues
finden, falls ihn nicht die
jugendliche Kühnheit reizt, mit der hier gegen einige
ehrwürdige Theorien der
Sexuallehre geplänkelt wird.
Verfasser verlangt, daß beim Sexualforscher das
„Gefühl" und das Vorurteil
der großen Masse ausgeschaltet sein müsse. Nur Roderich
Hellmanns
seltenes Buch über Geschlechtsfreiheit (1878) sei ganz
objektiv. Die Anschauung,
nur solche Formen der Triebbefriedigung seien normal und
naturgemäß, bei denen
zum mindesten die Möglichkeit der Befruchtung vorhanden
ist, hält Verfasser für
einen Fundamentalirrtum. „Es genügt eben bei der
Reichhaltigkeit der Natur,
wenn von jeder Million, ja von jeder Milliarde nur ein
einziges Samenkorn aufgeht."
Allerdings 1 der Zoologe und Botaniker weiß, daß das
eben so ist. Die Vor-
schrift der erotischen Moraltheologie und ihre
Übersetzung ins Krafft-Ebingsche
Idiom gleicht daher nicht dem „Natürlichen", sondern
etwa der Methode einer
künstlichen Fischzuchtanstalt : Befruchtung um jeden
Preis. Ob der Daumen
des Fischzüchters dem Karpfen nicht als ein attentat aux
moeurs erscheint, bleibe
dahi ngesteilt. ^ л > і
Verfasser geht dann die einzelnen Gruppen der
Sexualität summarisch durch,
wie gesagt, nicht ohne Geschick und Selbständigkeit. Man
hört ihn gern plaudern.
Zuweilen vermißt man solidere Stützpunkte; so wenn er
sich beim Masochismus
mit der Heranziehung der amerikanischen Prügelbriefe
begnügt, in denen Phantasie
und Realität einen gehörig verhedderten Knäuel bilden.
Für den Fachmann er-
übrigt es sich, auf Einzelheiten einzugehen; aber in
populären Kreisen würde eine
Verbreitung des Buches gute Dienste leisten.
Berlin Alfred Kind
27*
420
Vom Büchertische
Cäsarenwahn und Blutrausch. Neue Beiträge zur
Geschichte der menschlichen Ver-
Irrung und Grausamkeit. Von Johann Parsenow. Leipzig
(1907), Leipziger
Verlag. 8Л 208 S.
Dem Verlangen des Verlegers nach Erwähnung komme ich
nach, weil das
Buch nach zwei Seiten ein exemplum demonstrationis ist.
Nämlich erstens handelt
es sich um eine ganz subjektive und total unkritische
Kompilation, die beim
Skandalblättchen-Redakteur Suetonius ihre Anleihe
beginnt und mit den üblen
Nachreden chinesischer Potentaten das Sammelsurium
beschließt. Einen Heiter-
keiterfolg will ich dem Leser nicht vorenthalten. Bei
Gelegenheit der Popäa Sabina
(deren Eselinnenmilch-Bäder sich jeder Gymnasiast
andächtig vorstellt) entgleitet
dem calamo scriptoris folgendes eheu ! : Diese Dame —
eine Jüdin nebenbei ! Nach-
her avanciert sie konsequent zur „verschlagenen Jüdin".
Ich brauche an dieser
Stelle den geehrten und gelehrten Lesern nichts davon zu
erzählen, um was für eine
freimaurerische Philosophie es sich bei diesem Judäertum
in der alten Roma nur
handelte und wie beliebt die alexandrinische Bildung bei
den schönen Damen war.
Aber das rutscht dem Verfasser so aus dem Handgelenk
haste nich gesehn, und
man macht sich eine interessante psychologische Note
dazu. Mein Resume ad eins
ist nun beileibe kein Vorwurf für den Autor, sonst müßt
ich die mehrsten Berühmt-
heiten der Geschichtsklitterung auf dem gleichen
Rasiermesser reiten lassen. Viel-
mehr halte ich ad zwei das Buch für wertvoll, aus
Folgendem: Verfasser ist (seiner
Verfassung nach) etwa das, was mit dem ganz schlechten
Namen Sadist bezeichnet
wird. Er malt die aufgehäuften Grausamkeiten gar nicht,
um kritisch die Wahrheit
des Tatsächlichen zu eruieren, sondern weil ihn die ewig
wiederholte Spannung
seines Innern dazu trieb, derartige literarische Gemälde
zu sammeln, diewieder
nur den gleichen Naturen — von Rom bis China— ihr Dasein
verdanken.
Und nochmals von den gleichen Naturen wird das Buch
gelesen
werden so, wie es gelesen werden soll, d. h. als
Erotikum. Nun bin ich der
Ansicht, daß jeden anders Gestimmten solche Lektüre zum
mindesten anödet.
Und darin hegt die einfache Lösung der Frage : Ist die
erotische Literatur (Schmutz
sagen einige, die die künstlerischen Sachen nicht
kennen) schädlich oder nicht?
Die Antwort ist : summa summarum betrachtet ganz
unschädlich, weil die anders
Gearteten höchstens zu einer sofort im Sande
verlaufenden Nachahmung angeregt
werden, und weil die darnach Abgestimmten eine
notwendige Nahrung darin
finden, die sie von ermattender Phantasiearbeit befreit,
ja sie durch Auslösung
der Spannung vor Handlungen bewahrt, die der „umnebelte
Instinkt" zu
ihrem und der Gesellschaft Schaden begehrt. Als einen
kleinen Beleg dazu zitiere
ich aus einem unveröffentlichten Material mit frdl.
Erlaubnis des Herrn Kollegen
Magnus Hirschfeld die feine Bemerkung eines
hochgebildeten „Sadisten",
der sich sein Leben lang über diese Dinge den Kopf
zergrübelt hat. Es heißt da:
„Heutzutage ruft man nach Ausnahmebestimmungen gegen die
unsittliche Lektüre.
Da kann ich nicht mitmachen. Hätten mir diese Bücher
gefehlt, hätte ich durch
sie keine Befriedigung gefunden, wer weiß, ob meine
Begierden nicht doch meine
angeborene Gutmütigkeit überwunden hätten, ob ich meinem
Trieb nicht durch
Taten Genüge verschafft haben würde, ganz ohne Rücksicht
auf gesetzliche Kon-
flikte. Man hat Zustände, wo nur der blinde Drang nach
augenblicklicher Er-
leichterung besteht.... Kommen nicht tätliche
Sittlichkeitverbrechen hauptsäch-
lich in den niederen Klassen vor, wo derartige, teure
Bücher nicht gekauft werden
Vom Büchertische
421
können und wo schon das enge Aneinanderleben die
Handlungen an Personen
nahelegen? usw." Nun, das gibt doch zu denken. Man
betrachte aus dieser Per-
spektive die ungeheure Verbreitung der Pornographie
namentlich in Asien, man
sehe unsere Gravuren-Kabinette auf Sadismus durch, man
belausche die Geheim-
nisse mancher Bibliophüen, und man wird etwas
konstatieren, was keinen Schein-
wert hat, nämlich Wahrheiten.
Berlin. Alfred Kind.
Monatsberichte des Wissenschaftlich-humanitären
Komitees. (Privatdruck im
Selbstverlag, Berlin-Charlottenburg, Berlinerstr.
121. Jahrgang 4 Mk.)
Diese Publikation entstand aus winzigen Anfängen. Im
Jahre 1902 waren
es hektographierte Sitzungprotokolle, gerade 2
Schreibseiten. 1903 wurde der Drucker
bemüht, von Januar 1904 an erschien das jetzige
8° Format, zunächst 4 Seiten
stark, noch im selben Jahre auf 1 Bogen steigend.
Die soeben ausgegebene Sep-
tembernummer 1907 hat 2 Bogen Umfang.
Hinzufügen will ich, daß die Monat-
berichte ab і. Januar 1908 als reguläre,
buchhändlerisch vertriebene Zeitschrift
unter dem Titel einer Sexualwissenschaltlichen Revue
4 Bogen
stark herauskommen werden. Der Anlaß hierzu ist
hauptsächlich der Umstand,
daß eine ernsthafte und beachtenswerte Zeitschrift, die
die sexuellen Probleme
für sich speziell behandelt, bisher nicht existiert.
Was nun bisher von den Monatberichten erschienen ist,
stellt ein schätzens-
wertes Orientierungmittel auf dem Forschunggebiete der
sogen. Geschlechtüber-
gänge und der Homosexualität dar. Man findet dort
sorgfältig registriert: öffent-
liche Affären nebst dem Echo der in- und ausländischen
Presse, Besprechungen
der Jahrbücher und bedeutender Publikationen des
Komitees, Diskussionen, An-
zeigen und Referate aller Neuerscheinungen der Erotik,
Vortragberichte, Kultur-
historisches, besondere Fälle, Verurteilungen aus §
175 D. R. Str. G. B. Erpressungen,
Selbstmorde usw.
Allen, die auf diesen Gebieten Untersuchungen
anstellen, ist die Durchsicht
der kleinen Hefte anzuraten, weil dadurch sicherlich
manche Mühe und Zeit ge-
spart werden kann.1
Berlin. Alfred Kind.
Ursprung und Entwickelung der Moralbegriffe, von
Prof. Dr. Eduard Westermarck.
Erster Band, deutsch von Leop. Katscher. Leipzig
1907, Werner Klinkhardt.
Lex. 8°. VI 632 S.
Nach Verfasser beruhen die Moralbegriffe auf
Gefühlregungen. Von diesen
gebe es zwei Arten: Mißbilligung und Billigung. Die
weiteren Zusammenhänge
ergeben sich aus folgendem Schema:
422
Vom Büchertische.
Vergeltunggefühle
Vergeltender Unwille
Freundliches Vergeltunggefuhl
Zorn und Sittliche
Rache Mißbilligung
Sittliche Außersittliches freund-
Büligung liches Vergeltunggefühl
SittUche Gefühle.
inkl. Pankbarkeit
Der erste Teü des Buches beschäftigt sich mit der
Untersuchung der Beschaffen-
heit und Entstehung der sittlichen Gefühlregungen, geht
dann zur Analyse der
hauptsächlichsten Moralbegriffe über, Untersucht Sitten
und Gesetze als Kund-
gebungen von solchen, behandelt den Willen als
Gegenstand sittUcher Beurteüung,
betrachtet Beweggründe, Fahrlässigkeit, Charakter, und
geht dann unter fort-
währendem Zitieren einer ganz ungeheuerlichen Menge von
ethnologischen
Beispielen zu den speziellen Themen über, als da sind:
Das Töten von Eltern,
Kranken, Kindern, Ungeborenen, Weibern, Sklaven.
Blutrache, Zweikampf, Körper-
verletzung. Freigebigkeit, Gastfreundschaft. Hörigkeit
der Kinder, Gattinnen,
und Sklaverei.
Ein kritisches Eingehen auf den Inhalt des Werkes ist
vor Erscheinen des
zweiten Bandes nicht angebracht, verbietet sich
überhaupt, wegen seiner kom-
pakten Eigenart, im beschränkten Rahmen eines Referats,
weshalb ich mich mit
dieser Anzeige begnüge.
N. 0. Body. Aus eines Mannes Mädchenjahren. Vorwort
von Rudolf Presber. Nach-
wort von Dr. med. MagnusHirschfeld. Berlin (1907),
Gustav Rieckes
Buchhandlung Nachf. 8°. 218 S. brosch. 2,50 Mk.
Der Inhalt dieses Buches ist ungefähr folgender: Ein
Knabe wird mit Hypo-
spadie geboren. Der Hausarzt entscheidet, es sei ein
Mädchen. Damit beginnt
die Kette psychologischer Wirrnisse. Bespöttelt und
beargwöhnt von den Spiel-
gefährtinnen der Kindheit wegen seiner Lust an
Knabentollheiten, fühlt er bald
alle Bitternisse des nagenden Zweifels und der
seelischen Einsamkeit. Welche
Qual für ihn und welch verworrener Lustreiz, auf den
Bänken der höheren Töchter-
schule zu sitzen, als Lagermädchen im Warenhaus zu
dienen, mit den Kolleginnen
im gleichen Raum zu schlafen, von Männern bedrängt zu
werden. Eine Wendung
des Schicksals stellt ihn in den Dienst einer großen
Sache, er studiert National-
ökonomie, wird Frauenrechtlerin, reist berichtend und
agitatorisch in Südosteuropa.
Frauen verlieben sich in ihn, Männer verlieben sich in
ihn. Er hat die zwanzig
überschritten, und die Katastrophe der reifenden
Sinnlichkeit rückt unaufhaltsam
näher. Wie sie ausbricht, und wie sich hart am Rande des
Abhangs alles zum Guten
wendet, mag der Leser selber aus dem flott geschriebenen
Buche ersehn. Hinzu-
zufügen ist, daß es sich um keine Phantasie handelt,
sondern um eine durchaus
wahre Darstellung des Durchlebten. Natürlich sind
örtlichkeit und Personen ver-
wischt; denn der junge Mann hat heut nach dem
offiziellen Wechsel seines Ge-
schlechts jeden Anlaß zu vermeiden, der seinen neuen
Lebensanfang mit unerhörten
Schwierigkeiten verrammeln könnte. Zweiflern gegenüber
verbürge ich mich aber
Alfred Kind.
Vom Büchertische.
423
ausdrücklich neben den Herren, die die Geleitworte
schrieben, für die Authentizität
des Ganzen, da ich den Verfasser näher kennen gelernt
habe. Der Bericht ist in
seiner Art ein Unikum und wirft ein Licht auf die
zerstreuten psychologischen
Details, die sich in der Weltliteratur über ähnliche
Situationen vorfinden.
Berlin. Alfred Kind.
Stern, Bernhard: Geschichte der öffentUchen
Sittlichkeit in Rußland. — Kultur,
Aberglaube, Kirche, Klerus, Sekten, Laster,
Vergnügungen, Leiden. — Eigene
Ermittlungen und gesammelte Berichte. Mit 29 teils
farbigen Illustrationen.
I. B. 502 S. gr. 8°. Berlin 1907. Hermann Barsdorf.
Stern ist ein Russe, der sein Vaterland meiden muß,
der aber trotz aller er-
littenen Unbill von Liebe für Rußland und das russische
Volk erglüht. Das Volk
möchte er durch Arbeit und Bildung geadelt und aus
geistiger und leiblicher Knecht-
schaft erlöst wissen. Er gibt einen Abriß der
Leidengeschichte des Volkes und der
unvernünftigen, ruchlosen Mißwirtschaft einer dem
eigenen Volkstum entfremdeten,
der Habsucht, Verschwendung und Ausschweifung ergebenen
Kaste vertierter
Machthaber, die vom Tag alles heischen, weil sie nicht
wissen, was ihnen der nächste
Morgen bringen wird. Ist das aber wirklich die russische
Kultur? Die ungeheure
Volksmenge steht doch diesem Treiben gar zu sehr ferne,
als daß sie davon totlich
getroffen werden könnte. Dieses Volk bedarf unserer
Kultur weit weniger, als St.
glaubt. Für uns Deutsche sind die Schulen unerläßlich,
weil wir auf engem Räume
zusammengedrängt einen harten Kampf ums Dasein zu führen
haben und weil
wir zu großen Bedürfnissen künstlich erzogen werden, die
Russen dagegen gebieten
über unendliche Räume, sie sind genügsam und, was uns
als dringende Notwendig-
keit erscheint, gilt bei ihnen vielfach als leicht
entbehrlicher Luxus.
St. sagt, ,,daß Rußland noch abgrundtief im
Aberglauben untersinkt". Das
klingt schrecklich, es ist ja auch wahr, aber, wie steht
es denn mit unseren mittel-
europäischen Völkern? Stecken die in einem wesentlich
geringeren Aberglauben?
Wir erfreuen uns nur eines kleinen Vorsprungs infolge
einer größeren Rechtsicherheit
und immer zunehmender naturwissenschaftlicher
Kenntnisse, die durch Bücher in
die Massen dringen, so daß man sich vor verschiedenen
leiblichen und geistigen
Epidemien mehr als die Russen zu schützen trachtet. Uns
lehrt man mehr den
Wert des Lebens und der Gesundheit schätzen, wir sind
schon so sehr in einer städti-
schen Kultur aufgewachsen, in Wahrheit jedoch ist uns
nichts Russisches fremd,
am allerwenigsten von Ursprung an^ Stems Jauch ist
mittelbar gleichsam ein Spiegel-
bild unserer eigenen Halbvergangenheit.
Stern nennt fast durchgehends, doch ohne
Beständigkeit den uralten slavischen
Volksglauben Aberglauben und uraltes auf diesem
Volksglauben folgerichtig auf-
gebautes Strafrecht Verbrechen. Dem ist
entgegenzuhalten, daß eine moderne
Naturforscherrichtung jeden Glauben als Aberglauben und
auch unsere moderne
mitteleuropäische Strafrechtgesetze als verbrecherisch
bezeichnet. Unsere Strafen
sind Rachehandlungen und da ist es ethnologisch
betrachtet unwesentlich, welche
Machtfaktoren des Rächeramtes walten. Von dieser
grundsätzlich verschiedenen
Auffassung abgesehen, nehme ich keinen Anstand Sterns
Buch als eine der
wertvollsten Sammlungen nordslavischer Sitten und
Gebräuche, die sich auf den
424
Vom Büchertische.
Geschlechtverkehr beziehen, willig anzuerkennen. Die
Abschnitte über Geister.
Zauberer und Hexen, über die Unsitten im Mönchtum (d. h.
die Folgen erzwungener
geschlechtlicher Enthaltsamkeit), über Heüigenkult und
Mystizismus, über erotische
Sekten, Volksfeste, den Tanz, Bäder, Schicksalglauben
und Medizin enthalten
endlos viele und nützliche Belehrung, um so mehr als
Stern sehr oft Parallelen
aus anderen Völkergebieten zur Erläuterung heranzieht.
Eine ausgebreitete Belesen-
heit in mehreren Literaturen kommt ihm dabei zu statten
und sichert auf alle Fälle
seinem Werke eine dauernde Beachtung.
Das Buch hat man in Rußland verboten. Bedenkt man,
daß in Rußland die
Forscher in den Schriften ihrer gelehrten Gesellschaften
mit einer neidenswerten
Freiheit über alles und jedes publizieren dürfen, so
erscheint das Verbot lächerlich.
Es ist offenbar, daß nur die Angst vor der öffentlichen
Meinung Europas dieses
Verbot hervorgerufen. Die Arbeiten der russischen
Gelehrten bleiben unbeachtet
und ungelesen, während Sterns Werk der abendländischen
Welt die Augen
aufreißt. Ja, worüber?! Über Dinge, die jeder
naturwissenschaftlich geschulte
Folklorist auch aus unseren geogr. Provinzen kennt und
die weder zum Lob noch
zum Tadel eines Volkes heranzuziehen sind. Aus Sterns
Darstellung empfängt
man mitunter wie aus der Anklageschrift eines
Staatsanwaltes, der eine Verurteilung
erzielen will, den Eindruck, als ob Rußland für die
Kultur nahezu verloren wäre.
Überlege ich aber die Riesenleistungen russischer
Ethnologen, Anthropologen und
Folkloristen — über die Arbeiten anderer Fachgelehrten
urteile ich nicht — so
muß ich ehrlich einbekennen, daß sie mit uns
Abendländlern aufs erfolgreichste
konkurrieren. Bei ihnen ist nur der Alexandrinismus, der
unserem Bildungpöbel
so gewaltig imponiert, noch zu wenig gediehen, dies
jedoch erscheint mir als ein
wahrhafter Vorzug. Richtig hebt Stern hervor, daß sich
das Geschlechtleben
in Rußland laut und in breiter Öffentlichkeit abspielt.
Auch das ist kein Fehler,
der ein Volk zugrunde richtete, wenn nur keine Seuchen
das Vergnügen stören.
Gut essen, gut trinken und sich geschlechtlich frei
ausleben, das sind die natür-
lichen Vorbedingungen für das Gedeihen eines Volkes. So
lange als die russische
Machthaber darin die großen Massen nicht behindern, wird
jede soziale Revolution
in Rußland verpuffen und alles bleibt beim alten,
hergebrachten Brauch, den uns
Stern schildert. Ein abschließendes Urteil über seine
Arbeit wird man erst nach
Erscheinen des II. B. fällen dürfen. Es ist das Werk
eines vielgereisten, riesig be-
lesenen Mannes, der sich mit offenen Augen in der Welt
und unter Menschen um-
geschaut hat. Ein großer weil erfahrener Schriftsteller
spricht zu uns, einer der
die Wahrheit sucht. Von ihm lernt man zu.
Krauss.
Havelock Ellis: Geschlechtstrieb und Schamgefühl.
Autorisierte Übersetzung mit
Unterstützung von Dr. med. M. KÖtscher, besorgt von J.
E. K ö t s c h e r.
Dritte erweiterte und umgearbeitete Auflage. Würzburg,
A. Stubers Verlag
(Curt Kabitzsch), 1907/. 8°. XIII 446 S.
u. XIII Tafeln.
Havelock Ellis hat seine Forschungen auf die
Geschlechts-Psychologie
ausgedehnt und behandelt in seinem Werke zuerst die
Entwicklung des Scham-
gefühls analytisch, ethnographisch und psychologisch und
kommt zu dem Schlüsse,
daß das Schamgefühl ein wesentliches Element der Liebe
sei. Dann behandelt
Vom Büchertische.
425
Havelock Ellis die Erscheinung der
Sexual-Periodizität beim Weibe, beim
Manne und auch bei den Tieren, woran er eine
interessante Studie über den Auto-
Erotismus, die Erscheinung der spontanen
geschlechtlichen Erregung ohne irgend-
welche Anregung unmittelbarer oder mittelbarer Art durch
eine andere Person
anschließt und dieses Thema in derselben Weise behandelt
wie die Entwicklung
des Schamgefühls. Als Anhang folgen Abhandlungen über
den Einfluß der Men-
struation auf die Stellung des Weibes, über der
Sexual-Periodizität beim Manne
und über den auto-erotischen Faktor in der Religion.
Jedem ernsten Forscher
des Geschlechtinstinktes, der sich eingehend damit
befaßt, sei dieses Werk bestens
empfohlen,
Karl Reiskel.
Havelock Ellis: Die krankhaften
Geschlechtsempfindungen auf dissoziativer Grund-
lage. Autorisierte deutsche Ausgabe besorgt von Dr.
Ernst Jents c^h.
Wurzburg, A. Stubers Verlag (Curt Kabitzsch). 1907. 8°.
XIII 306 S.
In diesem Werke bespricht der Verfasser fast alle
Entgleisungen des Geschlechts-
triebes und gibt hiermit eine einheitliche systematische
Darstellung der Disso-
ziationserscheinungen der geschlechtlichen Sphäre. Die
Abhandlung erörtert in
vier Kapiteln den Intumeszenzvorgang und dann den
erotischen Symbolismus in
sechs Kapiteln, woran sich ein Beitrag zur Psychologie
der Schwangerschaft und
eine Kasuistik von 4 Fällen der geschlechtlichen
Entwicklung anschließen. Das
neue Werk des berühmten Sexualforschers Havelock Ellis
ist so reich an
interessanten Dingen und bietet dem wißbegierigen Leser
und dem fleißigen Forscher
so viel neues Material, daß es jedermann, der sich mit
dieser Disziplinen beschäf-
tigt, lesen und wieder lesen muß.
Die beiden Werke könnte man mit gutem Grunde als
einen fortlaufenden
wissenschaftlichen Kommentar eines Psychopathologen zu
den Erbehungen in den
Anthropophyteia oder auch diese als Belegstücke aus dem
Völkerleben zu den
Untersuchungen Ellis bezeichnen. Viel Folklore bringt
Ellis zwar nicht, und
die spärlichen Angaben aus dem Völkerleben auch zumeist
aus zweiter Hand, da-
gegen aber zahllose höchst wichtige, lehrreiche und
anregende klinische Beobachtun-
gen aus englischen und amerikanischen Zeitschriften, die
uns Deutschen in Wien
kaum dem Namen nach bekannt sind. Ellis ist ein durchaus
kritischer Kopf,
ein Denker der Sexualforschung und wir haben von ihm
noch so manche Vertiefung
unseres Forschunggebietes zu erhoffen.
Wien. Karl Reiskel.
Hans Ostwald: Das Berliner Dirnentum. Ausgabe in zwei
Bänden. Leipzig, Verlag
von Walther Fiedler. Gr. 8e, I 408 SS. u. II
452 SS.
Der bekannte Schriftsteller Hans Ostwald hat in einem
umfangreichen
Werke das Berliner Dirnentum in seinen verschiedenen
Erscheinungen kultur-
geschichtlich und auch historisch dargestellt. Die
Schilderungen aus der Gegen-
wart beruhen jedenfalls auf eignen Beobachtungen und
Studien. Der Verfasser
hat es bei seinen geschichtlichen Ausführungen und
sonstigen Anführungen unter-
lassen, genaue Quellenangaben zu machen, die jedenfalls
sehr zweckdienlich ge-
Vom Büchertische
wesen wären. Das interessante Thema wird in zehn
Abteilungen gegliedert und
behandelt die Berliner Bordelle, die freie Prostitution
im Vormärz, die Mätressen-
wirtschaft in Berlin, den Tanz und die Prostitution, die
männliche Prostitution,
die Prostitutionsmärkte, die Schlupfwinkel der
Prostitution, die Gelegenheits-
dirnen, Dirnentypen und die Ausbeuter der Dirnen.
HansOstwald erfaßt das Dirnentum in seiner
wirtschaftlichen Bedeutung
und nicht nur ethisch, medizinisch, polizeilich oder
politisch. Er stellt Menschen,
ihre Umgebung und Zustände dar und macht aufmerksam, daß
das Dirnentum
mit dem ganzen sozialen Leben eng zusammenhängt. Fur
O s t w a 1 d ist die
Prostitutionsfrage ein Teil der sozialen Frage und kann
seiner Ansicht; nach nur
so aufgefaßt und behandelt werden. Dem großen
Lesepublikum werden in an-
ziehender Weise all die Dinge und Vorgänge des
Geschlechtslebens der Großstadt
vorgeführt und es wird auch über manches aufgeklärt, was
nur wärmstens zu be-
grüßen ist, damit auch weitere Kreise über diese Fragen
ein klares Bild bekommen
und die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, ohne dabei
in moralische Salbaderei
und sittliche Entrüstung zu verfallen.
Karl Reiskel.
Contes licencieux de l'Alsace* Racontés par Le M
agnin de Rougemont.
Kleinbronn 1906: Librairie dépositaire, Gustave
Ficker, Paris, 268 S.
u. XII Vorwort. Preis 20 Fr.
Dieses im Verhältnis zu den Anthropophyteia sehr
teuere Werk ist als 2. Band
der Sammlung Contributions au folklore erotique
erschienen und will gewissermaßen
als eine Fortsetzung en miniature der Kryptadia gelten.
Ein recht glückliches
Zusammentreffen will, daß fast gleichzeitig aber völlig
unabhängig von einander
neben diesen französischen Erzählungen auch die
Anthropophyteia in Band III
aus der Feder Wernerts eine große Zahl urderber
Bauerngeschichten brachten,
Erzählungen, die im Elsaß zum Bestand des
Unterhaltungbedürfnisses zählen.
Die Berichte der Anthropophyteia, welche von der derben
aber nicht perversen
Sinnlichkeit der Elsässer handelten, erfahren durch
die Contes eine untrügliche
Bestätigung. — Während aber die in den Anthropophyteia
gebrachten Schnurren
von Herrn W e r n e r t unmittelbar an Ort und Stelle
aufgezeichnet wurden, also
wirklich bodenständig sind und noch gleichsam den
Erdgeruch an sich tragen,
wurden die Schnurren von Le Magnin de Rougemont für die
pikante Unterhaltung
zurechtgemacht. — Nach der Notice sur le conteur (pag.
XI) ist der Erzähler ein
aus Thann gebürtiger Elsässer mit Namen S't (Fessel,
der avant s'établir entre-
preneur de marbrerie et tailleur de pierres à Rougemont,
avait parcouru toute
l'Alsace dont il connaît le moindre village." Letztere
Bemerkung ist wohl nur
cum grano salis aufzufassen.
Herr Stoessel also, ein sozial Hochstehender, der in
Rougemont ausässig
ist. — Wohlgemerkt, Rougemont liegt in Frankreich, hat
etwas mehr als 2200 Ein-
wohner und wird fast nur mit Rotenburg bezeichnet —
erzählt einem Mann der
Feder, Herrn Gilbert Froidure d'Aubigné derbe
Geschichtchen. Die Geschichtchen
sollen nach einem guten Mahle die Unterhaltung würzen.
Diesen Zweck erfüllen
sie mehr als reichlich. Von wissenschaftlich
zweckdienlichen Gesichtpunkten ist
Vom Büchertische.
427
bei den Contes licencieux im Gegensatz zu den
Anthropophyteia leider abgesehen
worden.
Die in den Anthropophyteia gebrachten
Bauernerzählungen sind von dem
Mitarbeiter Wernert nicht dutzendweise an einem Abend
aus dem Ärmel ge-
schüttelt, sondern während vieler Monate mühsam Stück
für Stück nach der nicht
provozierten zwanglosen Unterhaltung männlicher und
weiblicher Landleute fixiert
worden. Sie spiegeln bäuerliche Unterhaltungweise wieder
und sind darum für
die folkloristische Wissenschaft bedeutungvoll. Die
Contes licencieux stammen
un peu partout (pag. XII) her und wurden erst nach
Jahren wieder aus dem Ge-
dächtnis herausgeholt, um einer dritten Person in die
Feder diktiert zu werden.
Auf diesem Umweg verliert aber jede Erzählung und muß
naturgemäß verlieren,
denn unbewußt schafft die eigene Phantasie mit, wenn
nach ledigUch gehörten
und nirgendwo fixierten Erzählungen einer dritten Person
die Sache wiedererzählt
wird.
Was nun die einzelnen Schnurren der Contes anlangt,
so hätte doch wohl eine
schärfere Sichtung manche Nummer ausmerzen müssen.
Vieles ist lediglich Variante
einer nach Frankreich oder nach Österreich gehörenden
Schnurre. Spezifisch elsäs-
sische Züge sind sogar ziemlich selten. Daß der Erzähler
manche Schnurre im
Elsaß gehört hat, ist ledigUch Zufall, aber damit wird
die Erzählung noch nicht
eis assis ch.
Die Anthropophyteia gehen da weit wissenschaftlicher
vor und nennen die Ein-
sendungen Wernerts: Deutsche Bauernerzählungen. Einzelne
Fußnoten zu
diesen deutschen Bauernerzählungen zeigen auch
ausdrücklich, daß diese oder
jene Schnurre, soweit sich ermitteln Ueß, nach dem Elsaß
eingewandert ist. Durchaus
unwissenschaftlich ist bei den Contes licencieux die vom
Herausgeber beliebte An-
deutung heikler Ausdrücke, auch daraus ergibt sich, daß
die Contes sich weniger
an die Folkloristen denn an das große Publikum wenden.
Trotz all dieser Ausstellungen kann die Sammlung
Interesse beanspruchen,
denn sie bietet dem Leser eine bemerkenswerte Mischung
deutschen und fran-
zösischen Geistes, die Schnurren beweisen uns, daß nicht
nur das Volk an sich seine
Unterhaltungen mit starkderben Stoffen würzt, sondern,
daß auch hochstehende
Schichten zum Zeitvertreib Derbheiten erzählen. Die
Contes sind lokalisiert auf
die südwestlichste Ecke des deutschen Reiches aber auch
auf französische Ort-
schaften.
Acht Schnurren spielen in jüdischen Kreisen, vier in
Kreisen von Anabaptisten,
vierzehn in Kreisen katholischer Pfarrer bzw. Nonnen und
Mönche, die übrigen
Erzählungen beziehen sich auf die Landwirtschaft
treibende Bevölkerung, eine
auf einen Spinnereibesitzer aus Thann, der in die
Schweiz fährt.
Zur Orientierung gebe ich in den folgenden Zeilen die
Überschriften und jeweils
soweit zweckdienlich einen kurzen Inhalthinweis.
1. Le prêtre qui avait des prunes. Die im
Pfarrgarten von Niedersulzbach
spielende Erzählung ist eine kleine Ausschmückung der
altbekannten Schnurre,
wenn der Papst in Rom einzieht läuten alle Glocken. S.
Anthropophyteia Bd. II,
S. 393 S. 386 fast wörtlich.
2. Le juif qui ne pouvait avoir d'enfant. Nach
mehrjähriger kinderloser Ehe
holt sich Levy beim Hufschmied Martin, der jedes Jahr
neuen Kindersegen be-
kommt, Auskunft. Martin bringt Levy dahin, daß Rebekka
nach einem guten
Mahle mit ihm (Martin) kohabitiert. Levy muß dabei
Martin die testiculi halten.
428
Vom Büchertische
Frau Rebekka hat noch nie solche eheüche Freuden
erlebt und ist überglücklich.
Levy hat die Lehre begriffen und will ebenfalls sein
Meisterstück machen. Rebekka
meint, die Sache wird nicht gelingen, denn personne
n'est la pour te tenir les
bourses. Levy weiß Rat, er knüpft seine Hoden an den
Ring, an welchem die Nacht-
lampe aufgehangen wird und Rebekka ist außer sich vor
Freude, einen so intelli-
genten Mann zu besitzen. Plötzlich kracht das Lager
zusammen und Levy hängt
weheklagend an der Decke: „Haie! Aye! hurle-t-il.
Coupe-la! Coupe-la! Seit
der Zeit kann man die Juden von Foussemagne nicht mehr
erzürnen, als wenn
man ruft: Haïe! Aye! Coupe-la! Coupe-la! Sollte dem
Erzähler dabei nicht etwa
ein Mißverständnis unterlaufen sein? Vielfach neckt man
auch anderswo israeli-
tische Mitbürger mit ähnlichen Rufen und meint damit die
Beschneidung. Sehr
gut persifliert der Erzähler das mangelhafte
Französisch, welches viele elsässische
Juden sprechen (Seite 9 „et toi un beau femme".).
Die Anthropophyteia bringen ähnlicher Unterweisungen
eine ganze Reihe.
3. Le jeune marié. Ein dummer Bauer von
Burnhaupt heiratete ein Mädchen
von Soppe-le Haut. Der Vater gibt seinem Sohne
Anweisungen, was er nach dem
Hochzeitsmahle zu tun habe. Er solle mit der
Neuvermählten in die Scheuer gehen
und dort das eheliche Werk verrichten. Der Sohn^
klettert mit seiner jungen Frau
auf den Heuboden und fällt während der Tat in den Stall
hinunter auf die Hörner
eines Ochsen. Papa ! Papa ! Je suis tombé dedans ! Viens
vite à mon secours" schreit
der Aufgespießte. ,,Eh bien," antwortet der Vater, „si
tu es dedans, restes — y le
plus longtemps que tu le pouras! Je te jouhaite un beau
garçon."
4. Le vagabond. Ein Zigeuner bittet den
Pfarrer von Sentheim um Speise.
Der Pfarrer verweist ihn an die Köchin, die ihm zwei
Eier in die Pfanne schlagen solle.
In der Küche sagt der Zigeuner, die Köchin solle sich
auf Wunsch des Pfarrherrn
geschlechtlich gebrauchen lassen. Nach kurzem Zögern
kommt die Köchin dem
Wunsch nach. Bald kommt der Pfarrer und sieht auf dem
Tische weißliche Flüssig-
keit. Die leckt der Geistliche mit dem Finger auf, indem
er ruft: „Imbecile, je te
fais donner des oeufs frais et tu en laisses le
meilleur:" Vergleiche dazu Historische
Quellenschriften zum Studium der Anthropophyteia Bd. IV,
Seite 57 (Zwei Eier
und mehr). Die in den Contes licencieux genannte Köchin
trägt fälschlich den
Namen Pavela. Der Verfasser meint Barbara, elsässisch
heißt das Barwela oder
Barwel, Bärwel.
5. Mamas Liebling! Ein Spinnereibesitzer aus Thann im
Elsaß badete in der
Schweiz. Als Schwimmhose knüpfte er zwei
Kinderservietten zusammen, auf denen
die Worte gedruckt waren: Mamas Liebling! Alle Badegäste
lachten laut auf ,als
sie den Mann mit dieser ominösen Schwimmhose sahen.
Keine Erzählung bekundet
wohl besser als diese, daß die Herausgabe der Contes
licencieux eine ganz wülkürliche
Zusammenstoppelung derber und unsauberer Schnurren ist.
Diese Schnurre wurde
bereits vor zehn Jahren und mehr von Studenten der
Breslauer Hochschule als
schlesisches Vorkommnis zum besten gegeben ! Mehr
braucht man wohl nicht zu
sagen, um das „elsässische" an dieser Schnurre zu
würdigen.
6. La chevüle. Die bekannte Erzählung von den
drei Freiern einer reichen
Maid, welche vom Vater des Mädchens die Aufgabe gestellt
bekommen, einen Faß-
spund zu machen. Der erste Freier bringt einen schön
geschnitzten Spund aus Holz,
der zweite einen aus Gold, der dritte Freier
entschuldigt sich damit, er müsse erst
das Loch sehen, um einen passenden Spund anfertigen zu
können. Dieser Freier
Vom Büchertische.
429
wird erhört und der Vater sagt: je suis bien assuré
que ta cheville lui ira comme
un gant!
7. Quand on épouse quatre femmes. Wer vier
Frauen ehelicht, hat zuerst eine,
die treu ist wie ein Hund, die zweite als ein
verspieltes Kätzchen, das auch kratzen
kann; die dritte ist wie ein Huhn, das alle Körner für
sich zusammenscharrt, die
vierte ist eine zu allem fähige Sau. Ein Spruch, der
mehr französisch als elsässisch
sein dürfte.
8. Il faudrait un juge de C... Von drei
badischen Mädchen harnte die erste
Maid einen Amboß rotglühend, die zweite harnte in den
Rhein, daß der Strom
von der Schweiz bis in das Meer mit Höllenlärm schäumend
brauste, die dritte
harnte so heftig, daß der Schwarzwald in Brand geriet.
Frage: Laquelle avait
le C... le plus chaud? Réponse: Eh bien, il y a bien des
juges de paix (pets), mais
des juges de C... il n'y en a pas en Alsace." Die
französische Fassung beweist allein
schon, daß die Schnurre nur französischen Ursprunges
sein kann.
9 La Carotte. Ein reicher Landwi't findet im
Nachttisch seiner hübschen
gar nicht zum Heiraten aufgelegten Tochter eine
prächtige Karotte. Da geht ihm
ein Licht auf. Er steckt die Karotte ein und zeigt in
Gegenwart der Mutter und
Tochter den als Gästen ankommenden Verwandten aus
Straßburg die Karotte
welche er als seinen Schwiegersohn vorstellt. Das
Mädchen war entlarvt und heiratete
binnen acht Tagen.
In einer Fußnote wird die Geschichte der Schwester
des Piron mit Recht an-
geführt, denn sie darf als Quelle gelten. Der König
möchte die Schwester Pirons
sehen. Piron findet sie noch im Bett und dabei, sich mit
einer Karotte zu
befriedigen. Piron steckt die Karotte heimlich zu sich
und zieht als die Schwester
dem König vorgestellt wird, das corpus delicti aus der
Tasche mit den Worten:
,,Sire — voici mon beau-frére !"
10. Les C... de papa. Herr und Frau Meyer aus
Kolmar gehen Sonntags
mit ihrem zehn Jahre alten Söhnchen ins Wäldchen
spazieren. Moses, der Knabe,
wird fortgeschickt, Waldbeeren zu suchen. Meyer und Frau
rüsten sich zum Liebes-
akt in freier Natur. Moses hat so was geahnt und sich
zur Beobachtung zurück-
gezogen. Während die Eltern in actu sind, ruft der
Knabe: ,,Voyons, maman,
relève-toi un peu. Tu ne vois donc pas que le c... de
papa traînent dans la mousse ?
Die Schnurre ist städtischer Herkunft.
11. Le noeud impossible. Eine junge Frau aus
dem Masmünstertal war mit
ihrem Mann unzufrieden. Letzterer hatte viele Schätze in
den Dörfern der Um-
gebung und vernachlässigte seine Frau. Eine alte
Quacksalberin rät der trostlosen
jungen Frau, sie solle das Glied ihres Mannes zu einem
Knoten knüpfen. Das sei
ein Allheilmittel und mache es dem Manne unmöglich,
auswärts Geschlechtsfreuden
zu genießen. In derselben Nacht stellt die Frau
diesbezügliche Versuche an. Es
gelingt ihr nicht, der Ehemann ist verwundert über das
Treiben seiner Frau, muß
aber herzlich lachen. In guter Stimmung wohnt er seiner
Frau bei. Verschiedent-
lich versuchte es die Frau noch in der Nacht und reizte
damit ihren Mann bis zur
Erschöpfung. Von da ab versuchte die Frau allabendlich
die Schürzung des Knotens,
und der Mann war froh, wenn die Nacht herum war und
trieb sich bei anderen
Frauen fürder nicht mehr herum.
12. La Grand'mère. Piccard schickt seinen
achtzehnjährigen Sohn Josef mit
fünf Mark nach Maßmünster, damit er sich dort endlich
einmal mit Weibern amü-
siere und Lust zur Heirat bekomme. Unterwegs trifft
Josef seine Großmutter,
430
Vom Büchertische.
der er den väterlichen Rat mitteilte. Schnei) sagt
die Großmutter, er solle zu ihr
kommen und im Heim der Großmutter angelangt, läßt die
Alte sich den Fünfmark-
schein geben und nimmt Josef zu sich in das Bett.
Dreimal hintereinander genießt
Josef bisher unbekannte Freuden und er verspricht,
wiederzukommen. Daheim
klärt er den Vater auf. Letzterer ist ganz entsetzt und
schreit, das sei ein schreck-
liches Verbrechen. „Un crime, allons donc papa!" sagt
der Sohn, ,,J'ai couché avec
ta mère, c'est entendu. Mais est-ce que tu ne couches
pas toutes les nuits avec la
mienne!"
Trotz mancher liberalen Lebensauffassung der
Israeliten im Elsaß ist die Keusch-
heit des weiblichen Geschlechtes sehr groß.
13. Qu'on me laisse la queue! Das Nonnenkloster Sankt
Katharina in Frank-
reich wurde wie alle Klöster aufgehoben. Die Oberin,
eine schöne Brünette, wollte
von der Ausweisung nichts wissen. Ein Spaßvogel aus
Kleinbronn kam mal an das
Kloster und da er nichts von der Nonnenausweisung wußte,
klopfte er am Kloster-
pförtlein. Nach langem Warten kam endlich die Oberin und
öffnete. ,,Ach, Augustin,
Ihr seid's ! Tretet ein ! Zwar ich bin allein, denn alle
Schwestern sind jenseits der
Vogesen im Elsaß, weil sie vertrieben worden sind. Ich
verlasse das Kloster nur,
um gleich die Freuden des Himmels zu genießen." ,,Wenn
ich das gewußt hätte,
würde ich für Euch Flügel mitgebracht haben," sprach der
Witzbold. Die Schwester
war ganz entzückt und laßt den Mann bitten, ihr Flügel
aus Tuch zu machen. Der
Witzbold geht darauf ein und ißt und trinkt gut. Nach
Fertigstellung der Flügel
muß die Schwester dieselben probieren. Die Schwester
zieht sich auf Geheiß aus
und macht Fliegversuche. Umsonst! Bald sieht sie den
Fehler j'ai bien des ailes,
mais il me manque la queue. Dem Mangel hüft der
Flügelmacher ab und steckt
der Oberin sein Glied in die Scham. Kaum ist's an dem,
da verzichtet die bebende
Nonne auf Flügel und Himmel wie Paradies unter der
Bedingung: ,,Qu'on me
laisse la queue!"
14. Je n'ai pas couché avec la mère! Ein Pfarrer
verlangt als Zehnten beim
Bauern eines der zehn Ferkel, welches die Muttersau
geworfen hatte. Im Gehöft
trifft der Pfarrer Natzi, den jüngsten Sohn des Bauern.
Natzi ist mit den Wünschen
des Pfarrers bekannt und er sagt: „Herr Pfarrer wir sind
zehn Kinder, welches
wollt Ihr?" — „Keines! Ich habe nicht mit Deiner Mutter
geschlafen." — ,,Ja
habet Ihr denn mit unserer Sau zusammen gelegen?"
15. Le chaton. Die fünfzehnjährige Bauerntochter ist
entsetzt, als sie die
Schamhaare wachsen sieht. Die Mutter tröstet die
Tochter, welche Angst hat,
wie ein Tier zu werden, und sagt, sie habe eine größere
Katze am Leib als die Tochter.
Der Diener hat diese Unterhaltung gehört und erklärt, er
habe Mäuse, um das
Kätzchen der Tochter zu füttern. Die Tochter findet
Freude an dieser Art Mäuse.
Eines Tages sieht die Tochter eine Ziegenherde, und
bedauernd sagt das Mädchen:
„Schade, daß mein Kätzchen nicht so groß wie eine Ziege
ist, wie groß müßten
dann die Mäuse sein, welche unser Diener Franz mir
täglich in den Leib steckt."
Siehe Anthropophyteia Bd. I, Nr. 141 u. 142.
16. Sept petites fois. Madame Hug und Madame Block
halten sich wegen
der Kinderzahl auf. Frau Bloch spricht: „In weniger als
zehn Jahren haben Sie
sieben Kinder. Ich habe doch meinen Mann ebensolange wie
Sie, aber zwei Kinder
genügen. Sie denken nur an den Geschlechtsgenuß." — „Da
irren Sie sich, Frau
Bloch! Sieben Kinder in zehn Jahren macht sept petites
fois en dix ans."
Vom Büchertische
431
17. L'escalier. Der Amtsrichter von Maßmünster
beschließt, um Gewißheit
zu haben, ob ein Mädchen mit Gewalt defloriert wurde
oder nicht, das Mädchen
müsse mit einer Kerze im anus eine Treppe hinansteigen.
Der beklagte Bursche
bekommt eine brennende Kerze und soll damit die Kerze
des Mädchens anzünden.
Das Mädchen wackelt so stark mit den Hinterbacken, daß
dem Burschen sein Vor-
haben nicht gelingt. Hättet Ihr ebenso abgewehrt, wie
jetzt, dann wäret Ihr nicht
defloriert worden I Man hat Euch keine Gewalt angetan/1
urteilt der Richter.
18. Satin, nerf onsos. Siehe dazu Anthropophyteia Bd.
III. Deutsche Bauern-
erzählung Nr. 71: Was ist es. Vergleiche auch die
Variante in den Contes: Der
Vagabund gebraucht die Schwestern geschlechtlich und
hernach sagt die erste:
,,Je ne connais раз, de viande si dure sans os." Die
zweite: ,,I1 n'est pas de liqueur *
si douce sans mere!" Die dritte: ,,Je n'ai jamais vu, ni
entendu, ni senti tant
cracher sans tousser."
19. Schau an und sei geheilt. Ein junger Bursche aus
Burnhaupt war mit
einem Mädchen aus Gewenheim verlobt. Der Bursche wollte
das Mädchen noch
vor der Hochzeit aufs Beilager führen und um das leicht
zu haben, stellte er sich
krank. Das Mädchen eilt ans Bett und will den Arzt
rufen. Vergebens sagt der
Bursche, ,,ich habe nur wenige Stunden noch zu leben".
Das Mädchen verspricht
allerlei, aber der Bursche meint, Heilung könne er nur
finden, falls er beschauen
dürfe la petite affaire que vous avez entre les jambes.
Die Verlobte wird unmutig
und geht fort. Wenige Monate heiratete er die Jungfer,
Nach einem Jahr wird
der Ehemann ernstlich krank. Man rät der Ehefrau, Urin
des Mannes dem Arzt
nach Maßmünster zu bringen. Es kostet nur 1 Mark, wenn
man zum Doktor gehe,
während der Doktor für einen Gang 10 Mark verlange. Die
Frau macht sich auf,
doch unterwegs wird sie andern Sinnes. „Schon zurück?"
ruft der Kranke. „Nein,
ich habe mirs anders überlegt," damit war die Frau im
Handumdrehen dabei, sich
auszuziehen und indem sie hüllenlos dastand, meinte sie:
„Was soll der Doktor
und Arznei; das kostet Heidengeld. Du hast mir mal
gesagt, daß dich einzig vom
Tode retten könne die Schau meiner Scham. So schau sie
an und sei geheilt"
20. Le colonel et son ordonnance. Diese Geschichte
besteht aus zwei nicht
ungeschickt zusammengeschweißten Erzählungen. Ein
Offizier in Mülhausen er-
lebt die schönsten Schäferstündchen mit der Frau seines
Vorgesetzten. Dieser
Vorgesetzte gibt ihm ahnungslos stets die besten
Ratschläge und hört anderen
Tages, wie sehr er sich selber die Hirschhörner
aufgesetzt habe. Zum Schluß kommt
der von Amor begünstigte Offizier in einem Koffer nach
dem von Schwestern ge-
leiteten Mädcheninstitut zu Rappoltsweiler (irrtümlich
schreibt der Verfasser der
Contes Rappostwiller). Im Mädchenkloster springt in
günstigem Augenblick der
Offizier aus dem Kloster und stellt sich im Kämmerlein
eines Mägdleins—der Tochter
des Mülhauser Offiziers — an den Platz, auf welchem eine
Statue des heiligen Joseph
stand. Ahnungslos legt sich das Fräulein ins Bett und
bald ruft der Offizier leise,
er sei der heilige Joseph und habe kalt. Bald darf
dieser heilige Joseph in das Bett
des mildherzigen Mägdleins. Anderen Tages bekommt der
Offizier die abgetragenen
Kleider des Mädchen.» und bewegt sich nach Lust unter
den Institutsdämchen.
So lebte der Soldat manchen Monat im Kloster und knüpfte
die schönsten Ver-
hältnisse an, die leider nicht ohne Folgen blieben.
Schließlich konnte der Zustand
einzelner Mädchen nicht mehr verborgen bleiben. Alle
Mädchen und Schwestern
müssen sich vor der Oberin ausziehen. (Der Schluß
identisch wie Nr. 92 Die männ-
licheNonne. Seite 135,Bd. III. Quellenschriften zum
Studium der Anthropophyteia.)
432
Vom Büchertische.
Eine Vergröberung ist, daß der vorgesetzte Offizier
in Wut sein Gesäß dem Täter
hinhält mit den Worten: ,,Du hast meine Frau geküßt,
meine Tochter schwanger
gemacht, küsse auch mich, so hast du die ganze Familie
geküßt."
21. S'il était. Männer und Frauen streiten. Einer
legte den Zeigefinger an
den gekrümmten Daumen und sagte: „Wenn die Fran es so
groß hätte!" Ein
zweiter vereinigte die Daumen und Zeigefinger beider
Hände und sprach: „Wenn
es noch so groß wäre!" Ein dritter zeigte seine Mütze
mit den Worten: „Nur zu
oft ist es so groß." Da antwortete eine Frau und zeigte
auf ihren Schenkel : „Wenn
die Männer es nur so hätten"; eine zweite wies lachend
auf ihr Handgelenk, eine
dritte Frau endlich zeigte den kleinen Finger mit den
Worten: „Mais ils l'ont
comme cela!"
22. Le borgne. Die bekannte mittelalterliche
Schnurre, in der eine junge
lebenslustige Frau mit ihrem Liebhaber vom alten
halbblinden Ehegemahl über-
rascht wird. Die Frau läßt den Mann vorerst nicht in das
Haus bis sich der Lieb-
haber angezogen hat, dann öffnet sie und entschuldigt
sich, weil sie des Mannes
Stimme nicht gleich erkannt habe. Gleichzeitig hält sie
ihrem Manne das sehende
Auge zu mit der Behauptung, geträumt zu haben, die
Mutter Gottes habe ihm
die volle Sehkraft verliehen. Der Mann bestreitet das,
inzwischen gelingt dem
Liebhaber die Flucht.
23. Le curé qui devint diable! Der unzüchtige Pfarrer
wird von der Frau
eines Kohlenbrenners mit Wissen ihres Mannes in eine
Kiste gesperrt. Der Köhler
fährt die Kiste nach Mülhausen und verkauft den Kasten
mit dem schwarzen Teufel
an jüdische Händler. Kaum wird der Kasten geöffnet, da
schnellt der Pfarrer
heraus und flieht, eifrig verfolgt von den geprellten
jüdischen Händlern.
24. Les œufs au ventre. Ein Straßburger Student macht
einem Dienstmädchen
in einem Vogesengasthaus vor, es habe Eier im Leib uüd
müsse noch schwer leiden.
Er wolle als Mediziner Heilung verschaffen und die Eier
im Leibe zerdrücken. Alle
Nacht vollbringt er seine Taten. Die Hausfrau sieht
einmal das Mädchen aus dem
Zimmer des Studenten kommen und erfährt den Sachverhalt.
(Städtischen Ur-
sprungs !)
25. Eine Viehmagd Claudine bleibt eines Abends lange
aus, sie hat ein Schwein
verloren und will lieber sterben als heimkehren. Der
Sohn des Bauern findet das
weinende Mädchen, er heißt Claudine nach Hause gehen.
Alle Drohungen helfen
nichts. „Claudine ich töte dich," ruft endlich der
Bauernbursche und macht sich
an das Mädchen, um es geschlechtlich zu gebrauchen. Bald
will das Mädchen noch-
mals getötet sein.
Vergl. Historische Quellenschriften zum Studium der
Anthropophyteia Bd. III,
Seite 44: Knecht uud Magd auf der Wallfahrt.
26. La servante du curé. Fast identisch mit „Freundin
steh auf". S. 66, Bd.
IV der Quellenschriften zum Studium der Anthropophyteia.
27. Quand je les fais l'autre les mange I Der
kinderlose Ehegatte geht zur Er-
füllung eines Gelübdes auf die Wallfahrt, unterdessen
soll die Frau Rosenkränze
beten. In Wahrheit lebt die Frau aber statt zu beten
lustig mit dem Pfarrer. Der
vor der vereinbarten Zeit heimkehrende Mann findet beide
in actu. Da flucht
der Mann: „Was nutzen alle Wallfahrten, die ich
unternehme? A mesure que je
fais des enfants, lè curé est là pour les manger.1'
28. L'animal inconnu. Die Erzählung besteht aus zwei
ganz verschiedenen
Bestandteilen: a) Der Teufel wird vom Bauer überlistet,
denn der Teufel als Mit-
Vom Büchertische.
433
besitzer eines Ackers will die außerhalb des Bodens
wachsenden Feldfruchte. Da
pflanzt der Bauer Kartoffeln und der Teufel bekommt das
Kraut. Im folgenden
Jahre will der Teufel das umgekehrte Verfahren, da
bestellt der Bauer das Feld
mit Getreide, b) Der Teufel will nach mehrfachem
Geprelltsein auf den Mitbesitz
verzichten, wenn der Bauer ihm ein Tier, sei es Fisch,
Vogel oder Säugetier, zeigt,
dessen Name der Teufel nicht weiß. Der Bauer hat Angst
und erzählt den Fall seiner
Frau. Die weiß Rat und bestreicht sich völlig mit einem
klebrigen Stoff, wälzt sich
unbekleidet in Entenfedern und nimmt in
Knieellenbogenlage Stellung im Garten.
Als der Teufel kommt, ist er geschlagen. Das ist kein
Insekt, kein Vogel, denn
er hat vier Füße, kein Fisch, er hat drei Mäuler. Der
Teufel ist mit seinem Latein
zu Ende. — Vergleiche Anthropophyteia Bd. I: Der
Teufelsweizen (Seite 173).
29. La vérole. Der Freier tritt vom Verlöbnis zurück,
weil er geschlechts-
krank bei der Verlobten geworden sei. „Lügner, wie kann
ich dir die Syphilis ge-
geben haben, da ich sie nicht los bin?"
30. Ferme la boutique. Auf einer Treppe sitzt eine
Frau und erzählt den um
sie herumsitzenden und lachenden Knaben. Da kommt der
Ehemann zurück.
Der Mann bemerkte, daß die Burschen nur lachten, weil
sie die Genitalien der höher
sitzenden Frau sahen. SchUeß die „Bude, Judith I S'ist
heut Schabbes," rief der
Mann und Judith merkte, wo es hinausging, aber ruhig
erklärte sie: „Wer trägt
die Schuld? Du hast den Schlüssel, warum hast du vor
deinem Weggang nicht
zugeschlossen ?"
31. L'outil gelé. Der junge Ehemann macht keine gute
Figur im Ehebett.
Wütend springt er zum Fenster, reißt es auf und hängt
sein Glied hinaus. Es war
mitten im eiskalten Winter. Entschlossen sprach der
junge Mann: „Kerl, ich laß
dich so lange draußen, bis du gefroren und steif wie ein
Stock bist!"
32. Pourquoi le cacherais-je? Die Hochzeiterin tanzt
im zerrissenen Rock.
Die Brautmutter wollte mit Nadeln aushelfen, „Warum soll
ich meine Scham
verstecken, wird sie denn mein Mann nicht gleich doch
finden?"
33. J'ai lę feu au c... ! Eine Hochzeiterin saß vorm
Ofen und ein Funke sprang
ihr ans Hemd, Sie merkte lange nichts davon, endlich
spürte sie die Hitze; sie
hüpfte immer toller umher. „Was ist denn los?" fragten
die Hochzeitgäste. „Ich
hab Feuer an der Scham!" „Das ist kein Wunder,"
kreischten die Anwesenden,
„dein Mann wirds gleich löschen."
34. Si vous saviez d'où sort ma fille. Eine Witwe
verheiratete ihre Tochter,
doch sollte die Braut erst später Vermögen bekommen. Die
Mutter meinte, der Freier
solle glücklich sein, die Tochter zu bekommen, denn die
Tochter stamme aus großem
und prächtigem Hause, im ganzen Elsaß gäbe es kein
ähnliches. — ,,Na, dann
heben Sie die Kleider auf, Schwiegermutter, damit ich
das prächtige Geburthaus
ihrer Tochter sehe.
35. L avaricieuse. Ein Bursche mußte für den
Beischlaf mit einer hübschen
Witwe einen Louisd'or bezahlen. Der Bursche schimpfte
über den Geiz der Witwe,
jeden Kuß müsse man bezahlen. Nach dem Akt wollte der
Bursche aus dem Bette
springen, doch da hielt ihn die Frau zurück und stellte
ihm anheim, einen zweiten
Akt umsonst zu inszenieren.
36. Qui est le plus vieux des deux? Drei
Betschwestern bemühten sich um
den Pfarrer von Niederbrück. Die, welche am besten seine
Fragen beantwortete,
sollte zuerst beglückt werden. Die Frage lautete: „Wer
ist älter, der Mund oder
die Scheide." Die erste sagte: „Mein Geschlechtteil,
denn er trägt einen Bart,
Krause, Anthropophyteia.
IV. 28
434
Vom Büchertische.
nicht aber mein Mund." Die zweite sagte: MMein
Mund, denn darin sitzen noch
Zähne, am erwähnten Ort habe ich aber keine." Die dritte
erklärte: ,,Ich stimm
für den Mund, denn der ist längst entwöhnt worden und
meine Scheide verlangt
nur danach, am Penis der Herrn Pfarrers zu saugen."
37. Le bréviaire du curé. Ein Pfarrer von Sennheim
war von einer reichen
Betschwester zum Essen geladen. Er verspätete sich ein
wenig und ängstlich lugte
hinter den Fensterläden die Betschwester räch dem
Eingeladenen aus. Endlich
sah sie ihn kommen. Im Garten hob der Pfarrer schnell
seine Soutane und ver-
richtete die Notdurft, dann betrat er das Haus. Nach der
Begrüßung bat die Bet-
schwester, der Herr Pfarrer möge sich die Hände waschen,
um das Mahl beginnen
zu können. Das sei unnötig, denn er habe sich vorher
gewaschen und unterwegs
nur sein Brevier in der Hand gehabt. „Das nennt Ihr,
Herr Pfarrer, ein Brevier?
Ich würde es eher eine prächtige Wurst nennen."
38. Le meunier d'aspuch, Ist lediglich eine modern
ausgeschmückte Wieder-
erzählung einer Schnurre von Poggio Bracciolini. Siehe
„Fünf Eier" Seite 179
Bd. IV der Romanischen Meistererzähler, Leipzig 1906.
39. Le Plumeau. Eine moderne Fassung der schon von
Jakob Frey in der
Gartengesellschaft gebrachten Schnurre „Der
Bürstenstiel". Vergleiche Bd. 3
der Quellenschriften zur Anthropophyteia, Seite 14.
40. Les deux pelotons. Vergleiche Anthropophyteia Bd.
IV.
41. Non, c'est celui du maitre d'école. Der Pfarrer
von Reppen war berüchtigt
wegen seines unmäßig kleinen Gliedes, darum wollte eine
schöne junge Witwe
nichts von ihm wissen, bevor sie nicht seinen Penis
gesehen habe. Um nicht aus-
gelacht zu werden, schickt der Pfarrer zum geheimen
nächtlichen Stelldichein
den Schullehrer. In der dunklen Nacht streckt die Witwe
die Hand zum Fenster
hinaus und befühlt den Lehrer. „Oh oh," ruft sie, das
Fenster zuwerfend, „das
ist der Schullehrer, denn einen ähnlichen zweiten gibts
nicht! Er hat mir mehr
denn einmal wehe getan."
42. Chance de putain ! Einer Dame erzählte man, ein
nicht eben gut beleumdetes
Mädchen von Obersulzbach sei beim Waldbeerenpflücken von
Strolchen überfallen
und zwölfmal geschlechtlich mißbraucht worden. „Solch
ein Glück begegnet mir
nie," klagt unbedacht die Dame.
43. Le mauvais outil. Ein Mann wurde von seiner Frau
ausgeschickt, sich
neue Manneskraft zu holen. Die Frau gab ihm 100 Mark
mit. Nach acht Tagen
kommt der Mann zurück und kann in einer Nacht fünfmal
seiner Frau genügen.
„Die hundert Mark reuen mich nicht, aber wo hast du dein
altes Instrument gelassen,
das so schwach war?" fragte die Frau. „Ich gabs dem
Schmied für einen armen
Mann," versetzte verschmitzt der Gatte. „Hättest es
nicht tun sollen, Peter, denn
für meine bejahrte Mutter wäre es auch noch gut
gewesen."
44. Le chat dans le ventre. Eine Urinprobe. Vgl.
Romanische Meistererzähler
Bd. IV, Nr. in und Anthropopyhteia Bd. II, S. 380, S.
427, Bd. III, S. 96. Mit
der Schluß variante, daß die Pfarrköchin den kranken
Pfarrer einschmieren muß,
um die Katze, welche im Leib des Pfarrherrn stecken
soll, zu töten. Als die Magd
das erstemal salbt, schreit sie: „ich spüre schon den
Katzenschwanz; es muß eine
alte Katze sein!"
45. Les cigares. Dieselbe nur wenig weitergeführte
Erzählung wie Anthro-
pophyteia Bd. II, Nr. 29. Städtische Erzählungen, die in
Niederösterreich ge-
sammelt wurden;
Vom Büchertische.
435
46. Je vous f... tous! Einem Gendarme war der
Transportat entlaufen,
man wies den Gendarmen in ein Haus, woselbst der
Entlaufene sich aufhalten
sollte. Wütend drang er in die Wohnung, woselbst eine
Witwe und. deren Magd
wohnten. Mit gezücktem Säbel fährt der Beamte im Haus
umher und schwört
im Namen des Kaisers jeden vorzunehmen. „Herr Gendarme,"
wehklagt das Dienst-
mädchen, ,,wenn Sie jeden vornehmen wollen, dann
verschonen Sie meine gute
Herrin, die krank ist. Hier ist ein Sofa, ich will Ihnen
gern zweimal zu Diensten
sein." ,,Ach du Nimmersatt," ließ sich die Witwe hören,
„wenn es des Kaisers
Befehl ist, soll der Gendarme mich zuerst vornehmen."
47. L'apprentissage. Die junge Frau springt schnell
aus dem Bett als sie hört,
der Mann wolle seine Lehrzeit in ehelichen Sachen bei
ihr beginnen. ï>er Pfarrer
habe sie längstens angelernt.
48. Ma dot est donc payée! Der vergeblich auf
Auszahlung der versprochenen
Mitgift drängende Schwiegersohn droht, sich an seiner
Frau zu rächen. Er ver-
kehrt häufiger als je geschlechtlich mit ihr, um sie dem
Tode nahe zu bringen. Die
Frau wird aber nur lebenslustiger bei solch einem Modus
und glaubt, ihre Eltern
hätten dem Manne das Geld ausbezahlt, während der Mann
fast am Rande des
Grabes steht.
49. Graisse, Kuterlé! Ein Hirtenknabe war vom
Hirtenmädchen beobachtet
worden, wie er Sodomie trieb und wurde vom Mädchen darob
verhöhnt. Um das
Mädchen zum Schweigen zu bringen, ersinnt eine alte vom
Hirten um Rat angegangene
Quacksalberin den listigen Plan, dem Mädchen einzureden,
es sei krank und habe
beim Springen über die Gräben die Jungfrauschaft
verloren. Das Mädchen muß
sich unbekleidet aufs Bett der Alten legen und dort
nicht umschauen. Die Alte
ruft Josef den Hirten herbei und der salbt dem
Hirtenmädchen per coitum die
Jungfrauschaft wieder zurecht. „Salbe weiter,, salbe
weiter," ruft das Mädchen.
Von da ab hatte der Hirte Ruhe, denn sobald ihn das
Mädchen neckte, sprach
er nur: „Salbe weiter, salbe."
50. Nas-tu pas honte? Der Knecht findet seine Herrin
schlafend in der Scheune.
Da die Herrin leicht bekleidet ist und die Gelegenheit
günstig war, macht sich der
Knecht über die Herrin. „Was machst du, hast du kein
Schamgefühl?" „Ent-
schuldiget, ich ziehe mich zurück." — „Das meinte ich
nicht, ich fragte nur, ob
du dich nicht schämst, deine Meisterin zu küssen?"
51. La fille prise par force. Das geschwängerte
Mädchen klagt gegen den
Kindesvater vor Gericht, er habe Gewalt gebraucht. „Sie
hat die Hinterbacken
so stark hin und herbewegt, daß ich nicht behaupten
kann, den Coitus vollzogen
zu haben," erklärt der Bursche. „Lügner," ruft das
Mädchen, „ich schwöre, eben-
sowenig die Hinterbacken bewegt zu haben, als der
Kruzifixes hier im Gerichtssaal !"
52. Wie 51. Doch sucht sich der Knabe mit der
Kleinheit seines, membrum
herauszureden. Das Mädchen erklärt darauf: „Monsieur le
juge, permettez-moi
de le tenir cinq minutes dans la main, comme je le fais
d'habitude, et vous verrez
si sa p... n'est pas aussi grosse que la vôtre!"
53. L'eaux miraculeux. Ein alter Mann hatte
eine junge Witwe geheiratet.
Vergebens wartet man auf Kinder. Der Pfarrer von
Steinbach kannte die Wünsche
der Eheleute und schlug eine Wallfahrt nach einem
schweizerischen Wunderort
vor. Der Mann mußte viele Rosenkränze beten und
Wunderwasser trinken, was
ihm gar nicht bekam. Die Kur und Wallfahrt nützte dem
Ehepaar nichts. Im
folgenden Jahr schickte der Ehemann seine Frau allein
mit dem Pfarrer nach dem
28*
43$
Vom Büchertische.
Wallfahrtsort. Nach neun Monaten genas die Frau eines
Knäbleins und der Ehe-
mann war,glücklich über das Wunder,
54. Le jambon de Pâques. Eine dumme Magd gibt die von
ihrer Hei in auf
Ostern aufgehobenen Fleischvorräte einem Stromer, der
sich Ostern nennt, Die
Magd kauft für einen Thaler Verstand und der Stromer
führt dem Mädchen den
Geist per vaginam zu. Von diesem Tage ab will die Magd
sparen, um möglichst
viel Geist zu kaufen. Die Magd erzählt alles ihrer
Herrin, letztere ist anfangs furcht-
bar böse, als sie aber die Versorgung von Geisteskräften
hörte, inußte die Magd
den Verkäufer aufsuchen, damit auch die Herrin ihren
zusammengeschrumpften
Vorrat ergänzen könne.
55. L'anabaptiste benêt. Die junge Frau stellt
sich auf Geheiß ihrer Mutter
sterbenskrank, der Ehemann holt auf Geheiß der
Schwiegermutter bei einer weisen
Frau Rat und muß, was er bisher noch nie getan hat, mit
seiner Gattin kohabitieren.
Das bringt der Kranken die Gesundheit. Traurig meint der
Ehemann, wenn er
dieses Mittel früher gekannt hätte, würde er es bei
seinem Vater wie seiner Mutter
angewendet haben, um sie am Leben zu erhalten. — Also
eine bekannte mittel-
alterliche Erzählung.
56. La gueule du brechet. Vergleiche Anthropophyitea
Bd. I, S. 253.
57. Qu'y ferai-je alors? Eine spröde Jungvermählte
will nicht in das Ehebett.
,,Ich mache dir gar nichts," schwört der Ehemann* ,,Ja
was soll ich denn dann
im Bett?"
58. Les c... noires. Zwei Weiber unterhalten sich
über ihre Männer. Eine
beklagt, daß die Hoden ihres Mannes so schwarz seien.
Das hört aus einem Ver-
steck der Mann und kommt nach einer Weile herbeigelaufen
mit der Beschuldigung,
sein Weib habe sich nach Verrichtung der großen Notdurft
das Gesäß mit einem
Stein gesäubert und diesen Stein habe es über die Mauer
des Pfarrgarten geworfen.
Im Garten sei aber der Bischof spazieren gegangen und
der habe durch den Stein-
wurf ein Auge verloren. „Glaube nicht, daß ich es
gewesen bin," entschuldigt sich
die Frau, „denn so lange als wir verheiratet sind, habe
ich mir noch nie das Gesäß
gesäubert!" — „Ja, warum klagst du alsdann, daß meine
Hoden schwarz sind?"
59. Les rosaires. In der Hochzeitnacht will die junge
Frau vor Beginn des
Liebesaktes fünf Rosenkränze beten. Darüber schläft der
Ehemann ein, zum großen
Leidwesen der Gattin.
60. Dis toujours: non! Wesentlich identisch mit „Von
einem Jüngling, der
sich findiger als der Kaiser bewährte" Anthropophyteia
Bd. I, S. 300. Die Ge-
schichte in den Contes licencieux spielt in jüdischen
Kreisen.
61. La veuve. Dieselbe Erzählung, welche in den
Schnurren des Poggio Brac-
ciolini (vergl. Romanische Meistererzähler Bd. IV, S.
146 Der Friedensstifter) ent-
halten ist.
62. La chemise de Saint-Victorien. Die auf
elsässische Verhältnisse übertragene
Schnurre von den Hosen des heiligen Franciscus. Cfr.
Poggio Bracciolini: Rom.
Meistererzähler Bd. IV, S. 157. (Der Titel: Das Hemd des
heiligen Victor in den
Contes ist lediglich freie Erfindung.)
63. A qui l'enfant ! Die sterbende Bäuerin bekennt
ihrem Manne, eine Tochter
sei vom Knecht erzeugt. — „Ich habe meinen Knecht
regelmäßig bezahlt. Was
er bei uns geschafft hat, gehört also unsl Ziehe hin in
Frieden," erklärt der Mann.
Zum Schluß möchte ich noch einen sehr groben
Schnitzer berichtigen, welcher
in den Contes licencieux de l'Alsace vorkommt.
Vom Büchertische.
437
Auf Seite 6 steht: „Foussemagne est le quartier
général des Juifs de la Haute-
Alsace/4 Foussemagne liegt — was dem
Herausgeber doch eigentlich bekannt
sollte sein — im französischen Departement Haut-Rhin. Ob
man einen
Ort, den nur 8—io jüdische Familien bewohnen, das
quartier général nennen darf,
wird jeder Leser bezweifeln. Im Jahre 1784 waren in
Foussemagne 22 Familien
anwesend, damals, also vor mehr als 120 Jahren, konnte
man allenfalls von
einem quartier général des juifs de la Haute-Alsac
reden, wenn man unter Haute-
Alsace, wie das vereinzelt geschieht, den Sundgau
versteht.
In unserer Zeit ist das quartier général des Juifs du
Haut-Rhin, Bei-
fort, und das von Haute-Alsace, Colmar, wenn man
quartier général
mit communauté principale gleichsetzt; kommt es dagegen
auf die Einwohner-
zahlen an, so ist Mülhausen an die Stelle von Colmar zu
setzen.
W. G.
Müller» Alphons Victor: „Die Hochheilige Vorhaut
Christi" im Kult und in der
Theologie der Papstkirche. Berlin 1907, VIII, 156 S. 8°.
C. A. S c h w e t -
schke & Sohn.
Das ist eine merkwürdig gediegene, weil gründliche
und lehrreiche Sonder-
untersuchung, die des ungeteilten Beifalls und Dankes
der Anthropophyteia-Stu-
dierenden sicher ist. Zu Rom fand man das älteste und
berühmteste Praeputium
wieder auf. Die Klerikalen waren darüber aufs äußerste
empört und es traten Leute
auf, um die Päpste und die anderen Kirchenbehörden
durchaus reinzuwaschen
von dem Verdachte, einen geradezu tollen Aberglauben,
der hart an Götzendienst
streife, geduldet und gefördert zu haben. Müller weist
aber klar nach, die Geist-
lichkeit habe diesen Unfug bis auf den heutigen Tag
gefördert und daß noch heute,
keine 50 Kilometer von Rom entfernt, die armen Bauern
der Campagna mit Gut-
heißung der kirchlichen Behörden den Teil, der Christus
bei der Beschneidung
-abhanden gekommen, feierlichst anbeten. In sieben
Abschnitten behandelt M.
die Wiederauffindung des päpstlichen Schatzes, die
allgemeine Geschichte des
aJlerheiligsten Praeputiums, Dogma und Praeputium, das
Lateran-Praeputium,
das Praeputium von Charroux, das von Antwerpen und jenes
von Calcata. Schwerer
Spott und Hohn senkt sich auf die Häupter der
Reliquienerfinder und Reliquien-
händler hernieder, nur eines läßt dabei M. außer acht,
daß hier wesentlich eine
Art vor Verchristlichung altheidnischen, aus dem
Volkstum unausrottbaren ^na-
pischen Kultes festzustellen ist, daß ja neben dem
verchristelten auch noch der
ihm als Vorbild dienende heidnische Kult weiterbesteht.
M. verdammt den Zumpt-
kult aus moralischen und ästhetischen Gründen, ein
Naturforscher, wie Eduard
K u 1 k e aber, der verwirft jedweden Kult, denn
jeder Kult gilt ihm als moralisch
verwerflich. Ästhetische Rücksichten jedoch kämen dabei
auf keinen Fall in Betracht.
Jahrhunderte hindurch mühten sich die Theologen mit
der Beantwortung
der Streitfrage ab: Ist die Gottheit mit dem Praeputium,
das hier auf Erden zurück-
geblieben ist, noch vereinigt? Muß infolgedessen das
Praeputium angebetet werden
oder genügt es, es zu verehren? — Darüber sind die
Meinungen noch immer nicht
geklärt !
. S. 96: „Diese drei gefälschten Quellenberichte hat
nun derselbe fromme Fälscher
dazu benutzt, um eine Gründungsgeschichte des Klosters
[von Charroux] zu schreiben,
43 8
Уот Büchertische.
in der er nichts anderes tut. als seine drei ersten
Fälschungen mit einigen Wider-
sprüchen zu paraphrasieren. Im Grunde genommen bietet
diese vierte Fälschung
uns also nichts Neues."
Ich habe die leidige Gewohnheit, neue Bücher, ohne
erst den Titel zu besehen,
aufs Geratewohl aufzuschlagen und darin zu blättern..
Das geschah auch diesmal
und mein Blick fiel auf diese Stelle, die mich
hocherfreute, denn ich glaubte nicht
anders, als daß sich einer gefunden, der mit den
chrowotisch-akademischen Histo-
rikern Abrechnung pflege. Leider war es eine
Enttäuschung. Mit derartigen er-
fundenen Wahrheiten über Rechte und Geschichte der
Chrowoten unterhielten
volle dreißig Tage des Monats Juni 1907 die vierzig
chrowotischen Reichherolde
das ungarische Parlament. Jeder Tag kostete dem Staate
18 000 Kronen. Mehr
sind die Geschichten auch nicht wert.
Im XVII, und XVIII. Jahrhundert ersetzte das
Praeputium die heutigen
Spezialisten in Gynäkologie. Schwangere Frauen pilgerten
andächtig zu ihm, um
sich mit ihm segnen zu lassen ; alsdann sahen sie ihrer
schweren Stunde mit größerer
Zuversicht und Ruhe entgegen. Die Mönche von Charroux
hatten neben dem
Spezialisten für Frauenleiden gleichfalls einen anderen
für Männer angestellt. Das
muß man bei Müller auf S. 105 f. selber nachlesen.
S. 134: „Der Jesuit Kardinal Toletus hat solch
unsinniges Gewäsch im besten
Glauben in seinen Lukaskommentar aufgenommen. Der
Wunderglaube ist eben
damals wie heute derartig krankhaft verbreitet gewesen,
daß selbst das tollste
und auffälligste Zeug, wenn es nur mit zuversichtlichem
Tone und unter dem Deck-
mantel der Frömmigkeit vorgetragen wurde, beim Volke und
vielen sogenannten
gebildeten Katholiken Glauben fand."
Das ist gar nicht so arg. Man setze für „Frömmigkeit"
Chrowotismus
und für „Katholiken" chrowotische Akademiker ein und man
hat
den Schlüssel zur Religi ja Srba і Hrvata (Religion der
Serben und Chrowoten),
die ein Agramer Universitätsprofessor und Akademiker in
Anwesenheit seiner
Kollegen, der Domherren Franjo R а б k і und Sime Ljubić
in einer Reihe
feierlicher Akademiesitzungen offenbarte. So ein
heilloser Bierschwefel war noch
nicht da, aber man erhob ihn zur neuen urchrowotischen
Urreligion und druckte
ihn in den Publikationen der Kgl. Akademie der
Wissenschaften ab. In meiner
Schrift: Böhmische Korallen aus der Götterwelt,
folkloristische Börseberichte vom
Götter- und Mythenmarkte (Wien 1893) wagte ich
schüchtern gegen solchen Humbug
Einspruch zu erheben und der Erfolg war, daß die
chrowotische akademische Jugend
dem Stifter besagter Religion zu Ehren einen Fackelzug
veranstaltete, über mich
aber verhängten die offiziellen Slavisten die Acht und
Aberacht. Betrübt hat mich
dabei nur die Wahrnehmung, daß ihnen so manche deutsche
Gelehrte, Söhne deut-
scher Mütter sekundierten. Chrowoten und Idioten kommt
man mit Vernunft-
gründen nicht bei. Darum wird auch Müllers köstlich
humoristisches Buch
gleich meiner eben genannten Schrift keines Narren oder
Gläubigen Sinn bekehren.
Krauss.
Rau, Hans: Die Grausamkeit mit besonderer Bezugnahme
auf sexuelle Faktoren.
Mit 2 t Illustrationen. Zweite, völlig umgearbeitete
Auflage. Berlin 1907.
VI, 272 S. 8°. Hermann Barsdorf.
Für den Kundigen, der sich von der Gefühlduselei
liebegirrender Lyriker nicht
einschläfern läßt, sind Grausamkeit und Geschlechttrieb
fast sinnverwandte Be-
Vom Büchertische.
439
griffe. Grausamkeit dient häufig als Stimulans,
häufiger noch als Surrogat für
geschlechtliche Betätigung. Es gibt zwar auch eine
Grausamkeit um ihrer selbst
willen, die jedoch ist pathologisch, während die andere
einen beinahe normalen
Zustand als Ausdruck des Geschlechtlebens darstellt.
Rau's Verdienst liegt darin,
die mannigfachen Äußerungen der Grausamkeit in der
Philosophie, Psychologie,
Religion, Rechtpflege, Sklaverei, Erziehung, im
Verbrechen, Krieg, Volksleben,
in der Gegenwart und in der Literatur übersichtlich und
gemeinverständlich er-
örtert zu haben. R a u verarbeitete ein gewaltiges
Material in diesem Buche, nur
hätte er hie und da etwas umsichtiger in der Auswahl
seiner Belege sein dürfen,
so z. B. konnte die unverbürgte Anekdote auf S. 7 und
der Hinweis auf den Fall
Bonmartini S. g ruhig wegbleiben. Das Buch wird
als Ganzes erzieherisch gut wirken
und darum ist ihm eine große Verbreitung zu wünschen.
Krauss.
Schmidt, Richard: Das Kämasütram des VStsyäyana. Die
indische ars amatoria.
Nebst dem vollständigen Kommentare (Jayamangala) des
Yasodhara. Aus
dem Sanskrit übersetzt und herausgegeben. — Dritte, nach
handschriftlichem
Material durchaus verbesserte Auflage. Berlin 1907. IX,
500 S., gr. 8°. H.
Barsdorf.
In seiner Jugend und in seinen besten Jahren war ihm
nichts Mensch liches
fremd geblieben und als er in die Sechziger kam, da die
Manneskräfte zu versagen
anfingen, beschloß er die reichen Erfahrungen seines
liebetatenreichen Lebens auf
Palmblättern zu verewigen, um nochmals in süßen
Erinnerungen zu schwelgen
und dem Nachwuchs mit ihnen die rechten Wege zum Genuß
und zur Lebensfreude
zu weisen. Er war seiner Natur nach ein Erotiker und
darum sammelte er bei jeder
Gelegenheit erotische Schriftwerke, um daraus sein
Wissen zu vervollkommnen.
Jetzt kam es ihm zugute. Ein Panini war er zwar nicht,
jedoch ausreichend
gebildet, um den Wust von Erlebnissen in eine
übersichtliche Ordnung zu bringen,
die einem Lehrbuche nicht fehlen darf, wofern es seinen
Zweck erfüllen soll. Er
schilderte zunächst den Galantuomo, wie er sein muß,
dann alle ihm bekannten
landüblichen Liebegenüsse, ferner folgerichtig die bei
keuschen Mädchen, verhei-
rateten Frauen und Buhlerinnen anzuwendenden Künste, um
sie dranzukriegen
und zuletzt als Geheimlehre die Selbstbehelfe.
Yasodhara, ein indischer Alexan-
driner, merkte, daß sich das Buch allgemeiner
Beliebtheit erfreute und machte
sich daran, es mit einem Kommentar zu versorgen, doch
trotz seiner Schreibselig-
keit war er mit allen den breiten Zutaten nicht
imstande, den Text zu ersticken
und zu erdrücken. V. weiß viel, doch nicht alles. So z.
B. hätte er als unser Zeit-
genosse aus dem Büchlein: Sieben Nächte aus den
Flitterwochen („Honigwochen1')
Louisens von Cornoué von Noël Reirret (3. Aufl.
Wien. E. Laute's Volksbuch-
handlung) noch einige Übungen zugelernt. Das erwähne ich
nur darum, weil ich
damit andeuten möchte, daß V. unsere Kenner nichts
wesentlich neues lehrt. Trotz-
dem ist sein Buch als eines der ältesten Zeugnisse von
der allgemeinen Verbreitung
der sogenannten Unsittlichkeit und Sittenlosigkeit, die
schnurstracks in den Höllen-
pfuhl hinabführt, von der größten Wichtigkeit für den
Sexualforscher und mit
vielen Einzelheiten auch für den Folkloristen und
Ethnologen. V. gehörte der
Schichte reichster Leute an und verachtete eigentlich
die Volksmenge. Deshalb
gedenkt er ihrer nur nebenher. Zur Ausführung seiner
Anleitungen gehört viel
440
Vom Büchertische
Geld, viel Zeit und eine starke Gesundheit. Zuweilen
rät er aber auch schwer mög-
liches an, was über die Kräfte eines
Durchschnittmenschen geht. Wo ihn die eigene
und die Erfahrung anderer verläßt, fängt er mitunter
Stellungen zu erfinden an.
Neben diesem Buche haben die Inder, sowie die Chinesen
und Japaner auch, Bilder-
werke zur Veranschaulichung der Liebekampf spiele, doch
keines kann sich mit
dem Lebenswerke V/s messen. Schmidt erwarb sich mit
seiner ausgezeichnet
gut lesbaren Verdeutschung, die er zwar von S.
177—222 mit einer lateinischen
störend unterbricht, den Dank aller, die sich mit
Anthropophyteiastudien befassen.
Das Buch leistet unseren Bestrebungen um Erkundung der
dunklen Wege des
Geschlechtlebens mächtigen Vorschub.
Krauss.
Schindler, Willy: Das erotische Element in Literatur
und Kunst. Ein Beitrag
zur Erotologie. Berlin 1907. S. 132 in kl.
8°. Schindlers Verlag. — iB.
der Beiträge zur Geschichte des menschlichen
Sexuallebens.
Als eine allgemeine Einführung in das Studium der
Erotik, die von Porno-
graphie gar streng zu scheiden ist, erfüllt diese
Schrift ihren beabsichtigten Zweck
sehr gut. Sie widerlegt die Eiferer gründlich und
brandmarkt einige Denunzianten
und auch mehrere Ausschroter der modernen auf die
Erforschung der Sexualität
gerichteten Bestrebungen. Mit Recht rügt Schindler das
von E. K. В 1 ü m m 1
herausgegebene Büchlein „Erotische Volkslieder aus
Deutsch-Österreich", das sich
als eine wichtige Ergänzung zu den Anthropophyteia
ausgibt, ohne diesen Anspruch
zu rechtfertigen, denn es bringt doch zumeist unwichtige
Varianten zu den in den
Anthr. bereits gedruckten Liedern. Auch ist В 1 ü
m m 1 s Behauptung, der Inhalt
seiner Sammlung wäre „ein streng wissenschaftlicher"
eine arge Ungehörigkeit.
Die Texte sind obszön, das steht fest, doch das wäre
nebensächlich, verstände
es В 1 ü m m 1, sie in irgend eine
wissenschaftliche Beleuchtung zu rücken. Die
unter einzelnen Texten angebrachten Hinweise auf
anderswo vorkommende Varianten
und die Übersetzung mancher mundartlicher Worte sind
denn doch eine allzu be-
scheidene Leistung. Mit derartigen unreifen, weil
überhasteten Publikationen
bringt man das wissenschaftliche Studium der Erotik bald
in Verruf. — Auf S. 96
tadelt Schindler das Vorgehen des verflossenen
Besitzers des Wiener Ver-
lags, eines gewissen Fritz Freund, den er aber nicht
namentlich nennt.
Eine solche Schonung ist durchaus unangebracht, denn man
muß nicht bloß die
Übervorteilung der Käufer, sondern noch mehr den
Übervorteiler öffentlich be-
sprechen. Fritz Freund machte mit seinem
pornographischen Verlag lauter
brillante Geschäfte, bis er nach wenigen Jahren mit
700 000 Kronen Passiven im
Dreck stak. Jetzt ist er auf 5 Jahre ein
sogenannter Angestellter bei der Firma,
die sein Lager übernahm und seine Gläubiger abzufertigen
hat. Dieses Beispiel
lehrt deutlich, daß das deutsche Publikum die
pornographische Literatur ablehnt,
sie nicht einmal als Ramschware mehr mag und daß es
überflüssig ist, gegen eine
Literatur oder vielmehr einen Industriezweig, der im
Abflauen ist, alle möglichen
Geister zu beschwören.
Krauss.
Vom Büchertische
441
Hirt h, Georg: Wege zur Liebe. Idealisierung der
Sinne und erbliche Entlastung.
Philosophie der Gesundheit — Religion der
Menschlichkeit. München 1906.
Verlag der „Jugend". XV, 655 S. gr. 8°.
Dies Buch habe ich schon dreimal gelesen, denn es ist
voll Lebenserfahrungen,
Lebensklugheiten und Lebensweisheiten; es unterweist
einen in der Lebenskunst
und Lebensfreude. Darin stimmt es mit Rückerts Weisheit
der Brahmanen
überein, nur hebt H і r t h als ganz moderner mit dem
Befruchtungvorgange, der
Eizelle, der Säugung, der Liebebetätigung und allem an,
was ein Gott erlaubt und
Menschenunverstand verboten hat. Er betätigt sich als
ein Mitarbeiter an der
Riesenaufgabe der erblichen Entlastung. „Es muß sein,
alle müssen zusammen
helfen, um den Entartungfluch mehr tausend jähriger
Kultur und sinnloser Kraft-
verschwendung von uns zu nehmen." Auf Grund einer neuen
furchtlosen Sitt-
lichkeit strebt er eine Wiederaufzucht an. Nachdem ich
den einleitenden Aufsatz
über „die Mutterbrust, ihre Unersetzlichkeit und ihre
Erziehung zur früheren
Kraft" gelesen, gab ich ihn einer jungen Frau weiter,
die im Begriff stand, ihr zwei
Monate altes Töchterlein abzuspähnen, weil ihr die guten
Freundinnen dazu rieten.
Den Anfang hatte sie schon gemacht. Altklug belehrte sie
mich, in den ersten vier-
zehn Tagen nehme das Kind infolge der Präparate zwar
stark ab, dann aber ge-
wöhne es sich daran und erhole sich wieder. Zum Beweis
ging es mit dem zappe-
ligen Wesen bereits drei Tage lang merklich abwärts. H і
r t h s Studie machte
auf die Frau einen so tiefen Eindruck, daß sie sogleich
ihr Kindlein wieder an die
Brust nahm und plötzlich wieder genug Milch hatte. So
geht es nun vierzehn Monate
hindurch und Kind und Mutter gedeihen dabei
ausgezeichnet gut. Die glücklichen
Eltern richteten an H і r t h einen Dankbrief, auf den
er stolz sein darf. Meiner
Meinung nach müßte man H і r t h s Abhandlung in allen
Mädchenschulen als
erstes Lesestück in die Lesebücher einreihen. Durfte der
Erlanger Universitäts-
professor Joh. Christian Fick in sein i. J. 1800
erschienenes und später
gar oft aufgelegtes englisches Lesebuch, IL T., S.
160—163 Lady Montagues
ausführlichen Konstantinopeler Brief über
Kinderabtreibung und die Niederkunft
einschalten, ohne daß Deutschlands Sittlichkeit in
Fransen ging, um wieviel be-
gründeter ist mein Wunsch, wo es sich um das Gedeihen
unseres Nachwuchses
handelt, daß man die weibliche Jugend beizeiten für ihr
Hauptgeschäft erziehe
und vorbereite.
Es ist mir unmöglich, hier den reichen Inhalt dieses
merkwürdigen Buches
auch nur kurz zu skizzieren, weil es mir dazu an Raum
gebricht, doch auf einiges
möchte ich hinweisen. Die Geschichte von der Boudoirfee
(S. 154—8) habe ich selber
— natürlich als unbeteiligter Dritter — zweimal
miterlebt. Mit unserer unsittlichen
Ehebruchmoral kommt man in solchen Fällen, die unserer
Sittlichkeit im allgemeinen
entsprechen, nicht aus. Richtig bemerkt H і r t h (S.
202) : „Für sinnliche Menschen,
Frauen so gut wie Männer, bedeutet der geschlechtliche
Umgang nicht „die"
Liebe. Bei ihnen bedeutet für den Trieb der Triebe die
Umarmung ungefähr das-
selbe, wie für das Gehör der Besuch eines
Akademiekonzertes. Man kann auf Wagner
schwören und doch Mozart hören." Sehr angenehm berührte
mich die Abfertigung
des philosophierenden Hanswurstes W e і n і n g e r (S.
219—221), von dem das
Sprichwort gilt: Ein Narr macht viele Narren. Seine zwei
Bücher erscheinen mir
als klägliche Kompilationen eines Irrsinnigen, der
seinen Schwachsinn durch un-
erhörte Übertreibungen methodisch zu verbergen sucht.
Kur eil a sagt einmal,
442
Vom Büchertische.
alle Judenfresser wären Syphilitiker und
Weiberfeinde. W. war ein Weiber- und
Judenfresser. Sollte auch er ein Syphilitiker gewesen
sein? — Zur Eindämmung
der Geschlechtkrankheiten schlägt Hirt h die
Einverleibung dreier §§ ins Straf-
gesetzbuch vor (S. 400 f.). Unser Österreich.
Strafgesetzbuch hat sie schon längst,
doch nur für die Blattern und den Scharlach. Es fehlt
noch der Zusatz: Bei recht-
zeitiger Krankheitanmeldung werden die Heilungkosten aus
öffentlichen Mitteln
bestritten. — Alle Beachtung verdienen die Aufsätze :
Onan , der schmählich Ver-
kannte (S. 422—25), Das erotische Temperament und die
alkoholische Entartung
(S. 433—65), Da unten in der Masochei (S. 465—73). — Die
Splitternackten Gedanken
H і r t h s sind eine neue Art von ars amandi. Das muß
man lesen, um sich an dem
überreichen Humor und Witz zu ergötzen. Auf einige
Stellen mache ich insbesondere
aufmerksam: § 175 (S. 525), Sittlichkeitvereinmeierei
(S. 536); Prostitution und
paradiesische Kraft des Phallus (S. 560). Das ist mal
ein wahres Wort: dem Weib
gefällt der Zumpt am besten, alles andere ist ihr
Firlefanz. Sie will tüchtig und
möglichst oft in Orgasmus geraten (S. 569). Wahr Sprüche
bester Art vermerkte
ich ferner auf S. 570, 588, 591, 617, 625 u. 643.
Krauss.
Seiliiere, Ernest: Die Philosophie des Imperialismus.
— IV. Band: Dieroman-
tische Krankheit. Fourier. Beyle-Stendhal. Autori-
sierte Übersetzung von Fr. v. Oppeln-Bronikowski. Berlin
1907.
H. Barsdorf. VII, 455 gr. 8°.
Das Buch ist eine erbarmungslose Abrechnung mit dem
Romantismus in
Literatur und Kunst. Die Romantiker wären Neurotiker,
die eine Psychologie
und Moral konstruieren, von der man sagen kann, sie wäre
für die Urheber aus-
gezeichnet, nicht aber für den Durchschnitt der
Menschen. Als Maler wären die
Romantiker Barbaren und verbrauchter als die
Zivilisierten, deren Nachbarschaft
sie an der freien Betätigung ihrer Neurose hindere. Das
alles weist Seiliiere
mit scharfer Analyse an den Schriften Fouriers und
Beyle-S tendhales
sowie deren Vor- und Nachläufer deutlich nach. Übersehen
hat er bloß den unheil-
vollen Einfluß des Romantismus auf die
Geisteswissenschaften und speziell seinen
hemmenden Einfluß auf die Pflege der Sexualwissenschaft.
Zoologie darf man schon
frank und frei als Sonderfach betreiben, doch das
Menschentier muß man von der
Forschung ausschließen. Warum? Weil es den Romantikern
nicht in den Kram
paßt. Aufdringlich und vermessen unter ständiger
Anrufung der Staatsanwalt-
schaften rückten sich die Romantiker mit ihrer Neurose
und ihrem Spatzenverstand
in den Vordergrund der Diskussion. Sie, die um Nachsicht
und Schonung betteln
müßten, treten als Angreifer auf und fordern zu einem
unerbittlichen Kampf die
geistig nicht Belasteten heraus. Sie sind durch die Bank
auch Erotiker aus der
Masochei, wie H і r t h treffend sagt. In der Abwehr
wird uns Seillière s Werk
jederzeit gute Dienste leisten. Fourier und St e n d h a
1 waren große Schrift-
steller, die ihre Verrücktheiten mit der Kunst der
Darstellung angenehm genießbar
gestalteten. Die wenigsten erotischen Neurotiker haben
einen solchen Milderung-
grund für ihre Ausschreitungen ins Treffen zu führen.
Krauss.
Vom Büchertische.
443
Archiv für Rassen- und Ûegellschaftbiologie
einschließlich Rassen- und Gesellschaft-
hygiene hrg. v. Dr. AlfredPloetz usw. III, 4—6 (1906),
IV, 1—3 (1907).
Berlin, Verlag d. Archiv-Gesellschaft.
Das Archiv entwickelt sich zu einer der wichtigsten
wissenschaftlichen Zeit-
schriften Deutschlands. Man lernt daraus ständig zu
sowohl stofflich als kritisch.
Von den vielen Arbeiten berühren das Gebiet der
Anthropophyteia vornehmlich
folgende: Dr. Walter Claasen's über Die Frage der
Entartung der Volk-
massen auf Grund der verschiedenen durch die Statistik
dargebotenen Maßstäbe
der Vitalität (S. 553): Die Abnahme der Stillfähigkeit
ist ein bedeutsames Re-
generationssymptom und selbst die Quelle weiterer
Degeneration. S. 703 : Die
angebliche Zunahme der Geisteskrankheiten kann auf eine
größere Genauigkeit
bei der amtlichen Feststellung beruhen. S. 839 über
sexuelle Verseuchung und
verseuchte Moral). C. nimmt K1 e m m s Einteilung
in aktive und passive Rassen
von neuem auf. Die Schlußfolgerungen C.'s auf S. 860
kann man im ethnologischen
Gesichtskreise nicht mit Erfolg vertreten. — Dr. Julius
Grober: Ein prak-
tischer Versuch in der Rassenhygiene (Maori auf
Neuseeland) S. 704—717 und
O. Rosenbach: Über das Problem einer Brunftzeit beim
Menschen, verdienen
ernste Beachtung. — S. 917 f. von R ü d і n: Über die
Syphilis der ehrbaren Frauen
(nach Fournie r). — Dr. Sigfried Rosenfeld: Die
Sterblichkeit der
Juden in Wien und die Ursachen der jüdischen
Mindersterblichkeit. IV, S. 47—62 ;
189—200. R. spricht von einer Rasseneigentümlichkeit, wo
doch
zunächst von einer Erziehung zur Hygiene des Volkes oder
einer Gruppe zu handeln
ist. — Dr. Elias Auerbach erörtert als Zionist Die
jüdische Rassenfrage
S. 332—361. Prof. v. Luschan richtet (S. 362—373) einen
offenen Brief an
ihn, um ihn zu widerlegen. Er hält den Zionismus für
kulturfeindlich und meint,
gewisse orthodoxe Elemente im Judentum wären gegenwärtig
eifrig bemüht, einen
Teil ihrer Landsleute auf einem minderwertigen Niveau zu
erhalten oder sie auf
ein solches zurückzudrängen. Er hätte darauf hinweisen
können, daß der Zionis-
mus eine journalistische Gründung ist, ein umgestülpter
Antisemitismus. Als
Folklorist verwies ich das jüdische Volktum unter die
Fata-Morgana-Volktümer
(in: Die Volkskunde in den Jahren 1897—1902, S. 43—48).
Der Zionismus ist
förmlich ein Sport von Auch Juden, die niemals im
religiösen Judentum Bescheid
wußten und die mit ihrer Unwissenheit prunken.
Krauss.
Luedecke, Hugo, Ernst: Die Säule des Lebens. Ein
Gedicht-Zyklus, Mit Um-
schlagzeichnung von Ernst Bublitz. Halle a. S. 1905.
Heinrich
Kreibohm. 67 S. 8°.
Nach seinen zwei größeren Beiträgen im vorliegenden
IV. B. unserer Anthro-
pophyteia kennen unsere Leser Luedecke bereits als einen
ernsten Forscher,
von dem man noch so manche treffliche Arbeit zur
Sexualforschung erwarten darf.
Er ist durch das Studium der Biologie auf unser engeres
Gebiet gelangt und gleich-
zeitig zum Dichter geworden. Man ist gewohnt, den
Gelehrten als Dichter zu be-
lächeln. Hat einer nichts anderes als die erlernbare
Verstechnik weg, so mag man
mit Recht über seine Dichtungen hinwegsehen, dagegen
erscheint es mir als selbst-
verständlich, daß ein echter Naturforscher zuweilen die
auf ihn einstürmenden
444
Vom Büchertische.
Bilder und Gestalten dichterisch festhält. Es hat
mich z. B. nicht im geringsten
überrascht, als von Dr. Albert Hermann Post, dem
nüchternsten Sche-
matiker der ethnologischen Jurisprudenz W і s m u n d ,
ein Mysterium in 8 Szenen
erschien und noch weniger, daß es eine dichterische
Schöpfung ist, die ihm einen
Ehrenplatz in der deutschen Literaturgeschichte sichert,
wenn einmal unsere Literar-
historiker auf ihn aufmerksam werden sollten. Das
braucht freilich viele Zeit,
denn sie haben bisher nicht einmal von Eduard Kulkes
Schriften Notiz ge-
nommen, der als ein sehr produktiver Denker und Dichter
unter den Darstellern
der Wirklichkeit obenan zu stellen ist. Luedecke soll
zumindest in unseren
Kreisen nicht unbeachtet bleiben, denn er behandelt als
eigenartiger, moderner
Dichter von großer Sprachgewalt ein Problem, das in
unserer abendländisch-städti-
schen Kultur von tief einschneidender Bedeutung ist, das
der Gefallenen nämlich.
Ob man ein Mädchen aus einem Bordell heiraten soll oder
nicht, das hat jeder mit
sich selber auszumachen. Die Frage ist, ob eine, die den
Lüsten der Stundenehe
preisgegeben war, eine ehrbare Frau werden kann.
Luedecke meint, der Weg
zur Erlösung führe durch die Mutterschaft, und darin
gibt ihm das volle Leben
recht. Nur eine Minderheit von Frauen versinkt
freiwillig in der Prostitution, die
Mehrheit ist hinabgestoßen worden und sinnt auf Rache:
In grimmen Lüsten ist
sie verdorben, — ihr Herz ist lange, lange gestorben. —
Eins nur heult durch ihre
Nacht, — braust in ihrer Schande Schacht: — Rachel
Rache!
Jugend, nimm dich in acht vor ihr! — Sie würgt euch,
wie ein reißend Tier
— und hat schon viele elend gemacht. — Sie haßt in euch
den Einen, — der sie
zerstört und — kalt gelacht, — den sie gesucht so Nacht
für Nacht, — nach dem
ihre Augen weinen.
Auf grauem, staubigem Weg — im Sonnenbrüten ein Weib.
— Und über ihren
nackten Leib — schritten die Menschen hinweg. — Sie
höhnten mit harten Tritten
■<— und scherzten und gingen weiter. — Sie lächelte
falsch und heiter — und hat
es duldend gelitten. — Da kam ein Mann und nahm sie bei
der Hand — und hob
sie auf und schritt mit ihr ins Land.
Die anderen 37 meist von sinnlicher Glut
durchhauchten Gedichte dieses
Werkchens muß man auf sich einwirken lassen, um den
Umschwung in unserer
deutschen Dichtung zu ahnen, der sich als Folge der
Naturforschung einstellen
wird und einfinden muß. Luedeckes Buch ist ein Zeichen
der neuesten Zeit,
in der auch die Sexualforschung auf die Poesie klärend
und belebend einwirkt.
Krauss.
Bonus, Arthur: Isländerbuch I. Sammlung
altgermanischer Bauern- und Königs-
geschichten. I. Teil. XIII, 296, kl. 8°. München
1907. Georg D. W. Call-
w e y.
Das ist ein wundersam schön geschriebenes Buch! Es
beweist uns wieder ein-
mal, daß unsere nach dem Vorbild lateinischer und
griechischer Skribenten in
einem jämmerlichen Advokatendeutsch verkümmerte
Schriftsprache einer kraft-
vollen, ausdruckreichen, bezwingend schönen Einfachheit
fähig ist. So sind auch
die Geschichten des Skalden Egil Skallagrimssohn, des
Skalden Gisli, des Kjartan
Olafssohn und der Gudrun Osvifstochter, sowie Sigrids
der Stolzen und des Königs
Olaf Tryggvason, die uns Bonus hochdeutsch
wiedererzählt. Bonus will uns
Vom Büchertische.
445
die echten Germanen vorführen und er wünscht, daß
sich die romantisch-senti-
mental-pathetische Stimmung, in der wir in bezug auf
unsere Urvergangenheit
leben, nicht als zu stark und für die Wirklichkeit als
undurchdringlich erweise.
Diese Geschichten könnten uns den Dienst tun, uns aus
dem Bann der Phrase zu
reißen, die für uns alles durchtränkt hat, was
„germanisch" oder „deutsch" mit
Betonung heiße. B. spricht von einer Ernüchterung, die
diese Geschichten
über den Leser ausbreiten, während ich* der ich das Buch
schon zweimal gelesen,
ganz begeistert dafür bin. Ich schwärme nicht für „den
eigentlichen Geist unserer
Rasse", der aus diesen Geschichten hervorleuchtet, denn
dieser Geist ist durchaus
keine Rasseneigentümlichkeit der Germanen. Wer diesen
Geist genauer kennen
lernen will, der greife zu den serbischen, insbesondere
zu den moslemisch-serbischen
Guslarenliedern, die ihn in einer noch primitiveren
Ursprünglichkeit bewahren.
Hier sind die ethnologischen Parallelen zu den
Isländergeschichten am saubersten
zu finden. Gleich den Isländern um das Jahr iooo ziehen
auch die Kämpen der
Guslarenlieder auf Heerung aus, um Beute zu machen (na
Cetu junaCku), auch
sie lassen sich von Traumgesichtern bestimmen, auch bei
ihnen herrscht die be-
dingte Immunität (Heiligkeit, Unverletzlichkeit) einer
Hausfrau, auch sie schließen
Blutbrüderschaften und Gottverwandtschaften, kennen den
Holmgang und üben
den Brautlauf, und auch ihnen ist, wie den Isländern,
ihr alter Kultglaube wich-
tiger als Christentum und Islam. Da wie dort ist das
Weib gern bereit, dem Mörder
ihres Gatten tränenlos zu folgen, willig die Macht des
Stärkeren anzuerkennen
und sich ihm zu eigen zu geben. Hoch oben im Norden und
weit unten im Süden
ist es gleichermaßen das Weib, das den Mann narrt und in
den Tod hetzt. Von
überschäumender Sinnlichkeit sind die
Isländergeschichten sowie die Guslaren-
lieder frei. Auf der Stufe des Brautraubes und des
Brautkaufes hat der Held
keine Muße zu geschlechtlichen Raffinements. Die Helden
sind Ausnahmemenschen
und darum gedenkt ihrer der Dichter und die Geschichte.
Krauss.
Blei. Franz: Das Lustwäldchen. Galante Gedichte aus
der deutschen Barockzeit.
Gesammelt und herausgegeben v. —. München 1907. 127 S.
8°. Hansvon
Weber.
Bedeutete barock verschroben, verdreht, überladen, so
müßte man diese
Gedichte als Erzeugnisse unserer Tage ansprechen. Das
Wort ist der Architektur
und Malerei entlehnt, taugt aber schlecht für poetische
Erzeugnisse, von unserem
Gesichtpunkt aus diemal am wenigsten, denn die 21 hier
vertretenen, sonst wenig
bekannten, zum Teil unbekannt gebliebenen Dichter
besingen die Geschlechtlust,
die keiner Mode unterliegt. Sinnlich stark aufgeregte
Naturen schildern ihre Freuden
und Leiden bei der Werbung und die Wonnen des
Liebegenusses. Ein Frauenzimmer
ist auch darunter, und die bleibt mit ihrem matten
Versuch in der Erotik hinter
den anderen zurück. Weiber können Liebelust spenden, sie
sind von Natur aus
darin Künstlerinnen, doch in der Daxstellung der Erotik
erweisen sie sich als Stümpe-
rinnen. Christian Günthers Hochzeit-Scherz (S. 116—121)
ist eine ge-
schickt versifizierte Strohkranzrede, wie wir solche
Reimereien noch heutigentags
in Niederösterreich in der Hochzeitnacht beim Schmause,
wenn der Wein den
Gästen die Sinne umnebelt, zu hören bekommen. Johann
Friedrich Rie-
44б
Vom Büchertische.
d e r e r s Die eheliche Pflicht und Die schöne
Gertraud (S. 74 u. 75) sind Schnurren
die man sich bei uns noch gegenwartig erzählt. Ob
sieRiederer erfunden oder
bloß versifiziert hat, weiß ich nicht. Das farbige
Titelbild von S o m o f f und das
Schlußbild von Else Gericke sind liebreizend im Stile
des XVIII. Jahrh.
ausgeführt. Blei erwarb sich mit seiner Sammlung unseren
Dank.
Krauss.
Der Goldene Esel. Satirisch-mystischer Roman des
Apulejus. Rode sehe
Übersetzung. Fünfte Aufl. Eingeleitet von M. G. Conrad.
Mit 16 Illu-
strationen. Berlin 1906. H. Barsdorf. X, 238 S. gr. 8°.
In zwölf Jahren erlebte der Neudruck der alten, doch
vorzüglich schönen
Verdeutschung Rodes fünf Auflagen. So ein
buchhändlerischer Erfolg wird sonst
nur den für den Schulgebrauch zugestutzten Klassikern
zuteil, die man kaufen
und pflichtschuldigst, um nicht als Esel zu gelten,
bewundern muß. Apuleius
bedarf keiner Zwangmittel, um Leser zu gewinnen, denn er
ist, wie Lukianos
aus Samosata unter den Modernsten zu neuem Dasein
auferstanden. Wiederbelebt
hat ihn die junge Volkforschung und mit ihr die
Disziplin, die sich mit dem mensch-
lichen Geschlechtleben befaßt. Für beide bringt er
wertvolle Nachrichten aus Zeiten,
die sonst schwer zu ergründen und von Völkern, die
längst verschollen sind. A.
versetzt uns mitten in die Welt der Zauberkünste hinein,
nach Thessalien, und ich
kann heute gelassen sagen, jene Welt des Glaubens
besteht auf der Balkanhalb-
insel mit allen ihren Sitten, Gebräuchen und
Rechtanschauungen noch weiter fort,
ja, wir von der südslavischen Folklore haben unendlich
genauere Ermittelungen,
als weiland Apuleius gepflogen. Die Hajduken machen es
noch gerade so,
wie die Banditen, die er schildert, die vracare und
bajalice zaubern nicht
anderes, als Apuleius verliebte Wirtin, und auch die
wackere Frau, die sich mit
dem Esel sodomitisch vergnügt, hat in unseren Tagen
dortzulande ihrer würdigen
Nachfolgerinnen. Auch die Priester der phrygischen
Göttin, die verschnittenen
Götter und die Weltfopper, die sich als Lustknaben
verdingen, die da lügen, be-
trügen und stehlen, wo es nur angeht, sind noch da ; nur
haben sie sich zu Vertretern
der chrowotischen Wissenschaft, Kunst und Literatur, zu
Wortführern der staats-
gründenden Chrowotiasis umgewandelt. Sie geben sogar
Zeitungen heraus und
preisen schamlos ihre eigenen Reize und Künste an. Von
Karlowitz und Agram
aus machen sie in öffentlicher Meinung und reiche Leute
erkaufen sich ihre Gunst
und ihr Schweigen. Apuleius wäre erstaunt, wie nach 17
Jahrhunderten alles
so beim Alten geblieben. Erstünde er lebend, wir hätten
ihn, den launigen Philo-
sophen, zum Mitarbeiter an den Anthropophyteia. Conrad
nimmt sich im Geleit-
wort seiner geistvoll an, um ihn gegen Polizei und
Staatsanwalt zu beschützen,
doch die bedrängen ihn gar nicht, denn sie wissen, daß
er kein Pornograph ist.
Er schildert nur das flutende Leben, das ja auch sie
berufmäßig kennen und erkennen
wollen. Sie und wir lernen von ihm zu. Krauss.
Poritzky, J. E.: Meine Hölle. Sammlung menschlicher
Dokumente. Berlin 1906.
Schleswiger Ufer 6. — 224 S. kl. 8°.
Wenn einer über vierzig Jahre alt geworden, etwas
miterlebt und die Gabe
zu erzählen hat, soll er wahrheitgemäß die Geschichte
seines Lebens niederschreiben
Vom Büchertische.
447
und er wird gewiß dankbare Leser finden. Aber er soll
nicht von seinen jeweiligen
Verdauungbeschwerden und den kleinlichen
Widerwärtigkeiten berichten, denen
jedermann ausgesetzt ist, sondern von Erlebnissen, von
Menschen, meinetwegen
auch von Menschern vermelden und das Besondere als eine
Teilerscheinung der
Menschheitgeschichte darzustellen wissen. Weisheit
erwarb auch die Witwe Wetti
Himmlisch, die während 17 Jahre die Welt aus der
Abortperspektive be-
trachtete. Das Bißchen literarischer Feilung, das ihren
Aufzeichnungen fehlte,
um sie buchfähig und lesbar zu machen, besorgte ich und
einige Freunde halten
mich sogar für den Verfasser, weil sie schwer glauben
können, daß ein Weib aus
dem Volke soviel Humor und Witz aufbringen könne. Darin
irren sie. Poritzky
hat vor Frau Wetti eine literarische Schulung voraus,
erlebt aber hat sie unend-
lich viel mehr als er und an Tatkraft, Altruismus und
Lebensfreude ist sie ihm
unglaublich überlegen. Die gewesene Abortfrau von der
Wiener Ringstraße erwarb
sich die persönliche Freundschaft zweier deutschen
Schriftsteller und mit ihrem
Buche tausende lachender Leser. Poritzky dagegen will
unsere Qualen steigern,
dazu predigt er die Erbärmlichkeit des Daseins. Er klagt
über die Zerrissenheit
seiner Seele, die er von seinen Eltern ererbt habe, er
lästert alle gesellschaftlichen
Einrichtungen und flucht Gott. Als Achtzehnjähriger
macht er bei der Lektüre
einer Physiologie die entsetzliche Entdeckung, daß seine
Eltern nach einem guten
Nachtessen den Beischlaf ausgeübt und ihn bei dieser
Gelegenheit gezeugt hätten.
Das hat er nie seiner Mutter zugetraut und darum
verabscheut er sie. Seinen Vater
hätte er ermorden können, weil der ihm deutsche
Märchenbücher als eine für ihn
schädliche Lektüre entriß und vernichtete, ja, ihm das
Studium der hebräischen
Literatur mit Watschen zu empfehlen pflegte. Diese
Literatur haßt er und die
Juden auch. Die Juden verteidige ich nicht, ebensowenig
als die Christen, doch über
die gewaltige Literatur der Juden darf doch nur einer
urteilen, der in sie einen
Einblick gewonnen. Meinen Geist und mein Gemüt hat sie
unaussprechlich be-
reichert. Sie ist ja überaus ergiebig an Erlebnissen und
Weisheiten, voll Gottes-
furcht und Gottverleugnung, voll Haß und voll Liebe,
eine trostlose Einöde und
ein subtropischer Gedankengarten. P. sah nur in die
Einöde hinein. Sein Buch
bespreche ich hier jedoch nur wegen des Abschnitts, den
er den Huren ge-
widmet (S. 97—138). Nach seinen eigenen
Einbekenntnissen benahmen sie
sich ihm gegenüber als Wohltäterinnen und zum Dank sucht
er eine mit unfaßbaren
Ungehörigkeiten heiml Moralpredigten heißt er
Berufsstörungen! Eine Dirne
bietet ihm auf alle seine Schmähungen ihre Liebe an,
statt wie man erwartet aus-
zuarten. Die Szene, die er gibt, glaube ich ihm nicht,
denn sie ist widernatürlich ;
vielleicht ist sie ihm aber doch passiert? Die einfache,
selbstverständliche Wahr-
heit erzählt uns LynkeusimH. Teil seiner Phantasien
eines Realisten (Dresden
1900, S. 40—42). Gleich L y n k e u s
bestreite ich, daß wir unbedingt ein Recht
hätten, die Huren zu verachten, nicht mehr als etwa
einen Kanalräumer. Man
kann sie beide nur wegen der Gesundheitschädlichkeit
ihres Erwerbes bedauern.
Die ehrbaren Frauen heucheln eine Verachtung, während
sie eigentlich nur Haß
gegen die Preisverderberinnen hegen. Eine Hure kann
leicht zu einer ehrbaren
Frau erhoben werden, doch nicht jede ehrbare Frau taugt
zur Hure. Zu diesem
Berufe gehört Schönheit, Anmut, Liebenswürdigkeit,
leichter Sinn und noch mancher-
lei obendrein. Eine der größten Tragödinnen der
deutschen Bühne in der zweiten
Hälfte des XIX. Jahrh. begann ihre Laufbahn als
Straßendirne und eine der ge-
feiertesten Dichterinnen Österreichs fing in den
siebenziger Jahren des vorigen
448
Vom Büchertische.
Jahr h. allnächtlich auf der Mariahilferstraße die
Männer ab, bis ein Offizier zu ihr
kam. ihre Gedichte las, ihr keine Moralpredigten hielt,
sondern sie zu sich nahm
und sie ehelichte. Man übertreibt auch die Gefahren, die
auf einen bei Dirnen lauern.
Nach einer Mitteilung im Archiv für Rassen* und
Gesellschaftbiologie (1906) ist
in Berlin jede fünfte ehrbare Frau syphilitisch. Nach
dem Wiener Polizeibericht
vom J. 1905 muß jede fünfte von den 2700 unter
Polizeiaufsicht stehenden Prosti-
tuierten einmal im Jahr ins Spital für Syphilitische
kommen. Wo ist man da besser
daran, bei den einen oder den anderen? — Poritzky oder
sein Buchheld glaubt
an Hölle und Teufel und an einen Gott, der eine ihm
angedichtete Mission als Pro-
viantmeister schlecht erfüllt. Praetor minima non curat,
warum denn einen Gott
mit Nichtigkeiten behelligen?! Mensch, für die Füllung
deines Magenschlauches
mußt du selber sorgen I
Krauss.
Peters. Emil: Wann und wie können Vater und Mutter
mit ihren Kindern über
die Menschwerdung sprechen? München 1907. 23 S. 8°. —
Derselbe ebenda:
So sollt ihr lieben I Physiologie, Psychologie und Ethik
der Liebe und Ehe,
Gattenwahl und Zeugung« 8°.
Lange Zeit hindurch lief durch die Blätter meiner
Monatschrift für Volks-
kunde Am Ur-Quell die vielbelachte Umfrage: Woher kommen
die Kinder? Alle
die Bescheide aus verschiedensten deutschen Gebieten
klingen gleichmäßig aus:
Der Storch bringt sie aus der Pfütze. Die übliche
mythologische
Deutung — was man nicht versteht, setzt man aufs Konto
der Mythologie — ist
folkloristisch unmöglich, denn die Auskunft hat man
einfach als wahr hinzunehmen.
Die Eltern geben ja dem Kinde die richtige Antwort und
sind nicht schuld daran,
wenn ein der Volksprache Unkundiger sie mißversteht.
Storch heißt der Zumpt
und Pfütze ist die Voze, wie im slavischen pica. Ein
gutes und echtes Lehnwort
aus alter Zeit, sowie Pfund aus pondus, Pfaff aus papa
usw. entstanden. Aber,
das weiß man ja nicht allgemein, die Eltern müssen die
Kinder deutlicher über
die Zeugung belehren, sagen Carpenter,Dr. Siebert und
Peters. Wozu?
frage ich. Bei den Slaven, Magyaren, Romanen, den
Asiaten, Negern, Indianern,
Austrainegern usw. wird das Kind von frühester Jugend
durch den Sprachgebrauch
und gewöhnlich auch durch eigene Anschauung in das
Geheimnis eingeführt und
es ist nicht besser daran, als das in Unwissenheit
erhaltene Kind im germanischen
Sprachenbereich. Wahr bemerkt Peters: „Das ganze luftige
Gebäude der ge-
sellschaftlichen Heuchelei im Geschlechtleben ruht nur
auf der Unreinheit und
Unwahrhaftigkeit unseres Denkens." Mich möge man davon
ausnehmen. Ich wuchs
unter Chrowoten auf und sah täglich, wie auf einer
Klinik für Syphilitische, Ge-
schlechtkranke vor mir, deren Leiden mir frühzeitig die
Lust zum geschlechtlichen
Verkehr benahmen. An und für sich ist ja die
Beischlafausübung, wenn man sich
vor Übertreibung hütet, selbst Knaben und Jünglingen
nicht abträglich, gefährlich
ist nur die Ansteckung. Darüber allein muß man die
Jugend beiderlei Geschlechtes
gründlichst aufklären, damit sie auf ihrer Hut zu sein
wisse. Der Anblick einer
von widerwärtiger Geschlechtkrankheit ergriffenen Person
wirkt ernüchternder
und nachhaltiger als alle noch so wohlgemeinten
Belehrungen über die Zeugung.
Vom Büchertische.
449
denn diese regen vielleicht doch zum Probieren an.
Das meint wohl auch Peters
zum Schluß seiner lesenswerten Abhandlung, nur hätte er
es schärfer und bestimmter
ausdrucken dürfen.
In dem Buche, das die Liebe lehrt, nimmt er im engen
Anschluß an Ellis,
F o r e 1, Frau Key und einige andere bewährte
Kenner des Geschlechtlebens,
dieses Thema wieder auf. Er spricht verständig und mit
reifer Überlegung über
Gattenwahl und sexuelle Hygiene der Ehe, über die Ethik
des Bürgerstandes und
die Liebe des Weibes. Die Ehe erscheint in seiner
Beleuchtung als ein unvermeid-
liches Übel, dem jedoch Mann und Weib auch recht
erträgliche Seiten abzugewinnen
vermögen. Jedenfalls ist seine Arbeit sehr ernst zu
nehmen und es wäre zu wünschen,
sie fände möglichst weite Verbreitung, denn sie kann nur
Gutes stiften.
Krauss.
Luzian, Marie Luise: Modernes Ehe-Dirnentum.
Randglossen aus meinem Eheleben.
Leipzig 1907. 68 S. 8°.
DeutscheVerlagsactiengesellschaft.
Eine Frau von den 726 von Römer festgestellten
Zwischenstufen zwischen
Voll mann und Vollweib findet als Ehegattin an der von
Sitte und Brauch der
Heterosexuellen geheiligten Beischlafgymnastik keinen
Geschmack und erhebt
Zeter und Mordj oh gegen die Zwangehe. Ihre Lage
verschlimmerte sich, als drei
Vorgesetzte ihres lüsternen Ehegemahls auch mit zu
naschen versuchten. Die
Frau klagt aus ihren Nöten, doch übersieht sie, daß es
auch sehr lüsterne Frauen
gibt, die ihren Ehemännern erbarmungslos endlose
geschlechtliche Kraft- und
Dauerleistungen zumuten. In zwei Monaten setzte der
Verlag von dieser Schrift
bereits 7000 Exemplare ab und die Bestellungen
dauern an. Sollte durch dies Werk-
chen eine Erleichterung der Ehescheidungen angebahnt
werden, so hat Frau L u z і an
eine wichtige, ins soziale Leben tief einschneidende
Reform hervorgerufen. Dann
wird die Anklage verstummen, „daß die Dirne der Straße,
die feile Prostituierte
der ehrbaren Ehefrau noch über ist." Wie viele
Mannsbilder gibt es aber, die noch
unter der Metze rangieren? Jeder von uns kennt gewisse,
selbst gelehrte Berufs-
zweige, in die der Mann einheiraten muß, um etwas in der
Welt zu gelten. Diese
Weiber, die sich den Beischläfer erpressen, die sind
unendlich verächtlicher als
der Mann, der aus Liebe heiratet, um seinen
Geschlechttrieb zu befriedigen. Der
übernimmt dafür eine kolossale Gegenleistung für sein
ganzes Leben, während
jener Schlampen den Mann uud die Gesellschaftordnung
sittlich versumpft.
Eine gepfefferte Antwort, die zudem voll Geist und
Witz ist, erteilt der Frau
Luzian ein Herr Meboldt mit seiner im gleichen Verlage
erschienenen Entgegnung:
Modernes Ehesträflingtutn.
M. hatte das Glück, die Tochter eines hohen
Vorgesetzten zu heiraten und
in der Brautnacht über fünfzehn Vordermänner im Amte
hinwegzuspringen. Er
ist ein gemachter Mann, wie die Welt wähnt, doch hat ihn
ein Weib erwischt, das
sich geschlechtlich ausleben will, er aber kann nicht
zweien Herren dienen. Das
muß man lesen und wiederlesen, um all den Jammer der
modernen Zwangehe und
des ehrlichen Schachers mit Weiberleibern zum Schaden
des Mannes zu begreifen.
Ich glaube fest, daß Meboldts Büchlein noch mehr als das
der Frau Luzian
die Gemüter aufregen und zum Nachdenken über die
Ehemisere bewegen wird.
Krauss.
Krauss. Anthropophyteia. IV
29
Rezensionen fiber die Anthropophyteia.
(II. Fortsetzung.)
In der Politisch-Anthropologischen Revue. Leipzig
1906, V, S. 106—in bespricht
Medizinalrat Dr. P. N ä c k e unter der Überschrift: Zur
Methodik
der folkloristischen Forschung die Anthropophyteia wie
folgt :
Immer mehr schmelzen die Reste alten Volkstums
zusammen und in der elften
Stunde werden noch jetzt Reisende ausgeschickt, um in
fernen Landen von Sitten,
Erzählungen, Religionsübungen usw. zu retten, was noch
zu retten ist. Aber man
hat mit Recht auch eingesehen, daß wir zunächst in
unserem eigenen Lande nach
alten Überbleibseln forschen sollten. Seitdem durch
Herder, die Gebrüder Grimm
usw. die hohe Bedeutung alter Sagen, Erzählungen und
Gedichte bekannt wurde,
fing man an zu sammeln und hat so ein bereits sehr
respektables Material zusammen-
gebracht, eine auch noch für spätere Forscher
unerschöpfliche Fundgrube.
Einer der besten Folkloristen der Neuzeit ist ohne
Frage Dr. Fr. S. Krauß in
Wien, der das südslawische Folklore sich zur
Lebensaufgabe erkor, es eigentlich
erst begründete und durch wahren Bienenfleiß ein
riesiges Material zur weiteren
Forschung ansammelte. Er gibt jetzt sogar eigene
Jahrbücher heraus: Die „Anthro-
pophyteia", Jahrbücher für folkloristische Erhebungen
und Forschungen zur Ent-
wicklungsgeschichte der geschlechtlichen Moral"1
und zwar in großartiger Aus-
stattung. Der erste Band, den Krauß allein besorgt hat,
enthält „Südslawische
VolksüberUef erungen, die sich auf den
Geschlechtsverkehr beziehen. I. Erzählungen,
Gesammelt, verdeutscht und erläutert von Dr. Fr. Krauß."
Es sind fast 400 Er-
zählungen und Anekdoten, meist aus Bosnien, selten aus
der Herzegowina, häufiger
dagegen aus Kroatien. Zunächst kommt der slawische Text
und darauf die Über-
setzung, und so ist auch das Studium der Dialekte
möglich geworden. Krauß hat
diese Erzählungen sexuellen Inhalts nur nebenbei
gesammelt und hier ver-
einigt. Ausdrücklich hebt er hervor, daß die Leute sie
spontan mitteilten und viele
haben sie ihm selbst aufgeschrieben oder diktiert. Sie
sind freilich meist bodenlos
gemein und in den rohesten Volksausdrücken
wiedergegeben, die auch Krauß ge-
treulich verdeutscht hat, was ich nicht gerade für nötig
halte, wie ja auch der Titel
des Werkes gemein genug ist und wohl hätte anders lauten
können. Ein Laien-
brevier für junge Damen und unverdorbene Seelen ist das
Buch also sicherlich
nicht, aber für den ernsten Forscher von hohem Belange
und sehr verdienst-
lich. Man begreift darum nicht, wie sogar es ein
Mediziner in einer Kritik als ,,un-
* Leipzig, Deutscher Verlag, Aktien-Gesellschaft
1904, 30 Mk. 530 S. Hochquart.
Rezensionen über die Anthropophyteia.
451
züchtig" stempeln konnte.1 Der gute Mann
hat offenbar dessen Zweck gar nicht
verstanden !
Wir sehen nämlich in der Tat, wie Verfasser in seiner
vortrefflichen Vorrede
auseinandersetzt, einen Teil der Volksseele sich darin
wiederspiegeln und zwar
reiner als bei uns, wo alles Geschlechtliche das
Tageslicht fliehen und in den Alkoven
sich verkriechen muß. Wir haben gewiß in den Südslawen
auch heute noch ein
körperlich und moralisch kerniges Volk vor uns, und doch
sehen wir mit Staunen,
wie ungeniert die geschlechtlichen Dinge vor groß und
klein, Männlein und Fräulein
behandelt und sehr gerne zu allerlei Witzen benutzt
werden. Wichtiger aber für
uns ist der Nachweis, daß schon im Physiologischen alle
Wurzeln
der pathologischen Sexualität sich wiederfinden, indem
hier Anklänge an alle möglichen sexuellen Abnormitäten
bereits vorliegen und
deutlich werden, wie auch ein gewisses Raffinement in
der Befriedigung der libido
sich hie und da kundgibt. Nicht das geringste Verdienst
der Kraußschen Samm-
lung liegt aber darin begründet, daß zugleich Anklänge
an uralte rechtliche und
wirtschaftliche Zustände erhalten sind, wie sie etwa zur
Zeit der alten Germanen
zum Teil noch bestanden haben mögen. So z. B. Anklänge
an das Matriarchat,
an die Leviratehe, das Gottesurteil usw.; das wird
namentlich die Juristen und
die Kulturhistoriker interessieren.
Ich wollte aber hier nicht den Details des Buches
nachgehen. Mag jeder, der
sich dafür interessiert, diese selbst aufsuchen! Nur an
obiges Werk anknüpfend
sollen hier einige Bemerkungen zur folkloristischen
Methodik gemacht werden,
weil sie mir nicht ganz wertlos erscheinen.
Es kommt zunächst, glaube ich, darauf an, zu wissen,
zuwelchemZwecke
man sammeln will. Sind es vornehmlich rechtliche,
kulturhistorische, ästhetisch-,
literarische, linguistische Gesichtspunkte, die uns beim
Sammeln leiten sollenn
oder etwa moralische, sexuelle usw. Das, wovor man sich
in allen Fällen zu hüten
haben wird, ist, daß man nicht Importware mit
autochthonen
Erzeugnissen verwechselt, eine Gefahr, die freilich je
nach den ein-
geschlagenen Gesichtspunkten sehr verschieden ausfallen
wird. Je abgeschlossener
das studierte Gebiet vom Weltverkehr abliegt, je
primitiver das Volk ist, um so
mehr besteht Aussicht, noch wirkliche Volkserzeugnisse
anzutreffen. Weniger
ist dies in mehr zivilisierten Gegenden der Fall und da
wieder häufiger in wenig
zugänglichen Bergregionen, als in der Ebene, auf Inseln
mehr als auf dem Kon-
tinente usw. Als treue Hüterinnen alter Überlieferungen
zeigen sich besonders
die Frauen. Sie haben im allgemeinen ein größeres
Interesse für Legenden, Märchen
usw., behalten sie länger im Gedächtnisse als die
Männer, sind dagegen vielleicht
noch leichter geneigt, ihrer Phantasie zu folgen,
Ursprüngliches abzuändern usw.
Die alten Mütterchen wissen meist mehr zu erzählen, als
die Greise.
Wichtig ist aber auch die Art des Aufbewahrten. Ge-
dichte oder Märchen haben mehr Chancen, unverändert auf
die Gegenwart zu
kommen, als bloße Erzählungen und Anekdoten, die nicht
nur von Mund zu Mund
sich leichter abändern lassen, sondern viel häufiger
direkt auf Import beruhen.
1 Es ist nicht offiziell im Buchhandel,
sondern wird nur an Bibliotheken und
an bekannte Gelehrte abgegeben, und jedes Exemplar ist
überdies numeriert.
Dadurch allein ist es schon der bloßen Befriedigung des
Sinnenkitzels entzogen
worden.
29*
452
Rezensionen über die Anthropophyteia.
In den alten Gedichten, besonders in den Epen,
handelt es sich meist um Helden
und Könige der Vorzeit, und hier ist die Einfuhr nicht
gut möglich oder höchstens
nur in der Form von Einschiebseln oder Zusätzen; der
Kern bleibt der alte. Be-
sonders dauerhaft dürften sich solche Gedichte dann
erweisen, wenn sie mit alten
Melodien verbunden sind. Die Märchen und Legenden
wiederum sind deshalb
viel weniger dem Import oder starken Abweichungen
ausgesetzt, als z. B. die Er-
zählungen, weil sich für sie vorwiegend alte Frauen und
Kinder interessieren. Das
Gegenteil sieht man bei den Erzählungen, die
hauptsächlich von den Männern
gepflegt werden. Es braucht wohl nicht speziell betont
zu werden, daß, wenn uralte
Überlieferungen schriftlich niedergelegt sind, z. B. in
Chroniken, sie münd-
lichen Erzählungen bez. der Echtheit oft vorzuziehen
sind.
Man hat ferner auch zu fragen, ob die Erzählungen von
Gebildeten oder Ungebildeten stammen, von fremden,
aber eingesessenen Volksbestandteilen, z. B. den Juden,
oder vom eigentlichen Stammvolke. Beim Gebildeten ist
cet. par.
die Möglichkeit des Imports oder der bewußten oder
unbewußten Abänderung
eines Inhalts eine größere, als beim Ungebildeten,
speziell dem Analphabeten.
Sobald alles lesen und schreiben kann, gern und viel
liest, ist die Gefahr für die
treue Überlieferung des Alten besonders groß. Gefährlich
ist es auch, wenn ein
Volk leicht improvisiert oder gern redet und sich reden
hört, wie z. B. die Kirgisen;
dann wird es mit der Wahrheit immer weniger streng
genommen, und mindestens
Zusätze aller Art sind ganz gewöhnlich. Nicht
gleichgültig ist aber auch die Religion.
Die christlichen und islamitischen Südslawen z. B. haben
durchaus nicht alle Er-
zählungen usw. gemeinsam; und was gemeinschaftlich ist,
erscheint meist durch
die Religion und deren Tendenzen gefärbt. Krauss hat
daher sehr richtig bemerkt,
ob der Erzähler ein Christ oder Moslem war. Aber auch
sonstige Lokalfärbungen
des Überlieferten sind wohl zu beachten und ihren
Gründen ist nachzuspüren.
Krauss vertrat nur spontan erzählte Sachen. Das geht
vielleicht etwas
zu weit, weil man dann sehr auf den Zufall angewiesen
ist. Jedenfalls muß man
den Erzähler nicht zu sehr reizen oder drängen, sonst
wird er geradezu aufgefordert,
nur das, was dem Hörer angenehm ist, zu erzählen, resp.
abzuändern. Leute aus
dem eigenen Volke, namentlich Lehrer, Prediger usw.
eignen sich vielleicht als
Sammler am besten, weil sie mit und unter dem Volke
leben, die Überlieferungen
von Kindesbeinen an kennen und vor allem bei ihren
Mitbürgern mehr Vertrauen
finden, als fremde Forscher. Ort und Zeit der Erzählung
muß genau aufgeschrieben
werden, wie auch Stand, Ruf usw. des Erzählers selbst
und die Umstände, unter
denen es geschah.
Alle diese Überlieferungen können nun direkt oder
indirekt das allgemein
moralische Niveau des Volkes verraten. Viel vorsichtiger
dagegen muß
man beim Studium der rein sexuellen Seite der Moral
sein,
besonders bei der Beurteilung des angesammelten
Materials. Hier ist stets an
möglichen Import oder starke Änderungen zu denken, und
ich glaube, daß es heut-
zutage fast unmöglich ist, bei einem ganz- oder
halbzivilisierten Volk die sexuelle
Moral aus den Erzählungen rein herauszuschälen. Viel
besser ist die Beobachtung
des Volkes selbst in sexuellen Dingen, da hier nur ganz
allmähliche Umwandlungen
stattfinden, was vom Inhalte der Erzählungen nicht
gesagt werden kann. So manche
Überlieferung bei Krauss ist sicher direkte Einfuhr.
Komplizierte Anekdoten oder solche mit besonderer
Pointe dürften kaum je
Rezensionen über die Anthropophyteia.
an zwei verschiedenen Orten in gleicher Weise
entstanden sein. Der „Völkergedanke"
kann nur gleichartige elementare Vorstellungen erzeugen,
nie komplizierte,
detaillierte. Stets liegt dann wohl gegenseitige
Beeinflussung oder Import zugrunde.
Man bedenke z. B., daß seit der österreichischen
Okkupation die Bosnier als Sol-
daten zum Teil nach Wien usw., also in die Fremde und in
die Großstädte ziehen.
Gerade die Kasernen sind aber bekanntlich wahre
Brutherde für allerlei unzüchtige
Gedichte, Anekdoten, Erzählungen usw., die dann von den
Heimkehrenden nach
Hause gebracht, dort weiter erzählt werden, mit oder
ohne beliebige Zusätze, und
als lockere Münze dann im Lande kursieren. Die Slowaken
wiederum streichen
in der weiten Welt herum und in den Herbergen, wo sie
ihr Quartier aufschlagen,
ist ein weiterer Herd für Verbreitung von Zoten gegeben.
Es ist daher nicht bloßer
Zufall, daß Krauss gerade die kroatischen Erzählungen
für viel gemeiner erklärt,
als die bei den Bosniern usw. Die Marine bildet einen
dritten Herd solchen Ent-
stehens. Auch durch eingewanderte Europäer usw. kann
vieles Fremde mit in den
Über lief erungsschatz kommen. Es dürfte also so
manches, was Krauss uns mit-
teilt, aus solchen verschiedenen, unlauteren Quellen
stammen.1 Wird man z. B.
wohl glauben, daß der Bauer dort auf acht verschiedene
Weisen den Koitus zu üben
weiß ? Gewiß nicht ! Ebensowenig, daß die Erzählungen
mit ausgesprochen sadisti-
schen und masochistischen Praktiken oder besonderem
Raffinement im Geschlechts-
verkehr irgendwie der Regel entsprechen. Man hüte sich
aber ferner,
aus selbst als echt erkannten Überlieferungen ohne wei-
teres auf eine tiefstehende Moral, auch nur in
geschlecht-
licher Hinsicht, zu schließen! Das Natürlichfinden der
sexuellen
Dinge, selbst eine gewisse Liebe zu Zoten spricht noch
lange nicht für eine tief-
stehende Geschlechtsmoral. Man bedenke nur, daß je
primitiver das Volk ist,
um so mehr das Geschlechtliche einen hervorragenden
Platz im täglichen Leben
einnimmt, viel mehr, als bei uns. Und sicher dürfte im
allgemeinen bei den Süd-
slawen die Geschlechtsmoral trotzdem eine bessere sein,
als bei uns! 1
Man kann also gerade bei allen sexuellen
Erzählungen
nicht skeptisch genug sein bez. des Autochthonen! Es
fragt
sich aber nun: wie soll man hier und sonst auch das
Echte erkennen? Ich glaube
nun hierfür zwei Hauptkriterien aufstellen zu können.
Erstens: Übereinstimmung
des Gehalts der verschiedenen Überlieferungen des Landes
miteinander und mit
dem Lebenswandel des Volkes. Hier muß also der
Folklorist genau mit dem
Ethnologen Hand in Hand gehen, sonst gerät er nur zu
leicht in die Brüche!
Zweitens: Gleichzeitiges Aufbewahrtsein uralter
Rechtseinrichtungen, religiöser
Vorstellungen, wirtschaftlicher Verhältnisse, alter
Wort- und Redensarten usw.,
die auf ein hohes Alter des Erzählten hinweisen, wie z.
B. so manche der von Krauss
gesammelten Erzählungen. Freilich muß man sich hier
nicht ganz darauf verlassen,
da sehr wohl dem alten Kern neue sexuell usw. gefärbte
Teile später angegliedert
sein können.
Ich glaube, daß diese Andeutungen genügen werden, um
auf die entstehenden
Schwierigkeiten hinzuweisen und gewisse Wege darzulegen,
wie man ihnen nach
Kräften begegnen kann. Freilich würde es leicht eine
Hypcrkritik dahin bringen,
daß vor lauter Angst, Gefälschtes oder stark Verändertes
zu sammeln, nichts mehr
1 Von den im II. Band seiner
Anthropophyteia (1905) S. 265 mitgeteilten
Stücken meint er selbst, daß die Mehrzahl europäisches
Wandergut wäre.
454
Rezensionen über die Anthropophyteia.
oder nur noch wenig vom Forscher eingeheimst wird.
Der wahre Kritiker wird
aber auch hier die goldene Mittelstraße zu finden wissen
; wer nicht kritisch genug
veranlagt ist oder keine Zeit findet, sein Material zu
sichten, soll es nur so geben,
wie er es gesammelt hat, es anderen überlassend, spätere
Auslese zu treffen. Das
Gefährliche bei diesem Verfahren liegt nur in der
Möglichkeit und der Versuchung,
selbst falsche Schlüsse zu ziehen, die nachher
rektifiziert werden müßten. Immer-
hin ist es besser, eine solche reiche, aber unkritische
Sammlung sogar mit falschen
Schlüssen vor sich zu haben, als gar keine oder eine nur
magere.
Ja, schließlich würde sogar für dieFolkloristik das-
selbe Prinzip zu empfehlen sein, das für die Ethno-
graphie so segensreich sich erwies, das der Zweiteilung:
Personen, die nur sammeln einerseits, also alles
einheimsen,
ohne weiter groß danach zu fragen, ob das Gesammelte
echt oder unecht, richtig
oder unrichtig ist; und andererseits Personen, die das
Ge-
samtmaterial später kritisch zu verarbeiten haben. Jeder
hat dann so ein streng abgegrenztes und großes
Arbeitsgebiet und beide werden
schließlich, cet. par., bedeutendere Resultate erzielen
als ein einzelner Forscher.
Der Sammler braucht dann nicht viel Zeit mit
Vergleichen, Sichten usw. zu ver-
lieren, sondern wird alles mitnehmen, was ihm eben unter
die Hände kommt,
Gutes und Schlechtes. Denn für spätere bündige Schlüsse
ist
ein möglichst großes, reichhaltiges Material notwendig.
Der Sammler hat nur das Material als solches zu-
sammenzubringen, nur zu katalogisieren, aber ja keine
so oft voreiligen Schlüsse zu ziehen. Der Kritiker
allein hat das
Echte vom Unechten zu trennen, die Variationen usw.
nachzu-
weisen und ihren Gründen nachzugehen. Man glaube ja
nicht, das sei eine
leichte Arbeit! Der Nachweis der verschiedenen
Klutureinflüses z. B. auf
gewisse Legenden oder Mythologien gehört vielmehr mit
zum Schwierigsten
und erfordert nicht nur einen scharfen Verstand und
wahre Intuition, sondern auch
ein sehr ausgebreitetes Wissen, was alles der bloße
Sammler nicht zu haben braucht,
obgleich auch ihm diese Eigenschaften natürlich nur
zweckdienlich sein können.
Nicht uninteressant wird es ferner sein, die Menge des
Imports, den Anlaß zu den
Abänderungen der Texte zu erfahren, denn auf diesem
ganzen geistigen Gebiete
findet eine Art von Völkerwanderung und Güteraustausch
statt. Der Kritiker
wird sich aber auch wohl hüten, Überlieferungen, die an
irgend einem Winkel des
Landes angetroffen wurden, selbst wenn sie sich als echt
erweisen, ohne weiteres
für das ganze übrige Land oder gar für die ganze Rasse
gültig hinzustellen. Bloß t
den gemeinschaftlichen Kern aller Varianten wird
er verallgemeinern
dürfen.
Bei dieser Arbeitsteilung und Kritik würde man
allmählich aber auch zu einer
historischen und regionären Folkloristik gelangen, d. h.
man
würde das Anwachsen und Atrophieren einer bestimmten
Erzählung usw. nach-
weisen können und ferner, wie weit sich dieselbe
quantitativ über das Land
erstreckt hat, und wohin usw., nachdem die qualitativen
Abänderungen bereits
festgestellt worden sind. Gerade hierbezüglich aber sind
die Angaben der Folk-
loristen bisher meist recht vag. Es heißt z. B., daß
gegen Wadenkrämpfe in Olden-
burg ein Besen ins Bett genommen wird. Hier fragt es
sich: ist das überall
in Oldenburg der Fall gewesen oder nur in einzelnen
Bezirken, wo, bei welchen
Rezensionen über die Anthropophyteia.
455
Leuten, und endlich, wann ward es zum ersten Male
beobachtet und besteht es
heute noch, etwa in einer Modifikation? Hier gibt es
unglaublich viel zu tun und
man müßte genau hier so vorgehen, wie bei
Dialektforschungen, d. h. also historisch
und regionär.
Im Archiv f. Kriminalanthropologie und Kriminalistik,
XX. (1907) S. 289 f.
Dieser II. Bd. reiht sich würdig dem an derselben
Stelle besprochenen I. Bd.
des Jahres 1904 an. Ja, er ist sogar noch interessanter
für den Kulturhistoriker
und Folkloristen, da er nicht bloß die Südslaven
behandelt, sondern auch Deutsch e
Ungarn, Zigeuner usw. Diesmal tritt Krauss nicht als
einziger Autor auf, sondern
es erscheinen eine Reihe namhafter Männer mit ihren
Beiträgen. Daß allein neuer-
dings Prof. Eulenburg und von den Steinen als
Mitarbeiter verzeichnet sind, ist wohl
der beste Beweis dafür, wie ernst, wissenschaftlich und
verdienstlich diese Jahr-
bücher sind. Höchst interessant ist das Idioticon
eroticum viennense und Bero-
linense von Reiskel. Wenn es auch nicht vollständig ist,
so ist man doch über den
Reichtum der Kraftausdrücke überrascht und bewundert den
Humor der Wiener
und den scharfen Witz der Berliner. Leider fehlt jede
Etymologie ! Solche Idiotica
sollten aus den verschiedensten Gegenden geliefert
werden, da sie einen guten Nieder-
schlag der Volkspsyche geben. Ausgezeichnet ist die
große Sammlung von Rätseln
und Rätselfragen niederösterreichischer Stadtleute und
von Sprichwörtern und
sprichwörtlichen Redensarten Deutscher in
Niederösterreich, gesammelt von Krauss
und Reiskel. Vieles davon ist auch bei uns zu Hause.
Dann folgen erotische Lieder
aus Österreich, Schnadahüpfln, magyarische
Reigentanzlieder, städtische Erzählun-
gen, Beschwörungen aus Sizilien, mehrere kleinere
Abhandlungen und eine ganz
vorzügliche elsässische Erotik und weitere Beiträge von
Krauss zu den südslawischen
Überlieferungen. Wenn man weiter bedenkt, daß fast
überall mehr oder weniger
lange Einleitungen und viele Bemerkungen
kulturhistorischer usw. Art gegeben
sind, so wird man über den Reichtum des Gebotenen
gebührenderweise staunen.
Man sieht daraus, wie das Sexuelle das Volk dämonisch
an sich zieht und wie unbewußt es in ganz ähnlicher
Weise
arbeitet. Immer aber wird darauf hingewiesen, daß trotz
dieser Vorliebe für
Obszönes beim niederen Volke die Geschlechtsmoral eine
durchaus gesunde sein
kann, ja sogar abstoßende Volkssitten, wie z. B. das
„Rupfen" im Elsaß vertragen
sich damit. In den oberen Schichten tritt diese Vorliebe
für das Sexuelle verhüllter
auf, in allerlei Zweideutigkeiten usw., die Moral ist
darum aber nicht besser. Welcher
Schatz von Wissen und feinen Beobachtungen ist uns
allein in den gemeinen Sprich-
wörtern und Rätseln erhalten, und wie viel altes
Volksgut treffen wir dort an, das
noch ungehoben ist ! Daran vorbeizugehen, weil der
Gegenstand skabrös ist, verrät
nur einen engen Horizont. Die Wissenschaft hat allein
nach Wahrheit zu fragen*
nicht nach gut oder schlecht 1 Sehr richtig meint ferner
einmal Krauss: „Es läßt
daraus schließen, daß ein gewisses Bedürfnis nach Erotik
im Menschen vorhanden
ist, das sich auf verschiedene Weise betätigt. Große
Geister... verbrechen manch-
mal einen erotischen Scherz in Schriften und Bildern...,
die fast immer anonym
bleiben." Auch in Studentenkreisen kommen sie
bekanntlich vor. Ein Autor W. G.
betont mit Recht, wie wichtig gerade für den Arzt und
Richter
die Kenntnis dieser Erotik ist. Das wäre also sogar ein
sehr prak-
tischer Nutzen solcher Studien! Rühmend wird deshalb
besonders des österreichi-
schen Oberstaatsanwalts Graf Lamezan gedacht, der eben,
weil er die Volks-Erotik
456
Rezensionen über die Anthropophyteia.
sehr genau kannte, nie eine Anzeige, die auf Grund
von Unkenntnis der einschlägigen
Verhältnisse geschah, weiter verfolgte. Und wie viel
Aberglauben hängt
direkt oder indirekt mit dem Sexuellen zusammen! Wer
also die Volkspsyche ganz kennen lernen will, kann hier
ohne Eingehen aufdie sexuellen Verhältnisse nicht einen
vollständigen Einblick gewinnen. Und dazu verhelfen ihm
sicher
die besprochenen Jahrbücher. Dr. P. N ä c k e.
Im Zentralblatt für Anthropologie, Braunschweig 1907,
XII. S. 12 f.:
Ängstlich hat man sich bisher in der Kulturgeschichte
und Folkloristik von einem
so außerordentlich wichtigen Gebiete, wie es das
Geschlechtsleben, namentlich bei
den unzivilisierten Völkern bildet, zurückgehalten, und
so ist unendlich kostbares
Material jeder Art verloren gegangen. Dr. Krauss, der
berühmte Slavist und
Folklorist, hat sich ein entschiedenes Verdienst durch
Herausgabe
dieses alles Geschlechtliche in Wort und Bild sammelnden
Werkes erworben, und
erste Mitarbeiter stehen ihm zur Verfügung. Prof. Obst,
der zu früh gestorbene
Leiter des Grassi-Museums in Leipzig, hat die volle
Wichtigkeit dieses Unternehmens
erkannt und — wie es in der Einleitung zu obigem dritten
Jahrgange heißt — ge-
sagt: „Nun werden wir endlich erfahren, was tausend
Gegenstände in unseren
Museen bedeuten. Die Anthropophyteia wird es uns
lehren." Für viele Engherzige
enthalten diese Jahrbücher nur Schweinereien, für den
Kulturhistoriker, Psycho-
logen, Folkloristen, Sprachforscher usw. aber sehr
wichtige Documents humains.
Der vorliegende dritte Band (1906) in vornehmster
Ausstattung enthält aus-
gezeichnete Beiträge und nicht bloß von Dr. Krauss, der
namentlich seine
sexuellen Geschichten der Südslaven (Text und
Übersetzung) fortsetzt, von dem
er aber selbst vieles als Wandergut anerkennt.
Namentlich bei den Südslaven
kann man das „naturalia non sunt turpia" lernen. Dr.
Rétfalu veröffentlicht
ein ziemlich ausgedehntes magyarisches erotisches
Idiotikon mit Übersetzungen
und Anmerkungen. Wohl kein Volk in Europa dürfte so viel
gemeine Redensarten
haben wie die Ungarn, und man versteht, daß die
Mikosch-Anekdoten nur hier
treiben konnten Wo findet sich etwas Ähnliches, wie:
„ich f. e seine Jungfrau
Maria, seinen Christus, deinen Herrgott" usw.? Selbst
das Maria f u ta ta der Italiener
ist nur ein „Waisenknabe" dagegen. Ebenso derb ist die
von Keszethely
gesammelte ungarische Erotik, ferner die Sprichwörter,
Rätsel usw. Interessante
weitere und kürzere Beiträge betreffen den Koitus als
Kulthandlung, die Schwangere
und das Neugeborene in Glauben und Brauch der Völker,
Liebeszauber usw. Höchst
interessant und uns speziell berührend sind die Beiträge
aus Deutschland und
Österreich, namentlich aber aus Elsaß, die durch ihre
groben, aber naiven Dar-
stellungen sich auszeichnen und viel altes gutes
deutsches Sprach- und Sagengut
enthalten. Die Kommentare dazu sind sehr lehrreich, und
es ist völlig richtig, daß
trotz derber Erotik das elsässische Volk usw. nicht
sittlich tiefer steht als andere
deutschen Stämme. Ein glücklicher Gedanke von Godelück
war es, aus dem
Elsaß erotische und skatologische Kinder- und
Jugendreime zu sammeln, von
denen die meisten freilich sehr zahm sind, die anderen
jedenfalls von Eltern auf
die Kinder gekommen sind. Zu manchen finden sich
Anklänge bei uns, jedoch dürften
so saftige kaum vorkommen. Ein kleiner Artikel von R e і
s k e 1 behandelt skato-
logische Inschriften auf Aborten, doch haben hier
namentlich die Italiener viel
Rezensionen über die Anthropophyteia.
457
mehr ausgegeben. Recht interessant ist eine Studie
von Knapp über die Homo-
sexuellen nach hellenischen Quellenschriften, und zwar
die rein sinnliche Seite
betreffend, wie sie namentlich bei Strabon sich finden,
und die hier zum ersten Male
übersetzt sind. Am Ende des Buches folgt die
Beschreibung schöner photographi-
scher Tafeln mit Phallismen, Koitusdarstellungen an
Grabgefäßen usw. (der coitus
oralis kommt hier oft vor) mit sehr interessanten
Erläuterungen. Endlich beschließt
Krauss das Werk mit ziemlich eingehenden Rezensionen von
das Geschlechtliche
behandelnden Büchern.
Med.-Rat Dr. P. N ä c k e - Hubertusburg.
Unter der Überschrift: ..Anthropophyteia.. berichtet
Dr. Alfred Kind auf S. 175—191
der von Karl Vanselow herausg. Zeitschrift Geschlecht
und Gesellschaft,
Berlin 1907. II. Hft. 4. Hier ein Auszug daraus:
Friedrichs. Krauss in Wien, geb. 1859, hatte sich
schon durch viele
wertvolle Bücher über die Volkskunde der Südslaven
bekannt gemacht, als er im
Jahre 1904 mit dem Wagemut des echten, vorurteilfreien
Forschers eine literarische
Unternehmung begann, die der Sexualwissenschaft neue
oder jedenfalls bisher
nie ernsthaft betretene Wege wies.1 Diese
Unternehmung besteht in der Veröffent-
lichung ziemlich dickleibiger Jahrbücher für
folkloristische Er-
hebungen und Forschungen zur E n t w і c k 1 u n
g g e s c h і c h t e
der geschlechtlichen Moral unter dem obigen Gesamttitel
Anthro-
pophyteia, von denen bis jetzt drei Bände vorliegen.
Ganz besonders muß diese
Zeitschrift, die der unbefangenen Aufklärung auf
gleichem Gebiete dienen möchte,
dem mutigen Gelehrten Dank wissen, daß er mit kühnem
Griff ins Menschenleben
hineinpackte da, wo es am interessantesten ist. Vor der
freimütigen Objektivität
des Untersuchers muß der hämische Moralist schweigen, d.
h. er sollte es. Krauss
hat erfahren, daß es putzige Ausnahmen gibt. „Bestellung
unmöglich, da ich nicht
zur Klasse von Schweinigel gehöre" antwortete in nicht
ganz taktfestem Deutsch
ein Professor der Anthropologie [!], und ein Anatom
verbat sich energisch den
„pseudowissenschaftlichen Schmutz" und denunzierte beim
Staatsanwalt. Dieser
letztere Fall ist nicht ohne Witz; ich entsinne mich
wenigstens nicht, in meinem
Leben eine ekligere Schweinerei mitgemacht zu haben, als
die Anatomie. Krauss
ist es gelungen, eine Anzahl der besten Gelehrten für
seine Ideen geneigt zu machen
und so ist denn das Werk, das unter den denkbar größten
Vorsichtsmaßregeln
als Privatdruck ausgegeben wird, Gott sei Dank vor der
Einstampfung bewahrt.
Mit großem Geschick und glücklichem Humor hat Krauss
bisher am Steuer
gestanden, und es steht zu hoffen, daß das Schifflein
jetzt in freier Fahrt die Segel
bläht. Dieser Wiener Ethnologe zeigt sich uns als ein
gedankentiefer Betrachter
mit jenem fein lächelnden Takt, den die überlegene
Gründlichkeit gebiert; wer
nicht in schiefe Vorurteile verbohrt ist. muß ihn
schätzen lernen, wenn er nur seine
genußreichen Bücher über Frauenschönheit liest. Auch in
den sonst durchaus
wissenschaftlich korrekten Jahrbüchern zwinkert zuweilen
das Auge des lachenden
1 Ein früheres Unternehmen, genannt
Kryptadia, an dem auch Krauss
beteiligt war, fand aus verschiedenen Gründen nicht die
rechte Anteilnhame maß-
gebender Kreise.
458
Rezensionen über die Anthropophyteia.
Philosophen, so daß man die chrowotischen Gelehrten
beinahe zu bedauern an-
fängt, da sie bei ihm beständig so mordsschlecht
abschneiden.
Der Inhalt gibt zunächst fast vollständig die eigenen
Aufzeichnungen von
Krauss zum erotischen Folklore der Südslaven. In bezug
auf die Wertschätzung
des hier Gebotenen kann man nur unterschreiben, was P.
Traeger im Archiv
für Rassenbiologie III. 2 von den Schwierigkeiten sagt,
die seih dem reisenden
Forscher in dieser Hinsicht in den Weg stellen.
Darnach braucht kein Wort mehr über das Verdienst des
Sammlers gesagt
werden. Zu erwähnen ist aber, daß diese slavisch und
deutsch ganz ohne Feigen-
blatt wiedergegebenen Geschichtchen nur nebenbei und
quasi zufällig nach der
Erzählung durchaus honetter Leute niedergeschrieben
sind, nie auf besonderes
Drängen, wie Krauss ausdrücklich hervorhebt. Wer nur in
das Folklore oder
die deutschen Schwankbücher mal hineingerochen hat, wird
sogleich viele alte
Bekannte begrüßen, aus deren slavischer Version sich mit
Vorsicht einige psycho-
logisch-vergleichende Schlüsse ziehen lassen. Krauss
selber enthält sich jeg-
licher Vergleichungs-Systematik, vielleicht weil er sich
nicht viel lebensfähige
Frucht davon verspricht, oder weil er diese
Kärrnerarbeit gern trocknern Leuten
überläßt.
Wer nun gerade den -Tasso zugeklappt hat oder sonst
mit dem Bewußtsein
sublimster Ästhetik an die Lektüre dieser
Kommißbrotgeschichten herangeht,
dem dürfte allerdings das grobe Kaliber einen gelinden
Ruck in der empfindlichen
Seele geben. Aber es ist doch ein Unterschied, ob uns
ein Unteroffizier beim Glase
Bier mit einer vertraulichen Sauerei belästigt, die auf
uns wirken kann, als ob uns
einer ein schönes Bild mit einer Handvoll Unflat
beschmeißt, oder ob wir jetzt
in der Ruhe der Studierstube das Buch hervorlangen, um
die urwüchsigen Äußerungen
eines von Ästhetik ziemlich unangekränkelten
Menschenschlages auf ihren Wert
für höhere Erkenntnisse hin zu untersuchen. In diesem
Fall dürfte als Unflat höch-
stens noch dasjenige wirken, wo das gegensätzlich
Witzige oder kulturell resp.
unkulturell Bedeutsame oder das satirisch Groteske
fehlt. Aber auch wenn wir
diesen Rest noch genauer unter die Lupe nehmen, löst
sich beim Studium alles
„Anstößige" in eitel Dunst auf. Die geistlos-blöde
Schmutzerei in Ausdrücken
liegt ja doch letzten Endes nicht in dem betreffenden
Wort selber, sondern darin,
daß wir dies Wort gewaltsam in die Gosse gestoßen oder
seinen Gebrauch den Un-
gebildeten überlassen haben. Diese primitive Methode der
Erziehung zur Durch-
schnittästhetik droht bei uns furchtbar „gebildeten"
Deutschen überhand zu nehmen.
Wenn Worte Erinnerungbilder hervorrufen, so weiß ich
wirklich nicht, was mir
denn der parlamentarische Zweisilbner „Unflat" für ein
anderes Phänomen vor
Augen zaubert, als jenes ebenso vielsilbige Wörtlein,
das Goethe mit so außer-
ordentlichem Behagen zu gebrauchen pflegte. Gerade über
diesen Punkt findet
übrigens der Interessierte eine sehr niedliche Anekdote
in den Jahrbüchern. Ich
finde, daß gerade diese forcierte Klassifizierung der
Sprachbestandteile jene stumpf-
sinnige Manier großzüchtet, die man zur Genüge aus den
Unterhaltungen der „Herren
unter sich" kennt, und die die ganze splendide
Schlußpointe nur auf das Hervor-
bringen eines ungewohnten Wortes setzt.
Bei der Beurteilung des erotischen Folklore
namentlich der Südslaven halte
ich eins für beachtenswert: facile est satiram dicere!
Nichts ist leichter als ruhm-
redige Übertreibung. Das ist ein Charakterzug der
mündlichen Überlieferung aller
Völker. Wer aus diesen Erzählungen eine prozentuale
Statistik über die Variabilität
Rezensionen über die Anthropophyteia
459
des Geschlechttriebes ausziehen wollte, wäre genau so
genasfuhrt, wie der Kultur-
historiker, der aus dem Martial seine Ansichten über die
wirkliche Moralität der
Römerinnen schöpft. Der Mann wird hier
hinaufgeschwindelt zum Lanzenreiter
Sankt Georg, der immer brutal und im Handumdrehen seinen
starren Riesenspeer
dem unterhegenden Drachen in den Leib jagt. Und dennoch
steht der Drache,
dieser cunnus vorax, immer wieder unermüdet zum Kampfe
auf, er verschluckt
Geschoß auf Gsechoß in seiner klaffenden Wunde; denn
diese ist so geräumig, daß
sie bis zur Schädeldecke hinaufreicht! Facile est
satiram dicere; wer gibt uns die
sanftem Maße der Wirklichkeit?
Auch so etwas ist wichtig: Das „Siemandl", der
,,Masochist'1 und „pizdoliz"
wird verspottet und verrissen, der Päderast und
Bestienfreund geht stolz als Ehren-
mann einher. In der allgemeinen Achtung muß der eine
sich schweigend schämen,
der andere darf das Blau vom Himmel runterprahlen. Wer
möchte da einen Schluß
auf wirkliche Häufigkeit der Anlagen wagen? Es muß
genügen, daß wir die Varia-
bilität als solche allenthalben wiederfinden. Krauss
bereichert uns um das
neue Wort „Paraphilie" anstelle der „Psychopathie", ein
fortschrittlich-oppo-
sitionelles Wort zwar, aber auch nur ein Wort und als
Aufklärung etwa so bedeut-
sam wie „Seitensprünge".
.... Die Sudslaven haben alle Augenblicke einen
beschimpfenden Ausdruck
beim Wickel, der ungefähr dem französischen Argotwort
„je te fous..." entspricht.
Krauss tadelt die Übersetzer, die das vielfach als eine
Verfluchung auffassen,
er gibt mit Recht der Redensart eine psychologische
Erklärung, die ein elementares
Prinzip im Völkerleben überhaupt darstellt. Diese
Feststellung ist sehr wesentlich.
Hinzuzufügen wäre entwickelungsgeschichtlich, daß
zunächst der Niedere nicht
geknechtet wird, sondern sich knechten lassen will, ja
daß das völlige Auf-
gehen in der Rechtmäßigkeit obiger Anschauung für ihn
einer der stärksten psycho-
logischen Reizquellen bildet, jene undefinierbare
zitternde Lust vor der Macht
des Höheren, die doch erst durch seine Sehnsucht nach
Unterwerfung entsteht.
Dieser Grundzug aller Völkerpsychologie gibt nicht nur
den Schlüssel zum Ver-
ständnis der ewig und ewig wiederkehrenden sozialen und
politischen Staffelschich-
tung, sondern macht auch die durchaus physiologische
Natur des sog. Masochismus
verständlich, der nichts ist, als die erotische
Saisonblüte an demselben
Pflanzenstock : Lustgefühl der Unterwerfung und schmerz-
liche Sehnsucht nach Demütigung.
Die serbischen Bauern tragen unter ihren dicken,
grobhaarigen Lodenhosen
einen Überzug (slavisch nakurnjak) über dem membrum
virile, um sich nicht wund
zu reiben. Dieser notwendige Gebrauchsgegenstand wird
begreiflicherweise ganz
unbefangen behandelt. Unter den Geschenken, die ein
Mädchen für ihren Zu-
künftigen vorbereitet, ist regelmäßig auch ein solcher
nakurnjak, den sie eigenhändig
a nfertigt. Man mag an solchem Beispiel ermessen, wie
töricht es wäre, diesen Leuten
durch Aufzwingen einer (angeblich) höheren
Schamhaftigkeit ihre Unbefangen-
heit zu rauben. Die Folge wäre nur eine Steigerung der
Lüsternheit. Was besonders
die Missionare in ihrer jedesmaligen exotischen Tyrannis
auf diesem Gebiete ge-
leistet haben, geht nicht auf drei Dutzend Kuhhäute.
Darüber sind sich wohl alle
Anthropologen einig. Eine abgetretene Redensart
behauptet, man bringe den
„Wilden" mit der neuchristlichen Zivilisation auch den
Alkohol und die Syphilis.
Davor kann sich der einzelne noch allenfalls hüten. Aber
die lüsterne Prüderie,
die der weiße Mann ad majorem libidinis gratiam um sich
verbreitet, durchseucht
Rezensionen über die Anthropophyteia.

epidemieartig die Schwachen und die Standhaften. Eine
der allerersten Regierungs-
handlungen in Kiautschou war die Verordnung, daß die
Herren Chinesen beim Baden
am Strande sich hinfüro der Badehose zu bedienen hätten,
ob in den Farben des
Lehnsherrn oder des Pächters, war nicht gesagt. ,,Und
sie wurden gewahr, daß
sie nackend waren."
Die Montenegrer pflegten auf erfolgreichen
Kriegspfaden ihre gefangenen
Feinde zu entmannen, wie das in aller Welt geschehen ist
und noch geschieht. Die
tollsten Beispiele aus der neuesten Zeit werden von den
fanatischen Mahdisten
und den christlichen Abessiniern berichtet. Krauss
erzählte ein Herzogländer,
er habe ums Jahr 1880 mit einem montenegrischen
Häuptling verkehrt, der eine
lange Schnur mit aufgereihten getrockneten Gliedern
überwältigter Moslimen als
Zeichen seines Mutes und seiner Tapferkeit beständig mit
sich herumgetragen
habe; sie hätten recht unansehnlich ausgesehen, wie
Bruchstücke eingetrockneter
Ziegendärme. Daß derartige Verstümmelungen den Charakter
einer erotischen
Anreizung tragen, ist am deutlichsten in dem Fall eines
südafrikanischen Stammes,
wo die tapfern Helden diese kostbare Feindesbeute ihren
Weibern zum Kollier
verehren. Auch die Kopf Jägerei auf den Philippinen
gehört in dies Gebiet. Das
Originellste, ich möchte beinahe sagen Künstlerischste,
was ich von derartigen
menschlichen Trophäen kenne, sind mehrere
südamerikanische Indianerköpfe im
Perliner Völker-Museum. Die Sieger haben hier die
erlegten Feindesköpfe förmüch
ad aeternum präpariert. Die gesamten Schädelknochen sind
aus dem Kopf heraus-
gezogen oder vielmehr die ganze Fleischbedeckung ist auf
die subtilste Art mit-
samt dem bläulichschwarzen reichen Haarschopf losgepellt
und tief dunkel braun
und hart geräuchert. Der Kopf ist dadurch auf die Größe
einer Faust zusammen-
geschrumpft, ohne seinen menschlichen Anblick zu
verlieren, und ein seltsames
Schmuckstück entstanden, das jeder Kuriosensammlung zur
Zierde gereichen würde.
Über die Gründe, waxum die Blutschande verwerflich
sei, sind bekanntlich
die Ansichten einer objektiven Naturwissenschaft immer
wackliger geworden. Ich
führe nur an, was Hanns Dorn in seiner sehr sachlichen
Studie über Strafrecht
und Sittlichkeit sagt: „Daß die Blutschande nicht als
Angriff auf Interessen der
geschlechtlichen Lebenssphäre anzusehen ist, wird heute
ziemlich allgemein an-
erkannt. Der Grundgedanke des Sittlichkeitsdeliktes ist
preisgegeben; als Zweck
des Gesetzes kann mithin nur die Verhinderung der
Inzucht bezeichnet werden
(v. Liszt). Ob die Inzucht tatsächlich Gefahren für die
Rassenverschlechterung
im Gefolge hat, ist wissenschaftlich heute noch nicht
festgestellt. Die statistischen
Erhebungen haben bis jetzt — entgegen manchen
persönlichen Beobachtungen —
noch nicht einmal physiologische Nachteile bei
Geschwisterkinderehen aufgezeigt."
Bei den serbischen und bulgarischen Bauern nun wird der
Incest als schauerlichste
Versündigung verdammt, die Schuldigen in Verruf erklärt
und ehedem gesteinigt,
alles wohl unter dem Einfluß kanonischen Rechts. Bei den
Städtern dagegen herrscht
einigermaßen liberale Auffassung. Krauss sagt: ,,Es ist
mir ein Fall bekannt,
daß ein chrowotischer Kleinstädter bei Lebzeiten seiner
Ehegattin mit seiner Tochter
zwei Kinder in die Welt setzte. Dem Manne geschah
nichts, vielleicht weil er zu
den Säulen der urchrowotischen Partei gehörte und
vermögend genug war, um
alle Ankläger zu besänftigen. Nur seine rechtmäßige Frau
schämte sich so sehr,
daß sie niemals das Haus verließ oder sich auch nur am
Fenster zeigte, die Tochter
freilich erschien öffentlich in vollem Staate, doch nie
in Begleitung ihres väter-
lichen Beischläfers, und die anderen Frauen mieden ihren
Umgang." Dem Verbot
Rezensionen über die Anthropophyteia.
der Blutschande, dem sich Milliarden von Menschen
widerspruchslos gebeugt haben,
muß nun freilich irgend eine physiologische Erscheinung
zugrunde liegen.
Ich denke mir dies: Menschen, die zusammen aufwachsen
und eng beieinander
leben wie Geschwister, werden in der Regel keinerlei
erotischen Reiz aufeinander
ausstrahlen, wegen der gewohnheitsmäßigen Abstumpfung
der Sensibilität und
weil sie sich zu genau kennen oder sich nichts Neues (d.
h. Anreizendes) zu bieten
haben. Ein Ausnahmefall erscheint daher als Abnormität
und wird von der ewig
triumphierenden Masse der verdutzten Mittelmäßigen
gebrandmarkt. Dieser Mut-
maßung würde sich der in der Novellenliteratur immer
wieder behandelte Fall
eingliedern lassen, daß sich zwei Geschwister, die sich
infolge irgend welcher Lebens-
schicksale nicht kennen, ineinander verlieben und Kinder
zeugen, ohne von einem
Instinkt davor gewarnt zu werden. Zur Entscheidung
dieser Frage fehlt es in-
dessen an jedem kritischen Material.
Über die Bestialität oder Sodomie bringt Krauss eine
sehr bemerkenswerte
Auslassung, die den einzig richtigen Untersuchungmodus
darstellt. Daß die Sodomie
kein Anzeichen geistiger Krankheit sein kann, drückt
Krauss sehr
prägnant aus: ,,Hier ist nur ein ästhetischer
Koeffizient maßgebend,
weiter nichts. Ich behaupte nur eine Geschmacks
Verschiedenheit,nicht
etwa eine Geschmacks verirrung. Mir z. B., der ich von
Begeisterung für voll-
endete Frauenschönheit hingerissen, zwei Bücher über den
Reiz und die Anmut
des Frauenleibes geschrieben, ist die Vorstellung einer
geschlechtlichen Intimität
mit einem weiblichen Tiere unbeschreiblich widerwärtig,
nicht aber jenem,
dem alle Frauenholdseligkeit schnuppe ist und der seine
ästhetische Befriedigung
vollauf bei einer Stute oder Eselin erzielt. Ich darf
nur sagen, daß ich einen
edleren, einen feineren Geschmack als er besitze, mich
jedoch
noch lange nicht auf den besseren Menschen
hinausspielen. Ich
gelte bloß in unserer Gesellschaft, namentlich vor dem
Richterstuhl der Frauen,
als der gescheitere und als der vorsichtigere in der
Wahl des Gegenstandes meiner
Neigung." Diesen beherzigenswerten Leitworten, die an
die Spitze der modernen
Sexualwissenschaft gehören, ist es wohl nicht nötig,
etwas hinzuzufügen.
Leider verbietet mir der eigentliche Inhalt der Kraus
s'schen Arbeit, bis
jetzt 569 Erzählungen, an dieser Stelle ein näheres
Eingehen; ich mußte mich daher
darauf beschränken, mit ein paar zerstreuten Anmerkungen
die Tendenz des Ganzen
zu erhellen.
Die übrigen Mitarbeiter des Unternehmens haben
zusammen etwa ein Drittel
des Ganzen (ca. 1500 Seiten) beigesteuert, durchweg
gediegenste Arbeit. Wenn
die Forschung mit den dargelegten Grundsätzen weiter
arbeitet, so ist die Hoffnung
wohl nicht überschwänglich, daß wir in absehbarer Zeit
auf objektiver Grundlage
eine mehr einheitliche und geradeaus der Wahrheit ins
Gesicht blickende Geschlecht-
moral werden aufbauen können. Die stille Arbeit der
Untersucher wird laut und
eindringlich reden zu allen, die nach Erkenntnis ringen,
und es wird auch für die
Zaudernden kein Riesenmaß von Mut mehr nötig sein, sich
dazu zu bekennen,
was ist und ununterdrückbar ist.
Die 158 städtischen Erzählungen aus Niederösterreich,
mitgeteilt von Krauss
und Reiskel, haben eine ganz famos gedrängte Fassung;
der Simpli würde sie
mit Vergnügen bringen, wären sie nicht eben etwas zu
ruppig.
In dem Aufsatz „Beischlafausübung als Kulthandlung"
tadelt Krauss die
hergebrachte Benennung der heiligen oder religiösen
Prostitution (endlich ein
Rezensionen über die Anthropophyteia*
Opponent gegen den gedankenlosen Ausdruck !) oder gar
die Bewertung einer solchen
Handlung als schimpflichen Sittenverfall.
Von den mancherlei angeregten Umfragen dürfte
besonderes Interesse haben
eine von В loch formulierte über den Geruchssinn in der
Vita sexualis. Zunächst
steht wohl ziemlich fest, daß der
Geschlechtstrieb als rein physische Funk-
tion keinerlei Unterschied zwischen primitiven und
zivilisierten Menschen bildet.
Nehmen wir einen bestimmten Entwickelungsgang an, so war
vielleicht einmal
der Geruchsreiz der ursprünglichste und stärkste. H a e
c k e 1, der allerdings
für eine Idee leicht enthusiastisch wird, erklärt den
Geruch für die Quintessenz
der Liebe; eine geruchsähnliche Empfindung treibe die
Samenzelle zur Eizelle.
Nun hat Zwaardemaker analytisch erwiesen, daß alle
erotisch wirkenden
Körpergerüche der Kapryl-Gruppe angehören, ein
bedeutsames Moment! Aus
diesen und ähnlichen Voraussetzungen sind Fragen
formuliert, mit deren Beant-
wortung sich auch jeder Laie um die weitere Erkenntnis
verdient machen kann.
Unter den Abbildungen ist hervorzuheben ein
Keuschheitsgürtel aus der Samm-
lung Pachingers in Linz, über dessen seltsame
Fundgeschichte der Besitzer
berichtet. Die Keuschheitsgürtel sind so selten im
Gegensatz zu den bekannten
Holzschnitten, die sie darstellen, daß selbst große
Museen keinen besitzen. Hier
hätten wir das erste, mit Sicherheit im Gebrauch und als
echt erwiesene Stück
vor uns. Natürlich bleibt die Frage offen, aus welchen
Motiven einzelne Frauen
zu solcher Marter verurteilt waren. Es wird von einer
Seite behauptet, daß der-
gleichen noch jetzt vorkäme.
Von den sonstigen Abbildungen erwähne ich noch die
Wienerin mit Zwillings-
unterleib, ein Bartweib, einen geschnitzten erotischen
Alptraum aus Neu-Irland
(jetzt geistreich umgetauft in Neu-Mecklenburg),
phallische Amulette aus Ober-
österreich, altperuanische Grabgefäße mit erotischen
Gestalten. Zu den größeren
Beiträgen zählen noch erotische Ausdrücke der Wiener,
Berliner, der Deutschen
in Nordböhmen, der muslimischen Zigeuner in Serbien;
Rätselfragen, Sprichwörter,
Reigentanz- und Volkslieder aus verschiedenen Gegenden,
desgleichen Erzählungen
und Schwanke.
Man sieht, wie reichhaltig das hier Gebotene ist und
wie dieser Blütenstrauß
dennoch von dem güldenen Reifen „Sexualwissenschaft"
umspannt und zusammen-
gehalten wird. Nicht nur Mediziner, Anthropologen,
Folkloristen, Philologen,
Kriminalisten usw. sind hier zur Mitarbeit berufen,
sondern auch jeder feine und
echte Amateur, dem die zünftige Wissenschaft oft schon,
wenn auch widerstrebend,
hat Dank sagen müssen. Solche anzuregen, war meine
Absicht, und deshalb bin
ich über die „Anthropophyteia" so ausführlich geworden.
Globus, Ztschft. f. Länder- u. Völkerkunde,
Braunschweig 1907, B. XCI., S. 48:
In einer der Besprechungen der früheren Bände war
beanstandet, daß diese
Sammlung eigentlich nur Widerwärtiges bringe, gegen das
sich unser sittliches
Gefühl aufbäume; es fehle das anziehende, poetische
Moment in der Schilderung
usw., sagt die im Anhang angeführte Rezension (S. 8).
Nun wollen wir nicht be-
streiten, daß vielleicht auch die Lichtseiten des
geschlechtlichen Lebens, besonders
in dem ethisch begründeten Ehebündnis, zur Geltung
gelangen könnten, allein
es will uns bedünken, daß hier ein prinzipiell falscher
Gesichtspunkt sich einge-
schlichen hat. Es ist schon genügend darauf hingewiesen
worden, daß für die strenge
Rezensionen über die Anthropophyteia.

Wissenschaft jede Stimmung, jeder persönliche Geschmack
unangebracht ist, daß
es sich zunächst nur um eine einwandfreie Sammlung bzw.
Sichtung des zu-
ständigen Materials handelt. Deshalb ist z. B. auch die
Bemerkung des ungenannten
Kritikers: Ob es gerade nötig ist, ,,mit breitem Behagen
und ohne jede Scheu vor
ästhetischem Widerwillen" diese Schnurren und Spaße in
unverblümtester Sprache
aneinander zu reihen, möchten wir bezweifeln (S. 8),
unzutreffend, da eben dies
angebliche „Behagen" durchaus nicht auf das Konto des
Forschers kommt, sondern
höchstens des geneigten Lesers. Wir können diese
Verkehrung der richtigen
Perspektive nicht anschaulicher schildern, als wenn wir
in aller Kürze auf die viel-
berufene, „berüchtigte Tempelprostitution" eingehen.
Gibt es etwas Schändlicheres
und Verruchteres als diese Vermischung der sündigen
Fleischeslust mit göttlichen
Dingen, so sollte man ausrufen! Und doch hängt die
Sache, wie Krauss in einer
Umfrage, die er in der Fassung: „Beischlaf als
Kulthandlung" anregt, auseinander-
setzt, ganz anders zusammen. Es handelt sich dabei
keineswegs, wie er bemerkt,
um eine berufsmäßige Ausübung des Geschlechtaktes wider
Sitte und Brauch der
Gesellschaft, vielmehr um einen frommen, vom Glauben
gebotenen, von der Ge-
sellschaft gebilligten, gelegentlichen Opferdienst; die
Bezeichnung Prostitution
ist in diesem Falle ganz unangemessen (S, 20). Es hegt
hier vielmehr, wie aus ver-
schiedenen anderen Analogien unzweideutig erhellt, ein
Symbol vor, freilich nach
der Auffassung naiver, sinnlicher Naturvölker, ein sehr
konkretes, und zwar das
Abbild für die für das Wachstum der Früchte ersehnte
Fruchtbarkeit. So ist es noch
in Indien und auf Java, und ähnliche Beobachtungen hat
Krauss in Bosnien
machen können. Herodot aber, dem das Verständnis für den
eigentlichen Zusammen-
hang des Gebrauches fehlte, mußte die ihm berichtete
Sitte als eine schändliche
orientalische Entartung auffassen, er sah nur mehr, wie
Krauss erklärt, den kaser-
nierten oder richtiger templisierten Brauch vor sich,
ein Überbleibsel des älteren
Feldopferkultes, von dem die einheimischen Männer, die
Städter, nichts mehr
wissen mochten, den jedoch die Frauen als die getreuen
Bewahrerinnen des Glaubens
ehrenhalber, wenn auch nicht mehr alljährlich, so doch
noch einmal im Jahre ein-
hielten (S. 22). Wie gesagt, wir müssen mit unseren
persönlichen Empfindungen
und Gefühlen, wie das schon verschiedentlich gerade mit
Bezug auf die vorliegenden
Jahrbücher betont ist, sehr vorsichtig und zurückhaltend
sein, sonst versperren
wir uns unweigerlich den Weg zum psychologischen
Verständnis der betreffenden
sozialen Erscheinungen, und darauf kommt doch wohl alles
an. Der dritte Band,
den ein warmempfundener Nekrolog des Leiters des
Leipziger Völkermuseums,
Prof. Obst, aus der Feder des Herausgebers einleitet,
enthält wiederum einen reichen
Inhalt, und aufs neue dehnt sich der Horizont für den
Forscher weit über die land-
läufigen engen Grenzen unserer Weltgeschichte aus; es
handelt sich auch hier um
das Verständnis von Grundmotiven im Empfinden
ursprünglicher Völker, von
denen uns moderne Kulturmenschen vielfach ein Abgrund
trennt.
Bremen. T h. A c h e 1 і s.
Dr. C. E. Helbig in der HygienischenRundschau, 17.
Jahrgang, Nr. 13,
vom i. Juli 1907; Seite 824 f. :
Bisher fehlte es an einer Sammelstelle für die im
vorstehenden Buchtitel be-
zeichneten Erhebungen im Bereiche europäischer Völker.
Während über
die geschlechtliche Betätigung der Inder, Mongolen,
Malayen, Neger,
Indianer usw. vielfache Wahrnehmungen im
wissenschaftlichen Schrifttum ver-
Rezensionen über die Anthropophyteia.
öffentlicht wurden, war man bezüglich der Mittel- und
Westeuropäer zumeist auf
trübe Quellen, insbesondere auf die Pornographie und auf
schöngeistige Schriften
freierer Richtung angewiesen. Es war deshalb Gelehrten
verschiedener Forschungs-
bereiche das Erscheinen einer Zeitschrift willkommen,
welche über diesen Gegen-
stand unter redaktioneller Mitwirkung und
Mitarbeiterschaft von Männern er-
scheint, deren Namen (Thomas Achelis, Iwan Bloch, Franz
Boas,
Albert Eulenburg, Anton Herrmann, B. H, Obst —
inzwischen
verstorben —, Giuseppe Pitre usw.) ernste und
tiefe Forschung verbürgten.
Die zeitgenössische klerikale Männerkeuschheitsbewegung,
die in Deutschland
erst voriges Jahr den Scheitelpunkt überschritten zu
haben scheint, machte besondere
Vorsichtsmaßnahmen rätlich. Die klassische Verwahrung
Jacob Grimms
(,,das Wörterbuch ist kein
sittenbuch, sondern ein wissenschaftliches, allen
zwecken
gerechtes unternehmen, selbst in der bibel gebricht es
nicht an Wörtern, die in
der
feinen gesellschaft verpönt sind" usw.), welche vor 55
Jahren das: „Deutsche
Wörterbuch" wirksam gegen
die Verfolgung als anstößige Veröffentlichung schützte,
genügt heute nicht mehr. Es war deshalb u. a. die
Ausschaltung des buchhändle-
rischen Vertriebes nötig.
Für den Arzt und insbesondere den Hygieniker sind in
den bisher vorliegenden
Bänden zunächst die umfangreichen, in der Ursprache
gegebenen Erzählungen,
Schnurren, Lieder usw. der christlichen und moslimischen
Südslaven bzw. der
unter diesen verstreuten Zigeuner und Juden wichtig. Daß
Ausdrücke des Volkes,
wie Zumpt, brunzen u. dgl., nicht nur in der
beigegebenen Übersetzung bzw. in den
deutschen Texten, sondern auch in den Erläuterungen
gebraucht werden, hat man
in der Fachpresse mehrfach getadelt. Ebenso beanstandet
Paul Näcke bei
Besprechung des 1. Bandes (Beri. klin. Wochenschr. vom
28. VIII. 1905) mit Recht
die vereinzelten, von Reichsdeutschen nur nach dem
Zusammenhange erratbaren
Austriacismen. Endlich war bei Stücken in schwieriger
Mundart, wie z. B. der
heanzischen, die Anfügung einer neuhochdeutschen
Umschreibung erwünscht, die
durch die sorgsamen Glossen sich nicht völlig ersetzen
läßt. Diese Mängel erscheinen
jedoch reichlich durch die Zuverlässigkeit der Angaben
der sprachkundigen Mit-
arbeiter aufgewogen. Bisher sah man sich insbesondere
hinsichtlich der Südslaven
auf die Veröffentlichungen von Reisenden angewiesen, die
in Ermanglung von hin-
reichenden Sprachkenntnissen und von inniger Fühlung mit
der schwer zugänglichen
Bevölkerung bei aller Wahrheitsliebe auf das beschränkt
blieben, was Gastwirte
und Fremdenführer oder Beamte, Geistliche usw. mitteilen
wollten.
Manches, was bei uns nur noch als Stammtischscherz
oder Zote auftritt, läßt
sich im Munde der urwüchsigen Bevölkerung auf religiösen
Glauben zurückführen,
welcher seinerseits das Überbleibsel einer
vorgeschichtlichen, richtigen oder falschen,
hygienischen oder therapeutischen Maßnahme bildet. Außer
den eigentlich folk-
loristischen Beiträgen bringt das Jahrbuch Abbildungen
von Mißbildungen, Täto-
wierungen, Aufschlüsse über Weiberhandel, Fragebögen für
kriminalpsychologische
und sexualphysiologische Erhebungen, Bücherbesprechungen
usw. Der Verlag
sorgte für mustergültige Ausstattung.
In der Deutschen Literaturzeitung, 1907, Nr. 16,
Seite 1008: schreibt Prof. Dr.
A. Eulenburg:
Über die beiden ersten Bände der von Krauss
herausgegebenen Anthro-
pophyteia ist in diesen Blättern (1905, Nr. 31, Sp. 1928
und 1906, Nr. 24,
Rezensionen über die Anthropophyteia.
465
Sp. 1518) bereits berichtet worden. Das großzügig
angelegte volkskundliche Sammel-
werk schreitet mit imponierender Schnelligkeit und
Selbstsicherheit, trotz mancher
in den Weg gelegten Hindernisse, unbeirrt weiter fort;
der vor kurzem herausge-
kommene dritte Band übertrifft an Reichhaltigkeit und
Vielseitigkeit des Inhalts
noch weitaus die beiden voraufgegangenen. Außer einem
warm empfundenen
Nachruf auf den verstorbenen Gründer und Direktor des
Museums für Völker-
kunde in Leipzig, H. B. Obst, aus der Feder des
Herausgebers finden wir
u. a. ein magyarisches erotisches Idiotikon von R é t f
a 1 u , sowie anderweitige
Beitrage zur magyarischen Erotik von Keszthely, Fohn;
deutsche Bauern-
erzählungen aus dem Ober- und Unterelsaß von Wernert,
erotische Volks-
lieder aus Österreich von В1 ü m m e 1,
Beiträge zur Sprichwörterforschung, Volks-
witz in Rätseln, Kinder- und Jugendreime, Inschriften
usw., vor allem südslavische
VolksüberUef erungen, die sich auf den
Geschlechtsverkehr beziehen, sowie noch
zahlreiche kleinere Mitteilungen vom Herausgeber selbst.
Bemerkenswert
namentlich auch wegen der beigegebenen guten
Holzschnittillustrationen sind
darunter besonders die Notizen über einen der Sammlung
Pachinger (Linz) ange-
hörigen Keuschheitsgürtel, über die der gleichen
Sammlung entstammenden „heiligen
Gorgone" und andere phallische Amulette aus
Oberösterreich, über einen erotischen
Alptraum als Holzschnitzwerk aus Neu-Irland, und über
die zahlreichen altperuani-
schen Grabgefäße mit erotischen Gestalten (aus den
Museen für Völkerkunde in
Berlin und Leipzig). Zahlreiche Besprechungen
literarischer Neuerscheinungen
bilden, wie gewöhnlich, den Abschluß des Bandes.
In L'Année sociologique spricht sich M. M au s s über
Anthr. I aus:
Il faut louer le vétéran du folklore qu'est M. Krauss
d'avoir eu le courage de
s'atteler à un pareil sujet. Le cant littéraire et
scientifique a jusqu'ici empêché
la science de s'emparer des mœurs sexuelles et d'en
faire, comme elle doit, un objet
de connaissance et d'analyse. La publication des
Kryptadia a sauvé de l'oubli
et imposé à l'attention un grand nombre de documents;
elle est due déjà pour partie
à M. Krauss. Maintenant terminée, elle l'a laissé libre
d'entreprendre cette nou-
velle publication, Anthropophyteia, qui promet d'être
annuelle, con-
sacrée à „l'histoire de l'évolution de la morale
sexuelle".
Ce premier volume est consacré à publier des
documents empruntés aux Slaves
du Sud. C'est en réalité un complément, une édition de
faits à l'appui, que M. Krauss
ajoute à son ouvrage connu sur les mœurs des Slaves
méridionaux. Certains cha-
pitres sont même d'ailleurs rapportés aux chapitres
correspondants de ce dernier.
Nous ne croyons pas pourtant qu'ils méritent d'être
publiés avec une abondance
aussi luxueuse. Plusieurs versions d'un même conte sont
données sans grande
nécessité parfois (ex. celui de la souris, de la
grenouille, ne 118, sq.). Plusieurs expli-
cations ne sont pas — que M. Krauss nous pardonne notre
observation — dénuées
de complaisance. Après tout, le type de la plupart des
faits ici enregistrés est assez
banal, et sauf pour les traditions qui ont trait à des
usages purement Slaves, assez
peu instructif.
Une seule chose est à noter au point de vue qui nous
occupe spécialement ici.
C'est la masse même des contes qui ont trait à la vie
sexuelle dans les pays Slaves.
Il est évident que la façon dont ce thème principal a
fleuri dans ce folklore est hors
de tout proportion avec la médiocrité de son
développement dans les autres popu-
Krauis, Anthropophyteia.. IV. 30
Rezensionen über die Anthropophyteia.

lations européennes. Le conte improprement appelé
pornographique, occupe ici
une toute autre place que dans les littératures
populaires du reste de l'Europe.
Il est évidemment parfaitement populaire, répandu dans
les deux sexes et dans
les diverses classes de la société (popes, instituteurs
et bourgeois s'en délectent),
tandis que chez nous il semble n'avoir été très vivace
que dans des groupes très
spéciaux d'hommes. Pour quiconque a lu le premier livre
de M. Krauss ou le travail
de M. Rhamm, l'explication est sous la main: la vie
sexuelle intense et la liberté
sexuelle presque extraordinaire des Slaves méridionaux
est le fait moral que le
travail littéraire du peuple traduit ainsi à sa propre
conscience.
Certains faits moraux particuliers de ces usages
sexuels sont d'ailleurs illustrés
de façon intéressante par les contes ici publiés. C'est
d'abord l'usage connu pour
le beau-père de se servir de la jeune femme de son fils,
d'ordinaire, d'ailleurs, encore
en tout bas âge (chap, XIII). Comment cet usage se
rattache à l'ancienne commu-
nauté agnatique, comment elle a un de ses fondements
dans de nombreuses raisons
économiques et morales, c'est ce qui apparaît à
plusieurs de ces récits. On trouvera
p. 257-263 un certain nombre de documents nouveaux. M.
Krauss range, à tort
selon nous, sous la même rubrique les faits de prêt de
la femme au beau-père ou
aux garçons d'honneur. C'est ensuite l'usage, maintenant
disparu, mais vivace
dans les contes, du prêt de la femme ou de la fille à
l'hôte, moine ou pope d'ordinaire.
Sur la naissance miraculeuse (p. 400), les parties
sexuelles comme moyen d'écarter
les démons (n° 129, 143, 144), sur les vertus de la
nudité, etc. etc., on trouvera ici
des renseignements épars. Nous espérons qu'en fin de
l'ouvrage un index viendra
le rendre immédiatement utilisable.
Ein Ungenannter in der Straßburger Post vom 23. I.
1907:
Im dritten Jahrgang erschienen „Anthropophyteia,
Jahrbücher
für folkloristische Erhebungen und Forschungen zur
Entwicklungsgeschichte der
geschlechtlichen Moral." Namhafte Gelehrte wie Professor
Dr. Th. Achelis, Heraus-
geber des Archivs für Religionswissenschaft in Bremen,
Dr. Iwan Bloch in Berlin,
Professor Dr. Franz Boas in New York, Professor Dr. A.
Herrmann in Pest, Dr.
Pitre in Palermo, Dr. Krauss in Wien, Professor Dr. Karl
v. d. Steinen in Berlin,
Professor Albert Eulenburg in Berlin, Professor Dr.
Juljan Jaworskij in Kiew und
andere Gelehrte haben sich zu diesem der Sittenkunde
dienenden Unternehmen
vereint, um an der Hand von Tatsachen materiell
methodisch die Entwicklung
der sittlichen Vorstellungen zu ergründen. Der hier und
da noch in Geltung stehenden
Romantik auf dem Gebiete der Volkskunde machen die?e
Erhebungen, welche die
Regungen der Volksseele naturgetreu widerspelgeln,
gründlich d^n Garaus. Das
bisher gesammelte weitschichtige Material enthält die
seltsamsten Bräuche, aber-
gläubische Vorstellungen, ethische Anschauungen von
durchaus abstoßendem
Charakter für uns Kulturmenschen Westeuropas. Dem
Volksmediziner bieten die
Forschungen viel anregendes Material, auch die
Mythologie, Liguistik, Kultur-
historik erfahren durcL die Jahrbücher bedeutsame
Bereicherung. Wesentlich
erweitert wird ferner auch die auf ethnologischer
Grundlage beruhende Gesellschaf ts-
lehre. Man darf dem strengwissenschaftlichen
Unternehmen, welches anfänglich
manchen Widerspruch erfahren hat, einen guten
Entwicklungsgang wünschen,
weil die ganze Menschheitgeechichte gewaltig
gefördert wird. Von der deutschen
Verlagsactiengesellschaft in Leipzig sind die bisher
erschienenen Bände in typos-
graphischer Hinsicht besonders schön ausgestattet
worden.
Rezensionen über die Anthropophyteia,
467
Orszégos Orvos-Szövetseg, Budapest 1906. S. 108 f.
urteilt:
A nyilt könyvarusi forgalom elkerulésével, csak
elöfizetöi szâmâra, szâmozott
példânyokban nemrég jelent meg minden, valaha napvilâgot
lâtott kônyvek leg-
különösebbjeinek egyike. Épen hatvan éve annak, hogy
William J. Thoms angol
tudós ("f 1885) egy uj szot hozott a forgalomba,
folk-lore-t (ejtsd fóklór).
melylyel uj torekvést akart kifejezni : a nép rejtett
szolâsainak, babonâinak. hagyo-
mânyainak, dalainak rendszeres, tudomânyos
osszegyujtését, a behatolâst a néplélek
titkos gondolataiba, idegenek elött féltve övzött
sajâtsâgaiba. Szâmtalanszor feltünt
mâr mindenikünknek, hogy minö küiönös észjârâst
tanusitanak néha az emberek
mily teljesen kiszàmithatatlannak, illogikusnak lâtszik
némely cselekedetük —
minö makacsul ragaszkodnak valamely régen idejét muït
hagyomânyukhoz. Pont-
osabb megfigyeiésnél azutân kitünik, hogy nem
incidentaliter cselekszik feltünö
módon a megfigyelt egyén, hanem târsainak helyeslése,
apâinak példâja, titkos,
ösi torvények parancs a kényszeriti arra, hogy latszólag
a józan ész, a bevett erkol-
csök, az uralkodó torvények ellenére jârjon el. A nép
életét, czeremoniâit, izlését,
vâgyait és mulatsâgait szabâlyozzàk foikloros
hagyomânyai; ezek döntik el, hogy
az egyik helyen a prostituczió hatâsàt is eléri a
vendégszeretet, mâsutt haraggal,
söt orgyilokkal fogadjâk-e az idegent, hogy bigott vagy
kâromkodo, dolgos vagy
kocsmâzo, verekedö vagy alamuszi lesz-e a nép, hogy a
vérboszû, leânyszoktetés,
rablâs vagy takarékossâg, kufârkodâs, alattomossâg
lesz-e jellemzö vonâsa.
Természetes ezért, hogy a kinek a néppel érintkeznie
kell, a ki felette itélni
lesz hivatva, bele fog mélyedni пере folklorejâba,
különben soha annak felfogâsàt
megérteni, helyzetébe magât beleképzelni képes nem lesz.
Néhol megengedi a nép
a leânynak azt, a miért megolné az asszonyt; elvârja a
vendégtol ugyanazt, miért
a vetélytârsat leszûrnâ, megcsalni bün, meglopni érdem
az idegent néhol és ki
tagadhatnâ, hogy még a „müvelt" târsadalom is boséges
teret ad az elmélkedésre,
ha megengedi, hogy valaki feldulja barâtjânak csalâdi
boldogsàgât és leölje ot
par baj ban, hogy tönkretegyen apró exisztencziâkat
tartozàsaival, de szigorûan
megtiltja, hogy kârtyaveszteséggel csak egy napig is
adós maradjon ugyanaz.
Régota gyütjik az idevonatkozo adatokat, de
gyujtés eredményessége megdölt
azon, hogy a nép minden tette, gondolata, torvénye
végeredményben a nemi életben
öszpontosul s ennek viszonyait, aberrâczioit,
naivitâsait még tudomânyosan târgyalni
is nehéz és könnyen félreértheto feladat.
Hajdan az irók könnyen segitettek a bajon. Egyszerüen
a maga nevén nevezi
Homeros az organumot s a tettet, ha a szervet vagy a
cselekvést akarta megjelölni.
A késobbi irók szakitottak e szokâssal. Pókhalókat,
ködöt, fügefalevelet boritottak
arra, a mi a maga természetes meztelenségében nem
bânto, de ügyesen rendezve
az attünö leplet, itt is, Ott is kihagyva egy-egy
részletet jobban kidomborult a
leplezett dolog mint a nyers, keresetlen öszintesegben.
Krauss könyve nem igy jâr el, s ezért kellett
rejtözve megjeiennie. Szövege
hemzseg azoktól a szóktól, melyeket nyomtatva sohasem
lâtunk, mert elkoboznâ
a rendorség e nyomtatâst. És e szókkal szâz és szâz oly
anekdotât, mesét, tréfât,
népdalt, müvet, erotikus kifejezést, eseményeket,
néprajzi adatot sorol fel, a milyene-
ket uri hölgyeknek ugy elmondani tudni, hogy ezek azt
âllithassâk, hogy nem
értették meg, a ,,causeur" urak fotorekvése napjainkban.
— etc.
In einer Abhandlung von 19 gr. 8° Seiten, die auch
als S. A. erschienen, bespricht
Dr. Alexander Mitrovic im D e 1 o, List za nauku,
Knyizevnost і drustveni
30*
.Rezensionen über die Anthropophyteia.
zivot, Belgrad 1907: (März- .u. Aprilheft) die
Anthropophyteia I—III. Hier
wiederholen wir daraus nur einige allgemeine
Bemerkungen;
(Nach Anführung des Titels.) Ich schrieb nicht ohne
Absicht den ganzen Titel
des Buches her, das ich anzeigen und ergänzen will.
Obgleich der Name Krauss
unserer Leserwelt wegen seiner riesigen Arbeiten über
die Schöpfungsagen unseres
Volkgeistes, über unsere Sitten, Bräuche usw. ohnehin
bestens bekannt ist, erachte
ich es doch nicht für überflüssig, auch die Namen seiner
Mitwirkenden an diesem
gewaltigen Unternehmen anzuführen. Alle diese Namen
zusammen bieten uns
die beste Gewähr für den Ernst, die Wissenschaftlichkeit
und die ehrlichen Zwecke
Ein einziger hätte schon ausgereicht, um wie viel mehr
alle diese Forscher zusammen.
In unseren Zeitschriften war noch sehr wenig die Rede
von den Anthropophyteia,
Wir bekennen, daß sie von ihnen füglich auch nicht reden
konnten, denn das Jahr-
buch erscheint nicht öffentlich. Man gibt es nur an
Gelehrte ab und die Exemplare
sind numeriert. Wenn es aber irgend wessen Pflicht ist,
diese Werke kennen zu
lernen, so ist es eine zweifelsohne der Serben. In den
bisher gedruckten drei Bänden
steht eine derartig große Menge wissenschaftlichen
Überlieferungschatzes unseres
Volkes in Bosnien, dem Herzogtum, Serbien, Dalmatien
usw., daß sie jeder serbische
Gelehrte anschaffen und gründlich durchstudieren müßte.
Die Wissenschaft darf
keine Scheuklappen tragen. Sie darf von nichts ihr Haupt
abwenden; sie muß
alles schauen, alles erkunden und alles ergründen. Für
die Forschung sind alle
Naturerscheinungen ohne Unterschied von großer
Bedeutung. Anläßlich einer
Besprechung des II. B. der Anthr. schrieb ein Kritiker
im 237. Bande des Letopis
Mat ice Srpske: „Der Gegenstand ist vom
wissenschaftlichen und allgemein mensch-
lichen Standpunkte aus so sehr wichtig, daß es die
höchste Zeit ist für die Erforscher
der Volkgebräuche, Sitten, Anschauungen, Tugenden,
Laster, Fehler usw., sich
damit ernstlich zu befassen. Da unser Letopis auch
unserer Folkloristik gewidmet
ist, so ist es unsere Pflicht, dieses Werk anzuzeigen,
das sich mit so manchen Ver-
irrungen des Volkes beschäftigt, freilich, indem diese
in ihren schnurrigen Fassungen
hier erscheinen. Mit Hinblick darauf zählt dieses Werk
auch zur Literatur, zur
Volkliteratur als eine Gattung von Volkhumor, der in der
Wahl seiner Mittel zur
Erreichung eines Lacheffektes nicht wählerisch ist. Wir
zweifeln, ob je diese Literatur
an die Öffentlichkeit treten wird. Die Zeiten ändern
sich und was wir nicht zuwege
brächten, das leisteten die Forscher. Und sie haben
daran wohlgetan."
.... Die Mitarbeiter schreiben und unterschreiben mit
vollem Vor- und
Zunamen, nur ein Serbe, der über die Zigeuner in Serbien
berichtet, versteckt sich
hinter ein Pseudonym, obwohl er dafür rein gar keinen
gerechtfertigten Grund hat.
.... Der III. B. der Anthropophyteia ist noch
reichhaltiger als der II. Man
sieht, daß Krauss weder Zeit noch Mühe scheut, die
Jahrbücher auf eine würdige
Höhe zu erheben. Der III. B. zeigt uns auch, daß das Eis
durchbrochen ist und
daß sich die gescheidte und gebildete Welt von keinerlei
Nebenrücksichten bestimmen
läßt, wo es sich um die Wissenschaft handelt. Die
Wahrheit kann nur den nieder-
drücken, der sie zu fürchten hat. Vor der Wahrheit mögen
nur jene fliehen, deren
persönliche, schmierige und selbstische Rechnungen es
nicht gestatten, daß die
Wahrheit ans Taglicht dringe.
.... Es ist eine natürliche Sache, daß eine solche
große und nützliche Unter-
nehmung auf Gegner stieß. Jeder neue ursprüngliche und
große Gedanke hat hin-
dernde Schranken zu überwinden. In der Geschichte der
Weltkultur kann man
Rezensionen über die Anthropophyteia.
zu tausenden verzweifelter Kämpfe gegen neue Gedanken
und neue Strömungen
verzeichnet finden. Leute ohne inneren Halt wollen mit
ihren leeren Flinten hoch-
fliegende Adler töten, die sich um menschliche
Erbärmlichkeiten nicht kümmern.
Solchen Leuten und Gegnern hat der Herausgeber der
Anthr. das Vorwort des
II. B. zugedacht.
.... Aber, nicht allein in der großen Welt flieht man
vor der Wahrheit.
Dasselbe Spiel wiederholt sich auch in der kleinen, nur
in schlimmeren Formen.
Die k eine Welt duldet es um keinen Preis daß vor ihren
Augen die Funken der
Wahrheit sprühen. (Anknüpfend daran bespricht Dr.
Mitrovic dalmatische
und serbische Verhältnisse.)
Im Srpski Knjizevni glasnik, Belgrad, i. Juni 1907,
bespricht Dr. Gera si m
P. I V e z i é auf S. 870 î. den IL В. der
Anthropophyteia.
Der IL В. erschien bereits vor geraumer Zeit, den
ersten B. aber zeigte ich hier
schon an (XV. S. 779—780). Jetzt hebe ich noch hervor,
daß auch diesem II. B. eine
große Bedeutung zukommt, denn das darin gebotene
Material ist voll wichtigster
Tatsachen für folkloristische Untersuchungen auf dem
Gebiete der geschlechtlichen
Moral. In den Anthropophyteia ist der Schlüssel zu so
vielen Erscheinungen unseres
kulturellen und geschlechtlichen Lebens, die zugleich in
die sexuelle Psychopathie
hinübergreifen; die Spuren führen noch tiefer in das
gesunde und frisch pulsierende
Volksleben. Darum ist das Jahrbuch lediglich für
Gelehrte bestimmt und gelangt
nicht in den Buchhandel. Diese Vorsicht war schon wegen
der rücksichtlosen Moral-
puritaner geboten, die diesem Unternehmen ihren Ingrimm
zukehrten. Ihnen
erteilte Krauss in der Einleitung zu diesem Bande eine
gebührende Abweisung.
........Dem Inhalt nach ist dieser II. B. viel
mannigfaltiger als der erste.
Krauss ließ den Plan fallen, schon hier seine
Sammlung südslavischer Volkerzahlungen
abzuschließen. Er gibt bloß drei weitere Abteilungen, in
die auch zahlreiche unserer
Erzählungen von den Popen und Mönchen Aufnahme fanden.
Viele davon sind,
wie Krauss hervorhebt, ähnlich den Schnurren und
Schwänken der Fabliaux, Poggios,
Boccaccios und anderen romanischen Ursprungs. Über diese
Ähnlichkeiten schrieb
in unserer Zeitschrift Dr. Tih. R. Gjorgjevic (XV^I. 3.
Seite 226—231). Auch die
anderen zwei Abteilungen enthalten ebenso wichtige
Sachen aus der serbischen
Überlieferung.
Von besonderer Bedeutung sind die übrigen Abteilungen
dieses Bandes, die
ein gar reiches Material zur Erforschung der
Volksprachen enthalten (folgt eine
Aufzählung). Als wissenschaftlicher Stoff sind alle
diese Sachen hochwillkommen
den Gelehrten, die sich mit der Erforschung der Völker
und des Völkerlebens befassen.
Der Einwand, den man von gewisser Seite gegen diese
Publikation machte, ist
hinfällig, weil doch das Jahrbuch nur für Fachgelehrte
berechnet ist, die die Ent-
wicklung der Sittlichkeit in allen ihren Formen, in den
primitivsten des Geschlecht-
lebens, zu ergründen suchen.
In der Bosanska Vila (Sarajevo) vom 15. Dezember 1906
bespricht St. M. M. kurz
die Anthropophyteia wie folgt:
Wir haben Erzeugnisse des Volkgeistes, die nicht für
die Öffentlichkeit taugen,
sondern nur für einen engeren Kreis. Das sind die
sogenannten „fleischigen Ge-
schichten" (nursne price), die man so häufig zur
Erheiterung in Gesellschaften
47P
Rezensionen über die Anthropophyteia.
erzählt. Gleichwae in den übrigen Schöpfungen unseres
Volkgeistes, so spiegelt
sich auch in Erzählungen dieser Art sehr schön der
Volkgeist oder seine bildnerische
Kraft ab. Bei uns druckt man solche Geschichten noch
nicht öffentlich, im Abend-
lande jedoch veröffentlicht man sie im weiten Umfange
und es ist eine ganze Wissen-
schaft über solche Stoffe entstanden.
Der ausgezeichnete Folklorist und treffliche
Gelehrte, der mit ungewöhnlicher
Willenstärke und großer Aufopferung insbesondere unser
serbisches Volktum
erforscht, Herr Dr. Krauss in Wien, sammelt auch
derartige „fleischige Geschichten"
(sowie auch andere einschlägige Materialien) und druckt
sie in dem Jahrbuch, dessen
Titel wir oben mitgeteilt haben. Er arbeitet auf diesem
Gebiete unter Mitwirkung
oder im Verein mit einigen Forschern von Weltruf aus
anderen vorgeschrittenen
Gesellschaftschichten. Ihr Ziel ist, vom Gesichtkreise
dieser Stoffe aus, die sitt-
liche Entwicklungstufe der Völker im einzelnen
abzuschätzen. Die Erhebungen
werden in den betreffenden Volksprachen mitgeteilt,
verhochdeutscht und zum
Schluß erläutert usw. usw.
In The Journal of American Folk-Lore, Vol. XX, No.
LXXVII, 1907 berichtet
Prof. Dr. Alexander Francis Chamberlain eingehend über
den Inhalt der Anthropophyteia und schließt mit den
Bemerkungen:
The great variety of the material preserved in these
volumes and its value to
the folklorist are evident ät a single glance, and Dr.
Krauss deserves the warm
thanks of the scientific world for his remarkable labors
in this field of research.
The three volumes of "Anthropophyteia" and the other
minor works already publi-
shed by him represent a most substantial contribution to
the literature of sexual
life among the folk of the chief European nations. And
not least of the material
thus placed at the disposal of men of science may be
reckoned the great body of
texts in both prose and verse in diverse European
languages therein contained.
To Dr. Krauss the philologist, as much as the folklorist
(and the psychologist with
them both), has ample reason to be grateful.
Im Augusthefte (1907) des Mutterschutzes, der
Zeitschrift zur Reform der sexuellen
Ethik, Publikationsorgan des Bundes für Mutterschutz,
hrg. von Dr. phil.
Helene Stöcker, empfiehlt Dr. Kind die Anthropophyteia
I—III
wie folgt:
Wer, wie die Leser dieser Zeitschrift, an der Reform
der sexuellen Ethik in-
tensiven Anteil nimmt, wird nicht umhin können, seinen
Blick auf die Geschlechts-
moral zu richten, die die eigentliche der großen Masse
ist. Gerade die prak-
tische Arbeit der Mutterschutzbewegung hat mit den
Einzeltypen dieser Masse
zu tun. Nun wähnt man gemeinhin, die Sexualauffassung
des „Volkes" aus aller-
hand Veröffentlichungen und eigenem Umschaun genügend zu
kennen. Aber mit
nichten! Wer die erstaunlichen Sammlungen der
Anthropophyteia durch-
blättert, wird sich vor die Brust schlagen und sprechen:
Ich war ahnunglos bis
heute! Vielleicht entsetzt er sich und wird das Buch von
sich stoßen. Aber: nichts
Menschliches sei dir fremd, der du nach Wahrheit suchst!
Lies und lies wieder
und beschau die Natur, wie sie ist. Wenn dir die
Erkenntnis vom Unabänderlichen
dämmert, wirst du stark sein und mit beiden Füßen auf
dem Boden der Wirklich-
keit stehn. Und deine Reform wird sein wie ein Pflügen
des Ackers, in Schweiß
Rezensionen über die Anthropophyteia.
471
und Freude, und mit der Gewißheit der Frucht.
Schmetterlinge fangen ist
ein Pläsier; man spießt sie nebeneinander in Kästen zum
Verstauben. Also auch
die Gebote und Wünsche einer nur ausgeklügelten Ethik;
sie bleiben
tote Kuriositäten. Darum scheue niemand, in die Tiefen
zu graben, bis das harte
Urgestein kommt. Dann erst kennt man die Krume, draus
das Leben sprießt.
Aber wer Schwielen oder schmutzige Hände scheut, der
bleibe daheim und lese
das Töchteralbum und vor allem: er rede den andern nicht
drein und spuke ihnen
nicht in die Suppe, bloß weil sein Gustus ihm nach
Pralinés steht.
Prof. Dr. Aschaffenburg bemerkt über den III. B. in
seiner Monatschrift
für Kriminalpsychologie, IV. 5:
Die beiden ersten Bände sind bereits früher (2, 764)
besprochen worden. An
diesem Bande haben eine große Anzahl von Mitarbeitern
mitgewirkt. Auch für
den 3. Band gilt, was ich für die beiden ersten
bemerken mußte. Er stellt eine
Materialsammlung dar, deren Wert für die Beurteilung der
Völker und der Sitten
nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Aber es wäre
wünschenswert, wenn
mehr Schlußfolgerungen aus dem angehäuften Material
gezogen würden. Die Eigen-
art des Gegenstandes bringt es mit sich, daß nur der
Spezialforscher es über sich
gewinnen wird und über sich gewinnen kann, alle
Einzelheiten zu lesen. Für alle
anderen genügen die Schlußfolgerungen.
Dr. Karl Kunn in der Wiener Klinischen Rundschau,
XXI. (1907)
S. 44 f. urteilt :
Dieses Jahrbuch erscheint unter strengstem Ausschluß
der Öffentlichkeit nur
für Naturforscher, die gegenüber allen Greueln der
Wirklichkeit abgehärtet sind
und sich in ihren Forschungen durch keinerlei
ästhetische oder moralische Be-
denken beirren lassen. Ohne jede Üblrtreibung darf man
sagen, daß mit der Anthro-
pophyteia die Erforschung des Geschlechtslebens in ein
neues, vielverheißendes
Stadium getreten ist, indem man es nun auch in
völkerpsychologischer Perspektive
betrachten kann. Prof. Dr. A. Eulenburg teilt über den
II. Band der Anthro-
pophyteia in der D. L. Ztg. vom 6. Juni 1906 p. 1518
unter anderem mit: „Der
II. Band liefert mit seinem sehr viel reichhaltigeren
und bunteren, zum weitaus
überwiegenden Teile gleichfalls der Eigenarbeit des
Herausgebers entstammenden
Inhalte einen erneuten Beweis für die unverwüstliche
Schaffensfreudigkeit, die
Arbeitskraft und Arbeitsausdauer des Mannes, dessen Name
mit dem für Völker-
psychologie und Kulturgeschichte zu bedeutsamen
folkloristischen Bestrebungen
unserer Zeit in unvergänglicher Weise verknüpft ist. "
Das gleiche Lob und eine
nicht mindere Anerkennung gebührt Dr. Krauss auch für
den III. Band, der
wieder seine beiden Vorgänger an Reichhaltigkeit und
Gediegenheit der Mitteilungen,
Abhandlungen und Bilder, die auch einzig in ihrer Art
sind, übertrifft. Man be-
greift es kaum, wie es möglich war, eine derartige Fülle
bisher meist völlig unbekann-
ter Tatsachen über ursprünglichste Sitten, Gebräuche und
Anschauungen des
Geschlechtsverkehrs noch in unseren Tagen inmitten der
Slaven und Deutschen
zu ermitteln ! Das hier dargebotene volksmedizinische
Material eröffnet dem Psycho-
pathologen und dem praktischen Arzte weite Ausblicke und
ist für die Forschung
außerordentlich wertvoll. Hier zeigt sich unverhüllt die
elementare Macht des
Geschlechtstriebes, der die Massen des Volkes sowie das
einzelne Individuum auf-
472
Rezensionen über die Anthropophyteia.
peitscht und die Wege der Kultur verwüstet. Im Verein
mit Dr. Krauss arbeiten
am Ausbau der Anthropophyteia noch viele Gelehrte mit,
die mit ihren Beiträgen
eine ungewöhnlich innige Vertrautheit mit den
verschleierten Bräuchen der Völker
bekunden.
Dr. Robinsohn ebenda in Nr. 27 v. 7. VII. 1907
urteilt:
Es liegt nun auch der dritte Band dieser Jahrbücher
vor, die sich ih der
kurzen Zeit ihres Bestandes in der
fachwissenschaftlichen Welt einen berechtigten
Ruf erworben haben. Bedeutende Forscher der Gegenwart in
Europa und Amerika
besprachen das Unternehmen auf das liebevollste und
eingehendste und alle stimmen
darin überein, daß damit neue und gesicherte Grundlagen
für die Erforschung des
Geschlechtslebens geschaffen werden.
Der vorliegende Band übertrifft mit seinen 37
Abbildungen, mit der Reich-
haltigkeit und Mannigfaltigkeit der Erhebungen und
Abhandlungen die ersten
zwei Bände. Es wird uns immer deutlicher, daß sich im
Geschlechtsleben der Völker
seit den ältesten historischen Zeiten bis in die
Gegenwart hinein keine grundlegen-
den Änderungen eingestellt haben ; man kann an der Hand
der uns hier dargebotenen
Materialien das primitivste Geschlechtsleben einer
Urzeit noch in der Gegenwart
studieren.
Von den 25 Beiträgen des vorliegenden Bandes sind
besonders wichtig: Der
dritte über Beischlafausübung als Kulthandlung, der
vierte über die Schwangere
und das Neugeborene im Glauben und Brauch der Völker,
der neunte, der 104 deut-
sche Bauernerzählungen aus dem Ober- und Unterelsaß
bringt, der zwölfte über
Liebeszauber der Völker, der vierzehnte über erotische
und skatologische Kinder-
und Jugendreime aus dem Elsaß, der sechzehnte über
Mittel zur Verhinderung
des Beischlafes, der siebzehnte über Homosexuelle nach
hellenischen Quellen-
schriften und der neunzehnte Abschnitt mit kasuistischen
Mitteilungen über 29 Fälle
von Sodomie bei den Südslaven. Auf Grund des letzteren
Materials liefert Dr.
F^riedrichS. Krauss eine neue Lösung des psychologischen
Problèmes der
Sodomie. Sehr wichtig sind die Auseinandersetzungen über
alte peruanische Grab-
gefäße mit erotischen Gestalten und die gegenständlichen
Mittel zur Befriedigung
des Geschlechtstriebes.
Das Werk bietet dem Gerichtsarzt, Psychiater, dem
Ethnologen, Kulturhistori-
ker und nicht zum geringsten dem Strafrechtslehrer eine
wichtige Fundgrube neuer
Materialien.
The Nation, New York, v. 21. März 1907 urteilt:
The third volume of "Anthropophyteia", the great work
on sexual folklore,
just issued, is edited by Dr. Friedrich S. Krauss of
Vienna, the distinguished South
Slavic ethnologist; and among the collaborators are such
specialists as Achelis,
Bloch, Herrmann of Budapest, Pitre, Robinsohn, the late
Dr. Obst of Leipzig, and
our own Dr. Boas of New York. The edition is limited,
for the use of students only.
In this most important, and yet most difficult and
repellent, département of eth-
nologic investigation the purpose of the work is to
cover the whole field, but with
more special attention to Europe, particularly the
Balkan peninsula, for which
Dr. Krauss is himself our best authority. The scope of
inquiry ranges from primitive
anthropology to modern—*and decadent—civilization,
through myth, ritual, song,
Rezensionen über die Anthropophyteia.
story, and proverb. Among the special topics treated,
concerning which it is ob-
viously impossible to particularize, may be noted
phallic survivals, supernatural
conception, betrothal and marriage customs, sexual
hospitality, the jus primae
noctis, erotic dances, erotic tattooing, puberty,
pregnancy, and childbirth
customs and beliefs, love charms, and proverbs. Previous
volumes have treated
of South Germany, Italy, Sicily, Hungary, the Gypsies,
and the Balkan provinces.
The present volume deals chiefly with Elsass, upper
Austria, Servia, and the Magyars.
The illustrative texts are given in Magyar, Servian, and
German, frequently in dia-
lectic forms, with accompanying glossaries, rendering
the work of great value to
the philologist as well as to the ethnologist.
To the student of civilization the work is a
revelation. Many of the myths and
customs recorded as still existing, particularly in the
Balkan States, have unques-
tionably come down from remote pre-Christian antiquity,
and many others, as
ancient in origin and crude in manifestation, are but
recently extinct. Indeed,
the pervading bestiality of daily life and thought
throughout whole provinces of
southeastern Europe must be a subject of deep concern to
all interested in the
uplifting of the race.
Im American Anthropologist, N. S., 8. 1906, p. 381/2.
The second volume of the great work on sexual
folklore, by Dr. Krauss of
Vienna, is at hand. It is issued with the collaboration
of a number of distinguished
scholars and includes the whole range of custom, story,
proverb, riddle, charm,
and song bearing on the subject as found in Vienna,
Berlin, and the South German
provinces, Servia, Hungary, Elsaß, SicUy, and among the
Gipsies. Original texts
are given in German, including dialectic forms, Servian,
Magyar, and Italian, with
glossaries of special terms not known to dictionaries.
While it is obviously im-
possible to particularize, it may be said that the work
gives proof of a degree of
beastliness still existing in the daily life of whole
European communities hardly
to be matched even among the Australian savages. Most of
this, of course, is under the
surface, but in many sections it is an ordinary feature
of national custom, as in
Hungary, where young men and women dance together to the
words of improvised
obscene songs, while their elders look on approvingly.
As usual the most sacred
things are held up to filthiest ridicule. As the
reviewer has already had occasion
to remark in connection with the first volume (American
Anthropologist, 1905,
VII, 127), it might be well for our statesmen to know
enough of this work to ask
themselves seriously how much of such material they care
to incorporate into our
American cizilization and citizenship. As a contribution
to dialect study the volume
has a special value.
James Mooney.
Im American Anthropologist, N. S., 9, 1907, p. 189.
The third volume of Anthropophyteia deals chiefly
with Elsass, upper
Austria, Slavonia, Servia, and the Magyar country, It
contains chapters on popular
customs and beliefs in connection with puberty,
pregnancy, and chüdbirth, love
charms, phallic survivals, erotic rhymes, and proverbs,
and other things relating
to sex cult as found either in primitive society or in a
degenerate civilization. The
illustrative selections are given in Magyar, Servian,
and German, with accom-
474
Rezensionen über die Anthropophyteia.
panying glossaries. Among the collaborators are a
number of prominent physicians
and men of science of Germany, Austria, Italy, and the
United States.
James Mooney.
Otto Schell in der Zeitschrift d. Vereins für
rheinische u. westfälische Volkskunde,
Elberfeld 1907 (IV), S. 69 f.
Band I dieses großzügig angelegten Werkes besprachen
wir im II. Bande dieser
Zeitschrift, S. 172 ff. Wir können uns unter Beziehung
darauf hin kürzer fassen.
Die Frage nach der Berechtigung oder gar
Notwendigkeit derartiger Forschun-
gen scheint m. E. durch den II. Band hinreichend
beantwortet zu sein. Wer die
Notwendigkeit solcher Forschungen verkennt, der lese
beispielsweise nur das Kapitel
,,Elsässische Erotik" S. 249 ff. dieses Bandes, aber
unbefangen und vorurteilsfrei.
Anders liegt die Frage, ob es jedermann zusagt, sich mit
derartigen Untersuchungen
zu befassen. Diese Frage muß natürlich schon auf Grund
der einfachsten psycho-
logischen Gesetze entschieden verneint werden. Wer sich
aber nicht berufen fühlt,
in diesen Stoffen zu forschen, zu arbeiten, der soll das
redliche Forschen anderer
wenigstens nicht begeifern. Dafür stehen die Mitarbeiter
der Anthropophyteia
denn doch durchweg zu hoch und zu geachtet in der
Wissenschaft da. Es sei nur
noch eine kurze Ausführung des Abgeordneten Heine aus
einer im Reichstag am
12. November 1905 gehaltenen Rede, welche auch das
Vorwort der Anthropophyteia
bringt, hier angeführt. Sie lautet: „Hinter diesem Kampf
gegen die angebliche
unsittliche Literatur verbirgt sich die Absicht, die
Erörterung des Natürlichen
und des Wahren noch mehr einzuengen, als es heute schon
der Fall ist; die Absicht,
Kunst und Wissenschaft zu beschränken, in der Kunst die
Darstellung des Nackten,
in der Wissenschaft die Verbreitung der Kenntnis vom
Natürlichen zu bekämpfen
und zu unterdrücken. — Es geht eine aligemeine Tendenz
durch gewisse Kreise,
eine Tendenz des unwahren, unkeuschen Muckertums."
Band II der Anthropophyteia ist vielseitig und
inhaltreich. Das beweisen
schon die Hauptkapitel: 1. die Anthropophyteia im
Sprachgebrauch der Völker;
2. Volkswitz in Rätseln; 3. Beiträge zur
Sprichwörterforschung; 4. Deutsche Volks-
lieder. Dann folgt eine Reihe kleinerer Abhandlungen:
Magyarische Reigentanz-
lieder aus der Großwardeiner Gegend, Erzählungen
moslimischer Zigeuner, Hean-
zische Schwanke, städtische Erzählungen, ein Beitrag aus
Sizilien, Elsässische
Erotik. Ein größerer Abschnitt gibt dann als Fortsetzung
südslavische Volks-
überlieferungen. Ein Anhang bringt Bücherbesprechungen,
verschiedene An-
fragen usw.
Man sieht schon aus dieser Übersicht, daß die
Verfasser das gesteckte Ziel
folkloristische Erhebungen und Forschungen zur
Entwickelungsgeschichte der
geschlechtlichen Moral, zielbewußt im Auge halten, denn
in diesem Titel steckt
eine universale Tendenz, welche gerade der Volkskunde im
allgemeinen eignet.
Die Grundlage ist in diesen beiden Bänden gelegt: auf
den Weiterbau des großen
Werkes sind wir gespannt.
Mit der Anthropophyteia stellt sich die Volkforschung
vor allem in den Dienst
der Psychopathie, der Ethnologie und Anthropologie. Was
dem Arzte bisher in
Kliniken und Spitälern als eine krankhafte Erscheinung
entgegentrat, lernt man
auf einmal auf breitester Grundlage in jenen Formen
erkennen, die das Volks-
und Völkerleben als normal gewordene Entwicklungen
aufweist. Hier reicht unser
Rezensionen über die Anthropophyteia.
475
üblicher ästhetischer Maßstab nicht mehr aus ; er ist
sogar unnütz bei der Bewertung
des auf- und abflutenden Lebens. Auch unsere
literarhistorischen und bibliographi-
schen Quellenstudien haben neben dieser ungeahnten Fülle
von Tatsachen die.
alle tief in der Geschichte der menschlichen Gesittung
ihren Ursprung haben, eine
nebensächliche Bedeutung. Hier muß der Folklorist zum
Naturforscher aufsteigen,
um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Jeder Blick, den
uns die Anthropophyteia
hinter die Kulissen der menschlichen Zeugung werfen
läßt, läßt uns immer deut-
licher die Kräfte erkennen, die das Gedeihen und
Hinwelken eines Volkstums be-
dingen.
Wir können nach Einsichtnahme des II. Bandes der
Anthropophyteia dem
Werke nur ein gutes Gedeihen wünschen und bedauern, auf
den reichen Inhalt
hier nicht weiter eingehen zu können. S.
0. Schell ebenda S. 153—155.
Der uns jetzt vorliegende III. Band beweist, daß sich
das Jahrbuch immer reicher
und vielseitiger entfaltet; immer mehr wächst der Kreis
der Mitarbeiter im In-
und Auslande ; immer klarer tritt der hohe
wissenschaftliche Wert dieser Erhebungen
auf den verschiedensten Gebieten hervor. Aber diese
Wissenschaft befruchtet un-
mittelbar das praktische Leben, sei es bei der Justiz,
der Pädagogik, der Medizin,
der Seelsorge usw. Man halte in letzterer Beziehung etwa
nur dazu, was Graf von
Hoensbroech in seinem stark verbreiteten Werke über
,,Das Papsttum in seiner
sozial-kulturellen Wirksamkeit", namentlich dem 2.
Teile z. B. über die Beichte,
Ehe usw. schreibt. Elf gut ausgestattete Tafeln mit
Darstellungen der verschieden-
sten Art erläutern den Inhalt von diesem Bande, dessen
wichtigste Kapitelüber-
schriften lauten: Die Anthropophyteia im Sprachgebrauch
der Völker. Beischlaf-
ausübungen als Kulthandlung. Die Schwangern und das
Neugeborene im Glauben
und Brauch der Völker. Reime beim Fensterin aus
Steiermark. Magyarische Erotik.
Die Jungfräulichkeitsprobe. Erzählungen von Magyaren.
Deutsche Bauern-
erzählungen. Beiträge zur Sprichwörterforschung.
Volkswitz in Rätseln. Liebes-
zauber der Völker. Erotische Volkslieder aus Österreich.
Erotische und skato-
logische Kinder- und Jugendreime aus dem Elsaß.
Skatologische Inschriften. Die
Homosexuellen nach hellenischen Quellenschriften.
Volksglaube und Sexualdelikte.
Südslavische Volksüberlieferungen. Phallische Amulette
aus Oberösterreich. Die
heiligen Gorgone. Vom Büchertisch usw.
Schon diese kurze Übersicht zeigt das immer tiefere
Eindringen in alle Zweige
des Geschlechtslebens, um zu einem ruhig abwägenden
Urteil zu gelangen.
Krauss sind wir aufrichtigen Dank schuldig für die
Inangriffnahme dieses
großen Unternehmens, das in die Tiefen menschlicher
Leidenschaften hinabsteigt,
um die Höhen ruhiger, Vorurteil loser Reflexion
zu ermöglichen. Die Volksforschung
erfährt hier eine außerordentliche Vertiefung.
Allerdings müssen wir zugeben,
daß unser deutsches Volk, was übrigens eine für seinen
Kulturzustand erfreuliche
Erscheinung ist, für die Anthropophyteia lange keine so
ergiebige Stoffe zu liefern
hat, wie die Südslaven, die uns mit ihrer
Voiükberlieferung förmlich in eine Urzeit
des Menschengeschlechtes zurückversetzen und uns Kult-
und Kulturformen zeigen,
die in ihrer Ursprünglichkeit beinahe alles übertreffen,
was wir bisher anderweitig
erfahren konnten. So unsäglich abstoßend diese Tatsachen
des Völkerlebens auch
sind, man muß sie als wissenschaftlich zuverlässig
ermittelte Entwicklungformen
47б
Rezensionen über die Anthropophyteia.
kennen und erkennen lernen, um die Anfänge unseres
eigenen Volktums zu be-
greifen. Hier kommt jeder Forscher auf seine Rechnung,
der Folklorist, der Ethno-
loge, der Anthropologe, der Jurist, der Mediziner, der
Kulturforscher und der
Ästhetiker, denn das unverhüllte, unverschönte
Volksleben spricht uns an, und
wir müssen darauf hören. Mit den Anthropophyteia hebt
eine Umwertung bisheriger
Schullehren und Lehrmeinungen an.
Ein Ungenannter urteilt im Repetitorium der
praktischen Medizin, Monatsberichte
für praktische Ärzte. 4. Jahrg. Heft 8 :
Ein eigenartiges Unternehmen liegt vor uns: ein
Jahrbuch für folkloristische
Erhebungen und Forschungen zur Entwicklungsgeschichte
der geschlechtlichen
Moral.
Wenn wir das Werk zum erstenmal in die Hand nehmen,
sind wir versucht die
Frage: ist eine solche Sammlung vom Denken und Sprechen
der Völkerseele in Ge-
schlechtsfragen lebensberechtigt? — mit „nein" zu
beantworten. Aber kaum hat
man sich mit dem Inhalt nur oberflächlich bekannt
gemacht, als man auch schon
mit großem Interesse den ernsten Ausführungen folgt und
den großen Wert der
Publikationen für die Hebung der sexuellen Ethik
anerkennt; denn ohne Kenntnis
der Geschichte — kein Ausbau. A priori ist eine solche
Sammlung in der Haupt-
sache an eine Bedinguung gebunden — nämlich möglichst
viel Tatsachen
zusammenzutragen. Dann wird sie dazu beitragen an der
Lösung noch offenbar
psychologischer Probleme. Werden also diese Forderungen
erfüllt, dann ist die
wissenschaftliche Berechtigung des Werkes nicht mehr zu
bestreiten. — Nun im
Krauss sehen Werke werden sie erfüllt. Man lese nur den
Artikel des Heraus-
gebers : Beischlafausübung als Kulthandel, die
Ausführungen Pachingers :
Die Schwangere und das Neugeborene im Glauben und Brauch
der Völker. — Hier
erfährt der Arzt auch einige neue Daten aus dem
Aberglauben in geburtshilflichen
Dingen bei den Deutschen in Oberösterreich und den
Grenzgebieten. Ein Teil dieser
Volksbräuche und des Aberglaubens ist vielleicht von
Ungarn übernommen worden,
da wir in dem Werke von Temesvâry viele auch finden.
In den deutschen Bauernerzählungen von W e r n e r t
wird es nun zum ersten-
mal auffallen, daß in dem Werke — wenn auch nicht gerade
zu seinem Nachteil,
sicher auch nicht zum Vorteil — Dinge berührt sind, die
mit der Entwicklungsge-
schichte der sexuellen Moral nichts zu tun haben und
vielleicht prinzipiell auszu-
scheiden wären. — Die Aufsätze von Godelück ;
Liebeszauber der Völker,
von В1 ü m m 1 : Erotische Volkslieder in
Österreich, sind zweifelsohne wertvolle
Beiträge für die hier ins Auge gefaßten Ziele. — In
seinem Aufsatz über die Mittel
zur Verhinderung des Beischlafs bringt der Herausgeber
wieder dem ärztlichen Leser-
kreis interessante Beiträge. Wir erfahren zunächst, daß
ein Teil der historischen
Keuschheitsgürtel praktisch gar nicht verwertbar waren.
Die Anwendung des In^-
strumentes überhaupt dürfte aber nicht zu bezweifeln
sein. Als weitere Mittel zur
Verhinderung des Beischlafes werden genannt: Einschieben
eines Tannenzapfes
in die Vagina (wegen dieses „Deliktes" wurde ein
slovenischer Bauer zur Gefängnis-
strafe und zur Einwilligung in die Scheidung
verurteilt). Ferner Ätzen der Vaginal-
gegend, wobei der Schorf jede Berührung schmerzhaft
machen soll u. a. m.
Die Beiträge „die Homosexuellen nach hellenischen
Quellenstudien" von
O. Knapp. „Von sodomitischen Verirrungen" usw. berühren
Fragen, die gerade
Rezensionen über die Anthropophyteia.
477
in den letzten Dezennien in vielen Publikationen zu
wissenschaftlichen Betrachtungen
herangezogen wurden; Fragen, an deren Aufklärung der
Arzt mitzuarbeiten haben
wird.
Der Schluß des Werkes bildet eine Reihe von
Mitteilungen kulturhistorischen
Inhaltes vom Herausgeber, (der auch viele
anthropologisch-ethnographische Studien
schon veröffentlicht hat) worunter die Darlegungen über
die gegenständlichen
Mittel zur Befriedigung des Geschlechtstriebes (beim
Weibe) für den Arzt spezielles
Interesse haben, da solche „Liebhabereien", ebenso wie
die oben erwähnten Bei-
schlafverhinderungsmittel, manchmal zu operativen
Eingriffen führen.
Nach diesem fragmentösen Überblick über den Inhalt
des vorliegenden Werkes
müssen wir eingestehen, daß das Sammeln folkloristischer
Erscheinungen der
Entwicklungsgeschichte der geschlechtlichen Moral eine
unerläßliche Grundlage
ist, worauf wir besonders jene hinweisen, die mit dem
Ausbau der sexuellen Ethik
in den letzten Jahren sich beschäftigten.
Das Werk ist im Buchhandel nicht zu erhalten und
dadurch ist Vorsorge ge-
troffen, daß es nicht in unrechte Hände gelangt. Man
bezieht das Buch direkt vom
Verlag, der alle Bestellungen eingehend prüft.
Eine Anzahl Tafeln mit guten Autotypien geben dem
Texte gute Unterlagen
beim Studium. J.
Ein internationales
Monumentalwerk.
Von höchstem Interesse für Ärzte, Künstler, Schrift-
steller, Biologen, Juristen und jeden Gebildeten
überhaupt
:: Forschungen ::
über gleichgeschlechtliche
Liebe aller Kulturvölker.
Von Prof. Dr. Friedrich Karsch-Haack, Berlin.
Als erste Abteilung ist erschienen:
Das gleichgeschlechtliche Leben
der Ostasiaten: Chinesen,
Japaner, Koreaner.
Preis in Bütten-Einband M. 4.—,
in Leinwand gebunden M. 5.—.
Der Leitgedanke dieser Arbeit ist, daß Päderastie und
Tribadie als
Wirkungen des Geschlechtstriebes nicht „Laster", sondern
immer und
überall vorkommende Erscheinungen sind, die weder
Geringschätzung,
noch verachtungsvolles Totschweigen, noch
gesellschaftliche Ächtung,
noch brutale Verfolgung durch das Gesetz verdienen.
Von den vielen glänzenden
Besprechungen seien hier folgende vier
angeführt :
„Mit äußerster Sachlichkeit wird in dem Buche eine
Nachtseite der
menschlichen Psyche untersucht, die bei abend- wie
morgenländischen
Völkern in Erscheinung tritt. Der Verfasser bringt den
Beweis, daß
sowohl bei Völkern der Vollkultur wie bei denen der
Halbkultur Päde-
rastie und Tribadie als Wirkungen des krankhaften
Geschlechtstriebes
auftreten. Die beigebrachten Beleuchtungen, namentlich
japanischer
Erotik, sind von hohem ethnologischen Interesse.
Literatur und dar-
stellende Kunst bringen dem Autor reiches Material für
seine Unter-
suchungen.44 (Bcitre ^ Kenntnis
des Orients. Bd. III.)
„Wie schon das erste vorliegende Heft des neuen
Werkes: „Die
gleichgeschlechtliche Liebe der Ostasiaten (Chinesen,
Koreaner, Japaner)",
erkennen läßt, handelt es sich hier um eine groß
angelegte, außerordentlich
interessante, auf einem wissenschaftlich möglichst
gesichteten, fast über-
reichen Material basierende Arbeit. Im ganzen sind etwa
zwanzig, alle
drei Monate erscheinende Fortsetzungen geplant, so daß
ein großes werk
resultieren wird, das für Ärzte, Juristen, Gesetzgeber,
Soziologen und
Ethnologen ein gleich großes Interesse bieten wird."
„Münchner Neueste Nachrichten."
„Der vorliegende Band zeugt von einer großen
Belesenheit und
Literaturkenntnis auf ethnologischem Gebiete. Ob
Verfasser damit die
„medizinische" Theorie der Homosexualität gegenüber der
von Bloch
vertretenen anthropologisch-ethnologischen Theorie
wieder überall her-
stellen wird, erscheint zunächst noch zweifelhaft. Ein
abschließendes
Urteil wird sich wohl erst nach dem Erscheinen der
übrigen Bände
bilden lassen. Auf alle Fälle aber bilden K/s Studien
ein wichtiges
kulturhistorisches Moment der sozialen Hygiene und seien
als solches
allen Fachleuten empfohlen." nSoziale
Medizin und Hygiene.»
„Verfasser hat vor, das Vorkommen der Homosexualität
bei allen
Rassen zu studieren, und der I. Band hierüber, die
Ostasiaten betreffend,
liegt uns vor. Wer da glaubt, daß er hier für den
Sinnenkitzel Material
finden wird, ist bitter enttäuscht. Es handelt sich
vielmehr um eine
höchst wissenschaftliche und musterhafte Darstellung des
Gegenstandes,
die außerdem für den Kulturhistoriker, Rechtsgelehrten
usw. noch viel
mehr enthält als der Titel besagt, nämlich eine ganze
Menge kultur-
Ïeschichtlicher Momente; so über Charakter, Rasse,
Rechtsgrundsätze,
)ichtung, Kunst usw. Mit einem staunenswerten
Bienenfleiße hat Ver-
fasser das Material gesammelt und kritisch gesichtet.
Das Werk ist
jedem ernsten und denkenden Leser angelegentlichst
empfohlen "
Med.-Rat Dr. P. Näcke.
Von Georg Hirth's „Kleineren Schriften" sind
bisher
erschienen :
Wege znr Kunst
Wege znr Freiheit
Wege zur Liebe
zur Heimat

(erscheint 1908)
4 starke Bände in Original-Leinwandband à 5
Mk.
Jeder Band ist einzeln käuflich.
Vereinigung deutscher und
oesterreichischer Bibliophilen.
Geschäftsstelle: Willy Schindler, Berlin W. 50,
Pragerstrasse 22.
Aus den Memoiren einer Sängerin.
(Wilhelmine Schroeder-Devrient) Privatdruck in 300
num.
Expl. - Br. M.25.— (Kr. 30.—); in Leder M.30 — (Kr.
36.-).
Eine musterhaft ausgestattete und neu
durchgesehene Ausgabe des
berühmtesten und besten deutschen Eroticums.
Des Giulio Romano 16 Zeichnungen zu den
wollüstigen Sonetten des Pietro Aretino.
Privatdruck in 200 num. Expl. 16 Lichtdrucke; in
Carton-
mappe M. 30.— (Kr. 36.—); in Leder M. 35.— (Kr. 42-).
Giulio Romano, der stärkste Erotiker der
italienischen Renaissance,
repräsentiert die schon im Taumel überschäumende,
strotzende Kraft,
die stürmisch begehrt und genießt. Bei ihm kommt die
Sinnlichkeit
sozusagen zu ihren letzten Rechten. — Und so realistisch
die Darstellung
ist, von ebenso wunderbarer Schönheit erstrahlt sie.
Ed. Fuchs, D. erot. Element i. d. Karik., p.
18—19.
Die Blätter sind nicht zu verwechseln mit den
letzthin in einem Wiener Lieferungswerk
reproduzierten Bildern.
Pietro Aretino: Die wollüstigen Sonette.
Deutsch von Dr. H. vom Semmering. Privatdruck in
1000
num. Expl. nur für die Mitglieder der „Vereinigungu,
an
die er kostenlos abgegeben wird.
Théophile Gautier : Brief a. d. Präsidentin.
(Reise in Italien.) Deutsch von Dr. Willy Heine.
Privat-
druck in 1000 num. Expl. — Br. M. 7.50 (Kr. 9.—); in
Leder
M. 10.— (Kr. 12—).
Der bekannte Gautier-Übersetzer Dr. H. H. Ewers
stellt diesen—allerdings
kaum druckbaren — Reisebericht weit über Goethes
„Italienische Reise".
Dokumente zur Sittenge-
schichte der Menschheit.
== Herausgegeben von Dr. Willy Heine. =
I. H. ö. R. Graf von Mirabeau: Meine Bekehrung.
Übersetzt und eingeleitet von Dr. Fr. Deditius.
Privatdruck
in 500 num. Expïï — Br. M. 20.— (Kr. 24.—); in Leder
M. 25.- (Kr. 30.-).
Es gehört zu den besten Büchern der literature
licencieuse; es ist
von einer genialen Frechheit und hat im Tone und
Temperamente
nicht seinesgleichen._Dr. rranz Blei.
IL Das erotische Theater der Rue de la Santé.
Übersetzt und eingeleitet von Dr. Fr. Deditius.
Privatdruck
in 300 num. Expl — Br. M. 20.— (Kr. 24.—); in Leder
M. 25.- (Kr. 30.-).
Die in diesem Bande gesammelten 7 Stücke
bekannter französischer
Dichter haben, trotzdem sie von geradezu zügelloser
Erotik sind, einen
hohen literarischen und künstlerischen Wert und sind von
enormem
kulturhistorischem Interesse.
III. Der Karthäuser-Pförtner oder Die
Memoiren
des Dom Bougre, gen. Saturnin, =
von ihm selbst erzählt Privatdruck in 500 num.
Expl. —
Br. M. 20.— (Kr. 24.—); in Leder M. 25.— (Kr. Зо.—).
Eines der amüsantesten und originellsten Erzeugnisse
der erotischen
Literatur, das im Zeitalter Casanovas und de Sad es in
der Geheim-
abteilung keiner Bibliothek fehlen durfte. Es schildert
in äusserst
drastischer Weise das ausschweifende und zügellose Leben
der Karth-
äusermönche im Mgalanten
Jahrhundert".___
IV. Gustave Droz: Ein Sommer auf dem Lande.
Deutsch von J. Berg. Privatdruck in 400 num. Expl.
—
Br. M. 12.— (Kr. 14.40); in Leder M. 15.- (Kr. 18.-).
8 Original-Gravuren dazu M. 10.— (Kr. 12. - ).
Ein glänzender, schon in mehrere Sprachen übersetzter
Roman des be-
rühmten Dichters, der die Erlebnisse zweier junger
Pariserinnen schildert.
V. V Ii
Taumel der Wollust.
Roman. Privatdruck in 400 num. Expl. — 2 Bde. Br.
M. ?5.—
(Kr. 30.-); in Leder M. 30.— (Kr. 36.—).
Diese Jugendarbeit eines berühmten und gefeierten
deutschen Romanciers
gibt eine derart komplette, derart drastisch-plastische
und realistische
Veranschaulichung des „Erotisch-Möglichen", wie sie wohl
in keinem
zweiten Werk dieses Genres zu finden ist. Das Buch
stellt sich den
bedeutendsten Eroticis der Weltliteratur durchaus
ebenbürtig an die Seite.
Dokumente zur Geschichte
des menschlichen Sexuallebens
= Herausgegeben von Dr. Willy Heine. =
D.: Die Wonnen der Rute (Les callipyges).
Deutsch von Dr. P van Houten. Privatdruck in 700
num.
аЇЇіГ \ m гГ- ВГшМЧ15;-
<Кг-і8--); і" Leder M 20.-
(Kr. 24.—). 10 Orig.-Illustrationen dazu M. 10.- (Kr.
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Die erste ungekürzte und ungemilderte deutsche
Ausgabe des besten und
erschöpfendsten Buches, das je über den Flagellantismus
- namentS
in seiner sapphischen Form - geschrieben wurde
Trix: Die Flagellantin (La fouetteuse),
Deutsch von Dr. A. Müller. Privatdruck in 500 num.
Expl. —
Br. M. 15.— (Kr. 18.-); in Leder M. 20.- (Kr. 24-).
Dieses Werk ist — wie vielleicht kein zweites —
geeignet, die sadistisch-
masochistischen Gelüste des Weibes psychologisch
verständlich zu
machen. Der Verfasser gibt uns die Belcenntnise einer
flagellantistisch
veranlagten Erotomanin und schildert in meisterhafter
Weise, auf was
für Abwege sie ihre Leidenschaft führt — bis zur
gänzlichen Hintan-
setzung aller Moralprinzipien!
Geheime Wonnen.
Masochistische Episoden aus dem Leben des Baron
von S.
2 Bde. Privatdruck. — Br. M. 6.— (Kr. 7.20).
Bd. I. Großstadt-Ereignisse: Erste Jugend. —
Madame Wanda. —
Olga. — Mama Dannebergs Pension. — Der Rutenklub. —
Abschied.
Bd. II. In der Herrschaft des Weibes: Die neue Herrin. —
Die ersten
„Fünfundzwanzig". — Das strenge Kammermädchen. — Tante
und
Nichte. — In süßer Rutenzucht. — Eine harte Strafe
und deren Folgen.
Wie man früher „erzog":
Geschichten aus dem Erziehungs- und Strafwesen in
der
guten alten Zeit 2 Bde. Privatdruck. — Br. M.6.— (Kr.
7.20).
Bd. I. Wie Frau Käthe mit unartigen Buben
verfährt. — Ein liebevoller
Gesindevater. — Strafmethode der governeß Grishild. —
Wegen Obst-
diebstahls. — Fräulein Lehrerin.
Bd. II. Geteilte Schmerzen. — Die Nichte des
Oberlehrers. — Strenges
Regiment in einem Konfektionsgeschäfte. — Wie Frau
Hauptmann in
Abwesenheit ihres Gatten dessen Rekruten ..erzieht". —
Die Erziehung
im Zuchthause zu S.....
Masochistische Abenteuer eines Weltenbummlers.
2 Bde. Privatdruck. Br. M. 6.— (Kr. 7.20).
Bd. I. Die tolle Gräfin. — Bd. II. Sascha.
Geradezu glänzend geschriebene, spannende
Novellen.
Das erotische Element
in Literatur und Kunst.
Ein Beitrag zur Erotologie von Willy Schindler,
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Ein sehr instruktives Werkchen, das namentlich
über die
in den letzten Jahren in deutscher Sprache erschienenen
Privatdrucke erotischen Charakters vortrefflich
orientiert
Le Poitevin: Les diableries erotiques.
20 Blatt mit 39 Zeichnungen. Privatdruck in 500
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Es überragt nicht nur die zeitgenössische
erotische Karikatur, es überragt
alles, was bis dahin an erotischer Karikatur überhaupt
geschaffen worden
ist, und es ist weiter sehr die Frage, ob auch seither
ein Werk entstanden
ist, das an Kühnheit und Witz dem Le Poitevinschen
nahekommt, ge-
schweige denn es überragt Fuchs, D. erot Element i. d.
Karik., pag. 206.
Marquis de Sade: Justine und Juliette.
Mit den 104 Orig.-IIlustrationen. Privatdruck in
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„ M. 11.50 |
IV. |
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M. 16.— „ |
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»903 |
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M. 22.— „ |
„ M. 25,— 2 Bände |
VI. |
1904 |
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M. 12.— „ |
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VII. |
1905 |
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„ M. 21.— 2 Bände |
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1906 |
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„ M. 16.50 |
Der IX. Jahrgang erscheint erst Frühjahr 1908.
Es handelt sich hier um ein Werk, das nicht nur
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sichtspunkt die größte Beachtung verdient
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nicht verantwortlich.
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Eduard Kulkes

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Herausgegeben von Dr. Friedrich S. Krauss.
Band 1. Der Glasscherbentanz. Die
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Eduard Kulke war bei Lebzeiten nur einem engeren
Kreise literarischer Fein-
schmecker als einer der Meister deutscher Novellistik
bekannt.
Von Beruf Physiker, Ästhetiker und Musikkritiker,
bewährte er sich noch
weitaus mehr als moderner Erzähler von plastischer Kraft
und von bezwingender
Anmut. Er hat das Frauenherz, die Güte und die Bosheit
der Menschen ergründet.
Er erfaßt die Typen, die dem Volke ein Gesicht
verleihen, ist ein Seelenschilderer
und gibt immer auch Handlungen, wie sie das stürmische
Leben schafft,
Durch den Eifer des Dr. Krauss gewinnt die deutsche
Literatur einen Klassiker
vollendeter Erzählungskunst, dessen Schriften einen
bleibenden Wert besitzen.
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Inhalt: Einleitung. I. Liombruno. II. Geschichte von
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felten Burschen und drei Feen. III. Novelle von
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Campriano. VI. Der Eifer-
süchtige. VII. Die Nencia von Prato Oder die
Feile. Nachtrag zur Einleitung.
Belfagor. Mandragola. Nachwort.
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der Poet, in seiner
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Band III. Jakob Frey, Michael Lindener und Graf
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Band IV. Adrian Wurmfeld V.Orsoy, August Tünger
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Einzeln werden die Bände nicht abgegeben.
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Beiwerke zum State der Anthropophyteia.
Band I. Die Zeugung in Glauben, Sitten und
Bräuchen der Völker
von Jakob Anton Dulaure. Verdeutscht u. ergänzt von
Friedrich
S. Krause und Karl Reiskel. Preis gebunden M. 30 —
Band II. Das Geschlechtsleben in Glauben, Sitte
und Brauch
der Japaner von Dr. Friedrich S. Krauss. Preis
gebunden M. 30 —
Ausführliche Prospekte über obige drei Werke liegen
diesem Bande bei.
Dem IV. Bande der Anthropophyteia liegen bei:
1. Ein Prospekt der Firma A. Stubers Verlag
(Curt Kabitzsch), Würz-
burg, über Sexualpsychologische Studien von Havelock
Ellis etc.
2. Ein Prospekt der Firma Hermann Barsdorf,
Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Landshuter Str. 2.
3. Ein Prospekt der „The Gypsy Lore Society in
Liverpool 6 Hope Place.
4. Ein Prospekt der Firma Georg Müller, Verlag, in
München.
5. Verschiedene Verlagsprospekte der Deutschen
Verlagsactiengesell-
schaft Leipzig.
I. Tafel.
Dr. Mitrovic: Die Zeitehe in Norddalmatien
Ein Mädchen mit dem Gjendar auf dem Zeitehemarkte.
II. Tafel.
Dr. Mitrovic; Die Zeitehe in Norddalmatien.

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Frauen in Norddalmatien auf dem Zeitehemarkte.
Die mittlere unter den fünf im Vordergrunde eine Witib.
III. Tafel.
Hugo Ernst Luedecke: Erotische Tätowierungen.
Der „Fakir" Hugo Schm.

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4.
V. Tafel.
Hugo Ernst Luedecke: Erotische Tätowierungen.
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