Anthropophyteia Vol. 4 (1907)

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'АШРЙПОФУТЕІА

Jahrbücher

für

Folkloristische Erhebungen und Forschungen

zur

Entwicklunggeschichte der geschlechtlichen Moral

unter redaktioneller Mitwirkung und Mitarbeiterschaft von

Prof. Dr. Thomas Aohelle, Gymnasialdirektor in Bremen, Dr. Iwan Bloch, Arzt
für Haut- und Sexualleiden in Berlin, Prof. Dr. Franz Boas, an der Columbia-
Universität in New-York V. S. N., Dr. med. und phil. беогд Bu so han, Heraus-
geber des Zentralblattes für Anthropologie in Stettin, Geh. Medizinalrat Prof. Dr.
Albert Eulenburg in Berlin, Prof. Dr. Anton Herrmann, Herausgeber der Ethnologi-
schen Mitteilungen aus Ungarn, in Budapest, Prof. Dr. Juljan Jaworski] in Kiew,
Dr. Alexander Mltrovio, Rechtsanwalt in Knin, Dr. Giuseppe Pltrè, Herausgeber des
Archivio per lo studio delle tradizioni popolari in Palermo, Dr. med. leak Robinsobn
in Wien, Prof. Dr. Karl von den Steinen in Berlin u. anderen Gelehrten

gegründet im Verein mit

Prof. Dr. med. Bernhard Hermann Obst,
weiland Direktor des Museums für Völkerkunde in Leipzig

herausgegeben
von

Dr. Friedrich S. Krauss

in Wien VII/2f Neustiftgasse ta

IV. Band-

Leipzig

Deutsche Verlagsactiengesellschaft

1907

Bezugspreis (tir jeden Band 30 Mk.

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v.1

INDIANA UNIVZRSrrr LIBRARY

Privatdruck :

Nur für Gelehrte, nicht für den Buchhandel bestimmt.

Zahl

-7/3


Inhalt

Seite

Die Anthropophyteia im Sprachgebrauch der Völker.

VI. Das Solinger erotische Idiotikon von Dr. Heinrich Felder..... і

L Die Ausübung des Beischlafs (and Verwandtes) im Sprachgebrauch . і

IL Von den minnnlichen Geschlechtteilen........... 4

Ш. Von den weiblichen Geschlechtteilen............ 5

IV. Vom Hintern etc...........,....... 5

VII. Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen von Dr. Hein-

rich Felder...................... 8

Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke. Von Dr.

Aigremont.......................16

Alphabetische Übersicht...................33

Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

I. Zeitehen in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic......37

П. Die Zuchtwahlehe in Bosnien. Mitteilungen von f. S. Kr au s s . . . . 46

Erotische Tätowierungen. Beobachtungen von Hugo Ernest Luedecke-

Zwickau........................75

Das Geschlechtleben der Samoaner. Von w. von Bülow . . . 84

1. Einleitung.......................84

2. Die Geburt des Samoaners.................88

Deutsche Bauernerzählungen. Gesammelt im Ober- und Unterelsaß von

f. Wernert.......................100

Erzählungen aus dem Großherzogt um Baden. Von f. w er ner t 141
Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlecht-
leben beziehen.
Von Dr. Heinrich Felder.........146

Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein. Von Dr. Jup Malz-
bänden .........................155

Erzählungen deutscher Matrosen. Gesammelt auf einer Seefahrt von

Georges Apitzsch in Rom.................158

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. Eine

Umfrage von Dr. Friedrich S. Krauss. Erhebungen von Krauss und Mi-
trovic..........................160

Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien. Ein Reise-
bericht für die Anthropophyteia. Von Dr. Alexander Mitrovic . . . , 227

Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüst-
lingen.
Mitteilungen von KarlAmrain............237


jy Inhalt

Seite

Der Geruchsinn in der Vita SeXUaliS. Eine Umfrage von Dr. Iwan

Bloch (Berlin). Erhebungen von Krauss, Mitrovic und Wernert . . • 245

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern. Von Georg

Queri in München..................... 260

Ein japanisches FrUhlingbild. Von Berthold Laufer, New York . . 279

Über den „oXlößoc" der Hellenen. Studie von Dr. O. Knapp ... 285

KOitUS Und Sexualinstinkt. Eine Umfrage von Dr. Alfred Kind in Berlin 290

Die Stärkung männlicher Kraft. Eine Umfrage von Karl Amrain . 291

Erotik in der Numismatik ................ 294

Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten

der Serben gesammelt von Vuk Stefanovic Karadzic...... 295

Grundlagen der SkatOlOgie. Von Hugo E. Luedecke (Zwickau i. Sa.). 316

Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Ge-
schlechtverkehr beziehen.
Gesammelt, verdeutscht und erläutert von

Dr. Friedrich S. Krauss. (III. Fortsetzung)........... 329 ,

Vom Dreck......................., 329

Alltägliche Hausmittel.................... 406

Vom Buchertisch..................... 4i2

Rezensionen ......4................ 450


Die Anthropophyteia im Sprachgebrauch der Völker.

II

VI. Das Solinger erotische Idiotikon.

Von Dr. Heinrich Felder.

Den größten Teil dieser Materialien entnahm der Verfasser einer
handschriftlichen Sammlung, welche ihm zur Verfügung stand. Da
der betreffende Sammler schon vor einem Menschenalter verstarb,
so ist hier manche Bezeichnung aufgenommen, welche kaum noch im
Volke bekannt sein dürfte, oder nur ganz vereinzelt angetroffen wird.

Es ist bezeichnend für den Teil des bergischen Volkes, auf den
durch diese Zusammenstellung ein bedeutsames Licht fallt t daß für
ihn „lieben" und „leben" identisch sind; die Solinger Mundart,
bezeichnet beides mit demselben Wort, trifft aber doch einen feinen
Unterschied, der sich allerdings nur für den Kundigen ergibt, indem
„leven" so viel als „lieben" bedeutet, „leven" aber „leben" bezeich-
net. Diese feine Unterscheidung macht übrigens das ganze bergische
Volk, wie auch unsere Zusammenstellung für einen großen Teil des
Bergischen maßgebend ist. Die Zahl der sexuellen Bezeichnungen
setzt vielleicht manchen in Erstaunen. Aber von dieser Tatsache
auf ein besonders stark entwickeltes Geschlechtbedürfnis zu schließen,
würden wir nach unserer Kenntnis der Sachlage für sehr voreilig
halten. Vergleicht man allerdings z. B. die Benennungen, welche in dem
(von Dr. Friedr. S. Krauss verfaßt) Werk „Die Zeugung in Sitte, Glaube
und Brauch der Südslaven" I, 195 ff. (Paris 1899) für diese Völker-
Schäften beigebracht werden, so sollte man zu dem Schluß gelangen,
das bergische Volk habe ein stärkeres sexuelles Bedürfnis, als etwa
die Südslaven. Und doch liegt wohl die Sache gerade entgegen-
gesetzt. Aber der Verfasser jenes Werkes gibt selbst in der Ein-
leitung zu, gelegentlich einer Forschungreise, welche im gründe
ganz anderen Zwecken diente, auch dieses Material gesammelt zu

Krauss, Anthropophyteia IV. I


2

Das Solinger erotische Idiotikon

haben. Für unsern Solinger Kreis liegt aber die eifrige Sammel-
arbeit eines ganzen langen Lebens unter genauester Kenntnis aller
Verhältnisse und unausgesetztes Verweilen am Ort zugrunde.

Der Verfasser unseres Wörterbuchs macht eine Auslassung,
welche einiges Beherzigengswertes enthält, welche wir aber trotzdem
doch nicht ganz zu unserer eigenen Überzeugung machen können.
Wir möchten sie trotzdem nicht unterdrücken. Sie hat folgenden
Wortlaut: ,,Da der Geschlechttrieb noch mçhr Wollust erregt, als
die Nährungsangelegenheit, so hat die Sprache hierbei sich auch
noch erfinderischer bezeigt, und uns mit einer Reihe dahin bezüg-
licher Ausdrücke bereichert. Auch hierbei haben viele den Sinn
verändert und zwar merkwürdigerweise auch so, daß sie jetzt eine
Übervorteilung Anderer bezeichnen. Es ist dieses ein Beweis, daß
das frühere Frauenzimmer den Lüsten und der Gewalt der Männer
unterlegen ist, und daß edle Liebe und gegenseitige Zuneigung in
gewissen Zeiten der menschlichen Entwicklung noch unbekannte
Gefühle gewesen sein müssen".

Das auf dem Gebiete der bergischen Ortnamen umfassendste
und neueste Werk (J. Leithaeuser, Bergische Ortsnamen) habe ich
einer Durchsicht nach Ortnamen unterzogen, welche nach Geschlechts-
teilen benannt sein möchten und keine gefunden. Bei einigen Namen
läßt sich eine derartige Bildung vermuten, aber ungezwungener er-
gibt sich doch die Erklärung aus der natürlichen Beschaffenheit der
Örtlichkeit etc. Dagegen hat der Volkswitz hin und wieder einzelnen
Hurenhäusern etc. solche Namen beigelegt, welche aber nicht offiziell
geworden sind.

1. Die Ausübung des Beischlafs (und Verwandtes) im Sprachgebrauch.

afluxen oder abfuchsen — ablisten
und zwar die Gunst eines Frauen-
zimmers; Luxus = Wollust.

afrakkern =- abfuchsen, abarbeiten,
namentlich von der Geschlechtsarbeit.

a'mak en = Beginn der Schwanger-
schaft.

anführen = betrügen, d. h. ein Frauen-
zimmer an einen entlegenen Ort führen,
um dasselbe zu verführen ; das Wort
wird noch vereinzelt in diesem Sinne
gebraucht.

anschmieren = betrügen, geschlecht-
lich besudeln.

antasten = anfassen zum Zweck der
Begattung.

beikomen = erweichen, der Schädi-
gung halber, um sein wollüstiges Ziel
zu erreichen.

begatten = beschlafen. Gatt = Loch,
Tor; m. vergl. Gate (z. B. in Elber-
feld) = Straße.

b e g u і 1 e n = betrügen, wörtlich begeilen.

besöken = besuchen ; scheint ursprüngl.
geschlechtl. Vereinigung zu bezeich-
nen.

beschlagen sein — im guten Stande
sein, namentlich sexuell.


Das Solinger erotische Idiotikon.

з

bestaden = heiraten; das Wort hat
eigentlich den Sinn von bestatten, d.
i. in eine Stelle bringen, verheiraten;
m. vergl. collocare filiam.

betuppen = betrügen, anführen, na-
mentlich geschlechtlich angewandt.

beschubben = betrügen; eigentlich
bezeichnet man damit die Bewegung
beim Beiwohnen.

beschummeln =» betrügen, besudeln;
wie vorher; scum = Schaum.

beschwéndeln = betrügen, betäuben,
wehrlos machen, um den Geschlechts-
akt ausführen zu können.

bruk en = brauchen, und zwar ein
Frauenzimmer, um seine Wollust zu
befriedigen.

darhaulen =» sich schädigen lassen;
Willigkeit des Frauenzimmers zur Aus-
übung des Beischlafs.

darhaulen motten — ein Frauenzim-
mer zum Beischlaf zwingen.

dartasten = hinhalten zum geschlecht-
lichen Akt

derbei und drankrigen — betrügen,
die Scham betasten.

dorchdréven — nicht mehr eine Jung-
frau sein; die Unschuld verloren
haben.

e'b rek en = das Jungfernhäutchen
durchstoßen.

et einem dndonn = zwingen; einem
Frauenzimmer Gewalt antun.

et donn, ens donn = beiwohnen.

et op einem stonn hann — jemand
gern haben; diese Redensart ist aus
der andern entstanden: En (Penis)
op oemmes stonn hann.

et god tésamen können = eng be-
freundet sein,eigentlich in dem Sinne:
gut coitum zusammen üben.

ens fohlen = die Scham betasten.

Faks en Spaße, besonders auf ge-
schlechtliche Dinge bezogen.

die Flehm krigen die Weichen
des Frauenzimmers fassen beim coi-
tus.

fürstellen =» hinhalten.

fuscheln, fummeln, fimmeln, fik-
ken, fuksen, faseln, fabeln, fuk-
kein, fippen, fuppen, foppen,
fögeln (vögeln), fohlen, fu-
scheln = geschlechtliche Tätigkeit
ausüben. Merkwürdigerweise begin-
nen diese Worte ausnahmslos mit
dem Blaselaut.

G e maul s ch = heimliche, aber hörbare
Bewegungen, namentlich bei der Aus-
übung des Beischlafs.

Gewault andonn =» wider Willen ge-
schlechdich brauchen.

hekken = zeugen, von der hüpfenden
Bewegung beim Geschlechtsakt, da
unser Wort auch soviel bedeutet, als
auf einem Bein hüpfen.

hieroden = heiraten; das Wort dürfte
vom engl, hire = leihen kommen; es
läge dann also bei dem ursprünglichen
Worte keine Ehe im Sinne des Wortes
vor, wie es heute gebräuchlich ist.

Honksfott = Hinterteil vom Hund
oder der Hündin; der Hund ist ein
Muster der Geilheit.

jupplaupen= den Unterröcken nach-
laufen.

kall en = sprechen; met* nem Weite
kallen = an einem Mädchen kares-
sieren.

Kremmel am Arsch = Geilheit der
Frauenzimmer.

Kröm = Wochenbett; en den Kröm
komen = in die Wochen kommen;
Krömfrau; kromen=niederkommen;
Krömsuppe = Suppe für Wöchne-
rinnen.

Kuschelmusch = heimliche Beweg-
lichkeit.

Kuhrmaken = Ferien. Es ist dabei
auf die Lendenschürze (court — kurz,
Schurz) abgesehen. Verwandt damit
ist „den Hof machen"; diese Bezeich-
nung ist aber edler, da es hierbei auf
„den Hof" (= Haube) abzielt, es
sich also in erster Linie ums Küssen
dreht.

Lôk == Loch, cunnus; auch dasFrauen-

I*


4

Das Solinger erotische Idiotikon,

zimmer als solches damit bezeichnet
(voll Löker).

löppsch, löupsch = läufisch; nament-
lich von Hunden gebraucht, aber
auch von Menschen.

mannbar = einen Mann tragen können.

Mazzfott « langer Mensch; wahr-
scheinlich liegt Mezzenfottse (Metzen-
votze) zugrunde. Verwandt damit sind
Stenkfottse, Sékkfotse, lauter Schimpf-
namen für Frauenzimmer.

Mensch —■ Hure.

muscheln = heimliches Getaste.

Muhren geten hann = schwanger
sein.

nähen = beiwohnen; das männliche
Glied ist als Nadel gedacht.

necken = nackt klopfen etc.

poppen = beiwohnen; einen poppen
loten = ihm sich überlassen (ur-
sprünglich: weil seine Begierden nicht
zu zähmen)

prellen, eigentlichpréhlen = betrügen;
den Prehl oder Stift in die Scham
stecken.

püschken zärtlich; puce, pucelle.

rammeln = rammeln; auch raumein.

reizen, urspr. reiten ■= richten, auf-
richten, Errektion erregen.

Ré ekel = Hund; aber auch zur Be-
zeichnung eines Wollüstlings ange-
wandt; davon rekken = in Errektion
geraten.

Rezz = Ritze; weibliche Scham.

rid en = reiten, begatten.

rollen — täuschen; Betäubungsmittel

anwenden, um zum Zweckzukommen.
Schacher = Schänder.
Schlappschwanz, Schlappsack,

Schlotterbüdel = Impotenter

Mann.

Schietz = weibl. Scham.

Stékfaste, Puschenstèken = ge-
schlechtliche Vereinigung (auch ein
Kinderspiel).

s tonn = in Errektion sein; em Stang =
im Stande sein, errektionsfähig.

ungerlégen = unterliegen, vom Mann
hingeworfen und besiegt werden ; da-
gegen Überlegenheit = Männlichkeit.

vögeln == beiwohnen; vom Paaren der
Vögel; Vogel = männliches Glied.

IL Von den männli

Bü del = Hodensack.

Buhr, kaule = männlicher Same.

Dözze = Hoden.

Fill, Feile, Fissel = männliche Ge-
schlechtteile.

Gemaite, Gemachte = männliche
Geschlechtteile.

Klüaten = Hoden, klot = runder
Körper. In der Soester «= Fehde hieß
clot, clote eine Geschützkugel.

Muhr = männliches Glied.

nat — naß, namentlich vom männlichen
Samen angewandt.

Natur = männlicher Same.

Pénn = männliches Glied; das Wort
bedeutet eigentlich Penne = Kegel.

Piddei — männliches Glied.

Pimmel = männliches Glied, nament-
lich bei Kindern.

m Geschlechtteilen.

Pis, Pismann = männliches Glied.

Pitthahn, Pitter = männliches Glied.

Poker = Stecher (Penis).

Préhl = Stifl, männliches Glied; préh-
len = sich auf dem Handschlitten
mit zwei bepréhlten Stecken vorwärts
bewegen; prellen = betrügen, ur-
sprünglich sexual mit dem stets wie-
derkehrenden Begriffe der Gewalt.

R ä m m e 1 = männliches Kaninchen, aber
auch ein wollüstiger Kerl, Da „Räm-
mel" auch ein Holzstück bedeutet,
so ist diese Bezeichnung ursprünglich
ausschließlich für das männliche Glied
üblich gewesen, später aber in obigem
Sinne übertragen worden.

Rakel = männlicher Hund, unzüchtige
Mannsperson ; sonst gilt dasselbe wie
bei Rämmel.


Das Solinger erotische Idiotikon.

5

Schnibbel = männliches Glied.
Schwanz = männliches Glied.
Stangenfieber = Erektion.
Stenkbüdel = stinkende Hoden.
Uetterbock = nicht Mann, nicht Weib.

Ut der Hut fahren = aus der Haut
fahren, eigentlich: aus der Vorhaut
fahren.

Vogel = männliches Glied.

III. Von den weib!

Blühendes Mädchen = Mädchen zur
Zeit der Menstruation; Blüte = Blut.

Büß = weibliche Scham.

Dçngen = Ding, weibliche Scham.

Fig = i. Ausruf des Abscheus, 2. Feige,
Bezeichnung für die weibliche Scham.

Fikke = desgl.

Fikklok = weibl. Geschlechtsteile.

Flitsche = weibl. Scham.

F Ott se (Votze) = weibl. Scham; eigent-
lich bezeichnet es ein schlechtes Mäd-
chen, so daß von dem übertragenen
Sinne gilt pars pro tote.

Frauken — weibliche Scham.

Fukke = weibliche Scham; ursprüng-
lich diente das Wort zur Bezeichnung
eines rundlichen, zur Aufnahme be-
stimmten Gegenstandes.

Grite = weibliche Scham; ein Pitter
én dé Grite.

Jong Püschen = Junges Mädchen.

Klonte = schmutziges Frauenzimmer,
Hure, weibliche Scham.

knäupen = knöpfen; die Scham ist
als Knopfloch gedacht.

Kunt — Hintere, weibl. Scham; von
cunnus.

Kutte weibl. Scham; cut. = Schlitz,
Spliß.

lädiert = beschädigt, Jungfernschaft

genommen.
Lok = weibliche Scham.
Mis = weibliche Scham, namentlich

mit Rücksicht auf ihre Behaarung.

ien Geschlechtteilen.

Müsken = Mäuschen, cunnus.

Mösche = weibliche Scham.

Möhn = Tante, weibliche Scham.

Moderschruf = Mutterschraube. Loch-
schraube, weibliche Scham; zugleich
ist der Begriff „Vaderschruf " als Kor-
relat hinzuzudenken.

Minn = kleine, minderjährige weib-
liche Scham; nimmen = Kinder
machen.

Medde = Mitte; weibliche Scham.

P u s c h e — cunnus ; posch, poket, Tasche ;
bauche = Mund, push = stoßen.

Peach = Pfirsich, weibliche Scham;
impeach = anklagen wegen Notzucht.

Plédermus = weibliche Scham.

Prüm = Pflaumen; Bezeichnung für
die weibliche Scham wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer Pflaume; de
Prüm wisen = Zeichen mit den Fin-
gern machen.

Publik = öffentlich, Hure.

Schokkelpèdschen, Hottepèd-
schen = Frauenzimmer mit Rück-
sicht auf die Geschlechtsteile etc.

Spiet = Spliß, weibliche Scham.

S chut = Schoß, der süße Schoß, das
weibliche Zentrum.

Schämde = weibliche Scham; de
Schämde bedecken.

Tante = weibliche Scham; Tantepop-
per = Wollüstling.

Wiffken = weiblicher Schoß.

IV. Vom Hintern etc.

Es gibt eine große Anzahl Wörter auch im Solinger Dialekt,
die kaum gebraucht würden, wenn sie ihren ursprünglichen Sinn
bewahrt hätten, da sie alsdann für unanständig gelten würden. Der


6 Das Solinger erotische Idiotikon.

Arsch = Hintere; arse, arch = Bogen,
Gewölbe. Der menschliche Hintere
gab einen naheliegenden Begriff von
einem gewölbten Gegenstand. Com-
posita: Arscheng (Arschende); Arsch-
lekker (== Schmeichler); Arschlok
(Schimpf, Verachtung etc) Dreh-
arsch und de Béss drehen = Be-
wegung desHintern wollüstigerFrauen»
zimmer.

arzen = Heilkunst üben; davon Arzt.
Vielleicht gaben Verstopfungen einen
der ersten Anlässe, in Leibesnöten zu
helfen. Verschiedene Sprichwörter
weisen auf die Wichtigkeit hin, welche
gerade das Volk dem regelmäßigen
Stuhlgang beilegt. Andrerseits dürfte
aber auch inbetracht zu ziehen sein,
daß die Geburten Anlaß zu dieser
Wortbildung gegeben haben dürften,
da die weiblichen Geschlechtsteile
zum Hinterteil gerechnet wurden und
die Begattung nach Tierart vollzogen
wurde.

Backhouse = Abtritt, von back = hin-
ten. Das Wort hat nichts mit „Bakkes"
(= Backhaus) zu tun.

bedrieten = betrügen; ursprünglich
hatte das Wort den Sinn: mit Dreck
bewerfen. Zugrunde liegt das alt-
nordische dirt, das englische dirt.
En Driet ist eine starke Negation,
bedeutet auch ein sehr Geringes, z. B,
en Driet Für. Drieterig = schmutzig.

Unser Wort tritt in vielen Varianten,
Redensarten, usw. auf.

Bokkbüdel = eine Flasche, welche wie
der Hodensack des Ziegenbocks ge-
formt ist; auch allgem. Bezeichnung
für Hoden.

Drist = dreist, den Hintern zeigen.

Driet en = siehe bedrieten.

Dresser = Hintere; Dréss — Wind.
Für Dresser tritt auch Deisser ein.
Diese Ausdrücke sind aus Drieter ent-
standen; für „t" ist „s" eingesetzt.

Fladen = Kuhkot, auch ein Backwerk,
wegen der Ähnlichkeit in der Form
mit ersterem. Flattern = Kuhdreck
fallen lassen.

F Ott = Hintere. Ob das Wort von foot
= Fuß herkommt, ist mehr als frag-
lich. Davon ist Fottse (Votze) ge-
bildet.

Furzen = Wind lassen. Furz = Klei-
nigkeit.

Gatt = Loch, Aftermündung; daher
Gate (Straßenname) und begatten.

Göntchen = Hintere, auch Kunt.

Hengen = hinten; davonHengerste,
Hengerquartier,Hengerkastiel.

Kakken = Notdurft verrichten, in der
Kindersprache. Kakke = Kinderkot.
Zugrunde liegt wohl das franz. caca;
man darf aber auch wegen der For-
menähnlichkeit an cake = Kuchen
denken. Vie Composita.

Kanzlei = Abtritt.

ursprüngliche Sinn dieser Wörter ist in Vergessenheit geraten und
auch ihre Form hat vielfach wesentliche Abänderungen erlitten.
Hier fassen wir nur solche Bezeichnungen dieser Art ins Auge, welche
sich auf die natürlichen Entleerungen des Menschen beziehen. Mustert
man diese Ausdrücke, so findet man unwillkürlich, dass das Volk
mit einer gewissen Vorliebe diesen Teil seiner Sprache ausgebildet
hat. „Dieser Kitzel rührt eines Teils von dem körperlichen Wohl-
behagen her, das die Ausleerungen gewähren, zum anderen aber
von der affenartigen, boshaften Freude, mit dem widrigen Worte
andere ärgern und sich gegen Feinde damit wehren zu können".


Das Solinger erotische Idiotikon«

7

Kepparsch = wund gerittener Hinterer.

Klavier = scherzhafte Bezeichnung für
Hintern.

Köttel = trockner Kot ete.

Kohns = Rest, Kleinigkeit; ursprüng-
lich ein Häufchen Menschenkot, der
den Begriff von „Kegel" (conus) gab.

Köhnsken = kleine Knopf form, welche
ursprünglich konisch war.

Lékk meg ém Arsch = verächtlicher
Trotz, der rohen Völkern und Unge-
büdeten geläufig ist

Puppen = zu Stuhl gehen, einen Wind
lassen (Kindersprache); Puppe =Kot;
Püppken = Windchen.

Qu ettarsch.Quetts te rt=scherzhafter
Schimpf; ursprünglich bezeichnen
diese Ausdrücke solche Menschen,
denen die Verrichtung der Notdurft
schwer wurde.

Speckbösse « Hintere als Knaller.

Scheißen = Notdurft verrichten. Im
Westfälischen heißt es schiten. Ver-
wandt ist unser Wort mit „schießen".
Davon Scheiße = Menschenkot und
manche Komposita.
Schwärt Arschlok = (schwarzen Hin-
tern) Merkmal des Adels.

Trotzen, urspr. drossen = im Sinne
von drieten; man bezeichnet damit
ein Farzen aus Verachtung.
Verdrot = Verdruß, Ärger, von ver-

drieten, drossen.
Ne Furz hat seven Eigenschaften == He
rükkt, he flügt, he stenkt, he klengt.
He sät dem Arsch goden Morgen,
Makt den Darm rein, on makt de
Dör to.

Neu Furz en die wied Welt es besser

äs em engen Buck.
Wer met der Mullen röumt (= Rahm

nimmt), kann m'era Arsch bottera.

Wer vam Dräuen stérvt, dem wörd
met Furzen gelüddt.
Ut e'nem knorrigen Ars eh kömmt auch
wall ens 'nen löstigen Furz.
Besser 'nen Klenker äs 'nen Sténker-
Ein lauter Wind stinkt nicht.
Dütsch = E Paar Burschlüddscher
(Bauersleute) krégen Franzusen en 4
Quartier. Äs de Frau nu hén on hèr
géng, enn get te èten to maken, do
lét se er Einen striken.
„Schammst Du déch nit für den Lü-
den?" said de Mann.
„O, de verstond jo gein Dütsch!"
said de Frau.
Wo der Kaiser te Fote he 'geit. Abtritt.
Junge. Herr Paschtur, hé bréng eg öch
è Körfken Mespeln; se sind su full
äs Gedréten.
Pastor: Pfui, mein Sohn, wie sprichst du
so garstig; sag Deiner Mutter, daß
sie einmal herkommt
Mutter- Herr Paschtur, dat modd Ihr
dem Jongen nit verövel nehmen ; dem
fallen de Word ut der Mullen, wie
der Koh de Gedréten ut dem Arsch.
Et Verstank do setten harm, wo der

Krebs de Eier hat.
Met der Spekkbösse scherten : furzen.
Et wor ens énen Mann, dè hat e Ka-
nalgen (= Kanarien) Vögeischen en
der Stofen heröm flégen. Äs se do
ens am Èten woren, dof log dat Vö-
gelschen em op den Teller on kakk-
den drop. Des lachden der Mann.
Over dat Lachen word de Frau bös
on said: ,Dat säul eg ens gedonn
hann*.

Sin Behof maken = zu Stuhl gehen.
De Boxe ens losmaken = dringendes Be-
dürfnis verrichten.


VE Bas erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen.

Von Dr. Heinrich Felder.

Vorbemerkung. Der große Umfang des erotischen Lexikons
könnte den Trugschluß nahe legen, daß es mit der Moral unserer
Bevölkerung schlecht bestellt sei. Dem muß mit voller Entschieden-
heit begegnet werden. Selbst von den großen Fabrikstädten gilt
dies. Die Statistik der unehelichen Geburten schon beweist das zur
Genüge. Ferner das Fehlen erotischer Lieder, was gradezu auffallt;
und manches Andere.

Diese Ausfuhrungen ergänzen die aus Solingen und Umgegend
gebrachten Beiträge.

Den einzigen Anhalt bot Fr. Woeste, Wörterbuch der West-
fälischen Mundart. Sonst ist der Stoff den Volksmunde entnommen.

1. Aä, das; Unrat der Kinder.

2. Achttagsuhr, die; so wird dieFrau
(resp. ihre Geschlechtsteile) genannt.
Ich hörte die Bezeichnung von einem
Holzhauer. Sie ist sehr bezeichnend
für das Geschlechtsleben der unter-
sten Volksschichten.

3. afknutschen; abküssen.

4. Aierkasten, der; scherzhafte Be-
zeichnung für den Hintern.

5. Aiterkwartier.das; Hinterquartier,
Podex.

6. Allerwerteste, der; Podex.

7. anmaken, sie es am; Beginn der
Schwangerschaft.

8. anschmiaren; anführen, betrügen,
vielfach geschlechtlich angewandt.

9. Äsch = Arsch, Podex; ist im Nie-
derdeutschen weniger anstößig als
im Hochdeutschen. Zusammensetz-
ungen: Keppäsch; Lauäschken (Jo-
hanniswürmchen).

10. Âschbacken, die; Gesäß.

11. Äschficker, der; Päderast.

12. Äschlecker, der; verächtliche Be-
zeichnung für Schmeichler.

13. Âschlôk, das; Arschloch.

14. Äschkerf, das; Arschkerbe.

15. Äschkrueper, der; ganz verächt.
liehe Bezeichnung für Schmeichler.

16. Äschwisch, der; Arschwisch; na-
mentlich von Dokumenten, Rechnun-
gen gebraucht, die man sehr ver-
ächtlich machen will.

17. äfgon; abgehen, von der Stuhlaus-
leerung; davon das Subst. Äfgang.

18. âfgewen; außerehelich beschlafen
oder beschlafen lassen.

19. âfhaulen; ein Kind so halten, daß
es bequem seine Notdurft verrich-
ten kann.

20. âfhampeln; sich abarbeiten, beson-
ders von der Geschlechtsarbeit.

21. äframmeln; seine Kräfte bei der
Geschlechtsarbeit erschöpfen.

22. â f s p і e 1 e n ; énen âfspielen jonanieren.


Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen.

23. âftréden; abtreden; dat Weit het
seek en Iser afgetréden; hat ihre
Unschuld verloren.

24. äfwichsen, onanieren.

25. haschten; bersten; se es te fruech
gebaschten; sie ist zu früh nach der
Hochzeit niedergekommen.

26. Bats en. der; Oberschenkel, Hinter-
backen.

27. b ed rît en ; bescheißen, anführen und
betrügen in geschlechtlicher Hinsicht.

28. Behuef. der; Bedürfnis, Notdurft;
seinen Behuf machen = cacare.

29. bekladdern; beschmutzen; das
Mädchen hat sich bekladdert; sie
hat sich mit einem abgegeben.

30. beklommen; ernst, schwer; et es
ne beklommene Tîd, de Eine klömmt
op den Angern (zur Ausübung des
Beischlafs).

31. bescheißen; bescheißen.

32. beschlagen sein; nur vom Manne
gebraucht; kräftig entwickelte Ge-
schlechtsteile haben.

33. beschlîkkern; sich mit Kot be-
spritzen.

34. bestâden; bestatten, verheiraten.
Westfäl. Sprichwort: Bai lowet sin
well, maut sterwen, bai dâdelt sin
well, maut sik bestâen (auch im
Bergischen bekannt).

35. Bettsêker; Bettseicher. He schämt
séck es en Bettsêker.

36. binen kommen; heiraten.

37. Bienge Hasen; Excremente; so
genannt, weil sie nicht weglaufen,
wenn man auf sie tritt.

38. blickvögeln; durch den Blick seine
Geilheit verraten.

39. Blômen in der Hege (Montanus,
Volksfeste 48); in Westfalen: Blau-
menherte, Blaumesherte; in Holland:
O blommer herten; Ausruf der Ver-
wunderung. O blommer herten ik
soa in dat kas al vry wat van St.
Thomas volkwesen! sagt loris ver-
wundert darüber, daß eine Frau
„door imaginatie" schwanger werden

könne (de bedroge girigheyd 1675;
Woeste, Westfäl. Wörterbueh 34).

40. В1 о t s c h e n, die ; Holzschuhe. Sprich-
wort. Lot deck ni tt en dinnenBlotschen
pissen = leide nicht, daß man sich
in deine häuslichen Angelegenheiten
mischt. Woeste bemerkt: Eigendich
aber wohl: leide nicht, daß dein
Weib einem Andern zu Willen ist.
,T es en holsken (= Blotschen; An-
merkg. d. Verf.) = es ist eben nur
ein Weib/

41. Bock, alter; geiler Mann.

42. bönhasen; auf verbotenen Wegen
gehen; vor der Ehe mit der Braut
verbotenen Umgang pflegen.

43. Brötchen; soll Ähnlichkeit mit dem
cunnus haben.

Das Brötchen spielt auch eine Rolle
beim Abortieren (m. s. u.).

44. Bruder, kleiner; Penis.

45. Bruder, warmer; Päderast.

46. Buck, den, dick haben; schwan-
ger sein.

47. Bü del, der; Hodensack.

48. Bummskeller, der; früher Bezeich-
nung für ordinäre Kellerlokale (we-
nigstens in Elberfeld) mit Weiber-
bedienung.

43. Bûr, der; semen virile; kaule bûr;
maculae seminis virilis; en kaulen
bûr mâken; se polluere.

50. Busse, die; cunnus.

51. D a r m ; in den Darm gestêken ; einen
Leibeswind gehen lassen und zwar
mit vernehmlichem Geruch.

52. drop mâken oder drop setten;
obseön.

53. dick maken; schwängern; dick
kommt vom ags. thicce.

55. dille in dillenfuck; so bezeichnet
man in Altena in Westfalen einen


Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen.

Spottreim auf Personen beiderlei
Geschlechtes, die in anstößigem Um-
gang leben. Ich glaube, das Wort
auch im Bergischen gehört zu haben;
es mag aber übertragen sein.

55. Dingen, das; Geschlechtsteile, so
wohl vom Mann als Weib gebraucht.

56. Donnerpr Um. Diesen Namen führte
ein bildschönes Marktweib in Elber-
feld, welches sich seiner Verhältnisse
zu den ersten Herren der Stadt
rühmte.

57. Drei Spannen tief unter der Nase
sitzen die (Geschlechtsteile. Oft in
höhnischen Zurufen gebraucht

38. Dri9t, der; Schiß. In vielen Redens-
arten angewandt; driat vom altn.
dirt, engl. dirt.

59. Drîte, die; Kot

60. d rît en; seine Notdurft verrichten.
Kommt in vielen Sprichwörtern zur
Anwendung. Vor einigen Jahrzehn-
ten war folgendes eine stehende
Redensart: Hant se kottens keng
Keïserglocke gedrîten? Sprichwort:
Benerkes warm, En Duak öm den
Darm, On et Dritlöksken open,
Können alle Doktersch tum Doivel
lôpen.

61. Drügschliper, der; Trockenschlei-
fer; jemand, der die Conception ab-
sichtlich verhindert.

62. dû; Woeste (Westf. Wörterbuch 60):
„enem den dû anseggen; daher wohl
auch: sai het em den dû âne saggt,
von einer Frauenspersen, die dem
Schwängerer ihre Schwangerschaft
ansagt. — mw. duwe, Sitte, Brauch.?
Sollte es alts, thau sein?"

Auch im Bergischen ist diese Redens-
art vereinzelt bekannt.

63. Donnerschlag, der; hé mackt ut

em Fuaz en Donnerschlag.

64. Dubbeladler mâken; sich beim
Schlafen den Rücken zuwenden.

65. Eier, die; Hoden.

66. Eng gebaut sein; eine engeScheide
haben.

67. G at, das; Loch, besonders anus. In
einem sehr bekannten Scherzlied
heißt es:

Em Kappesblatt
För dat Gat.

68. Geckslied, das; obscönes Lied.

69. Gemechte, das; Unterleib Geni-
talia.

70. Geschichte, die, haben; Menses
haben.

71. grabbeln (krabbeln); wollüstig
betasten.

72. güllen, göulen; golden; en göu-
len Pflaster; ein Pflaster von Men-
schenkot, welches auf Brandwunden
gelegt wird.

73. Haare schneiden lassen; kodie-
ren, namentlich im Bordell.

74. Haare rupfen; das Ausrupfen der
Haare an den weiblichen Geschlechts-
teilen scheint sehr vereinzelt vorzu-
kommen; ich erinnere mich ganz
dunkel eines Falles, wo von einem
Burschen erzählt wurde, er habe
eine kleine Kollektion solcher Haare
zusammengebracht; der Betreffende
gab seinem vollen Abscheu über
solches Tun Ausdruck.

75. haben eine; ein Mädchen oder
eine Frau beschlafen haben.

76. Hampelmann, der; Penis.

77. Hahn, der; der Hahn; kommt in
verschiedenen Sprichwörtern und
Redensarten vor, welche über den
Sinn des Wortes keinen Zweifel auf-
kommen lassen; z. B. Lötsu en
frömden Hahn en din Nest drîten?
En guaden Hahn es seilen fett Auf
einer alten Holzschachtel liest man
folgende Zuschrift: Mein hoon (Hahn)
der ist so und so, der macht die
fremde hüner froh. Darunter ist eine
Frau im Rokokokostüm zu sehen,
welche rittlings auf einem Hahn
sitzt

78. Helm, der; das Häutchen; welches
den Kopf eines Neugeborenen zu-
weilen bedeckt. Solche Kinder be-


Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen

II

zeichnet man als Glückskinder (he
es em Helm geboren).

79. Heng er sehte, der; Podex: Einem
Filou sagt man: Wenn de hengen
wörsch es füaren, dann könst du
met dem Hengerschten Nüte knap-
pen.

80. Hengerviadel, das; Podex,

81. Hotschel, die; Cunnus. „Popp =
Hotschel" hieß vordem ein von
einer berüchtigten Kourtisane in
Elberfeld unterhaltenes Kaffeehaus.

82. Huarenblâg, das; Hurenkind.
Sprichwort: Huarenmehl göft Hua-
renpannkuaken. Viele Zusammen-
setzungen.

83. Issel, der; De Issel het en ut der
Wank geschlagen = er ist ein un-
eheliches Kind.

84. Jongfernhütschen, das; Hymen.

85. Jongen (Jöngken) en, anleien;
mit diesem Worte pflegen Straßen-
dirnen der niedrigsten Art ihr Ge-
werbe anzubringen.

86. kacken; kacken.

87. Kaktus pflanzen; seine Notdurft
verrichten.

88. k a 1 w e n ; kalben ; auch von Menschen
gebraucht, z. B.: Se het te frü ge-
kalwt = sie ist zu früh nach der
Hochzeit niedergekommen; he kritt
et Kühken met dem Kälvken = er
heiratet eine schwangere Frau.

89. Kalwerstrôte, die; Vagina.

90. Käntken, das; kleine Kante; in
Altena in Westfalen gebräuchlich,
z, B. in der Redensart: Mine Frau
was am Käntken = sie war ihrer
Niederkunft nahe.

91. Kar, .die; die Karre. Sprichwort:

He es van der Kâr gefallen er
ist unehelich geboren.

92. Kasten, der; Bordell; de Huaren-
kasten.

93. Kerf,das; Einschnitt; vergl.Äschetc.

94. Klopphengst, der; Zwitter.

95. Klüaten, die; Hoden. Klüat, Klôt
-= runder Körper; klôt — Kugel;

dän. klode = Kugel. Auch wohl statt
Klüaten — Klüatensack = Hoden-
sack.

96. kl od de rig; sich liederlich umher-
treiben.

97. Klonte, die; umhertreibendes Frau-
enzimmer; fast im Sinne von Hure.
Zusammensetzung: Fabriksklonte.

98. knallen; coire; se lött sek knallen,
schnallen; ostfries. knallen = fu-
tuare.

99. Knallhütte, die; Hurenhaus.

100. Knia, die; die Kniee. Sprichwort:
Fraulüds Knia on Rüden Nasen
sind ömmer kault.

101. König, roter; Menses.

102. k o m m e n ; kommen ; die körper-
liche Sekretion tritt ein.

103. Kröm, der; Kindbett. Im Westf.
Krâm. Sing Frau es em Krôm. M.
vergl. zur Etymologie des Wortes
Woeste, Westf. Wörterbuch, S.141 f.

104. krôm en; niederkommen; Wochen-
bett halten. Zusammensetzungen :
Krômfrau = Wöchnerin. Krôm-
hiar = Mann der Wöchnerin; Krôm-
pott, der; irdenes Gefäß mit Zucker
und Gewürzen ; Krômsuppe = Suppe
für die Wöchnerin, welche früher
während der ganzen Dauer der Nie-
derkunft von den Nachbarinnen ge-
liefert wurde.

io5.kroume Eier, die; Exkremente.

106. Köttel, der; Kot.

107. kötteln; cacare.

108. K u juan, der; Clitoris; Demin. Ku-
jüanschen, das.

109. Kun te, die; weibliche Scham; lat.
cunnus, engl, cunt; m. vergl. Kutte.

110. Kutte, die; m. vergl. Kunte. Ein
sehr bekanntes Verschen lautet : Pis :
„Kutte, süßes Loch, Hätt* ich meinen
Dreier nochl" Wirtshäuser werden
wiederholt „glüntige Kutte" ge-
nannt, natürlich nur dann, wenn die
Inhaberin dem entspricht.

in. Kuttenkröser, der; Bezeichnung
für einen Burschen, Mann, der gern


12

Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen.

an den weiblichen Geschlechtsteilen
spielt.

112. kuttentoll; weibertoll.

113. Küttschen, das; Deminut. von
Kutte.

114. Kütze, die; Cunnus m. vergl. die
Erzählung „Nur eine Mütze".

115. Kwängelkutte, die; weibliche
Person, die ohne Energie ist; wird
von ehrbarenBürgerfrauen anstands-
los angewandt.

116. Kwatschfott, die; zaudernder, un-
entschlossener Mensch männlichen
Geschlechts; m. vergl. Bemerkung
zu Kwängelkutte.

117. Kwitipsche, die; Vulva; ahd.
quiti; auch in der Literatur (m. vergl.
Woeste, Westf. Wörterbuch, S. 154)
bekannt.

Ein Kind mit vier Lippen = Ein
Neugeborenes weiblichen Geschlech-
tes.

118. Landkarte, die; Samenflecken in
Bett- und Leibwäsche.

119. Loch, das; Vulva; süßes Loch.
Sprichwort: De Doiwel kafiert för
kên Lôk.

120. Lochschwager, der; Mann, der
sich nebst einem andern der Gunst
einer Frau oder eines Mädchens er-
freut.

Ein Junge mit einem Loch = Ein
Neugeborenes weiblichen Geschlech-
tes.

121. Löffel, wie L. liegen; die Situation
erklärt sich von selbst.

122. Löpsch, läufisch; vorzugsweise von
Tieren, namentlich Hunden, ge-
braucht; auch auf Menschen über-
tragen.

123. Losgehen; geschlechtlich zusam-
menkommen.

124. Louis, der; Zuhälter.

125. Luder, das; leichtfertiges Weib,
aber auch allgemeiner Schimpfname.

126. lutschen, ablutschen ; f ellare, ir-
rumare.

127. Marie; Maria. Grade dieser Vor-

name kommt immer wieder in obsc.

Redensarten und Strophen vor. Z. B.:

Uss Marie, dat dicke Dier

Het er eng (Vulva) vanKlonschpapier.

Oder:

„Marie, Marie! Wat hew ek en
(Penis) doch stief". „Hess'n stief,
Haul en stief; Stêk en én dat ön-
gerliev,""

128. Maus, die; Vulva.

129. Meierei, die; große Brüste.

130. Memme, die; Mutterbrust. Zusam-
mensetzung: Memmenkeng = ver-
zogenes Mutterkindchen; Memmen-
täng = Milchzähne.

131.МІІПІ, die; Vulva.

132. Miss, die; Vulva.

133. Mîgenkîker, der; Harnbeschauer.

134. Mîglôk, das; Cunnus.

135. Moerwerk, das; Gebärmutter. Se
het et am Moerwerk.

136. Monatliche, das; Menses.

137. Monatsröschen, das; Cunnus.

138. Möse, die; Cunnus, Vulva, Im
Ostfr. Mêsken.

139. Müske, Mötsche, Pullmötsche, die;
Mütze; hier Cunnus.

140. Mund, der; in seiner Größe soll
er der Vulva entsprechen.

141. nageln, coire.

142. neien; coire. In einem beim Aus-
trommeln gesungenen Verse heißt
es: Hört, ihr Leute! Ich will euch
etwas sagen, der „Spaß = Pitter"
hat das Fraumensch vernagelt, He
het et em Ferkesstall verneït. Be-
wahrt das Feuer und das Licht, daß
dem Spaß-Pitter kein Unglück ge-
schieht."

143. Nest, das; Nest. Woeste führt fol-
gende Redensart an: Lât di nitt in
in din Nest Semen (schiten) = Laß
dich nicht bei deiner Braut, deiner
Frau ausstechen. In Düsseldorf ist
es eine Schelte: Du Nest vanner
Derne, naseweises Mädchen.

144. Nummer, eine, drücken; coire.


Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen.

145. Nummer, feine; leichtfertiges Frau-
enzimmer,

146. Öhrchen ansetzen oder säu-
men; einem schwangern Weibe bei-
wohnen.

147. Open dauen, sek; einen Wind
gehen lassen.

148. Pelzmütze, die; Vulva.

149. Periode, die; Menses.

150. Peter, der; Penis.

151. petern; pittern; beschlafen.

152. Pflaume, die; Prûme, die; Cunnus.
Eine alte Strophe lautet: Meine
Mutter hat gesagt: Nimm dir keine
Bauernmagd! Nimm dir eine aus
der Stadt, Die ne dicke Pflaume
(Kutte) hat. Ein gewisser Ball zur
Fastnacht heißt noch heute Pflau-
menball. Erklärung unnötig.

153. Pflastermensch, Straßen-
mensch, das; Hure.

154. Piephahn, der; Penis.
155.РІПІПІЄІ, der; Penis.

156. pimpernellen; obscön; nament-
lich in zweideutigen Volksrätseln
angewandt; z. B.: Ek han dek, ek
puff dek; Ek well dek pimpernellen,
De Buck de sali dek schwellen (Bett).

157. pinkeln; harnen.

158. Pénn, Penn, der; Penis; das Wort
kommt von pint, dänisch pind her.

159. Pinsel, der; Pinsel. Auf einer
Bauernhochzeit hörte ich als Kind
ein Lied, worin es hieß : Bis an das
schwarze Loch, Da blieb der Pinsel
stecken.

160. Pis s, der; Penis. In unserer Gegend
wohl die geläufigste Bezeichnung für
das männliche Glied.

161. Pisse, die; Urin.

162. Pissekîker, der; scherzhafte Be-
zeichnung für einen Arzt, heute nur
noch selten angewandt.

163. pissen; Harn lassen; einer in den
Bauch pissen: sie schwängern.

164. pisserig ist der, der viel Drang
zum Pissen hat.

165. Pissmann, der; Penis. Demin.: Pitt-
ken. Im Dönberg und am Deubach
sagt man, die Kohlmeise singt fol-
gendes:

Wîf, Wîf, Wîf,
Et Pittken stêt,
Et Pittken stet,
Et Pittken stêt,
Plümken wît open,
Plümken wît ôpenl

166. Plêster, das ; schlechtes Frauen-
zimmer; westf. plaster, vom lat.
emplastrum.

167. Plüme, die; die Pflaume, obs. Cun-
nus. M. vergl. Prûme. Demin. Plüm-
ken (m. vergl. Pitt).

168. poppen = coire. Popp = Hotschel
(vergl. Hotschel).

169. Prûme, die; Cunnus.

170. Puff, der; Bordell. Demin. Püffken,
das.

171. Pupp, der; Furz. Demin.: Püffken,
das.

172. puppen; farzen.

173.Pûte, die; liederliche Dirne. Altfr.
pute, span, puta, ital. putta.

174. Regel, die; Menses.

175. rammeln; coire. Ein geiles Weib
wird auch wohl Remmel genannt.

176. Riemen, am, ziehen; onanieren.

176. Ritze, die; Vulva. Ich hörte die
Bezeichnung vor kurzem auf der
Straße von einer Fabrikarbeiterin,
welche sich mit ihresgleichen unter-
hielt.

177. Ritzenschieber, der; Penis.

178. Sack, der; Hoden.

179. Samenkoller, der; große Geilheit.

180. Schannickel, das; schlechtes
Weibsbild, ohne grade immer eine
Hure zu bezeichnen. Demin. Schan-
nickelschen, das.

181. scheißen; scheißen ; westf. schiten,
Schieten. Prohlen es kein Geïld, On
Scheiße es keng Botter; Me kann
se wall schmiaren, Ewer nitt frêten.

182. Scheißkerl, der; verächtliche Be-
zeichnung für einen Feigling.


14

Das erotische Idiotikon des östlichen Teiles des Bergischen.

183. schieben; coire.
i84.schiffen; urinieren.

185. Schlappschwanz, der; energie-
loser Mann.

186. Sêke, die; Urin.

187. sêken; seichen; sein Wasser ab-
schlagen.

188. Schnalle, die; Hure; en richtige
Schnalle.

189. schnallen; obscön; auch schnallen.
Die lött sek schnallen, knallen etc.

190. Schneppe, die; Hure.

191. Schnibbel, der; Penis.

192. Schnupfen, der; Gonorrhöe.

193. Schwanz, der; Penis. Schwanztoll,
vom Weibe, wenn es sehr geil ist.

194. Schwester, die, kleine; Vulva.

195. spielen; in Westfalen: Se het te
frö Melk spielt: sie ist zu früh nach
der Hochzeit niedergekommen.

196. spritzen; ejakulieren.

197. stark gebaut sein = kräftigen
Penis haben.

198. S tat (stert), der; Penis.

199. stemmen; coire.

200. stempeln; coire.

201. Stift, der; Penis. In der obscönen
Redensart: Sie bekommt etwas aus
dem Stift.

202. Stößchen, ein, machen; coire.

203. Strich, auf den, gehen; auf der
Straße nach Liebesabenteuern aus-
gehen.

204. Tacken, der ; Herdplatte, Loch
hinter dem Herde. Folgende Redens-
art berechtigt uns, die Bezeichnung
hier aufzuführen : Dat Keng es vam
Tacken gefallen — es ist unehelich
geboren.

205. Tafigping — Hangping; nament-
lieh von Schwangern gebraucht um
anzudeuten, daß die Geburt bald er-
folgt, wenn die Schwangere Zahn-
schmerzen hat.

206. Tante, rote; Menses.

207. Tiaw, die; Hündin; auch Bezeich-
nung für ein schlechtes Weibsbild.
Engl, tib, and. tefja, tifa-

208. Titte, die; weibliche Brust.

209. Tokus, der; Gesäß.

210. Überzieher, der; Präservative.

211. umficken; scherzhafte Bezeich-
nung für: sein Wesen ändern.

212.Unwohlsein, das; Menses.

213. Ütterbock, der; Zwitter.

214. Vater und Mutter spielen; coire.

215. Verdrenken; Sin Vader es em
Häksei verdronken = er ist unehe-
lich geboren.

216. fertig werden; ejakulieren.

217. fertig sein; impotent sein.

218. ficken; coire.

219. Flöte, Fleute, die; leichtfertiges
Weib; Vulva. Die Drossel singt
(Olpe bei Kürten):

Maria, drück', Maria* drück',
Leih* mir deine Flöte;
Geschwind, geschwind, geschwind!
Die Amsel singt in Herkenrath:
Marie, Marie,
Leih' mir deine Flöte.
Morgenwill ich sie dir wiedergeben.
Du lügst, du lügst, du lügst!
In der Nähe von Hilden hieß früher
ein Wirtshaus zu den 7 Flöten, weil
eine in üblem Ruf stehende Wirtin
mit ihren 6 Töchtern dort hauste.

220. Fledermaus, die; Cunnus.

221. Visitenpinsel, der; Penis. Pinsel
von penicillus, peniculus.

222. Fissenülle, die; weibliche Scham.

223. fisten; fast unhörbar einen Wind
streichen lassen.

224. Flieg, die; die Fliege, aber auch
ein leichtfertiges, männersüchtiges
Frauenzimmer.

225. Flitsche, die; Luftbüchse: auch
eine wegwerfende Bezeichnung für
ein Weib, wohl mit Bezug auf die
Vulva (m. vergl Anthropophyteia II,
262).

226. Fot se, die; Fustse. Woeste: „Schelte
für ein schlechtes Mädchen; fueze
= mueze, s, mütsken; es ist also
pars pro toto; vergl. „sei kein Fozen-
hut!" = sei nicht weiberhaft feige.


Das erotische Idiotikon'des östlichen Teiles des Bergischen.

Luther: Pozenhut — eunuchus. Da*
bei sagt er : Das erste Wort be-
zeichnet das, wovon sie Frauen
heißen."

227. Fotseniecker, der; häufige In.
Schriften auf Aborten.

228. Vögein; fögeln; coire. InLacom-
blet's Archiv (Bd. VI, S. 333) wird
der Bulle ein „voglenochse" genannt.
Redensart: Vögeln, daß die Haare
fliegen = sehr heftig coitieren. Eine
gute Vöglerin ist ein Weib, das
feurig koitiert.

229. Fott(Vott), die; auch Fuet; Podex.
Woeste bemerkt u. a. zu dem Wort :
„mhd. vut, cunnus. nds. futje, mu-
liebria, was die eigentliche Bedeu-
tung unseres Wortes scheint."

230. französisch machen; fellare, ir-
rumare.

231. Fritz, der; Penis.

232. fummeln; wollüstig betasten, na-
mentlich an den Brüsten und Ge-
schlechtsteilen spielen.

233. wellen; wollen. Se well en Keng
han sie ist schwanger.

234. Weit gebaut sein; eine weite Va-
gina haben.

233. Wippken ensetten = coire; an-
gelehnt an die Weberei, welche ja
stark im Bergischen betrieben wird.
M. vergl. die Dichtung: Mina Knal-
lenfalls.

236. Zuth, die; geiles Weib oder Mäd-
chen (?).

237. Zebedäus = Penis.


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

Von Dr. Aigremont.

Vorbemerkung. Den vorliegenden Aufsatz möge man als
das halten, was er in Wahrheit ist, als einen ersten Versuch, in das
dunkle, noch wenig erhellte Gebiet der erotischen Pflanzenbenennung,
wie sie sich im deutschen Volke darstellt, einzudringen. Er möge
ein Anstoß zu weiterer Nachforschung und Ermittelung sein. Ich
würde allen denen zu großem Dank verpflichtet sein, die an die
Redaktion der Anthropophyteia Ergänzungen und Berichtigungen
zukommen ließen. Den Rahmen dieser Arbeit habe ich mit Bedacht
zunächst so eng wie möglich gezogen. Manche weiterfuhrende Er-
örterungen innerhalb dieses Gebietes habe ich mir ebenfalls vor-
läufig versagen müssen.

Erotische Namen der Pflanzen entstanden aus mancherlei Gründen,
etwa weil die Gestalt einer Pflanze (Wurzel, Blüte, Frucht) dazu
verführte, oder, was seltener ist, der Geruch, oder weil die Pflanze
ein erotisches Mittel für das betreffende Glied im Glauben des Volkes
war. Bisweilen hat sich zu dem ersten noch der letzte Grund ge-
sellt, wie man aus dem Beispiel der Orche sehen kann, die wegen
ihrer Wurzelgestalt (Hode) auch als Mittel der Hodenkräftigung ge-
braucht wurde; also eine Art von Sympathie.

Ich bespreche in diesem Aufsatz zunächst nur die Pflanzenbe-
nennungen, die auf den männlichen und auf den weiblichen
Geschlechtsteil hinzielen.

Vor allem gab eine Gruppe Pilze Veranlassung, sie mit dem
Phallus i. e. penis (Zumpt) zu vergleichen. Es ist die große Schaar
der Phalloiden (n Gattungen mit 79 Spezies), deren Gros freilich
im heißen Klima (Südamerika, Afrika, Australien) vorkommt. Bei
uns gibt es nur wenige Vertreter: außer dem Phallus caninus, der
häufiger in Süddeuschland wächst, aber vom Volke mit keinem ero-
tischen Namen bedacht wird, ist es der Phallus (Ithyphallus)
impudicus, an den sich Aberglaube und sexuelle Namengebung des


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

17

Volkes üppig emporrankt Früher wurden auch die Morchelarten
zu der Phallusgruppe gerechnet. Ich finde nur die Morchella escu-
lenta (Phallus esculentus) mit dem Namen „Eichelschwamm"
vom Volke belegt. — Die Phalluspilze tragen ayf ihrem Stil einen
Hut oder eine Eichel, deren Oberfläche öfter mit schwüligen Adern
gegittert oder netzartig gerunzelt ist, sie haben oft eine überraschende
Ähnlichkeit mit einem steifen penis. Am stärksten zeigt diese Ähn-
lichkeit der Eichelschwamm (Phallus impudicus), die in einer gradezu
krassen, ja burlesken Weise zur Erscheinung kommt. Andere kenn-
zeichnende erotische Benennungen dieses Schwammes sind: Brunst-
kugel über der Erde, Hirschbrunst über der Erde, Pintchen, Schwanz-
morchel, Stertmorchel, (Stert = Penis), schamloser Schwamm, Ruten-
morchel, Hexenei, Teufelsei. — Diese Stinkmorchel der deutschen
Wälder interessierte wegen ihrer Entstehung, Form und Geruches
von früh an das Volk. Sie kommt wie ein Ei aus der Erde (Teufelsei,
Hexenei, Brunstkugel), dann erhebt sich der Penis aus dieser volva,
wenn diese aufbricht, verbreitet sie einen durchdringenden Aasge-
ruch, durch den die Fliegen herbeigelockt werden, die aber auch in
dem klebrigen Saft ihr Leben lassen müssen. Der Penis gestaltet
sich zu einer kleinen Säule mit oben gewölbtem Knopfe (Eichel),
der schmutziggrün, während der Stil grau ist. Die Gestalt gleicht
zuletzt genau der eines aufgerichteten Penis mit übergezogener
Vorhaut.

Solcher Form verdankte der Pilz frühzeitig den Ruf als Aphro-
disiacum. Schon im Altertum benutzte man ihn zur Bereitung von
Liebetränken. Auch im Mittelalter galt er als beliebtes Mittel, die
männliche Kraft zu erhöhen (Wolfr. v. Esch. Parzival XIII. 643).
Und Matthiolis Kräuterbuch (deutsch 1563) schreibt 478 В vom
Hirschschwamm: „Er hat (sonderlich der wie ein Gemachte formiert
ist) eine Kraft, damit er die unkeuschen Glieder und Venushandel
stärkt, so man des Pulvers ein halb Lot, ein Quentel langen Pfef-
fers dazu gemischt trinkt. Dieser Trank mehret auch den Frauen
die Milch. Von unten auf mit Schwamm geräuchert, stillet die
Mutter in ihrem Aufsteigen. Die Circeischen Weiber treiben auch
einen Handel damit, gebens in Liebenstränken." Noch heute steht
der Pilz bei Jägern in besonderem Ansehen, sie nennen ihn Hirsch-
brunst, weil sie sich einbilden, daß er aus dem entfallenen Samen
des Hirsches erzeugt wurde (Nemnich, Polyglottenlexikon). Und
ebenso sollen die Hirten den Pilz bisweilen an Tiere, deren Brunst
sie befördern wollen,- verfüttern. Allein in den Versuchen von

Krauss, Anthropophyteîa. IV. , 2


18 Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

Krombholz reagierten weder verschiedene große Tiere (Affen, Stiere,
Böcke, Hengste, Hunde), noch auch Menschen im gedachten Sinne
(cf. Zopf, die Pilze). Freilich heißt es im „Neuen Schauplatz der
Natur" (Leipzig 1777) Band V, daß der Pilz sexue 11 erregend nur
wirkt, wenn er ganz ausgewachsen ist und stinkt, und man hat als-
dann beobachtet, daß sein Reiz zu anhaltend ist, die Kühe danach
leicht verwerfen, und der Körper abgezehrt wird. Böse Weiber
benutzen ihn aber, wenn er noch jung ist (daher „Hexenei") zur
Bereitung von Liebestränken,

Den Vergleich mit dem Penis eines Bullen bewirkte die Bums-
keule (Typha latifolia und angustifolia). Durch den Blüten-
stengel, der oben durch seine braunen samtartigen Blütenteile kolbig
verdickt wird, entstanden Namen wieBullenpäsel (Mecklenburg,Bremen,
Hannover), Bullenpäßke, Bullenpansch (Hannover), Bullenpesel (Schweiz)
und Pummpesel, Wullenpeseke (Mecklenburg). Matthioli nennt sie
neben Seekolben auch Narrenkolben (= Narrenpenis) und Pappenstil
(wohl = Pfaffenstil, weniger aus pappen = fliegende Wolle ent-
standen). Beide Namen weisen deutlich auf den Penis, wie denn
auch die Holländer das Rohr Pappenkul (Pfaffenkeule) nennen. An-
dere erotische Vergleiche drücken die Namen Dittelkolben (Elsaß),
Duttenkolben (Schweiz), Deutelkolben (Schlesien), Pummeldutschen
(Meklenburg), Tuttelkolbe (Hessen) aus. Der Penis bezw. seine
Eichel wird hier mit der Brustspitze (Dutte, Titte, Tittelein) ver-
glichen. Althochdeutsch heißt das Schilf daher Tutilcholbo.

Der Blütenzapfen bezw. der blattlose Fruchtstempel mit hoch-
roten Beeren besetzt von Arum maculatum, Aron, reizten schon
früh sie mit dem Pint (Penis) zu vergleichen. Verschiedene Volks-
benennungen der Pflanze nehmen darauf Bezug, so heißt sie Pappen-
pint, Pappenpitten (Göttingen, Grafschaft Mark), Papenwörtel (Göt-
tingen), Pfaffenpint, Pfaffenzagel, Pfaffenpint, Pfaffenzink, Priester-
pinsel. Schon Fuchs (1542 Basel) und Bock (Straßburg 1530) führen
den Namen Pfaffenpint auf. Im Berner Gebiet heißt die Pflanze
„Rute". Die Engländer nennen sie mit derselben Anspielung cuckow
pint (Kukuks Pint), cuckow pintle, priest pintle (Priesterpintchen);
pintle (auch zu pint verkürzt) ist der Zapfen, auch das männliche
Glied. Bei den Franzosen heißt der Aron vit de prêtre, vit de chien.
Dieselbe Anschauung liegt auch der holländischen Bezeichnung papen-
kullekens und der dänischen munke-svands (Mönchsschwanz) zugrunde.
Es ist ein Witz des Volkes, die burleske Penisform speziell den
Pfaffen, den ehelosen, zu dedizieren. Übrigens hat auch eine, dem


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke. ig

Aron verwandte erotische Pflanze Orontium aquaticum (Schwimm-
aro n), auch Arum fluitans genannt, wegen seiner Blüte den Beinamen
„Pint". Sie ist in Kanada, Virginien zu Hause. — Daß der Aron
erotische Beziehungen hat, zeigt auch der Name „Kilte", „Kiltblume"
(Waldbrühl) an. Kilte ist die Abendkühle (Abend = nordisch kvöld).
Das Wort wird im Schweizerischen von der Zusammenkunft der Lieben-
den in der Abendkühle gebraucht, wobei der Liebende der Geliebten
die Kiltblume überreicht. Solche Kiltblumen sind außer Arum noch
Colchicum autumnale („Nakte Hure") und Lychnis vespertina und
Lychnis hesperis.

Denselben Namen Papenpint, Papenpitt fuhrt das Equisetum
arvense, der kleine Schafthalm, wegen des Fruchtstempels.
Andere Namen sind Katzenschwanz, Katzenwedel, Katzenzagel auch
Fegkraut, da die Pflanze als harntreibendes Mittel bei Bauchflüssen
verwendet wurde. Den Namen „Katzenschwanz" kann man auf den
„unfruchtbaren" Stengel der Pflanze deuten, „Katzenzagel" als Katzen-
penis jedoch auf den „fruchtbaren" Stengel, der in der Tat die Ge-
stalt des Gliedes eines Katers hat.

Mit einem Hundspenis wurde Cynomorium coccineum, die
Hundsrute, verglichen. Es ist das eine sonderbare Pflanze, die das
Aussehen eines Schwammes hat, aber kein Schwamm ist. Sie ist
ein Schmarotzer an den Wurzeln der Bäume, treibt keine Blätter
und ist ganz mit Schuppen besetzt. Wenn diese Schuppen abfallen,
bemerkt man einen dicken rauhen Stengel, der einen konischen
purpurnen Kopf trägt. Dieser Kopf ist mit Warzen versehen und
mit Blumen gehäuft. Der Stengel ist etwa drei Zoll lang, der Kopf
desgleichen. Somit gleicht das Ganze auffällig dem Penis eines
Hundes (cf. Nemnich).

Toxites nennt auch die Schwalbenwurz, Vincetoxicum of-
ficinale, „Pfaffenrute", wohl wegen der merkwürdig gestalteten
Samenkapseln, die kleinen länglichen Radieschen in der Form gleichen
und eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Penis, zugespitzt durch
eine lange Vorhaut, haben könnten.

Taraxacum officinale, die Kuhblume, wird besonders in

Schlesien und in der Lausitz „Pampelblume" genannt. Pampel ist

aber in der Kindersprache der kleine Penis mit der Harnröhre. Die

Pflanze hat auch sonst viele Bezeichnungen aus der Kindersprache

und aus dem Kinderspiel. Ihr hohler Stengel mit dem weißen Saft

und der Platte gleich einer glans penis wird also mit einem penis

verglichen; sieht man die Platte — der man die weißhaarigen Früchte

2*


2o Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

abgeblasen hat — als Mönchs- oder Pfaffenhaupt an, so erklären
sich die Namen Pfaffenröhrle, Pfaffenstil.

Auch Leontodon proteiformis, die Gamswurz, und Evo-
nymus europaeus, der gemeine Spindelbaum, heißen Pfaffen-
röhrle, zugleich wurden diese Pflanzen neben taraxacum officinale als
Diuretika, harntreibende Mittel gebraucht.

Der verlängerte und zylindrisch runde Blüten- und Fruchtboden
des Myosurus minimus hat den Namen Mäuseschwanz, Mäuse-
schwänzlein (Elsaß, Schweiz, Ostpreußen), aber auch die Benennung
„Herrenzipfel" (Schlesien) d. i. ein kleiner penis, wie ihn die Herren
haben.

An einen Penis = Zipfel erinnert auch die geschlossene Samen-
kapsel der wilden Balsamine, Impatiens noli me tangere, die
daher „Kapuzinerzipfel" genannt wird.

Der Kölbel ist ursprünglich die Eichel des Penis, wird aber
schon im 15. Jahrhundert als Bezeichnung des gesamten Penis ge-
braucht, der sich am Ende verdickt mit einem Kolben, der Glans.
So hieß ja schon Typha latifolia Deutelkölblein (Tittenkölbel), so
hieß auch Sanguisorba officinalis, Wiesenkölblein, Wiesen-
knopf, in der Eifel wird es geradezu Rotkopf im erotischen Sinne
genannt, wegen seines Aussehens sollte es bei kolbigen syphilitischen
Anschwellungen des Penis helfen, während der Essigbaum (Rhus
typhina) mit seinen braunroten wolligen Blütenkolben und der Färber-
baum (Rhus coriaria) an die jungen behaarten Geweihe des Hirsches
erinnerten und daher den Namen „Hirschkolbenbaum" fuhren.

Nicht wegen des Aussehens, sondern wegen der medizinischen
Anwendung nannte man den Mauerpfeffer, Sedum acre, das
Zumpenkraut (Zumpt = Penis) oder (verderbt) Zunzenkraut. Die
Pflanze soll den Harn abtreiben, aber Dysurie verursachen kön-
nen. Ursprünglich scheint dieser Name dem interessanteren Se-
dum Telephium zuzukommen. Den lat. Namen führt es von
Telephus, dem König von Mysien, der dieser Pflanze sich zuerst
bedient haben soll, um Geschwüre zu stillen. Schon Bock (1530)
teilt den Namen Zunzenkraut nur diesem Sedum zu. Aus seiner
Anwendung gegen weiblichen Leiden heißt es Fotzwein, Fotzzwang,
so auch Matthioli (1554). Fotzzwang ist der krampfhafte Verschluß
der Vulva oder Vagina, Vaginismus, tenesmus vaginae. Man zerstieß
das Sedum, legte es auf die Vulva und heilte ihre Gebrechen; so
stillte es besonders auch ihren Blutfluß. Das mit Sedum gekochte
Wasser sollte, wenn man es trank, dieselben Wirkungen verursachen.


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke

21

— Das Sedum album und Sedum reflexum werden Trippmadam,
Drippmadam (frzs. Trippe-madame, Trique-madame) genannt. „Ma-
dam" heißt scherzhaft die Vulva, wie auch der Engländer die Vulva
brown madam nennt, Madame Braun, wegen der braunen Hautfarbe
des Möns Veneris (cf. unser deutsches „die Bräune" = Vulva).
Trippmadam bezeichnet aber die Vulva, die trippt, nämlich durch
den Weißfluß. Und als ein Mittel gegen den harmloseren Weiß-
fluß der Frauen, wie gegen die Gonorrhoe wurde Sedum album wie
reflexum benutzt.

Noch zahlreicher als die Anspielungen auf den Penis sind die
auf die Hoden. Die Vergleiche, die das Volk damit anstellt, ge-
schehen teils wegen der Hoden- und Eierartigen Wurzeln, teils wegen
der Früchte und des Samens gewisser Pflanzen.

An allererster Stelle verdient hier die Orche, das Stendel-
wurz, Orchis, erwähnt zu werden. Der Name ist uralt, ursprüng-
lich wurde er im Althochdeutschen (standelwort, mhd. stendel) nur
fur das Satyrium, so für Aceras hircina, gebraucht, aber das mhd.
stendel wird bereits für die Orche gesetzt. Auf derselben Grund-
lage wie die Bezeichnung „Stendelwurz" finden sich Namen wie
Geilwurz, Ragwurz, Hosenwurz, da nämlich der Genuß der Pflanze
den Penis zum Stehen bringt. — Die zahlreiche Familie der Or-
chidaceen umfaßt an 10,000 einheimische und exotische Arten; sie
ist die zweitgrößte des Pflanzenreichs. Max Schulze (Jena 1891, die
Orchidaceen Deutschlands) zählt 22 einheimische Arten mit mancher-
lei Unterarten auf. In den Volksbenennungen wie in den Büchern
älterer Botaniker sind wegen solcher Fülle mancherlei Verwechs-
lungen entstanden. Das Volk teilte die zahlreichen Glieder der
Familie meist in solche, die knollen-, oder hodenfbrmige Wurzeln
und in solche, die handförmige Wurzeln hatten, ein. Besonders
kommen für die Volksbenennungen und für den Volksaberglauben
die engere Art der Orchis (mit hoden- oder bandförmiger Wurzel)
und die Gymnandenia (mit bandförmiger Wurzel) und die Ophrys
(mit rundlicher Wurzel) in Betracht. Von der engeren Orchisart
sind besonders Orchis militaris, bifolia, morio, mascula mit hoden-
förmigen Knollen zu erwähnen, dagegen Orchis maculata, latifolia,
incarnata mit bandförmiger Wurzel. — Schon im Altertum wurde
die Wurzel zum Liebeszauber und zur Stärkung der Zeugungskraft
verwendet als ein Aphrodisiacum; sie hieß daher Satyrion, Kvvoc
OQXiÇ,
testicuius; im Mittelalter auch Priapismus, Priapiscus, Spergula
neben Satyrion; andere lat. Namen sind testiculus vulpinus, test.


22

Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke

leporinus, test, sacerdotis. Die alten Griechen nannten die Orche
âvaxafiif'sçœç, da sie verlorene Liebe wieder zurückbringen sollte
(Linné deutete den Namen auf eine Sedumart), Plut. fac. lun. 25
p. 80. Die Zauberkraft sollte so stark sein, daß die Berührung
allein genügt, eine halberloschene Flamme anzufachen. In den
üppigen zügellosen Festen des ägyptischen Serapis (zu Canopis)
wurden Blumen und Knollen der Orchis свеаліс d. h. muscîfera ver-
wendet. Nicht nur die Knollen, auch die Blüten erinnerten an Frucht-
barkeit, insofern sie fruchtbare und zeugungstüchtige Insekten wie
Fliegen, Bienen, Spinnen darstellten. — Im germanischen Altertum
war die gefleckte Orchis mit bandförmiger Wurzel (Orchis maculata)
der Göttin der Liebe, Freya oder Frigga, geweiht. Sie reichte sie
auf ihren Umzügen den Jünglingen und Mädchen dar, daher wurde
die Pflanze Friggagras benannt. Auch die Riesin Brana gab eine
Orchis (das Brönnagras) ihrem Geliebten Halfdan, daß er ihr immer
kräftig und treu wäre. Aus der duftigen Gymnandenia (mit band-
förmiger Wurzel) braute man Liebestränke. Die Pflanze hieß „Hand-
schuh des Niödhr". Man erkannte in ihr die schaffende Hand der
Natur, die weißen, noch frischen Händlein nannte man später „Christus-
oder Marienhand", die schwarzen, vorjährigen aber Teufelshand,
Totenfinger. — Der Gebrauch der Orchiswurzeln war von altersher
derselbe : man kochte sie und machte sie in Honig (Zucker) ein
und aß sie als Aphrodisiacum; oder man kochte sie auch in frischer
Ziegenmilch. Man unterschied bei den hodenförmigen Orchisarten
die frischen diesjährigen Knollen, die größer, härter, strotzender,
weißer waren, von den vorjährigen kleineren, dunkleren. Man glaubte
zwei verschiedene Kräfte in den beiden Knollenarten zu erkennen,
in der größeren die liebeerregende, in der kleineren, welkeren aber
die entgegengesetzte Wirkung. So unterscheidet schon Theophrast
h. pl. 9. 18: die größere Knolle soll kräftig machen, die kleinere
die Kraft vermindern. Ebenso sagt Bock (1530): „die runden, süßen
Wurzeln aller Satyrien mögen die schwachen Männer in die Speise
gebrauchen und sich Latwergen daraus machen lassen, dagegen
sind die Wurzeln aller Stendelwurzel, so beginnen welk zu werden
und abzunehmen, nicht nützlich, denn sie hinterschlagen und legen
zu Boden die ehelichen Werke, gehören für die, die Keuschheit
gelobt haben und ein klösterlich Leben fuhren". — Ja, man über-
trug die Zauberwirkung der Orche auch auf die Tiere. Will eine Kuh
nicht bullen, so geben ihr die Litthauer noch heute die Orchis in-
carnata (Gegùze râibe) zu fressen und zwar eine männliche Pflanze


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

23

dieser Art. Die Gegùze râibe hat entweder Wurzeln mit zwei Beinen
(weibl. Pflanzen) oder Wurzeln mit zwei Beinen und einem Penis
(männliche Pflanzen). Die Litthauer unterscheiden also noch heute
zwischen männlichen und weiblichen Pflanzen dieser Spezies Orchis
incarnata darum, weil sie die charakteristischen Geschlechtsunter-
schiede, wie sie der Mensch hat, auch bei den harmlosen Naturwesen
wiederfinden wollen. Ahnlich glaubt das Volk im Zillertal, Ge-
schlechtsunterschiede in der Orchidee Gymnandenia zu finden, in-
dem man die hodenförmigen Knollen für Männchen und die mit
flachgedrückten Bulben fur die Weibchen der Höswurz ansieht. Die
Mädchen suchen daher die ersten und die Burschen die zweiten,
um sich gegenseitig entflammt zu machen. — Der Glaube ist sehr
alt im Volke, schon Bock und seine Vorgänger unterscheiden zwischen
Stendelwurzmännlein und Stendelwurzweiblein, teils wegen der ver-
schiedenen Größe von Blüten und Blättern (die Größeren sind die
Männlein), teils auch wegen der Gestalt der Wurzel. „Das IV. Ge-
schlecht Satyrion ist ein ziemlich großes Gewächs, die Blüten teils
braun, teils leibfarbig mit kleinen braunen Tupfein. Die Wurzeln
sind wie zwei lange Vogeleier oder wie die Geilen (Hoden) eines
alten Hahnes. Von diesen Satyrion findet man etliche, die haben
Handlinwurz, die halten wir für ein Weiblein, denn die Wurzel läßt
sich mit einem weiblichen Glied vergleichen". — Ich stelle zum
Schluß die verschiedenen erotischen Namen fur die gebräuchlichsten
Spezies der Orchisfamilie zusammen:

Orchis bifolia: Knabenkraut (allgemein), Ragwurz, Stendel-
wurz, Geilwurz, Erdgeile, Fuchshödlein (Elsaß), Bockshödlein und
Bocksgeil (Schlesien), Hasenhode (Elsaß 1533), Heiratswurzel (Schlesien),
Höswurz (Zillertal), Höswuchs, Venusblume (Leipzig).

Orchis mascula: Knabenkrautmännle, Männl. Harlekin, Kna-
benhoden, männl. Ragwurz, Stendelwurz, Geilwurz.

Orchis morio: Knabenkrautweiblein, Morioweiblein, Stendel-
wurz, Heiratskraut, Stehauf (Siebenbürgen), Ragwurz.

Orchis morio hieß auch Serapia; Serapias oder Sirumpis war
ein Spiel Fickeler, cum quo puellae soient ludere subtractis pedibus.
Die Pflanze wurde also als solch Fickeler aufgefaßt. — Über die
Namen der anderen Orchisarten: Aceras, Ophrys und Spiranthes sei
dieses bemerkt: Aceras hircina oder Himantoglossum hircinum ist
von altersher ein berühmtes Liebesmittel. Sie ist im ahd. die eigent-
liche Stendelwurz. Andere erotische Namen sind: Bocksgeil, Bocks-
orche (Elsaß), Geilwurz, Riemenstendel, stinkender Stendel, Drei-


24

Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

zackstendel. — Die Ophrysart tauscht mit der Orchisart die Be-
nennungen : Knabenkraut, Ragwurz, Stendelwurz, außerdem heißt sie
(Ophrys muscifera) Sammetweiblein (Württemberg), Jungferli (Schweiz),
da an ihrer Blüte die Gestalt eines herabhängenden Mädchens ist.
In diese merkwürdige Ophrysart gehört auch die Ophrys anthropo-
fera (Menschenophrys), jetzt Aceras anthropofera genannt, deren
Blumen die Gestalt eines nackten Menschen haben. Im Englischen
heißt sie the man ophrys, im Französischen Homme nue, Pantine.
Sie ist wohl auch die, welche wegen des großen hodenförmigen
Wurzelknollens von den Griechen öaxvQtov, wegen des geilen Ge-
schlechts der Satyrn genannt wurde.

Geilwurz und Ragwurz heißen auch andere Pflanzen. Die An-
gelica officinalis, die Angelika-, Engel- oder Geistwurzel
wurde Geilwurzel genannt, so im Schleswigschen. Es ist das
wohl aber eine Entstellung aus heilige Geistwurzel, welchen Namen
die Pflanze von altersher trug (cf. Matthioli p. 510) wegen ihrer
vorzüglichen Heilkraft gegen die Pest (wie Angelica silvestris: beide
Pflanzen werden verwechelt und gleich benannt). — „Ragwurz"
hieß auch die Bryonia alba, Gichtrübe, aus deren Wurzeln die
Charlatane Alraune zu schnitzen pflegten. Der erotische Charakter
dieses Namens wird durch andere Benennungen genugsam doku-
mentiert: Fiselwurz, Faselwurz. Fisel, Fasel ist der Penis, schon im
mhd. viselîn der Penis.

Die bekannte Frühlingsblume Ranunculus ficaria, das Schar-
bockskraut, trägt wegen seiner knolligen Wurzel die Namen Pfaf-
fenhödlein, Rammenhödlein. Das letzte Wort hängt mit Ram = Bock
zusammen (rammeln = bocken). Auch Biberhödchen und Kannen-
hödchen (für Rammenhödchen) sind Namen dieser Pflanze. Alle
diese Bezeichnungen sind alt. Bock fuhrt sie bereits auf Das Volk
wollte vielleicht spotten, daß diese kleinen Hödchen gerade groß
genug für die Pfaffen sein sollten, wie es denn die Pfaffen mit den
Geschlechtsteilen (Pint, Hoden), besonders wenn es eine burleske
Ähnlichkeit dieser mit Früchten und Wurzeln sieht, zusammenbringt.

So heißt der gemeine Spindelbaum, Evonymus europaeus,
Pfaffenhödchen (verderbt Pfaffenhütchen, PfaffenpfÖtchen) und Pfaffen-
hödel schon seit alter Zeit (cf. Schrick, Materi von ausgeprannten
Wassern, Augsburg 1477), auch Ruppius Flora Jenensis 1718. Eben-
falls um 1500 tauchen Namen wie Hahnenhödlein bei Bock (Elsaß)
und Hahnenhödel, Hahnenhoden in Thüringen auf, auch Katzen-
klötchen (Klöten = Hoden). Der Vergleich mit den Hoden kam


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

25

durch die Kapsel, in deren 4 Fächern je zwei Samenkerne wie Hoden
verschlossen liegen; jeder Kern ist mit einem breiartigen Mantel
eingehüllt.

Übrigens befindet sich die Bezeichnung Klöte, Kloden für Hoden
in mancherlei Pflanzennamen, nicht blos bei Evonymus euro-
paeus, der außer Katzenklötchen, auch Hahnenklötchen, Hahnen-
klößchen (cf. Nemnich) heißt. Die Centaurea scabiosa, die
Flockenskabiose nennen die Meklenburger wegen ihrer Knopf-
blüten „Papenklöten", auch „Ochsenklöten". —

Die Ackerklapper, Alectorolophus crista galli heißt
wegen ihres Samens ebenfalls im Meklenburgischen: Klöterjacob,
sonst im Niederdeutschen Klöterjochen, Klöterpott. — Der wilde
Haselbusch, Corylus avellana, führt in der Umgebung von
Hamburg den Namen Klöterbusch, in Bremen: Kläterbusk, also
wegen seiner Früchte, die paarweise wie die Hoden nnd auch ähn-
lich wie diese in ihrer ovalen Form nebeneinander stehen. Nicht
blos die Früchte, sondern schon die Fruchtknoten der Haselnuß,
die an der Gerte sitzen, werden von den Engländern mit den Hoden,
die an dem Penis sitzen, verglichen: nut of a mans yard. — Hahnen-
klöten nennen die Landleute an einzelnen Orten eine gewisse Sorte
übelschmeckender hodenförmiger Kartoffeln. — Hahnenklote heißt
auch der Safransapfel.

Auch die Früchte mancher Pflaumensorten (Prunus domestica
var.) werden mit den Hoden (auch mit Zitzen) verglichen, so kannte
man im 16. Jahrhundert Bockshoden, Geißhoden und Hengstpflaumen.
— Der blaue Trollinger Wein (Vitis vinifera) hieß im Elsaß Bocks-
hoden, im Breisgau Mohrendutten, den Malvasier nannte man wegen
der Größe seiner Beeren: Hammelshoden. Eine Mandelsorte (Pru-
nus amygdalus) nannte man Hahnenhoden. Schon die alten Phryger
sahen in den Mandeln Abbilder der Hoden und Symbole der Zeu-
gungskraft; mancherlei Sagen weisen darauf hin. — Cornus mas-
cula, die Cornelkirsche, hieß wegen ihrer Früchte auch Hahnenhoden
(Nemnich), Sogar die unschuldige rote Preißelbeere, Vaccinium vitis
idaea, hatte man zweideutig Peselbeere (Pesel = Penis) genannt,
als ob ihre Beeren gleich Hoden am Penis wären. Die Bocksbeere,
Rubus saxatilis, eine Art Brombeere, heißt in Graubünden Hunds-
hödlein. Eine Erbsenart (Pisum sativum var.) benannte man Hodel-
erbse.

Das Bengel- oder Bingelkraut, Mercurialis perennis,
wird wegen seines Samens „Hödling" genannt. Bock sagt, daß je


2б Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

zwei und zwei runde Körnlein wie zwei Hödlein nebeneinander in
kleine Häutlein verschlossen liegen und der Samen aufspränge wie
beim Rettich. „Etliche fabulieren, wenn man das weibliche Bengel-
kraut zerstoße und den Weibern nach ihrer Reinigung in die Macht
(Vagina) lege, sollten sie Maidlein gewinnen und hinwiederum das
männliche Bingelkraut dahin gelegt, sollten sie Knäblein gebären,
doch daß sie auch stets über diese Kräuter trinken". Es ist dies
schon ein Aberglaube bei den Alten, da sie aber die weibliche
Pflanze irrig als mas und die männliche foemina nannten, war es
um so lächerlicher, daß der irrig so genannte mas zur Erzeugung
von Knaben und die foemina zur Erzeugung von Mädchen dienlich
wäre. Übrigens scheint der Name Hödling mehr im Elsaß gebräuch-
lich gewesen zu sein.

Der Name „Pimpernuß", Staphylea pinnata, wird übrigens
auch vom Volke, wenigstens in Thüringen, als eine Anspielung auf
die Hoden, die Nüsse beim Pimpern, Bimbern (= coire) angesehen.
Der Fruchtknoten hat drei verwachsene aufgeblasene Samenkapseln,
in deren jeder zwei runde, steinharte Samen liegen. Eher hängt
der Name wohl mit pimpern = rasseln wegen des harten Samens
zusammen.

Ebenfalls wegen der Gestalt des Samens heißt Coriandrum
testiculatum der „Hodenkoriander". Die Pflanze riecht wie
das Coriandrum majus arg nach Wanzen. Da sie aber nur in süd-
lichen Ländern wild auf den Feldern wächst, spielt sie in den Be-
nennungen unseres Volkes keine Rolle.

Dagegen wird die Hagerose, wilde Rose, Rosa canina wegen
ihrer eirunden rötlichen Früchte (Hagebutten) auch Hagehödchen,
genannt (verderbt in Hahnehödchen, Hanehödchen). Sie hat auch
sonst noch merkwürdige Namen: Arschkitzel, Arschkritzel, Arsch-
kratzel, offenbar wegen des medizinischen Gebrauchs und der Wirkung
ihrer Früchte.

Wegen ähnlicher roter ovaler hodenförmiger Früchte, heißt die
gewöhnliche Berberize, Berberis vulgaris, Hahnenhödel, im
Osterreichischen an der Enz aber auch Zitzerl (also mit Saugwarzen
verglichen).

Die alte Bezeichnung Schellen fur Hoden, die da schellenförmig
herabhingen, findet sich noch in einigen Pflanzennamen, so heißt
die Orchis Schellenbube (Hodenbube). Toxites nennt die Orchis
auch Kullekenkraut, die Kulleken (Kügelchen) sind die Hoden wegen
ihrer kugelhaften Gestalt; im Angelsächsischen heißt die Orche Ball-


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

27

chenwurzel, bealloc wurt, bealloc, bällche bedeutet die Hoden. Die
Wurzeln der Schwertlilie, Iris pseudacorus, erinnern ebenfalls
an Schellen, Hoden, und so wird die Pflanze in der Mark Schellen-
blume getauft. Sonst werden die Wurzeln auch mit Schlotten,
Zitzen versehen. Lilium martagon, die Türkenbundlilie, heißt
wegen ihrer Wurzeln Bernhardshödlein. Schon die Alten sahen in
den Lilienwurzeln bald eine Hoden-, bald eine Penisähnlichkeit, so
nannten sie die Fritillaria pyrenaica, eine Art Schachblume,
wegen der Gestalt ihrer penisartigen Knollen лсіаліоход = den
kleinen Penis. Diese wurden als Liebesmittel benutzt, da sie die
Begierde heftig erregen sollten.

Wegen der kugelrunden Samenkapseln wird bei Toxites der
Ackergauchheil, Anagallis arvensis, Maushödlein benannt.
Man vermutete in diesem Kraut eine Kraft gegen Melancholie, da-
her die Namen: Gauchheil, Narrenheil, Geckenheil, Jochheil, Ver-
nunft- und Verstandkraut.

Die mit diesem verwechselte Vogelmiere, Stellaria media,
nennt man in Schlesien Zieselkraut, Zirselkraut. Der Zirsel ist das
männliche Glied ahd. zërs, ags.: tëors, mhd.: zisel. Graßmann (deutsche
Pflanzennamen) weist auf das altindische drsat, drs = Penis hin.
So hieß ursprünglich im Altindischen der untere der beiden Mühl-
steine, zwischen denen die Gerste gemahlen wurde. Dieser hatte
wahrscheinlich in der Mitte eine Erhöhung, die genau in die ent-
sprechende Vertiefung des oberen Steines (Cipalà) paßte. Ein Ver-
gleich mit dem Coitus lag den sinnlichen Indern hier sehr nahe.
Das Wort kommt also ursprünglich von dar = Durchbohren, drçat
= der Durchbohrende. Dann bedeutet es auch wie unser Horn
einen hervorragenden Fels. Die Pflanze hat eine hornartige Spitze
der Kapsel, daher heißt sie auch ,,Hornkraut". Horn und Penis
werden oft mit einander verglichen.

Die große blütengelbe Blume der Trollblume, Trollius euro-
paeus, die da aus zwölf bis vierzehn Blättern besteht, die kugel-
und eiförmig zugeschlossen sind, haben ihren Namen Pfingsthödchen
(sie blüht zu Pfingsten) vereinzelt bewirkt.

*

Die Formen der weiblichen Geschlechtsteile erkannte das Volk,
wie wir sahen, in einigen Pflanzen der Orchis- wie der Gymnan-
deniaarten. Die zwei fleischigen Wurzeln stellte man sich als


28

Erotische Pflanzenbenennimgen im deutschen Volke

weiße breite Frauen- oder Mädchenschenkel vor, war aber ein kleiner
wurzelhafter Auswuchs vorn an ihnen (= Penis), so wurde die Pflanze
als Männlein gekennzeichnet. Andere Berichte lassen die Volks-
vorstellung so erscheinen, daß die knollenbaften Orchideen als männ-
lich, die platten, bandförmigen als weibliche gelten und man verglich
diese direkt mit der Vulva.

Auch der Atropa mandragora, der berühmten Alraun-
wurzel, schrieb das Volk männliche und weibliche Gestalt zu. Ur-
alter sexueller und üppig wuchernder Volksglaube knüpft sich an
diese Pflanze. Die Griechen sahen in ihr eine Zauberwurzel,
die schon Circe benutzt hatte (= Circala), um die Menschen
in Schweine zu verwandeln. Pythagoras, Dioscorides und Plinius
vermehrten ihren Ruf. Man glaubte auch, daß die Wurzel Dudaim,
aus welcher Laban Hausgötzen schnitzte, jene Mandragora gewesen
sei. Auch die Jungfrau von Orleans soll solchen Hausgötzen be-
sessen haben. Meist stellte man sich die Wurzel männlich vor (der
Alraun, Alräunchen, Alraunmännchen, Galgenmännchen, Glücks-,
Geldmännchen, Erdmännchen, Wichtelmännchen, Heil-, Heinzelmänn-
chen; Holl.: Pisdifje = Harndiebchen). Man betrachtete sie als heil-
bringende Hausgottheit, sie wurde sorglich gepflegt, sollte der ver-
schwiegenen Besitzerin Glück bringen, den Frauen Kinder und glück-
liche Geburt verschaffen. Quacksalber und Landstreicher stutzten
aber Alraunwurzeln aus der Bryonia zusammen, wie Matthioli er-
götzlich beschreibt, und verkauften sie leichtgläubigen, unfruchtbaren
Frauen um vieles Geld. Die Wurzel wurde im Trünke eingenommen,
um schwanger zu werden, und zwar bewirkte ihre männliche Gestalt
einen Knaben, ihre weibliche ein Mädchen, daher heißt sie auch
„Kindleinkraut". Aber auch zu Liebetränken wurde sie frühzeitig
verwendet: Aphrodite heißt Mandragoritis. Die vielen anderen
Sagen und Märchen über diese Pflanze zu erzählen, liegt außerhalb
dieser Abhandlung, die nur den sexuellen, erotischen Untergrund
betonen sollte. — Man unterscheidet in der Tat zwei Alraunwurzeln:
Mandragora vernalis und Mandragora autumnalis. Die erste sieht
der männlichen Gestalt, die zweite der weiblichen ähnlich. Matthioli
sagt darüber: „Es ist ein Kraut, dessen Wurzel den Menschen unter-
halb des Nabels gleich siehet und sonderlich an den Beinen." Bei
den männlichen sind die oft armdicken Wurzeln in der Mitte in
zwei Schenkel geteilt, ein wurzelförmiger kleinerer Ansatz stellt den
Penis dar, das weibliche dagegen hat zwei oder drei in einander
verschlungene Wurzeln ohne Penisansafz.


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke

29

Pfanzen, die in der Form ihrer Blüte oder Frucht oder Wurzel
in der Volksbotanik mit dem weiblichen Geschlechtsteil verglichen
werden, sind selten. Ich erwähne die ausländische Clitoria, der
Jungfernkitzel", „die Kitzlerblume", „die Clitorisblume" (holländ.:
Kittelbloem, engl.: the clitoria, frz. la clitore, ital.: clitoria). Es ist
dies eine mit der Glycine verwandte Pflanzengattung, in Cochinchina
und Süd- und Ostasien einheimisch. Dort heißt sie Bokyma Kotell
= clitoris principissae. Die Blume soll durchaus das Bild der weib-
lichen Genitalien wiedergeben.

Hundsscham (verderbt: Hundsschwamm) nennt man einen
Baum in Ostindien, Cynometra cauliflora. Die Frucht läßt sich
mit dem Zeugungsglied einer Hündin vergleichen, daher der Name
xvvoç fflTrjç. Holländisch heißt sie teefjes. Klink.

Maidblume heißt eine exotische Pflanzengattung Parthenium
(holl. Maagdebloem). Ihre eine Art hat den Beinamen hysterophorus
nach der Gestalt ihres Samengehäuses.

Auch der alte Name des Zweizahn, Bidens tripartitus,
„Fotzenigel" mag auf äußere Gestaltung der Frucht zurückgeführt
werden können. Zweizahn heißt die Pflanze wegen des gleichgranigen
Achenen. Der Samen hat an beiden Seiten kleine Häkchen und
hängt sich an die Kleider des Vorbeigehenden an, daher der
Name „Igel" (Stacheler), der in Verbindung mit der Fotze an
rauhe stachliche Schamhaare erinnern möchte, wenn nicht viel-
mehr mit Fotz = Troddel, Zottel, ein Zusammenhang gesucht werden
müßte.

Sicher ist das bei der Anemona alpina, Alpenanemone,
der Fall, die wegen ihres haarigen Fruchtstandes „Fotzabaesa" oder
auch „Fotz" (St. Gallen in Ober-Toggenburg) heißt. Da aber im Schwei-
zerischen Fotz, Fötzli, Troddel, Queste, Zotte bedeutet, wird man
den Namen in Zottelbesen umdeuten müssen. Die Vulva heißt Futz,
Fützli.

Fotzenmaul, Fotzenmäuler heißt die Knautie, Knautia arven-
sis, im Österreichischen. Den Grund kenne ich nicht. In Schlesien
hat die Pflanze den Namen „Nonnenkleppel".

Carrichter erwähnt in seinem Kräuterbuch (Straßburg 157О den
Namen „Unserer Frau Fötzel" für Viola tricolor, das Stiefmüt-
terchen, während die Blume in Tirol „Frauenschücherl" benannt
wird.


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Reiche.

Über „Fotzwein" und „Fotzzwang" ist schon oben unter Se du m
Telephium abgehandelt worden.

Faule Futen, Fuli Fudes, Fude (Unterelsaß) ist ein volkstüm-
licher Name für die Herbstzeitlose, Colchicum autumnale. Die
Benennung ist ein Schimpfwort wie Hundsfott (Hundsfotze); hier
humoristisch auf eine Pflanze angewendet. Faule Fotzen sind Faule
Dirnen, faule Mädchen, indem das Volk wie so oft die Pars (den
charakteristischen Teil) pro toto verwendet. In Reutlingen wird die
Pflanze Mockel (= Vulva) genannt. Mockel, Meuchel bedeutet das
Verborgene (pudenda). Die merkwürdige Pflanze, die da im Herbste
die Blüten ohne Blätter treibt, im Frühjahr die Blätter bekommt
und den Samen reift, erregte frühzeitig Phantasie und Witz des
Volkes. Man sah in ihr eine Docke (Puppe, Jungfer) wie in gewissen
anderen Pflanzen, und da sie gewissermaßen nackt, ohne Blätter
emporsproß, benannte man sie „nackende Jungfer" (Bremen), „nackte
Jungfer" (Franken, Böhmen), „Nackarsch" (Eifel bei Alenahr), und
wegen ihrer Faulheit, daß sie so spat erscheint: „Nackte Hure"
(Thüringen, Franken, Salzburg), „Faule Fotzen" (Elsaß). — Wegen
der Frucht die einer Kuhtütten nicht ungleich sei (Fuchs), heißt sie
auch, „Kuheuter", „Kuhdutte" (Elsaß), „Kühschlotten" (Henneberg);
auch mit den Hoden wird die Frucht verglichen: „Hundshoden",
„Hemdenbeutel". Die Pflanze wird auch als Kiltblume in der Schweiz
benutzt.

Das Wort Kutte bezeichnet das Gewand als auch das, was sich
unter ihm verbirgt (= Vulva); aber wohl in erster Beziehung ist
der Name „Nonnenkutte" bei Fumaria officinalis, Erdrauch, zu
verstehen, anders dagegen die Namen Fettkuttje und Fettkutt bei
Senecio viscosus, klebriges Kreuzkraut, und Senecio vul-
garis, Gemeines Kreuzkraut. Sexuelle Beziehungen deuten die
anderen Bezeichnungen Krötenkraut (Kröte — Gebärmutter), Ber-
wurz, Machtheil (die Macht = Vagina), Mägdehülle. In Oldenburg
und Bremen heißt Senecio vulgaris auch Fettlok. Die kleinen gelben
Blumenknöpfchen dieser Pflanze füllen sich bald mit haarichten
Samen an.

Kuttel und Küttel ist die Deminutivform von Kutte (= Vulva).
Man kann daher das Kuttelkraut, Artemisia abrotanum, getrost
als Vulvakraut deuten, wenn man die zahlreichen anderen erotischen
Bezeichnungen dieser Pflanze vergleicht; und braucht sie nicht als
Kuttel- oder Gedärmkraut zu erklären, weil man dieses Kraut als


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

Gewürz in das Füllnis der Würste und Gänse tut. Artemisia abro-
tanum, der Stabwurzbeifuß, ist eine der berühmtesten erotischen
Pflanzen der Deutschen. Sie wurde zu Johanni, zur Sonnenwend-
feier von den Frauen am Schambug getragen, um diesen fruchtbar
zu machen, daher der Name Beifuß oder Gürtelkraut, Gurtkraut.
Dasselbe bedeuten Bezeichnungen wie Schloßkraut, Schloßwurz (das
Schloß (schliessen) = Vulva), Kindelkraut (indem es fruchtbar macht),
ferner Gartheil, Gertwurz, Gartenheil (Gerte, Rute = Penis),

Andere Frauenschloßkräuter sind Eupatorium cannabinum,
hanfartiger Wasserdost, das Kunigundenkraut, Kunigunde ist
die Patronin der Gebärenden (cf. Kunigundengürtel), auch Manns-
kraft, Mannsliebe genannt; ferner Epilobium palustre, Sumpf-
weidenröschen. Auch Anthyllis vulneraria, der gemeine
Wundklee, wird in Graubünden Frauenschlößli genannt.

Dagegen beruht die Benennung „Schamwurz", Beiname des
Symphytum officinale, der Beinwurz, offenbar auf einem Miß-
verständnis. Die Pflanze hat ihren Namen von ovfi<pvœ = zusammen-
wachsen, da sie wegen ihres vielen Schleims zu Umschlägen bei
Knochenbrüchen vielfach angewendet ward. Man mißdeutete aber
ovftpvoiç als die Schamfuge, die Vereinigung der Schambeinknochen
und nannte die Pflanze „Schamwurz".

Eine andere Bezeichnung der Vulva ist die Pompei, Pampel,
Pumpel, offenbar ein Schallwort (die Vulva, die mit der Lebensrute
geschlagen wird?). Wir haben den Bezug auf die Pompei in der
Pompelblume, Taraxacum officinale, die wir schon als Pampelblume
(Pampel = Penis) kennen gelernt hatten. Sie heißt so wegen ihrer
harntreibenden Kraft, vergleiche die anderen Namen: Seichblume,
Seicherin (Schwaben), Pissenlit, holländ. pis in t' bed. — Aus rein
erotischem Sinne heißt der Steinfarren, Chrysanthemum tana-
cetum, in Schlesien „Pompelblume". Das Kraut wurde wie der
Beifuß am Schambug, in der Nähe der Pompei von den Frauen ge-
tragen; es galt als befruchtendes Liebes- und Zauberkraut. — Ob
die Pompe, die Spritzgurke, Momocordia elateria mit Pompe,
Pumpe (= Vulva) Beziehung hat, sei dahingestellt. Sie kann den
Namen wegen des feuchten Inhalt ihres Fruchtkörpers fuhren. Es
ist eine Pflanze in Südeuropa, die mit der Gurke einige Ähnlichkeit
hat. Wenn ihre reifen Früchte nur ein wenig berührt werden, so
werfen sie federschnell nebst den glänzend schwarzen Samenkörnern
einen stinkenden Saft von sich. Aus den Früchten wird ein stark
purgierendes Mittel gewonnen. •


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

Dagegen ist der Name fiir den stinkenden Gänsefuß, Che-
nopodium vulvaria, „Fotzenkraut", von altersher fast über ganz
Deutschland verbreitet und noch heutigen Tages in Gebrauch. Der
Geruch dieses Krautes, der auffallend ähnlich dem der „Fotze" ist,
führte offenbar dazu. Schon bei Bock heißt es: „Die Mistmilte
wächst auf Hofstätten, da der Mist einige Zeit gelegen hat. Es
sollen die Jungfernknecht solch Kräutlein stets des Geruches halber
bei sich tragen. Es mag dieser stinkende Heinrich wohl das Thoricht
Blitum sein, davon Plautus schreibt im Truculento: Blitea meretrix,
eine stinkende Hur." — Im Departement Seine inférieure und bei
Rouen nennt man dieses Fotzenkraut auch coniô (nach con = cun-
nus), weil sein Geruch vollkommen mit dem der weiblichen Geni-
talien übereinstimme. In Italien nennt man es connina oder erba
connina, im Mailändischen erba merda (Kotkraut). Im Deutschen
sind die sexuellen Namen der Pflanzen sehr zahlreich: Bocksmelde
(Schlesien), Bockskraut, Buhl-, Fühl-, Wühl- und Wuhlkraut (entstellt
aus vulvaria), Fatzenkraut (Schlesien), stinkende Hure (allgemein in
Schlesien, Sachsen, Thüringen), Schamkraut (Sachsen), Mauzenkraut
(Schlesien, mauze = Vulva). — Über diese Namen will ich be-
merken, erstens, daß die Mehrzahl von ihnen direkt auf die Vulva
weisen, und daß man im Anschluß daran die Pflanze auch „stinkende
Hure" nannte, da man glaubte, daß die Huren wegen ihres Gewerbes
besonders sexuell nach der Vulva riechen; zweitens, daß man deut-
lich den Zusammenhang der Bocks- und Sexualvaginalgerüche im
Volke erkannte. Die Pflanze riecht sehr übel nach faulen Heringen
und hat einen eckelhaften, etwas salzigen Geschmack. Sie hat Am-
moniak und verflüchtigt sich als Ammoniakgas. — Man hat die
Pflanze auch in der Medizin verwendet: „Wegen des stinkigen Ge-
ruchs hat man den Gebrauch bei der Mutterbeschwerung empfohlen
und es läßt sich leicht vermuten, daß einigen Weibern dieser Ge-
stank angenehm und bei Nervenkrankheiten zuträglich sein möge.
Man empfiehlt besonders die daraus zubereiteten Klystiere; Tourne-
fort lobt die mit Branntwein davon verfertigten Essenzen in ähn-
lichen Krankheiten (cf. Neuer Schauplatz der Natur, Leipzig 1777,
Band V).

Zuletzt mögen ein paar Gliedkräuter erwähnt werden. Das Wort
„Glied" hat im Volksgebrauch stets einen medizinischen Beigeschmack,
wenn es von der Vulva oder dem Penis gebraucht wird, so wenn
der Phallus impudicus, „Gliedschwamm", benannt wird. Die
Wirkungen der Gliedkräuter sind entweder Stillung von Gebrechen


Erotische Pfanzenbenennungen im deutschen Volke.

33

an heimlichen Orten, Förderung resp. Stillung der Menstruation,
Heilung von weißen Flüssen oder Kräftigung und Reizung des Penis
und der Vulva.

Ein berühmtes Gliedkraut ist die Roßnessel oder der Andorn,
Stachys annua und recta. Bock berichtet von beiden, daß ihre
Blätter in Wein oder Wasser gesotten, die verstopfte Gebärmutter
öffnen, Nachgeburt austreiben, die Mutter reinigen, die Blume fordern.
Man nimmt auch dieses Kraut bei Gebärmutterschmerzen, und das
Pulver dieser Pflanze heilt die Feigwarzen. Andere Namen sind
Zieß, Schieß, Zeisgen, Zeischenkraut (Harz, Thüringen, Schlesien),
die allesamt mit Zeisig (dem Vogel) zusammenhängen.

Ein anderes Gliedkraut ist Sideritis hirsuta, das auch den
Namen Zeischenkraut führt, ebenso Sideritis scordides, der Berg*
zieß, Bergzeisgenkraut. Die Sideritispflanzen sind früher mit den
Stachysarten verwechselt worden. Stachys recta, sowie Sideritis
romana mögen wohl schon dem Herakles, dem großen Menschen-
wohltäter, zugeschrieben worden sein. Ihr medizinischer Gebrauch
ist sicherlich uralt.

Daß der Name der vier Pflanzen in der Tat auf das „Glied*1
zu deuten ist, zeigen auch andere Benennungen, die ihre medizinische
Natur offenbaren: Berufkraut, Beschreikraut, Wundkraut. — Es gibt
aber eine Anzahl „Gliedkräuter", die aus einem ganz äußerlichen
Grunde, wegen der vielen Stengelglieder „Glied-, Lied-, oder irrig
Liebkraut1' heißen. Die Arten Galium, Silène und selbst der Wald-
meister (Asperula oderata), wie wohl auch die Schafgarbe (Achillea
millefolium) sind dahin zu rechnen.

Die vielen „Mutterkräuter", auch Bär- und Krötenkräuter ge-
nannt, (Gebärmutterkräuter), ebenso Frauen-, Weiber-, Jungfern-,
Mägdekräuter), sind Benennungen rein medizinaler Natur, ohne jeden
erotisch sexuellen Beigeschmack. Sie fallen daher aus dem Rahmen
dieser Betrachtung heraus.

Alphabetische Übersicht.

Alraunmännchen (Mandragora vernalis).
Alraunweibchen (Mandragora autumna-

jora vernalis). Bocksgeil (Orchis bifolia).
ora autumna- Bocksgeil (Aceras hircina).

nalis).
Bällchenwurz (Orchis).
Beifuß (Artemisia abrotanum).
Bernhardshödlein (Lilium martagon).
Biberhödchen (Ranunculus ficaria).

Bockshoden (Prunus domestica var.j.
Bockshoden (Vitis vinifera, blauer Trol-
linger).

martagon). Bockshödlein (Orchis bifolia).

> ficaria). Bockskraut (Chenopodium vulvaria).

Krauss, Anthropophyteîa IV.


34

Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

Bocksmelde (Chenopodium vulvaria),
Bocksorche (Aceras hircina).
Braunmadam (Sedum album).
Brunstkugel (Phallus impudicus).
Buhlkraut (Chenopodium vulvaria).
Bullenpäßke (Typha latifolia).
Bullenpantsch (Typha latifolia).
Bullenpesel (Typha latifolia).
Ciitorisblume (Clitoria).
Deutelkolben (Typha latifolia).
Dittelkolben (Typha latifolia).
Dreizackstendel (Aceras hircina).
Drippmadam (Sedum album),
Drippmadam (Sedum reflexum).
Duttenkolben (Typha latifolia).
Eichelschwamm (Phallus impudicus).
Eichelschwamm (Phallus esculentus).
Erdgeile (Orchis bifolia).
Faselwurz (Bryonia alba).
Fatzenkraut (Chenopodium vulvaria).
Fettkutt (Senecio vulgaris).
Fettkutje (Senecio vulgaris).
Fettlock (Senecio vulgaris).
Fiselwurz (Bryonia alba).
Fotz (Anemone alpina).
Fotzabäsa (Anemone alpina).
Fotzen, faule (Colchicum autumnale).
Fotzenigel (Bidens tripartitus).
Fotzenkraut (Chenopodium vulvaria).
Fotzenmaul (Knautia arvensis).
Fotzenmäuler (Knautia arvensis).
Fotzwein (Sedum Telephium).
Fotzzwang (Sedum Telephium).
Frauenfötzel (Viola tricolor).
Frauenschlößli (Anthyllis vulneraria).
Fuchshödlein (Orchis bifolia, latifolia
etc.).

Fühlkraut (Chenopodium vulvaria).
Fude (Colchicum autumnale).
Fudes, fuli (Colchicum autumnale).
Futen, faule (Colchicum autumnale).
Gartwurz (Artemisia abrotanum).
Gartenheil (Artemisia abrotanum).
Geilwurz (Orchidaceae).
Geilwurz (Archangelica officinalis).
Geilhödlein (Aceras hircina).
Geißhoden (Prunus domestica var.).
Gertwurz (Artemisia abrotanum).

Gliedkraut (Stachys annua).
Gliedkraut (Stachys recta).
Gliedkraut (Sideritis hirsuta).
Gliedkraut (Sideritis scordides).
Gurtkraut (Artemisia abrotanum).
Gürtelkraut (Artemisia abrotanum).
Hagehödchen (Rosa canina).
Hahnebolten (Iris pseudacorus).
Hahnenhoden (Cornus mascula).
Hahnenhoden (Prunus amygdalus).
Hahnehödchen (Rosa canina).
Hahnenhödlein (Evonymus europaeus).
Hahnenhödel (Berberis vulgaris).
Hahnenklödchen (Evonymus europaeus).
Hahnenklödenblume (Colchicum autum-
nale).

Hahnenklößchen (Evonymus europaeus).
Hahnenklöster (Evonymus europaeus).
Hahnenklöte (Kartoffelsorte).
Hahnenklote (Saffranapfel).
Hammelshoden (Malvesierweinbeeren).
Haseneier (Evonymus europaeus).
Hasenhoden (Orchis bifolia).
Hasenkullen (Orchis mascula).
Harlekin, männlicher (Orchis mascula).
Heiratskraut (Orchis mono).
Heiratswurzel (Orchis bifolia).
Hemdenbeutel (Colchicum autumnale).
Hengsthodenpflaumen (Prunus domesti-
ca var.).

Herrenzipfel (Myosurus minimus).
Hexenei (Phallus impudicus).
Hirschbrunst über der Erde (Phallus

impudicus).
Hödling (Mercurialis perrennis).
Hodenkoriander (Coriandrum testicula-

tum).

Höswuchs (Orchidaceae).
Höswurz (Orchidaceae).
Hundsscham (Cynometra cauliflora),
Hundshoden (Colchicum autumnale).
Hundshödlein (Rubuß saxatilis).
Hundsrute (Cynomorium coccineum).
Hure, nackte (Colchicum autumnale).
Hure, stinkende (Chenopodium vulva-
ria).

Jüngferli (Orchis muscifera).

Jungfer, nackte (Colchicum autumnale).


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

35

Jungfernkitzel (Clitoria).
Kannenhödchen (Ranunculus ficaria).
Kapuzinerzipfel (Impatiens nolitangere).
Katzenklötchen (Evonymus europaeus).
Katzenschwanz (Equisetum arvense).
Katzenzagel (Equisetum arvense).
Kil te (Arum maculatum).
Kiltblume (Arum maculatum).
Kiltblume (Colchicum autumnale).
Kindelkraut (Artemisia abrotanum).
Kitzlerblume (Clitoria).
Kläterbusch (Coryllus avellana).
Klöterbusch (Coryllus avellana).
Klöterjacob (Alectorolophoros crista
galli).

Klöterjochen (Alectorolophoros).
Klöterpot (Alectorolophoros).
Knabenkraut (Orchidaceae),
Knabenkrautmännlein (Orchis mascula).
Knabenkrautweiblein (Orchis morio).
Knabenhoden (Orchis mascula).
Kölbel (Orchis odoratissima).
Krötenkraut (Senecio vulgaris).
Kullekenskraut (Artemisia abrotanum).
Kuttelkraut (Artemisia abrotanum).
Machtheil (Senecio vulgaris).
Maidblume (Parthenium hysterophoros).
Mannskraft (Eupatorium cannabinum).
Mannsliebe (Eupatorium cannabinum).
Maushödlein (Anagaliis arvensis).
Mauzenkraut (Chenopodium vulvaria).
Menschenophrys (Ophrys anthropofera).
Mockel (Colchicum autumnale).
Morioweiblein (Orchis morio).
Nackarsch (Colchicum autumnale).
Narrenhoden (Orchis).
Narrenkolben (Typha latifolia).
Nonnenkutte (Fumaria officinalis).
Ochsenklöten (Centaurea scabiosa).
Pampelblume (Taraxacum officinale).
Papenkule (Typha latifolia).
Papenklöten (Centaurea scabiosa).
Papenpint (Arum maculatum).
Papenpint (Equisetum arvense).
Papenpitten (Arum maculatum).
Papenpitten (Equisetum arvense).
Papenwörtel (Arum maculatum).
Pappenstil (Typha latifolia).

Peselbeeren (Vaccinium vitis idea).
Pfaffenhödchen (Evonymus europaeus).
Pfaffenhödlein (Ranunculus ficaria).
Pfaffenpint (Arum maculatum).
Pfaffenpint (Equisetum arvense).
Pfaffenröhrle (Taraxacum officinale),
Pfaffenröhrlein (Leontodon proteifor-
mis).

Pfaffenrute (Vincetoxicum officinale).
Pfaffenstil (Taraxacum officinale).
Pfaffenzągel (Arum maculatum).
Pfaffenzink (Arum maculatum).
Pfingsthödchen (Trollius europaeus).
Pfyffenpint (Arum maculatum).
Pimpernuß (Staphylea pinnata).
Pint (Arum maculatum).
Pint (Orontium aquaticum).
Pint (Equisetum arvense).
Pintchen (Phallus impudicus).
Pissenlit (Taraxacum officinale).
Pompe (Momocordia elateria).
Pompelblume (Taraxacum officinale).
Pompelblume (Chrysanthemum tanace-
tum),

Priesterpinsel (Arum maculatum).
Pummeldutschen (Typha latifolia),
Pumpesel (Typha latifolia).
Ragwurz (Orchidaceae).
Ragwurz (Bryonia alba).
Rammenhödlein (Ranunculus ficaria).
Riemenstendel (Aceras hircina).
Rute (Arum maculatum).
Rutenmorchel (Phallus impudicus).
Rutkopp (Sanguisorba officinalis).
Sammetweiblein (Ophrys muscifera).
Schamkraut (Chenopcdium vulvaria).
Schamloser Schwamm (Phallus impudi-
cus).

Schamwurz (Symphytum officinale).
Schellenbube (Orchis).
Schellenkraut (Iris pseudacrius).
Schloßkraut (Artemisia abrotanum).
Schloßkraut (Epilobium palustre).
Schloßkraut (Eupatorium cannabinum).
Schioßwurz (Artemisia abrotanum).
Schoßkraut (Artemisia abrotanum).
Schwanzmorchel (Phallus impudicus).
Seichblume (Taraxacum officinale).


Erotische Pflanzenbenennungen im deutschen Volke.

Seicherin (Taraxacum officinale).
Stabwurz (Orchis).

Stabwurzbeifuß (Artemisia abrotanum).
Staubarsch (Bidens tripartitus).
Stubarsch (Bidens tripartitus).
Steh auf (Orchis morio).
Stendel, stinkender (Aceras hircina).
Stendelwurz (Orchidaceae).
Stertmorchel (Phallus impudicus).
Teufelsei (Phallus impudicus).
Trippmadam (Sedum reflexum).

Trippmadam (Sedum album).
Tuttelkolben (Typha latifolia).
Venusblume (Orchis bifolia).
Wuhlkraut (Chenopodium vulvaria).
Wühlkraut (Chenopodium vulvaria).
Wullenpeseke (Typha latifolia),
Zieselkraut (Stellaria media).
Zirselkraut (Stellaria media).
Zumpenkraut (Sedum acre).
Zumpenkraut (Sedum Telephium).
Zunzenkraut (Sedum acre).


Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

L Zeitehen in lïorddalmatieii l\

Von Dr. Alexander Mitrovic.

Auf Jahrmärkte, auf Volks- oder Kirchenfeste fuhren die Mütter
ihre reifen Töchter zur Beschau für die Burschen hin. Zur Beschau
erscheinen auch junge Witwen. Es finden sich auch Mädchen ein,
die es wohl de iure, doch nicht mehr de facto sind, weil sie ihre
Jungferschaft bereits durch eine vorangegangene Verehelichung ver-
loren haben. Jede solche Jungfer oder jedes Mädchen oder die Witwe
— zu welcher Kategorie eine gehört, erkennt man nach der Kopfbe-
deckung (kapa oder śubara) — trägt am Leib ihren gjendar oder
gendar.

Auch dieses Wort gjendar oder gendar war dem Lexikographen
Karadzic nicht in der Bedeutung bekannt, in der man es in Nord-
dalmatiën gebraucht Gendar erwähnt er gar nicht, unter gjendar
aber steht zu lesen: siehe gjerdan. Gjerdan erklärt er mit monile (lat.):
.Einen Gjerdan tragen Frauen und Mädchen um den Hals; sie sind
aus verschiedenen Geldstücken oder aus Perlen, oder böhmischen
Korallen usw. zusammengesetzt.'2)

In Norddalmatien besitzt gjendar oder gendar eine völlig andere
Bedeutung. Das ist die Aussteuer, die eine Jungfrau, ein Mädchen
oder eine Witib in Bargeld dem Burschen zubringt, der sie heiraten
oder an den sie sich ausheiraten wird. Den Gjendar oder gendar hat

1) Dieser Bericht erschien in einer etwas anderen Form zuerst serbisch im
Archiv za pravne і drustvene naukę, Knj. I. Bd. 6. Belgrad 1906, unter der Uber-
schrift zenidba i udadba u sjevernoj Dalmaciji. Ich verdeutsche ihn auf Wunsch
des Verfassers, um damit unsere Umfrage einzuleiten. Krauss.

2) Vgl. Krauss, Sitte und Brauch der Südslaven, Wien 1885, S. 272 f. —
Das Wtb. der südslav. Akad. Agram 1887, S. 5, wiederholt unter Beibringung
weiterer Belegstellen nur die Erklärung Karadzics. Das türkische Lehnwort be-
deutet nichts für und nichts gegen den Brauch. Ehedem hieß eine Halsschnur
slavisch ogrlica, wie aus Guslarenliedern hervorgeht. K.


38

Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

man nicht mit der Mitgift (prćija, vom griech. proikion) zu verwechseln,
die hier eine ganz andere Bedeutung wie gewöhnlich hat Der Gjendar
besteht aus einem dicken Stoffutter, das zuweilen auch ausgestickt ist
Das Weibsbild trägt es als ein Fürtuch in einem Stücke über Hemd
und Kittel und es bedeckt sie von der Kehle bis unter die Knie her-
ab. An diesen Stoff sind silberne Münzen von einer oder von fünf
Kronenstücken angenäht Mit dem Auge kann man den Wert eines
Gjendar, d. h. die Zahl seiner Silberstücke berechnen. Ehe die Kronen-
währung in Österreich eingeführt worden, bestand der Gjendar aus
Silberzwanzigern oder aus Talern. Damit die Zwanziger und Taler
nicht vom Futter abfallen, war jedes Geldstück an zwei, drei Stellen
durchlöchert. Durch diese Öhren waren Fäden gezogen, um die Münzen
am Futter festzuhalten. Durch dies Verfahren verloren die Münzen
an Geldwert, wenn man sie vom Gjendar loslöste, und in den Ver-
kehr brachte. Jetzt geht man vorsichtiger zu Werke. Das Geld bleibt
undurchlöchert. Man näht es einfach mit kreuzweis gezogenen Fäden
aus Seide oder Zwirn an den Stoff an, so daß es festhält und seinen
Kurswert nicht einbüßt.

Das dergestalt mit einem Gjendar herausgeputzte Frauenzimmer
unterhält sich und spricht mit ihren Genossinnen. Tritt ein Bursche
auf sie zu, dem sie zu Gesicht steht, so fuhrt er sie ab und tanzt mit
ihr allein einen sogenannten Reigen (kolo). Ein eigentlicher Reigen
ist es freilich nicht, weil den Tanz nur das Paar allein auffuhrt So
vor den Augen der Mutter und mitunter auch des Vaters einher-
tanzend, vereinbaren sie mit einander das erforderliche. Die Haupt-
sache, die sie festsetzen ist die, daß der Bursche das Mädchen noch
in derselben Nacht zu sich heimführen werde. Von dieser Nacht
ab werden sie wie Mann und Weib leben, und sich späterhin trauen
lassen!

So schaut bei uns die leidige Heirat und Ausheiratung aus. Mit
Vorwissen und Billigung seiner Eltern fuhrt der Bursche in sein Eltern-
haus ein Frauenzimmer ein, das ihm nicht einmal gut bekannt ist
Die Eltern der Jungfrau oder des Mädchens — Witwen sind in dieser
Angelegenheit bereits sui iuris — wissen davon und heißen es gut
Hauptsache ist der Gjendar und das ius primae noctis. Es trifft sich
mitunter, daß der Bursche das Mädchen sogar nicht im geringsten
kennt Er erblickt an ihr 200 oder 300 Kronen am Gjendar und es
erfaßt ihn Habgier nach dem Gelde. Ist das Weibsbild jung und
schön, so spielt beim Burschen auch der Geschlechttrieb mit Noch
in derselben Nacht führt er sie zu sich heim, ohne zu wissen, wem


Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

39

sie angehört oder von welcher Sippe sie herstammt. Den Gjendar
nimmt der Bursche selbstverständlich sogleich an sich. Ist der Bursche
noch gar zu jung und sein Vater noch am Leben, so sorgt der schon
dafür, daß das Geld vom Gjendar nicht spurlos verschwinde 1

In allem dem läge noch immer nicht das größte Übel. Ließe
sich das auf solche Art und Weise zusammengekoppelte Paar nach-
träglich gesetzmäßig trauen, so könnte man über das Vorspiel noch
den Schleier des Vergessens breiten. Doch kam das nicht jederzeit
vor. Die Folgen solcher Heiraten und Ausheiratungen sind häufig
sehr verhängnisvoll

Unser Landmann in diesen Gebieten betrachtet das Frauenzimmer
als ein höchst untergeordnetes Geschöpf. Vom Weibe heischt er,
daß es fur ihn arbeite und ihm Nachkommen gebäre. Die Wesen,
die sie gebiert, braucht der Bauer zur Feldbestellung, zur Viehhütung
und sonstigen Dienstleistungen. Gebiert ihm das Weib nicht und er-
weist sie sich als unfruchtbar, so taugt sie ihm nichts.

Die schweren Nachteile der untergeordneten gesellschaftlichen
Lage ersieht man am deutlichsten bei unseren Ausheiratungen. Der
Bursche kann oder mag sich aus verschiedenen Gründen nicht gleich
trauen lassen, ehe er das Frauenzimmer nicht heimgeführt hat. Er
will sie zu allererst ausprobieren. Er will sehen und sich überzeugen,
ob sie eine Gebärerin sei oder nicht. Bringt sie ihm Kinder zur Welt,
namentlich, wenn es Knaben sind, so läßt er sich mit ihr auch trauen,
wofern er nicht vorher stirbt. Bringt sie keine Kinder zur Welt, kann
und muß sie das Haus des Burschen räumen.

Das sind die schweren Folgen derartiger Heiraten und Ausheira-
tungen. Entweder stirbt der Bursche ohne stattgefundene Trauung
und er hinterläßt Kinder, oder er jagt das Frauenzimmer davon und
schickt sie zu ihren Eltern heim.

Solang als die Zeitehe kinderlos bleibt, sind die Folgen der Ehe-
auflösung nicht allzuschwer, denn es leiden nicht unschuldige mit.
Der Bursche treibt das Mädchen weg, weil er ihrer schon satt ge-
worden, oder es zwingen ihn Vater und Mutter dazu, wenn sie merken,
daß keine Kinder dem Band entsprießen. Der Gjendar ist gewöhnlich
bereits verbraucht oder es beschlagnahmten ihn der Bursche und sein
Vater. Das auf diese Weise auf die Straße gesetzte Mädchen sucht
sich zu rächen. Weder ihr, noch ihrem Vater oder ihrer Mutter ist
es um den verlorenen Jungfernkranz zu tun. Das ist eine vollkommen
nebensächliche Frage. Die Hauptsache ist, daß man ihr ihren Gjendar


40

Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

zurückstelle und daß sie dem Burschen oder dessen Vater ein Fron-
geld (najam) für den Leibdienst herausreiße.

Bei diesem Worte muß einem der Verstand stocken bleiben.

Unsere allerelementarsten Begriffe von Ehre und Eheleben ge-
raten in Aufruhr. Ein vom Burschen davongejagtes Mädchen fordert,
der Bursche soll ihr einen Dinglohn entrichten! Wofür einen Ding-
lohn? Etwa für ihren Leibdienst und den abgenützten Jungfernkranz?
Wie schon unser Bauer ein Frauenzimmer als ein untergeordnetes
Geschöpf betrachtet, so erträgt das Frauenzimmer eine derartige Er-
niedrigung, sozusagen mit Gelassenheit Das Weib zieht nicht beim
Gatten ein, sie wird ihm nicht angetraut, sie ist nicht seine Lebens-
gefahrtin, sondern seine Magd, die sich verdingt Das Mädchen
heiratet man nicht an den Burschen aus, damit sie später zu seiner
Genossin werde, sie geht zu ihm auf VerdingungI Schmeisst er sie
hinaus, verlangt sie vom Burschen die Zahlung für den Leibdienst!

Indessen, dieser Begriff herrscht nicht blos bei der Ausheiratung
vor, er ist im Blute des Volkes auch bei der gesetzlichen, kirchlichen
Trauung. Ein Weib, das in schönster Ordnung dem Manne angetraut
worden, mit ihm eine große Nachkommenschaft gezeugt hat, doch
mit ihm nicht leben kann, entweder, weil er sie vernachlässigt und in
der weiten Welt herumstreift, oder sie haut oder mit einer anderen
eine Liebschaft hegt, faßt den Entschluß, sich von ihm scheiden zu
lassen. Sie rennt zu Gericht und zu Advokaten. Ihre ersten Worte
sind: ,Er soll mir den Dienstlohn bezahlen, weil ich so viele Jahre
lang ihm und seinen Kindern gedient habe4, gleichsam als ob die
Kinder, die sie zur Welt gebracht, nicht auch ihre Kinder wären.

In Prozessen um den Gjendar bei Trennung der Zeitehe sieht
und hört man schauderhafte Wunderdinge. Selbst die allerheiligsten
Geheimnisse des ehelichen Lebens gelangen in die Öffentlichkeit Das
davongejagte Frauenzimmer, das keine Jungfrau mehr und noch
keine Frau ist, erzählt frank und frei mit unerhörter Kaltblütigkeit
ohne die geringste Spur von Schamgefühl im Gesichte von allem
und jedem. Ihr schwebt vor Augen nur der Gjendar. Ob sie nun
den Prozess um den Gjendar gewinnt oder verliert, sie prozessiert
weiter, sie besteht auf ihrem Dienstlohn.

Und es gab Fälle, daß sie ihn zugesprochen erhielt! Zwar nicht
bei unseren Richtern, die die Volksseele kennen. Ein solches Mädchen
erhielt eine Schadloshaltung in Geld für ihren Leibdienst erst in dritter
Instanz, beim Obersten Gerichthofe in Wien! Ehre und Hochachtung
sei allen Urteilsprüchen dieses Obersten Gerichthofes, doch sei es uns


Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

41

immerhin gestattet, wenigstens ein Ausrufungzeichen anzubringen,
wenn wir gewisser seiner Urteile gedenken!

In jüngster Zeit kam noch eine neue Mode in Schwang! Hat der
Bursche sein Mädchen ohne jede begründete Ursache davongejagt,
so verfolgt ihn das Mädchen auf dem strafgesetzlichem Wege. Sie
hängt sich an den § 506 des Strafgesetzes, der einen Mann bestraft,
wenn er ein Mädchen unter dem Versprechen der Trauung verfuhrt
und sein Wort nicht einhält. Natürlich verurteilt das Gericht den
Burschen zu einer Gefängnisstrafe, die er dann mit stoischem Gleich-
mut übersteht Ist der Bursche vermögend oder Sohn vermögender
Eltern, so verfolgt ihn das Mädchen auf dem Zivilrechtwege um Er-
satz für die verlorene Ehre. Öfters wird der Klage auch stattgegeben
und der dem Mädchen vom Schicksal versagte Bräutigam zur Zahlung
eines bestimmten Bußgeldes für die verlorene Ehre verurteilt

Das ist keine Ehre, sondern ein Jammer. Es handelt sich nicht
um eine Wiederherstellung der bürgerlichen Ehre, sondern lediglich
um Befriedigung eines Rachegefuhls und in erster Reihe um den
Wunsch des davongejagten Mädchens, zu Geld zu kommen. Sobald
ein solches Mädchen Geld erlangt hat, schmückt sie einen neuen
Gjendar aus. Mit dem neuen Gjendar fuhrt ihre Mutter sie neuerdings
auf Märkte zur Beschau. Zu Markte gabelt sie einen anderen Burschen
auf. Er beweibt sie und sie heiratet sich an ihn aus, obgleich der
Bursche weiß, daß sie vordem mit einem anderen gelebt hat Darauf
schaut unser Landmann nicht, wenn nur der Gjendar reichlich ausge-
schmückt ist

Zuweilen widerfährt dem Mädchen auch beim zweiten Burschen
dasselbe, wie beim ersten. Das hat aber nichts zu besagen. Die un-
moralische Tragikomödie erlebt nur eine neue Aufführung. Man sucht
wieder das Gericht auf. Da gibt es dann wieder Verhandlungen und
Urteilfällungen wegen des Gjendars, der Verdingung, wegen des § 506
des Strafgesetzes, wegen verlorener Ehre usw. Das Mädchen und
ihre Eltern fangen zuletzt wieder von vorne an. Man fuhrt das Mäd-
chen neuerlich zur Beschau aus. Das Mädchen findet nun zum dritten-
mal und später zum vierten und fünftenmal einen neuen Burschen,
der sie ehelicht. Und so geht das weiter, solang bis sie nicht auf
einen trifft, der sie sich auch auf gesetzlichem Wege antrauen läßt,
nachdem er sich überzeugt, daß sie fur ihn taugt.

Dieser Vorgang hat immerhin noch seine erheiternden Seiten, es
kommen jedoch auch Fälle vor, wo die Heirat und Ausheiratung nicht
so glimpflich verlaufen, sondern darauf Jammer und Tränen folgen.


42

Erbebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

Es wird z. B. das auf solche Art an einen Burschen ausgeheiratete
Mädchen schwanger und vor der Geburt des Kindes stirbt der Vater.
Da mag die vom Schicksal nicht bestimmte Schwiegermutter von der
ihr vom Schicksal nicht bestimmten Schnur nichts wissen. Sie haut sie
und jagt sie zum Haus hinaus. Sie versetzt ihr Fußtritte in die Ein-
geweide und die anderen Haussöhne helfen ihr getreulich dabei. Kommt
die Söhnerin, müd und matt von der Feldarbeit heim, um mit dem zu-
künftigen Sprossen des Hauses unter ihrem Herzen der Ruhe zu pflegen,
so schlägt man vor ihr die Türe zu. Man martert sie mit Hunger
und Durst. Endlich wird der Unglückseligen ein solches Dasein zur
Last Sie kehrt dann in ihr Elternhaus zurück. Was geschieht mit
dem Kinde? Die alltägliche Erfahrung lehrt uns zur genüge, wie der-
artige elende und unglückliche Kinder geraten.

In solchen Fällen offenbart sich die Verderbtheit und Sittenlosig-
keit auch noch auf eine andere Weise. Stirbt der Bursche und hinter-
läßt er das Mädchen in gesegnetem Zustande, so springt ihr ihre Sipp-
schaft hilfreich bei. Man erzeugt ein falsches Testament. Drei Zeugen
der angeblich mündlichen Testamenterklärung des Verewigten, schwö-
ren vor Gericht, der Verblichene hätte dem Mädchen oder dem zu
erwartenden Kinde seine gesamte Habe vermacht. Lügen sind kurz-
beinig. Höchst selten zünden derartige Vermächtnisse. Oft stellt
sich das Gegenteil als wahr heraus. Anstatt, daß nun blos ein Wesen
unglücklich wird, stürzen gleich ihrer mehrere ins Unglück hinein.
Die angeblichen Testamentzeugen und jene mit, die sie dazu verleitet
haben, sitzen dafür einige Monate im Gefängnis ab. Dem Weibsbild
und dem Kinde hat es nichts gefruchtet, doch sich halfen die Leut-
chen gewaltig dabei ab. Die Verwandtschaft des verstorbenen Burschen
gerät da erst recht in helle Wut gegen das Mädchen, das nun unbe-
dingt aus dessen Haus wandern muß.

Und so wiederholt sich unausgesetzt seit Jahrhunderten dieses
grauenhafte Spiel. Nichts vermag unser Volk von dieser Art Heirat
und Ausheiratung abzubringen. Weder Ratschläge, noch Bitten, noch
schimpfliche Zurechtweisungen sind imstande unser Volk von diesem
Brauch loszureißen. Die Behörden, sowohl die gerichtlichen als die
politischen, die allein mit strengen Strafen dem entgegentreten könnten,
tun sehr wenig oder vielmehr gar nichts. Die Schulen, deren Zahl sehr
gering ist — viele Dörfer in Norddalmatien mit mehr als tausend Ein-
wohnern sind ohne Schulen — vermögen in dieser Sache nichts aus-
zurichten. Wenn es gut geht, kommt auf hundert Schüler erst ein
Lehrer und der kann beim allerbesten Willen eine Veredlung der


Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

43

Kinderseelen nicht durchsetzen. Unablässig fließt das Wasser im
selben unregelmäßigen Lauf dahin; man kehrt'nichts vor, um seinem
Bett eine gerade Richtung zu schaffen.

Anmerkung des Übersetzers. Einige serbische und chrowo-
tische Zeitungen schmählten arg Herrn Dr. Mitrovic wegen dieser
Enthüllungen als einen Menschen ohne Patriotismus, doch selbst diese
Heißsporne wagten es nicht, ihn der Unwahrheit zu zeihen. Meiner
Ansicht nach, erweist sich jener als der ehrlichste Patriot, der die
Wahrheit rückhaltlos zu Tage fördert, denn nur damit nützt man
wirklich dem Volke. Hat etwa Freiherr von Helfert, den ich in der
Anthropophyteia II. S. XIII f. anführe, mit seiner völlig haltlosen Lob-
preisung der dalmatischen Moralität dem Volke einen guten Dienst er-
wiesen? Wie man aus Dr. Mitro vi es Ausführungen ersieht, spricht
sein Herz mit, aber er urteilt zu streng über seine engeren Lands-
leute, denn was er ihnen vorhält, ist gar nicht ihre nationale Beson-
derheit und darf ihnen weder als Laster noch als Verkommenheit
angeschrieben werden, denn er zeigt uns doch nur eine ziemlich inter-
nationale Erscheinung auch fur einen bisher in Hinsicht des Geschlecht-
lebens fast gar nicht näher erforschten Bezirk auf.

Was lehrt uns, von allen subjektiven philanthropischen, nationalen
und politischen Regungen abgesehen, Dr. Mitr o vi es Bericht?

In Dalmatien ist eine Form der Eheschliesung gebräuchlich, die
durch ein zeremonienloses Zusammenziehen eines Mannes und Weibes
erfolgt Es ist eine Zeitehe, deren geringste Dauer von vornherein
einigermaßen bestimmt ist: sie währt mindestens so lang als die Geld-
stücke des Gjendars vorhalten. Die Wahrscheinlichkeit einer Dauer-
ehe wächst, wenn das Weib ein Kind gebiert und das Paar bequemt
sich dann zur nachträglichen Schließung einer kirchlichen Zwangehe,
um die Rechte des Kindes zu wahren.

,Das Frauenzimmer, das keine Jungfrau mehr und noch keine Frau
ist, erzählt [dem Advokaten und dem Richter] frank und frei mit un-
erhörter Kaltblütigkeit ohne die geringste Spur von Schamgefühl im
Gesichte von allem und jedem/ — Ist es möglich, daß ein junges
Weib innerhalb weniger Wochen oder Monate von dem Burschen
derart entsittlicht wird? Was für ein Scheusal müßte er sein, um eine
solche Wandlung bewirken zu können? Oder hat sich die Maid etwa
in ihrem eigenen Elternhause die Zuchtlosigkeit angeeignet? Dagegen
spricht sehr vieles. Ein Blick auf den Gjerdan gibt Aufschluß. Die


44

Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe,

Frage ist, woher hat das Mädchen die vielen Kronen- und Fünfkronen-
stücke des Gjerdans? Ja, wenn die Kronen reden könnten, sie würden
uns von den seltsamsten Übungen berichten, mit denen sie erworben
worden. Dabei ging jedes Schamgefühl des Mädchens in die Brüche,
Endlich will sich die Maid dauernd versorgen. Der Bursche erkundigt
sich weder nach der Sippe des Mädchens noch nach ihrer Vergangen-
heit, er schaut nur auf den Gjendar hin, der ihm einen Ersatz fur die
fehlenden sonstigen ethischen und sozialen Werte darbietet. Die Jung-
fräulichkeit und Keuschheit ist weder für das Mädchen noch für den
Burchen etwas anderes als gebotenen Falles ein Gegenstand spital-
ärztlicher Behandlung.

Der Bursche besitzt gewöhnlich gar kein Vermögen. Er lebt in
der Keusche seiner blutarmen Eltern schlecht und recht mit. Mit
dem Mädchen bringt er ins Haus eine Arbeitkraft und ein Betrieb-
kapital mit. Er macht so mitunter ein gutes Geschäft und hilft dem
Hausstand tüchtig auf. Kommt aber das Mädchen um den Gjerdan,
so ist damit ihre Existenzberechtigung halb und halb vernichtet und
sie muß ihr aufgegebenes Geschäft von vorn wieder anfangen. Darum
kämpft sie mit aller Hartnäckigkeit um einen Wiederersatz ihres mit-
gebrachten Gjerdans, der allein ihr die Möglichkeit sichert, einen
anderen Burschen zu angeln. Von Haus aus war auch sie ebenso
arm und mittellos, wie der Bauernbursche, mit dem sie die Zeitehe
einging.

Die beiderseitige Armut ist der Anstoß zur Schließung der Zeit-
ehen. Armut bringt sie zuwege, Armut zerschlägt sie auch. Es wäre
ein Grundirrtum anzunehmen, es kämen in Norddalmatien nur solcher-
art Ehen zustande. Daneben kommt ja auch die einwandfreie Kauf-
ehe mit mehr oder minder lärmender Trauung vor, wenn Braut und
Bräutigam — nach dortigen Begriffen vermögend sind.

Über die geschilderte Zeitehe entsetzt zu sein, haben wir kein
Recht. Bis vor 300 Jahren war sie auch in Japan gang und gäbe, bis
eine weise Regierung in den Städten das Institut des Yośiwara schuf.
Dahin verdingen arme Eltern ihre geschlechtreifen Töchter auf eine
Reihe von Jahren und haben sich die mit ihrem Leibe einiges Ver-
mögen erübrigt, so treten sie aus dem Dienst aus und verheiraten
sich ,an einen zwar armen, doch braven Mann aus dem Volke' usw.,
ganz wie in Dalmatien die Mädchen mit ihrem Gjerdan.

Eigentlich gehen die Dalmaterinnen Probeehen ein, wie solche
auch anwerweitig, nicht blos im fernsten Osten Asiens vorkommen.
Man lese darüber Friderich Cristoph Jo. Fischer über die Probe-


Erhebungen zur Urgeschichte der menschlichen Ehe.

45

nachte der teutschen Bauermädchen nach1), dann Ploß-Bartels2),
Albert HermannPost3), Friedrich v on H ell wal d4), C.N.Starcke5)
und Ed. Westermarck in seiner Geschichte der menschlichen Ehe
(Jena 1893, S. SI7—S37)-

*

Die dalmatische Zeitehe wäre sehr zu beklagen, wenn die Zwang-
ehe irgendwie besser geartet wäre. Dr. Mitrovic selber rühmt sie
nicht. Auch ein Kenner der Ehe, wie Dr. Iwan Bloch, weiß ihr in
seinem Sexualleben unserer Zeit (Berlin 1907) nichts gutes nachzu-
sagen. Bei uns in deutschen Landen hat jedes Dörfchen seine Schule
und die Bildung predigt auf allen Gassen, doch gegen die Zwangehe
wird trotzalledem von aller Welt Sturm gelaufen. Da fragt es sich,
ob denn gerade in Dalmatien Volkschulen und Schulmeister eine
Wandlung zum Besseren schaffen könnten. Das Übel beruht nicht
in der mangelhaften Schulbildung, sondern einzig und allein in den
trostlosen wirtschaftlichen Verhältnissen, denen gegenüber alle noch
so gut gemeinten Gesetze und alle von den edelsten Absichten be-
seelten Beamten ohnmächtig sind. Erzeugt einen allgemeinen, be-
haglichen Wohlstand im Volke, und Tugend und herzerhebende Ge-
sittung werden sich von selber in den Familien einfinden und ein-
bürgern. Dem Armen predigt man umsonst Moral. Krauss.

1) Berlin 1780, Neudruck Leipzig 1891, 67 S. in 8\

2) Das Weib in der Natur und Völkerkunde. Leipzig 1905, I. S. 660—62.

3) Studien zur Entwicklungsgeschichte des Fam і Ii en rechts. Oldenburg 1889,
S. 75—79. — Grundriß d. ethnolog. Jurisprudenz. Oldenburg 1895, S. 57 t.

4) Die menschliche Familie nach ihrer Entstehung usw. Lpzg. 1888,8.438—452.

5) Die primitive Familie in ihrer Entstehung usw. Leipzig 1888, S. 277 f.


H Die Zuchtwahlelie in Bosnien

Mitteilungen von F. S. Krauss.

Daß ein Mädchen dem Elternhause entläuft und einem jungen
Manne ihrer Wahl zuläuft, um mit ihm in freier Liebe zu wirtschaften,
kommt auch bei uns, wie anderswo nicht selten vor, unter Südslaven
aber, insbesondere in Bosnien und im Herzogtum entwickelte sich
daraus sozusagen eine eherechtliche Institution. Flüchtig gedachte ich
ihrer in meinem Buche über Sitte und Brauch der Südslaven, Wien 1885,
S. 245 ff, ohne sie damals noch richtig zu verstehen. Ein reifes Ver-
ständnis ging mir dafür erst auf meinen Forschungreisen auf Der
einfache, stereotype Vorgang ist der, das ein heiratfähiges Mädchen
ohne Genehmigung ihrer Eltern und häufig auch ohne Zustimmung
der Eltern ihres Liebhabers in dessen Haus flüchtet und sich da ein-
nistet, bis man sich an sie gewöhnt und mit ihr aussöhnt.

Mein Folkloristenglück war mir im Frühjahr 1885 günstig, so daß
ich selber einen Fall dieser Art miterleben konnte. Im Kochraum
eines Bauernhauses traf ich vor der Feuergrube ein Mädchen, das da
kauerte und mit dem Feuerstierer anscheinend zwecklos in der Glut
herumstierte. Meinen Gruß beantwortete sie nicht und sie würdigte
mich auch keines Blickes. Es war mir schon im Gehöfte aufgefallen,
daß ein strammer Bursche mit großen Schritten unter den Zwetschken-
bäumen auf und abwandelte, ohne sich um mich, den Besucher zu
bekümmern. Aus der Wohnstube vernahm ich Stimmen und kurz
entschlossen trat ich mit abgezogener Mütze ein. ,Helfe Gott und
der heilige Johannes, Hausvorstand, wie geht es dir?' Auf den Gruß
erhoben sich alle Anwesende, Männer, Frauen und Kinder, zusammen
etwa neun Personen, und der Hausvorstand, ein Mann von beiläufig
vierzig Jahren bot mir die Hand und grüßte zurück: ,So helfe Gott
zu guter Frist, böser kann es nimmer sein l' — ,Das Böse verwandle
sich zu Stein, was ist dir Gutes widerfahren?' — ,Da ist ein Verfluchtes
Geschöpf meinem Sohn von selber zugelaufen und sitzt an der Feuer-


Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

47

stelle. Der Teufel soll sie holen 1 Behalten wir sie, so kommt uns
ihre Sippschaft auf den Hals und sie hinauszujagen erlaubt unsere
Ehre nicht'.

Mir ging ein Licht auf. Das Mädchen stocherte in der Kohlen-
glut der Feuerstelle und genoß damit das unverletzliche Asylrecht.
Um mich nach Art gewisser Balkanethnographen von Ruf interessant
zu machen, müßte ich jetzt ausfuhrlich berichten, wie durch meine
entschiedene, umsichtige Vermittlung die Gegensätze ausgeglichen und
die Maid liebereich von allen als neue Schnur aufgenommen worden.
Das kann sich jeder nach Bedarf und Geschmack selber ausmalen, in
Wirklichkeit kam aber nach einer Weile der Jüngling in die Stube
herein und fragte mürrisch: ,Wollt ihr oder wollt ihr nicht? Wenn
ihr wollt, ist's mir recht, wenn nicht, so flüchte ich mit meiner N. in
die Türkei und ihr werdet mich nie wieder erschauen. Redet, ich
habe keine Lust, länger zuzuwarten!' Vater, Mutter und Geschwister
zeterten und wetterten, das Ende vom Lied aber war, daß wir uns
alle gemeinsam — die Braut immer schweigend — zum Nachtessen
im Küchenraum niederließen. Darnach zog die neue Schnur dem
Schwiegervater die Opanken von den Füßen ab und begab sich mit
dem Auserkorenen ihres Herzens in ein Gelass neben dem Viehstall
zur Ruhe und Rast. Ich nächtigte mit den übrigen Hausleuten auf
dem Fußboden in der Stube, doch ohne viel Ruhe zu haben, denn
die Gesellschaft schimpfte unermüdlich über die Samodośla (allein-
gekommene, zugelaufene), während eine Unzahl von Flöhen dafür
sorgte, daß meine Aufmerksamkeit stets rege bleiben mußte.

Früh morgens bevor das Brautpaar wieder zum Vorschein ge-
kommen, nahm der Hausvorstand einen flachen Holzkrug voll mit
Branntwein und machte sich, dem Sohn und der Schnur Gott und alle
Heiligen fluchend auf den Weg ins andere Dorf zu den Eltern seiner
Schwiegertochter. Gegen Mittag tauchte er mit der neuen Freund-
schaft, alle stark beschwipst, wieder auf und man trank einander wahr-
scheinlich noch bis zur Bewußtlosigkeit zu. Näheres weiß ich nicht
anzugeben, da ich mich mit meinem Reisebegleiter, dem Guslaren
Milovan Ilija Crljić Martinovic bei Zeiten drückte, um nicht mitsaufen
zu müssen.

Im Jahre 1884 besuchte ich zu Sarajevo Se. Eminenz den Bischof
Dr. Josef Stadler, um ihm als einem ehemaligen Hausfreund meiner
Eltern meine Aufwartung zu machen. Er gedachte gern der schönen
Jugendzeit, wo er als Kleriker oft die Gastfreundschaft meiner Eltern
genoß und lud mich auch zu seiner Tafel ein. Für meine Forschungen


48

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

bekundete er eine tiefe Teilnahme und ließ mir, um mich zu fördern,
aus eigenem Antrieb einen offenen Empfehlungbrief an alle Franzis-
kaner seines Bistums ausstellen. Freilich verhehlte er mir nicht, daß
mir sein Schreiben wenig nützen dürfte, weil er bei den Mönchen
unbeliebt wäre. Später erfuhr ich, daß ihre Abneigung gegen ihn
durchaus nicht unbegründet, wenn auch unberechtigt war, denn er
hatte ihnen strengstens die Erzeugung von Amuleten und den Handel
damit, sowie auch die Kurpfuscherei verboten und so eine ihrer loh-
nendsten Erwerbquellen zum Versiegen gebracht. Unter anderen er-
zählte er mir, er habe im Vorjahre an die Pfarrer eine Umfrage über
das ius primae noctis und über die Zugelaufene gerichtet Die ein-
gelangten Antworten stellte er mir zur Durchsicht und zur Besorgung
von Auszügen zur Verfugung.

Über ein ius primae noctis wußten die Geistlichen nichts zu be-
richten, außer was sie aus der Literatur her kannten, die allerdings in
diesem Falle wissenschaftlich wertlos ist. Die Leser der Anthropo*
phyteia können es nunmehr nach den bisher mitgeteüten Erzählungen
und Bräuchen selber beurteilen, ob und welchen Sinn ein solches
Überrecht bei dem südslavischen Bauernvolk haben konnte. Es war
doch so ziemlich gegenstandlos, weil die Herren ebensowenig als die
Lehenbauern irgend einen Wert auf den Genuß legten, den einem
angeblich die Entjungferung bereitet. In den nachfolgenden Ant-
worten hat man darum die persönlichen Ansichten der Mönche genau
von den Tatsachen auseinander zu halten, die sie aus eigener Er-
fahrung kennen gelernt Um mir nicht von böswilligen Leuten den
Vorwurf zuzuziehen, ich hätte die Antworten zugestutzt oder umge-
arbeitet, gebe ich sie auch in serbischer Sprache wieder. Sie werden
zudem wegen ihrer mundartlichen Eigentümlichkeiten den Philologen
erwünscht sein. Die Mönche sprechen und schreiben mindergut, nicht wie
etwa Bauern; denn im Grund genommen sind sie nicht ganz verbauert
Zumindest hat der in den bosnischen Klosterschulen genossene Unter-
richt auf ihre nationale Sprache und Darstellungart keinen merklich
günstigen Eindruck fiirs Leben hinterlassen. Eine scheinbare Aus-
nahme macht nur Frater Alojzija Miśić, der dazumal Religionlehrer
in Sarajevo war und sich eine höhere akademisch chrowotische Zei-
tungbildung angeeignet hatte. Ich beginne mit seinem Berichte, ob-
gleich er sachlich den änderen nachsteht

Die Überschrift lautet: Kako je nasto obićaj, da djevojke prija
udaje prebjegnu svojim vjerenikom? Wie ist der Brauch entstanden,
daß Mädchen vor Ausheiratung ihren Verlobten zuflüchten?


Die Zuchtwahlehe in Bosnien. ąq

... U maticah, naravno gdje osebno narod zive a ne pomjeŚano
sa inimi elementi, rijetko ćeś se namjerit na nezakonitu djecu. U
zivotu samom naroda nema gadnog obićaja, da neyjenćani skupa zivu,
jer da bi tko samo ma na kratko vrijeme vodit poćeo takov zivot,
taj pred narodom zivit ne bi mogo, doklegod se ne bi odaljio, inaće
svagdje porugom u njeg bi na svakom mjestu govorili i prstom upiralt
Roditelji sami ako imadu dijete joś neudato ol ako je bilo udato pa
obudovilo, najvise se staraju do tog, da niti u polje niti za marvom
idje bez pratnje kog od ukućana a u ćarśiju otić cura, udovica ol non
provectae aetatis etiam nupta, to Bog sacuvaj da bi kućni stareśina
dopustio. Danas na żalost u ovoj stvari puno smo od naśih pregja
zaostali. Drżimo, da nejma pogibelji, ako mladeż bez nadzora puś-
ćamo ako po javnih mjestih puśćamo ih hodit etc. — Prijaśnjih vre-
mena turci puno i puno hodili su po selih i baśaluk provodili tako,
da nitko nije smijo stat i oprt im se, gdje su doŚli. Tuj nijesi smijo
vrata zatvorit, nego jazom otvori, da kadgod ih je volja, tamo dogju.
Po kućah su ćinili śto su htjeli, pace i sami svecenici, ćim bi ćuli, da
turci igju, morali su iz sela u selo bjeżat i skrivat [se], kucu jazom
otvorit, nek rade śto ih volja, samo nek ostave i ne zapale ju. U
ovom groznom polozaju Sto je otac obitelji imo da ćini? Uvjek strepi,
da se ne bi njegova najveca svetinja, obitelj, oskvrnula od gadni ljudi.
Ako dakle niko onog vremena nije bio mjeran, kako da bude viSe
mjerna obitelj? Nitko gadnika u nijednom pogledu nije prijećio.

Sa strane suda dopuśćeno je bilo ubiti ko vrepca krśćanina; joś
viSe, novaca ćim nijesu imali ubi krśćanina potajno u onom selu, koje
su globit htjeli. Eto odmah novaca za krvarinu. Sa strane vjere
nijesu po isti naćin bili smetani, zato i jesu, gdjegod bilo to, na njivi,
putu, kod kuce itd. obesćaŚćivali żenske. Ako bi se tko opro od
ukućana ol sama żeńska, odmah bi taj oli ta bila sasjećena. Ovaki
prigoda, gdje braneć żeńska svoju ćast bi sasjećena, ja sam pamtim i
novijeg vremena.

Tko dakle nesretnog tog naroda sadaśnji polożaj uvidi i hladno
prosudi, zar ne će ostat izvan sebe i pitat se, je li moguće da narod
u zdvojnosti takvoj nalazeć se nije latio i gori sretstva neg śto doisto
i jest donekle?

Tako eto vidimo, da żenske udate i neudate, ako već u dobu
nijesu zaŚle, na put, u polje, za blagom, u ćarśiju, svakud jednom
rijećju, gdje je bila pogibelj, nijesu smjele ići. U selo Ćim bi turci
dośli, sve śto je mlagje od one kuce, gdje su turci zakonaćili se, po
selu moralo se je razbjegnuti i sakriti. A da po nesreći turci, ako bi

Krauss, Anthropophytcia. IV. д


5o

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

gdje slućajno curu odraslu vidili, ne bi joj śto zla ućinili, obicavali
su ih brijati sve do udaje. Ovijem su htjeli postić to, da ako bi gadnik
і vidio żensku, pogledom śto je obrijana, svaku pozornost od nje
otkloni, buduć da je dorasla, obzirom na to śto si svaka żeńska slavu
u kosah trażi (I. Cor. u, 15) ne bi se dala obrijat

Svecano obavljat zaruke po narodnom obicaju, to je bilo sasma
u izvanrednih zgodah rijetko. Svecano nijesi smijo vjencanja obavit
i doma pir ćinit, jer eto nevolja na vrat Prem eto iz ovog da se
nazret jasno, kako je siromaśni naród sve i svasto ćinio i izmiśljo,
kako bi zlu mogo doskoćit, nu Ірак duśmani svete vjere sa svoje
strane gledali su pozorno da saznadu za svaki takov slućaj, onda bi
se dovukli i kuci dotićnoj nepriliku veliku spravljali; ko zmija noge,
Sto se veli, narod svaku svadbu ćinio tajnom, jer ko bi se usudio po
svoju glavu pa javno svecanost pirnu slavio, tuj je moralo biti obes-
caśćenja sa strane pogana ol glava mrtvi kotrtjat se. Turei trażili su
za sebe ius primae noctis, i to tako ako se je otpor u tom upotrebio
sa strane svijeta onda odmah raćunaj, da krv teći mora po kuci i da
sjerota ostat mora. Onaj je reko sebi odmah: ,z Bogom djeco draga!'
samo ako je htjeo progovorit ma bud mało, da ne valja nasilja obitelji
jednoj ćinit. Beg nije dao iz svog sela nikomu da se uda u drugo
selo, jer buduć je bio begluk, to onda ćim ode jedno ćeljade vise iz
njegovog sela, tim je njemu manje poslenika, nego baŚ u njegovo selo
svaka żeńska morala je udat se i vjerenika si trażit Eh! pa mjerno
motreć ćemu se ćoyjek da ćudi, ako je i otac yjerenice i otac vjere-
nika privoljio, kako potajno niko da ne zna bilo bi moguće odvest
curu a da se svakomu nasilju se strane begova ućine kraj? Za no
im se ćinilo najprikladnije to, ako curu dovedu u drugo selo, to jest
iz sela nje na u selo drugo. Oni su raćunali ovako: beg ne da iz svog
sela da igje cura, sad kad ju kradom odvedu u drugo selo, otad se
lasno da isprićat kod bega: ,Eh, pa śto sam kriv?' może mu reći kmet,
,ja nijesam dragę volje dao', ko śto u istinu i nije, ,odveli ju samu'.
Begu iz ćijega selo ovako odvedose curu nije ni po jedan naćin bilo
ugodno i da je ikako znao, to ne bi dao ućinit, nu sad kad je cura
odvedena, nemoguće je iśto postić, jer već nije mu raćunat samo sa
svojim kmetom, nego valja sa drugim begom raćun pravit a borne
ovome nije milo bilo. Lasno je sirotu kmeta tlaćit, nu bega, koji se
veseli, pośto je za begluk novu silu dobio, nije. Tako je u mijeru
sad bio і otac cure i onaj koji se żeni a borne і cura sama, jer je sve
u ćasu bilo pa nijesu znali da dogju, a poslje, da i dogju, lasno se da
sakrit u selu ol gdje u śumi kod staja.


Die Zuchtwahlehe in Bosnien

S1

Ovo u kratko nam je nastarija povjest o samodoślah.

Sve ako uzmemo pred oći vidimo naród u brigi velikoj gdje ćami
izgubljen tako rekuć. Na jednoj strani svijest peće, na drugoj nasilje,
beri śto hoćeś. Da se sad naród ukłoni tom i tom, vidi kano naj-
prikladnije srectvo u samodoślam. Pośto pako samodośle prijaŚnjih
vremena nijesu bile kano naśeg vremena, to je joś vise bilo prikladnije.'
Rekoh, samodośle prvasnjih vremena nijesu bile kano sad a to zato,
jer onda po curu nije u druStvu iso yjerenik, nego prijatelji i rogjaci;
drugo, cura nije dovedena u vjerenikovu kucu nego u drugu, it to ol
u kucu rodbine ol u prijatelja a po tom occasio peccati bila je i
remota i evitabilis.

Prija eto nużda svjetovala i kano razlog slużila za samodoSle, nu
sad nejma śto da opravda samodośle pa eto opet ih imał Naśeg
vremena samodośle drugo niśta nijesu nego izrod svakog ćina. Uzrok
pravi samodoślam naśeg vremena jest:

a) Siromaśluk. Naród naś u opće puno drzi do ponosa i dobra
glasa. Naród u opće prigodom kakvih obiteljskih znamenitijih zgoda
velike hoće da cini sa prijateljima taslame i ćasti. Ja, ali to sad ne
dopuśtaju raźne okolnosti, pośto naród osim, śto se veli, gole duśe,
drugo niśta nejma, Moraś pośto poto taslame cinit a ne moźeś. Ako
ne ćiniś niśta, eto svak s tobom zube ispire. Svak veli: ,Gle, nije
mogao pira od lakomosti pravo ućinitl' Ako ćiniś, joŚ gore, jer eto
u dug moraś se provalit pa onda cijelog zivota kukaj i jadikuj. Daj
trażi dakle ovomu lijeka, pita se svaki. Kano najshodnije srectvo da
se dugu izmakneś a i opet da dobar glas sacuvaS, uzeli su, da su
samodośle, Kako? Evo! Jedan, koji se redovno żeni a ne će samo-
dośle, mora na prvo ići na rijeć, t. j. pitat, hoće 1 roditelji bit voljni
dat svoju kćer i hoće li cura htjet za prosca poć. Sama na sveć-
anost toliko stanę, da siromaka mora uniśtit Po ovom dogje tako
zvana jabuka i sve dalje. Jednom rijećju: tko misli da se ożeni bez
samodośle, taj najmanje 200 for. mora imat i ulożit, drugojaćije ne
igje. Otkud ovoliko siromaku? Nejma ni 10 for. a kamo li 200 for.
Hoće cura da se nosi njoj darova, roditelji nagradu i dar traże, rogjaci
isto. Kako da no siromak smogne? Borne, ne może. Pa śto? Vodi
samu pa će i vuk sit bit i koza cijela. Tako siromak misli, da će na
taj naĆin izbjeć trośku a opet stvar dobro izać. Sto roditelji cure,
śto rogjaci oćekuju od yjerenika to je straśno.

b) Uzrok samodoślam i u tom leżi, Śto puno ima bezduśni klevet-
nika. Crnit yjerenika, to je njekim najveca naslada. Ovo je sigurno
naśega vremena uzrok vażan. Sad da se ukłoni prigoda nevaljanim

4*


52

Die Zuchtwahlehe in Bosnien

jezikom, da ne bi ko bio pa omrazio vjerenicu sa vjerenikom, samo-
doŚlom kraj ćine, jer onda mora sve prestat, pośto su tim već unaprijed
svemu doskoćili.

c) Puno i puno put roditelji i rodbina nijesu voljni da cura igje
i udaje se za stanovitog, naproti cura hoće. Śto ćeŚ sad? Ona za
drugog ne će a oni opet njega ne će. Eto odmah razdora. Da se
ovomu doskoći, vodi samu a onda moraju baś dat za onog, za kog
cura hoće.

Ovo bi po mom iskustvu i znanju bili najglavniji uzroci samo-
doślom naśega vremena.

Übersetzung. In den Muttergemeinden, wo natürlich das Volk
für sich gesondert lebt, nicht aber mit fremden Elementen ver-
mengt ist, trifft man selten uneheliche Kinder an1). Im eigentlichen
Volkleben (der Katholiken sei.) existiert der ecklige Brauch nicht,
daß Leute ungetraut zusammenleben; denn würde einer auch nur
kurze Zeit ein solches Leben zu fuhren beginnen, er hätte keinen Be-
stand vor dem Volke, bis er nicht das Weite suchte, sonst begegnet
man ihm überall mit Schimpf und zeigt mit dem Finger auf ihn.
Wenn die Eltern ein noch unverheiratetes Kind (Mädchen) oder ein
verheiratetes haben, das nach der Verheiratung verwitwet ist, so ist es
ihre größte Sorge, daß es weder zur Feldarbeit noch mit dem Vieh
ohne Begleitung eines der Hausleute ausgehe; daß aber ein Mädchen
oder eine Witwe oder eine non prouectae aetatis etiam nupta die Ge-
schäftstraße besuche, da sei Gott davor, daß ein Hausältester solchen
Skandal zuließe2). Heutigentags sind wir aber zu unserem großen
Schmerze in diesen Dingen weit hinter unseren Vorfahren zurückge-
blieben. Wir glauben eben, es läge darin keine Gefahr, wenn wir die
Jugend ohne Aufsicht lassen und ihr gestatten auf öffentlichen Orten
herumzugehen etc.

In früheren Zeiten pflegten die Türken (Moslimen) oft und oft
die Dörfer heimzusuchen und einen derartigen bösen Unfug zu treiben,
daß sich niemand getraute, ihnen entgegen zu treten, wenn sie wo
erschienen. Da durfte man keine Türe versperren, sondern mußte sie
angelweit offen lassen, damit sie hinein können, wo immer es ihnen
beliebt. In den Häusern wirtschafteten sie nach Lust und Liebe, ja,
selbst die Priester mußten, sobald es verlautete, daß Türken nahen,
von Dorf zu Dorf flüchten und sich verborgen halten, das Haus aber
offen stehen lassen; mögen darin die Türken schalten und walten,
wenn sie es nur nicht in Brand stecken. Was konnte ein Pater fami-
lias in dieser grauenhaften Lage beginnen? Immer befand er sich in


Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

S3

Angst und Beben, es könnte sein größtes Heiligtum, die Familie, von
eckelhaften Leuten geschändet werden. Wenn also in jenen Zeiten
Niemand in Frieden lebte, um wieviel weniger konnte die Familie in
Frieden bestehen? Niemand hat in irgend welcher Hinsicht den Ver-
worfenen ihr Treiben verwehrt.

Von Seiten des Gerichtes war es erlaubt einen Christen, wie einen
Spatzen zu töten3); ja noch mehr, fehlte just einem Türken Geld, so
tötete er insgeheim einen Christen in dem Dorfe, das er brandschatzen
wollte; denn die Leute mußten sofort Blutgeld entrichten. Durch die
Religion waren sie in gleicher Webe nicht gehindert, und deshalb
haben sie auch auf Wiesen, Straßen, im Hause usw. Frauen entehrt.
Wagte es einer von den Hausleuten oder das Frauenzimmer selber
Widerstand zu leisten, wurden sie gleich in Stücke gehauen. Solcher
Fälle, daß Frauen bei der Verteidigung ihrer Ehre, niedergemetzelt
worden sind, gedenke ich selber aus neuerer Zeit.

Wer also die gegenwärtige Lage dieses unglücklichen Volkes ein-
sieht und kühl beurteilt, wird der nicht außer sich geraten und sich
fragen, ist es möglich, daß ein in solcher Verzweiflung sich befinden-
des Volk, nicht auch noch zu schlimmeren Mitteln, als es tatsächlich
geschehen, gegriffen hat?

So sehen wir demnach, daß verheiratete und unverheiratete Frauen-
zimmer, wenn sie nicht schon hoch bei Jahren waren, nicht auf die
Straße, aufs Feld, dem Vieh nach, in die Marktstraße, mit einem
Worte, nirgend wohin gehen durften, wo es eine Gefahr gab. Sobald
die Türken in einen Dorf kamen, mußten sich alle jüngeren Leute
des Hauses, wo die Türken ihr Nachtlager aufschlugen, nach allen
Richtungen im Dorf verlaufen und verstecken. Damit aber nicht un-
glücklicherweise die Türken, wenn sie wo zufällig ein erwachsenes
Mädchen erblicken, ihr irgend etwas böses zufügen sollen, pflegte man
sie (die Mädchen) bis zu ihrer Ausheiratung zu halbieren. Damit
wollte man das eine erreichen, daß, wenn schon so ein Auswürfling
ein Frauenzimmer auch erschaute, er mit Hinblick darauf, daß sie
halbiert ist, jede Aufmerksamkeit von ihr abwandte, weil mit Rück-
sicht darauf, daß jedes Weibsbild seinen Ruhm in den Haaren sucht
(I. Cor. Ii, 15), es sich [als Weibsbild] nicht hätte halbieren lassen4).

Eine feierliche Vollziehung der Verlobung nach dem Volksbrauche
das war völlig in außergewöhnlichen Gelegenheiten selten. Feierlich
durftest du die Trauung nicht vollziehen und daheim einen Hochzeit-
schmaus bereiten, denn gleich nahte dir das Ungemach auf den Hals.
Obwohl also daraus klar zu ersehen ist, wie das armselige Volk alles


54

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

und jedes tat und ersann, wie es dem Übel abhelfen könnte, haben
trotzdem die Feinde des heiligen Glaubens ihrerseits wachsam darauf
geschaut, um von jedem derartigen Fall zu erfahren; dann pflegten
sie sich herauszuschleichen und dem betreffenden Hause große Unge-
legenheit zu bereiten; wie die Schlange ihre Füße, wie man sagt, so
hat das Volk jedes Hochzeitfest geheim gehalten, denn unterstand
sich einer nach seinem Willen [zu handeln] und öffentlich die Hoch-
zeitfeier zu begehen, so mußte es da Entehrungen von Seiten der
Heiden geben oder es wälzten sich tote Köpfe auf dem Boden hin.
Die Türken heischten für sich das ius primae noctis, und zwar so,
wenn dagegen von seiten der Bevölkerung ein Widerstand gebraucht
worden, so rechne gleich damit, daß Blut im Haus umherfließen und
Waisen verbleiben müssen5). Jener sagte gleich zu sich: ,Mit Gott,
teuere Kinderl' wollte er auch nur das geringste bemerken, es wäre
ungebürlich, einer Familie Gewalt zuzufügen. Der Beg erlaubte nie-
mandem, aus seinem in ein anderes Dorf auszuheiraten, denn, sinte-
malen die Begherrschaft bestand, hatte er weniger Arbeitkräfte, sobald
sich eine Person mehr aus seinem Dorfe entfernte, darum eben mußte
sich jedes Frauenzimmer gerade in seinem Dorfe ausheiraten und sich
einen Bräutigam suchen. Ehl Und wenn man ruhig die Sachlage
betrachtet, worüber sollte sich der Mensch verwundern, wenn sowohl
der Vater der Braut als auch der Vater des Bräutigams einwilligten,
wie es insgeheim ohne irgend wessen Mitwissen möglich wäre, das
Mädchen wegzufuhren, um jeder Gewalttätigkeit von Seiten der Begen
ein Ende zu machen? Zu diesem Behufe erschien es ihnen als das
allergeeignetste, wenn sie das Mädchen ins andere Dorf führten, das
heißt aus ihrem Dorf in ein anderes Dorf. Sie rechneten folgender-
weise: der Beg erlaubt nicht, daß aus seinem Dorfe das Mädchen
wegziehe, jetzt aber, wenn sie sie verstohlen ins andere Dorf weg-
führen, läßt es sich daher leicht beim Beg die Ausrede vorbringen:
,Eh!, und was bin ich da schuld?' es kann zu ihm der Lehenbauer
sagen: ,ich habe sie nicht von freien Stücken hergegeben', wie er es
ja in Wahrheit auch nicht getan hat, ,sie haben sie allein weggeführt'.
— Dem Beg, aus dessen Dorf sie derart ein Mädchen weggeführt,
war das auf keine Weise angenehm; hätte er irgend eine Kenntnis
davon besessen, er würde es nicht geschehen haben lassen, doch jetzt,
nachdem das Mädchen weggeführt worden, ist es glatt unmöglich
irgend etwas zu erreichen, denn er hat schon nicht mehr blos mit
seinem Lehenbauer zu rechnen, sondern es gilt auch mit dem anderen
Beg eine Rechnung zu fuhren, und bei Gott, dem war es nicht lieb.


Die Zuchtwahlehe in Bosnien

55

Leicht hält es, einen armen Lehenbauern zu knechten, doch einen
Beg, der sich darob freut, daß er fur seine Begherrschaft eine neue
Kraft gekriegt, nicht. So war denn nunmehr in Frieden sowohl der
Vater des Mädchens, als auch jener, der sich beweibt und bei Gott,
auch das Mädchen selber, denn alles hat sich im Augenblick abge-
spielt und sie haben nicht zu kommen gewußt, späterhin aber, selbst
wenn sie kämen, kann man sich leicht im Dorf oder wo im Wald bei
den Ställen verstecken.

Das ist uns in kurzen Umrissen die älteste Geschichte von den
Zugelaufenen.

Wenn wir alles vor Augen nehmen, sehen wir das Volk in großer
Sorge, wie es sozusagen verloren im Gefängnis schmachtet Auf der
einen Seite brennt ihm das Gewissen, auf der anderen die Gewalt-
tätigkeit, wähle davon, was dir behagt Um sich diesem und jenem
zu entziehen, erblickt das Volk das geeignetste Mittel in den Zuge-
laufenen. Nachdem jedoch die Zugelaufenen vorhergegangener Zeiten
nicht von der Art wie die unserer Zeiten waren, so war (das Aus-
kunftmittel) noch mehr zweckgemäß. Ich sagte, die Zugelaufenen,
vorhergegangener Zeiten wären nicht so wie gegenwärtig gewesen und
zwar darum, denn dazumal ging um das Mädchen nicht in Gesellschaft
der Verlobte, sondern die Freunde und Verwandten; zweitens, ist das
Mädchen nicht ins Haus des Verlobten, sondern in ein anderes geführt
worden und zwar entweder ins Haus der Verwandtschaft oder in das
von Freunden, darnach aber war die occasio peccati sowohl remota
als auch evitabilis6).

Ehedem hat, wie man sieht, die Not beraten und als Grund fur
die Zugelaufenen gedient, doch gegenwärtig liegt nichts vor, was die
Zugelaufenen zu rechtfertigen vermöchte und dennoch gibt es ihrer!
Die Zugelaufenen unserer Zeit sind nichts anderes als die (mißratene)
Ausgeburt jeder Gesellschaftordnung. Der wahre Grund für die Zu-
gelaufenen unserer Zeit ist:

a) Die Armut Unser Volk hält im allgemeinen viel auf Stolz und
guten Ruf. Das Volk ist im allgemeinen bereit, gelegentlich welcher
bedeutender Familienanlässe mit den Freundschaften großen Aufwand
und Gastereien zu treiben. Nun ja, doch das erlauben jetzt verschie-
dene Umstände nicht, nachdem das Volk außer, wie man sagt, seiner
nackten Seele sonst nichts besitzt. Du mußt, koste es was es wolle,
Aufwand treiben, kannst aber nicht Tust du gar nichts, da spült
sich jeder mit dir das Maul aus. Jedermann sagt: ,Schau, der hat
aus Habgier nicht einmal einen Hochzeitschmaus ordentlich veran-


56

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

stalten können.' Bereitest du einen, noch schlimmer, denn siehe, du
mußt dich in Schulden stürzen und dann schrei dein Lebelang ach
und wehe. Wohlan, such dem dafür ein Heilmittel, so fragt sich ein
jeder. Als geeignetestes Mittel, damit du der Verschuldung entgehst
und doch dabei deinen guten Ruf bewahrst, nahmen sie an, wären
die Zugelaufenen. Wie so? Also! Einer der sich regelrecht beweibt,
von einer Zugelaufenen aber absieht, muß zu allererst aufs Wort (Be-
sprechung) geben, das heißt, anfragen, ob die Eltern geneigt sein
werden, ihre Tochter herzugeben und ob das Mädchen willens sei, dem
Freier ihre Hand zu reichen. Jene Festlichkeit allein verursacht der-
artige Kosten, daß sie einen Armen vernichten müssen. Darnach
kommt der so zubenannte Apfel [Verlobung] und alles andere. Mit
einem Worte: Wer sich da ohne Zugelaufene zu beweiben gedenkt, der
muß mindestens 200 Gulden besitzen und einlegen, ansonst geht es
nicht Woher dem armen Kerl soviel Geld? Er hat keine 10, ge-
schweige denn 200 Gulden. Das Mädchen will, daß man ihr Ge-
schenke bringt, die Eltern fordern eine Belohnung und ein Geschenk,
die Verwandten dasselbe. Wie soll wohl der Arme das auftreiben?
Bei Gott, er kann es nicht Ja, was denn? Er fuhrt sie allein und so
wird sowohl der Wolf satt werden als auch die Geis ganz bleiben. Also
denkt der Arme, daß er auf diese Weise den Kosten ausweichen und
die Sache gut ausgehen werde. Was die Eltern eines Mädchens, was
die Verwandten alles vom Verlobten erwarten, das ist furchtbar.

b) der Grund fur die Zugelaufenen liegt auch darin, daß es viele
gewissenlose Verleumder gibt Manchen ists der größte Genuß, einen
Verlobten zu verschwärzen. Das ist gewiß in unseren Tagen ein
wichtiger Grund. Nunmehr, um den nichtswürdigen Zungen jede Ge-
legenheit aus dem Weg zu schaffen, damit nicht einer die Verlobte
mit dem Verlobten entzweie, macht man durch die Zugelaufene ein
Ende, denn dann muß alles einwilligen, nachdem sie damit schon im
voraus allem die Spitze abgebrochen.

c) oft und oft sind die Eltern und die Sippe nicht willens, daß
ein Mädchen einem bestimmten Manne folge und sich an ihn aus-
heirate, dagegen will das Mädchen. Was fängst du jetzt an? Sie mag
einen anderen nicht, jene wieder mögen ihn nicht. Da hat man gleich
ein Zerwürfnis. Um dem abzuhelfen, führt er sie allein weg und dann
müssen sie sie an den ausgeben, den das Mädchen mag.

Das wären nach meiner Erfahrung und meinem Wissen die haupt-
sächlichsten Gründe für die Zugelaufenen in unseren Zeiten.

Anmerkungen des Übersetzers. 1) Solche seltene Mutter-


Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

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gemeinden anzutreffen, ist mir leider nicht gelungen. Nicht jedes
nach unseren Begriffen uneheliche Kind gilt auch dem Bosnier als
unehelich, d. h. als Bankart oder Bastard. Bastarde (kopilad) nennt
das Volk vorzüglich Franziskanersprößlinge, weil sich der Mönch nicht
offen als Vater bekennen mag. — 2) Diese schöne Sittenstrenge ist
nur ein Postulat Miśićs, das er klüglich mit dem nachfolgenden Satz
berichtigt — 3) Von einer derartigen gerichtlichen Erlaubnis steht in
den türkischen Gesetzbüchern nichts zu lesen und auch die Volks-
überlieferung gedenkt ihrer nie. — Von diesem höchst merkwürdigen
Brauche des Abbalbierens der Mädchen weiß keiner von den anderen
Berichterstattern irgend etwas zu vermelden. Alle meine Nachfor-
schungen im Lande unter Geistlichen, Beamten und Bauern blieben
erfolglos, ebenso all mein Suchen nach einer folkloristischen Parallele
in der älteren und neueren Literatur. Man kann jedoch füglich nicht
annehmen, daß ein im Lande geborener, als Religionlehrer in der
Hauptstadt wirkender Franziskaner seinen Bischof mit erfundenen Ge-
schichtchen blau anlaufen lassen wollte. Vorläufig bleibt als einziger
Zeuge für den Brauch eben Frater Mi Sic. Es ergeht einem dabei,
wie mit gewissen chrowotischen Akademikern. Man muß ihnen ihre
Behauptungen auf ihr Ehrenwort, ihren Handschlag und ihren Eid
glauben, wenn man gut aufgelegt ist oder sich um anderweitige Be-
weise selber bekümmern, wenn man die Angaben wissenschaftlich
verwerten will. Man bedenke, daß Miśić in seiner Heimat zu den
hochgebildeten Leuten zählt und erwäge dann, was für Vertrauen bei-
läufig die älteren Chronisten des Slaventums mit ihren sich jeder
näheren Prüfung entziehenden und keiner Prüfung stand haltenden
Erzählungen vom Glauben, den Sitten und Gebräuchen der heidnischen
Slaven verdienen. Sie sprühen und glühen noch mehr als Miśić
gegen seine moslimischen Stammbrüder von Hass gegen die Ungläu-
bigen und sind bestrebt, sie lächerlich und verächtlich zu machen.

5) Der moslimische Grundherr war ein Lehenmann des Sultans,
nicht Eigentümer von Grund und Boden und am allerwenigsten vom
Leben seiner Pächter, und Richter war er vollends nicht. Ließ er sich
etwas zu Schulden kommen, so mußte er auf eine Klage des Pächters
hin vor dem Kadi erscheinen. Fand der Pächter sein Recht nicht,
so ging er zum Vali, dem Gouverneur nach Sarajevo oder Travnik
und da war gewöhnlich der Beg von vornherein im Nachteil. Schließ-
lich packte sich der unzufriedene Pächter zusammen und suchte bei
einem anderen Beg in einem anderen Bezirk eine Pacht, oder er steckte
des Begen Gehöfte und Wald in Brand oder schlug sich zu einer


58

Die Zuchtwahlehe in Bosnien

Hajdukenschar ins Gebirge, um Rache zu üben. Keinesfalls durfte
der Beg mit seinem Pächter harte Bretter bohren. Die Guslarenlieder,
die am zuverläßigsten über das Leben und Treiben der Edelleute und
des Volkes berichten, enthalten nicht einmal eine Andeutung von
einem ius primae noctis und die sonstigen Überlieferungen ebenso-
wenig. Man überlege doch, der Beg hat daheim drei oder vier Ehe-
frauen, dazu im Hause mehrere Zofen und Dienerinnen; die einen
muß er regelmäßig geschlechtlich befriedigen, die anderen machen
sich eine Ehre und ein Vergnügen daraus, wenn er seinen Blick wohlge-
fällig auf ihnen ruhen läßt. Im Bedarffalle bieten sich ihm die sauber-
sten Jungfrauen und Frauen an. Er müßte rein irrsinnig sein, wenn
er gerade die unpassendste Gelegenheit einer bäuerlichen Hochzeit
wählen würde, um mit Gefahr seines Lebens einen Genuß zu suchen,
der ihm keinerlei Reiz der Neuheit, keine Ehre und Lust darzubieten
hat. Wenn ein Beg bei einer Bauernhochzeit erschien oder erscheint,
war und ist er stets ein gar willkommener Gast, denn er muß sich
da als freigebigster Gentleman behaupten. Die Ausführungen Miś і es
sind als Dichtungen anzusprechen.

6) Die occasio peccati, d. h. eine Gelegenheit zur Ausübung des
Beischlafs betrachtet als sündhaft wohl der Mönch, nicht jedoch das
Volk, wie man ja aus unserer Anthropophyteîa genugsam ersieht.
Miś і es Unterscheidung zwischen den Zugelaufenen von ehedem und
jetzt, ist willkürlich und ganz mit Unrecht schmäht er die Zugelaufene
von heute. Heute noch wirken dieselben Ursachen, wie ehedem und
M. fuhrt ihrer drei richtig an.

2. Bericht des Frater Blaż M. Parduśić in Kresevo.
Obicaj, da mladići prija vjencanja k sebi privedu djevojku jest
priśo od turaka i na krśteni naród. Turci bo obićaju k sebi i priko
volje djevojke ugovorivsi prija s roditeljima ol ih dobro podmitivsi s
noveima djevojku dovesti ne gledajući u tom je li on mlad iii star,
samo nek je bogat pa ovo isto poće se dogagjat i megju katolicima.
Osim toga budući da joś potlje osvojenja Bosne po turćinu postała
protiv jednom krśćanluku svako razbojstvo i otimaćina i to ne samo
u stvarima gospodarskim nego se dapace na toliko izopaćiśe, da
poceśe iste żene, cure i mlade, samo ako bi jim se svidila i dopala
od krśtenog kukavnog puka turci otimati i ius primae noctis trażit.
Da se ni bi ovo dogodilo unigje u obićaj, da momak curu s voljom
ol gjekad i priko volje svojih ol njeżinih roditelja sebi ol komogod

Anm. zu Zeile i von unten: njezinih und komogod, dialektisch.


Die Zuchtwahlehe in Bosnien

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odvesti otajno da zato turci ne bi znali i nekolko vremena ś njom
proboraviti. Iz ovoga dakle і od nuzde jedan put postao obićaj curu
odvesti, unigje sada posve u obićaj. Sada se uprav onaj momak na
glasu drżi і slavi, koji curu sebi odvede prije vjencanja ter bi uprav
sramota pred svijetom bila, kad bi bogat mladić po crkvenoj odredbi
ozenio se ter ne bi djevojku prija vjencanja k sebi dovuko. Evo dakle
na koliko se je ovaj zli i opaki obićaj u narodu bosanskom ukorjenuo.
Zbog toga ima joS njeki uzroka, koji tako rekuć ovaj obićaj u narodu
uzdrże: kanoti veliki i neiskazani troskovi tako zvane uiine, koje mladić
mora ćiniti roditeljima svoje zarućene djevojke i to od zarućenja pa
do vjencanja. Ako je pako k sebi na prosto odvede, onda sve ove
troskove prikraćuje.

Übersetzung. Der Brauch, daß Jünglinge vor der Trauung das
Mädchen zu sich heimführen, ging von den Türken auch auf das ge-
taufte Volk über. Die Türken nämlich pflegen ein Mädchen heimzu-
führen, selbst gegen den Willen des Mädchens, nachdem sie • die
Sache vorher mit den Eltern verabredet oder sie mit Geld tüchtig
bestochen haben, [und die Eltern geben ihr Kind aus], ohne dabei
darauf zu schauen, ob der Freier jung oder alt ist, er braucht nur
reich zu sein, und dasselbe begann sich auch unter den Katholiken zu
ereignen. Außerdem, weil noch nach der Eroberung Bosniens durch
den Türken gegen das Christentum jedwede Art von Räubertum und
Gewalttätigkeit entstand, und zwar nicht bloß in wirtschaftlichen Sachen,
sondern (die Türken) sogar so weit entarteten, daß sie selbst Frauen,
Mädchen und Bräute, wenn ihnen eine nur in die Augen stach und
gefiel, vom christlichen, jammerbeladenen Volk wegzunehmen und das
ius primae noctis zu heischen anfingen. Damit sich das nicht zu-
tragen soll, kam der Brauch auf, daß der Bursche das Mädchen mit
ihrer Zustimmung oder zuweilen auch wider den Willen seiner oder
ihrer Eltern zu sich oder zu irgend einem insgeheim entführte, damit
davon die Türken nichts erfuhren und daß er einige Zeit mit ihr ver-
brachte. Der also daraus und aus Not entstandene Brauch der Mäd-
chenentführung kam jetzt vollends in Übung. Jetzt hält man geradezu
jenen Burschen für einen besten Rufes und Ruhmes, der zu sich vor der
Trauung das Mädchen entführt und es wäre geradezu eine Schande
vor der Welt, wenn sich ein reicher Jüngling nach kirchlicher Be-
stimmung beweibte, ohne das Mädchen vor der Trauung zu sich ge-
schleppt zu haben. Da sieht man also, wie sehr sich dieser böse und
verderbliche Brauch im bosnischen Volke eingewurzelt hat. Daneben
gibt es noch einige Gründe, die sozusagen, diesen Brauch im Volke


бо

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

erhalten: wie die z. B. die nicht zu sagen großen Kosten des soge-
nannten Imbisses, die der Jüngling zu Ehren der Eltern und Freund-
schaft seines verlobten Mädchens bestreiten muß und zwar von der
Verlobung an bis zur Trauung. Führt er sie aber einfach zu sich
heim, so kürzt er alle diese Kosten ab.

• *

Anmerkung des Ubersetzers. Unrichtig ist die Behauptung,
daß die muslimischen Stammgenossen ihren Brüdern den Katholiken
die Kaufehe gelehrt haben. Die einen sind ebensoviel Moslimen, wie
die anderen katholische Christen. Die Kaufehe ist unter den Serben
Chrowoten und Bulgaren uralt. Daß christliche Burschen aus Angst
vor einem von den moslimischen Grundbesitzern begehrten ius primae
noctis zur Entführung der Bräute genötigt gewesen, widerlegt Frater
Porduśić selber mit der Feststellung, daß auch reiche Burschen ihre
Bräute, des Ruhmes halber entfuhren oder rauben. Das ist ein Über-
lebsei uralter Raubehe und eine gewaltsam entführte Maid kann man
nicht als eine Zugelaufene bezeichnen, eben so wenig jene, die aus
Ersparunggründen im Einverständnis beiderseitiger Eltern ins Haus
ihres Herzliebsten einzieht. Das ist in diesem Falle gewöhnlich eine
Ehe aus Liebe.

3. Bericht des Frater Mihovil Kobaćić in Podhum.

To se dogodi, da udadbenica priko vlastite volje pogje za mla-
dića od roditelja joj namijenjenog ter ovaki brak ako і ne svaki put
postaje nesretan. Da bi se to otstranilo obićaje djevojka svojevoljno
poci po noći sa sebi dragim mladićem ter nekolko dana a katkat i
mjesecih s njime boraviti ter druge mladiće od sebe na taj naèin
otstranitL Dapaće u njekijem mjestima jest vrlo opak obićaj, da
źenidba mladića i kucu mu roditelja uprav na prosjaćki śtap zbog
silni troskova dotjera, jerbo svake nedilje i svetkovine od zaruka do
vjencanja dużan je mladić pozvati svu rodbinu udadbenice na take
z vane uźine, koje ćesto stoję 30—50 dukata. Pa povrh toga trażi
udadbenica od zarućnika haljine, sebi toli dragocijenje, koje nadilaze
dohotke njegove, jerbo inaće za njega poci ne će. Stoga momak
znajući, da haljina i rećeni uźina brez svoje oćite propasti ne more
pripraviti, obićaje curu pod kakvom izlikom sebi primamiti i nekolko
dana ś njom proboraviti ter će djevojka onda morat oće 1 ne će 1 za
njega poci i to brez osobitog troska, pośto si je tim ćinom sebi granu
na put stavila oli bolje rekuć sve druge mladiće od sebe odbiła.

Üb ersetzung. Das kommt vor, daß ein heiratfähiges Mädchen
gegen ihren Willen einem ihr von ihren Eltern zugedachten Jüngling
folgt und eine solche Ehe wird, wenn auch nicht jedesmal, unglücklich.


Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

6l

Um dem vorzubeugen pflegt das Mädchen eigenmächtig nachts mit
dem ihr teueren Jüngling davon zu gehen und einige Tage, manch-
mal auch Monate lang mit ihm zu verbringen und auf diese Weise
andere Jünglinge von sich abzuschrecken. Es besteht sogar an einigen
Orten der verwerfliche Brauch, daß die Verheiratung eines Jünglings
auch das Haus seiner Eltern wegen der gewaltigen Kosten geradezu
auf den Bettlerstab bringt, denn an jedem Sonn- und Feiertag von
der Verlobung an bis zur Trauung ist der Jüngling verpflichtet, die
gesamte Sippschaft der Auszuheiratenden zu sogenannten Schmausen
einzuladen, die häufig 30—50 Dukaten kosten. Und überdies heischt
die Verlobte vom Verlobten Gewandstücke, fur sich soviel Kostbar-
keiten, die seine Einkünfte übersteigen, denn sonst mag sie ihm nicht
die Hand reichen. Darum, weil der Bursche weiß, daß er die Kleidung-
stücke und die besagten Schmausereien ohne sein augenscheinliches
Verderben nicht zu leisten vermag, pflegt er das Mädchen unter irgend
einem trügerischen Vorwand heranzulocken und einige Tage lang mit
ihr zu verbringen und dann muß wohl das Mädchen, ob sie will oder
nicht, ihm folgen und zwar ohne besondere Auslage, nachdem sie sich
durch diese Handlung die Zukunft verrammelt oder besser gesagt, von
sich alle übrigen Jünglinge abgestoßen hat.

Anmerkung des Übersetzers. Im ersten Falle, läuft das Mäd-
chen von selber dem Geliebten zu, im zweiten Falle handelt es sich
um eine Kaufehe und im dritten um eine gewaltsame Entfuhrung mit
der unerläßlichen Vergewaltigung. Frater Kobaeić spricht vernünf-
tigerweise nichts von einem entsittlichenden Einfluß der schlimmen
Moslimen auf die braven Christen, sondern hält sich an die von den
Tatsachen des Volkslebens gegebene Wahrheit. Auf die Frage eines
ius primae noctis geht er gar nicht ein, weil er nicht weiß, was er
darauf antworten sollte.

4. Aus dem Bericht des Frater Anto Androsevic inPodhum.

Von einem ius primae noctis weiß A. nichts zu sagen. Ursprüng-
lich, so meint er, wäre das Zulaufen ein fremder Brauch gewesen, aber
ovi se obicaj uvede i kod rimokatolika, dieser Brauch ward auch bei
den Römischkatholischen eingeführt, weil die Kaufehe zu kostspielig
sei: ovi trosak momka vise puta nadilazi vas njegov dohodak, diese
Auslagen überschreiten oftmals all das Einkommen des Burschen.

5. Frater Pavao Kolar in Kresevo hat nie etwas von einem
ius primae noctis gemerkt. Er stellt für seinen Pfarrbezirk den Brauch
des Zulaufens von Mädchen als gewöhnlich fest, ohne daran etwas


62

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

anstößiges zu finden. Wenn er der Behörde nicht paßt, so könnte
man ihn zu ändern versuchen.

6. Aus dem Berichte des Pater Filip Majić in F oj ni ca.
Ponajprija kako nam pregji pridaju etc. — bili bi prognjani sa

zemljiśta. — SiromaSni осі djevojacki osobno su traźili sreću svojoj
kćeri i fako posebna i bez napovidanja i svetkovanja bila su yjenćanja.
— Da cure kog momka zavole, k njem bijeg imadu. — Roditelji sile
za drugoga pojti, za kim im nije volja. Roditelji ne mogu doćekati
na premjer prosce. Curinski roditelji pod izlikom izdaju svoje cure
.djevojke1, da im ne bude troska. A tako momci gledeć na istiju
roditelja zahtijevanja, koja ne mogu dokolit, obićaju sa svojim obića-
jem [sel. curu odvesti].

Übersetzung. Zu allererst, wie uns unsere Vorfahren überliefern
usw. — jagte man sie von Grund und Boden weg. — Die armen Väter
von Mädchen suchten persönlich das Glück ihrer Töchter zu gründen
und so kam es, daß die Trauungen abgesondert, sowohl ohne (kirch-
liche) Verkündigung, als auch ohne Festfeier, stattfanden — sowie
Mädchen eine Neigung zu einem Burschen fassen, flüchten sie zu ihm.
Die Eltern zwingen sie, einem anderen, der die Neigung des Mädchens
nicht besitzt, die Hand zu reichen. Die Eltern können zum Beispiel
die Werber gar nicht erwarten [oder, gebürend empfangen]. Die
Eltern der Mädchen geben ihre Mädchen ,die Jungfern' unter dem
Vorwande aus, um Kosten zu vermeiden. Und so pflegen auch die
Burschen mit Hinblick auf die Forderungen derselben Eltern, denen
sie nicht Genüge zu leisten vermögen, nach ihrem Brauch vorzugehen
[d. h. das Mädchen zu entfuhren].

Anmerkung des Ubersetzers. Daß man die ansässigen Bauern
verjagte, ist eine unbewiesene Annahme. Die Bewohner ganzer Dörfer
verließen bei sehr geringen Anlässen ihre bisherigen Wohnsitze, um
neue, bessere, aufzusuchen. Die treue Liebe zur heimatlichen Scholle
bildet keineswegs ein hervorstechendes Motiv in der Volksüberlieferung,
im Gegenteil. Zutreffend hebt Pater Majić hervor, daß auch den
Brauteltern bei einer Kaufehe namhafte Kosten erwachsen. Den
Käufer, d. h, den Bräutigam und seine gesamte Verwandtschaft muß
man auch unabläßig reichlich bewirten und ihnen mit Gegengeschenken
aufwarten. Läßt man nun seine Tochter entlaufen, so richtet man
sich nicht wirtschaftlich zu Grunde und wahrt seine Ehre.

7. Aus dem Berichte des Frater Antun Pavlinovic in KreSevo.
Obićaj vidi se, da je nasto radi troskova. Źupnici, koji su vise

vremena zupnikovali, potvrdice, da mnogi svoje djevojke, koje bi


Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

бз

udavali, Jesu prodavali kao marvu pogagjajući se se s onim, koji żeli
imati njiovu djevojku, da ima dati tolko novaca, odjeće, obuće itd.
Sto i danas biva u mnogim mjestim na proSnji iii ugovoru. Da se
je nastojalo dokinuti taj obićaj to svidoci blagę uspomene fra Augustin
Mileta, koji u svojih Naredbe i Uprave broj 10 zabranjuje, da se ne
smije vise od 60 para zahtjevati u jabuci, koja se u znak privole
obićaje davati na prośnji. Isto nastojalo se dokinuti i obićaj samodośle.
Desi se n. pr. da momak privede djevojku prije udaje. Ordinarius
zapovjeda, da ju povrati roditeljem i dok je ne vrati, dotle se ne ce
vjencati. Momak se ne bi hotio podlożiti odredbi, vec bi se vjenco
kod turskoga kadije i tako in concubinatu zivio. Za preprićiti ove
zle posledice su vikari bili usilovani pripuśćati samodoSlice naregjujući
straśne pedipse a njegda i novcane globe, koje su iSle u kasu crkvenu.
Crkva daje nam vlast pedipsati ovake [samodośle],

Übersetzung. Man sieht, daß der Brauch der Unkosten halber
entstanden ist. Die Pfarrer, die längere Zeit Pfarren verwesten, werden
bestätigen, daß viele ihre Mädchen, die sie ausheiraten wollten, wie
das Vieh verkauften, indem sie mit dem handelten, der ihr Mädchen
begehrt, er habe ihnen [so und] soviel Geld, Gewand, Beschuhung usw.
zu geben, was auch heutigentags an vielen Orten auf der Werbung
oder beim Vertrag geschieht Daß man sieht bemüht hat, diesen
Brauch abzustellen, das bezeugt Frater Augustin Mileta, seligen An-
denkens, der in seinen Verordnungen und Verhaltungvorschriften Zahl
10 verbietet, man dürfe beim Apfel, den man zum Zeichen der Zu-
stimmung auf der Werbung zu geben pflegt, nicht mehr als 60 Paras
fordern. Ebenso bemühte man sich auch den Brauch der Zuläuferin
abzustellen. Es trifft sich z. B. daß ein Bursche ein Mädchen vor der
Verheiratung zu sich heimfuhrt. Der Ordinarius befiehlt, daß er sie
den Eltern zurückgebe und ehe er sie nicht zurückgegeben, werde er
sie (das Paar) nicht trauen. Der Bursche pflegte sich der Anordnung
nicht zu unterwerfen, sondern ließ sich beim türkischen Kadi trauen
und lebte so in concubinatu. Um die bösen Folgen zu verhindern,
waren die Vikare genötigt, die Zuläuferinnen [zur Trauung] zuzulassen
indem sie über sie furchtbare Leibstrafen und zuweilen auch Geld-
bußen verhängten, die in die Kirchenkassa flössen. Die Kirche räumt
uns die Macht zur Züchtigung solcher [Zugelaufenen] ein.

Anmerkung des Übersetzers. Die bösen Folgen wären die
gewesen, daß auch andere Katholiken das gegebene Beispiel nachge-
ahmt und sich vom Kadi bürgerlich hätten trauen lassen. Dadurch
wären die Pfarrer um die ihnen vom lieben Herrgott im Himmel


64

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

bestimmten Stolagebühren gekommen, das aber mußte man verhindern,
selbst wenn die junge Frau unter der Leibzüchtigung abortierte. Es liegt
auf der Hand, daß eine solche Strenge zur Wahrung des Einkommens
der Kirchenkasse unter Umständen wesentlich, doch zur Erhöhung der
Beliebtheit der Franziskaner und des christkatholischen Glaubens im
Volke nur unwesentlich beizutragen vermochte. Beim Kadi kostete
die Trauung 2 bis 5 Gröschlein oder auch nichts, wenn das Paar arm
war, beim Franziskaner immer einen für den Bauer bedeutenden Be-
trag, zudem mußte man einen Hochzeitschmaus veranstalten.

8. Aus dem Berichte des Frater Jeronim Vladic im Bezirk von
Skoplj e.

I to je uzrokom uskoćica, śto su neki krajevi regje vigjali svece-
nike ter slabije bili poducavani u vjerskih istinah. Uzimam za primjer
Skoplje. Moźda u cijeloj Bosni nejma primjera tolikim uskoćicam kao
ovgje a to zato śto se oni od pradavnih vremena tako żene a ovo
opet śto su rijetko vigjali svecenika ter doslijedno słabo bili poduéeni
u vjerskih predmetih.

Znamo iz bosanskih ljetopisa, da prije kakvih 200 godina u cijelom
danaśnjem Skoplju nije bilo nigdje sela krśćanskoga, nego da je bilo
samo 530 duśa katolićkih (Arch, congregationis de propaganda fide
ad ann. 1675. Izyjeśće biskupa Bentiića i Ogramića) a to su bile sve
same sluge u bega. Ovim je prolazilo i po vise godina, da ne bi
vidili svecenika a kamo li da bi imali kada u vjeri biti poduéeni a
prije kakovih 120 godina bilo je u svem Skoplju (danaśnje tri źupe)
143 kuce katolićke (ibidem ad ann. 1762. Izyjeśće biskupa Dragiće-
vica) ter je nekako oko ove godine i żupnik stavljen ovamo sa sijelom
svojim u zabitnom Voljicu, gdje je moralo biti najvise katolićkih
obitelji a izgorjev poćetkom ovoga stoljeća żupski stan u Voljicu preseli
se żupnik za Glavicu (Biljeśka na misalu u Golom brdu pok. Fra Ilije
Glavocevica onovrjemenog żupnika) otkale vecinom jedan slużio cijelo
Skoplje od izvora Vrbasa do Doljnega Vakufa a to je duljina do
kakovih devet sati і tosve do godine 1844.

— Taj nasilni upliv stopram je jenjao okupacijom al uskoćice
prestale nisu. Możemo indi donekle kazati, da su i mohamedanci tome
povoda dali.

Übersetzung. Auch das ist ein Grund für die Ausreißerinnen,
weil einige Gebiete seltener Geistliche sahen und in den Glaubens-
wahrheiten schwächer unterrichtet wurden. Ich nehme als Beispiel
Skoplje. Vielleicht gibt es in ganz Bosnien kein Beispiel für so viele


Die Zuchtwahlehe in Bosnien

65

Ausreißerinnen als wie hier und dies darum, weil man sich hier seit
uralten Zeiten auf diese Weise beweibt, dies aber geschah wieder
darum, weil sie selten einen Geistlichen sahen und folglich schwach
in den Glaubensgegenständen unterrichtet wurden. Aus bosnischen
Chroniken wissen wir, daß vor einigen 200 Jahren im ganzen heutigen
Skopljegebiet es ihrer bloß 530 katholischer Seelen gab (Arch, con-
gregations de propaganda fide ad ann. 1675. Bericht der Bichöfe
Bentiić und Ogramić) und das waren lauter Bedienstete der Begen.
Diesen pflegten auch mehrere Jahre zu verstreichen, ohne daß sie
einen Geistlichen zu Gesicht bekamen, geschweige denn, daß sie Zeit
zur Belehrung in der Religion gefunden hätten, und vor einigen 120
Jahren gab es im gesamten Skoplje (den heutigen drei Pfarren) 143
katholischer Häuser (ibidem ad ann. 1762. Bericht des Bichofs Dra-
gicévic) und beiläufig um dieses Jahr setzte man hierher auch einen
Pfarrer mit seinem Sitz im versteckten Voljic, wo es wohl am meisten
katholischer Familien gegeben hat, und als anfangs dieses [XIX.] Jahr-
hunderts die Pfarrerwohnung verbrannte, übersiedelte der Pfarrer nach
Glavica (Notiz auf dem Missale zu Golo brdo von der Hand des da-
maligen Pfarrers Frater Ilija Glavocevic), von wo aus der eine das
ganze Skopljegebiet vom Vrbasquell an bis zum Doljni Vakuf versah
und das hat eine Länge von einigen neun Stunden, und dies währte
bis zum Jahre 1844.

Frater Vladic weist noch, wie die anderen Berichterstatter auf
die Reibungen zwischen Moslimen und Christen hin und fährt dann
weiter fort: Dieser Gewaltmenschenseinfluß ließ erst seit der Okkupa-
tion etwas nach, doch die Ausreisserinnen hörten nicht auf. Wir
können also in einem gewissen Sinne sagen, daß auch die Moslimen
dazu Veranlassung gegeben haben.

Anmerkung des Ubersetzers. Man hat sich zu merken, daß
Frater Kladić den Brauch als uralt bezeichnet und seinen unver-
minderten Bestand trotz hundertundsiebenzig Jahre währender, von
Pfarrern ausgehenden Belehrung und trotz erfolgter politischer Um-
wälzung feststellt. Die Moslimen haben ihn vielleicht auch mit ver-
anlaßt, meint der Frater recht verständig, auch macht er die Armut
des Volkes für die Erscheinung nicht verantwortlich, denn im Gebiet
von Skoplje, das sich durch seine Fruchtbarkeit auszeichnet, sind
die Bauern durchwegs vermögend und wären in der Lage, prunk-
volle Kaufehen zu schließen.

9. Aus dem Bericht des Frater Mihovilo Kopić in Fojnica.

Zabranjuju uzet djevojku ol udovu svojim sinovma. — Taj obićaj

Krauss, Anthropophyteîa. IV. c


66

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

biva i zato, Sto se pribojavaju obe stranke, da ih ne bi tko skudio. —
Djevojka higje s vjerenikom ol drugim od istog poslatim svojevoljno.

Übersetzung. [Die Eltern] verbieten ihren Söhnen ein Mädchen
oder eine Witib zu nehmen. — Dieser Brauch kommt auch deshalb
vor, weil beide Parteien die Besorgnis hegen, es könnte sie wer durch
böse Nachreden entzweien. — Das Mädchen geht freiwillig mit ihrem
Verlobten, oder mit einem anderen von ihm abgesandten.

10. Aus dem Berichte des Frater Augustin Purgić, Pfarrers zu
Gromilj e.

Da djevojke prija vjencanja uskoće oli pribjegnu svojim yjernikom
[nicht vjerenikom] uzroci su dvogubni. Gospodari joj udaju sveosve
uskraćuju; sjeromaStvo, sjerotinja, goloća. Uskoćenjem sve se to mi-
moigje. A cetvrto navedu uskoćile katkad і to za uzrok, Sto joj je
vjerenik reko, da joj drukćije nije ni muśterija ako naime ne prib-
jegne.

Dogodilo se njekim źupnicim (prem meni nije nikada), da je pod
imenom uskoćice dogodio se raptus realis, ali palliatus, pallio „usko-
cice'V JoS: uskoćica je njegdi manje zla, jer se cuva djevojka neosk-
vrnjena a njegdje je prizla, jer ju oskvrnji vjerenik odma. Ćini mi se,
da mnogo ovim uskoćicam uzrok jesu turci radi svoje nezauzdane puti.

Übersetzung. Daß die Mädchen vor der Trauung ausreissen
oder ihren Verlobten zugelaufen kommen, dafür liegen zweifache
Gründe vor. Die Herren verweigern ihr durchaus und unbedingt die
Verheiratung, [dann] die Armut, gänzliche Mittellosigkeit, das Ent-
blößtsein von Allem. Durchs Ausreißen weicht man alledem aus.
Und viertens führen die Ausgerissenen auch das als Grund an, der
Verlobte habe ihr gesagt, er wäre sonst gar nicht ihr Kunde, wenn
sie ihm nämlich nicht zulaufe.

Es widerfuhr einigen Pfarrern (wiewohl mir niemals), daß sich
unter dem Deckschild Ausreisserin ein raptus realis zutrug, doch ein
palliatus, pallio einer „Ausreisserin". Noch etwas: Die Ausreisserin
ist hie und da die minder arge Erscheinung, denn das Mädchen wird
in seiner Keuschheit behütet, zuweilen jedoch eine nur zu arge, denn
der Verlobte gebraucht es sofort. Es scheint mir, daß vielfach die
Moslimen wegen ihrer ungezügelten Wollust ein Grund für die Aus-
reisserinnen sind.

Anmerkung des Üb ersetzers. Unter den Herren meint der
Frater wohl die Eltern oder die Brüder des Mädchens, die auf ihren
Vorteil schauen.


Die Zuchtwahlehe in Bosnien

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її. Aus dem Bericht des Frater G Drażetić in Gornji Vakuf.
Uskoćica biva osobito kad bi źenjenik tankovic a roditelji istog
tvrtcina oli lakomac bili.

Üb ersetzung. Die Ausreisserin kommt besonders vor, wenn
der Heiratlustige sehr arm ist und seine Eltern Geizkragen oder hab-
süchtig sind [d. h. wenn sie den Aufwand einer Kaufehe nicht bestreiten
mögen].

12. Aus dem Berichte des Frater Andrija Juricevic in TriScani.
— da dakle ovoj pogibili izbjegnu sami bi ju sumovlakom odveli

ja uprav u kucu roditelja zenjenikovi ja li u ćiju od obliżnji rogjaka.
— Razlikuju se u sve i posve. — Ispita se rodbina obiju stranka. —
Udadbenica oteta śto prija se povraca na prostosL

Überset zung. Um also dieser Gefahr [der Entehrung des Mäd-
chens durch Moslimen] zu entweichen, pflegten sie es selber geraden-
wegs ins' Haus der Eltern des Bräutigams oder in das naher Ver-
wandten zu fuhren. — [Die Alleinzugelaufene] unterscheidet sich him-
melweit [von der Geraubten]. — Man fragt die Sippen beider Parteien
aus. — Einer geraubten Braut wird ehestens die Freiheit wiederge-
geben.

Anmerkung des Übersetzers. Fra Juricevic unterließ es
darzutun, warum und wieso denn das Elternhaus des Bräutigams oder
das eines nahen Verwandten der Jungfer vor den Nachstellungen geiler
Moslimen eine größere Sicherheit gewährt habe als ihr Elternheim.
Zu den haltlosen Behauptungen zählt auch der Schlußsatz.

13. Aus dem Bericht des Frater Ivan Vujicic in Brestovsko.
Ovakove pred żupnika pozvane pokraj svega njegova katehi-

ziranja i pretnja obićno odgovore: ,Koja usta rekla ta i porekla', —
,Na me nij ni postało ni ostało1, — ,Kad su druge mogle tako ućiniti,
mogu i ja', — Nijedne nije vrag odnio, śto je prevarila, ne će ni
menel'

Iza toga nastaju neprilike za żupnika śto da ćini sa neyjernicom,
da druge zla izgleda ne slijede i za prevarenoga żenjenika zbog sramote
megju drugovi i troskova uzalud ućinjenih, gdje ovaj kadikad i pod-
vojstruci iste a druga stranka ni polovicu zbilja ućinjenih ne priznaje.
Osim toga roditelji djevojacki ne će da znaju za povratak troskova
govoreci: ,Eto ti cura, mi je nismo odvratili, Tko ti je kriv ako te
ona ne će?' Djevojka pako obićno svoga vlastitoga ne ima niśta da
plati. Onaj pako koji ju je odveo ol će neśto mało troskova na sebe
primiti ol ne će niśta, govoreci: ,Ko je jeo i pio, nek ti plaça1, itd. i

5*


68

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

tako se dogodi, da se familije njeke silno zaduże zbog troskova uzalud
ućinjenih a toga se ne će odvratiti, jer je obićaj takov te svald mora
ako se hoće źeniti, troSiti makar uzalud bilo. Zbog toga prevareni
źenjenik ù oćajanju vise puta traźi prigodu osvetit se neyjernici ol
onomu koji ju je odveo i tako se citave familije zavade te dogje kadi-
kad do razbijenih glava. A bilo je prije slucajeva, gdje je prevareni
iz puśke ubijo і djevojku i njezina novoga zavodnika.

Buduć jedno zlo drugo vuće, prevareni źenjenik sebi drugu nagje
al je visé ne prosi po zakonu već ju nocom dovede, kod sebe drżi i
poslje igje żupniku na prsten, L j. da zaruke sklopi. Kad ga żupnik
po svoj dużnosti za to ukori, on odgovara: .Radio sam dosada po
zakonu pak sam ц crno zavijen i opet prevaren ostao. Kad imate
zakon, da se ne smije po noći voditi, zaśto ga ne imate da djevojke
ne smiju varati ol ako prevare, §to je vjencate dok troskova naśih ne
plateF1

Dapaće tu se proti istomu svetome zakonu govori. Ja sam kao
żupnik viseput dozivio, gdje su mi mnogi u ovakovih okolnostih, kad
bi se brzo vjencala djevojka, koja je drugoga tako prevarila a troskova
ne platila, rekli: ,Nejma strażnjega zakona od nasega. Bolji je turski
i hriśćanski zakon, jer oni svoje, dok po noći odu, yjenćaju odmah a
mi troM ovde, trośi onde, pa kad nas prevari, onda nikomu niśta!'

Übersetzung. [Der Frater spricht von jenen Mädchen, die sich
nicht verkaufen lassen, sondern dem Mann ihrer Wahl zulaufen]. Vor
den Pfarrer vorgeladen antworten solche gewöhnlich trotz aller Kate-
chisierung und allen Drohungen: ,Der Mund, der zugesagt, derselbe
hat auch abgesagt1, — ,Bei mir hat es weder angefangen noch aufge-
hört*, — ,Konnten andere so handeln, kann auch ich es', — ,Noch
keine einzige hat der Teufel geholt, weil sie einen genasfuhrt hat, so
wird er auch mich nicht holen!'

Darnach entstehen für den Pfarrer Unannehmlichkeiten, was er
denn mit der Treulosen anfangen soll, damit nicht andere dem bösen
Vorbild folgen, und wegen des betrogenen Brautsuchers der Schande
halber unter den Genossen und ob der vergeblich gemachten Aus-
lagen, wo der doch zuweilen diese auch verdoppelt, die Gegenpartei
aber nicht einmal die Hälfte der wirklich gemachten Kosten anerkennt
Außerdem mögen die Eltern des Mädchens von einer Rückerstattung
der Kosten nichts wissen, indem sie sagen: ,Da hast du das Mädel,
wir haben sie nicht davon abgebracht. Wer ist dir Schuld daran,
wenn sie dich verschmäht?' Das Mädchen aber besitzt gewöhnlich
gar kein eigenes Vermögen, um zu zahlen. Jener wieder, der sie ent-


Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

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führt hat, mag entweder ein weniges von den Kosten auf sich nehmen
oder gar nichts, indem er sagt: ,Der da gegessen und getrunken hat,
der soll dir auch zahlen' usw., und so geschieht es, daß sich manche
Familien wegen der vergeblich gemachten Auslagen gewaltig ver-
schulden und davon werden sie nicht ablassen, weil der Brauch so ist
und jeder ist bemüßigt, der sich beweiben will, auszugeben und selbst
sollte es vergeblich sein. Darum sucht der hintergangene Bräutigam
in seiner Verzweiflung öfters eine Gelegenheit, sich an der Treulosen
oder an jenem zu rächen, der sie entfuhrt hat und so geraten ganze
Familien in Zwietracht und es kommt mitunter zu zerschlagenen
Köpfen, früher ereigneten sich auch Fälle, daß der Betrogene sowohl
das Mädchen als ihren Buhlen mit Gewehrschüssen tötete.

Dieweil ein Übel das andere nach sich zieht, findet der Bräutigam
fur sich eine andere, doch freit er um sie nicht mehr nach dem Ge-
setz, sondern führt sie nächtlicherweile heim, hält sie bei sich und
geht späterhin zum Pfarrer zur Beringung, d. h. um die Verlobung zu
schließen. Wenn ihn nun der Pfarrer pflichtgemäß deswegen rügt,
so antwortet er: ,Ich habe bis nun nach dem Gesetze gehandelt, bin
in Trauerkleidung gehüllt worden und dennoch der Gefoppte ge-
blieben. Habt ihr ein Gesetz, daß es unerlaubt ist, nachts eine heim-
zufuhren, warum habt ihr keines, daß die Mädchen einen nicht narren
dürfen, oder, wenn sie schon betrogen haben, warum traut ihr sie,
ehe sie uns unsere Kosten bezahlen?'

Ja, man eifert hierbei sogar gegen das heilige Gesetz. Ich er-
lebte es als Pfarrer mehrmals, daß mir viele unter solchen Umständen,
.wann eine rasche Trauung des Mädchens erfolgt war, das einen an-
deren so betrogen, die Auslagen aber nicht bezahlt hatte, sagten: ,Es
gibt kein rückständigeres Gesetz als es das unsere ist. Besser ist das
türkische und das altgläubigchristliche Gesetz, denn wenn die nachts
gehen, vollziehen sie sogleich die Trauung, wir jedoch gib da aus, gib
dort aus und wenn sie uns betrogen hat, da hat jeder das leere Nach-
sehen!'

Anmerkung des Übersetzers. Man ersieht aus dieser lebens-
warmen Schilderung, daß es auch mit dem Brauch des Brautkaufs
happert und daß die Liebe oftmals stärker ist als das Geld der Freier
und die Weisheit der Eltern. Daß jedoch der Brauch des Zulauferis
des Mädchens nur durch den Brauch des Brautkaufs entstanden sei,
ist bloß die Meinung des Berichterstatters.


JO Die Zuchtwahlehe in Bosnien«

14. Aus dem Berichte der Frater Mate Baljić in Banbrdo.

Na vise mjesta po Bosni zove se djevojacki greb і svatovsko
greblje L j. javno vodeci djevojku jedan kmet sa pomoćju svoga age,
takogjer drugi kmet isto sa pomoćju svoga age doćeka prvog i za
otimanje djevojke na mjestu pało bi mrtvi.

Buduć da je sloboda nastała kako u stvarma duhovnim tako u
stvarma źenidbenim da se mogu javno obavljati, Ірак neki katolici ne
će da obavljaju javno u stvarma żenidbenim, za oto jerbo po noći
tajno kada privedu djevojku, otstupe od one djevojke i već volju
izgube a mlogo puta bude da djevojka na svakom ispitu każe, da oće
za onog mladića, koji ju je po noći tajno priveo k svojoj kuci; za oto
govori; jer ne ima prostosti od svoje volje.

Übersetzung. An mehreren Orten im Bosnaland heißt man
[gewisse Stellen] das Mädchengrab und das Hochzeitergrab, d. h. ein
die Braut unter dem Schutze seines Agas heimführender Bauer ward
von einem anderen Bauern, der gleichfalls mit Hilfe seines Agas aus-
gezogen, überfallen und beim Ringen um den Besitz des Mädchens
pflegten Tote den Boden zu bedecken.

Dieweil sowohl in geistlichen Sachen als in Heiratangelegenheiten
eine Zeit der Freiheit angebrochen, daß man sie öffentlich vollziehen
kann, so wollen dennoch manche Katholiken in Ehesachen nicht öffent-
lich vorgehen, und zwar darum, weil, wenn sie nachts heimlich ein
Mädchen heimgeführt, sie auch wohl von jenem Mädchen zurücktreten
und schon die Lust zu ihr verlieren, oftmals jedoch geschieht es, daß
das Mädchen bei jeder [geistlichen] Prüfung aussagt, sie wolle jenem
Jüngling folgen, der sie nachts heimlich zu seinem Hause geführt hat;
so spricht sie darum, weil sie die Freiheit ihres Willens nicht besitzt.

Anmerkung des Ubersetzers. Der Burgherr oder ein stein-
reicher Bauer hat ein vielumworbenes, wunderschönes Töchterlein.
Auf der Heimführungfahrt überfallt einer oder mehrere von den ab-
geblitzten Freiern den Hochzeitzug und bald besiegt der glückliche
Bräutigam die Angreifer, bald sind wieder die Angreifer die Sieger.
Das ist ein vielfach in Guslarenliedern abgedroschenes Motiv und die
Sage tritt an vielen Orten auf, als wäre die Geschichte just dort
passiert. Den Zusammenhang dieser Sage mit dem Brauche der Zu-
gelaufenen herzustellen, vermag ich nicht und auch Frater Baljić
versuchte es nicht. Eigenartig ist seine Behauptung, daß man ein
Mädchen sozusagen zunächst auf eine Probenacht entführe, um das
Mädchen darnach, wenn die Probe nicht zur Befriedigung ausfiel,


Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

71

wieder ohne weiteres abstoßen zu können. Richtig ist dagegen die
Abfuhrung der Braut zur Nachtzeit, was ja auch andere bestätigen.
In Urzeiten war bei allen jenen, denen in der Brust kein Heldenherz
schlug, das Eheschließen eine heimliche Sache, eine rein private An-
gelegenheit und daran hat fur die Menge der Unbedeutenden, die das
Volk bilden, weder das Christentum noch der Islam unter den Süd-
slaven viel zu ändern vermocht

15. Aus dem Berichte des Frater Bono Ostojić in Solakova
kuła.

a) To bude ćestoput zbog nekakvog umiśljenog ponosa, jer se
kukavstinom ćini, ako koja lijepim se naćinom isprosi. b) Mnogoput
bude ex coeco amore, da tim bolje osigura svoju udadbu za dotićnog
svog dragog i da je se drugi, koga ona ne ljubi, tim pribjegnućem
okani. c) Viseput su uzrokom i previSi troSkovi s kojim su skopćane
proSnje djevojke pa tomu izbjeguuti misie dotićni na tald jednostavniji
naćin. d) Taj obićaj poprimili su od turakah i riSćani koji jim slużi
toboź na diku i ponoś te tako i nasi katolici poprimivSi od njiha vode
taj obićaj.

Übersetzung, a) Das geschieht oftmals eines gewissen einge-
bildeten Stolzes halber, denn man hält es für eine Feigherzigkeit,
wenn man ein Mädchen auf eine schöne Manier erworben hat b) Viel-
fach geschieht es ex coeco amore, um damit besser ihre Ausheiratung
an ihren betreffenden Liebsten sicher zu stellen und damit ein anderer,
den sie nicht liebt, infolge dieses Zulaufens von ihr ablassen soll,
c) Mehrfach sind auch die übertriebenen Auslagen ein Grund, mit
denen Werbungen um ein Mädchen verknüpft sind und die Betreffen-
den glauben damit auf eine einfachere Weise zu entgehen, d) Diesen
Brauch übernahmen von den Moslimen auch die (altgläubigen) Christen,
und er dient ihnen angeblich zum Ruhm und Stolz und also nahmen
auch unsere Katholiken hier diesen Brauch von ihnen an.

Anmerkung des Übersetzers. Unter a) vermengt der Frater
die gewaltsame Entfuhrung mit dem freiwilligen Zulaufen der Braut
und zu d) ist hervorzuheben, daß da Moslimen und die Christen
beider Bekenntnisse von gleichem Stamme, gleicher Sprache und
gleichen Sitten und Gebräuchen sind, im Grund auch von ein und
demselben Glauben, den die Lehrer der Religionen nur dem Schein
nach auszurotten vermochten. Richtig ist zu sagen, die Bekenner aller
drei Bekenntnisse betrachten es als ihren Ruhm und Stolz ihren ur-
alten Brauch allen Hemmnissen zum Trotz aufrecht zu erhalten.


72

Die Zuchtwablehe in.Bosnien.

іб. Aus dem Berichte des Frater S tj ер о Momcilovic inKise-

ljak.

Ovaj obićaj jest kod nas u Bośni od vise stoleća uveden, koji
obićaj i dan danas kod krSćana vlada. Uzroci radi kojih je uvedena
samodoSla jesu a) śto su usvajali turci ius primae noctis s krSćankom
kao age i bezi, b) jerbo je taj zbilja orijentalski naćin, korne su i nasi
previkli, tako da su se mnogi i kod turskih kadijah vjencavali, c) ro-
diteljska odurnost, kojom ne puStaju svojim ćerma volju, nego ju sami
izbjeru, d) roditelja cjenidba koliko mora dati żenjenik rodbinł udad-
benice. — Joś peti uzrok mogo bi se navesti, Sto mloge djevojke,
kad sil već zakonito sklopile zaruke i koji put oglaSene u crkvi, obi-
ćaju prevariti vjerenika a prebjegnut drugomu.

Uskoćica bosanska ne bi bila otimaćina, jer sama ona rijeć samo-
doSla ne zlamenuje drugo, nego da je dragę volje hotijuć ostavila
djevojka svoje roditelje.

Übersetzung. Dieser Brauch ist bei uns in Bosnien seit meh-
reren Jahrhunderten eingeführt, welcher Brauch auch noch heutigen-
tags bei den christkatholischen herrscht. Die Gründe, derentwegen
die Zugelaufene eingeführt worden, sind a) weil sich die Moslimen
als da sind die Agen und Begen, das ius primae noctis mit der
Christin anmaßten, b) weil dies tatsächlich die orientalische Methode
ist, an die sich auch die unsrigen gewöhnten, so daß sich viele sogar
bei den türkischen Kadis trauen ließen, c) die elterliche Ruppigkeit,
mit der sie ihren Töchtern den Willen nicht lassen, sondern selber
die Wahl [eines Lebensgefährten für sie] treffen, d) die elterliche
Schätzung, wieviel der Bräutigam der Sippe der Braut zu entrichten
bat. — Noch ließe sich als ein fünfter Grund der anführen, daß viele
Mädchen, nachdem sie bereits gesetzmäßig die Verlobung geschlossen
und etlichemal in der Kirche verkündigt worden, den Brauch üben,
den Verlobten zu betrügen und einem anderen zuzulaufen.

Die bosnische Ausreisserin stellte eigentlich keinen Raub dar,
denn schon das Wort samodoSla (die allein gekommene) allein bedeutet
nichts anderes, als daß das Mädchen aus freien Stücken wollend ihre
Eltern verlassen hat

Anmerkung des Übersetzers. Die Anmaßung eines ius primae
noctis seitens der Moslimen ist auch bei diesem Berichterstatter nur
eine Vermutung.

In den öden, unsäglich finsteren, nachtumhüllten, franziskaner-
losen Jahrhunderten, oder vielmehr Jahrtausende hindurch, lebten die
Slaven im allgemeinen und die Bosnier im besonderen in concubinatu.


Die Zuchtwalilehe in Bosnien. 73

Das Weibchen lief dem Männchen zu und sie zeugten lauter Bankarte,
weshalb denn das ganze, von keinem Licht der heiligen Glaubens-
wahrheiten bestrahlte, erhellte und beglückte Volk, ein Volk von
Bastarden war und zum großen Teil allen geistlichen Ermahnungen
zum Possen es in Sünde und Schande auch noch ist Also spiegelt sich
in der Auffassung der Mönche das Volksleben ab. Das ist ihre Meinung
und wir wollen dawider nicht rechten, sondern das Volk befragen.

Die Mönche fur ungebildet zu halten, wäre töricht. Alle haben
ein Gymnasium besucht, alle lesen geläufig lateinisch, manche auch
altgriechisch, viele verstehen italienisch, manche deutsch, nur ihr Volk
verstehen sie schlecht, dem sie entstammen, weil sie durch die eigen-
artige Schulbildung dem Volke geistig entfremdet sind. Sie verloren
die Art des Schauens und Hörens, die den Folkloristen zum Forscher
erhebt, sonst würden sie nicht ungehört ihre Volksgenossen erbar-
munglos verdammen.

Von der SamodoŚla oder Uskoćica (Zugelaufene, allein zuge-
kommene oder Ausreisserin) berichten zahlreiche Volküberlieferungen.
Keiner von unseren 16 Franziskanern nahm auf sie Bezug, als ob es
ihrer gar keine gäbe. Manche davon wollen wir in den nächsten
Bänden der Anthropophyteia anfuhren, hier einstweilen aber nur die
einfachste und klarste Anschauung des Gewohnheitrechtes über diese
Eheform kurz mitteilen.

Man schreibt und spricht von der Raubehe und Kaufehe als
ältesten und verbreitetsten Einrichtungen, übersieht aber dabei, daß es
im Grund genommen nur die auffälligsten, daher meist geschilderten,
doch nicht die alltäglichen Formen sind oder sein können. Die Jüng-
linge, die genug stark und tüchtig sind, ein Mädchen zu rauben und
den Raub zu behaupten, gehören auch unter den Primitiven zu den
gefeierten Ausnahmemenschen. Häufiger treten bei einigem Wohlstande
Kaufehen auf, doch die Menge einer wirtschaftlich schwachen Volks-
gruppe muß von der einen wie von der anderen Eheschließungform
absehen. Die .armen und ärmsten des Volkes ziehen aus Liebe zu-
sammen oder es gelangt eine Art von Zuchtwahl zur Geltung und
solche Ehen sind durchgehends von dauernderem Bestand als die vor-
erwähnten zwei anderen Formen. Daß die Zuchtwahlehe regellos
oder sittenlos sei, wie die Franziskaner dies annehmen, und daß ihre
Eingehung ohne gegenseitige Bindung geschähe, ist unrichtig.

Guslarenlieder haben genug oft solche Ehen zum Vorwurf und
der stereotype Schluß lautet gewöhnlich:


74

Die Zuchtwahlehe in Bosnien.

Kad je momak curu dovodio,

vjenca za se i uze poda se

pa je ś njome poród izrodio.
Als der Jüngling das Mädchen heimgeführt — traute er sie sich
an und nahm sie unter sich — und setzte mit ihr eine Nachkommen-
schaft in die Welt

Die erste Zeile sagt an, daß das Mädchen dem Geliebten ohne
Kampf und ohne Kauf gefolgt ist Die Worte der zweiten Zeile
yjenća za se verdeutschte ich zunächst der Verständlichkeit halber in
dem Sinne, in dem man sie in der serbischen Schriftsprache gebraucht,
ohne sich über deren ursprüngliche Bedeutung Rechenschaft zu geben.
Ursprünglich bedeuten diese drei Worte: er band sie mit einem
Kranz an sich. Der Kranz besteht aus Blumen und Laub. Hymens
Fesseln 1 ruft begeistert ein Poet aus. Wie herrlich das Symboli —
Fesseln sind es, gewiß, doch von einer solchen poetischen Symbolik
weiß der Primitive nichts. Er sucht nach einem festen, starken Band,
und das festeste ist gerade das Blumen- und Laubgewinde; denn
damit ruft er die Baumselen, an die er und seine Auserkorene glauben,
zu Zeugen ihres Bundes an. Das ist ein Brauch, der auch sonst bei
vielen Völkern vorkommt und dem ich in einem Buche, das ich unter
der Feder habe, einen längeren Abschnitt widme. Sonstige Bünd-
nisse, z. B. bei Schließung der Wahlverbrüderung oder der Godschaft
in Notlagen, bindet man mit Gürtelbändern oder Tüchern, selten mit
Kranzgewinden,

Damit erwarb nun der Jüngling ein Recht auf das Weib und so
macht er gleich davon Gebrauch und beschläft es. Jetzt ist sie seine
ljuba (Geliebte) worden und in Guslarenliedern behält das Weib
ständig diesen Namen bei. Der Alltagmensch wartet ab, bis ihm sein
Lieb Kinder gebiert und dann erst ist sie seine że na (griech. gynê),
eine Gebärerin, ein Eheweib vollen Rechtens geworden. Er achtet
sie und liebt sie, er haut sie braun und blau und läßt sie sich für seine
Bequemlichkeit abrackern. Dafür ist er der Mann, der Herr und sie
das Weib, sein wohlerworben Eigentum. Jetzt genießt sie die gleichen
Rechte, Pflichten, Ungerechtigkeiten und Lasten, wie ihre vornehmeren
Mitschwestern, die Geraubten und die Gekauften.


Erotische Tätowierungen.

Beobachtungen von Hugo Ernest Luedecke-Zwickau.

Zu dem bekanntlich bereits von Darwin angeschnittenen Gebiet
der erotischen Natur der Tätowierungen hatte ich schon seit Jahren
allerhand Material gesammelt. Erst die Umfrage von Krauss (,An-
thropophyteia', Bd. I, S. 507 fr.) ließ mich meinen Beobachtungen er-
neutes und erhöhtes Interesse zuwenden. Der von Robinsohn be-
obachtete Fall eines tätowierten Niederösterreichers (früher exzessiver
Onanist, Flatoniker, schüchtern, sehr seltner Coitus), sowie die Bemer-
kung: ,Der von Natur aus schüchterne Jüngling greift zur Erhöhung
der ihm vermeintlich mangelnden Anziehungkraft zur Tätowierung1
machten mich sofort stutzig. Der kräftigste Hahn trägt das schönste,
bunteste Gefieder, wie jeder Züchter weiß. Ergo, sagte ich mir, wird
sich auch die Tätowierung immer bei sexuell und muskulös sehr
starken Menschen finden. Ein glücklicher Zufall spielte mir kurze
Zeit darauf einen Tätowierer Hugo Sch. (s. Abb. 1) in die Hände,
der mir ein derartig reiches Material vermittelte, daß ich jetzt eine
Gesetzmäßigkeit zu konstatieren glaube. — Um es gleich vorneweg
zu nehmen: meine oben ausgesprochene Vermutung ist in einschrän-
kendem Sinne korrigiert worden. Ich behaupte: die Tätowierung als
sekundärer künstlicher Geschlechtcharakter tritt auf teils
bei lediglich vorhandener Libido, teils bei starker Potenz +
Libido. Die ersteren Fälle, wo nur Libido, bei mangelnder Potenz,
vorhanden ist, sind relativ selten; zu ihnen gehört der von Krauss
geschilderte Fall (exzessive Onanie, sehr seltner Coitus). Die letzteren
Fälle sind allgemein die Regel.

Die Tätowierung gehört, um einen Darwinschen Ausdruck zu
gebrauchen, zum geschlechtlichen Schmuck. Das Verhältnis
dieses zur allgemeinen sexuellen Psyche ist noch wenig geklärt, und
ich habe, gerade um die Tätowierung in die Reihe des geschlecht-
lichen Schmückens einordnen zu können, so eine Theorie gebildet,


7б

Erotische Tätowierungen.

die weit über diese Sonderfrage hinausgehen dürfte. Zunächst muß
ich auf die nahe Verwandtschaft des geschlechtlichen Schmuckes zur
Psychopathia sexualis hinweisen. Meiner Ansicht nach weist der ge-
schlechtliche Schmuck der Frau (Pelzwerk, gleißende Juwelen, heraus-
fordernde Haarfrisur usw.) direkt auf sog. psychopathische Anlagen
des Mannes (Masochismus, Fetischismus, Faszinierung), der geschlecht-
liche Schmuck des Mannes auf dergleichen Anlagen der Frau zurück.
Die Tätowierung des Mannes ist zunächst und vor allem ein Symbol
der Stärke und Grausamkeit, zu dem weiblicher Masochismus (blinde
Unterwerfung) das Korrelativ ist Ein Analogon ist hierzu das Be-
malen der indianischen Krieger, die durch den grell bemalten Körper
im Feinde die Vorstellung der Unüberwindlichkeit, Grausamkeit, Stärke
wecken wollen; in der modernen Kulturwelt ist dieser Trieb natürlich
abgeschwächt und — das ist bezeichnend — ins Erotische spezialisiert.
Das Symbol der Stärke (Tätowierung überhaupt) wird hier nun —
zwecks Anziehungkraft des Femininen — dadurch an Kraft erhöht,
daß es aus erotischen Emblemen gewählt wird. In jedem echten
Weibe schläft ein Stück Masochismus, das vom Manne instinktiv ge-
ahnt wird. Und so komme ich zu dem Schlüsse, daß i) in jedem
Geschlechtwesen alle ,psychopathischen' Anlagen vorhan-
den sind, die einen im Keime, die anderen ausgebildet, eine Reihe
erstickt, eine andere verkümmert, eine dritte ausgebildet (Meine Selbst-
beobachtung*, die ich objektiv aufgezeichnet habe, bestätigt mir das
unzweifelhaft). Daß 2) in jedem Geschlechtwesen der Trieb
zu geschlechtlichem Schmuck vorhanden ist, bis auf die, deren
Psyche völlig zerrüttet ist Und daß 3) der Trieb des einen Ge-
schlechtwesens zu geschlechtlichem Schmuck auf psycho-
pathische Anlagen des anderen zielt Die Tätowierung ist, wie
bereits oben erörtert, der trefflichste Beweis zu diesem Schluß. Sie
ist zunächst Symbol der Stärke überhaupt, sodann der sexuellen
Stärke. Hierher gehört schließlich der sexuelle Einfluß der abson-
deren Farbe. Die unbändige Sucht des Negers nach der weißen
Frau ist bekannt, sie überwindet sogar die Furcht vor der bekannten
Lynchjustiz. Ebenso der Zulauf, den andersrassige Männer seitens
unserer Frauen und Mädchen haben. Im August 1906 hatten wir z. B.
ein Abessinierdorf in Zwickau; Mädchen und Frauen dieser ,Schwanen-
stadt' schmierten sich an den braunen, dürren Gesellen förmlich
herum, haschten nach einem Händedruck und — weinten gar als die
Söhne Afrikas auf dem Bahnhof zur Abfahrt standen; eine Kellnerin
war gar eine Nacht im Dorfe geblieben und hatte dort als allgemeines


Erotische Tätowierungen.

77

Lustobjekt gedient. In den erotischen Träumen einer mir sehr wohl-
bekannten Dame spielt das Amethystblau eine große Rolle usw.
Dafür, daß sich dies Gebiet dem der Tätowierung anschließt, spricht,
daß letztere bei ausgesprochen tätowierten Männern fast stets zwei-
farbig ist (Schwarz und Rot, häufig auch Blau). Soviel über die
Stellung der Tätowierung in der sexuellen Psyche.

Bei Erörterung der Einzelfälle haben wir natürlich von vorn-
herein auszuscheiden die Tätowierung als gelegentliche Laune, als
Liebhaberei Hierin sind die »höchsten Herrschaften' mit ,gutem*
Beispiel vorangegangen, und wirklich ausgezeichnete ,Kunsttätowierer*
gibts genug. Daß es oft wahre Kunstwerke sind, die der Künstler
in die Haut einsticht, ist bekannt, ja, Künstler von Ruf geben sich
dazu her, den Pinsel mit der Nadel zu vertauschen, und unter diesen
nimmt YoshisukiHoritoyo, ein Schüler Toyos, des großen Meisters
japanischer Kunst, wohl den ersten Rang ein. In Japan gewesen
und nicht von Yoshisuki tätowiert, das hieße ungefähr soviel, wie in
Rom gewesen sein, ohne den Papst zu sehen.

Selbst Zar Nikolaus ließ sich, als er als Prinz seine japanische
Reise machte, eines der japanischen Fabeltiere auf seinen Arm auf-
tätowieren, und mit ihm Prinz Georg von Griechenland, der ,Retter
des Zaren', der einen prächtigen Drachen auf seinem Arm trägt. Von
einem englischen Offizier wurde Yoshisuki angeregt, eine Reise nach
Europa zu machen, und siehe da, der Mann hatte Glück. Das wenigste
allerdings am deutschen Hofe, das meiste an den Höfen von St James,
von Petersburg und von Wien. Unter den »höchsten Herrschaften', die
sich tätowieren ließen, befanden sich angeblich: der Großfürst Alexis
von Rußland, der Großfürst Konstantin, der Herzog von Genua,
Prinz Heinrich von Preußen, der Erzherzog Stephan von
Österreich, der Erbprinz von Österreich, Erzherzog Franz
Ferdinand d'Esté, Prinz Woldemar von Dänemark und — der
König von Schweden.

So hätten wir nicht weniger als fünf tätowierte europäische Herr-
scher: und den russischen Kaiser, die Könige von England, von Schweden
und von Griechenland! Aber auch Damen ließen sich tätowieren.
Viele sogar. Überall, auch in Berlin, ja, wenn man dem japanischen
Künstler Glauben schenken darf, müßte eigentlich die ganze weib-
liche Aristokratie, die hohe, hier tätowiert sein.

Die Tätowierung als künstlicher sekundärer Geschlechtcha-
rakter tritt, wie schon oben dargelegt, selten auf bei nur vorhandener
Libido mit mangelhafter Potenz. Der von Robinsohn geschilderte


78

Erotische Tätowierungen.

Fall (.Anthropophyteîa', Bd., S. 507 fr.) ist hierin recht instruktiv. Ich
habe lediglich einen einzigen Fall eruieren können:

Beobachtung 1: Photographie eines 18jährigen Jünglings. Auf
der Brust der Kaiser, auf dem linken Unterschenkel das große Haupt
einer Kaiserin tätowiert Körperbau dem Bilde nach äußerst schwäch-
lich, fast weiblich. Er wurde mir als ,schlapper Junge* geschil-
dert, still und angenehm, der ,nie viel gemacht1 habe. Sein jetziger
Aufenthalt war nicht zu erfahren.

Die allgemein giltige Regel aber ist, daß die Tätowierung nur
eine Erhöhung schon vorhandener Stärke ist. Der ausgesprochen
erotische Charakter der Darstellungen ist aus dem oben Gesagten
ohne Weiteres selbstverständlich. Alle folgenden Fälle, die mir er-
zählt oder bildlich vorgelegt wurden, gehen auf außerordentlich männ-
liche Männer, Kerle mit starker Muskulatur, heftigem Geschlechttrieb
und großer Potenz, in allen Sätteln gerecht, in allen Lebenslagen er-
fahren, .gerissene Hunde' oder, wie man in ihren Kreisen sagt: ,vige-
lant'

Schon die Art der Häufigkeit der Tätowierungsitte zeugt hiervon.
Daß bei den libidinösen Ostasiaten, den Japanern ein Un tätowierter
beinahe eine Seltenheit ist, bedarf keiner Erörterung.

Bei uns in Europa findet sich die Tätowierung am häufigsten in
den Kreisen der Matrosen, Arbeiter, niederen Artisten (,Schaubuden-
menschen'), Verbrecher und Prostitution. Alle diese sind am relativ
unkultiviertesten, sie stehen unter der Herrschaft der Instinkte. Das
ist ja das Elend moderner Kultur, daß durch sie die Instinkte ver-
kümmern, die doch die Wurzeln allen Lebens sind. Unsere Dichter
zwitschern Liebegedichte, d. h. sie treiben Gehirnonanie, statt ein
starkes Leben des Leibes zu führen; unsere jungen Damen geben
auf Bällen usw. öffentlich ihre Brüste preis, ohne doch den Mut zu
einer selbstsicheren, freien Preisgabe zu haben. Dieser Halbheit
wenigstens sind die Kreise entrückt, in denen die Tätowierung herrscht.
Stark in ihren Instinkten, erkennen sie kein Vernunftgesetz an; Ge-
walt und Rohheit ist ihre ,Liebe', deren Genuß durch Alkohol seine
Weihe erhalten hat; und ihre Mädchen? Sie verspotten das ,Feine',
das »Gebildete', sie zehren diese Besitzenden bis auf den letzten Lebens-
tropfen aus und beschenken sie zur Erinnerung an sie mit der Lust-
seuche; sie, ,die goldschillernden Fliegen, die in die Paläste der Reichen
dringen' (Zola), können aber auch lieben. Mit dem Instinkt lieben
sie: das Brutale, Gemeine, Starke. Instinkt begegnet Instinkt.


Erotische Tätowierungen.

79

Wie rüde und von Leidenschaften hin und hergeschüttelt das Volk
der Schiffer, der Matrosen ist, weiß jeder, der sich einmal durch die
dunklen Gassen einer Hafenstadt bewegt hat Hier ist denn auch der
bestgeeignetste Boden für Tätowierung. Fast jeder, der ,auf See1
geht, läßt sich vorher ein Schiff, eine Germania, ein ,Wiww (sehr
häufig) auf die Brust oder einen Arm tätowieren. Sehr oft werden
sie .gerupft'. In irgend einer Kaschemme oder einem Bahnhof
fangt der ,Künstler' an zu kratzen. Mitten in der Arbeit fragt der
Ärmste nach dem Preise. ,So fifteihn Mark*, meint der Künstler
schmunzelnd. Hat das Opfer nicht so viel bei sich, muß er seine
Uhr usw. usw. hinterlegen oder — er zieht das Messer. Häufig aber
wird das Opfer vorher betrunken gemacht, dann zahlt er, soviel er
nur hat Die bei den Matrosen und Arbeitern gebräuchlichsten Muster
siehe auf Abb. 2, 3, 4, 5, 6. Es sind getreue Wiedergaben der mit
Kopierstift gezeichneten ,Klichés'. Diese werden auf den mit Speichel
angefeuchteten Arm stark aufgedrückt, wodurch sich das Muster dem
Fleisch aufzeichnet t und das Schrapen beginnt Interessant ist das
Muster (Abb. 4), das ein Vexierbild darstellt Hält man es umge-
kehrt und verdeckt den Kopf, so erscheinen zwei Beine mit riesigem
Penis in der Vagina. Abb. 5 ist noch relativ züchtig; manch Maler
hat die Le da naturwahrer abgebildet Daß die Ledasage überhaupt
ins Volksleben weit eingedrungen ist, bezeugt ein Vers des Lahnlieds
(s. m. Aufsatz in den »Quellenschriften'). Zum Thema: Tätowierungen
der Matrosen habe ich folgende Einzelfälle zu verzeichnen:

Beobachtung 2: Mr. Line, Matrose, Engländer (Abb. Nr. 7),
schön und kräftig gebauter Mann, stark muskulös. Tätowierungen:
auf der ganzen Brust einen Frauenkopf in Lebensgröße, mit üppiger
Frisur; auf dem Rücken das Schloß der Habsburger; auf den Beinen
die Jungfrau von Orléans und Fürstinnen. Der sehr exakt Täto-
wierte läßt sich für Geld sehen. Geschlechtleben: kräftig und normal.

Beobachtung 3: Auf einer Postkarte wurde mir das Bild eines
Hamburger Matrosen gezeigt, eines geradezu selten stark musku-
lösen Mannes, der, wie mein Gewährmann mir versicherte, sehr
potent ist. Oberarmmuskulatur: abnorm stark. Tätowierung: auf der
Brust ein segelndes Schiff, den Rücken bedeckt die amerikanische
Flagge.

Sehr häufig ist bei Matrosen und Arbeitern der Podex tätowiert.
Ein Mäuseschwanz, der eben in den ,Hintern' verschwindet, während
eine Katze darnach hascht; ein umgekippter Wagen mit der Über-


8o

Erotische Tätowierungen.

schrift: ,Hier kann Schutt abgeladen werden1 sind keine Seltenheiten.
Eine auf den Bauch tätowierte, nach dem Penis zeigende Hand mit
der Überschrift: ,Hier gehts zur Kegelbahn' ist ebenfalls häufig.

Wir gelangen in die Kreise der ,Schaubudenmenschen', jener
Welt, die sich aus verkommenen Artisten, Reklamateuren, Tätowierten
und Fakiren (Leuten ,bei denen kein Blut kommt', d. h. die ein
durch die Muskulatur gestoßenes Instrument so schnell und geschickt
herauszuziehen wissen, daß kein Blut fließt). In diesen Kreisen ist
die Kundensprache, die ,Eidi-Sprache', b- und u-Sprache gang und
gäbe. Gewesene Zuhälter sind hier nichts Seltenes. Das sind die
,vigelanten' Kerls, stramme, muskulöse Männer, libidinös und potent,
gerieben und vor nichts erschrocken. Viele, die sich aus Vorliebe
haben tätowieren lassen, erwerben mit dieser Attraktion dann ihren
gesamten Lebensunterhalt.

Beobachtung 4: Hugo S ehm., ,Kunsttätowierer' in Zwickau
i. Sa., früher Reklamateur, Fakir (s. Abb. 1, 8 und 9), der bereits
einen namhaften Ruf hat und seine Sache wirklich exakt und künst-
lerisch besorgt Einen eigentümlichen Anblick gewährt sein nackter
Körper, der über und über mit Zeichnungen bedeckt ist Von all
diesen schön ausgeführten Bildern seien folgende hervorgehoben: 1. Rück-
seite. Den ganzen Rücken bedeckt, groß ausgeführt, die Kreuzigung
Christi mit der Überschrift: Lerne Leiden, ohne zu klagen; rechter
Oberarm: eine vollbusige Schlangenbändigerin in Trikot, mit
offenem, wallendem Haar, umringelt von einer riesigen Schlange; linker
Unterarm: Indianerkopf in reicher Vegetationornamentik; rechter Ober-
arm: ein Frauenkopf mit aufgestecktem Haar, die mit Arm-
bändern versehenen Arme erhoben. 2. Brustseite. In der Mitte, unter
einem großen Stern, die nackte ,Göttin' Fortuna, mit erhobenen
Flügeln, vollem Busen, schwarzen, langen Strümpfen und Stie-
feletten, eine Palme schwingend; links oben ein fürstliches Paar; die
eine Brustwarze zum biblischen ,Auge', die andere zu einem Stern
verwendet; rechts oben: die Inschrift: Memento mori; linker Oberarm:
ein geflügeltes Weib à la Fortuna, aber mit Glückrad; rechter
Oberarm: Brustbild einer üppigen Harfenspielerin; beide Hand-
gelenke sind mit tätowierten Armbändern umwunden. Unterhalb der
Kniee ist rechts Led a mit dem Schwane, links ein Indianerkopf usw.
usw. zu sehen. Früher arger Weiberjäger, jetzt glücklich verheiratet
Sehr potent und muskulös. Gibt zu, daß seine Tätowierungen ihm
stets bei den sexuellen Erfolgen geholfen hätten; eine Kellnerin sei
dadurch ,geradezu verrückt' geworden.


Erotische Tätowierungen.

81

Beobachtung 5: Ein Bäcker (s. Abb. 10), der sich jetzt fiir
Geld sehen läßt Stark muskulös. Auf der Brust: das Brustbild
eines Liebepaares (30 cm hoch). Auf dem Rücken: Reigen-
tanz von acht nackten Weibern in üppigen Stellungen,

Beobachtung 6: William, Kollege des Hugo Schm., Fakir,
muskulös und zynisch. Auf dem rechten Oberarm hat er eine
nackte Venus tätowiert, der er bei seinen Fakirproduktionen in die
Vulva sticht mit den Worten: ,Und jetzt, meine Herrschaften, werde
ich dorthin stechen, wo es die Venus am liebsten hat I' Geschlecht-
leben stark und normal

Beobachtung 7: Auf einer Postkarte wurde mir das Bild eines
sehr stämmigen Artisten gezeigt, dem auf die Brust ein nacktes
Weib tätowiert ist, das einen Bogen hält.

Beobachtung 8: Frank Marwood, Attraktion. Fast über-
mäßig entwickelte Muskulatur. Über und über tätowiert, unter
der Brust eine Schar geflügelter Engel Geschlechtleben, soweit
zu eruieren, normal, libidinös.

Beobachtung 9: Kunsttätowierer, Kollege des Hugo Schm.,
junger Mann ohne Schnurrbart, knabenähnlicher Gesichttypus, aber
Armmuskulatur abnorm stark. Beine tätowiert Auf den Armen:
linker Arm trägt einen Frauenkopf, rechter Arm ein englisches
Flaggenbild, unter dem ein Matrose steht. Stark potent Vita sexu-
alis normal.

Wir steigen schließlich hinab zur Welt der Verbrecher und
Prostitution. Der Untersuchungrichter II bei dem Hamburger
Landgericht erließ am 23. August 1906 einen Steckbrief hinter dem
Hausdiener Josef Paul wegen Raubmords; in der ,Beschreibungl
heißt es: ,Alter: 28 Jahre, Größe: 1,61 m, Statur: schmächtig, Haare:
etwas kraus, kastanienbraun, Bart: kleiner blonder aufwärts gedrehter
Schnurrbart Nase: nach rechts gebogen, Augen: blau, Zähne: gesund,
Gesicht: blatternarbig, Kleidung: abgetragener grauer Jackettanzug,
dunkle wollige Jockey- bezw. Radfahrermütze. Besondere Kenn-
zeichen: Am rechten Ohr fehlt die rückwärtige Ohrleiste. Täto-
wierungen: Am rechten Ohrläppchen: Halbmond, an den Armen:
Blume mit Stempel, Herz mit Inschrift P. J. 1894, Seemann-
grab, am rechten Arm und am Brustkorb: ein durch das Fleisch
gestochener Dolch'.— Häufig ist die Ansicht verbreitet; die Täto-
wierung sei gleichsam ein Steckbrief. Dem ist nicht so. Denn eine
geschickte Tätowierung kann mit Leichtigkeit eine Zeichnung völlig
verdecken oder in eine andere umwandeln. Häufig wird im polizei-

Krauss, Anthropophyteîa. IV. 6


82

Erotische Tätowierungen.

lichen Steckbrief lediglich die Tätowierung als .Merkmal' angegeben, *
aber gerade dann kann man sie oft fünf Jahre und noch mehr vergeblich
suchen. — Kühnheit und Wildheit zeichnen diese Verbrecher- und
Prostituiertenkreise aus, in denen die Tätowierung zuhause ist.
Charakteristisch hierfür ist eine Notiz, die Mitte September 1906 durch
die Presse ging. In jenen Tagen verhafteten drei Kriminalbeamte in
Paris zwei besonders auffällige Männer, die in Arbeiterkleidung aus
einem sehr eleganten Hause hinausschlüpften, beladen mit einer Menge
schwerer Kleider und überdies alle Taschen vollgestopft. Als die
beiden Arbeiter endlich mühevoll auf die Polizeistation gebracht
waren, machte man dort die Entdeckung, daß es Frauen waren. Die
eine von ihnen, Amélie Rouvère, die auf den hübschen Kosenamen
,Mélie, das Gift' hört, ist sechsundzwanzig Jahre alt Ihr ganzer
Körper ist mit Liebeemblemen tätowiert, und diese lebende
Bildergalerie trug bei sich einen Dolch, ein Messer und einen Revolver,
dessen Ladung sehr reichlich war. Bei ihrer Verhaftung sprang sie
dem Polizisten an den Hals und biß sich mit ihren scharfen
Zähnen fest. Indes wehrte sich auch ihre Gefahrtin, die zweiund-
zwanzig Jahre zählt, nach Leibkräften. Die beiden Frauen, die in
einem alten Zirkuswagen in der Nähe der Forts hausten, gestanden,
daß sie in der Tat einen Einbruch verübt hatten, um ihren »Freun-
den1 zu helfen, die ,gerade' eine zehnjährige Zwangarbeit verbüßten.

Beobachtung 10: Eine Prostituierte in Dresden trägt auf der
Brust eine nach unten zeigende Hand tätowiert, über dieser die In-
schrift: .Eingang für Herren'.

Beobachtung 11: Hugo Schm. mußte einer sehr libidinösen
Kellnerin den Arm tätowieren: Herz, Pfeile, Monogramm und In-
schrift: ,Du kennst mein Herz noch lange nicht!'

Schließlich sei noch auf den vor 20—25 Jahren stattgefundenen
Skandalprozeß der ,1a ligue noire' hingewiesen, der s. Z. ganz
Europa erregte. In jenem mit allem Komfort ausgestatteten Liebe-
hause, wo hochgestellte Persönlichkeiten, ihre Ehefrauen und sogar
der Herr General-Staatsanwalt Belgiens unerhörte Orgien feierten,
wurden u. a. zwei nackte Damen der Halbwelt abgefaßt, deren Rücken
und Schenkel über und über mit erotischen Szenen tätowiert waren.
Daß der Zigeunerprimas Rig o auf dem linken Unterarm das Bild
seiner temperamentvollen Prinzessin Chimay (Brustbild) trägt mit
Federhut und schwarzem Schleier, dürfte bekannt sein.

Ein hier in Zwickau wohnhafter Hotelier (sehr sinnlicher Natur)
trägt auf dem linken Unterarm das Bild einer schaurig roten,


Erotische Tätowierungen.

83

von schwarzem Haarwulst umgebenen Vulva tätowiert. Hugo
Schm. sah bei einer Rekrutenaushebung in Essen a. d. Ruhr einen
Kerl, der auf dem Rücken eine Päderastenszene tätowiert trug:
zwei übereinander gehockte Männer, schlecht gezeichnet

Ich schließe mit der Beschreibung des Musterbuchs eines
Tätowierers, zu dem die Angehörigen genannter Kreise (Matrosen,
Arbeiter, Artisten, Kellnerinnen usw.) besonders gern kamen. Ich
habe mir notiert: 1. Ein Matrosenpärchen; 2. ein knieendes Weib mit
gefleckten Beinen und flehend erhobenen Händen, roter Gürtel,
schwarzes, niederfallendes Haar, unter einem Palmbaum, aus dem eine
riesige Schlange niederzüngeit; 3. ein Herz, von einem Dolch durch-
stoßen; 4. ein Frauenkopf in einem zweifarbigen Stern, Busen stark
dekolletiert; 5. verschiedene Weiber in engem Trikot, rote spitze
Schuhe und hohe rote Strümpfe, schwarzes aufgelöstes Haar, auf
einem Flügelrad stehend; 6. ein Weib in rotem Badeanzug, mit
schwarzen Schuhen, die Arme hinter dem Haupt (oder dem Rücken)
verschränkt, Brustwarzen stark pointiert; 7. zwei verschlungene Hände;

8. ein Matrose faßt ein Weib (rote Bluse, rote Schürze) um die Taille;

9. ein Jäger zu Pferd hält ein Weib (rotes Kleid) vor sich liegend auf
dem Rosse; 10. ein Weib in rotem Trikot steht auf einem Felsen in
brandendem Meer und hält das Sternenbanner, hinter dem die
ziegelrote Sonne aufgeht; 11. in einer roten Sonne das Brust-
bild eines Weibes mit abnorm starken Brüsten (sehr häufig);
12. Anker; 13. Schiff mit geblähten Segeln; 14. ein Weib in flattern-
dem Rock und hohen roten Strümpfen tanzt auf einem Flügelrad;
15. Brustbild eines Weibes mit riesigem Federhut; 16. Ballettänzerin;

17. eine Schlange mit aufgerecktem Halse und weiblichem Kopfe;

18. ein nacktes Weib mit großen Schmetterlingflügeln; 19. ein
nacktes, sehr vollbusiges Weib taucht aus dem Meer; 20. ein Artist
hebt ein Weib auf der Spitze eines Fußes hoch; 21. ein sich küssen-
des Liebepaar in einem großen blutroten Herzen.

Hierzu kommen dann noch die Abbildungen Nr. 2—6.


Das Geschlechtleben der Samoaner.

Von W. von Bülow.

1. Einleitimg.

In dem Geleitworte zu ,L'Art et le beau' (Verleger: Librairie
artistique et littéraire, Paris) findet sich folgende Stelle:

,Bei den Griechen war es üblich, herrliche Statuen in den Frauen-
gemächern aufzustellen, wodurch die Kinder von Jugend auf an deren
Betrachtung gewöhnt und in das Verständnis fur das Schöne einge-
führt wurden.

Diese Erziehung fand ihre Weiterentwicklung im Stadien, wo die
fehlerhafte Muskulatur der Athleten eine ständige Apotheose, eine
immerwährende Verherrlichung der Formenschönheit bildete.'

Und ferner: ,Neue Religionen mit engherziger und strenger Moral
haben versucht, jedes Streben nach körperlicher Veredelung zu unter-
drücken, indem sie nur die Kunst zuließen, die Seelenstimmungen zum
Ausdrucke bringt; sie gingen dabei so weit, daß gewisse Konzile sogar
die Darstellung des nackten Christuskörpers verboten haben.' —

Die Anstrengungen, die jetzt neuerdings, d. h. innerhalb der letzten
Dezennien die Dunkelmänner der verschiedenen Kirchengemeinschaften
und Sekten mit mehr oder weniger Erfolg gemacht haben, um gesetz-
geberischen Bestimmungen zur Geltung zu verhelfen, welche darauf
abzielen, die Schaustellung nicht vollständig bekleideter Abbildungen
oder Nachbildungen des menschlichen Körpers, als unsittlich, unmo-
ralisch1 unter Strafe zu stellen, zeigen deutlich, wie weit die Träger
der christlichen Zivilisation' der Natur sich entfremdet haben.

Ehre und Moral! Beide Worte bedeuten in der Zeit der Kind-
heit des Menschengeschlechtes dasselbe und haben auch noch zur
Zeit des klassischen Altertums dieselbe Bedeutung gehabt (virtus =
àvôçeia).

Die Folge einer Überzivilisation ist die verschiedengeartete Defi-
nition dieser Begriffe bei den verschiedenen Völkern, bei den ver-


Das Geschlechtleben der Samoaner.

schiedenen Stämmen innerhalb dieser Völker und bei den verschiedenen
Ständen und Berufklassen innerhalb dieser Stämme.

Selbst dem deutschen Gesetzgeber ist es nicht gelungen, die Defi-
nition von Moral sowenig, wie die Definition von Ehre und deren
Schutz, dem allgemeinen Rechtbewußtsein des Volkes entsprechend
festzulegen. — Die Entscheidungen des deutschen bürgerlichen und
des militärischen Strafrichters widersprechen sich in Bezug auf Ehren-
händel sehr häufig, obgleich für beide Richter dieselben Grundsätze
als Richtschnur dienen sollen; und für den einzelnen Deutschen ist
das Standesvorurteil oft zwingender, wie ein Verbot und die Strafan-
drohung des Strafgesetzes. —

Die Ehre ist nach Sudermann (,Ehre*) nur ein Schatten, — der
Schatten nämlich, den wir werfen, wenn die Sonne der öffentlichen
Achtung uns bescheint.

Der richtige Ersatz des Wortes ,Ehre' ist nach Sudermann ,Pflicht',
Pflicht ist aber die Moral.

Sudermann abhorresziert die Behauptung der die Ehre (und die
Moral) heuchlerisch monopolisierenden Gesellschaftklassen: ,Es gibt
nur eine Ehre (eine Moral), wie es nur einen Gott und eine Sonne
gibt' Diese Behauptung liest sich zwar gut und klingt ganz drama-
tisch, ist aber im Grunde genommen doch recht oberflächlich. Denn
es gibt notorisch viele Sonnen und daß es einen Hauptgott, den
Sonnengott gäbe, behaupteten bereits 2000 Jahre vor der biblischen
Welterschaffung die Priester der Babylonier (Assyrer) ohne es be-
beweisen zu können.

Mit den Aposteln der Neuzeit und deren Behauptungen steht es
kaum besser. —

Was aber Moral im Sinne der menschlichen Gesellschaftordnung
ist, hat der Codex Hammurabis (2250 v. Chr. Geb.) wenigstens ein
halbes Jahrtausend, ehe Moses die israelitischen Moralgesetze nieder-
schrieb, in unvergänglicher Schrift dem Gewissen der asiatischen
Völker, zu denen wir auch, nach Feststellung ihrer Urheimat, Indien,
die Polynesier rechnen müssen, eingeprägt.

Die Moral ist die maßvolle Betätigung der Naturtriebe, so weit
diese Betätigung dem materiellen und geistigen Wohle des Einzelnen
und der Allgemeinheit nützlich ist Die Diplomatenmoral kommt hier
nicht in Betracht. —

Unsittlich ist aber die absichtliche Überschreitung dieser oder
das Zurückbleiben hinter dieser Nützlichkeitgrenze. So ist fur einen
gesunden Menschen das Gelübde der Ehelosigkeit unpatriotisch, un-


86

■Das Geschlechtleben der Samoaner.

natürlich und daher unsittlich, während die Eingehung der Ehe seitens
eines Kranken oder erblich Belasteten unpatriotisch und daher unsitt-
lich wäre. —

Bei den Polynesiern, und speziell bei den Samoanern, gibt es
kein Wort für Ehre und Moral.

Moral ist bei ihnen die Befolgung der Landessitte, bei den Samo-
anern also das Faasamoa, bei den Tanganern das Fakatoga und so
bei anderen Polynesiern.

Diese Sitte zu verletzen gilt als unmoralisch — leaga = schlecht,
als eine Handlung, deren man sieb schämen muß — ma, masiasi =
sich schämen.

Man würde aber fehlgreifen, wollte man annehmen, daß die Moral
der Polynesier infolge des Mangels an Regeln laxer, wie die der
Kulturvölker sei.

Viel eher ist das Gegenteil der Fall.

Die Gewöhnung von Jugend auf an den Anblick des meist nur
wenig bekleideten und auch meistens schön geformten Körpers des
anderen Geschlechtes, an das tägliche und nächtliche dichte Bei-
einanderleben der Leute verschiedenen Geschlechtes, die Gewöhnung
an die Sitte, Jünglinge und Mädchen desselben Haushaltes als Brüder
und Schwestern zu behandeln und der Gebrauch, daß Brüder und
Schwestern sich gegenseitig als heilig — paia oder sa — betrachten,
schützt die Samoaner vor Vergehungen, die unter gleichen Umständen,
bei Kulturvölkern nicht ausbleiben könnten.

Da nun aber als Brüder (tuagane) und Schwestern (tuafafine)
nicht nur die leiblichen Brüder und die leiblichen Schwestern, sondern
auch Vettern und Kusinen selbst entfernter Grade, so wie die adop-
tierten Kinder (tama fai), die Mitglieder desselben Haushaltes und die
Söhne und Töchter verwandter Familien gelten, so sind, selbst in
großen Dorfschaften, nur sehr wenige, oft sogar gar keine Mädchen
vorhanden, welche vor den Werbungen der jungen Burschen desselben
Dorfes nicht durch das Paia geschützt wären. —

Im allgemeinen sind die Menschen in dem heißen Klima ja leichter
auch geschlechtlich erregbar, wie in einem kälteren oder in dem ge-
mäßigten Klima nördlich, respektive südlich der Wendekreise.

Das häufige Auftreten des /Tropenkollers' bei Mitgliedern der
Kulturvölker ist aber wohl nicht eine Folge der erhöhten Temperatur
allein, sondern auf der langdauernden geschlechtlichen Abstinenz
während der Seereise und der, durch den sonst ungewohnten, fortge-
setzten Anblick unbekleideter menschlicher Körper in den Tropen-


Das Geschlechtleben der Samoaner,

87

ländern bewirkten geschlechtlichen Erregung und hat daher, statt
seines euphemistischen Namens .Tropenkoller1, im Volksmund den zwar
etwas vulgäreren, dafür aber zutreffenderen Namen ,Samenkoller, er-
halten.

Dieser Zustand hat sich in allen Tropenländern gezeigt und ist
nicht bei einzelnen Ständen allein, sondern bei allen Ständen auf-
getreten.

Ihm sind mitunter Prinzen, Professoren und Missionare, hohe Kolo-
nialbeamte und Offiziere, Soldaten und Seeleute, Pflanzer und Kauf-
leute ausgesetzt gewesen.

Er äußerte sich durch erhöhte Reizbarbeit des Nervensystemes,
in übertriebener Erregbarkeit des Geschlechttriebes, der selbst bei
denen, die als Vertreter der Staatsgewalt und als Vorbilder aner-
zogener guter Sitten dienen sollten, die Vernachlässigung dieser Pflicht
nur allzuoffen erscheinen ließ. In anderen Fällen zeigte sich über-
mäßiges Selbstgefühl, welches sich bei hohen Beamten in dem Erlaß
unmotivierter Verordnungen (,Grußordnungen' etc.) äußerte; bei anderen
trat Verfolgungwahn und Denunzianten-Unwesen, unmotivierte Grau-
samkeit, übertriebenes Ehrgefühl, Weichheit gegen die Eingeborenen,
Schärfe gegen die eigenen Landsleute, getrübtes Rechtbewußtsein
und dergleichen in Erscheinung.

Als Ursache dieser anormalen, krankhaften Zustände ist aber,
wie gesagt, außer der Tropenhitze, die Einwirkung zu bezeichnen,
welche der ungewohnte stete Anblick des nackten Menschenkörpers
und die dadurch ausgelöste Erregung ausübt.

Bei den Polynesiern, die von Jugend auf an den Anblick des
Nackten und an den Verkehr mit Nackten gewöhnt sind, ist eine der-
artige Empfänglichkeit für erotische Eindrücke bei weitem weniger
bemerkbar, wie bei gleichalterigen, den gemäßigten Zonen entsprossenen
Leuten. —

Die Literatur, die über das Geschlechtleben der Samoaner mir
zu Gebote steht, ist nicht sehr umfangreich:

Die samoanischen Texte von O. Stuebel enthalten einige höchst
belangreiche, samoanische Texte mit der deutschen Übersetzung von
O. Stuebel.

Der Missionar G. Pratt bringt in seinem Wörterbuch der samoa-
nischen Sprache die samoanischen Bezeichnungen für die verschiedenen
Körperteile und fur verschiedene Betätigungen der Erotik und die
Monographie der Samoainseln von A. Kraemer enthält samoanische
Texte mit Übersetzungen von A. Kraemer, Notizen über das Ge-


88 Das Geschlechtleben der Samoaner.

2. Die Geburt des Samoaners.

Wer nach einem recht drastischen Beispiele als Beleg fiir die
Behauptung sucht, daß die Zivilisation den Menschen der Natur
entfremde, dem kann man auf das Eindringlichste anraten, sich zu
vergegenwärtigen, welche Hilfmittel allein der menschliche Geburtakt
bei einem Kulturmenschen zu seiner glücklichen Absolvierung bedarf,
und wie minimal an Zahl und wie einfach und natürlich in ihrer Be-
schaffenheit dagegen die dem Geburtakte eines Naturmenschen dienen-
den Hilfmittel sind.

Zur Erleichterung des Vergleiches folgen hier nebeneinander ge-
stellt die bei der Geburt benötigten Hilfmittel:

bei Kulturvölkern: bei den Samoanern:

Als Lager, ein vollständiges Bett Ein Lager aus Pandanusmatten
mit Einrichtung, mit Federoberbett (fala) und Rindenzeugstoffen(siapo),
und festen Kissen an Kopf- und ein Kopfkissen aus Rindenzeug
Fußende, ein viereckiges Wachs- (siapo).
tuch zur Verhinderung des Durch-
nässens des Bettes durch Blut und
ablaufendes Wasser. Das Wachs-
tuch wird durch eine zusammen-
gelegte wollene Decke bedeckt.
An die Stelle auf der das Gesäß
der Schwangeren ruht, wird ein

Roßhaarkissen gelegt. Eine Wulst aus Rindenzeug (siapo).

Zum Abschneiden der Nabel-
schnur des Kindes eine Scheere. Ein Bambussplitter (ofe).

schlechtleben der Samoaner und einige erotische Lieder, zumteil mit
lateinischer Übersetzung, — außerdem einen Abschnitt über Medizin.

Alle benutzten Quellen sollen im Texte namhaft gemacht werden.

Trotz des heiklen Themas beabsichtige ich jedes Ding möglichst
bei Namen zu nennen und soweit möglich die Übersetzung in die
Landessprache hinzuzufügen.

Ich muß daher auch für mich den Standpunkt beanspruchen, der
durch den Satz ausgedrückt wird:

Naturalia non sunt turpia.


Das Geschlechtleben der Samoaner,

89

Reines unbedrucktes Rindenzeug
(lauua).

Eine Flasche Kokosnußöl und Tur-
merikpulver(lega)—Curcuma longa.
Eine hölzerne Schüssel (umete).

Frisches Wasser.

Reines geöltes Rindenzeug.
Kindermatten.

Zum Abbinden der Nabelschnur
ein leinenes Läppchen.

Verbandzeug: chemisch reine
Verbandwatte. Zur Reinigung der
Wöchnerin und des Kindes mehrere
Schwämme verschiedener Größe,
Flanellhandtücher, mehrere Bett-
laken.

Eine Wärmflasche.
Olivenöl oder Mandelöl.
Ein Puderquast und Puder.
Einige Waschbecken.
Eine Badewanne. e
Warmes Wasser,
Seife.

Leibwäsche der Wöchnerin.
Kinderwäsche, Steckkissen.
Kinderbett oder Wiege.
Wickel und Nabelbinde. —

Chirurgische Instrumente, Zange, —
Nadel und Zwirn. —

Besteck mit Messer, Sonde etc. —
DesinfektionmitteL —

Mutterspiegel. —

Aus dieser Zusammenstellung ist es klar ersichtlich, daß sich die
Samoaner bei Erledigung der wichtigsten Lebensbetätigung, dem
Geburtakte, noch auf der natürlichen, der durch keine Uberkultur
verdorbenen Stufe der primitiven Menschheit befinden.

Es soll hierbei nicht ungesagt bleiben, daß die samoanischen Ge-
burten in den weitaus meisten Fällen gut verlaufen, die Kinder und
Mütter meistens nach drei bis vier Tagen wieder gesund sind.

Ein samoanischer Geburtakt verläuft nun etwa folgendermaßen:

Seit Ausbleiben der Menstruation, der »monatlichen Regel', eleele
і le masina oder mai masina, betrachtet sich die Frau als schwanger,
to, euphemistisch mai (krank) mamata (schwer), mai to oder bei
Häuptlingfrauen alo genannt Sie merkt sich den Stand und die
Phase des Mondes, in der die ausgebliebene Regel hätte eintreten
sollen und rechnet von da ab gewöhnlich noch neun Mondmonate,
nach deren Ablauf sie ihre Niederkunft — fananga oder failelega


90

Das Geschlechtleben der Samoaner,

— erwartet. — Daß sie sich oft verrechnet, ist ja der Lauf der
Welt —

Sobald sie für sich selbst den Monat der Niederkunft berechnet
hat, teilt sie ihrem Gatten und den Frauen der Familie ihre Beobach-
tung mit Von nun an darf die Schwangere nicht mehr allein ge-
lassen werden, ,damit nicht etwa ein aitu ihr Böses zufüge', sie sich
errege, erschrecke oder eine andere Handlung begehe, die auf das zu
erwartende Kind einen ungünstigen Einfluß ausübe.

Hier verweise ich auf meinen Artikel im Globus, die Geburt-
flecken der Samoaner (Band 78, S. 209—210). Dort heißt es: Die
Samoaner behaupten nämlich, daß, wenn die Schwangere Nahrung-
mittel stiehlt, um sie heimlich zu essen, oder wenn sie aus dem
gemeinschaftlichen Nahrungbehälter ihren Hausgenossen etwas ent-
wendet, um es heimlich zu essen, oder wenn sie aus einem Hühner-
neste ein Ei nimmt und es heimlich verzehrt, daß also diese Gegen-
stände, die sie heimlich fur sich verwendet hat, ohne Andern etwas
davon abzugeben, irgendwo in schwarzer Farbe sich auf dem Körper
des demnächst geborenen Kindes abzeichnen und so die Untugend
der Mutter offenkundig machen.

In einem Falle, den ich gesehen habe, war die linke Seite des
Körpers, vom Rückgrat bis zum Ende der Rippen und von der
Magengrube bis zum Kreuzbein, mit einem schwarzen Muttermale be-
deckt, von dem die Eingeborenen behaupteten, daß es die Abzeich-
nung eines Leberlappens eines Schweines sei, welchen die Mutter
des Kindes bei Gelegenheit eines Festes, bei welchem viele Schweine
verzehrt wurden, entwendet und heimlich gegessen habe.

In einem anderen Falle wurde ein Kind mit einem entstellenden
Muttermale auf dem rechten Ohrläppchen in der Größe eines sil-
bernen Fünfmarkstückes geboren. Auf die Frage, wie dieses Mutter-
mal entstanden sei, erhielt ich als Antwort, daß die Mutter des Kindes
in hochschwangerem Zustande über das Eigentumrecht an einer be-
stimmten brütenden Henne mit einer Nachbarin sehr heftig gestritten
habe. Daher sei der Hühnerkopf jetzt auf der Backe des Kindes
abgeprägt. —

Ich konnte eine Ähnlichkeit zwischen einem Hühnerkopfe und
dem schwarzen Muttermale bei bestem Willen nicht herausfinden. —

Gegen diese Muttermale — ila uliuli — schwarze Flecke —
wenden die Eingeborenen ein Mittel meistens nicht an, ,da sie eine
Folge des schlechten Verhaltens der Mutter sind*. Ganz bescheiden
möchte ich mir nur noch die Bemerkung erlauben, daß, wenn die


Das Geschlechtleben der Samoaner.

91

samoanischen Götter die kleinen Näschereien und Diebereien der
Mütter durch Zeichnung auf den Körper der Kinder straften, wahr-
scheinlich kein Samoaner ohne sein obligates Muttermal einherschreiten
würde'.

Vorstehendem habe ich Neues nicht hinzuzufügen. —

Der Gatte schläft seit Beginn der Schwangerschaft von seiner
Frau getrennt. Er muß sich geschlechtlicher Enthaltsamkeit be-
fleißigen, sowohl seiner Frau gegenüber wie auch gegenüber anderen
Frauen und Mädchen. Jede Verfehlung in dieser Beziehung wird an
der Schwangeren gestraft, welche dann eine um so schwerere Nieder-
kunft zu gewärtigen hat/ — Wenn daher eine Frau bei der Nieder-
kunft sehr leidet, das Drängen — oono — bei den Wehen lange ver-
geblich ist, so beichtet der Mann der Frau seine geschlechtlichen
Vergehungen während der Zeit der Schwangerschaft oder auch während
der Zeit des ehelichen Beisammenwohnens. Ebenso beichtet die
Frau dem Manne ihre eigenen geschlechtlichen Vergehungen während
der Dauer ihrer Ehe. —

Ist diese gegenseitige Beichte erfolgt, so ist der Bann gehoben
und die Niederkunft geht glatt von statten. —

Dieser möglicherweise stattfindenden Beichte wegen ist es nicht
üblich, fremde Frauen zur Pflege einer Wöchnerin oder zur Geburt-
beihilfe zuzulassen, sondern nur Frauen derselben Familie, ,damit der
Inhalt der doppelten, etwaigen Beichte nicht etwa in die Öffentlich-
keit dringe.

Es gibt auch in Samoa viele Männer, welche der Ansicht sind,
den allnächtlichen Beischlaf nicht entbehren zu können. Sie gehen
daher des Abends in die Aualumahäuser, in denen die ledigen Mäd-
chen und Frauen sich aufhalten und schlafen dort mit den jungen
Leuten des Ortes. Aber es gibt auch sehr viele Samoaner, welche
sich während der Dauer der Schwangerschaft der Frau der größten
Enthaltsamkeit befleißigen.

Falls nun ein Mann, während der Schwangerschaft seiner Frau,
etwa gar zu ungeberdig sich beträgt, sich der Schwangeren fortgesetzt
geschlechtlich zu nähern sucht oder ganz von Hause fern bleibt und
in den Aulumahäusern sich aufhält, so gibt die Schwangere ihrem
Gatten ein Mädchen aus ihrer eigenen Verwandtschaft als Beischläferin
— faanofo. Dieses Mädchen hat die Schwangere zu bedienen und
zu pflegen, alle Geschäfte im Haushalte zu versehen und bei der
Schwangeren zu schlafen. Sie schläft dann zwischen der Schwangeren
und ihrem Gatten unter derselben Moskitoschutzdecke — tainamu —


92

Das Geschlechtleben der Samoaner.

und ist dem Gatten auch in geschlechtlicher Hinsicht vollständig zu
Diensten. Ein Mann, der ohne allnächtlichen Beischlaf nicht glaubt
leben zu können, wird in Samoa fala і manava genannt, d L er
macht seinen Bauch zur Schlafmatte. —

In A. Kraemer, Samoa-Inseln, findet sich II, Seite 51, — ein
samoanischer Text mit Übersetzung von A. Kraemer, welcher den
Vorgang bei einer Niederkunft erzählt. Ich lasse ihn hier mit eigener
Übersetzung folgen. Die gesperrt gedruckten Stellen der Über-
setzung sind meine Abänderungen. Auch habe ich noch einige kleine
linguistische Bemerkungen vorauszuschicken: —

Der Samoaner denkt sich die Genealogie der Familie nicht wie
einen Baum ^Stammbaum*), sondern wie das große Haus (fale tele)
der Familie, in dessen Mitte der Mittelpfosten — pou — das Haus
trägt Alles andere Gebälk hängt mehr oder weniger an diesem
Mittelpfosten. Mit ihm wird der Gründer einer Familie verglichen.
Dieser Pfosten, also der Gründer einer Familie, kann in Samoa, wo
Mutterrecht und Vaterrecht gleichwertig nebeneinander bestehen, so-
wohl ein Knabe wie ein Mädchen sein. In Tonga dagegen existiert
nur Mutterrecht Nicht der Rang des Vaters macht den Tuitoga
zum Tuitoga, sondern der der Mutter.

Was der Deutsche als Stammhalter bezeichnet, heißt in Samoa
der Stützer des Hauses — alopou. Wobei aso des Häuptlingkind,
masc. oder fem. und pou der Hauspfosten heißt. Im Deutschen kann
man also alopou, dem deutschen Sprachgebrauche entsprechend, mit
Stammhalter übersetzen.

Zu Stuhle gehen, auch Stuhlgang haben, wird im Deutschen euphe-
mistisch mit ,ein Geschäft verrichten' umschrieben. Auch im Samoa-
nischen gibt es ganz denselben Euphemismus: alu і se fe au. Im
Deutschen sagt man auch ,in die Büsche gehen1, dessen wörtliche
Übersetzung im Samoanischen ,alu і le vao' heißt und ebenfalls zu
Stuhle gehen bedeutet. —

Wie ich schon oben erwähnte, heißt die Schwangerschaft to, und
euphemistisch mai — krank oder Krankheit, obgleich dieser Zustand
nicht als Krankheit, sondern als ein recht erfreulicher und logischer
Verlauf des Ehelebens betrachtet wird. — Sana ist kontrahiert aus si
ana = sein, ihr pron. poss.


Das Geschlechtleben der Samoaner,

93

0 le tala і le to alopou.

Afai о se teine e faatoa nofo і
sana (si ana) tane, ona oo lea. і
le tasi aso ua alifai le mai ia te ia.
(ali = to appear; Pratt. Dictionary)

Ona fai atu ai lea o ona matua
ia te ia: Funa e, ia e faaeteete lelei

1 lou mai; ia iloa o le mai e tutu
ma le oti.

Anm. tutu = to reach to the
ing to the eaves. Pratt, Dictionary.

A oo, ina ua ali ai tele mai o
le mai ia te ia, e le toe ai toatasi
e le toe inu toatasi foi і se niu
seiloga ua muamua ona inu o se
tasi; ona faatoa inu ai lea.

Ànm. seiloga ist Kontraktion
her ist Anmerkung 5 bei Kraemer

E le toe alu toatasi foi, seia o
faatasi lava ma se tasi tagata a
alu foi і le vao; e le toe fafa і le
tua sana avega, a e afisi і le tafa-
tafa.

Anm. afisi = to carry under
auf die Hüfte gesetzt getragen.

A 00 і le aso o le a fanau ai,
ona o ane lea o loomatutua e
toalua; ua nofo mai le tasi ma-

Die Erzählung von der Schwan-
gerschaft mit dem Stamm-
halter.

Wenn ein Mädchen zum ersten-
Male mit ihrem Gatten zusammen
lebt, dann kommt es, daß eines
Tages die Schwangerschaft
sich bei ihr zeigt

Dann sprechen ihre Eltern zu
ihr: Mädchen, sei recht vor-
sichtig mit deinerSchwanger-
schaft, wisse, die Schwanger-
schaft grenzt mit dem Tode.

iend, as ,aso' laid on a roof reach -

Wenn es dahin kommt, daß
die Schwangerschaft stark bei
ihr hervortritt, so ißt sie nicht mehr
allein, auch trinkt sie nicht mehr
allein eine Kokosnuß, bis sie weiß,
daß vorher ein Anderer davon ge-
trunken hat; erst dann trinkt sie
davon. —

aus sei-ia-iloga = bis sie weiß. Da-
unzutreffend.

Sie geht nicht mehr allein son-
dern mit einer anderen Person zu-
sammen, auch wenn sie ein Be-
dürfnis verrichtet; sieträgt nicht
mehre Traglast auf dem Rücken,
sondern trägt sie unter dem
Arm an der Seite.

the arm (Pratt); nur ein Kind wird

Wenn nun der Tag gekommen
ist, an dem sie gebären wird, so
kommen zwei alte Frauen; die eine


94

Das Geschlechtleben der Samoaner.

tua і vae, a e nofo mai le tasi і
le ulu.

Ona tautala mai lea o le matua
o i vae:

Funa e, ia e faamalosi, ia matua
fai ni au faiga ia e oono tele.

alte Frau setzt sich an die Füße,
die andere setzt sich an den Kopf.

A e tago mai lena i ulu, ua ia
oomi mai ia tauau ma fetui le ulu
ma fai ifo : Funa e, ia e faamalosi,
aua te faavawai!
E te fia oti ea?

Ona oono tele ai lea o le teinę,
ua paü mai le tama. — Ua ola
le fafine.

Dann sagt die Alte, die an den
Beinen sitzt: Mädchen, strenge dich
an, mache deine Sache recht, gut,
^dränge heftig.

Dann greift die am Kopfende zu,
preßt ihr die Schultern und klopft
den Kopf und ruft hinunter: Mäd-
chen, strenge dich an, laß nicht nach!
Willst du denn sterben?
Da drängt das Mädchen sehr, das
Kind fallt heraus. Die Frau ist
entbunden.

Anm. Bei Häuptlingkindern wurde gleich nach der Geburt durch
einen Sprecher vor dem Hause der ,Uuu'-Ruf ausgestoßen, der auch
,Sususu* gesprochen wird.

Sususu ina ist Einer, der mit dem Sususu Rufe empfangen wurde, als
er geboren ward, — ein Häuptling, ohne Unterschied auf welcher
Staffel der samoanischen Häuptlinghierarchie er seinen Platz bean-
spruchen kann — ,ein Adeliger*. Aus Kontraktion der Worte Sususu
ina ist die Anrede Susuga entstanden. Umsetzung von ,Susuga'-Hoch-
wohlgeboren. —

Ona tago ai lea o le matua, ua
aati le taliga, ua sasae le afuafu.

A urna ona toe punon lea і le
mimiti le isu.

A urna lea, ona fai atu lea і le
tasi matua e ave ane se ofe e ta
ai le uso o le tama.

Wenn sie fertig ist, beugt sie
sich wieder nieder, um die Nase
auszusaugen.

Daraufgreift e i n e A11 e zu, reinigt
die Ohren, zerteilt dieUmhüllung.

Wenn dies fertig ist, sagt sie zur
anderen Alten, sie solle ein Bam-
busmesser bringen um die Nabel-
schnur (uso = Wurzel, Nabel-
schnur) des Kindes abzutrennen
— Cabschlagenü'

Anm. Das Bambusmesser ist lediglich ein Bambusrohrsplitter,
wie solche wahrscheinlich in jedem Museum zu finden sind. Mit diesem
Instrumente kann man nichts .abschlagen', wohl aber abschneiden.


Das Geschlechtleben der Samoaner

95

— Das Wort ta hat so viele Bedeutungen, unter Anderen auch ab-
schlagen; ta le vao = Wald niederschlagen, ta le laau pese Harmonika
spielen, die Spieldose spielen lassen, ta le siva tangau und viele
Andere. Für jedes Instrument muß man sich bei Übersetzung des
Wortes ta die geeigneteste Ausdruckweise suchen. In diesem Falle
scheint mir abschneiden oder abtrennen die geeigneteste zu sein.
Unausgesetzt übersetzt À. Kraemer (II. Band) auch in seinen Ausein-
andersetzungen über die Tatauierung die Worte ta tatau mit schlagen,
statt mit tatauieren, wie z. B. S. 71, 72, 73; auf S. 71 werden sogar die
Worte: .Meine Meinung geht dahin, diesen Knaben tatauieren zu lassen1
in ,den Knaben hier bearbeiten (I) zu lassen' verwandelt. Noch weniger
erfreulich ist dies, nachdem man S. 67 gelesen hat, daß die Tatau-
ierhämmer ,geschärft' worden; — oder wenn man gleich darauf ,malin
mai' mit ,sei willkommen, statt mit ,tritt ein' übersetzt findet und die
Antwort ,0 alalaga lau afiaga' mit ,möge sich deine Hoheit Wohlbe-
finden1 statt ,die Residenz (Hofhaltung) deiner Hoheit/ —

Ona tago atu ai lea, ua ti tipi Sie greift dann zu und schneidet
ese le fanua. den Mutterkuchen (die Nachge-

burt) ab.

Anm. Nachgeburt = fanua, falefale. Der Gatte der Wöchnerin, der
am Kopfende sitzt, die Hand der Gebärenden in seiner Hand ge-
halten und der Gebärenden beim Eintritt der Wehen (faatigä) fort-
gesetzt zugeredet hat (.faamalosi faamalosi' = strenge dich an, o-
ono' = dränge, ,toe itiiti, toe itiiti' noch ein wenig), packt die Nach-
geburt in einen aus Kokospalmblättern geflochtenen Korb, trägt sie
hinter das Haus, gräbt ein zwei Fuß tiefes Loch und begräbt Korb und
Inhalt. Dann wälzt er einen schweren Stein auf die Aufgrabung.

A e avane se fasi lauua, noanoa Dann nimmt sie ein Stück
ai le pito o le uso o le tama. unbedrucktesRindenzeugund

bindet das Ende der Nabelschnur
des Kindes damit ab.

Anm. Das Abbinden ist nur in einzelnen Fällen erforderlich und
geschieht daher in Samoa nur selten. In der Natur findet das Ab-
binden ja auch nicht statt. Zivilisation schafft leider auch hierin
Änderung 1

A urna lea, ona avane lea o taafi Wenn dies geschehen ist, nimmt
ua afifi ai. sie Stücke alten Rindenzeuges

und wickelt (das Kind) damit ein.


об

Das Geschlechtleben der Samoaner.

Anm. Das benutzte Rindenzeug muß weich und daher alt sein; da
neues Rindenzeug zu hart und steif ist. Um das Rindenzeug noch
weicher zu machen, wird es gründlich mit Kokosnuß öl eingerieben.

Ona avane lea o le fasi popo
ua mama і le gutu o le matua.

Ona avane lea o le lauua ua
afifi ai, ona tatau lea і le gutu o
le tama itiitl

E inu ai a seia susua susu o le
failele.

Es wird dann ein Stück Kokos-
nußkern gereicht, welches eine
Alte im Munde kaut

Dann wird ein Stück unbedruck-
tes Rindenzeug zur Einwickelung
(des Gekauten) gereicht, und in den
Mund des Kindes ausgequetscht.

Welches davon trinkt bis die
Brüste der Wöchnerin Milch geben.

Kraemer läßt nun noch eine Beschreibung von Festen und von
dem Austausch von Matten und Waren folgen, die ich mir fur das
vierte Kapitel vorbehalte.

Dem durch A. Kraemer in Vorstehendem gemachten Angaben
habe ich Folgendes noch hinzuzufügen:

Die Tätigkeit der beiden alten Frauen beschränkt sich bei einer
Niederkunft lediglich darauf, die Gebärende bei ihren Drängen während
der Wochen und bei dem Bestreben, die Frucht zur Welt zu be-
fördern, durch aufmunternde Zurede, Niederpressen der Schultern und
durch der Praxis abgesehene Ratschläge zu unterstützen. Ein
manueller Eingriff wird im allgemeinen von Samoanerinnen nicht ge-
macht. Doch pflegt die am Fußende sitzende Alte eine Hand fest
gegen den Damm — tasele (bei Männern), vaivae (Euphemismus),
faufilo — zu legen, um eine Zerreißung zu verhindern,

Hebammen sind in Samoa unbekannt; dagegen heißt Geburthilfe
leisten faatosaga.

Als Regel ist anzusehen, daß die Niederkunft im Hause des
Gatten erfolgt. Nur eine Frau, die ihrer Niederkunft mit dem ersten
Kinde entgegensieht, wird meistens — auch nicht immer — in das
große Haus (fale tele) ihrer väterlichen Familie übergeführt. Eine
Schwester des Gatten wird zu ihrer Pflege mitgegeben. Mitunter
wird auch ein Sprecher als Begleiter der Schwangeren bestimmt. —
Bei dieser Überfuhrung werden Waren, mitunter auch ein Schwein
als Geschenk fur die Familie der Frau mitgeschickt. — Diese Ge-
schenke, die bei jedem Verwandtenbesuche der Frau sich wieder-
holen, heißen molaga. Sie werden dem Gatten durch feine Matten


Das Geschlechtleben der Samoaner. gy

— ie töga — vergolten. — Uber den Ursprung der Bezeichnung töga
habe ich bereits im Internationalen Archiv für Ethnographie 1899,
XII, S. 136, Aufschluß gegeben (Analogien: susu ina =susuga, afio
ina = afioga, to ina = töga). Die Schreibweise tööga ist unrichtig.
Die Vermutung Kraemers, II, 52, daß das Wort töga von tö =
schwanger abzuleiten sei, halte ich demnach für unzutreffend. Sicher-
lich ist es aber ebenso verfehlt, wenn Kraemer I, 283 töga von
Tonga ableiten will. Denn die Tonganer kennen das Mattenflechten
nicht und beziehen feine Matten aus Samoa. Hierbei suchen sie nur
nach ganz neuen Matten, die in Samoa etwa Mk. 20 wert sind und
bezahlen in Tonga $ 30 = Mk. 120.

Töga (selatan tanah) heißt zweifellos das Südland und hat mit
töga nichts gemein.

Nach erfolgter Entbindung und Reinigung des Kindes und der
Wöchnerin ist es die Aufgabe der alten Frauen, das Kind und die
Wöchnerin bis zur Abtrocknung der Nabelschnur zu pflegen. Das
vertrocknete Ende fällt nach 4 bis 7 Tagen ab — ,ua pan le pute'

Puderquast und Puder kommen ebensowenig in Anwendung wie
Wickel oder Nabelbinden und demnach bildet sich der Nabel ganz
normal. Nur selten sieht man ein Kind mit hervorstehendem Nabel.
Falls man die Eltern auf diesen Umstand aufmerksam macht, erhält
man als Antwort: Das schadet nichts, wenn das Kind wächst, wird
der Nabel normal. Nur einmal habe ich einen Erwachsenen mit
hervorstehendem Nabel — pute osooso — gesehen, bei dem ein
organischer Fehler augenscheinlich die Ursache dieser verunstaltenden
Dekoration war.

Um den Hautreiz des Kindes zu mildern wird es mit Kokosnußöl
und Turmeric-Pulver eingerieben. — Daß das Kind mit dem Safte
eines gekauten Kokosnußkernes genährt werde, kommt jetzt nur noch
selten vor, wenn auch nach wie vor das Hauptopfer bei einer Geburt,
ein großes Schwein, popo, alte Kokusnuß, genannt wird und den
Zweck hat, bei den Göttern die glückliche Beendigung der Kokos-
kernverpflegung des Kindes zu erwirken. —

Mißgeburten sind sehr selten und bestehen in den weitaus meisten
Fällen ihres Auftretens in einer Rückgratverkrümmung, vielleicht
hervorgerufen durch das Tragen schwerer Lasten seitens der Mutter
während der Schwangerschaft; auch ein Fall eines verkümmerten
Beines ist mir bekannt geworden. Andere konstitutionelle Anomalien
müssen in Samoa sehr selten vorkommen, sonst würde man doch
davon hören. Daß sie vorkommen, ersehe ich nur aus dem Umstände,

Krauss, Anthropophytcia. 7


Das Geschlechüeben der Samoaner.

daß der Missionar Pratt, in seinem Wörterbuche ein Wort für
Hermaphrodit — faafafine — anfuhrt

Die durch Kraemer und B. Friedlaender erörterte Frage, in wel-
cher Stellung Samoanerinnen niederzukommen pflegen, beantworte
ich aus eigener Beobachtung dahin, daß in drei Fällen, in denen ich
Augenzeuge war, die Gebärenden auf dem Rücken lagen, unter Kopf
und Gesäß eine Siapowulst hatten und die Knie etwa bis zu rechtem
Winkel angezogen hielten. Daß eine Samoanerin knieend nieder-
kommen, halte ich fur möglich, jedoch fur eine Ausnahme.

Es sind mir viele Fälle bekannt, in denen die Gebärenden,
mangels der Anwesenheit anderer Personen sich selbst entbanden.
Auch wurde mir von mehreren Fällen berichtet, in welchen die Ge-
bärende stehend gebar.

Als Regel muß aber jedenfalls die natürlichste Stellung, die
liegende angesehen werden, bei der dann naturgemäß die Ober-
schenkel leicht angezogen, die Knie gekrümmt werden.

Übrigens kommt ja auch bei Kulturvölkern — wenn auch als
große Seltenheit — vor, daß Frauen sich selbst entbinden, so wie
daß Frauen auf einem Geschäftsgange (z. B. als ,Botenfrau' in den
weniger von der ,Kultur' geschädigten östlichen Provinzen, Ost-
preußen, Westpreußen, Hinterpommern, Posen) niederkommen und
nach Erledigung des Botenganges mit dem Neugeborenen munter
und vergnügt zu Hause eintreffen.

Von einem »Wochenbett' ist bei Samoanern selbstverständlich
nicht die Rede. Am zweiten Tage verrichtet die \yöchnerin bereits
ohne Beihülfe ihre Bedürfnisse, am dritten Tage geht sie bereits ihren
Geschäften im Hause nach. Daß sie Wöchnerin sei, merkt ein ganz
Unbefangener nur daran, daß die Brüste mit einem Stücke unbe-
druckten Siapo in die Höhe gebunden sind. Die Samoanerinnen, die
ja meistens gesund und kräftig und gut gebaut sind, haben in den
ersten Tagen nach der Entbindung einen so starken Milchzufluß, daß
der Säugling die produzierte Milch nicht konsumieren kann. Die
Milch tropft dann aus den straff gespannten Brüsten unausgesetzt
nieder. Die Brüste werden abnorm groß und schwer und bereiten
durch ihre Schwere der Säugenden Unbequemlichkeiten. Um diesem
Übel abzuhelfen, werden die Brüste in der beschriebenen Weise auf-
gebunden. —

Gleich nach der Niederkunft bereitet der Ehegatte in Gemein-
schaft mit den jungen Burschen — taulealea — der Familie fur die
Wöchnerin einen vaisalo; dies ist eine aus jungen Kokosnüssen und


Das Geschlechtleben der Samoaner

99

Pfeilwurzelstärke — masoa — Tacca pinna-tifida — durch Kochen
mittelst heißer Steine hergestellte Suppe; .denn die Wöchnerin fühlt
sich schwach im Magen — ua mole le manava/ Doch genießt nicht
nur die Wöchnerin davon, sondern alle anwesenden Personen lassen
sich recht große Portionen sehr wohl schmecken.

Vaisalo ist die spezifische Krankensuppe in Samoa, die auch
Weiße sehr wohl zu würdigen wissen. Sie ist wohlschmeckend, nahr-
haft und leicht verdaulich. — Jeder, der einem Kranken seine be-
sondere Zuneigung oder sein Mitgefühl auszudrücken beabsichtigt,
setzt ihm eine große Holzschüssel — umete — mit vaisalo gefüllt
vor sein Krankenlager. Wenn der Kranke auch nur je morgens und
abends eine Tasse davon genießt, so hat er doch das Vergnügen das
zahlreiche Pflege- und Besucherpersonal 5 bis 6 mal am Tage auf
seine Gesundheit recht herzhaft vaisalo trinken zu sehen.

Die Ruhe des Wochenzimmers, wie sie bei Kulturvölkern fur er-
forderlich gehalten* wird, zu deren Erhaltung. sogar der Käfig des
Singvogels verhängt wird, damit er nicht etwa ein Lied erschallen
lasse, kennt der Samoaner nicht. — Vor dem Hause, auf dem Dorf-
platze spielen, lärmen, schreien und prügeln sich die Kinder und im
Hause wird eifrig und laut konversiert. Alles dies stört die Wöchnerin
durchaus nicht. Will sie schlafen, so schläft sie trotz des Lärmens.
Sie ist es so gewohnt.

Ihre Nerven sind nicht durch starken Kaffee, Thee und andere
Reizmittel verdorben. Sie ist frei von Nervosität, dem Produkte
heutiger Kultur. —

Bei der Niederkunft sind, — ganz nach Belieben —, alle Familien-
mitglieder beiderlei Geschlechtes und jeder Alterstufe zugegen; Jüng-
ginge, erwachsene Mädchen, jüngere Knaben und Mädchen jeglichen
Alters. —

Alle verfolgen mit der größten Aufmerksamkeit alle Vorgänge
bei der Geburt und sind vollkommen orientiert über das, was das
Entstehen, Leben und Vergehen der Menschen angeht.

Mit Storchgeschichten käme man bei diesem Naturvolke nicht weit
Daß die Sittlichkeit durch Verheimlichung der einfachsten und
natürlichsten Vorgänge im Menschenleben gehoben würde, wird nie-
mand behaupten können, der einmal eine Niederkunft bei Samoanern
zu beobachten Gelegenheit gehabt hat. —


Deutsche Bauernerzahlungen.

Gesammelt im Ober- und Unterelsaß von F. Wernert

Im III. Bande S. 67—131 brachten wir hundertundvier mehr oder
weniger derbe Bauernerzählungen, welche im Gebiet zwischen Rhein
und Vogesen umlaufen. Nach weiteren Studien ist es nun möglich
gewesen eine größere Zahl ähnlicher Erzählungen fur dasselbe Gebiet
festzustellen. Es handelt sich dabei, wie nachdrücklich betont sei,
nicht etwa um Schnurren, die von der Männerwelt lediglich im Wirts-
haus erzählt werden, sondern um .Schnircheln', die während der Arbeit
in.Haus und Feld zum besten gegeben wurden.

Vieles konnte während der Heuernte gesammelt werden, die
Hauptzahl ließ sich bei den Arbeiten im Weingelände feststellen.
Einzelne, und wie hervorgehoben werden muß, gerade, die unsauber-
sten Erzählungen gehören zum ,Fabulierbestand* der in den entlegenen
Dörfern wohnenden Holzfäller, Zotenreiche Stücke nennen wir ,Holz-
hackersprüche/ Damit ist angedeutet in welcher Sphäre sich die
Unterhaltung der Waldarbeiter bewegt.

In den Holzhackerortschaften, wie wir die Dörfer nennen wollen,
deren männliche Bevölkerung hauptsächlich im Walde schafft, kommen
die meisten Delikte wider die weibliche Geschlechtehre vor. Der
Hunger nach dem weiblichen Körper, nach geschlechtlicher Befriedi-
gung scheint um so reger zu sein, je weiter die männliche Bevölkerung
vom Orte entfernt dem Tagverdienst nachgeht

Neben diesen Wald Ortschaften kommen die Rebdörfer in Betracht
Der Weingenuß im elsäßischen Rebgelände ist groß und lockert nur
zu oft alle Fesseln. Namentlich im Herbst, wenn die Weinberge ein
gutes Resultat ergeben, wird in sexueller Hinsicht vieles geleistet.
,S'isch Herbscht' mit dieser Redensart deutet man an, daß alles er-
laubt ist

Wir wollen aber keine Abhandlung darüber schreiben, welche
Jahrzeit den Geschlechttrieb der Landbevölkerung am meisten beein-


Deutsche Bauernerzählungen.

101

flußt. Das muß dem Physiologen bezw. der Moralstatistik überlassen
bleiben. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Stücke schienen
diese Andeutungen aber zweckmäßig. Viele der einzelnen Schnurren
beschäftigen sich mit der Geistlichkeit und da das Elsaß zu 4/5 katho-
lisch ist, natürlich in erster Linie mit dem katholischen Klerus.

Diesen Studien wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da
es von kulturhistorischen Wert ist, die Anschauungen des Volkes über
die Geistlichkeit zu kennen. Das Bild, welches sich die Volkphantasie
vom Klerus macht, trifft ja keineswegs Strich für Strich zu, vielmehr
unterschiebt der Landbewohner und gleichfalls der Städter seine An-
schauungweise über geschlechtliche Vorgänge dem Geistlichen. Wichtig
ist es aber gerade in dieser Hinsicht die große Masse kennen zu lernen.

Wir erwähnen zuerst zwei Holzhackersprüche aus dem Gebiet
der Mittelvogesen.

105.

Lack mi am Arsch Leck mich am A—

esch äui a Danz ist auch ein Tanz

awer gar a wiaschter aber gar ein wüster

ün hett der Pfaff und hat der Pfaff

kä Huur am Schwanz kein Haar am Sch—

Ze esch er äui kan Priaschter. so ist er auch kein Priester.

Das Alter dieses Spruches, welcher unter der männlichen Jugend

vielfach gesungen wird, ließ sich ebensowenig feststellen als das des
nachfolgenden:

S'esch a'rich, wa m'r's bedankt S'ist arg, wenn man es bedenkt

Wia —n— ar eim hankt Wie er (id est penis) einem hängt

Wia das eine krankt! Wie das einen kränkt!

Wia das eine awer freit Wie das aber einen freut,

Wann аг eine steijt. Wenn er wieder steigt.

Ein Neckreim, in welchem die Stärke der Manneskraft angegeben
wird, ist im Haslachtal, einem Nebental des Breuschtales im Hinter-
elsaß bekannt. Der Text dieses Reimes lautet:

Wer net ewer sewa Magdia grattla kann esch ke Mann, ke Mann

Wer nicht über sieben Mägdlein krabbeln kann ist kein Mann, ke Mann

wer net grattla kann ewer sewa Magdia.

wer nicht krabbeln über sieben Mädchen.

Sehr alt ist der Spruch:

Es esch ken aldi Huer am Rhin,
Es ist keine alte Hur am Rhein,

Jewedi wül e Jumpfer sin
Eine jede will eine Jungfrau sein.


102

Deutsche Bauernerzählungen.

Diesen Reim findet man schon bei Fischart, woselbst es heißt:

Es ist keine alte Huor am Rhyn Grempen = Wiederverkäuferinnen von

Sy wöllent alle Grempen sein. Eßwaren, Obst, Gemüse im Kleinen.

106. D'Garschtenarnn.

Die Gerstenernte.

S'esch emol e Buer met dV Gârscht harn kumme. Do heßt's de

Es ist einmal ein Bauer mit der Gerste heim gekommen. Da heißt es den

Wâja ôlôda. DV Buer geht nuff uff da Stock ann küm esch 'r owwa,

Wagen abladen. Der Bauer geht hinauf auf den Heuboden und kaum ist er oben

ze retscht V üs ann plumps, fallt V arô ens Schieredann êm von de

so rutscht er aus und plumps fallt er herab in die Scheunentenne einem von den

Lothrenger Maidia, wie dert gebückt g'stanga—n—esch, grod uff de

Lothringer Mädchen, welches dort gebückt gestanden ist, grad auf den

Duckes, daß des lütt uffschreit ann um Helf rüeft Alli zwai

Dokes (Hintern) so daß das laut aufschreit und um Hilfe ruft. Alle zwei

leja do bienand'r uff 'm Schierdann. S'Maidel schleed e cülbütel

liegen da beieinander auf dem Scheunenboden. Das Mädchen schlägt einen Purzelbaum

ann hett de blutte—n—Orsch ann. e hoorige Pelzkapp !) gezait ann d'r

und hat den bloßigen A— und eine haarige Pelzkappe gezeigt, und der

Buer esch glecklicherwies uff a Hüffe Stroh g'falla. Na 's hett kenns

Bauer ist glücklicherweise auf einen Haufen Stroh gefallen. Na, es hat keines

ke schweri Verletzunga dVvon getraja. D'r Buer esch weech g'falla

keine schwere Verletzungen davon getragen. Der Bauer ist weich gefallen

ann s'lothrenger Maidia het so lang storik an sim hengere Teil g'hebbt

und s'lothringische Maidel hat so lange stark an seinem hinteren Teil gehalten

bes aß d'r Buer met a por Dholer Domasch hindern (gemeint sind

bis daft der Bauer mit ein paar Talern Schadenersatz

dommages intérêts) erüs geruckt esch, do esch der Teil au wedder

heraus gerückt ist, da ist der Teil auch wieder

gsüand worra2).

gesund worden.

1) Hoorige Pelzkapp id est vulva.

2) Erzählung aus dem Kochersberger Ländel. Der Kochersberg ist ein westlich
von Straßburg gelegener hügeliger fruchtbarer Landstrich, in dessen Dörfern zum Teil
noch die unverfälschte alemanische Bauernschaft sitzt, welche alte Sitte und Tracht bis
zum heutigen Tage bewahrt hat. Die Bewohner des Kochersberges gelten schon seit dem
Mittelalter her als besonders grob und ungeschliffen. Mittelpunkt des reichen Land-
striches ist der 650 Einwohner zählende Ort Truchtersheim. Vergleiche auch: August
Stoeber: Der Kochersberg, ein landschaftliches Gemälde aus dem Unterelsaß.* —

Die in obiger Erzählung erwähnten Lothringer Maidel sind Erntearbeiterinnen aus
dem nahen Bezirk Lothringen. Zu Lothringen gehört auch ,das krumme Elsaß' oder das
,Heckenland'. Trotz der Nachbarschaft und obwohl Lothringen mit dem Elsaß das
deutsche Reichsland bildet, geht jedem Elsässer ein Schauer durch Mark und Bein, wenn
man von Lothringen redet (Siehe: ,Land und Leute im ,krummen Elsaß* Nr. 16 und
17 Vogesenblatt Jahr 1906).


Deutsche Bauernerzählungen.

ЮЗ

107. s'Karlinnel vom Kocherschbarri.

Das Karolinchen vom Kochersberg.

DV Moosgrejle*) Buer esch 'm Karlinnel met de Hand fescht om

Der Maßkrügel Bauer ist dem Karolinchen mit den Händen fest am

Orsch umeg'fohra. ZettV kläut's unn kläuts: 's hett weh em Kriz,

Anus herumgefahren. Seitdem klagt es und klagt es: es hätte weh im Kreuz,

s'kann nemmi schaffe, 's esch verderbt fr emmer.

es kann nichtmehr schaffen, es ist beschädigt für immer.

DV DoktV hett's engersüacht, oww'r hett nix g'funga. Er mänt

Der Doktor hat es untersucht, aber er hat nichts gefunden. Er meint

's esch Verstellung. *M Buer esch 's Ongscht worre un so rüeft V

es ist Verstellung. Dem Bauer ist es Angst geworden und so ruft er

ganz em Stilla der Knacht unn sät: ,Horich Jockel, dü wasch, was

ganz im Stillen den Knecht und sagt: ,Höre Jockel, du weißt, was

bassiert esch met dam Maidel. E will dV ebbs sâja, ôwV 's Müll

passiert ist, mit dem Mädel. Ich will dir etwas sagen, aber das Maul

g'halta! Neama nix gepfiffa, denn 's wäß sunsch neama nix as ech

gehalten! Niemand nichts gepfiffen, denn es weiß sonst niemand nichts als ich

unn dü unn dV DoktV. ZettV zeh Daü semelier і wie dem ze hâlfa

und du und der Doktor. Seit zehn Tagen simuliere ich, wie dem zu helfen

war. Unn 's esch mV a guater Gedanke kummau 'S esch morn

wäre. Und es ist mir ein guter Gedanke gekommen. Es ist morgen

Maßti-Sunndi D' Bierra unn ich mV wâra morn verräsa; do hesch

Meßti-Sonntag. Die Bäuerin und ich wir werden morgen verreisen ; da hast

a Zwanzig Marik-Stüeckel ! Fiahr de JungfV uff de'Maßti unn kurier

du ein Zwanzig Mark Stückchen! Führe diese Jungfrau auf den Meßti und kuriere

mV se. Griff 's schlöü on. Wann 's ferti brengsch, worr і dV noch

mir sie. Greife es schlau an. Wann du es fertig bringst, werde ich dir noch

a so e Füachsel an d' Hang springa Ion*. — Des loßt sich dV Jockel

ein solch ein Füchschen an die Hand springen lassen*. — Das läßt sich der Jockel

nit zweimôl saja denn 's Karlinnel esch a sakerdies3) natts Fratzel.

nicht zweimal sagen, denn das Karolinchen ist ein verflixt nettes Frätzchen.

Glych esch V zürn Balwerer unn loßt d' Hoor unn de Bort schnieda,

Gleich ist er zum Barbier und läßt die Haare und den Bart schneiden,

dVno hett V de Sunndismotze4) ôngedôn unn vun 's Buer sinne

darnach hat er den So Dn tags rock angetan und von des Bauer seinen

beschte Sigâre ong'flommt. So esch V vor łs Karlinnel sinem FanschtV

besten Zigarren angerlammt So ist er vor des Karolinchen seinem Fenster

spoziera stolziart unn het a luschti's Märschel gepfiffa. As düert nit

spazieren stolziert und hat ein lustiges Märschchen gepfiffen. Es dauert nicht

1) Maßkrügelbauer ist ein Spitzname, der auf Trinkfertigkeit in vino hindeutet.

2) Maßti Sunndi = Kirchweihfestsonntag, ein Tag da furchtbar gegessen, getrunken,
getanzt, geliebt und geschlagen wird.

3) sakerdies bedeutet eigentlich sacré Dieu.

4) Sunndimotze Sonntagsrock, der an der Hosenbrise aufhört. Mutzen -« mittel-
lateinisch almatia.


I04

Deutsche Bauernerzählungen

lang do hert m'r 's Klewela era geh'n, 's Fanscht'r esch wia

lange da hört man das KlÖbchen (der Fensters) herabgehn, das Fenster ist wie

vun âsi uffgange. Es streck sin Habs Kepfela erüs.

von selber aufgegangen. Es streckt sein liebes Köpfchen heraus.

,Schens Maidel', mänt der Jockel, ,morn esch Maßtil DV Buer

»Schönes Mädel', meint der Jockel, , morgen ist Meßtil Der Bauer

unn d' Bierra verräse. As kânnt die niema і glaub, wann de a poor

und die Bäuerin verreisen. Es kennt dich niemand, ich glaube, wenn du ein paar

Mol gedanzt hesch geht d'r Butza hienga awack unn dü wursch wedd'r

Mal getanzt hast geht der Schaden hinten weg und du wirst wieder

g'sund'. Afä uflfs letscht hett 's Maidel inggewilligt Küem esch 's

gesund. Enfin zu letzt hat das Mädel eingewillt. Kaum ist es

im Sunndi uff de Danzbodde kumme esch vo Krizweh, Buckelweh,

am Sonntag auf den Tanzboden gekommen ist von Kreuzweh, Rückenweh,

ke Spür meh. Des hett hienga unn vorne nüs g'schlaje, de Ländler

keine Spur mehr. Das hat hinten und vorne ausgeschlagen, den Ländler

unn de Hopser, de Walzer unn de Schottisch hett 's met gemocht,

und den Hopser, den Walzer und den Schottisch hat es mit gemacht,

so stolz as ans.

so stolz als eines.

Z' morjes um zwei hett 's met 'm Jockel z'Nôcht gâsse1). Die

Zu Morgen um zwei hat es mit dem Jockel zu Nacht gegessen. Die

zwanzig Marikle senn g'flöje unn noch Stecker fünf hatt d'r Jockel sech

zwanzig Mark sind geflogen und noch stücker fünf hat der Jockel sich

uffkriede Ion2); owwer d'r Buer zohlt se gare; dann enn dere Nôcht

aufkreiden lassen; aber der Bauer bezahlt sie gerne; denn in dieser Nacht

hett sech d'r Jockel ewwer das Maidel hergemacht. D' Kutte hett 'r 'm

hat sich der Jockel über das Mädel hergemacht. Die Röcke hat er ihm

ewwer de Dockes 'nuff g'sträft unn hett 's bis uff d' Knoche enger-

über den hinaufgestreift und hat es bis auf die Knochen unter-

süacht Des Dokt'r Exarna esch em Karlinnel sinnere Kammer vor sech

sucht. Dieses Doktor Examen ist im Karolinchen seiner Kammer vor sich

gange. Gejuxt hân se, afä d'r Jockel hett uff sini Oort kuriert. D'

gegangen. Gejauchzt haben sie, enfin der Jockel hat auf seine Art kuriert. Die

gonz Nôcht mahnt 's Maidel züem Jockel: Jockel ech brüch din Hilfl

ganze Nacht meint das Mädel zum Jockel: Jockel ich brauche deine Hilfe 1

Druck geje mini ennera Verletzunga'. Na d'rwâia het d'r Jockel wia

Drücke gegen meine innem Verletzungen. Na deßwegen hat der Jockel wie

łne Fülle gemoocht wie zuem erschte Mol nooch langer Zitt, üs 'm

ein Füllen gemacht, welches zum ersten Mal nach langer Zeit aus dem

Stall erüskummt Wott'n er no meh wessa? Viel Wissa macht Kopf-
Stall herauskommt. Wolltet ihr noch mehr wissen? Viel wissen macht Kopf-
weh. Nur ans noch, 's Karlinnel hatt sie met 'm Buer üsg'suent

weh. Nur eines noch. Das Karolinchen hat sich mit dem Bauer ausgesöhnt

1) In der Meßtinacht wird nach Mitternacht von den wohlhabenderen Bauernburschen
und Mädchen ein großartiges gemeinschaftliches Mahl in den Wirtschaften eingenommen
und darnach hebt eine Schlemmerei an.

2) Zeugt von der bäuerlichen Schlauheit des Knechtes.


Deutsche Bauernerzählungen

IO5

unn bliet bie 'm as Mäud. 's esch karne g'süend worre unn hett d'r

und bleibt bei ihm als Magd. Es ist kerngesund geworden und hat den

Jockel g'hirote.

Jockel geheiratet

108. Wie dick mal?

Im krummen Elsaß war ein Pfarrer aus dem lothringischen Gebiet
stationiert. Ein Mädchen kam zu ihm zur Beicht und sagte unter
anderem, daß ihr gutmütiges Herz den Bedürfnissen der hitzigen
Knaben nie habe widersagen können. Der Pfarrer fragte wie oft das
geschehen sei und zwar meinte er in lothringischer Ausdrucksweise:
,Wie dick mal?' ,0і, sagte das Mädchen, ,emmer a so deck as d'zelli
Fohnaatang* (immer so dick als jene Fahnenstange), damit deutete das
Mädchen auf eine der Kirchenfahnen.

109. О ja ich habe.

Ein junger Mann von Ruß (im Breuschtal) wollte sich mit einem
Dienstmädchen aus Urmatt (ebenfalls im Breuschtal), das in Ruß
diente, verheiraten. Weil der Mann die näheren Familienverhältnisse
der Magd nicht kannte, bat er, wie so viele Leute tuen, den Pfarrer
der möge in der Beicht gleichzeitig das Mädel ausforschen. Der
Pfarrer, welcher kaum deutsch kannte, wollte das erstmals bei ihm
beichtende Mädel fragen, und um sich nicht zu blamieren meinte
er. ,Avez-vous des dettes?1 Das Mädchen schaute den Pfarrer etwas
verblüfft an, doch als dieser abermals dasselbe fragte sagte es: ,0 ja
ech ha großi Tetla, lüega'. Damit knöpfte die Magd sich vorne auf
und ließ den Pfarrer ihren starken Busen sehen.1)

1) Zum Verständnis dieser Schnurre muß erwähnt werden, daß Ruß zu dem fran-
zösischen Sprachgebiet des Breuschtales gehört. Das Patois und die französische Sprache
beginnt bereits 3 Kilometer vor Ruß auf dem linken Breuschufer bei Lützelhausen. Die
deutsche Sprachgrenze bildet Urmatt, das 32 Kilometer westlich von Straßburg liegt. Als
eine Folge des blühenden Handels und Touristenwesens, der deutschen Schule, der Heeres-
pflicht macht sich allgemach eine leise Verschiebung der Sprachgrenze nach der franzö-
sischen Seite zu bemerkbar. Hier also an der Westgrenze wo zwei Kulturen aufeinander-
stoßen macht die deutsche Sprache anders als an der polnisch-russischen Grenze unauf-
haltsame Fortschritte. — Wir machen an dieser Stells aufmerksam auf Dr. Const This:
Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsaß. 8°. 1888 und Dr. H. N. Witte: Deutsche
und Keltoromanen in Lothringen nach der Völkerwanderung. Die Entstehung des deut-
schen Sprachgebietes. Mit Karten. 8°. 1891. Verlag von J. H. Ed. Heitz (Heitz &
Mündel) Straßburg i/Elsaß.


io5

Deutsche Bauernerzählungen.

110- SMsch ihr drum.

Ein Pfarrer ging mit seiner Köchin über Feld. Unterwegs kamen
sie an Kühen vorbei als gerade der Stier an eine Kuh trabte und von
hinten beroch.

Die Köchin fragte ihren geistlichen Herrn: /Warum schmeckt dV

»Warum riecht der

Stiar e dere Küah der Hentera?*

Stier in dieser Kuh den Hintern?1

,Na, wil ar ke Hand het' — Ja schmeckt ar's, wann's ere drum eschi*

,Na, weil er keine Hand hat.* — Ja riecht eres, wenn es ihr darum ist?'

Ja, ja' — Pfarrer und Köchin kamen auf ihrem Wege durch den
Wald und da es warm war setzten sich beide ein wenig auf den
weichen Waldboden. Auf einmal meinte die Köchin: ,Schmecka ehr
nix* (Riechet Ihr nichts?) — ,Nä, was soll i schmecka'. (Nein, was soll
ich riechen.) —,Na, nahma, d'Hand dVnu ware— n—ehr's schpire, daß
mV dVum esch*. (Na nehmet die Hand darnach werdet Ihr's spüren,
daß es mir darum ist'). Diese Schnurre stammt aus Rosheim kommt
aber im ganzen Unterelsaß vor. Die Redensart: s'isch mir drum =
es ist mir darum, ist lediglich eine Umschreibung von geneigt sein
zum Beischlaf Namentlich sagt der weibliche Teil der Bevölkerung
s'isch m'r drum beziehungweise s'sch mV nit dVum.

111. Er kennt sie noch.

Ein Abbé erkrankte schwer. Der Arzt ordnete an, daß keine
weibliche Person zu dem Fiebernden kommen möge. Nach einigen
Wochen kam der Pfarrer langsam wieder zur Genesung und endlich
erklärte der Doktor eines Tages: ,Hitt kann Sie łm Herr Pfarrer

.Heute kann Sie dem Herrn Pfarrer

wieder den erschte B'süach mache. Bliet Sie awer um Gotteswille

ersten Besuch machen. Bleibe aber Gotteswillen

nit lang sunscht könnt 's e rechute gen*. Voller Freude ging die

nicht lange soast könnte es ein Rückfall geben*.

Magd nach beendeter Arbeit in das Krankenstüblein. Es war ein
warmer Sommertag und der Herr Abbé schlief gerade als seine
Köchin eintrat. Leise schlich sie näher heran, um den Schnarchenden
nicht zu stören. Wie sie an das Bett kam sah die Köchin, daß ihr
Herr ziemlich unbedeckt dalag. Eben wollte sie den Herrn Abbé
ein bissei zudecken, da sah die Köchin voller Erstaunen wie sich
zwischen den Schenkeln des Pfarrers der Schwanz erhob. Immer
großartiger streckte sich der Schwanz und nickte der Köchin zu. Die


Deutsche Bauernerzählungen. 107

112. Die Schlange.

In einem Nonnenkloster war der Beichtvater krank geworden und
man hatte zur Aushilfe einen jungen schönen Kapuzinerpater. Der
blonde lange Bart des Kapuziners stach den jungen Schwestern stark
in die Augen und allerlei sündhafte Gedanken kamen den Nonnen.
Jeden Mittag nach dem Essen ging der Kapuziner in den Kloster-
garten, der voll Bäume und Sträucher stand, um an einem stillen
Plätzchen sein Brevier zu beten. Das erspähte die lebenslustige Nonne.
An einem heißen Tage wo alles im Kloster still und ruhig war ging
der Kapuziner wieder im Garten spazieren. Die Nonne paßte auf und
schlich sich ebenso in den Garten und auf einmal kam dem erschre-
ckenden Mönch eine ganz nackte Person aus dem Gestrüpp entgegen.
,Pater, Pater mich hat eine Schlange gebissen4. Als der Mönch sich
vom ersten Schreck erholt hatte, denn er fürchtete es sei der Teufel,
fragte er mit niedergeschlagenen Augen wo die Schlange gebissen
habe. Da zeigte die Nonne auf ihre dicken Brüste, die am Ende rot
geknöpft waren und auf ihren Schnitt wo rotes Haar stand. Der
Mönch hatte noch kein nacktes Weib gesehen und so glaubte er die
Brüste seien vom Biß geschwollen. ,Zur Ehre Gottes will ich das
Gift aussaugen1, erklärte der Mönch, Die Nonne ließ es sich gefallen
und legte sich auf den Boden. Je mehr der Mönch aber sog um so
merkwürdiger zappelte es unter seiner Kutte. Der Nonne ward es
immer wohliger, dem Mönch immer heißer. Auf einmal meint die
Nonne ,Pater die Schlange ist glaub ich zu Euch gekommen', und
rasch hob sie dem Kapuziner die Kutte. Wirklich da stand mit roter
Farb dem Mönch ei;i Schlangenschwanz zum Leib hinaus. Jetzt will
ich Euch retten', sagte die Nonne und ehe der Mönch nur denken
konnte lag er auf dem Boden, während die Schwester mit ihrem
Schnitt den Schlangenschwanz faßte und hinauszuziehen versuchte.
Bei all dem Zerren und Reißen wurde beiden wohler und um die
Klosternonnen nicht etwa zu erschrecken behielten beide den Schlangen-
unfall fur sich.

Rosheim.

aber schlug in heiliger Verklärung die Hände über dem Kopf zu-
sammen und rief: ,Uh la! D'r Kaib kannt mi noch*'.

,Oh la! Der Kerl kennt mich noch'.

(Aus Bischofsheim bei Oberehnheim. In Bischofsheim befindet sich
ein Kloster der Liguorianer-Redemptoristen.)


io8

Deutsche Bauernerzählungen,

113. Askese.

Ein Mönch hörte Beicht in einem Nonnenkloster und übernachtete.
Es war heiß und der Mönch dachte, du kannst dich wohl nackt ins
Bett legen bei dieser Sommerschwüle. Mitten in der Nacht wachte
der Mönch auf denn er fühlte sich am Schwanz begriffen. Halb ge-
lähmt öffnete er die Augen und sieht im Mondenschein wie um sein
Bett alle Nonnen nackt stehen, während die Oberin den Mönch beim
Schwanz gepackt hatte. /Verzeihet ehrwürdiger Pater, wir üben uns
in der Enthaltsamkeit des Fleisches wir töten unsere Augenlust und
wollen gleichzeitig Euere Fleischeslust abtöten'. ,So will auch ich
mich an der Askese beteiligen', antwortete der Mönch der Oberin
und packte sie am Vozenhaar rupfte fest herum und warf die Oberin
zur Türe hinaus. Dann kam so jede Nonne daran und damit endete
die Askese. Rosheim.

114. Frei von der Brust.

Die Oberin eines Klosters wollte ihre Nonnen yor jedem unreinen
Gedanken behüten und so sagte sie: ,die Männer sind geradeso wie
wir. Gott hat uns wie Adam geschaffen, doch hat er uns schöner
gemacht und so ließ er den Bart uns aus dem Gesicht. Brüste hat
der Mann nicht weil Gott wollte, daß alle Männer frei von der Brust
predigten'. SchlettstadL

115. Die Giftader.

Die Pfarrköchin war krank und man hatte ein junges Bauern-
mädchen zur Aushilfe genommen. Dem Pfarrer gefiel die dralle Maid
ausnehmend gut und er suchte nach Gelegenheit die Jungfer nackt zu
sehen. ,Odile, dü gTällsch m'r gar nit', meinte er gelegentlich. /Worum',

»Odilia, du gefällst mir gar nicht', »Warum1,

— E dyni Giftoder esch nit b'sorijt'. Ja Herr Abbé do d'rvun weiß

— Eh nun deine Giftader ist nicht besorgt*. Ja Herr Pfarrer da davon weiß

ich jo gar nix. Wü haw і denn e Giftoder?' — ,D'sell esch ganz ver-

ich ja gar nichts. Wo habe ich denn eine Giftader?4 — Das ist ganz ver-

schiade'. — ,Na ze nemma mV dV.Gift'. ,Ze dhüa dy ab' — Bref

schieden1. — ,Na so nehmen Sie mir das Gift4. ,So zieh dich aa' (ausziehen) kurz

s' Odile zeit sich ab und d'r Abbé fangt a ganz ze riddere. Wia—n

das Odila zieht sich aus und der Pfarrer fangt an ganz zu zittern. Wie

—r s' Odile blott g'siaht mit dam wiße Fleisch, dane satti Düttel,

er das Odila nackt sieht mit dem weißen Fleisch, den festen Brüsten,

dane satti Orschbacke isch 's ferrig gsin. Sin Milewinkes isch hert und

den festen Hinterbacken ist es fertig gewesen. Sein Penis ist hart und


Deutsche Bauernerzählungen. IO9

stijff in d'Höche gstande. DV Abbé fahrt mit 'm Finger 'm Odile

steif in die Höhe gestanden. Der Abbé fahrt mit dem Finger dem Odile

ewer d'Bruscht de Nawel nunter d'r Scheid züa un uff amol wie—n—

über die Brust den Nabel hinunter der Scheid zu und auf einmal wie

V 's numm un dumm geteilt het ze riaft V: ,do zwische de Schankel

er es hinum und herum gestellt hat so ruft er: ,da zwischen den Schenkeln

haw і d'Giftoder g'funga. ,Ze nemma mV d'r Gift', battelt s'Odile. DV

habe ich die Giftader gefunden. ,So nehmet mir das Gift1, bettelt das Odile. Der

Abbé lüpft d' Kutt un fahrt 'm Odile wü mit 'm Rucke geje 'm ge-
Pfarrer hebt die Soutane und fahrt dem Odile welches mit dem Rücken gegen ihm ge-
Stande esch mit 'm Milewinkes um d'n Orsch und zwische de Schankel

standen ist mit dem Penis um den A— und zwischen den Schenkeln

um. Uff emol esch 'm Pfarrer d' Natur kumme un do riaft V: ,0

herum. Auf einmal ist dem Pfarrer die Natur gekommen und da ruft er: ,0

Odilele, heb mi do vorne an dem Gleich s'Gift kummt'. Nu mit dem

Odilele, halte mich da vorne an dem Glied s'Gift kommt. Und mit dem

hetV 'm Odile de Waddel in d' Hand druckt so daß 's Odile dł ganz

hat er dem Odile den Penis in die Hände gedrückt so daß das Odile die ganze

Nadür in d'Händ verwitscht

Natur in die Hände bekam.

Kreis Schlettstadt und Kreis Erstein.

1) Natur in diesem Sinne = semen virile.

116. Guter Trost.

Magdela wann de dieana wett Mädchen wenn du dienen willst

Diean numma bi da Pfaffa Diene nur bei den Pfaffen

Do kannsch di Galt em Bett verdieana Du kannst dein Geld im Bett verdienen

Bruch'sch auch net veal zu schaffe. Brauchst auch nicht viel zu schaffen.

Dieses Spottlied sang der Ackerer Ignatz Frey aus Heiligenberg
im Breuschtal. Frey bekannt als Natz war ein wirkliches Original
von Junggeselle; kein Dummkopf, sondern ein feiner Dorfpolitiker, der
unter besseren Umständen wohl Schulmeister und mehr geworden
wäre. Das Liedel dürfte im dritten Vers ursprünglich wohl das Wort
Bett am Ende stehen gehabt haben, wo sich dann Vers 1 und 3
wirklich reimten, indessen sah ich von einer Verbesserung aus leicht
erklärlichen Gründen ab.

*

117. Böse Absolution.

Ein Seiltänzer beichtete in einer Mission (während einer längeren
Zeit währenden Bußübung, die in katholischen Ländern üblich ist
und aus Adhortationen, Beicht und Kommunion besteht). Der Geist-
liche sah gleich, wen er vor sich hatte und fertigte ihn rasch ab. Er-
freut über die schnelle Lossprechung, entfernte sich der Seiltänzer in


no

Deutsche Bauernerzählungen.

einer ihm üblichen Weise. Vom Beichtstuhl schlug er bis zu seinem
Platz nämlich das Rad. Eine Frau die nach dem Seiltänzer beichtete
bekam auch ihre Lossprechung. Als der Beichtvater von der Buße
anfing begann die Frau : ,0h verzeija Herr Pfarrer, gen mV kenn Buaß

,0h verzeihet gebet mir keine Buße

wia dem Mann, ech ha jo hit ke Hossa an und kann ke Rädel schlaue'.

wie dem Mann, ich habe ja heute keine Hosen an und kann kein Rüdchen schlagen1.

(Lützelhausen).

,Heute' hatte die Frau keine Hosen und zeigte damit an, daß sie
dieses Bekleidungsstück wie die meisten Bäuerinnen höchstens Sonn-
tags und Festtags bezw. im Winter als Luxusgewand trägt.

118. Erkannt.

Agnesel hat Anlage für in's Kloster. Bald verwirklichen sich
auch die Gedanken. Der Vater vom Agnesel führt's mit dem Wagen
nach der Bahn. Unterwegs trifft man eine Schafheerde. ,Vater', sagt
Agnesel, ,dieses hat wie ich auch schwarze Haare am Bauch, (dabei
deutete Agnes auf ein schwarzgeflecktes Schäflein) dieses muß es
aber auch beißen *) und es kann nicht in's Kloster'. — ,Wenn' halt so
isch', sprach der Vater und rief zum Pferd ,hüscht herum Brüner
(Brauner) un 's Agnesel müass e Liebschter han'.

Erzählung im Breuschtal Stil.

Bezeichnenderweise sind es nach Meinung der Bauern — und die
müssen es doch wissen — in der Mehrzahl fehlgeschlagene Heirat-
pläne, welche die Dorfschönen veranlassen den Schleier zu nehmen.

119. Der über uns.

In einer Dorfwirtschaft wurde ein Mädchen von einem Burschen
auf den Heuboden begleitet. Dort verwendete der Bursche das Mäd-
chen zum Liebeakt. Wie's nun am schönsten war und dem End zu-
ging jammerte das Mädchen Ja wann ech awer a Kend bakum?' —

Ja wenn ich aber ein Kind bekomm?1

Da stöhnte der Bursche: ,D'seller ewer uns wurd's schun erhalta'. —

Jener über uus wird es schon erhalten*. —

,Nä, nä! b'hiat Gott', schrie ein Mann, der auf dem Heustock lag und

,Nein, nein!* Behüte Gott!1

wehrte mit den Händen. J weiß net wü 's Brut ufdrescha fer mini

,Ich nicht wo das Brot aufdreschen für meine

zehn Ken'.

zehn Kinder*.

i) Beißen = jucken, kribbeln, zur Geschlechtslust gereizt.


Deutsche BaucrnerzähluDgen. 11X

Anmerkung. Die Schnurre ist zwar angeblich im Breuschtal in
einem Wirtshaus zwischen Dinsheim und Urmatt tatsächlich vorge-
kommen und wir bringen sie nur wegen der elsässischen Fassung; in
Wahrheit handelt es sich um eine mittelalterliche Fazetie.

120. Seltsam.

,S'esch hart fer a Fräui wann 'r nemm hart esch un 's esch wajer

,Es ist hart für eine Frau wenn erl) nicht mehr hart ist und es ist wahrlich

schod, aß r net a su groß esch wie—n—e Düttel vum em—aide

schad, daß er nicht so groß ist wie eine Brust von einem alten

Wibsmensch un net a su stiff aß ä Siländerschibbüs', het d' Großel

Weibsmensch und nicht so steif als wie ein Zylinderhut', hat die Großmutter

g'sait, un het sech vum Großbabbe met em große Zehe d'ran2) Speele Ion.

gesagt und hat sich von dem Großvater mit dem großen Zehe daran spielen lassen.

Ältere Leute neckt man im Elsaß gerne damit, daß bejahrte
Männer ihre Frauen geschlechtlich nur noch mit Hilfe der großen
Zehe aufregen können. Molsheim.

121. Missverständnis.
E Juddemaidel üs 'm Frankrich hei in's Dytschland ghirote, d'r

Ein Judenmädchen aus dem Frankreich hat in das Deutschland geheiratet der

Mann isch katholisch g'sin und so isch diss Juddemaidel halt au katho-

Mann ist gewesen und so ist dieses Judenmädchen halt auch katho-

lisch wore. Wia 's jetzert s'erscht mol gange ist for ze bichte fröjt

geworden. Wie es jetzt das erste mal gegangen ist für zu beichten fragt

d'r Pfarrer: ,Haben sie schon mal Buße getan?' Do isch's dem

der Da ist es dem

Wiwele ganz rot worre vor den Aaue doch sait 's Ja monsieur le curé,

Weiblein geworden vor den Augen doch sagte es

hab Mann schon an Busen getan'.

122. Der Glatzschwanz.
E Juddeschicksel hat sich verhirote. In d'r Hochzittsnacht sieht

Ein Judenmädchen hat sich verheiratet In der Hochzeitnacht sieht

diss jung Wiwele 's erseht Mal e Mannerwaddel. Jetzert wie 's dene

dies junge Weiblein das erste Mal einen Männerschwanz. Jetzt wie es den

g'sieht dunkt 's 'm absunderli, daß numme am Sack Hoor steh'n. D'r

sieht däucht es ihm absonderlich, daß nur an dem Ilodensack Haare stehen. Der

Mann het du reste e Bluttkopf, un uff emol fahrt diss Juddewiwel uff

Mann hat übrigens einen Glatzkopf, und auf einmal fahrt dies Judenweibchen auf

un brialt: ,Nu bisch mr a Schener! A Bluttkopf hesch de un

und brüllt: ,Nu du bist mir ein Schönerl Einen Glatzkopf hast du und

aach e Bluttschwanz. De bisch wehrlisch e schlechter Kerl aß de

auch einen Glatzschwanz. Du bist wahrlich ein schlechter Kerl daß du
i) Er — Penis. 2) daran = Vagina.


112

Deutsche Bauernerzählungen

hast ka Hoor meh bis an de Spitz eun daam Glied, Host de gelebt

hast kein Haar mehr bis an die Spitze von deinem Glied. Hast du gelebt

nit koscher un solid. A Bluttschwanz bisch de, isch dergege möscht

nicht koscher und solid. Ein Glatzschwanz bist du, ich dergege möchte

wehrlisch ka Bluttvoz sei*.

wahrlich keine ohne Schamhaar sein. Mutzy.

123. Was die

Ob Jud oder Chrischt
D'Nadür isch uns Nischt
Ob Chrischt oder Judd
Wann d'r Stepp nur gut
B'schnitte oder nit
Es koscht ein Geld.

iuren sagen.

Ob Jude oder Christ

Mannessamen ist für uns (Dirnen) nicht

Ob Christ oder Jud

Wenn der Coitus nur gut (scilicet, ist)

Beschnitten oder nicht, das macht

Gar nichts zur Sache, es kostet ein Geld.

(Straßburg und Hagenau).

124. Der Messias.

Eine Jüdin und deren achtzehn Jahr alte Tochter hatten die Ge-
wohnheit beim Gewitter die Fenster zu öffnen1), damit der Messias
Eingang habe wie das ja viele Juden tun. Zudem hob sich die alte
Jüdin und deren Töchterlein jedesmal alle Röcke und das Hemd über
den Kopf, damit der kommende Messias sähe wie schön beide seien
und im Hause absteige. Der Sohn des christlichen Nachbars hatte
das längst gesehen und der fünfundzwanzig]ährige junge Bursche
brannte vor Begierde, den weißen Bauch der schönen jungen Jüdin
zu besteigen. Beim nächsten Gewitter, es war Nacht, machten die
Jüdinnen wieder auf und zündeten Licht an und legten sich mit auf-
gehobenem Hemd jedes in ihr Bett und deckten sich mit Tüchern
den Kopf zu. Rasch warf der Nachbarsohn ein Bettuch um eilte

i) Es ist eine vielfach unter Christen verbreitete Ansicht, daß Juden während eines
Gewitters die Fenster öffnen, angeblich, um den Messias zu begrüßen. Im Anschluß
hieran sei eine Schnurre erwähnt, welche man sich in der Umgegend von Wiesbaden
erzählt. In den vierziger Jahren gab es bekannüich ein schweres Hungerjahr. Das Ge-
treide ging furchtbar in die Höhe, doch der Kornhändler S. in Biebrich am Rhein wollte
noch mehr für sein Korn. Während eines Gewitters nun ließ S. alle Fenster und Öff-
nungen seines Hauses (Kornbodens) aufmachen. Plötzlich nach einem Donnerschlag
wurde es vor einem Fenster lebendig. Eine schwarze Wolke erhob sich und flog davon.
Alle Nachbarn liefen nach dem Gewitter herbei, man untersuchte die Sache und sprang
zum Kornboden. Dort war noch eine schwarze Wolke. — Es waren lauter Mückchen
und das ganze Getreide war leer. Würmchen hatten sich darüber hergemacht und flogen
nach der Verpuppung als Mückchen fort. S. war ein geschlagener Mann und im ganzen
Orte hieß: ,Der Messias furtgeflogen*. Ließ sich S. in späteren Jahren auf der Straße
sehen, so brüllte die Jugend im Chorus: S. der Messias fliet (fliegt).


Deutsche Bauernerzählungen.

hinüber und stieg durch das Fenster ein. Mit Gier sprang er ins Bett
der jungen Jüdin und vögelte nach Herzenslust, während ein furcht-
barer Donnerschlag die Luft durchzitterte. ,Der Messias', lispelte er
dem Mädchen durch die Decken zu und wurde fast erdrückt von den
Beinen des Judenschickseis. Bald war er fertig und verschwand während
des Gewitters. Die Tochter erzählte nach dem Gewitter ganz aufge-
regt vor Freude, den Fall ihrer Mutter. Diese war stolz auf die ihrem
Haus widerfahrene Ehrung. Am anderen Tage berichtete man die
Sache dem Rebbe, doch der meinte es sei nur ein Traum gewesen.
Da sagte das Mädchen ,Na so Träume wollt ich jede Nacht haben'.
Wie die Monate um waren bekam das Mädchen Zwillinge. Da wurde
die Jüdinmutter ungehalten und schimpfte, daß der Messias sie ge-
uzt habe. Colmar.

125. Schöne Aussicht.

Ein Mädchen beichtete, es habe dem Schatz an das Gemächt
(Scrotum + Penis) gefühlt Der Beichtvater erklärte was das fur
eine Sünde sei und gab als Buße und zur Reinigung der Hand an:
,Halte die Hand eine Stunde lang in den Weihwasserkessel1. Das gute
Mädchen ging gehorsam und hielt die Hand in den Kessel. Eine
gute Freundin kam zur gleichen Zeit in die Kirche und fragte was
die Maid denn da mache. Jene erzählte den Fall. Kaum hatte sie
geendet, da sprach die hinzugekommene Freundin: ,Uh Jesses, ja doa

,Oh Jesus, ja da

müaß ech halt 's ganz Loch mitsamt 'm Orsch in de Kessel hanke,

muß ich halt das ganze Loch mitsamt dem Arsch in den Kessel hängen,

ech hob 'na ja drena g'het em Orsch un em Brunzloch*.

ich habe ihn (Penis) ja darin gehabt im Arsch und im Urmatt

126. Busswirkung.

Zum Beichtstuhl kam ein Mädchen und beichtete dem Pfarrer es
habe sich in den Fudhaaren spielen lassen. Ganz wütend sagte der
Pfarrer, ein Grobian: ,Na deine Buße ist, du betest so viel Rosen-
kränze als du Fudhaare hast*. Das Mädchen ging heim und begann
zu zählen aber immer verrechnete es sich. So bat es seinen Schatz
ihm bei der Rechnung behilflich zu sein. ,Gut' sagte der, .ich will
die Hälfte des Rosenkranzes beten und du die andere, jedesmal da-
nach wollen wir ein Haar abschneiden. Das ging eine ganze Weile
und der Bursche sah so jeden Abend sein Mädchen mit nackter Voze
aber je weniger der Haare es wurden um so dicker wurde dem Mäd-
chen der Bauch. So hatte die Buße gewirkt. Molsheim.

Krauss, Anthropophyteîa. 8


И4

Deutsche Bauernerzählungen.

127. Unbefriedigt.

Eine ehemalige Nonne heiratete. Wie die nun in der Hochzeit-
nacht hoffte in allen Ehren gevögelt zu werden, da sah sie wie der
nicht mehr allzujunge Mann ruhig sich auf die Seite legte. So griff
die heißblütige ehemalige Nonne ihrem Mann zwischen die Beine.
,Uh, Jesses, was isch denn diss', jammerte sie auf. Ja was will diss

Jesus, was ist denn dies1, Ja was will das

sin, min Bippes isch's1, erklärte der Mann. ,Diss soll e Bippes sin',

sein, mein Penis ist's', ,Das soll ein Penis sein1,

fuhr die Hunrige auf, ,diss isch jo nit emol so viel ass am e Biwele

,das ist ja nicht einmal so viel als an einem Bübchen

vun finf Johr*. ,Oho zell', sprach entrüstet der Mann, ,diss isch e

von fünf Jahren*. ,Oho das4, ,dies ist ein

normaler Mannswaddel'. — ,E Mannswaddel? Unserm Herr Supérieur

Mannspenis*. — ,Ein Mannspenis ?' Unserem Herrn Klostergeistlichen

sinner isch immer dick g'sin und het kerzegrad in d' Höh geguckt,

seiner ist immer dick gewesen und hat kerzengrad in die Höhe geschaut,

dinner dergeja isch schwach und matt. Lingolsheim.

deiner dagegen ist schwach und matt.

128. Ein anderlei.

Ein junger Mann verheiratete sich mit einer Person, die im Kloster
erzogen worden war. Jedesmal wenn er sie begattete, legte er fünf
Franken weg und als er nun nach einem Jahre das Geld zählte zeigte
er es seiner Frau und sagte: ,Siehsch diss haw і jetzert gespart durch

,Siehst du dieses habe ich jetzt gespart durch

diss, 'aß і g'hirote bin'1). Do sait die jung Fräui: ,'s isch halt doch

dies, daß ich verheiratet bin*. Da sagt die junge Frau: ,Es ist halt doch

n anderlei as wie im Kloschter. For e jedwed Tür haw і vom Süpe-

ein anderlei als wie im Kloster. Für eine jede Tour habe ich vom Kloster-

rieur numme e Heljele beku'.

geistlichen nur ein Heiligenbild bekommen*. (Dinsheim im Breuschtal).

129. s' fehlt ebbis!

In einem Kloster malte die Oberin sehr geschickt Einmal malte
sie einen nackten Mann. Wie sie das Bild fertig hatte rief sie alle
Nonnen zusammen, damit die das Gemälde bewundern konnten. Alle
gaben ihr Gutachten, doch einige jüngere Schwestern murmelten unter
sich: 's fehlt ebbis (= es fehlt etwas).' Die Oberin wurde das gewahr
und schickte alle fort, dann ließ sie den Gärtner kommen, weil sonst
keine männliche Person vorhanden war. Sie zeigte ihm das Bild und

i) Aus diesen Worten spricht eine seltsame Moralanschauung.


Deutsche Bauernerzählungen.

HS

bemerkte dabei: ,D* Schweschtern han g'sait 's fehlt ebbis, ich ka 's

Die Schwestern haben gesagt es fehlt etwas ich kann das

Bild ohne Muschter nit mole. Welle—n—r eich as Muschter schtelle?'

Muster nicht malen. Wollet ihr euch als Muster stellen ?

Unter dem Siegel der Verschwiegenheit war der Gärtner damit ein-
verstanden. Sie begann nun voll Eifer und stummer Bewunderung
über das, was sie noch bis dato nicht gesehen hatte, das Meisterstück
zu vollenden. Als sie fertig hatte rief sie wieder alle Schwestern vor
das Bild zusammen. Allen gefiel das Bild nun ausgezeichnet, in den
hinteren Reihen stießen sich die Schwestern gegenseitig an und flüs-
terten: ,0 Jesses-la 'm Gartner siner'.

,0 Jesus dem Gärtner seiner*. Erzählt in Sentheim.

130. Die Nasse.

In Hersbach im Breuschtal kam ein Mädchen aus der Schule und
weinte, denn die Schwester hat sie geschlagen. ,Worum hilsch' (warum
heulst du), fragte der Vater. Da zeigte das Mädchen das Heft in
welchem der Satz stand: ,Die Schwester hat eine große Nasse*.

131. Teufelvertreibung.

In Mollkirch, im Breuschtal-Mageltal gelegen, wurde vor langer
Zeit ein neuer Pfarrer angestellt. Da er bald hörte, daß die Leute
meistenteils den Juden von Rosheim und Oberehnheim leibeigen
waren und sich auf den Wucher der Gauner schlecht verstanden,
predigte er und erbot sich in allen Angelegenheiten mit gutem Rat
beizustehen. Ein herrnloses Mädchen nahm sich das zu Herzen und
weil es sehr stark Bauchweh hatte, auch ziemlich geil war ging es
zum Herrn Pfarrer und klagte die Schmerzen. Dem Pfarrer ging ein
Lachen über das Gesicht und er meinte: ,Mein Kind das war nicht
so gemeint, wie du meine Worte auffaßt, doch weil ich ein wenig von
Arznei verstehe wollen wir mal sehen*. ,Ich glaube es ist der Teufel
der in meinem Bauch sitzt', klagte das Mädchen. ,0 dann wollen wir
ihn schon kriegen. Ziehe dich aus im Namen alller Heiligen'. — Das
Mädchen zog sich aus und der Pfarrer sah ein prächtiges Mädel vor
sich, so daß der Schwanz ihm unruhig wurde. ,Wo tut es weh'. ,Da
auf dem Bauch'. Der Pfarrer legte seine Hand unter den Nabel. ,Ach,
das tut gut', meinte das Mädchen. ,Weißt du ich will den Teufel mit
Weihwasser austreiben'. Er spritzte ein wenig Weihwasser auf den
Bauch des Mädchen, es half nix. Ja der Teufel ist ein schlauer Fuchs!
Weißt du was. Wir wollen den Teufel betrügen. Ich stecke dir
etwas in den Bauch und dann schütten wir Weihwasser darein. Leg

8*


ІІб

Deutsche Bauernerzählungen.

dich dort aufs Bett. Das Mädchen tat so; der Pfarrer nicht faul hob
seine Soutane und trieb seinen Dicken dem Mädchen in die warme
Voze. ,Ah Herr Pfarrer, oh Herr Pfarrer, ei Herr Pfarrer', stammelte
das Mädchen ,nicht zurück, mehr vorwärts, noch mehr, nicht zurück.
A da kommt das Weihwasser, noch mehr Weihwasser'. Pfff. Da
mußte das Mädchen einen donnernden Furz lassen. ,Gesiegt', jubelte
der Pfarrer, .hast du gemerkt, wie der Teufel los ist'. — Ja, am hölli-
schen Geschmäckel mit dem er zu meinem Arsch raus ist'.

(Molsheim.)

132. Aus christlicher Liebe.

In einem Nonnenkloster lebte eine herzlich dumme aber schöne
junge Schwester. Der Klostergärtner hätte diese Nonne gerne einmal
gerammelt Als die Pflaumen zeitig waren, machte diese Schwester
mit dem Gärtner die Früchte ab. Einmal kam der Gärtner mit einem
Korb voll Pflaumen die Leiter herab. Plötzlich ließ er den Korb
fallen und jammerte ,Au weh mein Bauch'. ,Was habt ihr*. — ,Ich
habe vorhin einige Pflaumensteine mitgegessen und jetzt den schweren
Korb hinabgetragen! Ich habe einen Bruch und darin die Steine'.
,Wo, wo?' — Er machte die Hosen auf und zeigte der geängstigten
Schwester seinen Sack. ,Spürst du die Steine'. — Die Schwester be-
fühlte die Hoden und jammerte: ,Läßt sich gar nichts tuen'. — ,Au
weh, doch, aber ich kann's euch nicht zumuten'. ,Na sagt's nur, aus
christlicher Nächstenliebe will ich's tuen'. — ,Na so nehmt den Sack
in euere Hand, hebt gut die Steine (Hoden) und schiebt alles zwischen
euere Schenkel. Durch den Druck und die Wärme gehen die Kerne
auf und es fließt alles wie Brei ab'. Aus christlicher Liebe setzte sich
die Schwester auf den Boden und tat wie gewünscht ,Ach jetzt
kommt der Kernbrei, Herrjeh wie das viel ist Gottlob, daß ich euch
helfen kann'. —Ja Gottlob', dankte der Gärtner. (Molsheim.)

Beide Erzählungen dürften auf ein ziemliches Alter zurückblicken.

133. Auskunft.

Ein Pfarrer hatte eine Köchin, die in der Kochkunst noch nicht
durchaus = (völlig bewandert) war. Einmal kaufte der Pfarrer lebende
Krebse und die Köchin fragte wie sie die kochen solle. Der Pfarrer
suchte und suchte im Zimmer herum, endlich sagte er ihr: ,die müssen
lange kochen bis sie so rot aussehen', hierbei hob er die Soutane und
zeigte ihr die Schwanzspitze. Bald nach diesem Vorfall mußte die


Deutsche Bauernerzählungen.

II7

Köchin auch einmal weg und beauftragte den Pfarrer Steintaler zu
quellen1). Der Pfarrer verstand sich darauf aber keineswegs und so
fragte er: ja wann sind dann die gar und gut?' Da hob die Köchin
ihre Röcke auf und zeigte ihm ihren Schnitt und sagte: ,Wann die
Kartoffeln den Mund aufsperren und so fläcken wie die da, dann
sind sie gerade recht'. (Lützelhausen).

134. Gerächt,

Am Patronfest in Dinsheim war der Herr Pfarrer von Flexburg
nicht eingeladen. Zur Rache kam er während des Gottesdienstes.
Er ging ins Pfarrhaus und da die Köchin in der Küche unendlich
zu tun hatte schickte sie gutmütig den durstigen Herrn Pfarrer in
den Keller, sich ein Glas Wein zu holen. Kaum war er unten so
schrie er die Köchin möge rasch kommen. Die lief auch hierbei, um
zu sehen, was denn los sei, ob sich Herr Pfarrer vielleicht weh ge-
macht habe. ,Süache de Zapfe' (sucht den Faßspund) meinte der
Pfarrer, welcher aber den Zapfen selber aus dem Faß gemacht und
in seine Tasche gesteckt hatte. Ängstlich suchte die Köchin nach
dem Zapfen während der Pfarrer das Weinloch zuhielt Nachdem die
Köchin vergebens gesucht hatte sagte der Pfarrer: ,hebt die Kutte
auf und stellt Euch mit dem Arschloch an das Faß so will ich nach
dem Zapfen suchen'. Kaum hatte die Köchin ihren breiten Arsch an
das Zapfenloch gedrückt da sprang der Pfarrer zum Keller hinaus und
in die Küche. Dort stopfte er unter den Braten so viel Holz als
möglich und ging dann ruhig wieder, während man in der Kirche Deo
gratias (Gott sei Dank) sang nach Flexburg.

Dinsheim ein Ort im Breuschtal. Die Geschichte soll den Reiz
der Wahrheit haben.

135. Der Teufel im Schraubstock.

Stillvergnügt lebte ein Handwerker mit seiner Frau auf dem
Lande. Da kamen aber schlechte Jahre und der Verdienst ging zu-
rück, so daß es gar kein Wunder war wie die Schulden dem Manne

1) Steintäler, damit bezeichnet man rote Kartoffeln, die mit der Schale gekocht
werden und allgemein wegen ihres Mehlgehaltes als vorzüglichste Kartoffel im Elsaß ge-
schätzt werden.

Das Steintal ist ein Nebental des Breuschtales und wurde besonders durch den
Philanthropen Ob erlin weltbekannt. Oberlin brachte die Kartoffelkultur und Obstbaum-
pflege in jenes Tal gleichsam auch die Anfange der Industrie. Oberlin lebte bekanntlich
von 1740—1826.


ii8

Deutsche Bauernerzählungen

über die Ohren wuchsen. Traurig saß er allabendlich vor dem Schraub-
stock und wäre froh gewesen, wenn der Teufel die Schulden bezahlt
hätte. Kaum hatte er indessen einen solchen Wunsch geäußert da
schwänzelte der Käschperle auch schon in der Werkstatt auf und ab.
Unser Handwerker entsetzte sich gewaltig als er den Teufel um sich
tanzen sah und hören mußte: ,Dü hesch mi geriaft, na wass witt de
denn?' Endlich faßte sich der bedrängte Mann ein Herz und klagte
dem Gottseibeiuns seine Not. ,Isch's e so ! Na ich hilf d'r'. Do ischłs
Geld'. Wirklich, da funkelte auch schon das Gold. Dem Handwerks-
mann wurde das Herz schwer als er nach den Bedingungen fragte.
,Wenn de 's Gald nimmsch müasch unterschriewe, daß de nur noch
zeh Johr läwe derfsch'. Lange besann sich der Mann aber endlich
unterschrieb er und konnte die Schulden bezahlen. Von da ab ging
das Handwerk prächtig und mancher Batzen kam zu Kameraden in
den Kasten. Die zehn Jahre gingen im hui herum und eines abends
stand der Schwarze in der Werkstatt. ,Meischter dł Zitt isch uml
Mach dich bereit un kumm mit in d'Hell'. Da winselte der arme
Tropf und flehte um weitere zehn Jahre, doch der Teufel sagte: »Kon-
trakt isch Kontrakt, do bißt ke Müseken Fade ab'. Lustig scharwenzelte
dabei der Teufel durch die Werkstätte. Unser Meister sah wie der
Höllenfürst seinen Wadel hinter sich herschleifte. Ei da blitzte ihm
ein Gedanke auf. Wie der Teufel eben wieder am Schraubstock vor-
beikam schwapp's, da klemmte der Handwerker den Teufelswadel in
den Schraubstock. ,0', schrie der Teufel, ,myn Waddel, o myn armer
Waddell Aul O uil Loß gehn verdammter Wackes! Loß gehn! Auil
uil O erlöse mich von allen Übeln. Kaib loß mi gehn'.— ,Nit ehnder
(= eher) aß bis de m'r noch zehn Jährel vergunsch'. — ,Na ja solisch
dyn Wille han, loß mi nur gehn'. Daraufhin wurde der Teufel befreit
und er machte sich mit seinem arg geschundenen Schwanz eilends
fort. Die Jahre vergingen und mit Schrecken dachte der Handwerker
an das Ende. Am vereinbarten Jahrestag ging er, auf — daß der Teufel
ihn nicht finden solle, hinaus auf den Kartoffelacker und häufelte mit
seiner Frau die schön stehenden Kartoffeln. Als das Vesperbrot ein-
genommen wurde, sah der Mann plötzlich vom Tal herauf eine selt-
same Gestalt kommen. Unserem Handwerker, welcher schärfer zusah,
wollte plötzlich alles Blut in den Adern stocken. ,Gott, alle Heiligen
im Himmel! Fräui do unte kummt d'r Deifel für mich ze hole'. —
Die Frau sah den Bösen mit eiligen Schritten daherkommen. ,Ich
bin verlöreI Diesmol isch alles üs mijni Hab güat Fräui', jammerte
der Mann. ,Kenn Angscht', erklärte nach kurzer Überlegung die Frau.


Deutsche Bauernerzählungen.

HC

,D'r Deifel isch noch nit do; ar müaß z'erscht noch durch's Wäldel.
Dü Mann gehsch her und stelisch mi uff Kopf und Hand und sorijsch
(sorgst) aß і d'Bai d'Schankel un de Büch (Bauch) ganz blutt (unver-
hüllt) aneheb (hinheb). Dü awer verschteckelsch di hinter mich*. So
wurde es auch getan, Die auf den Händen stehende Frau knickte die
Knie ein und erwartete den Teufel. Der kam, trat näher stutzte
und hielt an. Mit stets lauterem Herzklopfen näherte sich der Teufel
der sonderlichen Gestalt, die plötzlich mit den Gliedmaßen wackelte
und die Schenkel öffnete. Da ließ der Teufel vor Angst einen Furz
und mit dem Ausruf: ,Nä, nä! In de Schrubstock will і nimm', kaufte
der Teufel Pech (lief davon). Erzählt in Still im Breuschtal.

136. Kohlenbrenner.

Zu Ostern war das Wetter sehr schlecht. Die Frau eines Kohlen-
brenner (Köhler) war krank und konnte den stundenlangen Weg zur
Kirche nicht unternehmen. Der Dorfpfarrer hatte die österliche Beicht
zu hören und er fand keine Zeit, hinauf in's Gebirge zu wandern. Nach
langem Beraten zwischen Köhler und seiner Frau wurde man einig,
die Frau möge ihrem Manne beichten in der guten Meinung er sei
ein Pfarrer. Man unternahm sofort das Werk. Der Mann holte sich
einen Stuhl zog ein weißes Hemd an und war dann wie die Frau
sehr demütig. Die Frau beichtete alle ihre Sünden. Zuletzt stockte
sie wegen einer schweren Sünde. Der Mann redete ihr zu: »Bedank,

»Bedenke,

aß alli Sinda im Himmel drowa Verzäihung finda'. Da gestand die

daß alle Sünden droben Verzeihung finden*.

Frau, daß der rothaarige Sohn, welcher ein Jahr alt war, nicht von dem
Ehemann, sondern vom rothaarigen Förster drüben sei, den der Mann
auch längst in Verdacht gehabt hatte. Wütend fuhr der Mann auf:
,Du verdammti Hürl D' Axt dhat і hole for dir de Schaddel ze

,Du verdammte Hurel Die Axt täte ich holen für dir den Schädel zu

schpalde, wann i nit an Gottsstatt do sitze dhat, for dich Bicht ze

spalten, wenn ich nicht an Gottes Stelle da sitzen würde, für dich Beicht zu

(Erzählt im Vogesengebiet des Ober-Elsaß).

137. Keine Chancen I

In der Normandie1) lebten zwei Nachbarn, der eine ein Kohlen-
brenner der andere ein Fischer. Der Fischer hatte eine junge schön-

1) Die Verlegung des Vorganges in die Normadie dient häufig wohl nur dazu, um
ein Dorfereignis zu verhüllen. Ausgeschlossen ist indessen nicht, daß die Schnurre von
französischen troupiers nach dem Elsaß gebracht ist worden.


120

Deutsche Bauernerzählungen.

gestaltete Frau, während dem Kohlenbrenner ein häßliches Weib zu
eigen war. Der Fischer ging tagelang aufs Meer, der Kohlenbrenner
wochenlang in den Wald. Als eines abends der Fischer heimkam
erzählte die Frau, ein reicher Engländer habe ihr iooo Francs ange-
boten, um einmal bei ihr zu schlafen. Sie habe jedoch die Treue
nicht gebrochen und darum abgelehnt. Als die Frau vom Kohlen-
brenner das hörte, sagte sie zu ihrem Manne: ,Solche Chancen habe
ich nie. Der Kaminfeger gibt mir jedesmal nur ю Sous (= 40 Pfennig)'.

138. Radikalmittel.

Wenn einer seine Frau gern los hat, so schlage er ihr nachts
einen dünnen Nagel ins Hirn. Demo riebtV era 's Loch met Ziajelmehl

Darnach reibt er ihr das Loch mit Ziegelmehl

in un sait se esch on d'r ruta Ruahr g'schtorwe.

ein und sagt sie ist an der roten Ruhr gestorben.

Erzählt von dem Ziegler Sonntag im Dorfe Still als eine ,alte
Arznei'. Merkwürdig ist auch die Drohung mit der man unartige
Kinder einzuschüchtern versucht Bisch still sunscht kummt d'r Mann

Bist du still sonst kommt der Mann

un schlaat d'r e Naauel in de Kopf (ins Hirn) usw.

und schlägt dir einen Nagel in den Kopf (in das Hirn) usw.

139- Respektable Grösse.

Der kleine Erhart Schneider hatte eine so geringe Körpergröße,
daß der Mann nicht die Beine auf den Boden steilen konnte, selbst
wenn er auf dem kleinsten Schemel saß. Dabei war der Schneider
am stärksten montiert im ganzen Breuschtal. Sin Wodel esch a so

Sein Wadel ist so

lang, aß ar d' Hiahner vum Meschthüffa scheicha ka, wann V uff d'r

lang, daß er die Hühner von dem Misthaufen scheuchen kann, wenn er auf der

Hüsdheer schteht'.
Haustüre steht4. (Haslach).

140. Meinsch feng's?

Meinst du, findest du es?

Zwei Verliebte von Haslach gingen dem Wald am Rabenfelsen
zu spazieren. Unterwegs stellte sich der Knabe *) seitwärts, um seine
kleine Not zu verrichten. Das Mädchen sah dem Vorgang zu, ohne
an etwas Schlimmes zu denken. Als man weiter ging kam die Rede
auch auf den Unterschied zwischen Mädchen und Knaben und auf

1) Knabe heißt in vielen Gegenden jeder unverheiratete Bursche mag er auch vierzig
Jahre sein.


t

Deutsche Bauernerzählungen. 121

das sonderliche Ding, was die Knaben aus den Hosen holen müssen.
Das Mädchen wollte bald nicht mehr weiter sprechen, denn der Knabe
war hitzig; es äußerte: ,Nä, diner esch veel za grüß fer en mich*. Sie

,Nein, deiner ist viel zu groß für in mich*.

gingen ein Plätzel (= Stück weges) weiter und der Knabe fand ein
Stück morschen Holzes. Das hob er auf, ohne daß das Mädchen
groß acht gab. Unterwegs sagte der Knabe: ,Na weisch was, ech

,Na, weißt du was, ich

brech a Steckel dervun a, losch mi nu'. — Ja', sagte das Mädchen.

breche ein Stückchen davon ab, läßt du mich nun'.

Er nahm das morsche Holz brach ein Stück ab und indem er tat als
ob er's aus den Hosen holte, warf er es weit fort. Nun bogen sie
in den Wald und hockten sich unter Gestrüpp. Der Knabe legte
seinen Kittel ab und darauf legte sich das Mädchen. Wie's nun beim
Liebesakt so am besten war, sagte das Mädchen: ,S' esch doch schad

,Es ist doch schade

fer des Steck wü d' abgabroche heschl Meinsch feng's nemm?'

für das Stück wo du abgebrochen hastl Meinst du, findest du es nimmer?

141. Arbeitwillig.

Zwei Schwestern aus Dinsheim fuhren von Straßburg heim. Eine
Dame, die mit ihnen fuhr, meinte: ,Könnt ihr mir keine nourrice nam-
haft machen aus euerem Dorf oder der Umgegend? Ich bezahle
monatlich 200 Franken, gebe gute Kost und gute Behandlung, sonst
ist nichts zu tun'. Eine Weile besann sich das eine der nicht eben
klugen Mädel, dann sagte die eine Schwester zur anderen: ,Gehsch dü?

,Gehst du ?

Gesch dü? Wann dü net gehsch ze geh ech'.

Gehst du? Wenn du nicht gehst so gehe ich*.

142. Auskunft.

Der Lehrer von Grendelbruch traf nach der Schule mittags am
Wald einen Knaben. ,Was machst du1, fragte leutselig der Lehrer.
.Herr Schüalmeischter der Seppel schißt do in d'r Heck un ech eß

,Herr Schulmeister, der Josef scheißt da in der Hecke und ich esse

Brut darzüa'.

Brot dazu*.

143. D'r Klaan frisst d'Mamme.

Der kleine frißt die Mutter.

E Fräui, wü e klaan Kind het g'het, het dem Klaane [d'Bruscht

Eine Frau, welche e kleines Kind hat gehabt, hat dem kleinen die Brust

gen un wil 's Kind Hunger g'het het ze schluzzt's nit schlecht an de

gegeben und weil das Kind Hunger gehabt hat so schluzt es nicht schlecht an den


122

Deutsche Bauernerzählungen.

Düttle. Diess g'siecht d'r Edward, wü Briaderle g'sin isch züa dem

Brüsten. Dies sieht der Eduard, wo Brüderchen gewesen ist zu dem

Kind un wil d'r Edwärel e Kneckes von ebbene sechs Johr isch un

Kind und weil der Eduard ein Knabe von etwa sechs Jahren ist und

schun n' bissei Verschtand het, ze lauft d'r Edwärel züam Babbe un

schon ein bischen Verstand hat, so läuft der Eduard zum Vater und

brialt: ,Babbe schnell kumm züa d'r Mammel D'r klaan frißt d'Mamme*.

brüllt: , Vater, schnell komm zu der Mutter 1 Der kleine frißt die Mutter*.

144. D'r Kinjelesvadderl

Der Kaninchenvater.

Ze Heljebarri het sich s' Üschenie wia 's e Maidel vun fuffzeh Johr

Zu Heiligenberg hat sich das Eugenie wie es ein Mädel von fünfzehn Jahren

isch g'sin gern vu de Büawe a' d' Seich griffe lohn, ewe so het's gern

ist gewesen gern von den Buben an die Vagina greifen lassen, eben so hat es gern

in de Büwe am Brünzer g'schpealt bis aß 'r stiff isch worn. Am e

in den Buben am Penis gespielt bis daß er steif ist geworden. An einem

scheene Döij säät d'r Alfunsel: ,Kumm Üschenie m'r schpeale weder

schönen Tag sagt der Alfonsel: ,Komm Eugenie, wir spielen wieder

a bissei'. — Ja', säät 's Üschenie, ,kumm m'r gehn in de Schtall un

ein bischen' — Ja1, sagt das Eugenie, ,komm wir gehen in den Stall und

d'rno schpeale m'r Kinjele. Bref, se han 's o so g'macht. Im Schtall

dann spielen wir Kaninchen. Kurz, sie haben es auch so gemacht. Im Stall

säät 's Üschenie: ,ech bin 's Kinjel un dü d'r Rammler 1 Allez jetzt

sagt das Eugenie: ,ich bin das Kaninchen und du der Rammler 1 Allez jetzt

schmeck m'r on den Orsch un lull d'ran'. Afin d'r Alfunsel macht's.

rieche mir an den Ärsch und leck daran'. Enfin der Alfons macht es.

's Üschenie hebt d' Kutt uff un hebt 'm de brät Orsch anne. D'r

Das Eugenie hebt die Röcke auf und hebt ihm den breiten Arsch hin. Der

Alfunsel lullt 'm Üschenie dran, doch uff emol loßt 's Üschenie e

Alfonsel leckte dem Eugenie daran, doch auf einmal läßt das Eugenie einen

Scheiß un direkt 'm Alfunsel e 's Müül. ,Uh', jomert d'zeller, ,ech

Crepitus und direkt dem Alfonsel in das Maul. ,0і, jammert dieser, ,ich

mechtigt doch kenn véritaveler Rammler sen'. Ja 's g'hert derzüa',

möchte doch kein wirklicher Kaninchenbock sein*. ,Ja das gehört dazu,

meint 's Üschenie un säät jetzt müasch mi au rammeln'. ,Nä', brialt

meinte das Eugenie und sagt: jetzt mußt du mich auch berammeln1. ,Nein4, brüllt

do d'r Alfunsel ,diss mach i nit Sunsch git 's Kinjele un i wuer

da der Alfonsel ,das mache ich nit. Sonst gibt's Kaninchen und ich werde

Kinjelesvadder'.

Kaninchenvater'. (Still im Breuschtal).

145. Andächtige Betrachtung.

Der Pfarrer hatte gepredigt über Sursum corda = Aufwärts die
Herzen. ,AUes was zur Ehre Gottes ist geht aufwärts. Schaut die
Dome und Kirchen. Schaut selbst die Hühner wann sie getrunken


Deutsche Bauernerzählungen. 123

haben, heben sie aufwärts dankbar ihr Haupt. Schaut die schönen
Berge, schaut die stolzen Tannen. Schauet die Kerzen. Alles was
aufwärts steht müßt ihr dankbar betrachten*. Abends ging ein Bursch
mit seinem Schatz spazieren ,hast du gehört was der Pfarrer gesagt
hat'. — Ja', sait 's Klementinel. ,Also müasch au mine Waddel an-

,Jal, sagt das ,Also mußt du auch meinen Penis an-

dachtig betrachte'. — Ja, awer numme wann 'r steht'.

dächtig betrachten*. — Ja aber nur wenn er steht*.

Urmatt.

146. Diebsicher.

Ein Voyageur (gemeint ist hier ein Geschäftreisender) ging in
ein öffentliches Haus. Nicht lange zuvor war ihm bei solch einem
Besuche seine Uhr gestohlen worden. Um gesichert zu sein, bat er
die Dirne bei dem Zusammenliegen: ,Halt mir den Zeigefinger deiner
rechten Hand in mein Arschloch und mit der linken Hand meinen
Sack' (Hodensack). Die Dirne tat's und es wurde ihm nichts gestohlen.

Lützelhausen.

147. Neue Mode.

Ein Voyageur kam in ein Hurenhaus. ,Ich bezahl dir eine Flasche
Wein, wenn du mir was neues zeigsf, sagte er der ihm gefallenden
Hure. ,So willst du keinen Vozenfick?' — ,Nein, auch keinen Arch-
fick'. — ,Nun dann einen Mundfick?— ,Den will ich auch nicht denn
es ist zu bekannt'. .Dann fick zwischen meinen Dütteln' — ,Ach
meiner steht ja nicht', klagte der Voyageur. .Steht er nicht so wollen
wir ihn schon stehen machen'. — ,Wenn du das ohne Hand und Fuß
fertig bringst bekommst du den Lohn'. — Da nahm die Hure den
Schwanz und steckte ihr Düttelzäpflein (Brustwarze) zwischen die Vor-
haut und fuhr langsam mit dem Düttelzäpflein um den Vorderteil
des Schwanzes unter der Haut herum. Und noch nie hatte der
Voyageur eine größere Lust empfunden als so. Lützelhausen.

Lützelhausen ist ein Fabrikdorf im Breuschtal. Die Erzählung
dient nur dazu, um eine perverse Art des Geschlechtgenusses zu
schildern.

148. Reingefallen.

In einem Hurenhaus sagte ein ausgespitzter Kopf (= Schlau-
berger) ,Mädel kannsch mV s auf alle Art machen?' — Jawohl jeder
Wunsch wird erfüllt wenn drei Mark bezahlt werden'. ,Das kann і
küm glauwe'. ,Doch du darfst sicher sein! Ich bin auf jede Manier


124

Deutsche Bauernerzählungen.

und in jeder Position bewandert'. ,Na ich will sehen wenn ich meinen
Stepp (coitus) fertig habe'. Wie er nun fertig war sagte er: ,Sie
müssen mir Kredit geben für noch einen Stepp', und wirklich, die Hure

Ein Jude aus Mutzig hatte sich in Straßburg zu lang aufgehalten
und versäumte den letzten Zug. Trübselig ging er in die Stadt denn
von io Uhr ab bis am anderen Morgen um 5 Uhr fuhr die Eisenbahn
nicht. Der Jude hatte nur noch eine Mark. Mißmutig dachte er,
vielleicht kannst du für das Geld in einem Hurenhaus übernachten.
Er ging in die Fischergasse. Eine Hure hätte gern noch was ver-
dient. ,Ich hab nur noch eine Mark'. ,Na steckst 'n eben für eine
Mark hinein'. Die Hure legte sich und der Jude begann zu vögeln.
Plötzlich als der Jude kurz vorm schönsten Moment war, prang die
Hure auf so daß der Jude purzelte. ,So jetzt hast d' für eine Mark'.
— ,0 laß mich weiter ich bring dir d' Rest s'nächstemal'. — ,Drei
Mark und d'r Anfang vom Ficken sind mir lieber als dein schmieriger
Rest. B'halt den in deinem Sack'. Mutzig.

Zu einem Schneidergesellen, der sich auf der Walze befand, ge-
sellte sich ein Mädchen, das auch in die Fremde ging. Nach allerlei
Erzählungen meinte das ziemlich vollblütige Mädchen: ,Ich möchte
nur wissen, wie ich das machen soll; meine Mutter sagte mir ich soll
nur gut acht geben, daß ich meine Jungfrauschaft nicht verliere!' —
,Ho, die kann ich dir annähen', sprach der Geselle. Beide machten
sich im Straßengraben an die Arbeit. Wie sie nun fertig hatten,
gingen sie weiter; als sie eine Strecke weit gegangen waren, blieb das
Mädchen stehen und sagte: ,Ich weiß nicht, mich kitzelt's so zwischen
den Schenkeln. Vielleicht hast du nicht gut genäht. Willst du mir
sie nicht noch einmal annähen?' Sie wurden einig und er nähte noch-
mals. Sie gingen wieder eine Strecke, da sagte das Mädchen aber-
mals: ,Willst du mir sie nicht noch einmal ein ganz klein wenig an-
heften?' — Jetzt erklärte der Schneidergeselle: ,Ich habe keinen Faden
mehr'. ,Ho, das esch awer net wuhr, dann de hesch noch a natt's

,Ho, das ist aber nicht wahr, denn du hast noch ein nettes

hielt Wort.

Lützelhausen.

149. Den Rest ein andermal.

150. Gutes Handwerk.

Glüjala henga a d'r Nudl hanga'.

Knäuelchen hinten an der Nadel ( = Penis) hängen*.

(Erzählt in Borsch).


Deutsche Bauernerzählungen.

125

151. Lass stehen.

Ein Mann kam in Mutzig abends angetrunken heim. In der Nacht
wurde er durstig, so stieg er auf und suchte im Zimmer nach Wasser.
Er fand auf dem Tisch einen Topf mit Milch und wie er im Begriffe
war davon zu trinken rief die Frau, welche wach geworden war, aus.
,Wett sa stehn lu, as sell Reum gahn'. Mißmutig stellte der Mann

,Willst du sie stehen lassen, es soll Rahm geben1.

den Topf hin und suchte weiter nach Wasser. Endlich fand er den
Wasserzuber und nachdem er getrunken hatte legte er sich wiederum
in das Bett. Gegen Morgen spürte er, vom Schlaf noch übermannt,
wie man an seinem Schwanz herumfuhlte. Als er langsam aufwachte
stieß die Frau ihn an und sagte: ,Allez hopp! Seh'sch wia nett aß

,Nun hoppl Siehst du wie nett als

ar steht1/ Da gab der Mann, welcher nun ganz wach war, zur Ant-
er steht Iі

wort: ,Luß 'na nur stehn, as sell Reum gahn*. Sprachs und drehte

,Laß ihn nur stehen, es soll Rahm geben1.

sich auf die Seite. Mutzig.

152. Nicht beabsichtigt.

Die Bäuerin hatte eine frische (= neue) Magd angenommen und
bald beargwöhnte die Frau den Bauern, er habe es mit der rothaarigen
jungen und korpulenten Person. Alle Nacht stieg nämlich der Bauer,
seitdem die Magd da war auf, verließ das Bett seiner Frau ganz leise
und kam erst nach einer halben Stunde wieder. Der Bauer wollte
aber nur seinen achtzehnjährigen Sohn beobachten, ob der nicht am
Ende nachts bei der Magd liege. Der Sohn merkte wie er beob-
achtet wurde und ebenso die Magd und bekam erst dadurch Ideen
für auf die Magd. Die Bäuerin, die gar nicht an den Sohn dachte,
hielt es auf die Zeit gar nicht länger aus, sie wurde immer argwöhni-
scher und zugleich hitziger, weil der Mann so gar nichts mehr an ihrer
Voze tat. Eines Tages hielt sie's nicht mehr aus und sie sagte der
Magd. ,Diese Nacht komm ich zu dir, denn mein Mann schnarcht so
arg', das sagte sie, um die Magd zu betrügen und weiter sagte sie
zur Magd ,du gehst dann an meinem Platz in das Bett, legst dich an
meine Stelle und, was der Bauer auch sagen mag, du bleibst still, am
Morgen komme ich dann wieder und dann gehst du zurück in deine
Kammer'. Die Magd war zwar verdutzt, aber weil es die Herrin so
haben wollte war sie damit einverstanden. Kaum war der Bauer
eingeschlafen da stieg die Bäuerin behutsam aus dem Bett und sprang
ganz nackt zu der Kammer der Magd. Die Magd stand auf und ging


І2б Deutsche Bauernerzählungen.

ebenfalls ganz nackt mit der Bäuerin in das Zimmer wo der Bauer
schnarchte. Dort half die Bäuerin der Magd in's Bett. Dann sprang
die Bäuerin in die Kammer der Magd und legte sich ins Bett der
Magd und paßte (= wartete). Nach Mitternacht stand der Bauer wie
gewohnt leise auf und ging nach der Schlafkammer des Sohnes. Still
machte er auf und horchte. ,Nein er ist doch nicht bei der Magd',
brummte der Bauer vor sich hin und verließ nach einiger Zeit das
Zimmer um das Wasser abzuschlagen (mingere). ,Also wegen dem
kommt allemal der Vater', sagte sich der Bauernbursch, welcher das
Gemurmel des Vaters gehört hatte. ,Eh bien so will ich doch sehen
wie sich's bei der Magd schläft'. Nach diesen Worten stand er auf
und ging verstohlen nach der Kammer wo die Magd wohnte. ,Recht
hab' ich', dachte da jubelnd die Bäuerin, welche im Bett der Magd
lag. Der Sohn tastete unter die Decken fühlte an die Voze und
wurde von Begierde ergriffen. Er kroch in das Bett, um sich an der
Magd zu erlustigen. Diese machte die Beine auseinander und im
Handumkehr vögelte der Sohn, daß es eine Pracht war. Die Bäuerin
war verwundert und wütend zugleich, daß ihr Mann so vögeln konnte,
doch um sich nicht zu verraten hatte sie das Kopfkissen über ihr
Gesicht gedrückt und da auch der vögelnde Sohn leise stöhnte ahnten
die beiden nicht wie es stand. Nachdem der Sohn gevögelt hatte
stand er schnell auf und ging zurück in seine Kammer. ,Lump dich
hab ich', sprach die Frau zu sich, jetzt mußt du mich jeden Abend
so vögeln, wie heute'. Der Bauer hatte inzwischen wieder sein Bett
aufgesucht. Da spürte er einen Schenkel auf seinem Platz, denn die
Magd war eingeschlafen und streckte sich in dem großen zweischläf-
rigen Bett. Während er den Frauenschenkel wegstieß kam ihm die
Lust, auch wieder einmal nach langer Zeit zu vögeln. Die Magd wachte
auf und ließ still mit sich machen wie die Bäuerin gesagt hatte. So
ließ sie sich denn vögeln und der Bauer tat ganz verrückt, denn er
hatte nicht geahnt, daß die Voze noch so pfrängen (klemmen) würde.
,Für die famose Vögelei, bekommst du e Goldstücke!', sagte der
Bauer, stand auf und machte Licht, um sofort sein Versprechen zu
erfüllen'. Eben hatte er das Geld geholt, da ging die Türe auf. Er-
staunt sah der Bauer wie sein Weib nackt ins Zimmer kam. Er-
staunt sprang der Bauer ans Bett und sah die vom Vögeln noch
ganz selige Magd. Der Bauer schimpfte, die Bäuerin schimpfte, die
Magd schimpfte und so kam die Sache an's Licht, daß der Bauer
größeres Unheil angerichtet hatte als er verhüten wollte.

(Zabern).


Deutsche Bauernerzählungen.

I27

153. Geheilt.

Ein König hatte eine Tochter, sein einzig Kind. Die Tochter
erkrankte an einem Geschwür im Halse. Alle Ärzte gaben die Hoff-
nung auf. Der König ließ im Land bekannt machen, wer seine Tochter
heile, der werde auch ihr Mann. Es stellten sich bereits alle Prinzen
vor doch keiner konnte helfen. Nun meldete sich auch ein Hofnarr.
Der erbat sich, handeln zu dürfen wie er wolle und Lust hätte. Es
wurde ihm verstattet und er sagte alle müßten fort und nur er allein
bei der Königstochter bleiben. Kaum war das geschehen so zog er
sich nackt aus, steckte eine brennende Kerze ins Arschloch und
kroch rückwärts auf allen Vieren gegen die Prinzessin. Da mußte
die Prinzessin herzhaft laut auflachen und das Geschwür brach auf
und die Tochter wurde gesund. Der König, welcher sich ärgerte,
daß ein Hofnarr seine Tochter bekommen sollte, fragte die Prinzessin:
,Mein Kind, warum hast du eigentlich gelacht; was war denn da?' —
Ach', sagte die Prinzessin, ,um den Lichtstock und die Kerze, welche
brannte, habe ich nicht gelacht, aber über die Lichtputzschere, welche
darunter hing. So ein Ding sah ich meiner Lebtag nichf.

(Greßweiler im Breuschtal).

154. Gewonnen.

Ein König gab seinem Hofnarrn den Auftrag zu dem kommenden
hohen Feste einen so gelungenen Witz zu bereiten, daß ein Teil der
Anwesenden lachen, der andere Teil weinen müsse. Der Narr sann
hin und her, denn einen so verzwickten Auftrag hatte er noch niemals
erhalten. Endlich kam ihm ein Gedanke. Im Speisesaal wurde die
Tafel in Hufform (= Hufeisenform) also gedeckt, daß die Damen
außen herum und die Herren an der inneren Seite saßen.

Nun ließ sich der Hofnarr ein Kleid machen an dem der hintere
Teil der Hose völlig fehlte. Bei der Bedienung trat unauffällig der
Hofnarr ein. Er machte nach der einen Seite der Damen seine toll-
sten Gesichtverzerrungen und Körperverbeugungen, so daß die Damen
dieser Tischseite vor Lachen fast erstickten. Die Damen der anderen
Tischseite sahen den blanken Hintern und noch Allerlei. Schamhaft
beugten sich alle diese Damen über ihre Teller und waren wütend
über diese Geschichte, so daß sie vor Wut zu weinen anfingen. So
hatte der Narr gewonnen. (Greßweiler).


128

Deutsche Bauernerzählungen.

155. Vom Hofgärtner.

Eine junge Königtochter sah verstohlen zu wie der Gärtner im
Schloßgarten auf das Land brunzte. ,Ach', rief sie voll Freude hinzu-
springend ,aus dem Röhrchen will ich auch spritzen'. — ,Prinzessin
das geht nicht', meinte der Gärtner, welcher schnell sein Ding in die
Hosen stecken wollte, ,Es wird schon gehen', sagte die Königtochter,
welche das Röhrchen packte und hin und her zerrte, wie sehr sich
auch der Gärtner sträubte. ,Siehst du es tropfet schon', jubelte die
Prinzessin, auf einmal; doch da sah der Gärtner Hofleute kommen
sprang fort und ließ die Prinzessin weinend stehen.

156. Erkannt.

Zwei Mädchen aus der Schweiz hatten an einem Abend Buben-
begleitung und wurden von den Buben auch ihrer Bedürfnisse be-
friedigt. Am anderen Tag trafen sie sich wieder und erzählten sich
die Erlebnisse. Die eine sagte: ,Mein Begleiter hat mich famos bedient;
so etwas nähme ich alltäglich zudem war er ein hübscher Kerl', —
Die andere meinte: ,M Säckle nuch muaß miner a Simmtaler g'wan

,Dem Hodensäckchen nach muß meiner ein Simmtaler gewesen

sen'. Aus Simmental kommen bekanntlich sehr sprungfähige Zucht-
sein1.

stiere). Die Schnurre erzählt man sich westlich von Mülhausen im
Oberelsaß in der Gegend von Sentheim.

157. Alles umsonst.

Zwei gute Freunde trafen sich nach langer Zeit. ,Na, wie kommst
du mir vor; was hast du für einen Kummer', fragte der eine seinen
Kameraden. ,Ach', erklärte der, ,du kannst mir ja doch nicht helfen,
wenn ich dir's auch klage'. — ,Na sag's nur, vielleicht weiß ich doch
Rat'. — ,Gut, du sollst es wissen. Meine Frau ist mit mir nicht zu-
frieden. Keine Fickerei genügt ihr und jeden Tag soll ich etwas neues
aufweisen, um sie zu befriedigen. Ich hab's schon auf alle mögliche
Weisen gemacht, Sie bringt mich um'. — ,Mache doch den eng-
lischen Box'. — Ja, wie ist denn das?' — ,Du streust Erbsen ins
Zimmer soviel als möglich. Deine Frau muß sich ganz nackt austuen
und auf Hände und Füße niederlassen. Du stellst dann unter die
Hände, unter die Knie, unter die Zehen deiner Frau je einen Teller.
Dann gehst du von hinten an deine Frau. Bei jedem Stoß rutscht
sie durch's Zimmer und wird geil4. — ,Ach nein! Ich hab das auch


Deutsche Bauernerzahlungen.

I29

schon gemacht'. — Ja hats ihr denn keinen Effekt gemacht?' — ,Gar
keinen! Nur die Kinder haben sich beim Zuschauen ein wenig amüsiert'.

(Sentheim).

158. Wie's die Fuhrleute machen.
Wann einer a Magd'l züam ficke ka han, net lang arum g'macht

Wenn einer ein Mägdlein zum ficken kann haben, nicht lang herum gemacht

D' Hossa a no, 's Hamd e d' Heh, d' Kutte gelüpft, druff un a nin,

Die Hosen hinab das Hemd in die Höhe, die Weiberkutte gelüpft, darauf und hinein

a paar mul hin un har, arüß, a bessel abg'schettelt, e d' Hossa met

ein paar mal hin und her, heraus, ein bissei abgeschüttelt, in die Hosen mit

159. Was hat da Herr g'wellt?

Was hat der Herr gewollt?

S'Leni isch e süfer Serwierbibbele z'Milhüse. Die letscht isch 's

Die Lene ist ein sauberes Senrierpüppchen zu Mülhausen. Letzthin ist es

emol heim uf Gawiller züe syni Litt fir a bitzi ze verschnüfe. S'Kathri

einmal heim nach Gebweiler zu seinen Leuten um ein bißchen zu verschnaufen. Die Katharina

isch e Kamerädel un dam hat 's Leni e Stickle verzehlt, wo nit

ist eine Kameradin und der hat das Leni ein Stückchen erzöhlt, welches nicht

latz isch. ,Meinsch do Kathri', macht 's Leni, ,do z'letscht im Augscht

ohne ist. ,Meinst du da Kathri na, sagt die Lene, ,da zuletzt im August

s' isch am e famos heiße Tag g'si, wann i mi rächt b'sinn isch's am

es ist an einem famos heißen Tag gewesen ; wenn ich mich recht besinne ist es an

e Zischtigmorge *) g'si. Grad haw і welle ufstehn. Kathri dü kasch

einem Dienstagmorgen gewesen. Grade habe ich wollen aufstehen. Kathrina das kannst

d'r danke, aß ich wage d'r Hitz z'nacht blutt im Bett g'lage bin.

dir denken, daß ich wegen der Hitze nachts blößig im Bett lag.

Grad will і s Hem aziege do macht ebber ganz sanft un g'machlig

Grade will ich das Hemd anziehen da macht jemand ganz sanft und gemächlich

d' Tiere uf. ,Lüeg do, was e scheens Goggerle', tont do 'ne Stimme.

die Türe auf. ,Schau da, was ein schönes tönt da eine Stimme.

S' isch e g'fitzter Voyageur g'sinn. Im erschte Momant bin і for

Es ist ein feiner Reisender gewesen. Im ersten Moment bin ich vor

Schracke fascht uff d'r Kopf gstande und hab 's Hern uf 's Bett ge-
Schreck fast auf den Kopf gestanden und habe das Hemd auf das Bett ge-

worfe. D's g'fitzt Herr lüegt mi ar sait awer nit Ich ha ,'ne o

worfen. Der hübsche Herr schaut mich an sagt aber nichts. Ich habe ihn

aglüegt vo owe bis unte.

auch angeschaut von oben bis unten.

,Pardon, Monsieur, was wann Se?' mein i andli.

»Verzeihung, mein Herr, was wollen Sie?4 meine ich endlich.

1) Zisch tig = Dienstag.
Kraust, Anthropophyteia. IV

Owerlander Ditsch » Oberelsässiscb.

9


Deutsche Bauernerzählungen

Ar sait nit! — Ich frog noch e Rung awer dV Mossiö schwiegt

Er sagt nichts ! — Ich frage noch ein Mal aber der Mossiö schweigt.

Uff emol kunnt da Voyageur, packt mi ganz zartlig und tragt mi

Auf einmal

frei und frank uf 's Bett ,0 mi Turteltiewele', macht ar, ,dü scheen

,0 mein Turteltäubchen', sagt er, ,du schönes

Bibberle — Bobberle, was hasch dü fürige scheeni Dittle, was for e

Bibberle — Bobberle was hast du für schöne Tutteln, was für einen

Näwele, was for schwarzi Krüselhoor*. Jetzt wu—n—er diss g'sait

kleinen Nabel, was für schwarze Kraushaare'- Jetzt wo er dieses gesagt

gha hat, stirzt der sunderlig Mensch vorne an mer uf d'Knie, schlingt

gehabt hat, stürzt der sonderliche Mensch vorne an mir auf die Knie, schlingt

d' Arm um minni Bai un fangt an mich ze verschmutze. Indam aß

die Arme um meine Beine und fängt an mich zu verküssen. Während

er mi verschmutzt, isch der Voyageur, wo wajer kä gmeiner Mann

er mich verküßte, ist der Voyageur, der wahrlich keingewöhnlisher Mann

g'si isch, uf emol bi mir g'lage. ,Was welle n er Mossio', mach і ver-

gewesen ist, auf einmal bei mir gelegen. ,\Vas wollt Ihr Mossio', mach ich ver

wundert, awer e gibt kenn Antwort un wil er so ne vornähme Idruck

wundert, aber er gibt keine Antwort und weil er so einen vornehmen Eindruck

gmacht het, han i nit trauie bees z'werre. Kathri! Awer g'macht

macht hat, habe ich nicht trauen böß werden. Kathrina! aber gemacht

hat V! Afâ g'macht hat ar, mV hat g'meint ar seig verruckt. DV

hat erl Enfin gemacht hat er, man hal gemeint er sei verrückt Den

blutte—n—Arsch hat ar mV g schmutzt, no hat ar mi kitzelt, g'schittelt

nackten Hintern hat er mir geküßt, dann hat er mich gekitzelt, geschüttelt

un zwische d'Bai glottelt Alle Kumplimante hat ar gmacht. Gob-

und zwischen den Beinen gelottelt. Alle Komplimente hat er gemacht. Gott-

verdäggele wie isch mV's do worre! In d' Heche blitzt bin і wie ,ne

verdeckel wie ist mir's da geworden. In die Höhe geblitzt bin ich wie ein

Haigumper. Kalt und warm han i biku un і ha g'meint і seig im

Heuschreck. Kalt und warm habe ich bekommen und ich hab gemeint ich sei im

Himmel. Ganz verdiermelt bin і g'si, wie—n—і wieder züa mir ku

Ganz verstört bin ich gewesen, wie ich wieder zu mir gekommen

bin. Allei bin i g'si. Der Herr isch furt g'si un hat nit g'schnüft

Allein bin ich gewesen. ist fort gewesen und hat nicht geschnauft

noch dare Fisik. Sithar dank i alli Düür noch, was hat da

nach diesen Fisematenten. Seither denke ich alle Tour fortwährend nach, was hat der

Herr eigertli g wellt?

Herr eigentlich gewollt?

160. So wie sie liegt.

Einem einfältigen Juden, der heiraten wollte, hatte man gesagt,
seine Frau bringe einen köstlichen Schatz mit sich. ,Wühle nur
wenn du dich in der Hochzeitnacht zu ihr begibst, so wie sie liegt,
ihr im untersten Loch herum, dann hast du den Schatz', lautete die
Anweisung. Die Hochzeitnacht kam, da die Braut aber zu viel


Deutsche Bauernerzählungen.

Schleckedissel (Süßigkeiten) genossen hatte, hatte sie Bauchweh und
sie legte sich auf den Bauch herum. So wie sie liegt, dachte der
Jude hat man mir gesagt find ich den Schatz. Also nicht faul nimmt
der Jude ein Chandelle steckt's an und leuchtet seiner Frau an den
Hintern. ,Nü was mächst de', fragte unwillig die junge Memme. ,Sei
ruhwisch' (ruhig) beschwichtigte der Jude, welcher aber immer zitternder
mit den Händen am Hintern seiner Frau herumbohrte bis die junge
Frau in der Angst lautfurzend auffuhr und das Licht ausging. ,Nü
denn Schatz gib doch here' kreischte endlich der Jude als die junge
Frau trotz des Bauchwehes aus dem Bett sprang.

Die Schnurre läuft im Kreise christlicher Landbewohner umher
und wird in Gegenwart von Israeliten erzählt, ,um die Juden zu fuchsen'
also, um die Leute zu ärgern.

161. Kurzfutter.

Eine hitzige Jüdin, deren Mann die ganze Woche auf dem Com-
merce (Handel) war, wohnte gegenüber einem christlichen Bäcker.
Dieser war ein strammer junger Mann dessen nackte Arme böse Be-
gierden bei der Jüdin weckten. Endlich hielt sie s nicht mehr aus,
sondern sie ging zum Bäcker und klagte dem, was eine junge Frau
doch auszustehen habe, wenn an vielen Tagen in der Woche der Mann
nicht daheim sei. Der Bäcker nicht faul sprach: ,Euch fehlt das Kurz-
futter' — ,Ei was ist das', fragte die Jüdin. ,Nix anders als das', da-
mit langte der Bäcker seinen Weibertröster hervor. Den sah auch
die Jüdin mit Wohlgefallen aber auch Erstaunen. ,Der is ja ganz
andersch aß wie in mein Mann seiner', erklärte die hitzige. ,Er ist
zugewachsen, während bei Eurem Mann Luft geschaffen ist; ich kann
keine Kinder machen'. Da mußte die Jüdin natürlich mal probieren,
und die Sache gefiel ihr famos. Weil die Jüdin aber auch des Ver-
gleiches halber öfters mit ihrem eigenen Manne zusammenkam, wußte
sie nicht, daß das Kind, welches sie in neun Monaten gebar, ein
Christenkind war.

Auch diese Schnurre wird erzählt, um Juden zu erzürnen.

162. Die grosse Nase.

Ein ziemlich alter Jude aus der Gegend von Zabern nahm eine

dicke Jüdin zur Frau. Der Jude hatte in seiner ledigen Zeit ziemlich

gehurt und bei der fetten Memme wollte der Bauch gar nicht dick

werden (d. h, Zeichen der Schwangerschaft zeigen). Den alten Juden

griff die ewige Fickerei stark an und er klagte dem Rebbe und allen

9*


132

Deutsche Bauernerzählungen.

Leuten sein Leid, er bekäme keine Kinder. Man zuckte die Schultern
und damit war's getan. Der Jude klagte weiter und so kam er auch
mal zu einem katholischen Pfarrer im Gebirge. Da jammerte er, wie
er geschlagen sei und umsonst gearbeitet habe. ,Schick mir dein Weib1,
meinte der lustige Pfarrer ,in meinen alten Büchern habe ich mancherlei
Rezepte'. Hilft's nix so schad's nix, dachte der Jude und schickte
sein Weib tags darauf zu dem Gebirgspfarrer. ,Ihr kriegt keine Kinder',
sprach er als die korpulente Jüdin kam. — ,Leider, und doch han mir,
so wahr aß isch leb schun alles prowiert', beteuerte die Gelragte. —
,Vielleicht kann ich helfen; zieht euch aus'. ,Awer nu, das geht doch
nisch', meinte schamhaft die Jüdin. — /Wollt Ihr Kinder?' — Nadirlich
von meim Mann'. ,Zieht Euch ab, damit ich seh, was fehlt'. — Was
will die Memme machen? Sie zieht sich aus. Es fährt dem Pfaff
heiß und warm durch alle Knochen so ein sauberes junges Weib hat
er in seinem Waldnickeldorf noch nicht gesehen. Die Dütteln starren
ihm entgegen und er meint daran reibend: ,Euere Dütteln müßt Ihr
Euch reiben lassen, sonst sind sie zu hart und die Milch kann nicht
durch. Jetzt muß ich auch in die Spalte (Vagina) riechen'. Gesagt,
getan. Er steckte seine große Nase in die warme Spalte und reibt
die Nase hin und her. Der Jüdin wurde immer wärmer von dem Reiz.
,So jetzt muß ich auch von hinten her riechen, um Euch ein Mittel
geben zu können'. Gesagt, getan. Er stellt sich hinter die Jüdin
hebt seine Soutane auf und steckt seinen Wadel in den Spalt. So
einen dicken Wadel hatte aber der Mann von der Jüdin nicht mehr
und ganz hinter für sich (= verwirrt) atmete sie: ,Herr Pfarres, isch,
das a Nos — ä grause Nos — a herrliche Nos u— a Nosen, Nosen'.
Nachdem der Pfarrer ausgebuttert hatte, schickte er die Memme heim
und hieß sie nachts zum Babbe zu liegen. — Und veritabel das Mittel
half. Die Jüdin bekam einen dicken Bauch worüber der Mann über-
glücklich wurde. Er wurde aber fast maschugge als es ein Söhnchen
war, das zur Welt kam. Der Pfarrer mit der großen Nase bekam
iooo Livres ausbezahlt und alljährlich ein Präsent.

Die aus dem Unterelsaß stammende Schnurre zeigt charakteri-
stische Merkmale ihrer Herkunft. Die Kinderlosigkeit veranlaßt das
Weib sich den Wünschen zu fügen. Das Volk hält sich nicht lange
auf bei der minutiösen Aufzählung der Körperreize der Jüdin, sondern
strebt in der Erzählung sofort auf das Ziel. Der Hieb auf die
Waldnickel könnte vielleicht die Ansicht stützen, daß die Schnurre
von den Bewohnern der Bauerndörfer in der Ebene weiter verbreitet
wird. Denn Waldnickel und Holzhacker nennt man die Bewohner der


Deutsche Bauernerzählungen. I33

163. Was kann mich das nutzen.
E flotter Juddebüe, wu in de Maidle e bitzi z'viel g'opfert hat,

Ein flotter Judenbube, welcher den Madchen ein wenig zuviel geopfert hatte,

hat no z'noh dur die Verschwandung von sinere Kraft d' Schwindsucht

hat nach und nach durch die Verschwendung von seiner Kraft die Schwindsucht

an d'r Hals beku, un isch andlich uf 'm Todsbett glage.

an den Hals bekommen und ist endlich auf dem Todesbett gelegen.

Jetz geht 's d' Schißmatte awe'1), hat er dankt un hat afange

Jetzt geht es die Scheißmatte hinab1, hat er gedacht und hat angefange

hiile un jommere, aß ar müeß starwe un seig doch noch so jung.

heulen und jammern, daß er müsse sterben und sei

Awer alles Jommere hat halt nix g nutzt. D'r Rebbe wu — ne o

Aber alles Jammern hat halt nichts genützt. Der Rabbiner wo ihn auch

b'süecht hat, hat ne halt süeche z' tröschte un hat g'sait.

besucht hat, hat ihn halt suchen zu trösten und hat gesagt.

,Nu was jommersch, dank doch dra, aß de in kurzer Zeit liegsch

,Nun, was jammerst du, denke doch daran, daß du in kurzer Zeit liegst

in Abrahams Schoos!' — ,Nu', brielt d'r Krank, ,was ka mich

,Nun', brüllt der Kranke, was kann mich

nutze im Abraham si Schoos? I that liewer liege in d'r Sarah ihrer'.

nützen sein Schoos? Ich täte lieber liegen in der Sarah ihrer4.

(Lutterbach im Oberelsaß).

164. Babbe alli zwei?

In einem evangelischen Dorfe lebte ein katholischer Bäckerge-
selle, dem die dicken Töchter des Pastors überaus gefielen, und,
welche er gerne einmal profitiert (= beschlafen) hätte. Alle Ge-
legenheiten paßte er ab, um die Maidle dranzukriegen. An einem
Sonntag läutete es zur Kirche und als es ausgeläutet hatte ging der
Pastor zur Kirche hinüber. Da trat ihm der Bäckerknecht entgegen
und bat man möge ihm zwei französische Zwanziglivres (— 20 Franken)
Stücke wechseln. , Warte bitz aß d' Kirch üs isch', meinte der Pastor.

,Warte bis daß der Gottesdienst aus ist',

,1 ka nit warte, ich will uf d'r Zug'. ,Na ze gehn nuflf züe mini

, Ich kaun nicht warten, ich will auf den Eisenbahnzug1. Na so gehet hinauf zu meinen

Döchter und Ion 's eich schangschiere'. Schnell sprang der Bäcker-
Töchtern und laßt es euch wechseln*.

bursch hinauf in die Wohnung des Pastors wo sich die Mädchen
gerade noch schnell für in die Kirche fertig machten. ,Ich soll eich

Jen soll euch

1) Dieser Ausdruck bedeutet, es geht unfehlbar zu Ende, bergab.

verkehrentlegenen Ortschaften, in denen besonders derbe Zoten gang
und gäbe sind.


134

Deutsche Bauernerzählungen.

beide vegle'. — Uh Jemmersch nä', sprachen die Mädchen. ,DY

beide vögeln1. — ,Uh Jesus nein*, ,Der

Babbe will's e so han*. Der Bäckerbursch war ein sauberer Bursch

Papa will das so haben1.

und die Pastorstöchter junge hitzige Mädel. Um sich zu vergewissern
riß die eine Schwester das Fenster auf und rief hinunter: ,Babbe
isch 's wohr?' — ,E nadierlig', antwortete sich herumwendend der

ist es wahr?1 — ,Ei natürlich4,

Pastor. Nochmals fragte die Tochter: ,Alli zwei?' — ,E nadierlig
wann er könne und wolle'. — ,M'r welle schun', riefen froh beide,
schlugen das Fenster zu und hüpften mit dem Bursch ins Bett.

Wird in der Gegend von Barr von Katholiken erzählt, um Pro-
testanten zu ärgern.

165. Er ersauft.
S'isch im Hoimachet g'sin do han dräij Maidle üs Schtill *)

Es ist im Heumachen (Heuernte J gewesen da haben drei Mädchen aus Still

wyl m'r e Rummelwatter ze b'sorje hett g'hett Watterhüffe2) ge-
weil man ein Donnerwetter (Gewitter) zu besorgen hat gehabt Wetterhaufen ge-
mocht. Wia—n se ferrig sin g'sin und heime züa gehn finge se de

macht Wie sie fertig sind gewesen und heim zu gehen finden sie den

Charles unger 'me Äpfelboim schlofe. D'r Äpfelboim steht hinger

Karl unter einem Apfelbaum schlafen. Der Apfelbaum steht hinter

e Heck. ,D'r Kaib isch sicher widder bedüdelt', sait 's Marigel,

eioer Hecke. ,Der Kerl ist sicher wieder betrunken', sagt das Marie,

,na ich will 'm eine stelle' Die zwei andri Maidle sin wittersch

,na ich will ihm einen Streich spielen. Die zwei anderen Mädchen sind weiter

gange. 'S Mariggel awer stellt sich zuam Charles lupft d' Kutt

gegangen. Das Marie aber stellt sich dicht an den Charles hebt die Kleider

und brunzt 'm Charles in 's G'sicht. ,0 Gott verzieh m'r ich ver-

dem Charles in das Gesicht. ,0 Gott verzeihe mir ich ver-

sufT, brialt do d'r Charles, wü verwacht und g'meint hett er lait

saufe1, brüllt da der Charlel, welcher erwacht und gemeint hat er läge

im e Fluß. 'S Mariggel isch awer heidebritsch los.

in einem Fluß. Das Marie ist aber heidebritsch (= schnell fortgelaufen).

166. Worum hfllsch?

Warum heulst du.

E Maidel isch emol vum e Burscht g'fickt worre. Alles isch

Ein Mädchen ist einmal von einem Burschen gefickt worden. Alles ist

scheen g'sin awer wie d'r Burscht 's letzt Dröpfele aschittelt do

schön gewesen, aber wie der Bursche das letzte Tröpfchen abgeschüttelt hatte da

1) Still im Breuschtal.

2) Wetterhaufen = das Heu wird zusammen gerecht und aufgesetzt, um gegen
Regen besser geschützt zu sein.


Deutsche Bauernerzählungen.

135

fangt 's Maidel an ze hyle. ,Müasch nitt hyle', tröscht d'r Bursch,

fängt das Mädchen an zu heulen ,Mußt nicht heulen', tröstet der Bursch,

,wäje dem Fick'. Do hett 's Maidel noch meh g'hyle. ,Müasch nit

,wegen dem Da hat das Mädchen noch mehr geheult. ,Mußt nicht

hyle', sait d'r Burscht noch e Düür. .1 hyl jo nit wäje dem Fick'.

heulen', sagt der Bursch noch eine Tour. ,Ich heule ja nicht wegen dem

— Ja worum hylsch derno?' ,Wyl de schu ferrig bisch'. ,1 hab

— Ja warum heulst du dann?' ,Weil du schon fertig bist. Ich

allewyl g'meint 's düert e ganzi Stund'.

alleweil = immer gemeint es dauert eine ganze Stunde'.

Haslach im Breuschtal.

167. Drucke noch e bissei.

Eine Alte führte ihre Ziege zum Bock, doch der Bock wollte
nicht springen. Lange versuchte man den Sprung aber es wollte
nicht gelingen. ,Na bringen Ihr's denn nit fertig', fragte ungeduldig
die Alte den Bockhalter. ,Ei mir welle's probierń'. Damit knöpfte
er sich vorne auf und stieß seinen steifen der Ziege in das Loch.
Der Ziege war diese Art doch nicht so ganz genehm und sie ließ
die Zunge aus dem Maul hängen. Da schlug die Alte entzückt die
Hände über dem Kopf zusammen und sprach: ,Herrjeh han Ihr awer
e langer und satter, e glatter und schöner 1 Drücke noch bissei,
noch e ganz klein bissei no heb і d' Kutt uff und derno langt's grad
noch fir mich'.

Vergleiche hierzu Anthropophyteia Bd. III, Seite 318, Nr. 492
Herrgott. Eine Variante zur obigen elsässischen Fassung der
Schnurre besagt: ein dummes Mädchen ging mit der Ziege zum
Bockhalter. Der war nicht daheim, dafür sein ältester auf die Mäd-
chen geladener Sohn. Der Bock will nicht an die Ziege, da sagte
der Sohn des Bockhalters, ,Es ist ein unerfahrenes Ziegenpaar wir
müssen es ihnen zeigen 1 Komm Linel stell dich neben die Gais
bück dich und heb die Kutte über den Arsch'. Linel macht es so.
Da ruft der Bursche: ,Schau Bock jetzt rieh dem Linel zuerst zwischen
die Beine machs auch so*. Linel zuckte zusammen als der Bursche
mit seinem jungen Schnauzbart ihr zwischen die Schenkel roch.
Jetzt Bock mußt du auch Bocken wie ich1. Da nahm der Bursche
seinen Kloben und rannte ihn Linel zwischen die Beine, so daß
vom Anprall Linel hinflog, ,Bock bock', schrie der tummelnde
Bursche und Linel schrie nichts ahnend auch ,Bock bock*. Als der
Bursche fertig war bat Linel ,drück noch e bissei, daß es der Bock
ganz guet versteht'.

Molsheim und Mutzig im Breuschtal.


Deutsche Bauernerzählungen.

168. Jetzt geputzt.

Der alte Vögele von Mutzig hatte wieder einmal eine junge hübsche
Magd. Lang war er hinter ihr her aber da war nicht leicht an-
kommen.

Kurz vor dem Herbst wurden große Fässer geputzt und Rosel
mußte tüchtig helfen. Auf Wunsch vom Vögele mußte sie ein
großes Faß untersuchen und nahm das Faßtürchen weg, um in das
Faß hineinzusteigen. ,Rosel schau ob noch ebbs fehlt!' Rosel
steigt in das Faß und wie sie bis zum Nabel drin ist, da springt
Vögele herbei, lupft Rosel die Röcke und stopfte das ihm entgegen-
lachende Loch. Rosel hat gar nicht gebrüllt als ihr Herr von
hinten daran gegangen war, sondern nur fest die Knochen zusammen-
geschlossen, daß Vögele gewollt hätte die Lust würde immer so
dauern. Von da an hat's Rosel auch außerhalb des Fasses gehalten.
Ja es hat dem alten Vögele oft gegen seinen Willen zugerufen:
Jetzt geputzt'. Erzählt vom alten Vögele in Mutzig selber.

169. M. i. g.

Ein Rebbaüer in Mittelbergheim hatte ein schönes Weib, dem
tlie Weinreisenden stets alle Anträge zum Zusammenschlafen machten.
Die schönen Hoffnungen, welche man der Frau mit der schönsten
weißesten Brust weit und breit gemacht hatte, fielen bald auf guten
Boden und eines Tages, da der Mann heimkehrte, war das Weib-
chen ausgeflogen. Nur ein Zettel lag auf dem Tisch; es standen
darauf die Zeichen M. i. g. Rätsel über Rätsel. Endlich folgte die
böse Lösung, die da hieß, Mann і geh uff de Strich.

Erzählt in Mittelbergheim von einem Bauernmädchen.

170- Ks — ktz — gehsch!

Bei einem Fabrikanten im Breuschtal dienten drei Leute, ein
Valet de chambre, eine ältere Kammerjungfer und ein dickes junges
Mädel. Der valet de chambre hätte gern seinen guignol (— Penis)
einmal zwischen die festen Schenkel des jungen Mädels gesteckt
aber es mußte mit Vorsicht geschehen, denn man wußte nicht, wie
das Mädel es aufnehmen würde. Glücklicherweise erspähte der
Valet de chambre ein Astloch in der Türe, welche nach dem Schlaf-
zimmer des Mädchen führte. Da steckte er denn jeden Tag seinen
<jinkel durch, wenn das Mädchen aufgestanden war. Bald sah das
Mädchen auch den Ginkel aber es wußte sich nicht zu erklären,


Deutsche Bauernerzàhlungen.

137

was es denn eigentlich sei. Für ein Holzwurm war die Sache zu
dick. Das Mädchen sagte es der älteren Kammerjungfer und letztere
hatte nach einmaliger Besichtigung herausgefunden was es sei, doch
sagte sie nichts, weil der valet de chambre eigentlich für sie be-
stimmt war. ,Weißt du was du machst, um dieses häßliche Unge-
ziefer zu vertilgen? Nimm morgen eine von den Hechtschnauzen,
welche vom heutigen Abendessen übrig bleiben. Kommt dann das
Tier wieder durch den Spalt so öffne das Hechtmaul und schnapp
den КегГ. Das Mädchen versprach den Rat zu befolgen. Früh
paßte es schon an der Türe auf, so daß der Valet de chambre vom
Mädchen gar nichts sah. ,Na ich muß doch probieren', dachte der
Bursche, ,denn vielleicht näht das Mädel4. Er steckte also seinen
Gesellen wieder durch das Loch. Hopla hatte das Mädchen auch
schon das Hechtgebiß darum gepflastert. ,Au, au', jammerte der
Bursche, ,ksch, kschl Kts, kts! Kätzel gehsch ewegl Kätzel! Katz
au, gehsch de'. Und er zog aus Leibeskräften, bis er den blutenden
wieder im sicheren Gewahrsam hatte. Von da ab erschien das Tier
nicht mehr. (Erzählt in Mutzig).

Vergleiche dazu Anthropophyteia Bd. I, Seite 253, Nr. 202,
ferner Contes licencieux de l'Alsace: Nr. 56, La gueule du brochet.

171. Er putzt sich.

Einer wurde überrascht wie er sich eben selbst abwichste (= ona-
nierte. ,Fi donc du cochon, gibt's dann nit genua Maidle', rief man
ihm zu. ,Sall schu' (das schon), entgegnete jener, ,aber kains (= keines)
ka mV d'r Schlim us 'm Lieb pumpe (= aber keines kann mir den
Schleim aus dem Leib pumpen !). (Gegend von Schlettstadt).

172. Höher.

Gredel ist ein strammes Bauernmädchen. Als es mit der Mutter
einmal nach Straßburg kam, waren sogar zwei Offizier in das Mäd-
chen gleich beim Anschauen verschossen. Da es geregnet hatte,
hob Gredel die Röcke und es kamen zwei satte Waden (= dicke)
zum Vorschein. Alle Augenblicke, wenn man eine Straße paßierte
hob Gredel die Röcke und die Offiziere, welche hinter Gretel gingen,
flüsterten: ,Höherl HöherГ Endlich drehte sich Gredel's Mutter

1) Schleim pumper nennt man in einzelnen Gegenden Deutschlands die Onanisten.
wie ich das in meiner Soldatenzeit häufig hören konnte.


138

Deutsche Bauernerzählungen

am Paradeplatz (= Kleberplatz) um und sprach: ,Gredel soll'sch d'
Rock üwer dV Orsch ganz in d'Höh hewe; die zwee Herre welle
dich om Orsch lacke'. Wolxheim).

173. Du Stick Vieh!

Ein Bauer träumte, auf dem Kleeacker bei der Arbeit zu sein.
Darüber kam ihn harte Not an und da er seinen Klee nicht ver-
drecken wollte eilte er an den im Nachbarstück stehenden Baum,
riß die Hosen runter und schmetterte einen Fladen Numero Pfiff
auf den Boden. Endlich wie er mit Genuß fertig war will er sich
auch säubern und beginnt kräftig Gras abzurupfen. Aber was war
denn das. Jählings fährt unser Bäuerlein aus dem Schlafe auf und
hält sich seine schmerzend brennende Wange an die es eben ge-
klatscht hatte. ,Du taub Stickel Vieh', hört da der zu sich kommende
Bauer sein Weib neben ihm im Bett poltern, ,bruchsch mV au noch

*

d'Hoor volls (= vollends) vum Lieb (= Leib) ze ropfe*.

Mutzig.

174. Merci, ich will 'ne doch glich nähme!
E Maidel üss 'me bedüechte Büerehoft het vun de Knecht

Ein Mädchen aus einem reichen Bauernhof hat von den Knechten

allerderhand verzähle höre un isch allgemach so gereizt worre, daß

allerhand erzählen hören und ist allgemach so gereizt worden, daß

es sich emol mit eme Knackwurst selwer agewichst het. Bim

einmal mit einer Knackwurst selber abgewichst (= onaniert) hat. Beim

beschte arweite, wü 's Maidel d' Schankel z'samme druckt het, isch

besten arbeiten, wo das Mädchen die Schenkel zusammen gedrückt, hat ist

d'r Wurscht gebroche. S'Maidel het luck gelon und 's hetSchmarze

die Wurst gebrochen. Das Mädchen hat locker (= los) gelassen und es hat Schmerzen

bekumme. Wyl 's d'r Wurscht nit selwer russbringt het 's d'r

bekommen. Weil es die Wurst nicht selber herausbringt hat es der

Mamme gekläuyt. ,Viehmässi Ding', sait d' Mamme, ,diss müas

Mama geklagt. ,Viehmäßiges Ding1, sagt die Mama, ,dies muß

mV 'm DoktV geh sage'. DV DoktV kummt. 'S Maidel müass si

man dem Doktor gehn sagen1. Der Doktor kommt. Das Mädchen muß sich

blutt üsstien un isch fir d' nähere Untersuchung uf dV Disch direkt

nackt austuen und ist für die nähere Untersuchung auf den Tisch direkt

an 's Fenschter in d' Heiterkeit gelait worre. DV DoktV het iwer

an das Fenster in die Taghelligkeit gelegt worden. Der Dokter hat über

dene halwe Wurscht iwerlütt lache mian; mit dV flach Hand het V

die halbe Wurst überlaut lachen müssen; mit der flachen Hand hat er


Deutsche Bauernerzählungen.

139

'm Maidel uf de Büch g'schläuie. Do ischt d'r Wurscht direkt züam

dem Mädchen auf den Bauch geschlagen. Da ist die Wurst direkt zum

offene Fanschter nüss. Fir 'm Fanschter druss het e Orjelmann

offenen Fenster hinaus. Vor dem Fenster draußen hat ein Orgelmann

grad eins g'spielt. D'r Wurscht feilt 'm direkt uf de Orjelkaschte

gerade eins gespielt. Die Wurst fallt ihm gerade auf den Orgelkasten

un d'r Orjelmann sait: ,merçi, merci, ich will ne doch glych nähme

und der Orgelmann sagt: ,Danke, danke, ich will ihn (= die Wurst) doch gleich nehmen

wyl 'r noch warm isch'.
(hier gleich essen) weil er noch warm ist'. Erzählt in Brumath.

175. Hainichen ziehen.
Zwei Maidle vo Thann sin die letscht gange am e Suntig e

Zwei Mädchen von Thann sind die letzt gegangen an einem Sonntag eine

Kamerädel b'suache. Se han awer wü se anne ku sin numme der

Kameradin besuchen. Sie haben aber wo («= als) sie angekommen sind nur den

Brüader atroffe. Wü se danne g'sahn han, han se 'ne begrießt un

Bruder angetroffen. Wie sie diesen gesehen haben, haben sie ihn begrüßt und

glich g'lachelt. ,Brüche kei Angscht z' ha', sait d'r Burscht. Do

gleich gelächelt. ,Brauchet keine Äugst zu haben*, sagt der Bursche. Da

druff han 'd Maidle ganz Verlage umenander g'schoit. Afä se han

darnach haben die Mädchen ganz verlegen umeinander geschaut. Eutin sie haben

afange ze babble vo allerlei und sin andli wie mV danke ka uff 's

atigefangen zu schwatzen von alleilei und sind endlich wie man denken kann auf das

ficke ku. Jetz die Fraid! In de Maidle isch 's Wasser im Mül

ficken gekommen. Jetzt die Freude 1 Den Mädchen ist das Wasser im Maul

fascht zamme g'läuife, un 's Mül han se gspitzt wie ne Küeh uf e

fast zusammengelaufen, und das Maul haben sie gespitzt wie eine Kuh auf eine

Ardbeere. Afä d' Maidle sin schlackrig worre. S' Mariki hat 's

Erdbeere. Enfin die Mädchen sind schleckrig geworden. Das Mariechen hat es

vor Sahnsucht nimm kenne üshalte, in alle Gleich hat 's as kitzelt.

vor Sehnsucht nicht mehr können aushalten, in allen Gelenken hat es es gekitzelt.

S' Ammereile, 's Kamerädle isch awer o keins vo dane, wu d' Unter

Das Annemarie, das Kamerädchen ist aber auch keines von, denen welche die Unter-

hosse mit d'r Bißzange alegt. ,Zeig uns e mol dyn Groschewurscht,

hosen mit der Beißzange anlegen. »Zeig uns ein mal deine Groschenwurst (Penis),

wu de im Hosselade hesch', meint andli 's Mariki. ,Sä do isch 'r

welche du im Hosensack hast1, meint endlich das Mariechen. ,Da hier ist er

Gottverdammi' und uff emol lüagt a kleiner Wallebengel 'm Seppi

Gottverdamme mich und auf einmal schaut ein kleiner Wellenbengel dem Josef

üss de Hosse. Beidi Maidle han das Dings hert aglüegt un sin

aus den Hosen. Beide Mädchen haben das Dings starr angeschaut und sind

ganz hitzi worre. ,Zaig', macht 's Mariki, ,dü Nundebuckel kasch

ganz hitzig geworden. ,Zeige\ sagt das Mariecheu, ,du Kerl kannst

e mol e Fick mache'. — Jo dü Dollweck thatsch allewag nit d'

einmal einen Fick machen4. — Ja du Tollpatsch tätest alleweg nicht die


I^o Deutsche Bauernerzählungen.

Kurasćh han*. — ,Ićh glaub's bi Gott nit, zaig liieg do'. — Do druf

Courage haben4. ,Ich glaub's bei Gott nicht, zeig schau da*. — Da darauf

hat 's Mariki 's Bai g'lipft und dam Bursch isch 's worre wie 'me

hat das Mariechen das Bein gelüpft und dem Burschen ist es geworden wie einem

rammlige Rolli. ,Ebiäng', sagt d'r Bursch, ,das, wu z'erscht an

rammellustigen Kater. ,Eh bien4, sagt der Bursche, ,das, welches zuerst an

minere Spatz langt, das wurd z'erscht g'fickt'. Do han die Maidle

meinen Penis greift, das wird zuerst gefielet*. Da haben die Mädchen

awer nit welle abisse. ,Na Ammereili lang dü z'erscht dran'. —

aber nicht wollen anbeißen. ,Na Annemariechen greile du zuerst daran1. —

Jo dü Mariki reich dü z'erscht, dü hesch agfange mit dam Dings4.

Ja du Mariechen greife du zuerst, du hast angefangen mit dem Ding4.

Afä kurz und güet se han alli zwei g'fickt welle si, awer e jedwedi

Enfin kurz und gut sie haben alle zwei getickt wollen sein, aber eine jede

vu dane Jumpfern mecht garn noch der ander. ,Krizefürige wurum

von diesen Jumpfern möchte gerne nach der anderen. ,Kreuz feurige warum

thien 'r so lang basse', brielt d'r rammlig Bursch. Д schamm mi

tut ihr so lang abwarten1, brüllt der rammellustige Bursche. ,Ich schäme mich

wage wyl i gar ze langi Huur zwische de Bai ha', sagt 's Mariki.

wegen weil ich gar zu lange Haare zwischen den Beinen habe*, sagtdasMariecheD.

,Schüstammant das isch o bi mir d'r Fall', macht 's Ammereile.

,Tustament das ist auch bei mir der Fall', sagt das Annemariechen.

,Eh verdäggele do isch schnall g'hulfe', sagt d'r Bursch, ,ihr ziage

,Eh vertrackt I da ist schnell geholfen1, sagt der Bursche, ,ihr zieht

Halmle. Das, wu s' gröscht hat, derf z'erscht an mi Kleinschter'.

Hainichen. Das, welches das größteHälmchenhat, darf zuerst an meinen Kleinsten (= Penis).

In eim Witsch sin se handeleinig wore un se han ihre megligs

In einem Nu sind sie handelseinig geworden und sie haben ihr möglichstes

g'macht. Jeds vun de Maidle hat welle s' gröscht ziage fir s'erscht

gemacht. Jedes von den Mädchen hat wollen das größte (Hälmchen) ziehen für das erste

ze si fir sich mit dam Deckbett züezedecke. Dam Burscht isch 's

zu sein für sich mit dem Deckbett(d.h. der Bursche) zuzudecken. Dem Burschen ist es

wohl g'sin uf e jedweder vu dane Matratze denn se sin guet polt-

wohl gewesen auf jeder von diesen Matratzen (Mädchen) denn sie sind gut ge-

schtert g'si un an Hoor hat's nit g'fahlt.

polstert gewesen und an Haaren hat's nit gefehlt.

Erzählt im Oberelsaß.

Diese Erzählung spielt schon ein wenig in die Kreise der
Fabrikarbeiter hinüber. Der Unterhaltungstoff der Fabrikarbeiter
verdient aber ganz besonders ein eingehendes Studium, sodaß
ihm ein besonderes Kapitel gewidmet werden muß. Das Hälm-
chen ziehen ist übrigens eine wahre Geschichte. Beide Mädchen
waren noch keine 15 Jahre alt, dafür aber inmitten der Fabrikbe-
völkerung lebend schon ziemlich verdorben.

In Straßburg ist vor kurzen ein Mädchen von 15 Jahren an


Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden

HI

Lues gestorben. Das Mädchen war eine Prachterscheinung aber
verdorben bis in die Knochen und ins Mark. Dabei ist Straßburg
weder Fabrik- noch Großstadt!

Wir möchten gerade bei dieser Gelegenheit anregen, daß von
den Lesern der Anthropophyteia der Redaktion möglichst viel be-
zügliches Material eingesendet werden möge. Genaue Angaben des
Erzählungortes, des Erzählerkreises sind dabei wegen der wissen-
schaftlichen Verarbeitung nötig.

Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden.

Von F. Wernert

Die Bevölkerung des Großherzogtums Baden, welche ein im
Süden durch den Bodensee und Rhein, im Osten durch den Schwarz-
wald, im Norden den Odenwald und Spessart, im Westen durch den
Rheinstrom begrenztes Gebiet bewohnt, zeichnet sich durch körper-
liche Kraft und geistige Gesundheit aus.

Im Gegensatz zu den Vogesen mit ihrem ausgeprägt schmalen
und verkehrhemmenden Hauptkamm neigt der Schwarzwald zur
Hochflächenbildung; er leistet dem Verkehr sonach Vorschub und
macht damit Baden zu einem straßenreichen Durchgangland.

Dichte Besiedelung ist eine unmittelbare Folge dieser Bewohn-
barkeit. Die dichte Besiedelung ist aber nur dadurch möglich, daß
die Industrie in Baden weit bis in die Berghöhen des Schwarz-
waldes eine Heimstätte fand. Wir erinnern an die Uhrenfabrikation,
die Granatschleifereien, die Gold und Silberwarenherstellung, die
Zellstoffabriken, die Spieldosenfabrikation, die Webereien für Baum-
wolle und Seide. Alle diese Industriebetriebe haben sich nicht auf
wenig städtische Hauptpunkte vereint, sondern sind in denkbar
größter Autlockerung vielfach als Hausindustrie über weite Teile
des Landes bezw. des Gebirges ausgebreitet. All das gibt dem
Lande ein eigenartiges Gepräge, das sich in Lebenshaltung und
Lebensanschauung kundgibt. — Wie zäh halten z. B. die Schwarz-
waldbewohner an ihren malerischen Trachten fest. Die Eigenart
bekundet einen gewissen Stolz, dem man moralischen Wert nicht
absprechen darf.

Es ist ein wetterfester Menschenschlag begabt mit einem hohen
Grade von Tüchtigkeit fürs praktische Leben. Die Bewohner des


142

Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden

Großherzogtumes Baden sind zum weitaus größeren Teil katholisch,
evangelisch sind die Landschaften der früheren Markgrafschaft Baden-
Durlach und die alten württembergischen Lande. Aus Mittelbaden
bringen wir eine Anzahl Schnurren und kecke Erzählungen, welche
an Ort und Stelle gehört wurden. Sie sind nicht etwa, was aus-
drücklich betont werden möge, im Wirtshaus oder nach fröhlichem
Trunk erzählt worden, sondern während der Arbeit zur Belebung
des Arbeiteifers, z. B. in Gärtnereien, beim Beschneiden der Reb-
stöcke, beim Fertigen von Strohbändern, beim Ausmachen von
Winterrüben, bei der Reparatur von Uhren usw. usw. So religiös
der Schwarzwälder ist und so streng die Familien, mögen sie katho-
lischen oder evangelischen Bekenntnisses sein, an den überlieferten
Sitten und Gebräuchen halten, ebenso ausgelassen lustig und derb
können diese Kreise werden. Diese Sinnlichkeit, Sinnenfreude äußert
sich zwar oft in bedenklich derben Erzählungen immerhin ist sie
nicht zu verwechseln mit der zynischen Gemeinheit, wie sich solche
in den Städten in den öffentlichen Häusern offenbart.

Leider beginnt das Bordell nicht nur fur die Stadtburschen,
sondern auch für die Landburschen eine mehr und mehr verhängnis-
volle Rolle zu spielen. An die Stelle derber Sinnlichkeit tritt damit
die Brutalität. — Der rasch umgestaltenden Zeit muß es vorbehalten
sein, durch Aufklärung eine Wandelung herbeizuführen.

Dem Forscher bleibt nur übrig in vorwiegend landwirtschaft-
lichen Gebieten den derben UnterhaltungstoiT zu sammeln, um ein
möglichst ungetrübtes Bild zu erhalten.

Die Erforschung erotischer Denkungweise der Fabrikbevölke-
rung, sowie der Schichten städtischer Bewohner bleibt ein besonderes
Arbeitfeld für den jeder Romantik abholden Folkloristen.

1. Lug dort am Fenschter!

Ein Bursche aus Kehl hätte sein Mädel gerne vor der Hochzeit
genagelt. Doch das Mädchen tröstete bis nach der Hochzeitzere-
monie in der Kirche. Endlich war der Tag gekommen. Man hielt
einen kleinen Schmaus und darnach wollte man die Hochzeitreise
nach Karlsruhe machen. Kaum eingestiegen in die III. Klasse gab
der Mann dem Schaffner ein Trinkgeld um allein zu bleiben, und da
es ein Schnellzug war konnte das Versprechen auch gegeben werden.
,Also Else jetzt zieh dich aus!1 Else zog sich auch schnell aus,
legte alle Unterkleider unter den Arsch und mit steigender Hitze
sah der Mann wie schön sein Weib sei. Er fuhr leise über die


Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden. 143

Ringellocken an deren Schneck, küßte die Tutteln, kurz und vertrieb
sich eine Weile die Zeit mit schnurrendem Kosen. ,Herr Gott jetzt
mein і ischt's genug sonst wird dei Thedärel alleweil noch dicker
als er ischt', machte die Hochzeiterin, welche den stets strammer
werdenden Spatz ihres Mannes prüfend in der Hand musterte. Die
Mahnung fiel auf guten Boden und der Mann kniete über Else.
Sanft begann er die haarigen Hindernisse zu räumen, dann gings
vorsichtig vorwärts bis er mit einem festen Ruck darin war. Rasch
begann eine Scharrarbeit, daß man gemeint hätte Else soll auf die
Bank gehauen werden. Immer tiefer gingen die Stöße, aber auch
die Lottelei und Schottelei begann bedenklich zu werden. Der Zug
näherte sich Appenweier und da weiß jeder Reisende wie die Wagen
stoßen, weil der Zug von Geleis zu Geleis hupft. Else hielt sich
dicht an ihren Mann und drückte ihre Schenkel fest um dessen
Hüften. Beide begannen zu stöhnen denn jetzt mußte der Haupt-
punkt kommen. Da, ein Ruck, ein schottein und Elsa flog links
hinunter nackt wie sie war, und der Mann lag auf der harten Bank.
Als Else sich endlich wieder vom Schrecken und der geilen Auf-
regung erholt hatte meinte sie: ,Was ischt jetzt mit dem Thedärel?'
— Ja, ja', keuchte der Mann, ,lueg dert am Fenschter hängt V. —
Traurig erhob sich da Else, um sich schnell anzuziehen, denn justa-
ment fuhr der Zug in Appenweier ein. Am folgenden Tag flog der
Thedärel nicht mehr ans Fenster sondern in den Bauch.

Kehl.

2. Märtyrin.

Welches sind die selbstlosen Märtyrer? Die Weibsleut. Sie
lassen sich aufs Kreuz (Rückenkreuz) legen und dann nageln.

Baden-Baden.

3. Sicherer Modus.

Ist's, daß ein Bauer nicht mehr sich in einem Weibsbauch be-
haupten kann, so tue er folgendes. Laß das Mädchen oder Weib
sich fasernackig austuen, stelle das Weib vor eine Wagendeichsel;
binde der Person nach hinten je einen Arm mit dem Fußgelenk
zusammen, sodaß die Frauensperson einen Ringel bildet und an der
Deichsel hängt, reitzel die Frauensperson, hole deinen Weibertrost
heraus und ziele nach dem Loch. Wem er dabei nicht mehr Dienste


Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden.

leistet, der ist ein ausgehurter Knochen, und sind an ihm nackte
Weiber und Vözlein verloren.

Erzählt vom Bauer Schütterle und einem Gärtner im hanauischen
Ländel. (Großherzogtum Baden).

4. Er geht nicht daran.

Zwei junge Leute kamen von der Bürgerschule auf das Gymna-
sium, dann auf die Universität. Der eine lehrte fur katholischer
der andere für protestantischer Pfarrer zu werden. Der katholische
kam in ein kleines nettes Landstädtchen, der protestantische wurde
mitten aufs Land versetzt. Lange Jahre vergingen bis man sich
endlich mal wiedersah. Der Protestant kam in das Städtchen zur
Erledigung dienstlicher Geschäfte. Nach dem Essen besuchte er
seinen Jugendfreund ; der war sehr froh und bewirtete den Besucher
ganz höflich, man ging dann auch ein bischen in den Garten, denn
dort ließ es sich besser schwatzen und außerdem waren beide große
Blumenfreunde. ,Du hast prächtige Tulpen', begann der Protestant.
Ja', sagte der katholische Vikar, aber laß dir auch sagen ich habe
jede Blumenart nach unseren Heiligen genannt! Die Tulpen heiße
ich Dorthel, die Narzissen Bärbel und so der Reihe nach kommt
jeder Name daran'. — ,Das ist aber wirklich seltsam', versetzte der
Protestant, der musternd den Garten durchschritt. Endlich gelangte
man an die Gartenlaube woselbst man ein Schwarzwälder Kirsch-
wässerle und einen Imbiß einnehmen wollte. Am Eingang der Laube
stand ein Brennnesselbusch. ,Nun wie heißt denn dieser dar' —
,Hm, der hat einen ganz bösen Namen'. — Ja, wie denn?' — ,Ich
kann dir das nicht gut sagen'. — ,Aber höre einmal, warum denn
nicht?' — ,Nein du erzürnst dich sicherlich gewaltig'. — ,Oho wir
sind doch gute Freunde, da kannst du wohl gewiß darauf zählen,
daß ich nicht böse werde'. — ,Also gut, wenn du es durchaus wissen
willst! Die heiße ich Doktor Martin Luther!' — ,Alle Gewitter
noch mal! dem hast du wahrhaftig den richtigen Namen gegeben'.
— ,Du willst mich also foppen?' — ,Bewahre nein, mein lieber katho-
lischer Freund. Mit den anderen Heiligen, also deinen Blumen,
kannst du dir mühelos den Arsch putzen, aber mit diesem Martin
Luther gehst du deiner Lebtag nicht daran'.

Kehl und Kork und Durlach im Großherzogtum Baden.


Erzählungen aus dem Großherzogtum Baden.

145

5. Schier!

Im e Pfarrhaus isch der Plafond bei 'me starke Wind 'rabroche
und grad iwer der Keche ihrem Bett. Se hän d'r Jipser gerieft fir
die Sach auszebessere. D'r Jipser kommt, betracht denne Platz e
Weil und sagt hernoch: »Meinen 'ehr wann das runter komme war,
wann's mi Bett g'läge wärel Das wird eich geranschiert hänl' —
'So', sagt do d'Keche, 's'hät im Herr Pfarrer schier 'sKriz ein-
g'schläge'.

Kehl und Durlach im Großherzogtum Baden.
6. Spitze ihn.

Eine Hochzeiterin sah mit Entsetzen, wie zwischen den Beinen
ihres Mannes ein steifer Knüppel herausschaute. Als gar der Mann
mit diesem steifen Stück ihr in den Bauch stoßen wollte, sprang die
Hochzeiterin aus dem Bett mit den Worten: De bisch wohl verrückt
mir so an Knippel in de Leib renne ze wolle. Weisch (weißt du)
do bin і doch ebbs andersch g'wöhnt von zu Hausl Geh spitz dein
Knippel z'erscht un hernach redde m'r wieder mitenand.

(Kehl).

Krauss, Anthropophyteia. IV

IO


Bergische Volkserzählungen, die sich auf das

Geschlechtleben beziehen.

Von Dr. Heinrich Felder.

1. Der Speck.

Bei sehr starken Weibern pflegt man zu sagen, man könne mit
dem Schwanz (Penis) nicht durch den Speck.

Ich hörte als Knabe von einem Bauern, daß er einem geilen
Manne seiner Bekanntschaft geraten habe, ein Stück Speck von 4—
5
Pfund zu nehmen, ein Loch hineinzumachen und darin seine ge-
schlechtliche Lust zu befriedigen.

2. Woher kommt es, daß die Weiber immer einen kalten

Arsch haben?

Adam soll die Eva zum erstenmal auf dem Eise beschlafen
haben. Da Eva nun unten lag, wurde ihr Hinterteil kalt, Adams
Hinter aber auch. Das ist so geblieben bis heute.

3- Der Haufen.

Ein Bauer kam eines Mittags nach Hause. Seine Frau, ein
lüsternes Weib, hantierte in der Stube herum. Da reckte sich der
Mann und gähnte. Da er dasselbe abends zu tun pflegte, legte sich
das Weib schnell hin und erwartete, ihr Mann würde seine ehelichen
Pflicht erfüllen wollen. Der aber hatte keine Lust. Als er sah, daß
seine Frau die Augen geschlossen hatte, streifte er schnell die Hosen
herab und pflanzte einen Haufen auf ihr Loch.

4. Der gerade Weg nach Langenberg.

Am Deubach war einst an einem heißen Sommertag eine Bauern-
dirne damit beschäftigt, Heu heimzutragen. Da kam ein junger


Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen. 147

Bursche des Wegs daher und erkundigte sich nach dem nächsten
Wege auf Langenberg zu. Das Mädchen zeigte über die Schulter,
hob dann das schwere Heubündel und bemühte sich, es auf seinen
Kopf zu bringen. Dabei raffte es den kurzen Rock mit in die Höhe
und entblößte damit ihre Fummerl. Dieser Anblick machte den
Burschen lüstern. Er zog sein Glied heraus und schob es sofort
an den passenden Ort. Das Mädchen schrie plötzlich laut auf:
,Ist das der Weg nach Langenberg?'

Jawohl', erwiderte der Bursche, ,der kürzeste Weg ist der
beste.' (Mündlich.)

5. Von der Hochzeitnacht eines Pfarrers.

In einem kleinen bergischen Landstädtchen lebt das Gedächtnis
von einem längst verstorbenen Prediger noch ungeschwächt fort.
Lange Jahrzehnte hat der Pfarrer treu in seiner Gemeinde gewaltet.

Von seiner Hochzeitnacht erzählt man, daß er, als er im Begriff
stand, das Werk der ersten Liebe tatkräftig zu beginnen, betend
zu sich sprach:

,In Gottes Namen fahr* ich nein.
Ich denk, ich werd* der erste sein!'

Die junge Pfarrerin hatte aber den Seufzer ihes Eheherrn ver-
nommen. Leise sprach sie für sich:

,Ich danke Dir, Herr Jesu Christ,
Daß dies der einundzwanzigste*) ist!'

(Mündlich.)

6. Die herzhafte Maid. Mettmann.

Zur Franzosenzeit, am Ausgang des 18. Jahrhunderts, kam einer
der galanten französischen Krieger zu einem Bauer in der Umgegend
von Mettmann ins Quartier. Des Bauern Tochter war eine schöne,
hochgewachsene Jungfrau, welche sofort die gierigen Blicke des
lüsternen Franzosen auf sich zog. Er verfolgte sie mit seinen Liebes-
anträgen auf Schritt und Tritt.

Eines Tages verfolgte der Franzose das Mädchen sogar in den
Kuhstall. Endlich drängte der geile Mensch das geängstete Mädchen
in die dunkelste Ecke des Stalls. Schon schien sie sich ihm preis-
geben zu wollen und der Franzmann zog blank. Aber als er eben sein
Werk beginnen wollte, zog die kühne Maid ein scharf geschliffenes,

*) Die Zahl lautet sehr verschieden.

10*


148 Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen.

bis dahin verborgenes Messer hervor und schnitt ihm das, woran
er Mann hieß, glatt vom Leibe weg. Dann stürzte sie hinaus und
teilte ihrem Vater mit fliegenden Worten das Geschehene mit.
Dieser versteckte schnell seine Tochter in einen im Hofe stehenden
Heuwagen und hieß einem Knecht, den schleunigst durch das
Wuppertal über die nicht zu ferne Grenze zu bringen.
So geschah es auch.

Mittlerweile hatte man den verstümmelten Franzmann im Stalle
gefunden, den Zusammenhang erfahren und hurtig eilte man nach
allen Richtungen hinweg, um der Geflohenen habhaft zu werden.
Einige der Verfolger kamen auch nach Hahnenfurth, wo sie das
Fuhrwerk einholten, ohne zu ahnen, daß das Mädchen in dem Heu
versteckt sei. Aber von Argwohn oder Mutwillen getrieben, stach
einer der Franzosen mehrmal mit seinem Degen ins Heu, doch ohne
das Mädchen zu treffen.

Einige Stunden später passierte das Fuhrwerk die Grenze und
die herzhafte Maid war in Sicherheit. (Mündlich.)

7. Wie schön leuchtet der Morgenstern,

In einem kleinen Landstädtchen des Niederbergischen — den
Namen wollen wir lieber verschweigen, da seine Kenntnis niemand
frommt — amtierte vor längeren Jahren ein sehr beleibter Pfarrherr.
Nun war ein sehr heißer Sommer ins Land gekommen und unser
Pfarrer litt entsetzlich von der Hitze. An einem Samstag befahl er
seiner Magd frische Rasenstücke auszustechen und damit die Kanzel
zu belegen, damit er bei der nächsten Predigt einen kühlen Stand
habe. Die Magd vollzog den aufgetragenen Befehl. Der Pfarrer
aber ließ zudem alle Unterkleider weg und zog nur den Chorrock
an, da sein Pfarrhaus dicht an der Kirche lag. Er bestieg so die
Kanzel und begann die Vorbereitung zur Predigt. Da kroch eine
Ameise, welche mit dem Rasen auf die Kanzel gekommen war,
langsam an seinen nackten Beinen empor. Der Pfarrer, der sich
auf dem Rasen recht wohl fühlte, endete schnell und ließ dann das
Lied anstimmen: ,Wie schön leuchtet der Morgenstern.' Diesen
Augenblick benutzte er dazu, seinen Chorrock — an die fehlenden
Unterkleider dachte er in diesem Augenblick nicht — zu heben und
den Störefried zu vertreiben.

Als er gerade den Allerwertesten über den Kanzelrand brachte,
fiel die Gemeinde kräftig ein: „Wie schön leuchtet der Morgenstern.u

(Mündlich.)


Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen, iaq

8. Fatal. Elberfeld.

Eine Dame, welche sehr gut zu Mittag gegessen hatte, ging nach
dem Essen spazieren. Dabei entfuhr ihr ein Wind und aufatmend
rief sie aus: ,Ach Gott, war das eine Erfrischung l'

Nach einiger Zeit wiederholte sich der Vorgang und sie dankte
auch Gott für die zweite Erleichterung.

Doch aller guten Dinge sind drei. Und darum wurde ihr auch
die dritte Erleichterung zuteil, worüber sie unserem Herrgott ebenfalls
dankend quittierte.

Kaum war dies geschehen, als sie hinter sich ein Geräusch
vernahm. Sie wandte sich um und gewahrte in einiger Entfernung
zu ihrem größten Schrecken einen Herrn, welcher ihr gemessenen
Schrittes folgte. Sie beeilte ihren Gang. Da aber der Herr scheinbar
arglos seinen Weg fortsetzte, faßte sie sich und suchte sich Gewiß-
heit zu verschaffen, ob jener etwas gemerkt habe.

Unbefangen wandte sie sich um fragte den Herrn: ,Ach, ent-
schuldigen Sie, gehen Sie schon lange hinter mir her?'

Jener erwiderte: ,Ach nein, nur seit der ersten Erleichterung!'

(Mündlich.)

9. Wie lange soll das noch dauern?

In einem kleinen Städtchen im Bergischen führt eine schmale
Gasse ziemlich steil zur Anhöhe hinauf. Durch diese Gasse schritt
einst ein hochschwangeres Weib mühsam dahin. Da sie sich allein
glaubte, ließ sie einen Wind nach dem andern gehen, daß es nur
so rollte.

Aber hinter ihr schritt ein Mann daher, ein Schmied, der an
«einem Tragstock einen schmalen Korb mit Eisenwaren trug. Da
er mit seiner schweren Last gern schnell vorwärts gekommen wäre,
die Frau aber ihn hinderte, ihm die von ihr erzeugten Töne auch nicht
grade zusagten, fragte er plötzlich: ,Wie lange soll das noch dauern?'
Da wandte sich die Frau, welche in Gedanken nur mit ihrer nahen
Niederkunft beschäftigt war, bedächtig um und erwiderte: ,Noch
vierzehn Tage!' (Mündlich.)

10. Nur eine Mütze,

In einer der größten Städte des Bergischen Landes lebte im
Beginn des 19. Jahrhunderts ein origineller, dabei äußerst witziger
Geistlicher. In jener Zeit trugen die Frauen hohe, spitze Mützen


I Ejo Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen.

Eines Tages stand unser Geistlicher auf der Kanzel und zog
gegen die Hochmut los, die sich allerorten breit mache. Dabei kam
er auch auf die hohen Mützen zu sprechen. Zuletzt rief er aus:
,Alle Frauen haben eine; meine Frau hat auch eine, aber eine ganz
kleine/

Die ganze Versammlung lachte. Da rief der Geistliche mit
Donnerstimme: ,Es ist aber nicht, was Ihr meint, eine Kütze
(Cunnus) sondern eine Mütze/ (Mündlich.)

11. Es war nicht die meinige.

Johann Christ und Johann Hüdig, zwei biedere Männer aus dem
Oberbergischen, waren eines Tages auf einer Kindtaufe. Sie hatten
sich recht gütlich getan, aufs beste gegessen und auch tapfer ge-
trunken, so daß sie spät am Abend in stark benebeltem Zustande
den Heimweg antraten. Plötzlich bekam Johannes Hüdig ein Bedürfnis.
Er machte seinem Gefährten davon Mitteilung, und da dieser eben-
falls ein Bedürfnis verrichten mußte, trafen beide die nötigen Ver-
anstaltungen. Johann Hüdig, der wohl merkte, daß er kaum aufrecht
sitzen würde, machte den Vorschlag, sich mit den Rücken anein-
anderzulehnen. Sein Gefährte war einverstanden. Als sie nun so
saßen, fuhr Johannes Hüdig, der ein Erz-Hallunke war, ein Gedanke
durch den Kopf. Behutsam zog er die Hosenklappe (damals Mode
in unserer Gegend) seines Gefährten zu sich herüber und hofierte
hinein.

Wie beide ihre Notdurft verrichtet und sich mühsam erhoben
hatten, rief Jobannes Christ plötzlich aus: Johannes HüdigI Ich habe
in die Hose gesch--—Г

Der Andere lachte und sprach! ,Ich auch l' Dachte aber ver-
gnügt in seinem Herzen: Doch es war nicht die meine,

(Mündlich.)

12. Eine unerwartete Antwort.

Ein junger Bursche begegnete einst dem Prediger, der ihn vor
kurzem konfirmiert hatte. Der Prediger erkundigte sich nach diesem
und jenem. Zuletzt fragte er ihn, was er des Morgens, wenn er
aufgestanden sei, zuerst mache. Er erwartete, daß jener sagen
würde, er bete. Der Junge antwortete: „Wenn ich mich gewaschen
habe, stelle ich mich auf die Haferkiste und pinkele zum Fenster
hinaus."


Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen, j 5 j

Der Pfarrer fragte nicht weiter, sondern machte sich schnell
aus dem Staube.

13. Der Kölner Dom.

Eine fromme Bürgerin Kölns erhob sich an einem heißen Sommer-
morgen sehr früh, um im nahen Dom der Messe beizuwohnen. Ihr
Eheherr, ein bejahrter Mann, lag ruhig in seinem Bett. Er war, der
Hitze wegen, nur mit einem Betttuch bedeckt. Ehe die Frau das
Schlafzimmer verließ, warf sie noch einen Blick auf den Schläfer.
Da gewahrte sie zu ihrem freudigen Schrecken, daß sein Glied sich
straff unter dem dünnen Betttuch in die Höhe reckte. Sofort warf
sie ihre Kleider ab, legte sich zu ihrem Manne ins Bett uud mur-
melte freudig: ,Der Kölner Dom bleibt stehen; der nicht/

(Mündlich.)

14. Seltsame Anschauung» Elberfeld.

In der Nähe von Elberfeld zog man eines Tages einen Ertrun-
kenen aus einem Teiche. Zwei Männer, welche zugegen waren,
stellten eifrige Wiederbelebungversuche an. Zunächst legten sie den
Verunglückten auf den Bauch. Dann begann der eine, seine Arme
zu heben und zu senken. Der andere nahm hingegen einen Stroh-
halm, steckte ihn dem in den Hintern und fing an, aus Leib-
kräften zu pusten. Nach einiger Zeit wechselten sie mit ihrer Tätig-
keit um. Der, welcher an der Reihe war, durch den Strohhalm Luft
einzublasen, zog den Halm heraus, leckte ihn ab und steckte das
andere Ende ein. Als sein Gefährte ihn um Aufklärung seines
eigentümlichen Verhaltens fragte, erwiderte er: ,Meinst Du, ich
wollte das Ende in den Mund nehmen, was Du im Munde gehabt
hast?' (Mündlich.)

15. Verfängliche Frage,

Als man einst eine Frau fragte, ob sie noch ihre Unschuld
besäße, erwiderte sie: ,Das zwar nicht, aber das Döschen, in welchem
ich sie aufbewahrte/ (Mündlich.)

16, Wie ein junger Ehemann seine Mannespflicht erfüllte.

Ein geistig etwas beschränkter Mann heiratete. Abends legte
er sich mit seiner jungen Frau zu Bett und schlief sofort ein. So
trieb er es jeden Abend. Damit war das junge Weib nun keines-


I j 2 Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen«

wegs zufrieden. Endlich zog sie ihre Mutter zu Rate. Da diese in
so delikaten Dingen nicht mit ihrem Schwiegersohn reden mochte,
teilte sie ihrem Manne alles mit. Dieser nahm nun den Schwieger-
sohn ins Gebet und sagte ihm, daß er seine Mannespflicht bisher
nicht erfüllt habe. Als der sich ganz verwundert und unwissend
stellte, sagte der Schwiegervater zu ihm: ,Hast du noch nicht gesehen,
wie es die Hunde machen?' ,Ei freilich,' erwiderte der Schwieger-
sohn; ,das werden wir schon machen/

Am nächsten Abend, als er zu Bett gehen wollte, nahm er den
Nachttopf, hob das eine Bein in die Höhe (wie es die Hunde machen)
und schlug sein Wasser ab. Da er glaubte, nun seine Mannespflicht
genügt zu haben, legte er sich sehr zufrieden zu Bett und schlief ein.

(Mündlich.)

17. Du kannst nicht französisch. Elberfeld.

Zur Franzosenzeit kam ein französischer Krieger zu einem bie-
deren Ehepaar ins Quartier. Da die guten Leutchen nur eine sehr
bescheidene Wohnung hatten, mußte der Franzose mit den Ehe-
leuten das Bett teilen. In der Nacht, als der Mann schlief, vögelte
der Franzmann das Weib. Darüber erwachte der Mann und machte
seiner Frau bittere Vorwürfe. Diese erwiderte hingegen: ,Du kannst
es nicht so; du kannst ja nicht französisch Iі (Mündlich.)

18. Er kennt sich aus.

Ein Mann hatte fünf schielende Kinder. Er wußte sich dieses
seltsame Zusammentreffen nicht zu erklären. Als er einst mit einem
Freunde darüber sprach, sagte der: ,Die Sache ist ganz einfach.
Wenn du deine Frau vögelst, und es kommt ihr, dann schielt sie.
Und darum sind alle deine Kinder schielend/

Als er in der nächsten Nacht seine Frau hernahm, gab er genau
acht, was sie machen würde, wenn die Natur käme. Da gewahrte
er, daß seine Frau beide Augen schloß und wollüstig ächzte und
stöhnte. Da stand er voll Zorn auf, prügelte seine Frau gründlich
durch und schrie: ,WasI fünf schielende Kinder hast du mir geschenkt
und nun soll ich zu meinem Elend obendrein ein blindes haben I'

(Mündlich.)

19. Warum?

Ein Radfahrer fuhr lustig seine Straße dahin. Bald gesellte sich
eine fesche Radlerin zu ihm und mit ,A11 НеіГ beschlossen sie,
eine gemeinsame Reise zu machen.


Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen, j

Gegend Abend fiel ein Unwetter ein, welches sie nötigte, in
einem kleinen Dorfe zu übernachten. Das bescheidene Gasthaus
war bald gefunden, aber, o wehl der Wirt hatte nur ein Zimmer
mit einem Bett zur Verfügung. Nach langem Hin und Her beschloß
man, sich folgendermaßen zu arrangieren. Der Radler kleidete sich
aus und legte sich zu Bett; dann würde der Wirt ein Bügelbrett
ins Bett setzen. Dann könnte die junge Dame sich entkleiden und
ebenfalls zur Ruhe gehen. Am nächsten Morgen müßte die Dame
zuerst aufstehen und ihre Toilette im Zimmer des Wirtes machen.

Alles ging nach Wunsch. Am nächsten Morgen wollten die
beiden bald wieder darauf los. Da erhob sich ein Sturm und ent-
führte der Dame ihren Hut über einen die Straße begrenzenden
Plankenzaun. Im Nu schwang sie sich von ihrem Stahlroß, kletterte
über den Zaun und holte den Hut wieder. Als sie bei ihrem Ge-
fährten anlangte, machte dieser ihr Vorwurf, daß sie nicht ihm
gestattet habe, über den Zaun zu klettern. Da entgegnete sie
schelmisch: ,Sie konnten doch nicht über den Zaun klettern, weil
sie diese Nacht nicht einmal über das Bügelbrett klettern konnten!'

20. Böses Mißverständnis.

Ein junger Ehemann saß eines Abends beim fröhlichen Gelage im
Kreise seiner Freunde. Da schlug einer eine Wette vor: Wer den
schönsten Platz in der Welt angeben könne, sollte von den anderen
einen Korb Sekt erhalten. Alle stimmten freudig zu. Der eine hielt
der Markusplatz in Venedig für den schönsten Platz der Welt. Ein
anderer meinte den Konkor diaplatz in Paris usw. Unser glücklicher
Ehemann meinte aber, der schönste Platz für ihn sei zwischen den
Schenkeln seiner Frau. Einstimmig wurde ihm der Preis zuerkannt.

Am nächsten Tage wurde der Korb Sekt bei seiner Frau richtig
abgeliefert. Als er nach Hause kam, fragte ihn seine Frau, welche
sehr fromm war und fleißig zur Kirche ging, welche Bewandtnis es
mit dem Korbe Sekt habe. Etwas bedrückt bekannte er, daß sie in
fröhlicher Gesellschaft um den schönsten Platz der Welt gewettet.
Er hätte als solchen den Platz in der Kirche genannt und
den Preis davongetragen. Das freute die Frau sehr und sie machte
den Vorschlag, die Freunde zu einem Abendessen einzuladen. Na-
türlich willigte der Mann ein und die Gäste erschienen. Einer machte
sich zur vorgerückter Stunde an die Frau und meinte schlau blinzelnd,
ihr Mann habe doch Glück mit der Wette gehabt. ,Das will ich
auch meinen,' entgegnete die Frau; ,denn ich kann ihn nur mit Mühe


I ij4 Bergische Volkserzählungen, die sich auf das Geschlechtleben beziehen.

einmal des Jahres hinein (in die Kirche; der Herr dachte an einen
andern Platz) bringen, und wenn er drin ist, schläft er sofort."

21. Zu kurz gekommen.

Eine Mutter besuchte ihre seit kurzem verheiratete Tochter. Um
sich nützlich zu machen, ordnete sie das Schlafzimmer. Im Bett der
jungen Frau fand sie ein kleines Daumenkissen, über dessen Ver-
wendung sie nicht klar war. Sie bat ihre Tochter um Aufschluß.
Diese erwiderte, daß sie das Kissen unter ihren Hintern lege, wenn
ihr Mann zu ihr komme, denn dann ginge sein Schwanz 2 ctm tiefer
in ihre Scheide hinein.

Mutter nahm schweigend Notiz von dieser Belehrung.

Kurze Zeit danach setzte man sich zum Essen, aber die Mutter
fehlte. Die junge Frau stand auf und suchte sie. Endlich fand sie
ihre Mutter im Arbeitzimmer ihres Mannes, eifrig rechnend. Ver-
wundert fragte die Tochter: ,Aber, Mutter, was machts du da?'

Die Mutter entgegnete: ,Ich rechne nur aus, um wie viel km ich
während der Ehe zu kurz gekommen bin.'

22. Die Blutwärme.

In einer höheren Töchterschule sprach eine Lehrerin über die
Blutwärme. ,Der Mensch hat', so dozierte sie, ,im gewöhnlichen
Zustande eine Blutwärme von 37 °. Die Vögel aber, welche mit Federn
bedeckt sind und in der Luft umherfliegen, haben 420 Warme.' Ein
Mädchen hatte nur mit halbem Ohr gehört und wurde aufgefordert
sich über die Sache zu äußern. Sie sagte: ,Der Mensch hat im
gewöhnlichen Zustande 37° Wärme; wenn er aber vögelt (coitiert),
daß die Federn umherfliegen, dann hat er 420 Wärme.'

Sprachs und setzte sich.


Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein.

Von Dr. Jup Malzbänden.

1. Die Bettschießerin.

Eine der vornehmsten Damen der Stadt Köln, die es liebte,
sich als Mäcenatin gefeiert zu sehen, hatte für das damals noch sehr
unbedeutende Museum einige gute Bilder altkölnischer Meister und
ebensolche altertümliche Holzschnitzereien gestiftet. Zur Feier dieses
Ereignisses veranstaltete sie in ihrem Hause ein splendides Festmahl,
zu dessen Gästen auch ein hervorragender französischer Diplomat,
ebenfalls Kunstliebhaber und Sammler gehörte. Beim Nachtisch nun
klingelt er an sein Glas und erhebt sich, um einen Toast auf die
Dame des Hauses auszubringen. Er spricht aber witzig und launig,
rühmt den Geschmack und die Spenderin und schließt mit der
begeisterten Aufforderung an die Festteilnehmer:

„Also, meine verehrten 'errschaften, meine schönen Damen
und 'erren: trinken wir auf das Wohl unserer teueren und viel-
edlen Gastgeberin — der Beschießerin der Künste I Sie lebe hochl"

Die Gäste erheben ihre Gläser, versuchen einzustimmen, aber
ein dröhnendes Gelächter erstickt ihre Worte, nur die Dame des
Hauses kann ihre Verlegenheit nicht verbergen. Der Pariser ist
erstaunt und fragt seinen Nachbarn flüsternd, weshalb dieser schallende
Heiterkeiterfolg ihm beschieden sei! Der Nachbar wispert ihm ins
Ohr: ,Vous avez omis un ,t' dans votre dernier mot —1 ,Ah, je
vois corriger cela/ meint der Franzose. Meldet sich abermals zum
Wort und ruft im stolzen Brustton die verbesserte Lesart.

,Meine Damen und 'errenl Soeben 'ör ich, daß mir sein passirt
eine kleine Irrtum in mein Toast auf unsere schöne 'errin. Ick
erłeb also zum sweitemal mein Glas und sprecke: ,Sie lebe 'ock —
unsere teuere Wirtin — : die Bettschießerin der Künste--III'


156

Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein.

2. Putz wider Putz.

Der Pfarrer von Columba ist mit den Leistungen seiner Gemeinde
an seine Adresse höchst unzufrieden, und er beschließt seinen Pfarr-
kindern das kund zu tun. Eines Sonntags, nach der Predigt, beginnt
er folgendermaßen seinen Vortrag:

,Nun muß ich doch auch, meine Geliebten in Christo, euch
einen Traum erzählen, der mir in der vorigen Nacht zuteil ward.
Mir träumte nämlich, ich sei gestorben, und der heil. Petrus hätte
mich bereitwillig eingelassen durch das Himmeltor. Ja, er erwies
mir sogar, sintemalen ich doch, wie er sagte, ein Geweihter des
Herrn sei, die hohe Ehre, mich einzuführen in die himmlischen Räum-
lichkeiten. Diese großen und herrlichen Lokalitäten liegen nun
ziemlich weit entfernt vom Eingang und wir wanderten schon hübsch
lange, und waren immer noch im Vorhof, und dieweil mir noch
vieles von den Schlaken der irdischen Leiblichkeit anhaftete,
überkam mich plötzlich mit unwiederstehlicher Gewalt eine mensch-
liche Regung--Ihr versteht mich, nicht wahr? nennen wir es,

ein gewisses Bedürfnis, dem ich vergebens zu gebieten suchte. Ich
geriet in die tötlichste Verlegenheit — aber was konnte ich machen?
Die Qual wurde immer ärger, und es blieb mir nichts anderes mehr
übrig, als meine Pein dem heil. Petrus anzuvertrauen. — ,Wenns
weiter nichts ist1 — sprach der — ,dem wollen wir sofort abhelfen../
und dabei zog er eine Falltüre auf, die in dem Fußboden eingelassen
war. ,Hier ist Gelegenheit —1 fuhr er fort, ,also bediene dich../
Ich trat zu der Öffnung und schaute hinunter. Und nun denkt euch
nur meine Geliebten — grade unter mir lag meine Pfarre — und
da hätte ich wollen — ? Oh, das gab mir einen Stich bis ins innerste
Herz. Ja, was ist dir denn ?' fragte voller Teilnahme der heil. Petrus.
,Dir scheint nicht wohl — weshalb also zögerst du?' „Unmöglich,
rief ich, ,ich kann und darf doch nicht meine teueren Pfarrkinder

besch......?' Der heil. Petrus aber lachte mich aus und schalt

mich einen ,Driess - in - die Pief. —' Und dann sprach er ernsthaft
und gewichtig: ,du willst also wirklich nicht? Schau, ich kann dich
nicht begreifen, deine Skrupel sind wirklich gar zu einfältig — —
haben deine teueren Pfarrkinder nicht solange du unter ihnen weiltest
und du deine Mühsal und Fürsorge ununterbrochen ihnen gewidmet
hast — dich auf das schamloseste beschießen ? ? ? Nun wohl, so tue
du dir deinerseits jetzt auch keinen Zwang an — lass die Hosen her-
unter und tu' ihnen das Gleiche/


Städtische Erzählungen aus Köln a. Rhein.

157

3. Geschmacksache.

Eine Gesellschaft lebenslustiger Patriziersöhne kommt von einem
Kirmesausflug in der Umgebung Kölns zurück. Alle sind mehr oder
weniger bezecht — besonders einem von der Tafelrunde geht es
auffallend erbärmlich. Sie haben in einem überfüllten Eisenbahn-
wagen notdürftig Platz gefunden. Das junge Herrlein fühlt den
Augenblick herannahen, wo er dem heil. Ulrich ein ausgiebiges Opfer
darbringen wird müssen. Aber oh Schrecken — das Abteilfenster
will sich nicht öffnen lassen. Er zerrt an dem Lederriemen und von
der Anstrengung erschöpft, sinkt er mit totenbleichem Antlitz, schreck-
lich anzuschauen, zurück auf seinen Sitz. Jedem ist es klar: es ist
Zeit, die allerhöchste Zeit ihm beizuspringen — soll nicht ein Unglück
geschehen — ein fatales Ereignis für seine sämtlichen Fahrtgenossen.
Einer seiner speziellen Freunde ist ihm zu Hilfe gekommen und mit
sovieler Geschicklichkeit und Kraft wie sein eigener Zustand ihm
gelassen, hat er gearbeitet und es ist ihm das große Werk gelungen:
Jupp' — schreit er triumphierend — jetzt kumm her, jetzt kannst
de dich kotzen — herus mit der Sauerei, alles herus in Gottes freie
Natur — —.' Aber der Jupp ist ein undankbarer — anstatt das
offene Fenster als den ersehnten Ausweg zur Rettung in Anspruch
zu nehmen, bleibt er regunglos. wie ein Ölgötze, auf der grünen
Polsterung sitzen und sagt lakonisch: ,Mach dat Fenster wieder zu
— ich han ming Disposition geändert. Grad jetzt han ich in die
Botz gedrießen *) ?'

4. Höchste Linguistik.

Zwei Kölner kommen nach Rom; sie erlangen Audienz beim
Kardinal Mezzofanti, von dessen wunderbaren linguistischen
Fähigkeiten sie Wunderdinge vernommen haben. Schon früher haben
sie beschlossen, ihn auf die Probe zu stellen und es läuft eine hohe
Wette, daß der Kardinal diesmal den Kürzern ziehen wird.

Nachdem sie dem Kardinal die Größe der Kölner Klerisei
pflichtschuldigst ausgerichtet, reden sie ihn unversehens, in unver-
fälschter Kölner Mundart an. Die Eminenz läßt sie ruhig ihre Anrede
zu Ende bringen, dann lacht er vergnügt und schaut die beiden
voller Spottlust an.

,Ihr Drießhüschen**) — meint ihr, ich künnt kei Kölsch...?1
fragt er die jungen Herren.

*) Botz: Hose. — Gedrießen: geschißen.

**) Drießhüschen: Scheißhäusl, gangbares, altkölnisches Schimpfwort.


Erzählungen deutscher Matrosen.

Gesammelt auf einer Seefahrt von Georges Apitzsch in Rom.

1. Frau und Mann konnten wieder einmal ihre Miete nicht
bezahlen. Der Hausherr wollte beide an die Luft setzen. Der Mann
geht aus dem Hause mit dem Bemerken: Sieh zu, wie die Miete
bezahlt wird. Während der Abwesenheit des Mannes kommt der
Hausherr und drängt wieder um Geld. Die Frau in ihrer Angst
weiß sich nicht anders zu helfen, als daß sie ihm ihr Loch offen
hält und sagt: ,Damit können sie sich bezahlt machen/ Der Haus-
herr zögert; ist dann aber einverstanden und vögelt die Miete ab.
Wie der Gatte nach Hause kommt, steht seine Frau mit empor-
gehobenen Röcken vor dem Ofen. Erstaunt fragt der Mann: ,Was
machst du denn?' ,Ich trockne die Quittung', entgegnete die Frau.

2. Ein andermal hatten beide nichts zu essen. ,Wovon sollen
wir leben?' fragt die Frau. ,Leben wir von der Liebe,' antwortet
der Mann. Wie er am Abend nach Hause kommt, steht seine Frau
wieder vor dem Ofen in derselben Stellung. Sie antwortet auf die
Frage, was sie da mache: ,Unser Abendbrot, wir wollen doch von
der Liebe leben/

3. Ein Förster geht mit seinem Patron täglich auf die Jagd.
Der Baron ist aber im Unglück und trifft nie etwas. Der Förster
dagegen hat Schwein. Dieses fallt dem Baron auf, und eines Tages
fragt er seinen Förster, wie das komme. Zuerst will der mit der
Antwort nicht heraus. Endlich erklärt er dem Baron, daß er jeden
Morgen, bevor er auf die Jagd geht, seine Frau ans Penunchen
greift. Der Baron merkt sich dies, kommt am nächsten Morgen leise
zu seiner Frau ins Zimmer und will dasselbe tun, aber heimlich.
Sie hängt gerade Gardinen auf. Wie er nun von hinten seiner Frau
an die Votze greift (ahnunglos), ruft sie aus, ohne sich umzusehen:
,Aber Herr Verwalter, haben sie eine kalte Hand 1'

4. Bei einer Hochzeitgesellschaft werden Rätsel aufgegeben.
Nach verschiedenen Sachen kommt ein Gast mit dem Rätsel : Es
schreibt sich nicht mit einem F, sondern mit V. Es hat jedes
Mädchen und jede Frau. Alles empört läuft heraus. Der Schwieger-
vater holt sich den Menschen unter vier Augen und macht ihm Vor-
würfe, worauf ihm der betreffende erklärt, daß die Sache ganz harmlos
sei, da das Wort, was er meinte, Vater hieße. Daraufhin geht der
Schwiegervater zu den Gästen und ruft ihnen zu: ,Kinder, es heißt
ja gar nicht Votze, es heißt ja Vater/


Erzählungen deutscher Matrosen.

159

5. Ein Pärchen pimpert im Wasser. Nach dem geschlechtlichen
Akt schwimmen die kalten Bauern auf dem Wasser. Auf einmal
ruft das Mädchen: ,Siehł mal, Hans, unsere Zukunft schwimmt auf
dem Wasser/

6. Ein Droschkenkutscher fährt einen Herrn im Grunewald spa-
zieren. Er macht dem hübschen und jungen Kutscher gewisse An-
erbieten. Er geht darauf ein. Der Droschkenkutscher hatte aber
Diarrhoe. Wie nun der andere beim letzten Arbeiten ist, kann er
seine Not nicht mehr halten und scheißt dem Herrn in die Hosen.
Der Herr ruft vorwurfvoll. ,Aber, Verehrtester, was machen sie denn
da?' Der Kutscher, ganz betrübt, antwortete weinerlich: ,Gnädiger
Herr, was kann ich dafür, wenn meine Natur früher kommt wie
die Ihrige.'

7. Wenn mit einer Arbeit einige Leute nicht in der bestimmten
Zeit fertig werden und der Vorgesetzte ungeduldig wird und drängt
und der Untergebene sagt ihm, er habe zu wenig Mann, läßt der
Vorgesetzte sich zu dem Ausdruck hinreißen: So gehen sie doch
schnell an Land, in den Zwick, und machen ein paar Leute.

8. Eines Morgens fehlt die Butter für den Unteroffizier. Er
schickt einen Mann fort, welche zu besorgen. Nach verschiedenen
vergeblichen Gängen meldet der Mann, daß absolut keine mehr auf-
zutreiben ist. Da der Unteroffizier wütend wird, sagt der Mann,
ebenso wütend, unüberlegt: ,Ich kann mir doch keine Butter aus
der Nulle wichsen.'

9. Ein Schiffjunge hat den Schwabber (Scheuerlappen) nicht
trocken genug gemacht und bekommt deshalb vom Unteroffizier
Backpfeifen. Er heult und unterdessen kommt der Wachthabende
und sagt: ,Was, du weinst? der Schwabber soll trocken sein. Der
leckt ja genau so stark wie deiner Schwester Punz. Du hast die
Schläge verdient.'

10. Kommt der Sergeant und mustert die Richtung des Gliedes
und schreit dabei : .Donnerwetter, ist das eine Richtung ! Gerade so
wie ein Bulle gegen den Wind gießt.'

11. Einem Mann, der nie die Hände ruhig halten konnte beim
Stillstehen, wurde befohlen, die Hände in die Tasche zu stecken.
Nach einiger Zeit ging das Gespiele und Gezappele der Hände von
neuem, nun in den Taschen, los, und da es aussah, als ob der Mann
sich an den Eiern spielte, sagte der Vorgesetzte: ,Lassen sie doch
endlich das Billardspielen sein, oder soll ich den dritten Mann spielen?*

Rom, im Januar 1907.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und

Bannspruch.

Eine Umfrage von Dr. Friedrich S. Krauss.
Erhebungen von Krauss und Mitrovic.

Zu den schwierigsten Aufgaben der Ethnologie gehört die weiterhin
keiner Streitigkeit unterliegende Aufdeckung der ursprünglichsten Ansätze
des religiösen Glaubens der Menschheit Die Schwierigkeit ist all-
zumal im europäischen Kulturkreis groß und darum flüchten die For-
scher zu den außereuropäischen, kulturell rückständigen kleinen Völker-
gruppen, um bei ihnen zu holen, was noch zu finden ist Wenn es
einem schon glückt, die Sprache der Naturmenschen zu erlernen, so
hängt es noch von mancherlei Umständen und Zufälligkeiten ab, ob
es ihm auch gelingt, mehr als die von jedermann geübten Gebräuche
zu beobachten und ihren wirklichen Ursprung zu ergründen. Am
meisten entzieht sich die Erotik und die Skatologie den Nachfor-
schungen fremder Besucher.

In unserem Kulturkreis sind wir günstiger daran, doch fehlt uns
durchgehends die Gelegenheit zur Beobachtung, denn gerade solche
Bräuche und Anschauungen versteckt man aufs sorgfältigste vor Neu-
gierigen. Darüber klagte auch H. Frischbier in seinem wertvollen
Werkchen über Hexenspruch und Zauberbann.x) In seiner Sammlung
wird die Erotik kaum leise gestreift. Es entging ihm bei der Unzu-
länglichkeit, weil Abgeschliffenheit seiner Belegstücke, daß der Hexen-
glaube und Zauberbann der Erotik entsprossen ist. Es ist ein bleibendes
Verdienst Joseph Hansens2) und noch mehr Dr. Iwan Blochs3)

1) H.... Z. Ein Beitrag zur Geschichte des Aberglaubens in der Provinz
Preußen. Berlin
1870.

2) Inquisition und Hexenprozess im Mittelalter und die Entstehung der großen
Hexenverfolgung, München
1900.

3) Beiträge zur Ätiologie der Psychopathia sexualis, Dresden 1902. II. und
Bloch, Das Sexualleben unserer Zeit. Berlin
1907, — Über die beiden erstge-
nannten Werke vergl. Krauss, Die Volkskunde in den Jahren
1897—1902.
Erlangen 1903. S. 121—124.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. ібх

den ursächlichen Zusammenhang erkannt und wissenschaftlich unwider-
leglich fest dargetan zu haben. Unabhängig von beiden ging mir
auf Grund meiner Materialien das Verständnis dafür auf. Kam ich
mal auf einen derartigen Spruch, so war das für mich immer ein
freudiges, erquickendes Ereignis. Wie die Bewohner Europas vor
4—6000 Jahren gehaust und wie sie sich ernährt haben, das lehren
uns Prähistoriker; manche Sprachen der Menschen jener Zeiten sind
uns vielleicht ganz verloren gegangen, wofern wir selber nicht deren
eine oder andere Sprache als Erben sprechen. Wir wissen ja nicht,
von wem wir abstammen. Wie unsere verschollenen Vorfahren einst
gedacht und was sie geglaubt haben, das können wir jedoch trotz
alledem als Folkloristen ab und zu erraten, wenn wir eine genügende
Anzahl solcher Sprüche und Bräuche entdecken, wie die sind, die wir
hier mitzuteilen gedenken.

Mit Hinblick auf die Bedeutung, die man dieser Arbeit in den
Kreisen der Erforscher ursprünglichster religiöser Grundvorstellungen
der Menschheit beilegen dürfte, wird die Umfrage gleich mit einer
größeren Anzahl von Erhebungen eingeleitet Sie beginnt mit dem süd-
slavischen Volksgebiet, das vielleicht wie kein zweites in Europa, mit
einer reichen Ernte an urzeitlichen Überlieferungen die Liebe des
Folkloristen lohnt. Es sind zwar nur vereinzelte Überbleibsel einer
seit mehr denn einem Jahrtausend der Achtung anheimgefallenen,
unterdrückten Naturreligion, bloß deren zufällig aufgelesene Bruchstücke,
die jedoch aneinander gereiht und mit gleichartigen, weil verwandten
Glaubenerscheinungen anderer Völker verglichen, immerhin einen tiefen
Einblick in die primitivste religiöse Anschauungwelt nicht allein der
Südslaven, sondern aller Slaven und der Völker überhaupt gestatten.
Sowie erratische Blöcke von einer entschwundenen Eiszeit, so zeugen
so manche der hier angeführten religiösen Bräuche und Sitten von
einem unserer Kultur völlig fremden Entwicklungzustand und erlauben
uns sichere Rückschlüsse auf eine Vergangenheit, die sich jeder näheren
zeitlichen Bestimmung entzieht Sie beweisen unwiderleglich die
innigste Beziehung der Erotik zur Religion, die bisher nur einige we-
nige bevorzugte Geister unter den Sexualforschern sozusagen auf
Umwegen mehr genial erkannt als auf Grund folkloristischer Er-
mittlungen für jeden klar dargetan haben.

Bei der Neigung sovieler Menschen, eine an sich richtige Beob-
achtung durch Übertreibung zu verzerren, muß ich mich von vorn-
herein gegen eine etwaige Unterstellung verwahren, als ob ich den

Kraussf Anthropophyteia. IV. II


IÖ2 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Ursprung der Religion ausschließlich in der Erotik oder Sexualität
suchte. Meine früheren Monographien, die in voller Öffentlichkeit
erschienen, mußte ich selbst von jeder Anspielung auf das Geschlecht-
liche frei halten und mich darauf beschränken, nur solche Erschei-
nungen zu beleuchten, die bei unseren Moralhütern kein Ärgernis
erregen. Wenn ich nun jene Arbeiten hier in der Anthropophyteia
ergänze, so verfalle ich damit noch lange nicht in ein Extrem. Ich
erkenne überhaupt in diesem Falle keinen Gegensatz an. In der Natur
sind die Erscheinungen einander gleichwertig. Ich stimme vollinhaltlich
mit Havelock Ellis, einem der namhaftesten Sexualforscher aller
Zeiten überein, der da bemerkt: ,Der sexuale Trieb ist nicht, wie
manche sich eingebildet haben, die einzige Wurzel der mächtigsten
aller menschlichen Regungen, der glänzendsten menschlicher Fähig-
keiten — von Mitgefühl, Kunst und Religion. In dem komplexen,
menschlichen Organismus, wo alle Teile so vielfaserig und ver woben
sind, kann eine so große Kundgebung nicht auf eine einzige Quelle
zurückgeführt werden. Aber der Sexualtrieb geht in großem Maße
auf alle diese Regungen und Fähigkeiten über und gibt ihnen Form,
auf Grund seiner ureigensten Eigenschaften: er ist in erster Linie der
tiefste und leidenschaftlichste der menschlichen Triebe, in zweiter
Linie — ungleich dem einzigen menschlichen Triebe, dem er ver-
gleichbar ist: dem Hunger — kann er sich zum großen Teil in eine
neue Kraft umwandeln, die sich zu den außerordentlichsten und ver-
schiedensten Dingen verwenden läßt/ !)

Bei so manchem Volke gelangte der Zumpt- und Vozenkult
oder wie man ihn sehr unbestimmt nennt, der Phallizismus zu bedeu-
tender Entwicklung, so z. B. bei den Japanern, den vorkolumbischen
Mexikanern und den Römern; bei den Japanern baut sich sogar das

V

Sinto, wie mir scheint, hauptsächlich auf diesem Kult auf. In allen
diesen Fällen haben wir bereits einen so vorgeschrittenen Kult vor
uns, daß seine Anfänge durch die zahllosen Kultureinflüsse schon ver-
dunkelt werden und wir zumeist auf Vermutungen angewiesen sind.
Bei den Serben und zum Teil bei den Chrowoten stieß ich dagegen
auf allereinfachste Zumpt- und Vozenglaubenvorstellungen, die man
als Ansätze zu einem Kult betrachten muß, der jedoch nachweislich
bei dieser Volksgruppe unentwickelt geblieben ist.

Hält einer eine Ansprache oder flucht, bannt oder verwünscht er,

i) Geschlechtstrieb und Schamgefühl — Deutsch von J. E. Kötscher.
Dritte erweiterte und gänzlich umgearbeitete Auflage. Würzburg
1907. S. 377 f.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

so wendet er sich unbedingt an eine bestimmte wirkliche oder in seiner
Einbildung bestehende Person (oder an ein Subjekt). Die südslavischen
Bannsprüche lassen uns in dieser Hinsicht rein im unklaren und wir
wüßten ohne japanische und römische Parallele gar nicht, wem sie
eigentlich gelten. Es sind in Japan die Weggötter, im Latium die
Feldgeister, genau genommen auch da namenlose Daemonen, deren
Namen unsicher lauten und die man, wenn man sie schon kennt, doch
nicht auszusprechen wagt Eine nähere Betrachtung lehrt uns nun,
daß wir auch hier die Sippe der Wald-, Frucht- und Feldgeister oder
Fruchtbarkeitgeister vor uns haben, die dem Naturmenschen so wohl-
tätig und so furchtbar zugleich vorkommen. Aus demselben religiösen
Vorstellungkreis heraus wird uns ja auch die Beischlafausübung als
Kulthandlung verständlich Wir ersehen daraus, daß Bräuche und
Anschauungen älter sind; als Namen, ohne sie bestehen und andauern
können und daß wir methodisch gut tun, nicht von den akzessorischen
Namen, sondern von den Tatsachen des Glaubens unsere Betrachtungen
anzuheben. Der eine Name mag recht ungeeignet gewählt worden
sein und zufällig allgemeine Bedeutung und Geltung gewonnen haben.
Der Naturmensch ist kein kritischer Namengeber. Ein nach unserer
Meinung recht unwesentlicher Nebenumstand genügt ihm als mnemo-
technisches Hilfmittel und der Name oder ein Name mehr ist da.
Sowohl für Sachen als für Begriffe hat der Primitive eine reiche Aus-
wahl von/Bezeichnungen ; denn er sieht und erfaßt gewöhnlich nur
einzelne Eigentümlichkeiten einer Erscheinung, fast niemals aber die
Erscheinung als ein Ganzes nach ihrem Kern und Wesen. Er denkt
auch zu anschaulich und für uns zu unlogisch und darum zieht und
zerrt er an allen Zipfeln und Ecken und meint sich ganz klar auszu-
drücken, während er für unser gedrilltes Denken nur um so unklarer
wird. Übrigens spricht er zu Geistern und die verstehen ihn gewohnheit-
mäßig, wie seine Vorfahren einst, wenn er auch nur noch deren Rede-
wendungen für sich selber unverständlich hersagt.

1. Gegen Beschreitung.

Od uroka. Putern ide urok, zametnuo kurćetinu; uroćica niza

selo, zametnula pićetinu. Ni uroka zâmêti, ni uroćice zavisnicel Ako

je muSko, prsle mu oći; ako je źensko, prsle joj dojkel — Bannspruch

der Heilkräutlerin (vracara) Milica Vujicic, einer jetzt (1907) etwa

52 Jahre alten Bäuerin in Resnik bei Belgrad.

Des Weges geht der Beschreiungherr, schulterte den Riesenzumpt;

ii*


lÔA Erotik und Skatalogie im Zauberbann und Bannspruch.

Die Beschreiungfrau [geht] dorfabwärts, schulterte die Riesen voze.
Nimm weder den Beschreiungherrn, noch die neiderfüllte Beschreiung-
frau wahr! Ist es ein männliches Wesen, so sollen ihm die Augen
zerspringen, ist es ein weibliches, so mögen ihr die Tutein zerspringenI

Anmerkung. Der Spruch richtet sich gegen die Geister, die
mit ihrem bösen Blick den Menschen krank machen. Es sind dies
für das gewöhnliche Menschenkind unsichtbare Waldgeister, deren
Geschlecht man von vornherein nicht weis Als unheimliche Frucht-
barkeitgeister zeichnen sie sich durch ihre ungeheuerlichen Geschlecht-
teile aus; der männliche Geist schultert seinen Zumpt, wie ein Soldat
sein Gewehr, der weibliche (was jedenfalls ein größeres Kunststück
ist) ihre Voze. Daß ich mit der Verdeutschung des zweiten Satzes
(ni uroka zameti usw.) den richtigen, ursprünglichen Sinn der
Rede getroffen, wage ich kaum zu behaupten. Wenn ihm die
Augen oder ihr die Brüste zer- oder aufspringen, so sind beide den
Menschen unschädlich geworden, oder, hat die Zauberin die Absicht,
die Geister mit der Drohung zur Behebung der Krankheit zu bewegen?
Die Zauberin lebt unstreitig im Glauben, daß sie über kräftigere Geister
als die Waldgeister mit ihren riesigen Geschlechtwerkzeugen gebietet
Sie wirft nämlich vor und während der Aufsagung ihres Bannspruches
glühende Kohlenstücke in ein Becken oder eine Schüssel mit Wasser,
macht sich damit den Geist des Feuers und mit den Worten das mächtige
Wort dienstbar, vor denen die kleinen Geister Reißaus nehmen müssen.
Das ist um Missverständnissen vorzubeugen, meine Deutung, nicht
etwa eine Erklärung der Bäuerin, die so handelt und spricht, weil sie
es so von Vorgängerinnen gelernt hat, sich aber sonst über ihr Tun
keine Gedanken macht Sie ist blos von der Wirksamkeit ihres Zaubers
felsenfest überzeugt. Sie vollbringt eine Kulthandlung, fur die sie
keine Bezahlung heischt, doch schlägt sie ein freiwillig dargebrachtes
Geschenk, auch wieder grundsätzlich, nicht aus. Der Zauber hilft in
der Regel nur dann, wenn der seiner Bedürftige um ihn ansucht und
sich ihm bedingunglos hingibt Es ist nicht gut, daß ein dritter
anwesend sei, weil die Krankheit leicht auf ihn übergehen könnte. Das
ist richtig, sowie es ein weitverbreiteter Irrtum ist, die Zauberer litten
um ihre Weisheiten nicht publik zu machen, keine Zuhörerschaft.

2. Der HodengrifF gegen den Geistlichen.

Za popa se veruje, da je baksuz, osobito kod se prvo on u jutru,
vidi. Zato se muśki hvataju za muda cim ga u jutru vide, verujuci,


Erotik und Skatalogie im Zauberbann und Bannspruch

da ih posle baksuzluk ne će terati. — Mitgeteilt vom Landmann Sta-
noje Matić aus Levac, Serbien.

Von Popen glaubt man, er wäre ein Ohneglück (Pechvogel, ein
malum omen), zumal, wenn man ihn als ersten des Morgens erblickt
Darum pflegen sich morgens bei seinem Anblick die Mannsbilder bei
den Hoden zu packen, im Glauben, es werde sie später (tagüber) kein
Missgeschick verfolgen.

Anmerkung. Man vgl. dazu die Erz. Nr. 373, Anthropophyteia
II. S. 262 f. Meine dortige Auslegung mag zum Teil zutreffen, doch
muß man sich vor Augen halten, daß der Geistliche als einer der
ständigen Verkehr mit der Geisterwelt pflegt, auch schon darum ge-
fährlich werden kann. Auch das Kind, das da durch den Hodengriff
einen Treffer des Partners vereiteln möchte, handelt so unter der
Anschauung, der gelungene Streich oder Zug geschehe unter Mithilfe
eines Geistes, den man verscheuchen könne. Es ist wahrscheinlich,
daß man in früheren Zeiten gleich auch das entblösste Gemachte
gezeigt hat Famin bemerkt im Cabinet secret: En Italie, quand il
arrive qu'un homme a négligé de prendre sur lui de ces singulières
amulettes (Zumpte, Vozen), il n'est pas rare de le voir porter sa main
avec affectation sur ses parties génitales, à l'aspect d'une personne
dont physionomie malencontreuse fait naître des soupçons de maléfice.
Über die gleiche Stellung der russischen Popen vgl. Bernh. Stern,
Geschichte d. öffentl. Sittlichkeit in Rußland, Berlin 1907, I. S. 128 ff.

3. Bannspruch, um dem bösen Blick vorzubeugen.

U jutru, kad hoće deca nekud da idu pa da ih ne bi urekle zle
oći, mati ih prebaje pipajući se za pićku pa njih po licu govoreci:
,Kad se dlake na pićki prebrojale, tad moju decu zle oći uroćile!' —
Tako tri put—Mitgeteilt vomLandmannStanojeMatic aus Levac, Serbien.

Morgens, wenn die Kinder irgendwohin gehen wollen [die Notdurft
zu verrichten], spricht die Mutter, um sie vor der Beschreiung von
bösen Augen zu behüten, über sie den Bannspruch, indem sie sich
dabei an die Voze greift und die Kinder im Gesicht tätschelt: ,Wann
die Haare auf der Voze abgezählt werden, dann sollen auch böse
Augen meine Kinder beschrien haben!' So dreimal.

Anmerkung. Vrgl. damit den deutschen Jägerglauben, den
Apitzsch auf S. 158, N0.3, vermerkt. Auch der Jäger will die tückischen
Waldgeister verscheuchen. Wie aus der im II. B. der Anthr, mitgeteilten
Schnurre erinnerlich, wird der Böse mit dem Abzählen der Vozenhaare
nicht fertig. Es verschlägt nichts, daß dies Motiv auf den geilen Mönch


166 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

übertragen erscheint; denn er tritt vermutlich als Ersatzmann des
geschlechtlich überaus leistungfähigen Waldgeistes auf. Um den Bann
wirksam zu machen, wird mit der Entblössung der Schamteile auch
eine Aufgabe gestellt, deren Lösung unmöglich dünkt. Man versetze
sich eben in jene uralte Zeiten zurück, als der Bann entstanden sein
mag und das Zählen in die tausende hinein als eine außerordentliche
Leistung galt, dann begreift man, daß in dem Spruch nur für uns
Rechner eine Komik liegt

4. Ein Haussegen.

Polaźajnik na Bożić dżara u vatru i blagosilja: ,Koliko źiźaka,
toliko ovaca, novaca, kukljate pćenice, kurate dećice, govedi, konjal'
Mitgeteilt vom Landmann Todor Vukovic bei Poljna, Ostserbien. All-
gemein üblicher Brauch.

Der Heimsucher zur Weihnacht stiert im Feuer und spricht dazu
den Segen: ,Soviel als da Funken [sprühen], soviel Schafe, Geldstücke,
üppigen Weizens, bezumpteter Kindlein, Rindern und Roße!'

Anmerkung. Uber den Weihnachtbesucher vgl. Krauss, Volks-
glaube u. religiöser Brauch d. Südsl. Münster i. W. 1890. S. 166 ff. Die
Verrichtungen dieses Besuchers sind ein Überlebzel aus ältesten Zeiten.
Er kommt im Namen der großen Unbekannten, die die Geschicke der
Menschen freundlich oder unfreundlich zu gestalten vermögen und
daher besitzt er für diese Frist auch die Gabe der Weissagung und
der Glückgewährung. Wie stark der Glaube im Volksgemüt des
Herzogländers noch wurzelt, lehrt die drollige Erzähluug: ,Das Schulter-
blatt zur Weihnacht/ Zwölf Erzählungen von Svetozar Corovic,
deutsch von F. S. Krauss, Leipzig 1906, S. 53—65. Richard
Andrée weist die Scapulamantia von Westeuropa durch Asien bis
zu dessen äußersten Ostspitze an der Beringstraße nach und B. H. Laufer
ergänzt die Mitteilungen hinsichtlich der Chinesen und Japaner, Boas
Anniversary Volume. Anthropological Papers, New York 1906, S. 143—
165. Auch bei anderen Völkern, so in England und Schottland diente
die Wahrsagung aus dem Schulterblatt zur Eruierung des Geschlechtes
des erwarteten Kindes. Vgl. ebenda, S. 161 f. Bezumptete Kinder
(Knaben) sind dem Landmann erwünscht, Mädchen nicht Vgl. darüber
Krauss, Sitte u. Brauch, d. Südsl. Wien 1885. Die Feuerstelle bildet
das Heiligtum des Hauses. Der Schwur bei ihr gilt als unverbrüchlich
und zu ihr darf auch der Todfeind seine Zuflucht nehmen. Hier ist
er immun.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. iQj

6. Schamhaare gegen Beschreitung.

Kad neko dete teśko u kuci boluje pa se misli da je uzrok bolesti
urok (zle oći), namera, svecanenje (rad na neki mali praznik) iii drugo
śto, onda se protivu toga ćini ovo: makazama se ostrigu po nekoliko
diaka sa ocevog" kurca i majćine pićke i ispod jedne i druge miŚke
(pazuhe), strigući pri tom prvo s desne pazuhe pa s kurca (iii pićke)
pa s levé pazuhe; u nakrst, jer se tako valja. Te dlake metnu se na
żar pa se s njima okadi tri puta bolesnik, govoreci: ,Beźi cudo od
cuda,
tu ti mesto nije! Majka i otac su sa kurcem i pićkom ovaj
zivot stvorili pa ga sada brane i o vim dimom od diaka, teraju svako
zlo sa ovog zivota, jer mu tu mesto nije. Beźi cudo od cuda tu ti
mesto nije I' — Tako tri puta. — Von einem Landmann aus Levac
in Serbien.

5. Ein Fastnachtbrauch.

Na bele pokładę u осі Velikog Posta vicu niuśkarci pred kucom :
,Ej, cujete li komśije, od svake kuce domaćinl Ko ima lisu kobilu,
neka je veze svak za svoja jasła. Ako dogje ovamo, mi ćemo da
jebemol' Ovo vicu, śto igda mogu, da se ćuje po svem selu. — Mit-
geteilt vom Landmann Todor Vukovic bei Poljna, Ostserbien.

Zur Weißen Fastnacht am Vorabend der Großen Fasten schreien
Mannsbilder vor dem Hause aus: ,Hei, vernehmt es, ihr Nachbarleute,
einer jeden Heimstatt, Heimvorstand I Wer da eine fuchsfarbene Stute
besitzt, binde sie jeder an seine Krippe an. Falls sie herkommt, so
sind wir der Absicht, sie zu vögeln!' Dies schreien sie mit aller
Kraft aus, so daß man es über das ganze Dorf hören soll.

Anmerkung. Man darf füglich annehmen, daß es in uralten
Zeiten nicht bei der blossen Androhung geblieben ist. Das Pferd galt
bei den Völkern seit jeher als ein hochbedeutsames Schicksaltier.
Vgl. Dr. Ludwig Hopf, Tierorakel und Orakeltiere in alter und neuer
Zeit. Stuttg. 1888, S. 68—75. Waldgeister verwandeln sich mit Vor-
liebe in Pferde. Die wie das Herbstlaub fuchsfarbene Stute ist am
wahrscheinlichsten nur ein Geist. Um ihn einzuschüchtern, droht man
ihm in der angegebenen Weise. Man ist bereit, ihm nicht bloß die
Schamteile zu zeigen, sondern ihn auch mit ihnen zu unterwerfen, um
ihn ganz zu kirren. Es fragt sich, ob das 1 і s nicht volkglaubenmäßig
als Waldgeist zu erklären ist, statt es von einem lisu, dem jetzigen
Sprachgebrauch folgend abzuleiten.


168 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Liegt im Hause ein Kind schwer krank darnieder und glaubt man,
die Ursache der Krankheit wäre eine Beschreiung (böse Augen, böser
Blick), eine Begegnung [mit einem bösen Geiste], eine Feiertagent-
heiligung (durch Arbeit an einem kleinen Festtag — Normatag) oder
sonst etwas, so tut man dagegen folgendes: Man scheert mit der
Scheere einige Haare vom Zumpte des Vaters und der Voze der
Mutter und unter der einen wie der anderen Achselhöhle ab, wobei
man zuerst von der rechten Achselhöhle und dann vom Zumpte (oder
der Voze), hierauf von der linken Achselhöhle nach unten kreuzweis
scheert, denn so ist es geboten. Diese Haare legt man auf Glutkohlen
auf und beräuchert damit dreimal den Kranken, wobei man spricht:
Entfleuch du Wunderding vom Wunderding, hier ist dein Sitz nicht!
Vater und Mutter haben mit Zumpt und Voze dieses Leben erschaffen
und verteidigen es nun auch mit diesem Haarrauch, bannen jedes Übel
von diesem Leben hinweg, denn hier ist nicht seines VerweilensI
Entfleuch Wunderding vom Wunderding, allhier ist nicht dein Ort!'
— Also dreimal.

7. Gegen Beschreiung bei Notdurftverrichtung.

Kad koji sere pa ga drugi vidi, da to radi, on rekne u sebe:
'Kaćkole, kolenike; ko me vidi da ga ćastiml' Tako tri puta. Ovo
vele, da se val ja za to da se ne bi dotićnom posle toga dupe za-
pećatilo (dobio zatvor). — Von einem Landmann aus Levac in Serbien.

Wenn einer scheißt und einer sieht ihn, daß er es tut, so sagt er
im stillen: ,Zerquetsche, Spindelholz; auf daß ich den bewirte, der mich
sieht!' Also dreimal. Man spricht, das wäre darum geboten, um
damit dem betreffenden darnach das Arschloch nicht zupetschiert
werden soll (er die Verstopfung nicht bekomme).

8. Wenn die Füllen hinwerden.

Bio neki pop Todosije pa jahao kobilu po parohiji. Tada će mu
jedan parohijanin prebaciti u sali, da nije pravo, da on kao sveStenik
jaśe kobilu. Pop Todosije se izgovaraSe, kako mu se kobila viSeputa
żdrebila pa mu se konji ne drze, već lipsuju.

— Pa ti nisi obnosio, reće parohijanin.

— Kako da obnosim? upita pop.

— Pa da izvadis kurac pa da obneseś kobili oko pićke i da kaźeś:
,Pop Todosije obnosi!' і da takneś kobilu kurcem po pićki. Tako
tri puta.


Erotik und Skatologie im Zauberbarm und Bannspruch. 169

Pop veze kobilu za plot, izvadi kurac i stanę obnositi i gornje
reci govoriti. Nu, kako be£e pop udovac, to mu se sasvim kurac
napne. Dva puta se odrżao i obneo, a kad je bilo treći put, on od
razdrażenja ne mogaśe obneti, već reće:

Vala ću ga jednom opreti.

pa makar da će sve Źteta odnetil
I stera ga kobili. Ali kobila vrisne i ritne ga nogama i odbaci da-
leko. Pop će na to reći: ,Manje ti pod rep I' — I ovo je poslovica
koja se każe onome i onda, kad mu se neśto daje a on nije zado-
voljan, već se ljuti i ne primi. Ova je poslovica ko uspomena prići.
— Erzählt vom Landmann Todor Vukovic bei Poljna, Ostserbien.

Es lebte ein gewisser Pope Theodosius, der ritt auf seiner Stute
in der Pfarre umher. Da warf ihm im Scherz eines seiner Pfarrkinder
vor, es wäre nicht recht, daß er als Geistlicher auf einer Stute ritte.
Der Pope Theodosius redete sich aus, seine Stute habe mehrmals
Füllen geworfen, doch hielten sich bei ihm die Hengste nicht, sondern
verendeten.

— Ja, so hast du nicht umkreist, sagte das Pfarrkind.

— Wie sollte ich denn umkreisen? fragte der Pope.

— Nun, du solltest den Zumpt herausnehmen, mit ihm der Stute
um die Voze herumfahren und dazu sprechen: .Der Pope Theodosius
umkreist!' und dann solltest du die Stute mit dem Zumpt über die
Voze berühren. Also dreimal.

Der Pope bindet die Stute an den Zaun an, zieht den Zum
hervor fc und hebt zu umkreisen und die obigen Worte zu sprechen
an. Doch dieweil der Pope ein Witwer war, so versteifte sich ihm
der Zumpt völlig. Zweimal bezwang er sich mannhaft und kreiste mit
ihm herum, als es aber zum drittemal war, konnte er vor Aufregung
nicht mehr herumfahren, sondern sprach:

Beim Allah, jetzt werde ich ihn einmal anstemmen,
Und mag selbst alles der Schaden wegschwemmen I

Und rammte ihn in die Stute hinein. Die Stute jedoch wieherte auf,
schlug mit den Hinterfußen auf ihn aus und schleuderte ihn weit weg.
Darauf bemerkte der Pope: .Dafür kommt dir weniger unter den
Schweif? — Auch das ist ein Sprichwort, das man jenem und bei
einem solchen Anlass sagt, wenn man ihm etwas gibt, er aber nicht
zufrieden ist, sondern sich ärgert und die Gabe nicht annimmt. Dies
Sprichwort ist wie eine Erinnerung an die Erzählung.

Anmerkung. Wenn einer den Fall nicht kennt, versteht er na-


170

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

türlich auch die Anspielung des Sprichwortes nicht. Unser Sprichwort
ist klarer: Tu dem Hund ein Gutes an, billt er. — Die Stute hätte
eine ausgiebige Erquickung vom ausgerasteten Popen empfangen und
sie verschmähte sie. Der Pope ruft ihr darum zu: Es ist nur dein
Schaden! — Im Scherz hält der Bauer dem verwitweten Popen, der keine
zweite Ehe eingehen darf, vor, sein Daherreiten auf einer Stute brächte
ihn in den schlimmen Verdacht eines Sodomiten. Als ihm der Pope
entgegnete, er kenne sich nicht helfen, weil sich bei ihm Hengste nicht
hielten, da beriet ihn der Bauer im Ernste, wie er den wirksamen
Zauber zugunsten der Hengste anstellen solle. Der Pope ist selbst-
verständlich von der Zweckmäßigkeit des Zaubers, so gut wie der
Bauer, innerlich überzeugt. Sein christlich geistlicher Beruf erweckt in
ihm auch keine den uralten Volksglauben hemmenden Vorstellungen von
einer Ungehörigkeit der Zauberbannveranstaltung, umsoweniger als
von vornherein damit eine Pflicht zur Beschälung der Stute nicht ver-
bunden war. Im übrigen gilt Sodomie bei dem Volke als keine Sünde
oder gar als ein Verbrechen, der Pope sah nur ein, daß er mit seiner
Leidenschaft den Zauber vernichte.

9. Bannspruch gegen Ungewittergeister.

Kad grad (tuća) hoće da ubije, onda se neka baba (iii covek)
otkrije pa okrene guzicu ka oblaku i govori: ,Beźi cudo od cuda, ovde
je veće cudo!' Tako tri puta. — Mitgeteilt vom Landmann Stanoje
Matić aus Levac, Serbien.

Wenn der Hagel (-Schlag) [die Felder] zu vernichten droht, da soll
sich ein altes Weib (oder ein Mann) aufdecken, den Arsch der Wolke
zukehren und sprechen: »Fleuch, o Wundererscheinung, vor der Wunder-
erscheinung! allhier ist ein größeres Wunderl' Also dreimal.

Anmerkung. Über die Ungewittergeister vergl. Krauss, Süd-
slav. Hexensagen, Wien 1884 und: Volksglaube u. religiöser Brauch
d. Südsl. — Über die Entblößung als Abwehrmittel vergl. Anthrophyteia
I. S. і f., III. S. 352. N0. 522; über den indischen Brauch Richard
Schmidt, Liebe und Ehe in Indien, und allgemeinere Nachweise,
Ploss-Bartels, D. Weib in d. Natur- u. Völkerkunde, VIII. Aufl., wo
namentlich auch der Japan, Brauch angeführt ist — Den bösen Geist
verblüfft und verscheucht man durch den nackten Leib. Vergl. Anthro-
pophyteia I. S. 172 f. N0. 143 und 144. Diese Schnurren verwerten
scherzhaft den Volksglauben als Grundmotiv.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

171

10. Entblößung zum Schutz der Füllen oder der Kälber.

Kad se kobila ożrebi ili krava oteli, da mladunce ne bi urekle
zle oći, otkrije se pred prolazećeg domaćin iii domaćica. — Mitgeteit
vom Landmann Stanoje Matić aus Levac, Serbien.

Wenn eine Stute ein Fohlen geworfen oder eine Kuh gekalbt hat,
so deckt sich, damit böse Augen die jungen nicht beschreien können
sollen, der Hausvorstand oder die Hausvorsteherin vor dem [ersten]
Vorübergehenden [der des Weges kommt, den Hintern oder auch die
Schamteile] auf.

Anmerkung. Der erste, der einem begegnet, ist im guten oder
bösen Sinne die Begegnung: sreća oder nesreća, Glück oder Unglück.
Das Füllen oder das Kalb stellt eine Vermehrung des Hauswohlstandes
vor und der erweckt den Neid. Der Ersthinzukommende braucht an
sich mit dem bösen Blick gar nicht begabt zu sein, der böse Geist
jedoch mag ihn für den besonderen Fall zur Verübung seiner Tücke
trotzdem mißbrauchen. Ein kluger Mensch hält sich über den Anblick
der Schamteile nicht auf und richtet keine Frage an den Mann oder
die Frau, sondern wartet die Mitteilung der Neuigkeit ab. Darauf
spuckt er aus oder, wenn man ihm das Füllen oder das Kalb zeigt,
spuckt er es an und sagt: ne valja ti niśt! (es taugt dir gar nichts 1)
oder grdno ti Ii je, ba5 je rużnol (das ist dir recht greulich, es ist
wahrhaftig häßlichl) Damit bannt auch er jeden nachteiligen Zauber
und man bewirtet ihn als einen wohlmeinenden Freund mit Brannt-
wein und einem Imbiss.

Havelock Ellis (Die krankhaften Geschlechts-Empfindungen auf
dissoziativer Grundlage, deutsch v. Dr. Ernst Jentsch, Würzburg
1907, S. 213—217) widmet im Anschluß an Ploss-Bartels und
Dr. Iwan Bloch der Entblößung eine lehrreiche Auseinandersetzung,
in der er die Handlungweise des Exhibitionisten im abendländischen
Kulturkreise als ein pseudoatavistisches Wiedererwachen des Phalli-
zismus bezeichnet Dem ist entgegenzuhalten, daß der südslavische
Landmann mit seiner Entblößung eine Kulthandlung vollzieht, der
die erotischen Absichten unserer Exhibitionisten gänzlich fernliegen.
Wenn das Weib in ihrer Wut dem verhaßten Gegner den nackten
Hintern zeigt, so ist dies auch keine erotische Bloßstellung ihrer
Reize, sondern eine sinnfällige, jeden Zweifel ausschließende Auffor-
derung, ihr in den After hineinzublasen oder mit der Zunge den After
auszuwischen. Das hat auch nichts mit dem Phallizismus zu tun und
ist wohl nicht als dessen letzter Niederschlag aufzufaßen, wie dies


Ij2 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Ellis zu meinen scheint. Er bemerkt (S. 215): Jch meine nämlich die
Exhibition der Nates als Zeichens der Verachtung. In ihrer ursprüng-
lichen Form ist dieser Exhibitionismus zweifellos eine Art Exorzismus,
eine Methode, zunächst böse Geister zu bannen, weiterhin unangenehme
Menschen fortzuscheuchen. Es ist das einfachste Mittel des Weibes,
das sexuelle Organ zu exponieren und besitzt deshalb ebenfalls alle
die mystischen Eigenschaften, die das Enthüllen der sexuellen Region
bei Naturvölkern mit sich bringen soll. Es wird erwähnt, daß bei
manchen Balkanvölkern auch diese Geste von den Weibern in der Schlacht
ausgeübt wurde .... Die Verwendung der Attitude inbezug auf böse
Geister geht indes verloren mit dem Verschwinden der naiven Vor-
stellungen, sie erhält sich dann rein als Ausdruck von Beleidigung.
Die Symbolik erstreckt sich dann auf die Rolle der Nates als Exkretion-
region im Anus und abstrahiert von der Möglichkeit jeder sexuellen
Attraktion dieses Körperteils.' — Die chrowotischen Gutbesitzer
zwangen unfolgsame Untertanen, ihnen den After zu küssen. So war
es bis zum Jahre 1848 Brauch oder Recht. Die Bäuerin, die ihr nacktes
Gesäß dem Beleidiger zeigt und ihn auffordert, ihr einen solchen Dienst
zu erweisen, hat nur nicht die Macht eines vormärzlichen chrowotischen
Tyrannchens, wenn auch den gleichen, bösen Willen. Wenn das Sym-
bolik wäre, wie schaute Realität aus?

11. Wie die Mutter von ihrem Kinde die Beschreiung bannt.

Kad se drżi da su decu urekle zle осі onda se protivu toga baje:
,Beźi pogan od pogani, ovamo je gori pogan!' Tako tri puta a svaki
put se pipne zu pićku i huknę u ruku. Zatim: Ova ruka krsta nema,
na moje dete (po imenu) urok nema l' Tri puta. ,Beżi pogan od
pogani, ovamo je gori pogan!' Tri puta. Zatim podigne prednji
skut kośulje pa istim obriśe lice detinje govoreci: ,Kakva mlada ne-
vesta, onakvim se ubrusom ubrisala; kakav kum, takvim se kanavcem
ubrisao!' Tri puta. ,Beźi pogan od pogani, ovamo je gori pogan!'
Tri puta. — Mitgeteilt vom Landmann Stanoje Matić aus Le vac,
Serbien.

Wenn man dafür hält, daß böse Augen Kinder beschrien haben,
so wendet man dagegen folgende Bannsprüche an: ,Fleuch Unflat vom
Unflat, allhier ist der größere Unflat!' Also dreimal und jedesmal tastet
sie [die Mutter oder sonst eine Bannerin] auf die Voze und haucht sich
in die Hand, Hernach: ,Diese Hand hat kein Kreuz, auf meinem
Kinde (namentlich) ruht keine Beschreiung!' Dreimal, ,Fleuch Unflat


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

17З

vom Unflat, allhier ist ein größerer Unflat!' Dreimal. Hierauf hebt
sie den vorderen Hemdschoß in die Höhe, wischt damit dem Kinde
das Angesicht ab und spricht dazu: ,So wie die junge Frau [be-
schaffen ist], mit eben einem solchen Wischtuch soll sie sich das
Gesicht abwischen; wie der Gevatter [ausschaut], mit einem solchen
Fetzen soll er sich das Gesicht abwischen!' Dreimal. .Fleuch Unflat
vom Unflat, allhier ist der größere Unflat/ Dreimal.

Anmerkung. Der Beschreiunggeist ist an und fur sich ein Un-
flat, doch von dem besudelten Kinde, das noch ärger besudelt ist
wird er sich abwenden müssen. Wenn der Geist weiblich ist, so macht
ihn die schönrednerische Ansprache Junge Frau, ist er männlich, die
eines Gevatters, milde gesinnt; umso weniger wird die Waldgeistin ge-
neigt sein, ihr Gesicht mit dem nach der Vozenauscheidung riechenden
Hemdschoß und der Geist mit einem groben Leinenfetzen das Gesicht
abzuwischen und lieber die Flucht ergreifen. Die Worte: .Diese Hand
hat kein Kreuz' gedenke ich späterhin im Zusammenhang mit anderem
Volksglauben des näheren zu besprechen. Im alten Latium schützte
man die Kinder vor dem Blick des Neides durch ein eigenes Amulet,
durch das Anhängsel eines Fascinum, wovon sich die Schamhaftigkeit
abwandte. Die gefurchtete Invidia wird nach dem Glauben des
Altertums umso sicherer abgewehrt, je widriger, je ekelhafter der An-
blick ist, dem man sie vorhält, bemerkt Dr. Franz Fiedler in seiner
vorzüglichen Abhandlung über antike erotische Bildwerke, Xanten
1839. Das Wort Schamhaftigkeit im ersteren Satze ist eine Auslegung
Fiedlers, die Voraussetzung einer Vorstellung, die dem primitiven
Menschen in diesem Falle abartig war. Ich bemerke, daß ich bei
südslavischen Bauern niemals Zumpt- und Vozenfigürchen als Amulete
für Kinder gefunden, dagegen etwas davon bei spanischen Juden in
Bosnien. Ich brachte aus Bjelina in Bosnien ein mit allerlei Zierrat
behangenes Kinderhäubchen mit, das auch mit roten Korallen ge-
schmückt ist, die beiläufig als Zumpte gedeutet werden können. Das
Häubchen schenkte ich dem k. k. naturhistorischen Hofmuseum
in Wien.

Nach Dr. M. Toppen, Aberglauben aus Masuren, Danzig 1867,
S. 51 u. 52, den Frischbier a.a.O. S. 91 f. anführt, war noch vor
50 Jahren der gleiche Zauber gegen den Urok gebräuchlich, freilich
in einer Form, die das Erotische des Bannes kaum noch ahnen läßt;
Zur Heilung des Urok wischt man bei einem Manne mit Frauen-
kleidern, und bei einer Frau mit Männerkleider bloß über das Gesicht


i ją Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

12. Guzicu zubima dovatiti.

Kad se za guzicu zubima dovatila, tadar mi naudilal — Tako se
każe, kad ko korne prijeti, iii kad ko vraca, da ga ne izije yjeśtica iii
da mu kaka żena cinima ne naudi. — Aus dem bisher ungedruckten,
in der kgl. serb. Nationalbibliothek zu Belgrad aufbewahrten Nachlass
Vuk. Stefanovic Karadzics.

Den Arsch mit den Zähnen ergreifen.

Wenn du mit den Zähnen dich beim Arsch wirst gepackt haben,
dann sollst du auch mir einen Schaden zufügen können! — So spricht
man, wenn einer einem droht [und man seine Absicht zunichte machen
will] oder wenn einer zaubert, damit ihm eine Hexe das Herz nicht
ausfressen oder irgend ein Weib mit ihren Zaubereien einen Schaden
zufügen soll,

Anmerkung. Der Naturmensch ist mit dem Mammut und dem
ganzen Heer der Giganten der Vorwelt fertig geworden, wie uns dies
so schön Abels und Wilser in ihren gemeinverständlichen Schriften
lehren, er rottete auch alle seine nahen Urstammverwandten aus, die
nicht so schlau und listig wie er waren, seiner Tücke und Furcht-
losigkeit erliegen alle Teile der bewohnbaren Erde, nur vor den un-
faßbaren Mächten seiner Traumwelt, vor den halb und halb seiner
Phantasie entsprungenen Gestalten erfaßt ihn endloses Entsetzen. Er
merkte, daß sich ihm diese Gestalten nicht selber entgegenstellen,
sondern sich wieder Menschen, seinesgleichen, als gefugiger Werk-
zeuge bedienen oder daß sie in den Dienst von Menschen gezwungen,
Unheil stiften. Um sie zu entkräften, stellt er ihnen, wie er glaubt,
zunächst unlösbare Aufgaben zur Lösung, so die, sich vorerst mit den
Zähnen in die Arschbacken zu beißen. Man ersieht daraus, daß dem

oder auch vom Kopfe bis zum Fuß des Kranken und spuckt dabei
dreimal aus. Oder man fahrt dem Kranken mit neun veschiedenen
Tüchern oder Lappen über das Gesicht; auch genügt ein schon ge-
brauchtes Handtuch, wenn das Überfahren nur im Namen des drei-
einigen Gottes geschieht.'

In den serbischen Bannsprüchen, die ich hier veröffentliche, macht
sich noch kein christlicher Glaubeneinfluß, wie in den masurischen
und noch mehr in den deutschen bei Frischbier, irgendwie bemerkbar.
Die Worte oben: ,Diese Hand hat kein KreuzI' schalten sogar ab-
sichtlich das christliche Zeichen aus.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. Ijrg

Naturmenschen die Kunst der Gliederverrenker oder Schlangenmenschen
unserer modernen Varietes gänzlich unbekannt gewesen sein muß.
Derartige für die Erwerbung seines Lebensunterhaltes und zum Schutz
seiner Weiber und Kinder jedenfalls ganz zweck- und nutzlose Leib-
übungen nahm er nicht vor, doch deren Möglichkeit faßte er ins
Auge. Unsere Gelehrten sind geneigt, den Naturmenschen für eine
Art von dummem Kerl zu halten, weil er mit unvollkommenen Werk-
zeugen und mit einer wenig entwickelten Sprache sein Auslangen
fand. Aber man übersieht, daß er mit seinen Werkzeugen die Welt
erobert hat und daß eine unvollkommene Sprache durchaus nicht ein
unvollkommenes Denken bedingt. Seine Voraussetzungen sind nur
naturwissenschaftlich verfehlt, sein Denken jedoch ebenso logisch, wie
das seiner späten und undankbaren Nachkommen.

13. Prvo żeńsko pranje.

Kad żeńsko prvi put dobije pranje (vreme), onda od one krvi
valja na jednom obrazu da naćini krst pa kad je ko zapita, śto joj je
to na obrazu a ona neka rekne toliko puta: ,dan i noći' koliko dana
i noći żeli da joj traje pranje pa će joj ono uvek po toliko trajati. —
Mitgeteilt von einem Bauernmädchen aus der Sumadija in Serbien.

Die erste weibliche Reinigung.

Wenn ein Frauenzimmer zum erstenmal die Reinigung (die Zeit)
bekommt, dann ists gut, daß sie auf einer Wange mit jenem Blut ein
Kreuz malt, und fragt sie wer, was sie auf der Wange hätte, so sage
sie sovielmal: ,Tag und Nacht!' als sie wünscht, daß ihre Periode währe,
und so wird sie dann jeweilig solange nur dauern.

Anmerkung. Die Blutung verursacht ein Geist, der über das
Frauenzimmer Gewalt erlangt. Den bannt die Heimgesuchte auf einen
bestimmten Zeitraum. Vergl. den Abschnitt über den Glauben vom
Ursprung der Menstruation, Ploss-Bartels, Das Weib in der Natur-
u. Völkerkunde, Leipzig 1905. VIII. Aufl. I. S. 482—487.

14« Zauberbann gegen Menstruation.

Kad cura osjeti prvi put vrijeme neka odma na jedan dah triput
każe: ,Dvadest i ćetiri sata! Dvadest i ćetiri sata!' Onda ne će nikąd
imat vrijeme dulje od dvadest i ćetiri sata. — Mitgeteilt von einem
chrowotischen Taglöhner in Pożega (Slavonien).

Wenn ein Mädchen zum erstenmal ihr Monatliches verspürt, so
soll sie sogleich in einem Atem dreimal sagen: ,Vierundzwanzig


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Stunden! Vierundzwanzig Stunden! Vierundzwanzig Stunden!' Darnach
wird sie ihr Monatliches niemals länger als 24 Stunden haben.

Anmerkung. Sie spricht die vier Bannworte neunmal. Der
Geist der monatlich ins Frauenzimmer hineinfährt und die Blutung
verursacht, muß sich der Neunzahl fügen. Über die Heiligkeit der
Zahlen im Glauben der Völker vergl. die Literatur in der allgem. Me-
thodik d. Volkskunde, von L, Scherman und F. S. Krauss, Erlangen
1899, S. 101 f., zu der noch Weinholds Abhandlung über die Neun-
zahl (Schriften der Kgl. Akad. in Berlin) hinzukommt. — Ich erwähne,
daß der Bann in vielen Fällen scheinbar erfolgreich wirkt, denn chro-
wotische Bauernmädchen leiden gewöhnlich nicht solange an der Men-
struation, wie ihre Schwestern in den Städten. Bei der Städterin
dauert die Blutung meist 8—10, bei der Bäuerin nur 2—3 Tage. Zwei
Stadtmädchen erwiesen mir, als ich noch Gymnasiast war, die Ehre, mich
eine Art von Tagebuch über den Anfang und das Ende ihrer Perioden
fuhren zu lassen, im Glauben sie dadurch abzukürzen, weil damals dunkel-
rotes Haar mein Haupt zierte. Soviel ich jetzt davon begreife, ver-
banden sie damit die Absicht, ihr Leiden auf meinen Kopf zu lenken.
Genützt hat ihnen der Zauber nicht im geringsten.

15. Bannspruch gegen den Teufel.

Jebem ga pod levo koleno! Tako każe svaki kad pomene gjavola.
Mitgeteilt vom Landmann Stano je Matić aus Levac in Serbien. All-
gemein.

Ich vögle ihn unter das linke Knie! So sagt jeder bei Erwähnung
des Teufels.

Anmerkung. Herr Dr. Alexander Mitrovic in Knin schrieb mir:
Kod nas se ćuje rijeć: ,Poljubi vraga ispod lijevog koljena!' Ćuje se
u smislu-tako mi je rećeno da pojebe żeńsko. Kad stigne, da poljubi
ispod koljena, butinu golu, tada je već stigao i do pićke. (Bei uns
hört man das Wort: ,Küss den Teufel unter dem linken Knie!' Man
hört es in dem Sinne — so hat man mir gesagt — er möge ein
Weibsbild abvögeln. Erreicht er es, daß er unter dem Knie den
nackten Schenkel küsst, dann ist er auch bis zur Voz angelangt.)
Die Aufklärung gibt keine Erklärung des Bannspruchs. Die zweite
Fassung bezieht sich auch nicht auf den Teufel als bösen Geist,
sondern nur auf ein Weib, das einer wohl leicht genießen kann, wenn
er sie bereits auf den nackten Schenkel küssen darf. Im übrigen ist
mir dieser Vorgang sonst nicht bekannt. Unser erste Spruch enthält


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

eine Drohung, die den Teufel abschrecken soll, zu erscheinen. Dunkel
ist mir nur, welche Stelle unterm linken Knie gemeint ist Welche
ursprüngliche und jetzt vergessene Vorstellung vom Körperbau des
Teufels mag die Entstehung dieser Formel hervorgerufen haben?
Ein Dachs suchte eines Bauern Maisfeld heim. Als alle Vorkehrungen
zur Vertreibung des Dachses nichts nützten, drohte ihm der Bauer
Jebaću te! (ich werde dich vögeln!) Da kam der Dachs nie wieder.

16. Na kurcie prdnuti.

Iśo soldat a sretne żene: ,Dobar dan, zloćeste żenel' — A jedna
se javi: ,Pa odakle ti znaś, da sam ja zlocesta?' — ,Pa kad divanisl'—
,Prdni mi na kurćićl1 odgovori żena i ode svojim putem. — Von einer
Bäuerin aus Petrovo selo, Slavonien. •

Auf den Kitzler farzen.

Ein Soldat gieng daher und begegnete Weibern: ,Guten Tag, ihr un-
glückseligen Weiber!' — Da meldete sich eine von ihnen: Ja, woher weißt
du denn, daß ich unglückselig bin?' — ,Nun, dieweil du redest!' —
,Farz mir auf den Kitzler!' antwortete das Weib und gieng ihres
Weges weiter.

Anmerkung. Der Soldat sagte nicht einfach ,Ihr bösen Weiber*
(zle żene), sondern mit Absicht zloćeste ż. ,mit bösem Geschick
bedachte, unglückselige, W.', und damit beschrie er sie. Um den
Zauber zu bannen, lädt ihn das Weib zu einer Handlung ein, die ihn
als Lustknaben erscheinen läßt. Ein Mann hätte dafür gesagt: prdni
mi na kurac (farz mir auf den Zumpt!), nämlich bei der Hingabe des
Afters an den stärkeren, den Bezwinger. Es maßt sich also das Weib
in diesem Falle die Rolle eines Pygerasten an und der Soldat verfiel
der Lächerlichkeit, die nach dem Volksglauben jeden Zauber vernichtet

17. Guzicom vrata otvorati і zatvarati.

Bio nekakav Milos ćobanin. Ondak on cuva ovee pa uzbija, zav-
raća ovee. Ondak on vodi, da pije vode. Ondak njega pitala druga,
śto S njime cuvala ovee: ,Śta ćeS ti, Milos?' — ,Idem se, sestro, napit
vode'. — Ide on vodi. Dogje on k vodi a vise vode ploća a vise
nje vila. Ondak on otrgne granu jelovu pa udari vise glave njoj, da
joj bude lad. I ondak on se napijo vode i otiśa. E, on je otiśa i
vraca ovee a onamo druga njegova u ładu sigjela. Dogje vila preda
nj: Jesi 1 ti udario granu viae mené?' — A on veli: Jesam'. — ,E,

Krauss, Anthropophyteîa. 12


178

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

kad jesi, ti dogji po podne opet na vodul' — ,E, on je onda otiśa
na vodu i nju naśa na vodi. Napije se vode a ona ga mało pośpri-
cala a on je vilu zagrlio i onda ona skinę sa svoje glave krunu і
ondak se poljubila ś njim i ondak mu puśtila jebat, i ondak je on
nju izjeba dvaput i ondak ona njega poljubila triput

Milos ode kuci a nosi sobom krunu. Vila ne more ostati, ide za
krunom każe on materi i ocu: ,Tako i tako. Hocete li, da ona pogje
za mnom?' — ,E, pa dobro l' — I ondak se oni ożene i yjenćaju.
Źiyjeli su skupa osam godina i imali su cetvero djece, dvoje muśki a
dvoje żeński. Iza osme godine viii se nije tilo biti żenom, već vilom
a ćoek njezin, Milos, cuva krunu, da se vila nje ne domogne. Doz-
nała ona jednoć, gje je Milos cuva pa polako, polako do onog mjesta,
ugrabi je pa vratima. Vrata guzicom otvorala i triput govorila: ,Sama
sebi ućinila, sama sebi vrata guzicom otvoralaI' — I onda ode, nikada
je vise! — Erzählt von einem zwanzigjährigen Schäfer in einem Dörf-
chen bei Cazin in Bosnien.

Mit dem Arsch die Türe öflhen und schließen.

Es lebte mal ein gewisser Milos, der ein Hirte war. Alsdann weidet
er Schafe und treibt sie zu Häuf zurück. Alsdann geht er ans Wasser,
um Wasser zu trinken. Alsdann fragte ihn seine Gefährtin, die mit ihm
Schafe hütete: ,Was hast du vor, Milos?' — ,Ich gehe mich, Schwester,
mit Wasser antrinken/ — Er geht zum Wasser. Er kommt zum Wasser
hin, oberhalb des Wassers befindet sich eine Steinplatte und ober
ihrer eine Vila. Alsdann riss er einen Tannenzweig ab und steckte
ihn zu ihren Häupten in die Erde, damit sie im Schatten ruhe. Und
alsdann trank er sich mit Wasser an und entfernte sich. Ei, er war
weggegangen und trieb die Schafe zusammen, dort aber saß seine
Gefährtin im Schatten. Die Vila trat vor ihn hin: ,Hast du oberhalb
meiner einen Zweig in die Erde gestellt?' — Und er spricht: ,Ich habe
es getan/ — ,Ei, wenn du es getan hast, so komm du nachmittags
wieder ans Wasser!' — Ei, er ist alsdann zum Wasser gegangen und
hat sie am Wasser angetroffen. Er trank sich mit Wasser an; sie aber
hat ihn ein wenig angespritzt, worauf er die Vila umhalste und alsdann
nahm sie von ihrem Haupt die Krone herab und dann küsste sie sich
mit ihm und alsdann gab sie sich ihm zum vögeln hin, und alsdann
hat er sie zweimal ausgevögelt und alsdann hat sie ihn dreimal
geküsst


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. ijg

Milos begab sich nach Haus und trägt die Krone mit sich mit.
Die Vila kann nicht zurückbleiben, sie geht der Krone nach. Spricht
er zu Mutter und Vater: ,So und so steht es. Wollt Ihr wohl, daß
sie die meine werde?' — Ei, nun gut!' — Und alsdann heirateten sie
und ließen sich trauen. Sie lebten acht Jahre lang zusammen und
hatten vier Kinder, zwei männliche und zwei weibliche. Nach dem
achten Jahre behagte es der Vila nicht länger ein Weib zu sein, son-
dern wollte wieder zur Vila werden, ihr Gatte jedochf Milos, behütet
die Krone, damit die Vila sie nicht erlange. Einmal erspähte sie, wo
Milos sie, die Krone, aufbewahrt, und sachte, sachte [schleicht sie] zu
jener Stelle, erwischt sie und [eilt] zur Türe hin. Die Türe schloß sie
mit dem Arsche auf und sprach dazu dreimal: ,Allein habe ich es mir
getan, allein mir die Türe mit dem Arsche geöffnet!' — Und alsdann
entwich sie, niemals sah man sie wieder!

Anmerkung. Die Vila tat nichts anderes als was sonst eine
Chrowotin oder Serbin macht, wenn sie ihrem Ehegemahl dartun will, daß
sie ihn für immer verlasse. Mittags tut sie es und am Abend kehrt
sie wieder gewöhnlich von selber zurück, um beim nächsten Streit
dasselbe Arschspiel von neuem aufzuführen. Mit dem Arsch eine
Türe zu öffnen und wieder zu schließen erscheint uns Männern in
unserer Kultur als ein Kunststück, weil wir wegen der bauschigen Kittel
und Röcke unserer Modedamen leicht übersehen oder es vergessen,
daß die Weiber von Natur aus Arschakrobatinnen sind. Tales gab
der Witwe Wetti Himmlisch den Rat, die „Psychologie der Kehr-
seite" zu schreiben und sie verspricht in ihrem rasch zu großer Be-
liebtheit gelangten Büchlein diese Aufgabe zu lösen, liefert aber dafür
eine Reihe lustiger Erlebnisse, ohne dem eines Forschers würdigen
Gegenstande weiter eine Beachtung zu widmen. Das Weib spricht
mit dem Gesässe. Es gibt eine Arschgeberdensprache des Weibes.
Daß in unserem Falle ein Zauber mitunterläuft, beweist deutlich der
Vilenspruch. Allerdings vermag ich in Ermanglung weiterer tatsäch-
lichen Erhebungen über den Ursprung und den Glauben nur Ver-
mutungen aufzustellen. Es dürfte sich damit ähnlich verhalten, wie
mit dem Dreckhaufen, den Diebe am Tatorte zurücklassen, um ihre
Spur zu verwischen. Erwähnen muß ich, daß die chrowotische Bäuerin
zu Markte, wenn sie eine Gans verkauft hat, dem Käufer die Gans
mit deren Hintern voraus überreicht, damit er ihr, der Bäuerin, das
Glück nicht wegtragen oder auch, damit er selber mit der Gans kein
Glück haben soll. Die mit dem Glauben Vertrauten weigern sich da

12*


Igo Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

die Grans aus der Hand der Bäuerin zu übernehmen, sondern bestehen
darauf, sie vom Boden selber aufzuheben, so daß ihnen der Ganskopf
zugekehrt ist

18. Kako je mornar pojebao staricu.

Bio njeki mornar u velikoj pogibelji zivota. More je straSnom
hukom udaralo u njegovu lagju. Njekoliko puta more ga je zapljus-
nulo i na pola napunilo lagju. Videci, da bi mogao lako utopiti se
zareće se, da će pojebati najstariju zenu, koju nagje u selu, gdje bi se
źiv i zdrav iskrcao. Sreća ga posluźi te dogje kraju żiv i zdrav. Po-
traźi u selu najstariju iensku. Namjeri se na babu od preko osam-
deset godina. Prevali je na tle i pojebe je. Kad je svrsio svoj posao,
baba se joś valjala po travi. ,Diźi sel' vikao joj mornar. — ,Ne diraj
me', odgovori mu baba, ,neka mi ova slast progje kroz sve kosti.
Nijesam je davno osjetilal'

Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic in
Knin.

Wie ein Seemann eine Greisin abgevögelt hat.

Ein Seemann befand sich in großer Lebensgefahr. Das Meer
schlug mit furchtbarem Tosen auf sein Schiff ein. Einigemal brachen
die Wogen über seinem Schiffe zusammen und füllten es zur Hälfte
mit Wasser an. Als er sah, daß er leicht ertrinken könne, gelobte
er, das älteste Weib abzuvögeln, das er in dem Dorfe anträfe, wo er
gesund und mit heiler Haut landen würde. Das Glück erwies sich
ihm günstig und er landete gesund und heil am Gestade. Er suchte
im Dorfe das älteste Weib auf. Der Zufall brachte ihm eine Greisin
von über achtzig Jahren entgegen. Er warf sie zu Boden um und
vögelte sie ab. Nachdem er sein Werk vollendet, wälzte sich die
Greisin noch auf dem Grase herum. ,Erheb dich!' schrie sie der See-
mann an. — ,Laß mich in Frieden,' antwortete ihm die Greisin, ,es
soll mir diese Lust durch alle Knochen dringen. Längst habe ich sie
nicht mehr empfunden!'

Anmerkung. Den Sturm riefen die nach Menschenleben gie-
renden Seegeister hervor. Sie wollen ein Leben unnütz vernichten.
Der geängstigte Seemann schlägt ihnen zur Besänftigung und Ablösung
für sein Leben ein Geschäft vor. Er will ihnen seinen lebenschaffenden
Samen opfern, indem er ihn dessen Bestimmung entgegen unnütz an-
baut und dabei auf jeden Genuß verzichtet Er bringt ein Opfer dar


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. jgj

und vollzieht damit eine Kulthandlung zur Befriedigung der bösen
Geister. Daß die Greisin an der Vergewaltigung ein großes Vergnügen
fand, ist an und für sich ein komischer Nebenumstand, deswegen die
Geschichte überhaupt erzählt wird, die, was uns die Hauptsache ist,
noch in unseren Tagen die Fortdauer einer uralten allgemein mensch-
lichen Glaubenvorstellung zuverläßig bezeugt

19« Geschlechtbestimmung.

Ako se hoće, da bude muśko dijete, onda ćoek jebe pod kapom,
ali se ne smije smijat ni jedno ni drugo. Ako se hoće, da bude żeńsko
dijete, onda ćoek zenu jebe bez каре a mogu se smijati.

U Vrhovcim ima jedna żena, koja ima samu żensku djecu. Kad
je je jebo ćoek pod kapom, ona se nasmijala pa zato je rodila żensku
gjecu a ćoek je zato i tuce. — Mitgeteilt von einer Bäuerin aus
Vrhovci (wo die Ruinen einer türkischen Burg stehen) bei Pożega in
Slavonien.

Will man einen Knaben zeugen, so vögelt der Mann mit der
Kappe auf dem Kopfe (bedeckten Hauptes), doch darf dabei weder
das eine noch das andere lachen. Will man ein Mädchen zeugen, so
vögelt der Mann unbedeckten Hauptes das Weib und lachen dürfen
beide dabei.

Zu Vrhovci lebt ein Weib, das lauter weibliche Kinder hat Als
der Mann bedeckten Hauptes sie vögelte, brach sie in ein Lachen
aus und darum gebar sie weibliche Kinder, und der Mann haut sie
auch deswegen.

Anmerkung. Lachen verscheucht im allgemeinen Geister, in
diesem Fall auch den guten Geist, der die Knaben macht

20. Dreck vertreibt den Krankheitgeist.

Kad se neko pożali, da ga boli guśa, każe mu se: ,Govno ti u
guśi!' Tako se valja, da boljka brże progje i da se ne bi prilepila na
zdravog. — Mitgeteilt vom Landmann Stanoje Matić aus Levac in
Serbien.

Beklagt sich einer über Schmerzen in der Kehle (oder im Unter-
kinn, dem Goderl), so sagt man zu ihm: ,Ein Dreck stecke dir in der
KehleIe So muß man tun, damit der Schmerz ehestens vergehen und
damit er nicht auf einen Gesunden ankleben soll.

Anmerkung. Übersetzte man: ,Dreck steckt dir in der Kehlel1
so wäre dies eine Beleidigung des Kranken. Die Absicht ist aber die,


l82

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

mit einem Wunsch den die Krankheit verursachenden Geist zu bannen.
Unrat vertragen die Geister nicht. Darum scheißt man einem toten
Feinde aufs Grab. Der Geist kehrt nicht mehr in den Leib zurück
und irrt unstät umher.

21. Dreck hebt die Kraft des Verleumders auf.

Kad nekome izagje ćirić na vrh jezika, onda se to zove jaśterica.
Veruje se, da ona izilazi samo tada, kad neki laże za doticnoga.
Protivu toga se baje, kad se tri puta prstom dodirne jaśterica i dupe,
govoreci: ,Ko mi laże ovde (pipne jaśtericu), izeo mi ovdel' (pipne
dupe). Mitgeteilt vom Landmann Stanoje Matić aus Levac, Serbien.

Wenn einem auf der Zungenspitze ein Geschwürbläschen entsteht,
so heißt man dies eine Hitzpustel. Man glaubt, sie trete nur in dem
Falle auf, wenn irgend wer über den Betreffenden lügnerische Gerüchte
ausstreut Dagegen gebraucht man den Zauber, indem man dreimal
mit dem Finger die Hitzpustel und das Arschloch berührt und dabei
den Bann spricht: ,Wer mir hier lügt (man berührt die Hitzpustel),
soll mir von hier [den Dreck] ausfressen!* (man berührt das Arschloch).

Anmerkung. Dreck fressen mag auch der Lügengeist nicht,
folglich muß er das Verleumden aufgeben.

22, Dreck gegen die Mutter.

Ako se hoće da sin ne trpi matere, onda treba od materinog
govna malo uzet, to isuśiti na crijepu na peći i sinu u jelo metnuti
i kazati: ,Kako to govno smrdi, tako i oni jedno drugom smrdili!1
Erzählt von einer Bäuerin aus der Broder Gegend, Slavonien.

Will man es erreichen, daß der Sohn eine Abneigung gegen die
Mutter hege, braucht man ein wenig vom mütterlichen Dreck zu
nehmen, ihn in einem Scherben auf dem Ofen auszutrocknen, dem
Sohne in die Speise hineinzumengen und dabei zu sprechen: ,So wie
dieser Dreck stinkt, so mögen auch sie einander zustinken!'

23. Dreck unter Liebeleuten.

Kad hoće ćoek da omrazi żeni svalera iii żena ćoeku inoću turiće
on njoj iii ona njemu govno za cipelu pa će kazati: ,Kako ovo govno
smrdi, tako ona njemu (njoj) smrdi I' — Mitgeteilt von einer Bäuerin
aus einem Dörfchen bei Poźega, Slavonien.

Will ein Ehemann seinem Weibe den Chevalier oder die Frau
dem Manne die Kebsin verhasst machen, so steckt er ihr oder sie


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

183

ihm in den Schuh einen Dreck hinein und spricht dabei: ,So wie dieser
Dreck stinkt, so stinkt sie ihm (er ihr) zu!'

24. Ćarka govnetom.

U Slatini je bio jedan mladić pa je on jednoj curi asikovo i ona
se u njega zaljubila, al on nju ostavi pa se ożeni drugom. Cura se
jedila i jednoć upita jednu babu, kako bi se ona najlakśe osvetila
onom nesretnjakovicu tako, da u njegovoj kuci nema mira, već da se
on sa żenom uvijek svagja. Baba njoj każe, da bi ih najbolje rasta-
vila govnom i naući je, kako će to ućiniti.

Cura se domogne govna ovog ćoeka i govna njegove żene. Kad
je doŚla mlada nedjelja, cura rano ustane — a kuca joj je bila do
kuce ovog ćoeka — pa mętne kraj plota tepsiju, u tepsiju żere a na
żeru govno onog ćoeka i njegove żene pa kadi. Ćoek namiriśe smrad
pa każe żeni: ,Ćujeś, żeno, sta to smrdi?' — a cura iza plota govori
u sebi: ,Ona tebi! ona tebi!' — I od onda nije bilo blagoslova u toj
kuci, żena i ćoek uvijek se svagjali i tukli. — Erzählt von einem
chro wo tischen Mannweib in Lipik, Slavonien. — Der Zauber allgemein
unter Chrowoten üblich.

Der Dreckzauber.

Zu Slatina lebte ein Jüngling, der führte mit einem Mädchen Lieb-
schaft und sie verliebte sich in ihn, doch ließ er sie sitzen und ver-
heiratete sich mit einer anderen. Das Mädchen härmte sich ab und
einmal befragte sie ein altes Weib, wie sie sich am leichtesten an jenem
Unglückmenschen derart rächen könnte, daß er in seinem Hause
keinen Frieden haben, sondern stets in Streit und Zank mit seinem
Weibe leben soll. Die Alte sagte, sie könnte sie auf die beste Art
mit Dreck auseinanderbringen und unterrichtete sie, wie sie dies an-
zustellen habe.

Das Mädchen verschaffte sich Dreck jenes Mannes. Als der Neu-
mondsonntag eintrat, erhob sich das Mädchen zeitlich morgens — ihr
Haus aber grenzte an das Haus dieses Mannes — und setzte an den
Zaun ein Kupferbecken, in das Becken Glutkohlen und auf die Glut-
kohlen den Dreck jenes Mannes und seiner Frau und räucherte damit.
Der Mann roch den Gestank und sprach zum Weibe: ,Hör mal, Weib,
was stinkt das?' — Das Mädchen hinter dem Zaune spricht aber in
sich (im Stillen): ,Sie [stinkt] dir zu! Sie [stinkt] dir zu!' — Und von
da ab gab es keinen Segen in diesem Hause, Weib und Mann stritten
immer mit einander und hauten sich.


184 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

25. Ćarka: progutala maćka misa.

Na kraj sela u jednoj maloj kućici zivela je jedna sama samorana
żeńska duśa. Bila je to jedna udovica. Nije bila baś lepa i nije ni
rużna. Nije bila mlada a nije baś ni stara, ali je bila vrlo pobożna i
postena duśa. Zivila je od zarade, nadnićila je, jer je bila vrlo sirota.
Imała je jednu malu sobicu i jednu kujnicu, u kojima beśe mnogo
miseva. U nje je bilo miseva vise, nego u kojem masnom podrumu
kog bogataŚa. Ona je imała i jednu maćku, koja je bila i suviSe lenija,
da vata i tamani miseve; radije je glad trpila.

Sirota udovica već nije znała, Śta da radi od tih silnih miseva te
se potużila jednom coveku, gde je nadnićila. Ovaj joj reće: ,U nedelju
u vecer budi kuci. Doneću ti jednog maćka i kazaću ti, śta da radiś
pa će ti za dva tri dana potamaniti sve miseve V

Źena posluśa. U nedelju u vecer dogje covek i donese u dżaku
jednog crnog velikog maćka i [reće żeni: ,Ćuj żeno! Ako oćeś da
nemaś nijednog misa vise, moras ovo uraditi: ti moraś leci na krevet
i otkriti sve suknje i kośulju i pokazati tvoju maćku, picu, a ja moram
leci na tebe i tvoja macka mora progutati moga misa, moj kurac, a
maćka ova sa dżakom zajedno, to jest, u dżaku uvijena, mora biti na
krevetu pored nas. I kad budemo gotovi, odreśiću dżak i pustiću
maćka u sobu a ti samo dobro drżi vrata zatvorena, de ne utekne
na polje. A kad noć nastanę, zabravi se i pusti maćka i u sobu i u
kujinu. Najbolje će biti, ostavi vrata otvorena od sobe pa sutra kad
svane a ti ćeś imati posła, dok sve crknute miseve poćistiś. Ako tako
ne ćeś, ja idem odma sa mojim maćkom natragl4

Sirota źena nije tako mislila, bila je pośtena i pobożna, no kad
se seti miseva, morala je prestati na taj predlog. Kad je taj lola zenu
pośteno onako majstorski odjebao, odresi dżak i pusti maćka na posao.
Ja sad idem kuci a ti se dobro zakljućaj i lezi spavati, da ne smetaś
poslul' Żena ućini tako, zakljuća vrata i leże u krevet i zaspa kao
zaklana. Kad al u jutru ima śta videtil U sobi i kujni same gomile
crknutih miseva, da ih je lopatama na polje iznosila i u jarak, u rupu,
bacala.

Kad je bila gotova ode tome coveku, da zahvali i blagodari na
dobro ti, a ovaj reće: ,Eto vidiś# jesam li ti pravo kazao? Nego da
ti ńisi meni pićku dala, ne bi maćak iz dżaka ni jednog misa uvatio
pa ma śta radila. Ja poznajem mog maćka. On oće samo śto je
pravo. On veli: Jedno z drugimi* Tako valja pa onda ide posao
kao po łoju I' — Erzählt von der Tochter eines Bauernschmiedes in


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

185

einem Dörfchen im Banat. Die Nennung des Ortes hat zu unter-
bleiben, weil der Mäusebanner und die arme Witwe noch leben und
der Zauber vielleicht noch wiederholt werden muß.

Ein Zauberbann: wie die Katze die Maus verschluckt hat.

Am Dorfende in einem kleinen Häuschen lebte allein eine auf
sich selbst angewiesene Frauenseele. Das war eine Witib. Sie war
nicht gerade schön, aber auch nicht häßlich. Sie war nicht mehr jung,
aber auch geradezu nicht alt, doch war sie eine höchst fromme und
ehrenwerte Seele. Sie lebte von ihrer Arbeit, taglöhnerte, denn sie
war sehr arm. Sie besaß ein kleines Stübchen und eine sehr kleine
Küche, in welchen Räumen sich viele Mäuse aufhielten. Bei ihr gab
es mehr Mäuse als in irgend einem fetten Keller eines reichen Mannes.
Sie besaß auch eine Katze, die war aber mehr als zuviel zu träge, um
Mäuse zu fangen und auszurotten; lieber litt sie Hunger.

Die Witib wusste schon nimmer, was sie gegen diese Unzahl von
Mäusen tun solle und klagte ihr Leid einem Manne, bei dem sie im
Taglohn arbeitete. Der sprach zu ihr: Am Sonntag [seit, im Neumond]
am Abend sei zu Hause. Ich werde dir einen Kater bringen und dir
angeben, was du tun sollst und in zwei, drei Tagen wird er dir alle
Mäuse vertilgenV

Das Weib gehorchte. Am Sonntag kam abends der Mann,
brachte im Sacke einen schwarzen, großen Kater mit und sagte zum
Weibsbild: .Horch Weibl Wenn du willst, daß du keine einzige Maus
mehr haben sollst, mußt du folgendes tun: du mußt dich aufs Bett
legen und alle Kittel und das Hemd aufheben und deine Katze, die
Voze, zeigen, ich aber muß mich auf dich legen und deine Katze muß
meinen Mauserich, den Zumpt, verschlingen, die Katze hier mit dem
Sack zusammen aber, das heißt, die in den Sack eingehüllte Katze,
muß auf dem Bette in einer Reihe neben uns liegen. Und wann wir
fertig sein werden, so werde ich den Sack aufschnüren und den Kater
in die Stube loslassen, du jedoch halt nur die Türe gut verschlossen,
damit er nicht ins Freie entweiche. Und wann die Nacht anbricht,
verriegle dich und laß den Kater sowohl in die Stube als in die Kuchel
hinein. Am besten wird es sein, du läßt die Stubentüre offen und
morgen in Morgengrauen wirst du deine Arbeit damit haben, bis du
alle die krepierten Mäuse wegsäuberst. Wenn du so nicht magst, so
gehe ich sogleich mit meinem Kater zurück!'

Das arme Weib hatte nicht solches im Sinn, sie war ehrenwert


186 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

und fromm, doch wenn sie sich der Mäuse erinnerte, mußte sie auf
diesen Vorschlag einwilligen. Nachdem dieser Schlankel das Weib so
ganz gehörig meisterhaft abgevögelt hatte, schnürte er den Sack auf
und ließ den Kater aufs Werk aus. Jch gehe jetzt heim, du aber
sperr dich gut ein und leg dich schlafen nieder, um das Werk nicht
zu behindern I' Das Weib tat also, sperrte die Türe ab und legte sich
zu Bett und schlief wie abgeschlachtet ein. Ei, da am Morgen, hat sie
was zu schauen 1 In der Stube und Küche lauter Haufen krepierter
Mäuse, so daß sie sie mit Schaufeln ins Freie hinaustrug und in den
Graben, ins Loch schleuderte.

Als sie damit fertig geworden, begab sie sich zu diesem Manne,
um ihm verbindlichst zu danken fur seine Güte, dieser aber sagte:
,Da siehst du nun, habe ich dir nicht recht gesagt? Doch, wenn du
mir keine Voze gewährt hättest, so hätte der Kater aus dem Sacke
keine einzige Maus gefangen, du hättest tun mögen es sei was immer.
Ich kenne meinen Kater. Er will nur das, was recht und billig. Er
sagt: .Eines mit dem anderen!' So ists in Ordnung und dann geht
das Geschäft wie auf Unschlitt (wie geschmiert)!'

Anmerkung. Mit der Entblössung seiner Geschlechtteile zeigt
man den Geistern an, daß man sie nicht fürchtet und zugleich droht
man ihnen, daß man sie gebotenen Falles zu gebrauchen gewillt sei.
Mäuse, Ratten und Hamster sind eigentlich dem Volksglauben nach
böse Geister. Im schwarzen Kater steckt auch ein Unhold. Den will
der Zauberbanner gegen die Mäuse loslassen, um ihm aber den Sieg
zu sichern, beschläft er zugleich die Hausfrau. Damit bricht er vollends
die Zauberkraft der Mäuse. Über Tierstrafen und Tierprozesse vergl.
die gründliche Untersuchung Karl Amiras, Mitt d. Instituts f. österr.
Geschichtforschung, Innsbruck, 1891. XII. I. S. 548—бої und Dr. Albert
Herrn. Post, Grundriss d. ethnolog. Jurisprudenz, Oldenburg 1895, II.
S. 231 f. — Nach der Niederschrift entspann sich zwischen mir und des Huf-
schmids dunkelbraunem Töchterlein ein Meinungstreit über den Fall.
Sie meinte, der Bauer habe schlau die Gelegenheit benützt, um ihrer
Freundin, der ehrsamen Witib billig froh zu werden, ich führte wieder
ins Treffen, daß die arme Witwe von der Ersprießlichkeit des Bei-
schlafes vollkommen überzeugt und durchdrungen war und sich am
anderen Tag für die ihr erwiesene Wohltat ausdrücklich bedankt habe.
Die Mäuse wären tatsächlich hin geworden. Darauf lachte die Kleine
unbändig und sagte: ,Ihr Männer seid alle miteinander Erzschelme.
Schreiben sie noch diese Geschichte auf. Auch die ist wahr!' — Ich


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. 187

schließe sie gleich an, denn sie spricht deutlich für meine Ansicht,
die auch mit der K. v. A miras und A. H. Posts übereinstimmt. Der
Beischlaf bezweckt die Bannung der der Feldfrucht schädlichen Geister.

26« Yraćka: Kako Banaćanin hvata hrckove.

Jedan Banaćanin imao je strast da jebe te nije mario ma gde to
bilo. Njemu kad za jepsti dogje, on nije pitao, je 1 kod kuce, je 1 u
sobu, je 1 na njivu, njemu je to svejedno bilo ma gde; samo kad je
żena uz njega, nije joj praśtao. No njegova żena nije tela nikako da
je muz na njivi jebe, N0 ovaj domiśljan se doseti te na lukav naćin
prevari zenu te je ćesto jebao na njivu. ,Źeno moja', reće on, ,znaś
ti, Boga ti, hto sam ćuo od ljudi? Bio jedan Bacvanin u Neuzinu (u
Banatu selo) na vasar te je prićao, da on ovako hvata hrckove. Gde
misli da ima hrckova, a zna da su hrckovi skodljivi, da nam tamane
usev, on tamo iskopa rupu i nedaleko od te rupe legnę na zenu te
se jebu. Hrćak ima fini nos. On odmah omiriśi żensku pićku te
proviri iz rupe a u isto vreme samo kad sapu, nogu, na gvozgje mete
isto ga stegne i hrćak je uhvacenl'

Żena kad to ću reće svome muzû : ,ZnaŚ Sta ? Pa ajde i mi to da
probamo pa ćemo spasti nas usev od tih gadoval' Covek to jedva
doćeka te brże bolje iskopa rupu na svojoj njivi i na rupu metnu
gvozgja, no i u gvozgje jednog erknutog hrćka, kojeg je sakrio, da
źena ne vidi te kad je sve uredio, kako treba, ode kraj rupe żenom
і ova legnę na njivu i on na nju. Tada izvadi brźe bolje kurćinu
i stanę zenu bu&ti. Ova poće jaukati od bola a on reće: .Ćuti żeno
pa trpi, da ne poplaśiś hrćka. Uh! ali tvoja ріска miriSe, mora hrćak
za celo na rupu doći. Ta on će osetiti taj miris, post mu njegovl'
reće seljak. I kad je bio gotov, skoci sa żene i ode ka rupi, A kad
tamo, ima śta i videti, hrćak u gvozgjul ,Evo, żeno, hrćak ulovljen!
Jesam ti rekol' — ,Gle, Bogme, tu je,' reće żena, ,no ja ne ćuh, da
jauće.' — ,A gde może da jauće, kad mu gvozgje steglo vrat a ne
nogul Vidis da ga gvozgje udavilo.' — ,Baś je to pametno,' reće żena,
,tako ćemo mi potamaniti sve hrckove na naśe njivel' — ,1 komśinske
njive', reće covek. — ,Nije nego joś neśto! Ja ću moju pićku valjda
da gulim za ceo s vet!' — ,E, vrag ti babin', reće muż, ,mi ćemo samo
na naśe njive hvatati hrckove.' — I tako su se ćesto na njivi jebali.

Ein Zauberbann: Wie ein Banater Hamster einflng-

Ein Banater war von der Leidenschaft zu vögeln besessen und er
scheerte sich nicht darum, wo immer es sein mochte. Wann ihn die


188 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Lust zu vögeln anwandelte, fragte er nicht erst, ob er daheim, ob in
der Stube, ob auf dem Ackerfeld war, ihm war das alleseins, wo;
wenn nur sein Weib neben ihm weilte, gab er ihr keinen Pardon.
Sein Weib wollte sich jedoch um keinen Preis dazu verstehen, daß
er, ihr Gatte, sie auf dem Ackerfelde vögle. Dieser aber, ein findiger
Kopf, geriet auf einen sinnreichen Einfall und übertölpelte auf eine
schlaue Weise sein Eheweib und vögelte sie auf dem Ackerfelde.

— ,0 mein Weib/ sprach er, ,weißt du, so dir Gott helfe, was ich
von den Leuten sagen gehört? War da ein Mann aus Baćka in
Neuzin (ein Dorf im Banat) zu Markte und der erzählte, daß er auf
folgende Weise die Hamster einfange: wo er glaubt, daß es Hamster
gebe, er weiß aber, daß die Hamster schädlich sind, daß sie unsere
Aussaat vertilgen, dort gräbt er ein Loch aus und legt sich unweit des
Loches auf sein Weib und sie vögeln miteinander. Der Hamster hat
eine feine Nase, er wittert sogleich die weibliche Voze und lugt zum
Loch hervor, zur selben Zeit jedoch, kaum daß er die Pfote, den Fuß
aufs Eisen legt, zieht ihn das zusammen und der Hamster ist gefangen/

Als dies das Eheweib vernahm, sprach sie zu ihrem Gatten:
.Weißt was, geh, laß doch mal auch uns das versuchen und wir werden
unsere Aussaat vor diesem Geschmeiß retten l' — Das konnte der Mann
kaum erwarten und grub in größter Eile auf seinem Ackerfelde ein
Loch aus und legte übers Loch ein Fangeisen, doch auch ins Eisen
einen krepierten Hamster, den er vesteckte, damit ihn das Weib nicht
erblicke, und nachdem er alles, wie es sich gehört, getan, begab er
sich nächst dem Loche mit seinem Weib hin und die legte sich auf den
Acker hin und er auf sie hinauf. Dann zog er in aller Geschwindigkeit
seinen Zumpterich heraus und begann das Weib zu bohren, sie aber
fing vor Schmerz zu jammern an, doch er sagte: ,Schweig, Weib, und
ertrage, um den Hamster nicht zu verscheuchen. Huil beim Allah,
riecht deine Voze kräftig! Der Hamster muß unbedingt aufs Loch
kommen, denn er wird gewißlich diesen Duft schmecken, ich vögle
ihm seinen Fasttag!1 sprach der Bauer. Und als er fertig geworden,
sprang er vom Weib auf und begab sich zur Grube hin, ja, wie er
hinkommt, da hat er was auch zu schauen! Ein Hamster im Fang-
eisen! ,Schau her, Weib, ein Hamster gefangen, habe ich es dir nicht
gesagt?' — ,Schau nur, Gott straf mich, da steckt er/ sagte das Weib,
,doch hörte ich ihn nicht wehkreischen!' — ,Ei, wie kann er denn weh-
kreischen, wenn ihm das Fangeisen den Hals zusammengezogen, nicht
jedoch den Fuß! Du siehst doch, daß ihn das Fangeisen erwürgt


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. 189

hat!?' — ,Das ist wirklich gescheidt,' sagte das Weib, ,so werden wir
sämtliche Hamster von unserem Ackerfeld wegvertilgen I' — ,Auch
von des Nachbars Acker,1 bemerkte der Mann dazu. — ,Nein, sondern
noch was, soll ich vielleicht meine Voze fur die ganze Welt ab-
schinden?'. ... — ,Eh, zu deiner Großmutter Teufel,' sagte der Mann,
so werden wir bloß die Hamster von unserem Acker wegfangen!' —
Und also vögelten sie häufig auf dem Ackerfelde.

Anmerkung. Nichts wäre verkehrter und unrichtiger als die
Annahme, das Mädchen, das mir diese nach unseren Anstandbegriffen
unzüchtige Geschichte zum Besten gab, wäre selber schamlos oder
unzüchtig. Beim Dorfschmied versammeln sich die Bauern zum
Plausch, bei ihm machen die meisten Wanderer Halt, um auszuruhen,
hier berät man die Tagereignisse, die Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft und noch einiges mehr. Wißbegierige Frauen und Kinder
hören auch den Gesprächen zu, um sich zu ergötzen und zu belehren.
Jeder weiß etwas und die Schmiedtochter zuletzt am meisten. Darum
hielt ich mich an sie und ihr Vater war nicht wenig stolz darauf, daß
ich aus ihrem Munde Volksüberlieferungen aufzeichnen mochte. An
dem Inhalt der Geschichten nahm er, wie natürlich auch keinen Anstoß.
Seine Tochter führte ihm die gar sehr bescheidene Wirtschaft und
sein einziger Sohn besuchte damals zu Neusatz das Gymnasium, mit
der Absicht, Volksschullehrer zu werden.

27—28. Luklca vrac odvodio parceve.

Ja sam imo u kuci paraca pa sam doćuo da Lukica vrac zna
parceve odvesti. Dozovem ga i pogodim se S njim, da će parceve
za dva forinta odvesti.

Dan prije mladog mjeseca dośo je Lukica pa pregledo gdje se
parcevi nalaze u kuci, a na dan mlagjaka dośo je oko dva sata poslje
ponoći pa mi je reko da smijem gledati i za njim ići po kuci, ali ne
smijem govoriti. Onda se svuko sasma go a opaso se samo sa kozom,
za koju je kazo da je od paraca, popijo deci sljivovice, klekno, pre-
krstio se i neśto mrmljo kao molitvu. Ustade a sobom je imo malu
kandźijicu pa trćo od kuta do kuta u kuci i tom kandźijicom po podu
udaro a na to fićko ko da ih doziva. Kad je proso sve kuteve onda
je iziśo na kapiju pa tako otrćo do kriżopuća. Drugi dan dośao je
po placu pa je kazo, da je sve odveo i da ih je bilo puno a osobito
se istaklo nekoliko velikih bijelih stakorova. Na putu se nije smio


ідо Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

obazirati, jer veli, da bi se povratili parcevi natrag. — Mitteilung eines
Hausbesitzers in Pożega, Slavonien.

Wie Lukica der Zauberer die Ratten von dannen geführt hat.

Ich hatte im Hause Ratten und bekam zu Ohren, Lukica der
Zauberer verstände es die Ratten wegzufuhren. Ich lasse ihn rufen
und behandle mit ihm, daß er für zwei Gulden die Ratten von dannen
führen werde.

Am Tag vor Neumond kam Lukica und besah die Orte im Hause,
wo sich Ratten aufhalten und am Neumondtage erschien er gegen
zwei Uhr nach Mitternacht und sagte zu mir, ich dürfe zuschauen und
hinter ihm im Hause einhergehen, doch dürfte ich nicht reden. Hierauf
zog er sich ganz nackt aus, umgürtete sich aber bloß mit einer Haut,
von der er sagte, er hätte sie von Ratten, trank einen Deziliter
Zwetschkenbranntwein aus, kniete nieder, schlug ein Kreuz und mur-
melte etwas, das wie ein Gebet klang. Er erhob sich, mit hatte er
aber ein kleines Peitschlein und er rannte von Winkel zu Winkel im
Hause und schlug mit diesem Peitschchen auf den Fußboden auf und
dazu pfiff er als ob er sie herbeiriefe. Nachdem er alle Winkel abge-
gangen, gieng er zum Haustor hinaus und rannte so bis zum
Kreuzweg fort.

Am anderen Tag kam er um die Bezahlung und sagte, er habe
alle weggeführt und es wären ihrer viele gewesen und besonders hätten
sich einige große weiße Rattenmännchen hervorgetan. Auf dem Wege
durfte er sich nicht umsehen, denn, so sagte er, sonst wären die Ratten
wieder zurückgekehrt.

Anmerkung. Das trug sich im Jahre 1902 zu. Der Hausherr
versicherte mir, seither wäre sein Haus rattenrein, nur zuweilen ver-
laufe sich aus der Nachbarschaft eine Ratte zu ihm, ohne im Hause
zu verbleiben. Lukica der Zauberer wohnte auf einer Einschiebt
zwischen Sesveti (= Svisveti) und Kutjevo. Er verschied als betagter
Mann im Juni oder Juli des Jahres 1906. — Mein Schwager Bernhard
Herzog, Kaufmann in Pleternica, war im Jahre 1856 Handlunggehilfe
bei dem Kaufmann Müller in Naśice in Slavonien, einem Marktflecken
am Fuße der Krndija. Der Ort bildete damals eine langgestreckte
Zeile, die zumeist aus niederen, mit Stroh gedeckten Häusern bestand.
Dort befindet sich auch ein altes Franziskanerkloster und das Stamm-
schlößchen der Grafen Pejacevic. Im Winter ein unergründlicher
Sumpf und im Sommer ein von der Sonne ausgedörrter, im knietiefen


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. \g\

Staub erstickender, wasserarmer, baumloser, weltabgeschiedener Erden-
fleck, das war damals Naśice. Nur Ratten hatten sich in Unmenge
eingefunden, so daß sie den Leuten zu Mittag auf den Tisch sprangen
und die Bissen vom Teller wegschnappten. Da kam ein Zauberer des
Weges und der machte sich anheischig, für fünf Gulden alle Ratten
aus dem Orte wegzuführen. Diesen Betrag entrichtete für den ganzen
Ort zur Hälfte der Kaufmann Müller und zur anderen das dortige
Franziskanerkloster. Der Zauberer ordnete an, daß man alle Türen
und Fenster von allen Gebäuden im Orte öffnen und daß sich die
gesamte Bevölkerung auf die Straße hinausbegeben sollte. Dann zog
er sich splitternackt aus und gieng mit einer großen Peitsche schauer-
lich knallend von Haus zu Haus ab und zu schrill pfeifend und dann
wieder Beschwörungen singend durch den ganzen Ort In hellen
Scharen kamen die Ratten auf die Straße herausgerannt und folgten
dem Zauberer nach. Damals wunderte sich mein Schwager, wie die
Ratten förmliche Knäuel von Ratten, die mit Schwänzen aneinander ge-
wachsen waren, vor sich herschoben. Naśice blieb mehrere Jahre
hindurch von Ratten verschont.

29. Nejsrećniji u posteyi.

U njekim svatovima stari svat napijao je mladencima. Ispijale su
se case za dobro zdravlje mladenaca, njihovih roditelja, bliże i dalje
rodbine. Vinom se blagoslovio njekoliko puta rod, koji će mladenci
imati na oranicama i na vinogradima. ,Sve vam bilo srećno i beri-
ćetnol' zavrsice već okićeni stari svat pośljednu zdravicu mladencima,
,sve vam bilo srećno i veselo ali najsrećnija i najveselija bila vam
rabota, koju ćete veceras otpoćeti u postelji vaśoj!' — Erzählt von
einem Bauern im Kniner Bezirke in Dalmatien. Aufgezeichnet von
Dr. Alexander Mitrovic in Knin.

Im Bett die aUerglücklichsten.

Auf einer Hochzeit brachte der Hochzeitvorstand Trinksprüche
auf das junge Paar aus. Man leerte die Gläser auf die gute Gesund-
heit des jungen Brautpaars, deren Eltern, der näheren und entfernteren
Verwandtschaft. Mit Wein ward einigemal die Frucht gesegnet, die
dem jungen Paar auf den Äckern und auf den Weinbergen gedeihen
wird. ,Alles sei euch glücklich und gedeihlich', so beschloß der
Hochzeitaldermann, schon etwas beschwipst den letzten Gesundheit-
spruch auf das junge Paar, ,alles sei euch glücklich und fröhlich, am


192

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

allerglücklichsten und allerfröhlichsten jedoch gerate euch der Fron,
den ihr heut abends in euerem Bette anheben werdet.'

Anmerkung. Daß der Vorsteher der Hochzeit die Feldfrüchte
segnet, das findet der Erzähler in Ordnung, die Besegnung des Braut-
lagers dagegen komisch und darum erzählt er davon. Er weiß eben
nicht, daß der Mann nur einen uralten Brauch befolgt. Unverstandene
Bräuche, Sitten und Glaubenanschauungen der Vorfahren erscheinen
den Nachkommen häufig lächerlich, wo nicht verächtlich oder gar
schändlich und sündhaft. Das entschuldigt den Erzähler. Über die
Bräuche der Brautnacht und die Bannung der den Beischlaf beein-
trächtigenden bösen Geister wird noch in einem anderen Zusammen-
hange in der Anthropophyteia die Rede sein. Die Ansprache des
Hochzeitältesten ist nur ein abgeschwächter Nachhall einer uralten
Kulthandlung, die einst einer Eheschließung erst ihre volle Weihe
verlieh. Dabei kamen noch ganz andere obszöne Wendungen und
Worte vor als hier in der immerhin zarten Anspielung auf die Bei-
schlafausübung.

30. Stojla uzvjjojla.

Golub guće, golubica ne će.

— Gukni dere bjela golubice
pa mi ajdmo za goru na vodu!

Za górom je bunar voda ładna,
kod bunara śenica bjelica,
posio je bratać i sestrica
a pożeo gjever i snaśica.

Svakoj snahi gjever odgovara:

— Oj snaśice, sjajna narukvice!
evo ima devet godin dana
odkąd dogje za mog mila brata
a ne imaś ćeda pod tkanicom!

Odgovara lijepa snaśica:

— Moj gjevere, moj zlatni prstenel
dok je one Stojle uzvijojle,

hvala Bogu, imati ga ne ćul

Bosnisches Volkslied. Bosanska Vila, Sarajevo 1901, S. 365.

Der Tauber girrt, das Täubchen mag nicht. — ,Ei, so girr mal
du, o weißes Täubchen — und laß uns zum Berg um Wasser gehen!'
— Am Bergabhang ist ein Brunnen, ein kühles Wasser, — am Brunnen


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

l93

[wächst] weißschimmernder Weizen, — es säten ihn Brüderlein und
Schwesterlein — doch eingefechst haben ihn Brautführer und Schnürlein.

— Seiner Schnur antwortet der Brautführer: — O Schnürlein, glänzend
Armband! — es sind nun neun Jahre daher — seit dem du meinem
teueren Bruder zugekommen, — und du trägst kein Kind unterm
Gurtband! — Antwortet das schöne Schnürlein: — ,Mein Brautführer,
mein goldener Ring! — So lang als da jene Stojla die Kokette lebt,

— Gott sei Dank, werde ich keines haben!1

Anmerkung. In Zeile 8 ist wohl svakoj ein Druckfehler' für
svojoj. Die Bosanska Vila, eines der gediegensten Familienblätter
der serbischen schöngeistigen Literatur, bringt seit ihrem 23 jährigen
Bestände so gut wie in jedem Hefte auch Volksüberlieferungen, doch
höchst selten auch Erläuterungen dazu, so wünschenswert sie für einen
wären, der nicht ständig in Bosnien lebt Die unfruchtbare Frau be-
schuldigt eine Stojla, ein kokettes Frauenzimmer im Dorfe, der Zauberei.
Anstatt sich darüber zu kränken, freut sie sich der Unfruchtbarkeit
und dankt Gott dafür. Das ist die Pointe, um derentwillen das Reigen-
lied entstanden ist und sich im Volksmund behaupten kann.

31. Ugljen і voda.

Vjencalo se dvoje mladih. Mladożenja bio je żeljan pićke a mlada
kurca kao ozebli sunca. Kad je mladożenja, prije vjencanja, mislio na
prvu noc, udo bi mu se ukrutilo kao drvo, da ga je morao kupati
u toploj vodi, samo da mu spadnę і da mu se ne prospe. Kad je,
poslije vjencanja, legao sa mladom, nije mu se kurac ni maknuo.
Skupio mu se, kao da mu ima sto godina. Nije pomagało ni milo-
vanje ni ljubljenje ni prevrtanje po postelji. Mladożenja u zoru skoći
iz postelje ljut i stidan a mlada nezadovoljena. Mlada otrća svojoj
majci i isprića joj jade. Punica, koja je pomislila, da je to urok, po-
zove k sebi zeta a kćer otjera muzevljevoj kuci.

Kad su punica i zet ostali sami, punica zapali vatru na ugljen.
Na vatru mętne malu posudu pune vode, da se prigrije. Kad se voda
prigrijala, otstrani posudu od vatre i u vodu baci tri komada ugljena,
jedan po jedan, na kojima se voda prigrijala. Bacajući ugljen u vodu,
spominjala je imena onih, na koje je mislila, da su joj zeta urekli, da
ne może jebavati kćer joj. PoSto je i to svrSila, okupa zetu kurac
i m uda u toj istoj vodi. PoŚalje ga kuci i zażeli mu, da ogradi sina.

Nije se dobro ni smrklo a mladożenja uhvati mladu. Kurac mu
se nadigao kao barjak. Svali mladu na postelju. Digne joj nogę i za-

Krauss, Anthropophyteia. IV. 


194

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

prdi joj ga od jednom do muda. Mlada od bola і radosti prnu nje-
koliko puta. Od tada je jebavao, kada je god htio. Prvo dijete, koje
mu je rodila, bilo je muśko, po proricanju punice.

Erhoben in Norddalmatien von Dr- Alexander Mitrovic
in Knin.

Kohle und Wasser.

Ein junges Pärchen hatte sich trauen lassen. Der Bräutigam sehnte
sich nach Voze und die Braut nach dem Zumpt, wie Halberfrorene
nach der Sonne. So oft dem Bräutigam vor der Trauung die erste
Nacht in den Sinn kam, versteifte sich ihm das Glied wie ein Holz
und er mußte es in lauem Wasser baden, damit es ihm herabfalle und
sich ihm die Sauce nicht vergieße. Als er sich aber nach der Trauung
mit der jungen Frau niedergelegt, da muckste sich ihm jedoch der
Zumpt nicht einmal. Er schrumpfte sich ihm zusammen, als ob er
schon ein hundertjähriger Greis wäre. Da fruchtete weder ein Herzen,
noch ein Liebkosen noch ein Herumwälzen auf dem Bette. Im Morgen-
grauen sprang der Bräutigam zornig und beschämt aus dem Bett, und
die junge Frau unbefriedigt. Die junge Frau rannte zu ihrer Mutter
und schilderte ihr haarklein ihre Leiden. Die Schwiegermutter, der
es schwante, daß hier eine Beschreiung vorliege, berief zu sich den
Eidam, die Tochter aber jagte sie zu des Ehegatten Haus zurück.

Als da Schwieger und Eidam allein geblieben, entfachte die
Schwieger ein Feuer, um Kohlen zu gewinnen. Übers Feuer stellte
sie ein kleines mit Wasser gefülltes Gefäß auf, um das Wasser lau-
warm zu bekommen. Als das Wasser lauwarm geworden, zog sie das
Gefäß vom Feuer zurück und warf ins Wasser drei Kohlenstücke
hinein, eines nach dem anderen. Die Kohle war von derselben Glut,
an der das Wasser warm gemacht worden. Beim Hineinwerfen der
Kohlen ins Wasser, gedachte sie der Namen jener, von denen sie an-
nahm, sie hätten ihr den Eidam beschrien, damit er ihr die Tochter
nicht vögeln können soll. Nachdem sie auch damit zu Ende gekommen,
badete sie dem Eidam Zumpt und Hoden in demselben Wasser rein.
Sie schickte ihn dann heim und wünschte ihm, er möge einen Sohn
zuwege bringen.

Noch war die Dämmerung nicht einmal richtig angebrochen, schon
packte der junge Ehemann die junge Frau an. Der Zumpt erhob sich
ihm wie eine Standarte. Er wälzte die junge Frau aufs Bett nieder.
Er erhob ihr die Beine und farzte ihr ihn bis zu den Hoden in den
Leib hinein. Vor Schmerz und Freude farzelte die junge Frau


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

195

einigemal. Von da an pflegte er sie zu vögeln, so oft ihn die Lust
dazu anwandelte. Das erste Kind, das sie ihm gebar, war männlichen
Geschlechtes, der Vorraussagung der Schwiegermutter gemäß.

Anmerkung. Der primitive Mensch denkt nicht symbolisch-
mystisch, vielmehr stets handgreiflich anschaulich, man möchte fast
sagen, unwissenschaftlich folgerichtig. Daß die Impotenz auf eine Be-
schreiung oder einen bösen Blick zurückgeht, das ist ihm über jeden
Zweifel erhaben. Es gilt nur dem einen Übel mit einem anderen,
noch mächtigeren zu begegnen. Am mächtigsten ist der Feuergeist
an heimischer Feuerstelle, der das Haus beschützt. Darnach kommt
der Wassergeist. Wenn sich die zwei gar miteinander verbinden, dann
muß vor ihnen jeder Zauber weichen. Die verlöschende Kohle über-
trägt ihre Kraft auf das Wasser und das so zauberkräftig gemachte
Wasser vernichtet, wenn es auf die von einem Beschreiunggeist heim-
gesuchte Körperstelle übertragen wird, die Macht der Beschreiung.
Da nun die Frau die Geister schon gerufen, wagt sie es, auch noch
deren Hilfe fur das Kind in Anspruch zu nehmen. Es geht ja buch-
stäblich in einem Aufwaschen. Sie hat damit eine Kulthandlung voll-
zogen, wie einstmal ihre Urmütter in grauer Vorzeit, von der kein
Lied und kein Buch sonst zu vermelden weiß.

32. Tri uiarena ugljenca.

Żena uzme tri uźarena ugljenca pa kad ima pranje neka ta tri
uźarena ugljenca ugasi sa krvi. Tako ne će imat djece. A kad źena
oce da imade djece, onda neka uzme jedan taki ugljenac pa neka
baci u vatru. Onda će ona iste godine imat djece. — Von einem
Hermaphroditen zu Lipik, Slavonien.

Drei glühende Kohlenstückchen.

Das Weib nimmt drei erglühte Kohlenstückchen und wenn sie
ihre Reinigung hat, löscht sie mit ihrem Blute diese drei erglühten
Kohlenstückchen. So wird sie keine Kinder haben. Wenn jedoch
das Weib Kinder kriegen will, so nehme es ein solches Kohlen-
stückchen und werfe es ins Feuer. Dann wird sie im selben Jahre
Kinder kriegen.

Anmerkung. Der Hermaphrodit geht zwar in Frauenkleidern
einher, wird als Weib in den Geburtlisten geführt, verrichtet auch nur
weibliche Arbeiten, hat aber seine Geliebte und mit ihr ein Kind ge-

13*


Erotik und Skatologie im Zauberbaim und Bannspruch.

zeugt. Dieses Mannweib ist die Tochter oder der Sohn eines vor
vierzig Jahren vermögenden dörflichen Grund- und Hausbesitzers und
hat wegen seiner oder ihrer Zwitterbildung ein reges Interesse für
alles Geschlechtliche in Sitte, Brauch und Glauben des Volkes, ebenso
fur unsere Forschungen.

33. Zera

se kroz nastavak od kośulje provuce pa se vodom utrne i zamota se
u krpicu. Tako żena ne će roditi djeteta. A kad ona oce da imade
djece, onda neka samo baci taki jedan ugljen u vatru, da se iznova
zaźari. — Von einer jugendlichen Zauberfrau zu Vrhovci, Slavonien.

Eine glühende Kohle

zieht man durch den Hemdbrustlatz durch, löscht sie mit Wasser aus
und wickelt sie in einen kleinen Fetzen ein: Also wird das Weib
kein Kind gebären. Falls sie aber Kinder kriegen möchte, alsdann
soll sie nur ein solches Kohlenstück ins Feuer werfen, damit es neuer-
dings erglühen soll.

34. Lües.

Vjencalo se dvoje mladih. Kolo, pjevanje i pucanje nije nikada
prestajalo. Mladi jedva ćekali, da se smrkne pa da se stanu jebavati
u lijepo namjeśtenoj sobi. Dośao i taj żeljeni ćas. Svatovi svedose
mladence u sobu za spavanje i razigjośe se kućama. Mladi i mlada
trgali sa sebe odijelo, da se Śto prije svuku i legnu. Kad legośe
i poćeśe milovanja momku nikako da se digne kurac. Uzaludu se
mlada savijala i previjala oko njega. Uzaludu se znojila od vatre, da
je sva bila u goloj vodi. Nije pomogło ni da mu śkaklji jaja, kako je
on naućio. A ja! ne ide pa ne ide. Skupio mu se kurac, kao da
mu ima osamdeset godina, Mladożenja od muke i stida ne zna rijeći
da progovori. Oboje se tako mućilo do zore. Umorni, neispavani
i ona neprobijena ustadośe a jedno drugome ne może od stida da
pogleda u oći.

Kad je bilo druge noći — po savjetu njeke babe mladoj — odośe
na oranicu prijatelja svoga, gdje se toga dana orało. Oraći ostavise
na polju lijes (veliko ralo), kojim su toga dana orali. Mladożenja
i mlada mu rastavise lijes. Rastavise mu sve komade: teljige, jarmove,
guzve, zavornje, krćalo, lemes, crtalo, oju, dasku, zacrtnjak, cimer,
ugarśnjak i sve ostało. Ne ostavise niśta spojeno. Tako rastavljeni
lijes ostave na oranici a njih dvoje odośe kuci, da pokuśaju sreću.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

197

Nijesu dobro ni legli a mladoźenji se digne i ukruti kurac kao budża.
Skoći na mladu, ona vrisnu, jer joj se pićka probi, ali boi namiri
slaśću, koju do onda nije poznavala. Od tada je mladożenja jebovao
mladu, kad je god htio. Kurac ga je sluśao, kao śto vojnik sluśa
starjeSinu svoga.

Erhoben inNorddalmatien von Dr. Alexander Mitrović in Knin.

Das Ackergezeug.

Ein junges Paar hatte sich trauen lassen. Reigen, Gesang und
Geknatter hörten schier nimmer auf. Die jungen Leutchen konnten
die Dämmerstunde kaum erwarten, um in der schön eingerichteten
Stube mit dem Gevögel anzufangen. Es trat auch dieser ersehnte
Augenblick ein. Die Hochgezeiter führten das junge Paar in die Schlaf-
stube ab und gingen dann jeder nach seinem Heim auseinander.
Bräutigam und Braut rissen sich das Gewand vom Leibe, um sich so
rasch als nur möglich zu entkleiden und legten sich nieder. Als sie
sich niedergelegt und mit den Liebkosungen anfingen, wollte sich dem
Burschen um keinen Preis der Zumpt erheben. Vergeblich wand und
schlängelte sich um ihn die Braut Vergeblich geriet sie vor Feuer
in Schweiß, so daß sie vor lauter Wasser troff. Es half nicht einmal,
daß sie ihm die Eier kitzelte, wie er sie angelernt. Ach neinl Es geht
nicht und es geht nicht. Sein Zumpt wuzelte sich zusammen, als
wäre er schon achtzig Jahre alt Vor Qual und Scham weiß der
Bräutigam kein Wort zu finden. Beide mühten sich bis zum Morgen-
grauen ab. Ermüdet, nicht ausgeschlafen, sie zudem nicht durchge-
schlagen, erhoben sie sich und vor Beschämung kann das eine dem
anderen nicht in die Augen schauen.

Als die zweite Nacht anbrach, begaben sie sich — gemäß dem
Rate, den ein altes Weib der Braut erteilt hatte — aufs Ackerfeld
ihres Freundes, wo man an diesem Tage geackert Die Ackerleute
hatten auf dem Felde das Ackerzeugl (die große Pflugschar) stehen
gelassen, mit dem sie an diesem Tage geackert Bräutigam und Braut
legten ihm das Ackerzeug auseinander. Sie legten alle Bestandteile
auseinander: den Jochbogen, die Joche, die Flechten, die Deichsel-
bolzen, den Pfluggriff, das Pflugeisen, das Stricheisen, die Deichsel,
das Brett, den Stricheisennagel, das Pflugschild, den Roder und alles
übrige. Sie beließen nichts in seinem Verbände. Den so auseinander-
gelegten Ackerwagen ließen sie auf dem Ackerfelde liegen und nach
getaner Arbeit begaben sich die zwei heim, um ihr Glück zu versuchen.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

Sie hatten sich noch nicht einmal recht niedergelegt und schon erhob
und versteifte sich dem Bräutigam der Zumpt, wie eine Knüttelkeule.
Er sprang auf die junge Frau, sie schrie schmerzvoll auf, denn ihre
Voze ward durchbrochen, doch beglich den Schmerz die ihr bis dahin
unbekannte süße Lust Von da an vögelte der junge Ehemann seine
junge Frau, so oft es ihm behagte. Der Zumpt gehorchte ihm, wie
ein Soldat seinem Vorgesetzten.

Anmerkung. Im Geleitbrief zu dieser Erhebung bemerkt Dr. Mit-
rovic: To se u sjevernoj Dalmaciji ne samo prića nego i radi joS
і dan as. Imam u ovoj krajini jednog druga iz gimnazije, koji je
sada pravoslavni pop pa je i on radio po predaji u „Lijesu", jer prve
noći nije mogao nikako probiti źene. Kad je uradio po toj prići, iSlo
je kao po łoju. — Trebaće vam i ovo: Kad dvoje mladih ne mogu
da izvrse copulam carnalem idu svom parohu, da ih on spoji (kako
oni vele) te im on ćita kojeśta iz evangjelija. Za tim uspiju. Naravno
sugestija. ,In Norddalmatien erzählt man dies nicht blos, sondern man
übt es noch heutzutage. Ich habe in dieser Gegend einen Genossen
vom Gymnasium her, der jetzt griechisch-orientalischer Pfarrer ist
und auch er hat 'der Überlieferung folgend im „Ackerzeug" gearbeitet,
denn er konnte in der ersten Nacht auf keine Weise sein Weib durch-
lochen. Nachdem er im Sinne der Volksage gehandelt, ging es wie
über Unschlitt (wie geschmiert). — Auch dies wird Ihnen gut kommen:
Können zwei jung Verheiratete die copulam carnalem nicht vollziehen,
so suchen sie ihren Pfarrer auf, damit er sie verbinde (wie sie sich
ausdrücken), und er liest ihnen aus dem Evangelium dies und jenes vor.
Hierauf gelingt es ihnen. Natürlich beruht dies auf Suggestion/

Die Bestätigung ist gewiß willkommen, doch dürfte einer wohl
fragen, ist denn das Pärchen verrückt worden, daß es von heiler Haut
das Ackerwägelchen eines guten Freundes förmlich zerstört? In was
für einer sympathetischen Beziehung steht denn die Impotenz des
Bräutigams zu dem Ackergezeug? Ich sage, eigentlich in keiner, viel-
mehr liegt hier meines Erachtens ein Mißverständnis vor, das auf den
Sprachgebrauch zurückzufuhren ist. Ich will meine Meinung kurz zu
begründen versuchen; denn sie ist nicht willkürlich, sondern beruht
auf Tatsachen.

Wir müssen uns in die Zeit — etwa vor 2500 oder 2000 Jahren —
zurückversetzen, als noch die Vorfahren der 'Südslaven mit jenen der
Ruthenen und Russen eine sprachliche und ethnische Einheit bildeten.
Dazumal war leśu das gemeinslavische Wort für Baum, nicht für


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. 199

Wald, wie späterhin, als der Naturmensch den Begriff eines Waldes
entdeckte und den Namen verallgemeinerte. Bei den Serben und
Chrowoten heißt man noch jetzt den Sarg les, lis oder lijes, Baum.
Das ist ein Überlebsei aus der uralten Zeit, als man die Toten noch
in ausgehöhlten Baumstämmen bestattete. Die menschliche Seele ist
von Ursprung an eine Baumseele und daher muß man sie dem Baum
wieder zurückgeben. In der Urzeit bestellte man den Erdboden ohne
Pflug, denn der ist eine junge Erfindung, sondern scharrte ihn blos
mit einem Stichel, ralo auf, der aber bestand nicht wie heutzutage
aus Eisen, sondern aus einem Baumpfahl, einem leśu. Dieser Name
verblieb auch dem Pflug (vergl. Krauss, Die Volkskunde i. d. Jahren
1897—1902, Erlangen 1903, S. 60 f. Anm.). In uralten Zeiten glaubten
die Völker, wie vielfach auch noch heutzutage, alles leibliche Ungemach
sende über den Menschen der Waldgeist aus. Die Russen und Ru-
thenen heißen ihn leśny. Wenn den Bauern eine Krankheit heim-
sucht, so geht man in den Wald und verkeilt das Leiden in einen
Baum hinein oder man bedroht den Baum mit dem Unfällen. Fällt
der Baum, fällt auch der ihn bewohnende Geist. Den Chrowoten und
Serben ist im Sprachgebrauch das Wort leśny im Sinne von Wald-
geist abhanden gekommen, oder vielmehr sie haben diese seine alte
Bedeutung vergessen, nicht jedoch ihren Glauben und Brauch. Nun
stellt sich beim Manne die Impotenz ein. Wer ist schuld daran? Der
lijes, aber man bezieht das Wort gegenwärtig, wie erwähnt auf einen
Sarg oder auf ein Ackergezeug. Einen Sarg zu zerstören geht nicht
gut an, weil man doch nicht gleich einen zur Hand hat, folglich greift
man zu einem lijes, der einen Ackerwagen bezeichnet und läßt an
ihm seinen Unmut aus. Indem man ihn zerlegt, bricht man die Kraft
des Baumgeistes und die Potenz tritt von selber wieder auf. So hat
der Glaube den Sprachgebrauch überlebt Meine Auslegung ist nicht
unwahrscheinlich, wenn man z. B. ein anderes Überlebsei in Betracht
zieht, über das ich vor Jahren an einer anderen Stelle geschrieben.
An manchen Orten pflegen die Chrowoten und Serben selbst im
heißen Hochsommer einen Toten auf einem Schlitten zu Grabe zu
fahren, obwohl sie Wägen haben oder den Leichnahm bis zum Friedhof
tragen könnten. In ihrer nordischen Urheimat pflegten die Vorfahren
die Verstorbenen auf Schlitten in den Wald zu schaffen. Damals
hatten sie wohl noch keine anderen Fuhrwerke. Der Brauch vererbte
sich bis auf unsere Zeit, obgleich der Schlitten überflüssig geworden.
Vergl. darüber Theodor Volkov. Le traineau dans les rites funé-


200

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

raires de ГUkraine, Paris 1896 und dazu Krauss, Allgemeine Me-
thodik der Volkskunde (1891—97), Erlangen 1899, S. 100.

35. Lijes.

Ovako rade u mnogim krajevima sjeverne Dalmacije, kao i u prići
Lijes. U ovom obicaju u njekim mjestima pośto mladenci rastave sve
komade lijesa, porazbacaju te komade na dvije strane, desno i lijevo
pa onda drżeći se za ruke progju kroz sredinu prostora livade iii
oranice, na ćijoj su desnoj i lijevoj strani porazbacani komadi lijesa.
Tada će mladożenja, bez sumnje, probiti mladu.

Erhoben von Dr, Alexander Mitrovic in Knin.

Das Ackerzeug.

So macht man es in vielen Gegenden Norddalmatiens, wie dies
in der Erzählung vom Ackergezeug geschildert wird. Dieser Brauch
erfährt an einigen Orten eine Ergänzung: Nachdem das junge Ehe-
paar alle Bestandteile des Ackergezeuges auseinandergelegt, werfen
sie diese Stücke auf zwei Seiten, nach rechts und links hin und gehen
hierauf Hand in Hand mitten durch den Zwischenraum der Wiese oder
des Ackerfeldes, auf dessen rechter und linker Seite die Ackergezeug-
stücke umhergeworfen liegen. Alsdann wird der junge Mann ohne
Zweifel die junge Frau durchbrechen.

Anmerkung. Dieser Brauch bekräftigt meine der vorangehenden
Erzählung angeschlossene Auslegung. Ursprünglich übte man den
Brauch im Walde, indem man zwischen Bäumen hindurchschritt. Über
diesen Brauch vergl. die klassische Untersuchung von Henri Gaidoz,
Un vieux rite médical. Festschrift zu Ehren Anatole de Barthélémy^,
Paris 1892. Jan Karłowicz, Nachträge dazu, Melusine 1897 aus dem
poln. Volksglauben, mehr darüber gab er in der Wisła; H. F. Feil-
berg, Zwieselbäume nebst verwandtem Aberglauben in Skandinavien,
Zeitschrift d. Ver. f. Volkskunde VII. Berlin 1897. — Im allgemeinen
über den Vorstellungkreis: W. Mannhardt, Der Baumkultus d. Ger-
manen und ihrer Nachbarstämme. Berlin 1875. Dazu die wichtigen
Ergänzungen H. F. Feilbergs, Die Baumseele bei den Nordgermanen.
Am Urquell, Hamburg 1894, und hinsichtlich des serbischen Volk-
gebietes Tihomir R. Gjorgjevic: Ostaci obozavanja drveta u nas.
Karadzic, list za srpski nar. zivot. Aleksinac 1901, sowie ebenda die
Nachträge dazu von Bovic und Stanoje M. Mijatovic.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

201

36. Granćice glogova і trnova drveta.

Vjencalo se dvoje mladih, jakih і zdravih. Vjencalo se na Mitrov
dan a do Gjurgjeva dana mladożenja nije mogao da probije mladu.
Svakako se mućio. Padao mu obraz pod nogę, kad bi samo pogledao
svoju zgodnu i lijepu a joś neprobijenu żenicu. Kurac mu se nikako
nije mogao dignuti, kad bi legao sa żenom. Od puste strasti i njemu
i njoj tijelo se napunilo ćira. Krv je vrela i kod jednog i kod dru-
goga a nije mogła da nagje oduśka.

Svekrva mlade poznała je na njoj, da je mući njeka muka. Vidjela
je da joj redovno dolazi źensko pranje pa je znała, da joj nevjesta
nije zatrudniła. Jednom je okupi, da joj każe, śta je muci. Mlada joj
sve po istini każe pa je zamoli za pomoc.

Żao bijaśe svekrvi, da joj kuca ostanę bez poroda a i da joj se
sin i nevjesta muce. Trażila je pomoći na sve strane, ali joj niko
niśta nije znao reći. Najposlije ćuje, da u Bośni ima njeka vracara,
koja lijeći i od toga. U zimsko, najnezgodnije doba udari svekrva
u Bosnu, preko brda i dolina. Jedva, na sve duge jade, nagje u Bosnu
vracaru. Isprića joj muku sinovljevu i neyjestinu.

Evo ti stalne pomoći, — reće joj vracara, Prużi joj nekoliko
granćica glogova i trnova drveta pa je stade ućiti: ,Neka tvoja nevjesta
svom mużu saplete od ovoga mali kosić a na dnu kośića neka napravi,
u pletenju, rupu, kroz koju ti sin może provuci svoje udo. Za dvaest-
ćetiri sata neka ti sin, svaki put kad hoće da pusti vodu, provuce udo
kroz tu rupu pa neka tako pisa. Ako mu to ne pomogne, drugo neće!'

Svekrva dobro nagradi vracaru. Uze glogovo i trnovo drvo te
ga odnese kuci. Kuci stigne na dva dana prije Gjurgjeva dne. Ne-
vjesta i sin, korne je mlada kazała, kuda mu ode majka, ocekivali su
je kao ozebao sunce. Bojali su se, da je led i zima ne pometośe.
Kad je svekrva dośla kuci, dade nevjesti glogovo i trnovo drvo i kaza
joj, Śta reće vracara. Nevjesta iste veceri od tih granćica saplete
kosić sa rupicom pri dnu pa ga dade mużu i kaza mu, śta treba da
radi. Muź je posluśa pa je do sutra dan na vecer puśtao vodu kroz
onu rupu u kośiću. Kad se navrsilo dvaesticetiri sata і kad muź leże
sa żenom, njemu se ukruti kurac kao batina. Probije żenu kao od
Sale. Do zore su se milovali і jebavali blagosivljajuci bosansku vra-
caru. Nikad im nije do tada osvanuo ljepśi i srećnije Gjurgjev dan.
— Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitr o vie in
Knin.


202

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

Zweiglein vom Weißdorn- und Schwarzdornholze.

Ein junges Paar, kräftige und gesunde Menschenkinder, ließ sich
trauen. Die Trauung fand am Demetertag (am 18. November) statt,
doch es nahte schon der Georgtag (am 6. Mai) und der junge Ehe-
mann erwies sich unvermögend seine junge Frau durchzubrechen. Er
mühte sich auf alle Arten ab. Beschämung verzehrte ihn schier bis
zur Fußsohle, warf er nur einen Blick auf sein begehrenwertes und
schönes, aber annoch undurchbrochenes Weibchen hin. Auf keine
Weise konnte sich ihm der Zumpt erheben, wann er sich mit dem
Weibe niederlegte. Vor wüster Leidenschaft war sowohl ihm als ihr
der Leib voll Pusteln geworden. Das Blut siedete sowohl bei dem
einen als dem anderen und konnte nirgends Erleichterung finden.

Die Schwiegermutter der jungen Frau erkannte an ihr, daß sie
von irgend einer Qual abgequält werde. Sie sah, daß sie regelmäßig
ihre weibliche Reinigung bekomme und wußte darnach, daß ihre
Schwiegertochter nicht schwer geworden. Einmal bestürmte sie sie,
damit sie ihr gestehe, was sie bedrücke. Die junge Frau sagte ihr
alles wahrheitgemäß und bat sie um ihren Beistand.

Der Schwiegermutter tat es leid, sollte ihr Haus ohne Nachwuchs
bleiben, aber auch daß ihr Sohn und ihre Schnur sich abmartern.
Sie suchte allerwärts um Hilfe, doch niemand wußte ihr das geringste
zu sagen. Endlich erfährt sie, in Bosnien lebe eine Zauberfrau, die
auch davon heile. In winterlicher, allerungünstigster Zeit schlug die
Schwieger den Weg über Berge und Täler nach Bosnien ein. Endlich
nach allen den langen Leiden traf sie in Bosnien die Zauberfrau an.
Sie erzählte ihr haarklein die Qual des Sohnes und der Schnur.

— Da hast du eine zuverlässige Abhilfe, sagte die Zauberfrau
zu ihr. Sie überreichte ihr einige Zweiglein vom Weißdorn- und
Schwarzdornholze und hub sie zu unterweisen an: ,Deine Schwieger-
tochter soll ihrem Gatten daraus eine kleine Scheibe flechten, auf dem
Grund des Geflechtes aber, im Flechten eine Lücke belassen, durch
die dein Sohn sein Glied durchziehen kann. Während vierundzwanzig
Stunden soll dein Sohn, so oft er Wasser lassen will, durch selbes
Loch das Glied durchziehen und so pissen. Wenn ihm das nicht hilft,
ein anderes tuts nichtl'

Die Schwieger belohnte reichlich die Zauberfrau. Sie nahm das
Weißdorn- und Schwarzdornholz und trug es heim. Daheim traf sie
zwei Tage vor Georgi ein. Die Schnur und der Sohn, dem die junge
Frau mitgeteilt hatte, wohin sich seine Mutter begeben, erwarteten sie


Erotik und Skatologie im Zauherbann und Bannspruch.

203

sehnsüchtig wie ein Halberfrorener den Sonnenaufgang. Sie waren in
Angst, Eis und Winterkälte hätten die Mutter verschlagen. Nach ihrer
Heimkunft übergab die Schwieger der Schnur das Weißdorn- und
Schwarzdornholz und teilte ihr mit, was die Zauberfrau gesagt. Am
selben Abend flocht die Schwiegertochter aus diesen Zweiglein die
Scheibe mit der Lücke im Boden, gab sie dem Gatten und wies ihn
an, was er zu tun habe. Der Mann folgte ihr und ließ sein Wasser
bis zum Abend des morgigen Tages durch jenes Scheibenloch hin-
durch ab. Nach Ablauf von vierundzwanzig Stunden und als sich der
Mann mit seinem Weibe niederlegte, versteifte sich ihm der Zumpt
wie ein Stock. Er durchbrach das Weib wie im Scherz. Bis zum
Morgengrauen liebkosten und vögelten sie miteinander, die bosnische
Zauberfrau segnend. Bis dahin war ihnen noch niemals ein schönerer
und glücklicherer Georgtag angebrochen.

Anmerkung. Die Zauberlösung besteht in diesem Falle in einer
Teildurchziehung. Zur Erklärung vergleiche die zu N0. 35 angemerkten
Schriften.

37. Prekrśene granćice.

Poslije crkvenog vjencanja svatovi pratili mladence mladożenjinoj
kuci. Pjevali su, pucali iz puśaka і veselo skakali. Mlada, zadovoljna,
obijesna a radujući se noći brała je cvijece i otkidala granćice sa sta-
bala. Kad svedose mladence u loźnicu mladożenji nikako da ustane
kurac. Mlada se od muke uzjogunila pa kori mladożenju, da je slab
i ni za śto. Jedva im je svanulo a da ne ućiniśe niśta.

Ćim je svanulo mladożenja odleti njekoj babi pa joj isprića svoje
jade i zamoli je za pomoc. Baba je dobro poznavala i mladożenju
i mladu. Bila je uvjerena, da uroka nema, jer u selu nijesu imali
duśmana.

— Da nije tvoja mlada, — upitaće baba, — idući kuci sa svato-
vima prekrśila kakvu granćicu a da je nije prekinula, nego ostavila da
visi? Ako je to uradila, neka odmah nagje tu granćicu, neka je pre-
kine da ne visi pa neka je donese kuci iii baci u polje. Tada ćeś
joj probiti pićku kao smokvu prstom.

Mladożenja vrati se kuci, digne mladu pa putem, kojim su ih
svatovi pratili mlada prekine i baci u polje sve granćice, za koje se
sjećala, da ih je jućer prekrśila a nije ih prekinula. Do prvog sumraka
svrsise taj posao i veselo odośe kuci. Idući kuci mladożenji se nadizao
kurac pa je od muke htio u polju da prevali i probije mladu. Radi


204 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Die geknickten Zweiglein.

Nach der kirchlichen Trauung geleiteten die Hochgezeiter das
Brautpaar zum Hause des Bräutigams. Sie sangen, schössen aus
Büchsen und hüpften fröhlich. Die junge Frau, zufrieden, übermütig
und auf die kommende Nacht sich freuend sammelte Blumen und knickte
von den Baumstämmen Zweiglein ab. Als man das Brautpaar ins Schlaf-
gemach zusammengeführt, wollte dem jungen Ehemann auf keine
Weise der Zumpt aufstehen. Vor Qual begann die junge Frau ernstlich
zu schmollen und tadelte den jungen Gatten, er wäre ein Schwäch-
ling und tauge keinen Pfifferling. Der Morgen mochte schier nicht
grauen und ausgerichtet hatten sie gar nichts.

Kaum war die Morgendämmerung angebrochen, flog der junge
Gatte hin zu einem gewissen alten Weibe und erzählte ihr haarklein
seine Leiden und erbat sich ihre Hilfe. Die Alte kannte gut sowohl
den jungen Ehemann als seine junge Frau. Sie war überzeugt, daß
hier keine Beschreiung vorliege, denn die hatten im Dorfe keinen Feind.

— Ob wohl nicht deine junge Frau, — fragte ihn die Alte, —
auf dem Heimwege mit dem Hochzeitzuge irgend ein Zweiglein
geknickt, ohne es abzubrechen, sondern es hängen gelassen hat? Wenn
sie das getan, so soll sie augenblicklich dies Zweiglein auffinden, es
abbrechen, damit es nicht herabhänge und es zu sich heimbringen oder
aufs Feld hinwerfen. Dann wirst du ihr die Voze, wie mit dem Finger
eine Feige durchschlagen.

Der junge Ehemann kehrte nach Haus zurück, stöberte die junge
Frau auf und entlang dem Wege, auf dem sie der Hochzeitzug ge-
leitet, brach die junge Frau alle die Zweiglein ab und warf sie aufs
Feld weg, von denen sie sich entsann, daß sie sie am Vortag geknickt,
doch nicht abgebrochen habe. Bis zum Schummerunganfang beendigten
sie dieses Geschäft und fröhlich zogen sie heimwärts. Auf dem Heim-
wege erhob sich dem Ehemann der Zumpt und vor Pein wollte er
schon auf dem Felde seine junge Frau niederwälzen und durchbrechen.
Aus Schamgefühl vor den Leuten unterließen sie es doch auf dem
Felde. Kaum aber langten sie daheim an, mochte der junge Ehegatte

stida od svijeta to ne uradiŚe u polju. Ćim dogjośe kuci, mladoźenja
nije htio da éeka vecere, nego izvali mladu na postelju, digne joj nogę
i od prve zabije joj u pićku kurac sve do muda. Tek u zoru, bez
vecere ali zadovoljni jebavanjem, malko usnuśe poslije tolikih muka.
Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic in Knin.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

205

gar nicht erst aufs Nachtmahl warten, sondern wälzte der Länge nach
die junge Frau über die Bettstatt hin, hob ihre Beine in die Höhe
und auf den ersten Stoß rannte er ihr in die Voze den Zumpt bis zu
den Hoden ein. Erst im Frührot, ohne Nachtmahl, doch vom Gevögel
befriedigt, schlummerten sie ein wenig nach so großen Qualen ein.

Anmerkung. Aus Neugierde lugten die Vilen, die Baumgeister
zu den Zweiglein auf ihre bräutliche, menschliche Schwester aus, die
aber knickte sie aus Übermut. Zur Strafe fur den Frevel lähmten sie
dem Brautmann das Glied. Um den Bann zu beheben, mußten eben
die Zweiglein, die Zeugen der Missetat, beseitigt werden. Das erkannte
ganz scharfsinnig die alte zauberkundige Frau und ihr Rat war gemäß
dem slavischen und allgemein menschlichen Völkerglauben. Vergl.
W. Mannhardt, Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbar-
stämme, Berlin 1875. S. 10—12 und S. 34—38.

38. Suvi Sjjivov panj.

Ako żeńska ne će da rodi iza prvog djeteta, onda neka uzme
poslećić — od pupka ko użićica — pa neka kroz njedra, kroz nastavak
provuce toliko puta, koliko godina oće da nema djece a uvijek neka
naćini uzao. Taki se posledak zakopa pod suvi panj od Sljive pa se
każe: ,Kakogod ovaj slivov panj rodio tako i ja rodilal' Ako bi żeńska
htjela da ima dijete onda neka rano u jutro krene onoj Sljivi i neka
krene ono mjesto, gdje je posledak zakopan. — Von der Zauberfrau
in Skrabutnjik in Slavonien.

Der dürre Zwetschkenbaumstamm.

Mag ein Frauenzimmer nach dem ersten Kinde nicht wieder ge-
bären, so nehme sie den Nabelstrang — vom Nabel wie ein Bändchen
— und ziehe ihn so oft durch den Busen, durch den Hemdbrustlatz
durch, als sie Jahre hindurch kinderlos bleiben will und jedesmal soll
sie einen Knoten [in den Nabelstrang] knüpfen. Solch einen Nabel-
strang vergräbt man unter dem trockenen Stamm eines Zwetschken-
baumes und spricht dazu: ,Sowie dieser Zwetschkenbaumstamm Früchte
tragen wird, so möge ich auch gebären!1 Sollte das Frauenzimmer
doch wieder ein Kind haben wollen, so begebe sie sich frühzeitig
morgens zu jener Zwetschke und beseitige die Stelle, wo der Nabel-
strang vergraben liegt.

39. Dvije vrece.

Ako muż ne może da probije żenu, obicavaju u tom se pomoći
na dva nacina.


20б

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Uzmu dvije prazne vrece. Jednu, svezanu metnu u drugu pa і tu
svezu. Grla u vrece okrenu s jedne strane. Vrece na taj naèin vezane,
prostru koliko mogu na zemlju pa muź na njih povali zenu. Pojebaće
je, da ne fali.

Iii, vezu tako dvije vrece. Jednu uvuku u drugu a grlo jedne
okrenu prema dnu druge. Oba grla treba da budu vezana. Prostru
vrece na zemlju pa se lako і veselo pojebu, — Erhoben in Nord-
dalmatien von Dr. Alexander Mitrovic in Knin.

Zwei Säcke.

Vermag der Gatte seine Gattin nicht zu durchschlagen, so pflegen
sie sich in diesem Falle auf zweierlei Weisen zu helfen.

Sie nehmen zwei leere Säcke. Den einen, der zugebunden, tun
sie in den andern hinein und binden auch den zu. Die Sackmündung
stülpen sie von der einen Seite um. Die auf diese Art gebundenen
Säcke breiten sie, so gut es angeht, auf der Erde auf und der Gatte
wälzt darauf das Eheweib nieder. Er vögelt sie ab, es ist unfehlbar.

Oder, man bindet so die Säcke: sie ziehen den einen in den an-
deren ein und stecken die Mündung des einen gegen den Boden des
anderen. Beide Mündungen müßen zugebunden sein. Die Säcke
breiten sie auf dem Erdboden aus und vögeln leicht und fröhlich.

Anmerkung. Man bannt die dem Beischlaf feindlichen Geister
in die Säcke hinein und beraubt sie ihrer Kraft und Macht, indem man
ihnen sowohl die Schamteile zeigt als auch in dem man auf ihnen den
Beischlaf ausübt, d. h. mittelbar sie selber geschlechtlich gebraucht.
Die hiebei ehemals vermutlich gebräuchlichen Bannsprüche gerieten
in Vergessenheit. In Thüringen und Franken kann, wer es versteht,
die plagenden Spuckgeister in Säcke packen, durchprügeln und in
wüste Orter tragen und bannen, in Sümpfe, Haselnuß, Schwarzdorn-
und Eichengesträuche. In der Oberpfalz und im Harz läßt man die
behexte Kuh in einen Sack, am besten in einen Erbsack pissen und
prügelt den Sack mit einem Dornenbusch; so wird die Hexe zer-
schlagen. Vergl. Dr. A. Wuttke D. deutsche Volksaberglaube d. Gegen-
wart. Dritte Bearbeitung v. E. H. Meyer. Berlin 1890, S. 774 und 702,

40. Popovski blagoslov.

Vjencalo se dvoje (mladih. Oboje zdravi kao zdrava drenovina.
Kad su na vecer legli i poćeli se milovati, nikako mladożenji da se


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch

207

digne kurac і da mladoj probije pièku. On, żeljan pićke a ona kurca,
mućili su se i znojili su se cijelu noć. Badava je bilo sve.

Oboje mladi i zeleni nijesu htjeli nikome da kaźu to. Ni otac ni
majka mladożenje i mlade nijesu za to doznali. Noći su prolazile
a mlada bi podranila cijela kao ubrata ruźa na ljetnom suncu. Momak
se svakako mućio ali nije mogao da uspije. Tużio se drugovima svojim
ali піко nije znao, da mu pomogne. Siljali su ga ljekarima ali on od
stida nije htio da ide.

Razgovarajuci se sa svojom mladom o toj nevolji, dogovore se,
da odu svom svesteniku pa da ih on spoji svetim molitvama. Neka
im digne to cudo iii tugji urok, radi koj ega oboje pogiboSe. Kad bi
momak danju bio na radnji i pomislio na svoju zenu, kurac bi mu se
odmah digao. Kad bi na vecer legao uz nju, nije ga mogao ni
maknuti.

Jedne nedjelje po liturgiji, odu popu. Ispovjede mu se cisto
i bistro. Pop ih utjesi, jer da će biti pomoći. S oltara digne nekakvu
veliku knjigu. Rastvori je. Nagje u njoj nekakvu molitvu. Mladencima
pokri glavu petrahiljem і stade da cita iz knjige. Kad je bio gotov
sa ćitanjem, mladenci poljube knjigu i popa u ruku. Odu veselo kuci.
Na vecer u postelji mladożenji se digne kurac, kao da je gvozdeni
śtap u nj uvukao. Probio je mladu і od tada je jebavao, kad je
god htio. — Erhoben in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic
in Knin.

Des Popen Besegnung.

Ein junges Paar hatte sich trauen lassen. Beide kerngesund, wie
gesundes Kornellkirschholz. Als sie sich am Abend niederlegten und
mit einander zu kosen anhüben, mochte sich dem jungen Ehemann
um keinen Preis der Zumpt erheben und es gelang ihm daher nicht,
der jungen Frau die Voze durchzuschlagen. Er voll Sehnsucht nach
der Voze und sie nach dem Zumpt bemühten sich und schwitzten sich
die ganze Nacht ab. Alles war vergeblich.

Beide jung und grün wollten niemand etwas davon verraten.
Weder Vater noch Mutter des jungen Mannes und der jungen Frau
erfuhren davon etwas. Die Nächte verrannen, die junge Frau aber
erwachte früh morgens unversehrt als wie eine Neugeborene. Sie
welkte im Gesichte und am Leibe dahin wie in der Sommersonne eine
gepflückte Rose. Der Bursche plagte sich auf alle Art und Weise ab,
doch konnte er nicht ans Ziel gelangen. Er klagte sein Leid seinen

*


2o8 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Genossen, doch niemand wußte ihm zu helfen. Man wies ihn an Ärzte,
doch aus Scham wollte er keinen aufsuchen.

Er besprach mit seiner jungen Frau dies Ungemach und sie ver-
abredeten, sich zu ihrem Geistlichen zu begeben, damit er sie mit
heiligen Gebeten vereinige. Er soll ihnen diese Wundererscheinung
oder diese fremde Beschreiung beheben, um derentwillen sich beide
nahezu verzehrten. Befand sich der Bursche tagsüber auf der Arbeit
und fiel ihm sein Weib in den Sinn, sofort stand ihm sein Zumpt
auf, wenn er sich jedoch am Abend zu ihr hinlegte, konnte er mit
ihm nicht einmal mucksen.

Eines Sonntags nach der Liturgie begaben sie sich zum Popen.
Sie beichteten ihm rein und klar den Sachverhalt. Der Pope tröstete
sie, denn es werde dafür eine Abhilfe geben. Er hob vom Altare
irgend ein großes Buch. Den jungen Eheleuten bedeckte er mit der
Stola das Haupt und begann aus dem Buche zu lesen. Nachdem er
mit der Verlesung fertig geworden, küßten die jungen Leute das Buch
und dem Popen die Hand. Abends erhob sich dem jungen Ehemann
im Bette der Zumpt, als ob er in ihn einen Eisenstab eingezogen.
Er durchlöcherte die junge Frau und von da an vögelte er sie, so oft
ihn dazu die Lust anwandelte.

Anmerkung. Wenn ein christlicher Geistliche in der christlichen
Kirche aus einem christlichen Buche über ein mit der Stola bedecktes
Paar ein Gebet verliest, so vollzieht er eine Kulthandlung, die jedoch,
wie im berichteten Falle noch lange keine im Sinne des wahren christ-
lichen Kultes zu sein braucht Hier trat einfach für die Bajalica (die
Besprecherin) oder den Vrac (den Heilkräutler) der Priester ein und
verrichtete im christlichen Gewände eine heidnische Kulthandlung zur
Bannung der die Begattung hemmenden bösen Geister. Nicht jeder
Pope ist von der Kraft seiner heiligen Altarbücher durchdrungen,
denn so mancher mag, wie der auf S. 198 erwähnte, wenn ihn zeitweilige
Impotenz befällt, doch lieber dem altbewährten Glauben folgen und
u lijes u sein Heil suchen. Schließlich und letzlich erweist sich der
uralte Volksglaube doch stärker und kräftiger als die tausendjährige
Herrschaft der christlichen Kirche im allgemeinen und dazu im beson-
deren der am k. k. Gymnasium und an der theologischen Lehranstalt
genossene Unterricht des Einzelnen. Und das ist fur die Wissenschaft
vom Menschen ein Glück, denn sonst stünden wir vielfach vor lauter
Rätseln des Glaubens und der Sittlichkeit und die Entwicklung-
geschichte des menschlichen Geistes wäre kaum zu ergründen.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

4L Brava.

Vjencali se zgodan momak i joś zgodnija cura. On mlad, jak
zdrav, ona lijepa, zgodna і zdrava kao dren. Rodbina i roditelji već
unaprijed veselili se lijepom porodu, koji će oni izroditi. Svatovi
i veselje bijahu veliki.

Nego, tu curu bio je zavolio drugi momak. Ona ga nije htjela
yjenćati, jer joj se bolje dopao onaj, koga je uzela. Prvi momak, da
joj se osveti, na dan njenog vjencanja kupi novu bravu. Zakljuća je
i ode u busiju na drumu, da doćeka svatove. Kad su svatovi poslije
slave i veselja iśli od kuce mlade mladożenjinoj kuci, naljegli na busiju,
u kojoj je bio momak, ovaj baci preko svatova na drugu stranu druma
zatvorenu bravu. Kljuć od brave strpa u dżep i ode kuci.

Proślo je već njekolko mjeseci od vjencanja a mlada nikako nije
mogła da zatrudni, i ako je muz jebavao svako jutro, kad god bi se
probudio. Uzaludu je iśla i popovima i manastirima, da joj ćitaju
molitve. Bila je velika żalost u kuci muzevljevoj, jer su se roditelji
njegovi, kod jedinca siae bojali, da im ne ugine koljeno. Nije niśta
pomogło. Mjeseci su prolazili a sa njima i godine. Proślo je tako
osamnaest punih godina. Stari roditelji muzevljevi pomrli, ożalośćeni,
da nemaju unuće.

Njeka baba videci toliku żalost u pustoj kuci, gdje nema poroda,
reće domaćici, da je njeko morao ureći i preko njenih svatova baciti
zabravljenu bravu. Savjetova je, neka potrażi toga, koji je to ućinio
pa neka nagje zabravljenu bravu, neka je otkljuća i da će tada odmah
zatrudni ti. Domaćica reće to s vom mużu a ovaj prijateljima i zamoli
ih, neka mu pomognu. Onaj negdaśnji momak, koji je bacio zabrav-
ljenu bravu preko svatova, vec se bio okućio i imao lijepog poroda.
Rażali mu se, śto i negdaśnja cura, koju je on htio, da yjenća, nema
poroda. Ode na onaj isti drum, preko koga je bacio bravu. Potrażi
bravu і nagje je u njekom grmu. Nagje i kljuè te bravom i kljućem
ode pravo kuci svog suparnika. Njega i żenu mu nagje taman na
rućku. Pred njima otvori bravu. Bravu baci njima na sto a on kljućem
pobjeże iz kuce.

Devet mjeseci poslije toga u samohranpj kuci zaću se djećji piać.
Otac je plakao od radosti a majka nije mogla, da se nagrli novo-
rogjenćeta. Bilo je lijepo і zdravo muśko. Na krstu mu je kumovao
do nedavno nepoznati düsmanin njegovih roditelja. Dijete je napre-
dovalo, kao mało koje u selu. Kad su mu bile dvije godine, izgledalo
je, da mu ima ćetiri. Odrastao momćić, da mu na daleko nije bilo ni

Krauss, Anthropophyteia, IV. I4


2IO

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

slićnog a kamo li jednakog. A kako і ne bil Roditelji su ga gradili
osamnaest godina і devet mjeseci. — Erhoben in Norddalmatien von
Dr. Alexander Mitrovic in Knin.

Das Sperrschloß.

Ein prächtiger Jüngling und noch ein prächtigeres Mädchen hatten
sich trauen lassen. Er kräftig und gesund, sie schön, stramm und ge-
sund wie ein Kornellkirschbaum. Die Sippen und die Eltern freuten sich
schon im voraus über den schönen Nachwuchs, den die in die Welt
setzen werden. Groß war die Hochzeit und das Freudenfest.

Aber, zu diesem Mädchen hatte ein anderer Bursche Liebe gefaßt,
doch mochte sie nicht die seine werden, weil ihr jener besser gefiel,
den sie zum Ehegatten nahm. Um sich zu rächen, kaufte der erstere
Jüngling an ihrem Trauungtage ein neues Schloß. Er sperrte es ab
und begab sich in einen Hinterhalt an der Landstraße, um dem Hoch-
zeitzuge aufzulauern. Als die Hochgezeiter nach der Feier und Fest-
freude vom Hause der Braut zum Hause des Bräutigams daherkamen
und in den Hinterhalt gelangten, in dem steh der Bursche verbarg,
schleuderte der über die Hochzeitleute auf die andere Seite der Land-
straße das abgesperrte Schloß hin. Den Schloßschlüssel stopfte er
sich in den Sack hinein und ging heim.

Es waren bereits einige Monate seit der Trauung verstrichen, die
junge Frau aber konnte auf keine Weise schwanger werden, obwohl
ihr Gatte sie jeden Morgen, so oft er erwachte, zu vögeln pflegte.
Vergeblich suchte sie so Popen als Klöster auf, damit man ihr Gebete
vorlese. Große Trauer herrschte im Hause des Ehemannes, denn da
er der einzige Sohn war, befürchteten seine Eltern, ihr Stamm könnte
verlöschen. Es half rein nichts. Die Monde verstrichen und nach den
Monden auch die Jahre. So vergingen volle achtzehn Jahre. Die
alten Eltern des Ehemannes starben dabin, tief betrübt, daß sie ohne
Enkel geblieben.

Als da ein altes Mütterchen so großes Leid im wüsten Heime
sah, wo kein Nachwuchs sproßte, sagte es zur Hausvorsteherin, es habe
sie wohl jemand beschrien und über die Hochgezeiter ein abgesperrtes
Schloß geworfen haben müssen. Sie beriet sie, den Täter aufzusuchen,
damit er das abgesperrte Schloß auffinde und es aufsperre und dann
werde sie sogleich schwanger werden. Die Hausvorsteherin sagte dies
ihrem Gatten und der seinen Freunden und bat sie um ihren Beistand.
Jener ehemalige Jüngling, der das abgesperrte Schloß über den Hoch-
zeitzug geworfen, hatte schon ein eigenes Heim gegründet und besaß


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

211

eine ansehnliche Nachkommenschaft. Er empfand auf einmal Mitleid,
daß nicht auch das Mädchen von dazumal, das er heimfuhren gewollt,
einen Nachwuchs habe. Er suchte nach dem Schloße und fand
es in einem Strauch vor. Er fand auch den Schlüssel und begab sich
mit Schloß und Schlüssel schnurstracks ins Haus seines Widersachers.
Ihn und sein Weib traf er just beim Mittagessen. Vor ihnen eröffnete
er das Schloß. Das Schloß warf er ihnen auf den Tisch hin, mit dem
Schlüssel aber rannte er aus dem Haus davon.

Neun Monate darnach vernahm man in dem bisherigen Einsiedler-
hause eines Kindes Geschrei. Der Vater weinte vor Freuden und die
Mutter konnte sich schier gar nicht genug tun an Umhalsungen des
Neugeborenen. Es war ein schönes und gesundes Knäblein. Bei der
Taufe stand ihm Gevatter der bis unlängst unbekannte Feind seiner
Eltern. Das Kind gedieh, wie wenige im Dorfe. Mit zwei Jahren
schaute es wie ein vierjähriges aus. Es wuchs da ein Bürschlein heran,
wie weit und breit kein ähnlicher, geschweige denn ein gleicher ge-
funden war. Und wie denn auch nicht! Seine Eltern bosselten ja an
ihm achtzehn Jahre und neun Monate lang herum.

Anmerkung. Vergl. Dr. Ad. Wuttke, Der deutsche Volksaber-
glaube der Gegenwart Dritte Bearbeitung v. E. H. Meyer, Berlin 1900,
S. 574: ,Bei der Entbindung muß man alle Schlösser im Hause an
Türen und Kasten usw. aufmachen, so gebiert die Frau leichter.' Über
die allgemeinere Verbreitung dieses Glaubens in alter und neuer Zeit,
Felix Liebrecht, Zur Volkskunde, Heilbronn 1879, S. 360.

42. Katanac u moru.

Momak se zagledao u curu. Zaprosio je i već roditelji urekli
vjencanje. U djevojku bio je zaljubljen i drugi momak, ali ga je dje-
vojka odbiła. Ona je bila bogatog roda a on siromah. Nije htjela
da ga vjenca. Siromah momak zarekao se, da će joj se osvetiti і da
ne će imati sreće u njenom braku. Na dan vjencanja sa prvim, bo-
gatim momkom, siromah momak kupi novi katanac sa dobrim kljućem.
Poslije svrSenog crkvenog vjencanja ode na morsku obalu. Na obali
zatvori kljućem katanac. Pokusa, da li je dobro zatvoren. Kad se
o tome uvjerio, zavitla katancem u sinje more i reće: ,Kad ovaj ka-
tanac iz mora izagje i kad se otvori, danaśnji mladożenja probiće tek
svoju mladu.4 Kljuc od katanca baci takogje u more.

Mladenci proslavtèe vjencanje. Svedose ih u postelju, Poćeśe se
ljubiti і milovati, ali se mladożenji nikako, u poćetku, nije mogło napeti

14*


212

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

udo. Tek pred zoru nadigne mu se kurac i htjede da probije mladu.
Nije joj se udom dobro ni pribliżio pićki koja je, sva oznojena, bila
u vatri a kurac mu se na veliku żalost, zbije, prosu i ne ućini niśta.

Razumjeli su, da je njekakav urok po srijedi. Nijesu im pomogli
ni popovi ćitanjem evangjelija, ni vracare vracanjem. On je mogao
a i kuśao je, pojebati svaku drugu żensku ali nije mogao svoje żene.
Źena mu, koja se nije htjela drugome dati, umrla je djevica. — Eto
śta może zatvoreni katanac. — Erhoben in Norddalmatien von Dr.
Alexander Mitrovic in Knin.

Das Vorhängeschloß im Meer.

Ein Jüngling verschaute sich in ein Mädchen. Er warb um ihre
Hand und die Eltern bestimmten bereits den Trauungtag. In das
Mädchen war auch ein anderer Bursche verliebt, doch hatte ihn das
Mädchen abgewiesen. Sie war von reicher Sippe, er aber ein armer
Schlucker. Sie mochte ihn nicht heiraten. Der arme Bursche gelobte,
sich an ihr zu rächen und daß sie infolge dessen in ihrer Ehe kein
Glück haben werde. Am Trauungtage mit dem ersteren, dem reichen
Burschen, kaufte der arme Junge ein neues Vorhängschloß mit einem
guten Schlüssel. Nach beendigter kirchlicher Trauung begab er sich
ans Meergestade. Am Gestade sperrte er mit dem Schlüssel das
Schloß ab. Er versuchte, ob es gut geschlossen sei. Nachdem er
sich davon überzeugt, schleuderte er in einem großen Bogen das
Vorhängschloß ins blaue Meer hinein und sprach: ,Wann mal dies
Vorhängschloß aus dem Meer emporsteigt und wann es geöffnet wird,
dann erst wird der heutige Bräutigam seine junge Frau durchlöchern
könnenIі Den Vorhängschloßschlüssel warf er ebenfalls ins Meer.

Das junge Ehepaar feierte die Trauung. Man führte die Leutchen
ins Bette. Sie begannen zu kosen und einander zu herzen, doch konnte
sich dem jungen Ehemann anfangs auf keine Weise das Glied ver-
steifen. Erst gegen das Morgengrauen erhob sich ihm der Zumpt
und er schickte sich an, die junge Frau zu durchlochen. Noch hatte er
sich mit dem Glied der Voze, die ganz in Schweiß gebadet und in
Feuer war, nicht recht genähert, als ihm zum größten Leidwesen der
Zumpt umknickte, sich entleerte und gar nichts verrichtete.

Sie begriffen, daß dabei irgend eine Beschreiung mit im Spiele
sei. Da halfen ihnen weder die Popen mit Vorlesungen aus dem
Evangelium, noch die zauberkundigen Weiber mit Zaubermitteln. Er
konnte wohl, wie es Versuche bewiesen, jedes andere Weibsbild ab-


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. 213

vögeln, nur seine eigene Ehegattin nicht. Seine Frau, die sich einem
anderen nicht hingeben mochte, starb als Jungfrau. — Da sieht man,
was ein gesperrtes Vorhängschloß zu bewirken vermag I

43. Katanac u zemty.

Zavoljeli se momak і cura. Malo kasnije yjenèali se і veselo
proslavili svadbu. Bila u selu stara djevojcura, koja je zavidjela svakoj
udavaci. Na dan vjencanja momka і cure kupi novi katanac. Zatvori
ga po vjencanju i zakopa ga u zemlju a kljuc, sakrije misled na
mladence.

Kad na vecer mladenci legośe, mladożenja nikako nije mogao da
probije mladu. Mućio se і te noći i mnogo noći za tim. I jedno
i drugo da svisnu od jada. Tużni i żałosni traźili su pomoći na sve
strane. Sve im je bilo badava.

To je sve znała i gledala ona djevojcura, koja je zakopała zatvo-
reni katanac. U poćetku je uzivala u svojoj zluradosti. Najposlije je
i njoj omekśalo srce. Iskopala je katanac iz zemlje. Otvorila ga je
i bacila u more. Od tada se ono dvoje jebavalo sve u śesnaesL Tog
istog dana na vecer muź od prva probi pićku żeni. Źiyjeli su srećni
i zadovoljni. Izrodili su lijepi poród. — Erhoben in Norddalmatien
von Dr. Alexander Mitrovic in Knin.

Das Vorhängschloß in der Erde.

Ein Bursch und ein Mädchen faßten zu einander Liebe. Ein wenig
darnach ließen sie sich trauen und feierten fröhlich das Hochzeitfest.
Im Dorfe lebte ein alter Schlampen, die jeder im Brautstande Neid
nachtrug. Am Trauungtage des Burschen und des Mädchens kaufte
sie ein neues Vorhängschloß. Nach der Trauung sperrte sie es zu
und vergrub es in der Erde, den Schlüssel aber versteckte sie, wobei
sie an das junge Paar dachte.

Als sich am Abend das Brautpaar niedergelegt, vermochte der
junge Ehemann um keinen Preis die junge Frau zu durchlochen. Er
quälte sich damit sowohl in dieser als noch in vielen Nächten ab.
Das eine wie das andere möchte vor Leid aufwimmern. Betrübt und
traurig suchten sie nach allen Seiten nach Hilfe. Alle ihre Bemühung
blieb eitel.

Das alles wußte und schaute jener Schlampen mit an, die das ge-
schlossene Vorhängschloß vergraben. Anfangs ergötzte sie sich in
ihrer Schadenfreude, endlich aber erweichte auch ihr Herz. Sie grub
das Vorhängeschloß aus der Erde aus, öffnete es und warf es ins


214

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Meer hinein. Von da ab vögelten jene zwei, daß die Funken stoben.
Am Abend desselben Tages durchschlug der Ehegatte gleich auf den
ersten Stich seiner Frau die Voze. Sie lebten glücklich und zufrieden,
Sie setzten eine ansehnliche Nachkommenschaft in die Welt

44. Devet katanaca.

Igrała se Adembegovica
do po noći z gjever Muhamedom
od po noći s zaovom gjevojkom.

Ulazi joj svekrva kaduna:

— Bog t ubio, nevjestice moja I
igra mi je dodijala tvoja.

Njojzi veli Adembegovica:

— Gjevojka sam, igra mi je draga.
Evo ima devet godin dana

kako sam vam dovedena dvoru,
ne znam mlada, gje Adembeg spava,
gje li spava, gje 1 se raspasiva,
gje li snima mor misir dolamu,
gje 1 behara, bijela fistana,
gje 1 pupali kajiś sa silaha!

Vrlo muka Adembega majci.
Ona sigje na mermer avliju
pa tu ćeka sina iz ćarśije.
Srdito mu majka progovara:

— Jazuk tebi, sine Adembeźe!
Sto će tebi ljubovca gjevojka?

— Istina je, moja mila majko 1
Pa se vrati natrag u ćarśiju

pa kupuje gjuzel gjeisiju
pa on igje u selo gjevojci
pa dozivlje plemenitu Fatu
pa joj daje gjuzel gjeisiju:

— Otćin ćini, śto si ućinilal
Njemu Fata tiho progovara:

— Nikąd ti ih otćiniti ne ću!
Skovala sam devet katanaca,
kroz sve devet tebe propuśćala

i bacila u vodu studenu!


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch. 215

On je jami za bijelu ruku
pa je vodi dvoru bijelome
pa je daje ostarjeloj majci.

A on ide ljubi u odaju
pa nakiti knjigu Sarovitu
a na ruke daji Hasan agi:

— Kupi svate, dajo Hasanaga,
kupi svate, śalji dvoru morne,
sve adete kao na gjevojkul

Sve mu piśe śto je і kako je.

Kad je aga knjigu proućio

і vidio śta mu sestrić piśe,
odmah skupi kitu i svatove
pa opremi Adembega dvoru
te odvede Adembegovicu.

Adembeg se s Fatom oźenio.
Moslimisches Guslarenlied aus Bosnien. Bosanska Vila 1896. S. 379.

Neun Vorhängschlösser.

Es spielte die Adembegin — bis Mitternacht mit dem Brautführer
Mohammed, — von Mitternacht ab mit der Schwägerin, dem Mädchen.
— Bei ihr tritt die Schwiegermutter, die Edelfrau ein: — ,Gott möge
dich töten, du meine liebe SchnurI — dein Spiel ist mir schon lästig
geworden/ — Die Adembegin spricht zu ihr: — ,Ein Mädchen bin
ich, das Spiel ist mir lieb. — Es sind schon neun Jahre daher — seit
dem ich euch ins Gehöfte zugeführt worden — und noch weiß ich
junge Frau nicht, wo Adembeg schläft, — wo er wohl schläft, wo er
sich den Gürtel löst, — wo er den dunkelblauen egyptischen Dolman
ablegt, — wo den blumengeschmückten weißen Überrock, — wo den
mit Knospen verzierten Riemen vom Gewaffen.' —

Große Qual schafft dies Adembegs Mutter. — Sie steigt in den
Marmorhof hinab — und wartet hier die Rückkehr des Sohnes vom
Markte ab. — Zornig redet ihn die Mutter an: — ,Ein Schaden dir,
Sohn Adembeg! — Was taugt dir zum Eheliebchen ein Mädchen?' —
.Wahrheit ist es, meine teuere Mutter I'

Und er kehrte wieder auf den Markt zurück, — kauft ein schönes
Gewand, — begibt sich damit ins Dorf zum Mädchen — und ruft
Fata die edle, herbei — und überreicht ihr das schöne Gewand: —
,Lös die Zauberbanne, die du verhängt l' — Leise spricht Fata zu
ihm: — »Niemals werde ich sie lösen 1 — Neun Vorhängschlösser habe


2l6

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

ich geschmiedet, — durch alle neun ließ ich dich hindurchziehen —
und warf sie ins kalte Gewässer hinein!' —

Da faßte er sie an der weißen Hand — und fuhrt sie zum weißen
Gehöfte heim — und übergibt sie seiner betagten Mutter, — selber
aber verfugt er sich zum Ehelieb ins Gemach, — und schmückte einen
krausgezierten Brief aus, — wohl zu Händen des Oheims Hasanaga:
.Sammle Hochgezeiter, Ohm Hasanaga, — Sammle Hochgezeiter,
send sie zu meinem Gehöfte her, — Beobacht alle Bräuche wie zur
Brautfahrt!' —

Er schreibt ihm alles, was an der Sache ist und wie sie steht —
Als der Aga den Brief durchgenommen und daraus ersehen, was ihm
der Schwesternsohn schreibt, — versammelte er sogleich im Schmucke
Hochgezeiter — und entsandte sie zu Adembegs Gehöfte — und führte
die Adembegin als seine Braut heim. —

Adembeg aber beweibte sich mit Fata.

Anmerkung. Nach Landsitte mag die Adembegin bei ihrer
Verheiratung 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein, so daß sie als Einund-
zwanzigjährige, als eine im Käfig gehaltene Schöne noch immer an kind-
lichen Spielen Gefallen fand, zumal Adembeg ihrer niemals froh werden
mochte. Auf ihm lag Fatas Zauberbann. Nicht einmal gegen das
Geschenk eines neuen schönen Frauenanzuges wollte sie von Adern,
den sie sich selber eingebildet, den Bann lösen, und selbst wenn sie
es gewollt hätte, wäre es ihr unmöglich gewesen, weil die neun Vor-
hängschlösser auf des kalten Stromes, wohl der Bosna, tiefstem Grunde
lagen. Da handelte Adembeg wie ein Weiser des Altertums. Er
nahm kurzweg die Zauberin zur Frau und verschenkte sein unberührtes,
jungfräuliches Ehegemahl an den Oheim, dessen Potenz durch keinerlei
Zauberbann ausgeschaltet war. Der liebe gute Oheim begrüßte na-
türlich freudig die Gelegenheit, seinen Haremlyk ohne Brautkauf zu
bereichern und vergnügt zog zu ihm die zarte Lilie, denn sie blieb
sowieso in der Familie. Erschien dem Guslaren der Fall genug be-
deutsam, um ihn für das Volk zu besingen, so ist er es für uns nicht
minder als ein Beweis mehr, daß die slavischen Moslimen ebenso wie
die Brüder Christen an ihrem uralten vorchristlichen Glauben fest-
halten. Daß der Ehemann seine rechtens durch Kauf erworbene Frau
verschenken oder verkaufen darf, ist auch für die nächstbeteiligte
Frau selbstverständlich, sowie für den unbeteiligten Ethnologen, der
gewohnt ist, sich über nichts zu entrüsten.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

217

45. Devet vlasi.

Na mladi petak uzme se bijeli grah i po tri vlasi sa jednog
i drugog pazuva i izmed nogu, skine se gol pa se tako baci grah
i ovih devet vlasi u vatru i każe: ,Како ovaj grah pucketo, tako i ona
(on) za mnom pucketala (pucketo) Iі — Von der Zauberfrau in Streźe-
vica, Slavonien.

Neun Haare.

Am Neumondfreitag nimmt man weiße Bohnen und je drei Haare
unter der einen und der anderen Achselhöhle und zwischen den Beinen,
zieht sich nackt aus und wirft in diesem Zustande die Bohnen und
diese neun Haare ins Feuer hinein und spricht: .Sowie diese Bohnen
krachein, so möge auch sie (er) nach mir krachein !'

Anmerkung. Unter Krach ein ist das Farzeln bei der Ausübung
des Beischlafes gemeint. Für eine Gegenliebe ohne Gymnastik und
musikalisches Geräusch hat man in der Gegend von Strezevica kein
Verständnis.

46. Gaćnik.

Kad żena осе, da je muz voli a ovaj slabo mari za nju, ne jebe
je, kako njoj treba, onda ona uzme njegov gaćnjik i na njemu zaveze
devet cvorova, ali tako jako, da ih niko odreśiti ne more. I taj gaćnik
mete u krevet devet noći da muz na njega spava. Kad progje devet
dana, ona ga izvadi iz kreveta i baci u furunu, peć, da sav izgore,
ali furuna mora biti nova і prvi put da u njoj vatra gori. I kad u
taku furunu gaćnik izgori, onda muź zenu zdravo voli pa je pojebe
kad god joj se prohtije. — Erzählt von einem Mädchen aus einem
Dörfchen bei Pancevo, Südungarn.

Das Leinenhosenband.

Wenn ein Weib will, daß der Mann sie liebe, der sich aber wenig
um sie scheert, vögelt sie nicht, wie es ihr not tut, dann nimmt sie
sein Leinenhosenband und bindet an ihm neun Knoten, doch derart
fest, daß sie niemand aufzulösen vermag. Und dieses Hosenband legt
sie ins Bett hinein, damit der Gatte darauf neun Nächte hindurch
schlafe. Nach Ablauf der neun Tage nimmt sie es aus dem Bett
heraus und wirft es in den Backofen, damit es ganz verbrenne, doch
muß der Backofen neu sein und in ihm das erstemal Feuer brennen.
Und wenn in einem solchen Backofen das Hosenband verbrennt, dann


2ig Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

liebt der Gatte das Weib recht tüchtig und vögelt sie ab, so oft sie
die Lust dazu anwandelt

Anmerkung. Der Zauber ist klar. Daß der Gatte sie vernach-
lässigt, kommt von einem fremden Zauber her. Den übertrumpft sie
mit den neun Knoten. Indem sie sie aber verbrennt, vernichtet sie
nicht bloß ihren eigenen, sondern auch den fremden Zauber mit und
des Gatten Zeugungkraft kann sich frei betätigen. — Die Backöfen in
den Dörfern sind aus Lehm hergestellt und werden leicht rissig. Ohne
viele Mühe bÜdet man in dem Sumpfgebiet immer wieder einen neuen
zum Ersatz, so daß eine, die den Zauber anstellen will, nicht lange in
Verlegenheit wegen eines neuen Ofens bleiben kann.

47. Yraćka, da se pizdę zaćepe.

Kad se hoće, da se covek iii źena ne jebe drugim, onda treba
gledat kad pisa u dvanaest u dan a kupi se dvanaest eksera i zabije
se jedanaest u ono mjesto, gdje je piso i każe: ,Sve pizdę bile zaće-
pite, samo moja ne!4 — Mitgeteilt von einer Chrovotin in Mihaljevci,
Slavonien.

Zauberspruch zur Yozenverstopfung.

Will man es bewirken, daß ein Mann oder ein Weib mit einem
[oder einer] anderen nicht vögle, so muß man schauen, wohin er um
zwölf Uhr mittags pißt, und man kauft zwölf Eisennägel und schlägt
davon ihrer elf in die Stelle ein, wo er geprunzt hat und spricht:
»Alle Vozen sollen verstopft sein, nur die meine nicht I'

48. Da veStice ne pojedu deteta.

Kad żena rodi malo pa kad je beba nekrŚtena, ona prvi sedam
dana cuva dete a u noći donese u sobi gde je beba dve metle і te
metle prekrsti na vrata i u vrata zabode jedan noż i kredom belom
napiSe na vrata devet krstova i ta vrata ne sme nikome otvoriti dok
ne osvane dan. Kad to radi ne će dete pojesti vestice. — Mitgeteilt
von einem Bauernmädchen aus einem Dörfchen bei Verschetz in
Südungarn.

Damit die Hexen das Kind nicht aufessen.

Wann ein Weib ein Kleines gebiert und wann das Baby noch
ungetauft ist, da behütet sie die ersten sieben Tage das Kind, nachts
aber bringt sie ins Zimmer, wo das Baby ist, zwei Besen hinein und
diese Besen stellt sie kreuzweis an die Türe und in die Türe steckt


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

219

sie ein Messer ein und schreibt mit weißer Kreide auf die Türe neun
Kreuze auf und diese Türe darf sie niemanden öffnen, ehe nicht der
Tag graut Wenn sie dies tut, werden Hexen das Kind nicht aufessen.

Anmerkung. Es läge kein Grund vor, diesen Glauben hier zu
vermerken, hätte nicht anläßlich meiner Aufzeichnung eine Freundin
des Mädchens erwähnt, wirksamer als mit Kreide wären Dreckstriche
und zuverlässiger als das Kreuz der Drudenfuß. Wenn die Wöchnerin
in der Früh das Zimmer verläßt, so soll sie den Scherben mit ihren
Exkrementen voraushalten, damit sich ein etwa vorbereiteter Zauber
auf die Exkremente setze und sie, die Mutter, verschone.

49. Yoda i metla.

Prije sunca donest vode u mladi pętak і valja tu vodu razdijeliti
na tri djela і onda se metla, koja je u kutu kraj vrati okrene, da ono
ćim se mete, gore stoji i onda se polije mladim petkom, mladom
subotom і mladom nediljom prije sunca ova metla od ozgora a ispod
nje je lavor iii zdjela tako, da voda curi ova u zdjelu. Njom se opère
i każe: ,Boże pomozi i mladi pętak i mlada subota i mlada nedilja
i draga gospol Kako voda ide sa ove metle dole, tako sa mené ljubav
saślal1 — Tako se radi i u mladu subotu i mladu nedilju te se ljubav
od one stekne, koja dosad nije htjela ljubav odvracati. — Mitgeteilt
von einer Bäuerin in Drvisaga, Slavonien.

Wasser und Rutenbesen,

Man hat am Freitag im Neumond vor Sonnenaufgang Wasser zu
bringen und dies Wasser muß man auf drei Teile verteilen und hierauf
soll man den Rutenbesen, der im Winkel bei der Türe lehnt, umkehren,
so daß der Teil, mit dem man aufkehrt, nach oben steht und darauf
begießt man am Freitag im Neumond, am Samstag im Neumond und
am Sonntag im Neumond vor Sonnenaufgang diesen Besen von oben-
her und unter ihm steht ein Waschbecken oder eine Schüssel so, daß
dieses Wasser in die Schüssel hinabrinnt Damit wäscht man sich
und spricht: .Gott steh mir bei und du Freitag im Neumond und du
Samstag im Neumond und du Sonntag im Neumond und du teuerste
Gnadenfraue! Sowie dies Wasser von diesem Besen hinabgeht, so soll
von mir die Liebe abgehen Iі — So tut man sowohl am Samstag im
Neumond als am Sonntag im Neumond und erwirbt damit die Liebe
jener, die bisher die Liebe nicht erwiedern mochte.

Anmerkung, Hier ist eine Kombination von Mond-, Wasser-


220

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

und Baumseelenzauber. Jede von diesen drei Zauberweisen tritt auch
für sich allein zuweilen auf.

50. Ako se ne może svrsiti,

to jest, da ćoek iii źena da jedno od ovih ne mogu obaviti, onda
treba ovo: Kad se bika vodi sa kravom, onda metnuti krpu pod
kravu, tako da spane ono tekućine bike, śto je ko kad se żena sastane
ś covjekom, i kad bika svrsi, uzeti krpu pa se kad prvi put sastane, onda
treba krpu metnuti pod żeńsko tako, da je neśto volovske naravi na
krpu і treba zajedno kazati, ćim se muśkom iii żenskom pojavi dragost:
,Kako bika i krava svrsili, tako i mi svrsilü' — Onda valja metnuti
krpu na dnu krevetu na daske i ne treba dirat nikąd u krpe. Onda
će uvijek muż i żena svrsivati svoj poso. — Mitgeteilt von einer alten
Bäuerin in Seoci in Slavonien.

Wenn man nicht beendigen,

das heißt, wenn Mann oder Weib, eines von ihnen nämlich [beim
Beischlaf] nicht vollenden [in Verzückung geraten] kann, so hat man
folgendes [zu tun]: wann der Stier die Kuh bespringt, hat man einen
Fetzen unter die Kuh zu legen, so daß jene Flüssigkeit des Stiers,
die so ist, wie die, wenn ein Weib mit einem Manne zusammenkommt,
darauf hinabfällt, und wann der Stier beendet, hat man den Fetzen
aufzuheben und wenn man dann zum erstenmal mit einem Weibe
zusammenkommt, dann muß man den Fetzen dem Weibe so unter-
legen, daß etwas von der Ochsennatur auf dem Fetzen [sichtbar] auf-
liegt und man muß gleichzeitig, sobald sich beim Manne oder dem
Weibe die Lust zeigt, sagen: ,Sowie der Stier und die Kuh beendet,
so sollen auch wir beenden!' — Hernach hat man den Fetzen am
Ende des Bettes auf die Bretter zu legen und darf nie den Fetzen
wegtun. Darauf werden Mann und Frau immer ihr Geschäft zu Ende
fuhren.

Anmerkung. Meine Verdeutschung schließt sich eng an den
Wortlaut der Erzählerin an, um mit dem Beispiel die naturwüchsige
Stilistik zu veranschaulichen. — Die Übung beruht auf dem Glauben,
daß bei der Zeugung oder dem Beischlaf ein Geist mitwirkt Das
menschliche Paar nimmt zu seiner Handlung den Zeugunggeist des
Stieres zu Hilfe. Der Geist steckt im aufgefangenen Samen und indem
man den besudelten Fetzen ans Fußende des Bettes hängt, so bannt
man damit den Geist für beständig an das menschliche Ehebett.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

221

51. Da se żena laglje porodi.

Kad hoćemo da se żena lahko porodi, treba paziti kad petao na-
raśćuje kokośku pa ga u tome prekinuti. Onda ispadne kao neki
mehur (sapunica). To treba pred poragjanje dati porodilji da popije
pa je za ovim napojiti vodom iz muzevog levog opanka, olako joj po
strażnjici prevuci ośtru kosu, ośinuti je po dupetu uckurom (gatnjikom)
i reéi: ,Koliko petao bio na kokośki, toliko dete bilo u ovoj żeni!1
Onda će se odmah poroditi. — Erzählt vom Landmann Mihajlo Ko-
vacevic in Trstenik in Serbien, der den Zauber von einem Greis aus
demselben Orte erlernt hat.

Zur Förderung einer leichter Niederkunft.

Wollen wir die leichtere Niederkunft eines Weibes erzielen, so hat
man darauf zu achten, wann der Hahn die Gluck bespringt und ihn
darin zu unterbrechen. Dabei fallt ein Ding heraus, das wie eine
Seifenblase ausschaut. Die muß man der Gebärerin vor dem Gebären
zum Trinken eingeben und sie hernach aus dem linken Opanak des
Ehegatten mit Wasser erlaben, ihr über den Hintern leichthin mit
einer scharfen Sense fahren, ihr einen Streich mit dem Hosenband
über den After versetzen und sprechen: .Solang als der Hahn auf der
Glucke geweilt, solang möge das Kind in diesem Weibe verweilen!'
Hierauf wird das Weib sogleich gebären.

52. Yraćka, kako ćoek jebe a dobye djecu kad осе, a kad ne

ce, ne dobije.

Tri zrna graha і tri zrna ugljena to zaveze u krpu mlada prije
vjencanja — a mora da je cista, nejebena, onda vrijedi ova vracka —,
і kad осе da ima djecu, onda to baci u vatru i kad se pojavi ugljen,
kad on ozivi, onda će jebena postati noseća, a ako ne će djece, onda
krpu sa ugljenom i grahom mętne pod vanjkos i może se jebat koliko
oce, ne će imat djece. — Mitgeteilt von einer alten Chrowotin in Gornji
Lazi in Slavonien.

Zauber, wie ein Mensch vögelt und Kinder kriegt, wann er
will, und wann er nicht mag, kriegt er keine.

Drei Bohnenkörner und drei Kohlenkörner, das bindet vor der
Trauung die Braut in einen Fetzen ein — es muß aber eine jung-
fräuliche, ungevögelte sein, dann gilt dieser Zauber —, und wann sie
Kinder kriegen will, dann wirft sie dies ins Feuer, und wie sich die


222

Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Kohle zeigt, wie sie lebendig wird, dann wird die gevögelte schwanger
werden, und falls sie keine Kinder haben mag, dann legt sie den
Fetzen mit der Kohle und den Bohnen unter das Kopfkissen und kann
vögeln, soviel als ihr behagt, Kinder kriegt sie keine.

Anmerkung. In Kohle und Bohnen ruht die „Lebenskraft",
dieses Wort volkstümlich und der Glaube allgemein menschlich. Man
vergleiche die gründlichen Nachweise bei Edwin Sidney Hartland,
The Legend of Perseus. A study of tradition in story custom and
belief. Vol. II. The life-token. P. 1—45. London 1895.

53. Eto śto rade sa onim mesom і кгуЦи te ga babica izvadi

iz żene nakon porodi.

Ako porodilja żeli i dalje ragjati, onda se ono prosto iii baci iii
zakopa a ako ne żeli vise ragjati, onda se meso i krv zakopava pod
plotom pa se każe: ,Kad plot olista, onda i ova porodilja rodila!' —

V

Mitgeteilt von einem Bauernmädchen aus der Sumadija in Serbien.

Folgendes stellt man mit jenem Fleisch und Blut an, das die
Hebeamme aus dem Weibe nach dem Gebären herauszieht:

Wünscht die Gebärerin auch in Zukunft zu gebären, so wirft man
die Nachgeburt einfach entweder weg oder vergräbt sie, wünscht jedoch
die Frau nicht mehr zu gebären, dann vergräbt man das Fleisch und
das Blut unterm Zaun und spricht dazu: ,Wann der Zaun Blätter
treiben wird, dann soll auch diese Gebärerin wiedergebären Iі

Anmerkung. In den Dörfern an den Abhängen des Papukge-
birges in Slavonien ist es ständiger Brauch, die Nachgeburt, sowie
abgeschnittene Fingernägel und ausgefallene Haare unter Torpfosten
der Gehöfteumzäunung zu vergraben. Man will damit offenbar die
bösen Geister vom Besuch des Gehöftes fernhalten, indem man sie
mit dem Opfer abfertigt.

54. Krznica.

Kad żena ostanę krupna a oce da ne rodi, da pobaci dete, ona
saśije kośuljicu za dete, to jest krznicu, u kojoj se treba mało krstiti,
i tu kośulju odnese na raskrśće i ostavi je tamo i jedan novćić u ko-
śulji, i prekrsti se triputa i reće: ,Ko prvi na nju nogom stao, taj dete
odno!' To reće triputa i ukłoni se a kośulju i krajcaru ostavi na
raskrśću. I to se radi samo noću u dvanaest sati, u ponoć. — Mit-
geteilt von einem Bauernmädchen in Dolovi, Südungarn.


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Barmspruch.

223

Ghrismation.

Wenn ein Frauenzimmer in andere Umstände kommt, doch nicht
gebären, [sondern] das Kind abstossen will, so näht sie fur das Kind
ein Hemdchen, d. h. das Taufhemdehen, in dem das Kleine getauft
werden sollte, und dieses Hemd trägt sie auf einen Kreuzweg hin und
läßt es dort liegen und einen Kreuzer im Hemde, und sie bekreuzigt
sich dreimal und spricht: ,Wer der erste mit dem Fuß darauf tritt,
der trage das Kind mit sich weg I' Das spricht sie dreimal aus und
entfernt sich, das Hemd und den Kreuzer aber läßt sie auf dem
Kreuzweg liegen. Und das übt man nur nachts um die zwölfte Stunde,
um Mitternacht aus.

55. Kad se hoće da ne rodî.

Kad muŚki umre, od tog mrtvaca valja svitnjak uzet pa ga triput
zamoćit u vodu і kazati: ,Kad mrtvac ovaj ustane, onda neka se i di-
jete porodi Iі — Von einer Bürgerin in der kgl. Freistadt Pożega,
Slavonien.

Gegen das Gebären.

Stirbt ein Mann, so hat man von diesem Toten das Unterhosen-
band zu nehmen, es dreimal ins Wasser zu tauchen und zu sprechen:
,Wann sich dieser Tote erhebt, dann soll auch ein Kind geboren
werden Iі

Anmerkung. Man braucht sich über diesen Glauben bei der
Städterin nicht zu verwundern. Die chrowotischen Kleinstädter unter-
scheiden sich als kaputaŚi (Rockträger) äußerlich wohl durch ihre
deutsche Kleidung, ihre behaglichere Lebensweise und ihre Beschäfti-
gung mit der höheren Zeitungpolitik von den Bauern, sonst aber stehen
sie religiös auf der gleichen Entwicklungstufe mit ihnen.

56. Svitr\jak.

Ako żena осе da nema djece, onda neka uzme svitnjak od mrtvog
nevinog mladića, neka ga opaśe i nikad sa sebe ne skida. — Von der
Zauberfrau in Strezevica in Slavonien.

Das Unterhosenband.

Will ein Weib kinderlos sein, so soll sie das Unterhosenband von
einem toten unschuldigen Jüngling nehmen, sich damit umgürten und
es niemals von ihrem Leib abnehmen.


224 Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

Anmerkung. Unschuldig, d.h. einer, der noch kein Weib ge-
schlechtlich erkannt hat

57. РапЩіка sa mrtvaca.

Kad źena осе da ne rodi, ona uzme, to jest, dobije od koje żene
onu pantljiku iii uzicu, kojom su mrtvacu, umrlom, prvu noc vezali
ruke i tom uzicom iii pantljikom se źena opaSe oko pojasa ispod ko-
śulje, i onda tako radi sa muźem bezobrazno, jebu se, ali dece ne će
dobiti. — Mitgeteilt von einem Mädchen in Dolovi, Südungarn,

Das Bändchen vom Toten.

Will ein Weib nicht gebären, so nimmt sie, das heißt, sie bekommt
von irgend einem Weibe jenes Bändchen oder die Schnur, mit der
man einem Toten, einem Verstorbenen, in der ersten Nacht die Hände
gebunden, und mit dieser Schnur oder dem Bändchen umgürtet sich
das Weib um die Taille unterm Hemde, und darauf tut sie schamlos
mit dem Manne, sie vögeln, doch Kinder wird sie keine kriegen.

58. Da źena vise ne ragja.

a) Kad żeni umre malo dijete, onda treba da ga ta żena u lijesu
triput protrese i każe: ,Onda rodila dijete kad budem tebejoś jednom
protresla!1 — I żena onda ne će viSe roditi.

b) Kad umre dijete, onda treba nogom mrtvog djeteta zatvoriti
vrata i kazati: ,Onda rodila dijete, kad mrtvac bude otvorio vrata!' —
Mitgeteilt von einer jungen Bäuerin aus der Broder Gegend, die diese
Vorschriften von einem Hodża in Bosnisch Brod erhalten zu haben
behauptete. Er lehrte sie nur, was auch sonst das christliche chrowo-
tische Bauernvolk glaubt

Um keine Kinder mehr zu kriegen.

a) Stirbt einem Weibe ein kleines Kind, so braucht nur das Weib
es dreimal im Sarge zu schütteln und zu sprechen: ,Dann soll ich ein
Kind gebären, wann ich dich noch einmal geschüttelt haben werde l'
— Und das Weib wird hierauf nicht wieder gebären.

b) Stirbt ein Kind, so braucht man nur mit dem Fuße des toten
Kindes die Tür zu schließen und zu sprechen: ,Dann soll ich ein Kind
gebären, wann der Tote die Tür geöffnet haben wird I'

59. Lokot.

Kad se mlada na dan vencanja kupa а осе da nekoliko godina
ne dobije dete, ona u vodi u kojoj se kupa mete mali lokot i kljuć,


Erotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

225

ali lokot zakljućan, to jest, zatvoren, zabravljen; і mete jedan komad
novca od srebra, na primer jednu krunu, forintu ili desetak novcica,
i kad se okupala, ona uzme sve to, mete u svoja nedra і s tim ode
na vencanje. I onda nema dece sve donde, dok ne kupi śto za onaj
novae Sto je u vodi bio kad se kupała. I mora sama pojesti ono, śto
je za taj novae kupiła, i onda će tek ostati trudna, a ako taj novae
izgubi, nikąd ne może imat dece. — Mitgeteilt von einem Mädchen
aus Crepaje in Südungarn.

Das Yorhängschlösschen.

Wann sich die Braut am Trauungtage badet, einige Jahre lang
aber kinderlos bleiben möchte, so legt sie in ihr Badewasser ein
Vorhängschlößchen und einen Schlüssel hinein, doch das Schloß ver-
sperrt, d. h. geschlossen, zugeriegelt; und sie legt ein Silbermünzen-
stück hinein, z, B. eine Krone, einen Gulden oder ein Zehnkreuzerstück,
und nach dem Bade nimmt sie dies alles, steckt es in ihren Busen
und begibt sich damit zur Trauung. Und dann hat sie solange keine
Kinder, bis sie nicht etwas fur jenes Geld, das in ihrem Badewasser
gelegen war, kauft Und sie allein muß das aufessen, was sie um
dieses Geld gekauft hat, und dann erst wird sie schwanger bleiben;
falls sie aber dies Geld verliert, so kann sie niemals Kinder kriegen.

60- Yraćka, da jeb popada.

Valja iglu u mladu nedilju uzet pa okrenuti gore Siljato a dole
tupo pa iglu zataći iii u kose il u śto bilo; onda će jeb popadat dole
a ne gore. A ima pa gdjekoja uz lijevi kut od kośulje mętne tako
iglu. — Von einer Bäuerin aus Śkrabutnjik, Slavonien.

Zauber, damit der männliche Same zur Erde falle.

Man hat am Neumondsonntag eine Nadel zu nehmen, die Spitze
nach oben, den stumpfen Teil nach unten zu kehren und die Nadel
im Haar oder sei es in was immer zu stecken; alsdann wird [beim
Beischlaf] der Same hinab und nicht hinauf fallen. Es kommt auch
vor, daß manche so die Nadel am linken Hemdzipfel unterbringt

61. Igla u bunaru.

Ako żena осе da nema djece, onda neka baci iglu u bunar
i neka każe: ,Kad se ova igla udila, onda se meni povratio porodi*
— Von der Zauberfrau in Strezevica in Slavonien.

Krauss, Anthropophyteîa IV. I c


226

£rotik und Skatologie im Zauberbann und Bannspruch.

•Die Nadel im Brunnen.

Will1 ein Weib kinderlos bleiben, so werfe sie eine Nähnadel in
den Brunnen und spreche dazu: ,Wann diese Nadel eingefädelt werden
wird, dann soll ich wieder fruchtbar werden!'

62« Kad żena hoće da ne rodi nekoliko godina,

onda uzme od deteta prvu faćnu, naveze na faćnu toliko kvrga, koliko
godina ne će da rodi i każe: ,Koliko ja kvrga zavezala, toliko godina
ja ne rodila !1 — Mitgeteilt von einer Bäuerin aus einem Gebirgdörfchen
bei Pożega, Slavonien.

Zur Erzielung mehrjähriger Unfruchtbarkeit

nimmt das Weib vom Kind das erste Wickelband, knotet in das Band
soviele Knoten ein als sie Jahre hindurch unfruchtbar bleiben möchte
und spricht: .Soviel als Knoten ich gebunden, soviele Jahre hindurch
soll ich nicht gebären. Und sowie einer von den Knoten aufgehen
sollte, so soll ich gebären l'


Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.

Ein Reisebericht für die Anthropophyteîa.
Von Dr. Alexander Mitrovic.

In einem vom Meere weit entlegenen Karstdörfchen Norddalmatiens haust
eine greise Bäuerin, eine Zauberfrau. Das gemeine Volk glaubt, ihr wohne eine
außerordentliche überirdische moralische Kraft inne. Man wallfahrtet zu ihr und
sucht ihre Hilfe in jedem Falle, wenn es für Menschen und wenn es für das Vieh
notwendig ist. Die psychische Kraft und der große Einflu$s dieser Zauberfrau ist
so stark, daß man seit Jahrzehnten zu ihr zog und noch heutzutage suchen sie
Leute nicht nur aus Norddalmatien auf. Zu ihr pilgert und wandert das Volk aus
dem benachbarten Bosnien und Herzogtum, sowie auch die Bewohner der entfern-
testen dalmatischen Inseln. Die letzteren verlassen ihre Heimstätten und Dörfer,
sie reisen zu Fuß, zu Pferd, mit Dampfern und Eisenbahnen, über Land und Meer,
nur um zu dieser Zauberfrau zu gelangen. Der Name und die Bedeutung dieser
Zauberfrau ist gar weit über die engeren Grenzen Norddalmatiens berühmt worden.

Meine Bekanntschaft mit der Zauberfrau hat auch eine kleine Vorgeschichte.

Als ich vor einigen Jahren hier in Knin meine Advokaturkanzlei eröffnet,
kam eines Tages zu mir eine ältere Bäuerin. Sie übergab mir eine strafgerichtliche
Vorladung mit der Bitte, sie zu verteidigen. Sie war wegen Übertretung nach dem
§ 343 des österreichischen Strafgesetzes angeklagt. Dieser Paragraph verfügt:

„Wer, ohne einen ärztlichen Unterricht erhalten zu haben, und ohne gesetzliche
Berechtigung zur Behandlung von Kranken als Heil- oder Wundarzt, diese gewerb-
mäßig ausübt, — — — macht sich dadurch einer Übertretung schuldig, und soll
mit Arrest — — — von einem bis zu sechs Monaten bestraft werden."

Indem ich mich über die strafbare Sache, derentwegen die alte Bäuerin an-
geklagt war, erkundigen wollte, erzählte sie mir, daß zu ihr ein junger Mann
gekommen war, um Hilfe zu suchen. Zwei Wochen vorher hatte er geheiratet.
Er und seine Frau sind jung, kräftig und gesund. Beide wünschen die copulam
carnalem. Der Mann fühlt den körperlichen und psychischen Drang seine junge,
schöne, gesunde und kräftige Frau geschlechtlich zu gebrauchen, aber er kann es
nicht. Sobald er ihr beischlafen will, wird sein Glied so klein und schwach, daß
er den Beischlaf nicht ausführen kann. Sie, die Zauberfrau habe ihm geholfen
und der Mann habe den coitus nach Belieben, auch mehrmals täglich, vollzogen.
Die Gendarmen hätten davon erfahren und die alte Bäuerin dem Gerichte angezeigt.
Weinend bat sie mich, ich möchte das möglichste tun, damit sie nicht zu einer
Arreststrafe verurteilt werde. Eine kleine Geldstrafe würde sie sehr gerne zahlen.

15*


228 Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.

Wegen der Gesetzbestimmungen, die die Zeugen befreien, solche Fragen zu
beantworten, die ihnen Schande bringen können, wurde die alte Frau vom Gerichte
gänzlich freigesprochen und weder zu einer Arrest- noch Geldstrafe verurteilt Die
Dankbarkeit der Bäuerin für mich war überaus groß. Außer dem Honorar in
Geld, das sie mir selber gegeben, bat sie mich, ich sollte mich an sie in jedem
Falle, so oft als es meine Seele oder mein Körper bedürfen werden, um Hilfe
wenden; sie werde mir jedenfalls helfen.... Ich lachte dazu, konnte jedoch nicht
umhin ihr zu empfehlen, sie möge sich vor den Gendarmen und vor den Behörden
überhaupt hüten, um bösen Folgen auszuweichen.

Diese alte Bäuerin war die Zauberfrau. Mehrere Jahre lang sah ich sie nicht
wieder. Alles, was sie machte und zauberte, war so geschickt ausgeführt und ver-
borgen, daß die Behörden gar nichts von alldem erfuhren. Unsere, sehr wenig
vernünftigen politischen und gerichtlichen Behörden verfolgten die Zauberfrau auch
nach dem Prozesse. Sie haben den Gendarmen und den Gemeindebehörden em-
pfohlen, auf die Personen, die zur Zauberfrau gehen und die von ihr kamen,
streng acht zu geben. Sie konnten aber der alten Frau nicht schaden und sie nie
verurteilen.

Wegen der Anthropophyteia habe ich mich entschlossen, der Zauberfrau
einen Besuch abzustatten und mich bei ihr über manches, was mich als Folkloristen
anzieht, zu erkundigen. Die Zauberfrau konnte nicht zu mir kommen, da sie zu
alt ist und nirgends aus ihrem Hause hingeht. Ein serbisches Sprichwort besagt:
„Kad neće brijeg Muhamedu, hoće Muhamed brijegu" („Wenn der Berg zu Mo-
hammed nicht gehen mag, so geht Mohammed zum Berge hin")- So geschah es
auch diesmal.

An einem schönen Junitage nahm ich einen Reisebegleiter, dem die Lage des
Hauses der Zauberfrau bekannt war. Eine Strecke zu Fuß wandernd, eine andere
zu Wagen zurücklegend gelangten wir zum Haus der alten Frau. Die Zauberfrau
war mit meinem Reisebegleiter sehr gut bekannt Sie hat auch mich gleich erkannt.
Ich hoffte, daß sie zu mir Vertrauen haben und gar nichts verheimlichen, sondern
alles offen und deutlich erzählen würde. Anfangs mußte der Teufel auch hier
die Sache verderben. Eine halbe Stunde bevor ich zur Zauberfrau mit meinem
Reisegefährten gekommen, war bei ihr ein Bauer, dem das Vieh an unbekannter
Krankheit zugrunde zu gehen drohte. Der Bauer hatte die Zauberfrau aufgesucht,
um bei ihr Hilfe zu finden. Zwei Gendarmen sahen das und stürmten das Häuschen
der Zauberfrau. Sie haben das ganze arme Haus gründlich durchsucht, aber gar
nichts Gefährliches vorgefunden. Sie nahmen bloß 40 Heller, das ganze baare
Vermögen der Zauberfrau, mit; jagten den Bauer davon und drohten ihm, ihn und
die Zauberfrau dem Gerichte anzuzeigen. Diese Heldentaten begleiteten die Gen-
darmen, wie gewöhlich, mit Geschrei und Beschimpfungen. Die Beschimpfung:
„Jebem ti sto krsta i sto bogova" („Ich vögle dir hundert Kreuze und hundert
Götter") haben die Gendarmen der Zauberfrau mehrmals zugeschleudert.1) — Als

1) Die Greisin ist österreichische Staatsbürgerin. Das Vorgehen der Gen-
darmen ihr gegenüber entspricht weder dem Gesetz noch Recht im Reiche. Es
fällt mir nicht ein, mich darüber zu entrüsten, denn auch ich bin ein Staatsbürger
und bin noch schändlicher zu Schaden gekommen, weil ich mich der Volkforschung
zugewandt. Sein Recht zu suchen oder zu fordern, ist für den Minderbemittelten
barer Irrsinn; man muß froh sein, wenn man mit heiler Haut davonkommt. Krauss.


Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.

229

ich und mein Reisebegleiter zur Zauberfrau kamen, lag sie auf dem Bette. Bei ihr
waren zwei Schwiegertöchter, die sie trösten wollten, da sie ganz erschrocken war.

Das Wohnhaus der Zauberfrau ist klein und armselig, wie überhaupt unsere
Bauernhäuser. Es hat eine kleine und niedere Tür, wo sich auch Personen von
mittlerer Gestalt beugen müssen, wenn sie in das Haus eintreten wollen. Ein
kleines Fenster, das ungefähr 30 cm in der Höhe und 20 cm in der Breite hat,
gibt dem armen Hause Luft und Licht. Das Fenster hat keine Fensterscheiben.
Es wird mit einem Stücke Holz geschlossen. Weht ein starker Wind oder regnet
es stark, muß man das Fenster und die Tür verschließen. Dann ist es im Hause
hell und licht wie in — Hosen. Das ganze Haus der Zauberfrau besteht aus
einem Räume. In diesem Räume, neben dem kleinen Fenster, erstreckt sich das
arme bäuerliche Bett. Unmittelbar neben dem Bette befindet sich der kleine
Feuerherd, der sich 2—3 cm über den Fußboden erhebt. Auf dem Feuerherde
brannte ein kleines Feuer. Noch einige dreifüßige Stühlchen bildeten die ganze
Einrichtung des Hauses dieser berühmten Zauberfrau.

— Bog ti pomogao, Mando! (Gott helfe dir,1) Mandol) — begrüßte ich die
Zauberfrau mit ihrem Namen, als ich mit meinem Begleiter in das Haus eintrat.
Sofort nahm ich Platz auf einem dreifüßigen Schemel, der in der Nähe ihres
Bettes stand.

— Bog dao dobro, gospodin doktur, tebi і tvom prijatelju! (Gott gebe dir
Gutes, Herr Doktor, und deinem Freunde!) — antwortete die Zauberfrau.

Der Bauer in Norddalmatien tituliert nur die Advokaten mit Doktur. Die
Ärzte wird er nie so ansprechen, sondern gewöhnlich mit: gospodin ljekar
(Herr Arzt 1)

— Milo mi je da si doSao, pa da ti vratim milo za drago — setzte die
Zauberin ihren Gruß fort, überzeugt, daß ich meinetwegen und irgend eines meiner
Bedürfnisse halber zu ihr gekommen, um Hilfe zu suchen, die sie mir geben kann;
— sve je sa Bozje, a ne sa vrazje strane, 5to ja ćinim i pomaiem. Ima mi sedam-
deset i osam godina, a već od Cetrdeset godina travama, savjetima і molitvama
pomaiem gdje mogu і kako mogu. Du§a na tijesna vrata izlazi, pa ne treba nikada
lagati. (Es freut mich sehr, daß du zu mir gekommen bist, damit ich dir deine
Liebe vergelten kann; alles ist von Gottes- und nicht von der Teufelsseite, was ich
tue und womit ich Hilfe leiste. Ich bin 78 Jahre alt. Schon seit 40 Jahren leiste
ich mit Gebeten, Ratschlägen und verschiedenen Kräutern Hilfe, wo und wie ich
kann. Die Seele scheidet aus dem Körper durch eine enge Tür, und man soll
nie lügen.)

Während der Zeit, als die Zauberfrau so sprach, saß sie zuerst auf dem Bette.
Später erhob sie sich. Sie war ganz angezogen. Von mittlerer Gestalt, ein bischen
wegen des Alters gebeugt, mit weißen Haaren und blauen Augen, die noch immer
lebhaft sind, mit einem gewöhnlichen Stocke in der rechten Hand, den sie immer in der

1) Die serbischen Bauern sagen immer untereinander ti (du). Die Ansprache
mit Vi (Sie) ist in der serbischen Volksprache — und die ist auch die Schrift-
sprache — unbekannt. Der Bauer, der selten in die Städte kommt, sagt auch
zum Städter du. Wenn man zu ihm Vi sagt, so versteht er dies nicht Ich war
einmal zugegen, als ein Bauer mit Vi angesprochen wurde. „Korne każete to? Ja
sam sami" (Zu wem sprechen Sie so? Ich bin allein 1) fragte der Bauer erstaunt.

Dr. Mitrovic.


230

Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.

Nähe des Bettes hat, eignet der Zauberfrau ein etwas, das anderen Bäuerinnen
fehlt. Außerdem spricht sie so schön, geläufig und mit leiser Stimme, daß ich
ihr sehr gerne zuhörte.

— U cemu ti mogu pomoći Bozjom, a ne vrazjom pomoći? (Womit kann
ich dir mit Gottes- aber nicht mit Teufelshilfe nützlich sein?) — fragte sie mich.
Den Schwiegertöchtern gab sie ein Zeichen, damit sie hinausgehen, was die beiden
auch befolgten.

Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet. Der Zauberfrau konnte ich füglich
nicht sagen, daß ich sie wegen unserer Anthropophyteia aufgesucht, erstens,
weil es zu umständlich gewesen wäre, ihr über Ziele und Zwecke der Volkforschung
einen Vortrag zu halten, zweitens, weil ihr die Notwendigkeit unserer Studien viel-
leicht nicht eingeleuchtet hätte, und drittens auch deswegen, weil sie ihre Zaubereien
als größte Geheimnisse bewahrt und es nicht wünscht, daß die Öffentlichkeit davori
etwas erfahren soll.

— Der Herr Doktor — half mir mein Reisebegleiter — ist schon seit mehreren
Jahren verheiratet Er hat zwei Töchter. Er möchte aber auch einen Sohn haben.
Kannst du ihm in dieser Sache etwa helfen?

Die Zauberfrau vertiefte sich einige Augenblicke in Gedanken. Sie schaute
mir scharf in die Augen und dann sagte sie zu mir:

— Boźjom, a ne vrazjom pomoći możeS i sina dobiti. Radi, kako ću ti ja
reći, za tri ve£eri uzastopce. Kad budeS lijegao sa żenom, svuci svoju lijevu carapu
i daj je njoj, neka je obuce na svoju desnu nogu. Neka i ona tebi dade sa svoje
lijeve nogę ćarapu, pa je obuci na desnu nogu. Ustani, pa se raskoraei, a żena
neka ti tri puta progje izmegju noga i neka ti se savije oko desnog koljena. Daj
joj uz to vuneni konać, kojinl si prije izmjerio §irinu tvog i njenog vrata, pa neka
ga drżi u desnoj ruci, kad bude prolazila ispod tvojih nogu. Prolazeći ispod
tvojih nogu, neka tri puta rece:

Voda na vodu,

Riba u vodu,

A meni moj poród muśki

Na mjeru i na vjerul
Sve tri veSeri treba da ima§ grijeh sa żenom. Neka se sve tri ve£eri ona prevrne
pod tobom. Dok budeS grijeSio s njom, neka drżi pod glavom onaj vuneni konac,
kojim ti je prolazila megju noge. Neka ti żena spa va na desnoj, a ne na lijevoj
strani. Kad u jutro ustanete, neka svako obuCe svoju ćarapu. Ako ti snaga do-
puSta, może§ sa żenom grijeSiti i visé, nego li jednom u noći. Ona тоґа svaki
put da ima pod glavom vuneni konac. Smjenjene Carape treba da drżite, dok
üstanete. (Mit Gottes- aber nicht mit des Teufels Hilfe kannst du auch einen
Sohn bekommen. Tue an drei auf einander folgenden Abenden das, was ich dif
jetzt sagen werde. Wann du dich mit deiner Frau schlafen legst, zieh deinen
linken Strumpf aus und gib ihn deiner Frau, damit sie ihn über den rechten Fuß
anziehe. Sie soll auch dir ihren linken Strumpf geben und zieh ihn über deinen
rechten Fuß an. Dann steh auf, spreize deine Beine auseinander und deine Frau
muß dreimal zwischen deinen Beinen durchgehen, und sie soll jedesmal sich um
dein rechtes Bein winden. Gib ihr dazu "einen wollenen Faden, mit dem du vorbei^
deine und ihre Halsweite äüsgemesseri hast, und sie soll diesen Faden in der rechten
Hand halten, während sie zwischen deinen Beinen durchgeht. Indem deine Frau
zwischen deinen Beinen hindurchgeht, soll sie dreimal sagen:


Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.

231

Wasser aufs Wasser,
Der Fisch ins Wasser,

Und mir meine männliche Nachkommenschaft

Im Vertrauen und nach Gebühr!
Alle drei Abende mußt du mit deiner Frau sündigen.1) Alle drei Abende muß
sie sich dreimal unter dir umwenden. Solange als du mit ihr sündigst, soll sie
unter dem Kopfe den wollenen Faden halten, mit dem sie zwischen deinen Füßen
hindurchgegangen. Diese drei Nächte soll deine Frau an deiner rechten und
nicht an der linken Seite schlafen. Wann ihr euch in der Früh erhebt, soll jedes
von euch seinen Strumpf anziehen. Wenn es dir deine Kraft erlaubt, kannst dü
mit deiner Frau auch mehr als einmal nur in einer Nacht sündigen. Sie muß
jedesmal unter dem Kopfe den wollenen Faden haben. Die vertauschten Strümpfe
müßt ihr die ganze Nacht anbehalten, bis zum Aufstehen.)

— Meine Frau hat immer bis jetzt — sagte ich zur Zauberfrau — schwer
und mit großen Leiden geboren. Was kann ich machen, wenn sie wiederum
schwanger wird, damit sie leichter gebäre?

— I tu ti se — antwortete die Zauberfrau — Bozjom, a ne vrazjom pomoći
może pomoći. Do njekoliko dana poslaću ti kuci jedan Stąpić i mało vode. Ako
ti żena bude teSko ragjala, takni je tim Stapićem, pa će se odmah osloboditi bre-
mena. Ne pomogne li Stąpić, a ti je poSkropi vodom. (Auch hier kann man mit
Gottes- aber nicht mit des Teufels Hilfe abhelfen. Binnen einigen Tagen werde
ich zu dir nach Hause ein Stöckchen und ein bischen Wasser senden. Sollte deine
Frau eine schwere Geburt haben, so wirst du sie mit dem Stöckchen berühren
und sie wird sich sofort ihrer Bürde entledigen. Wenn dir das Stöckchen nicht
nützen sollte, so bespritze deine Frau mit dem Wasser.)

— Was für ein Stöckchen und was für ein Wasser wird das sein? — bat
ich die Zauberfrau mir zu sagen. Anfangs wollte sie mir das nicht1 anvertrauen.
Erst später, als ich ihr versprach, niemandem in Dalmatien, Bosnien und dem
Herzogtum darüber etwas zu erzählen, sagte sie sehr leise, als ob sie fürchtete,
daß es die Mauern hören könnten:

— Poslaću ti bukov Stąpić, kojim ću ja ili ko od mojih rastaviti zmiju od
żabe ili od ribe, koju żmija hoće da pojede. U polju se viSe puta nagje zmija
gdje hoće da pojede iabu iii ribu. Śtapić bukov, kojim će se rastaviti zmija od
żabe ili ribe, rastavice і tvoju zenu od poroda. — Voda, koju ću ti poslati, biće
Cista i bistra. U nju ću prije metnuti trave broćike, pa ću je uliti u posudu kroz
moju tkanicu. Tom vodom poSkropi zenu ili daj joj, neka umije lice. Kako ti
rekoh, ako ne pomogne Stąpić, pomoći će svakako voda. (Ich werde dir ein Stöckchen
aus Buchenholz schicken, mit dem ich oder einer meiner Angehörige eine Schlange,
die sich anschickt, einen Frosch oder einen Fisch zu verschlucken, von diesen trennen
wird* Im Gefilde trifft man öfters eine Schlange, die im Begriff ist einen Frosch
oder einen Fisch zu verschlingen. t)as Stöckchen aus Buchenholz, mit dem ich
die Schlange vom Frosche oder Fische trennen werde, das wird auch deiner! Frau
von der Leibfrucht trennen. — Das Wasser, das ich dir zusenden werde, wird reiii

1) Die Zauberfrau hat auch nicht einmal das Wort jebati, jebavati (vögeln)
gebraucht, Sie hat immer, wo ich sündigen übersetze, die Worte grijehimati
oder grijeh ćiniti (die Sünde haben, die Sünde machen) angewandt.

Dr. Mitrovic.


232

Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien

und klar sein. In das Wasser werde ich zuerst einige Krappblätter hineingeben
und es in ein Gefäß durch meinen gewebten Gürtel hindurchgießen. Mit diesem
Wasser bespritze deine Frau oder gib es ihr, damit sie sich das Gesicht wasche.
Wie ich dir schon gesagt, das Wasser wird helfen, wenn das Stöckchen keine
Hilfe schafft.)

— Was soll ich, Mando, anfangen, stürben mir meine Kinder und sollte ich
keines aufziehen können? — fragte ich die Zauberfrau, überzeugt,.daß ich nur so
von ihr erfahren werde, was ich zu wissen wünschte.

— Bożjom, a ne vrazjom pomoći ima і tome lijeka — antwortete mir die
Zauberfrau und setzte sich zu mir. — Ako su ti djeca pomirala ili se bojis da
ti umiru, vodu, kojom će se oprati novorogjence, nemoj da bacaS, gdje se baca
gnusna voda, nego njome poprskaj cijelu kucu. Osim toga, izmjeri novorogjence
na kantar i nikome ne kazuj, koliko je tesko. Tada će ti zivjeti. MisliS li, da ti
djeca umiru po necijem uroku, a ti uzmi tri piljka ispred tvoje kuce i mało soli iz
kuce. Bad ih u żivu vodu, neka voda nosi zlo, Sto ti ko żeli:

Neka nosi vodica,
Pomoc će Bogorodica.
Vodice,
Bogorodice!

Kao Sto će żiva voda odnijeti ta tri piljka i so, tako će i uroka nestati u tvojoj
kuci. (Mit Gottes- aber nicht mit des Teufels Hilfe hat man auch dafür ein Heil-
mittel. Wenn dir die Kinder dahinstarben oder befürchtest du, daß sie hinsterben
werden, so darfst du das Wasser, mit dem man das Neugeborene gewaschen, nicht
dort ausgießen, wohin man das Schmutzwasser ausgießt, sondern sollst das ganze
Haus damit bespritzen. Keinen Tropfen darfst du außer Haus werfen. Außerdem
wäge das Neugeborene auf einer Stangenwage ab,1) aber verrat niemanden, wie
schwer es ist. Dann wird das Kind am Leben bleiben. Glaubst du, daß deine
Kinder infolge einer von irgendwem ausgehenden Beschreiung dahinstarben, so
nimm drei Sandkörner vor deinem Hause und ein bischen Salz aus dem Hause.
Alles das wirf in (lebendes) fließendes Wasser; das Wasser trage mit sich das
Böse dahin, das dir jemand anwünscht:

Das Wasser trage es dahin

Die Gottgebärerin wird helfen.

O Wässerlein,

O Gottgebärerin!

Sowie das fließende Wasser die drei Sandkörner und das Salz fortschwemmt, so
wird auch aus deinem Haus die Beschreiung verschwinden.)

— Ich habe, Mando, — setzte ich fort, als ich sah, daß die Zauberfrau mit
mir umso vertraulicher redete, je mehr ich ihr vom mitgebrachten Branntwein zu
trinken gab — einen guten Freund, der vor einigen Tagen geheiratet hat. Er
kann es sich nicht erklären, aber es ist eine Tatsache, daß er auf keinen Fall die
nötige Kraft bekommen kann, um den Beischlaf mit seiner jungen, schönen und
reizenden Frau zu vollziehen. Er ist auch jung und schön. Zu Ärzten will er
nicht gehen, da er zu ihnen keinen Vertrauen hat; überdies schämt er sich. Ich

i) Es handelt sich dabei um einen Loskauf durch das Gewicht. Der Glaube
ist weit unter den Völkern im Schwang, wie dies H. Gaidoz, Am UrQuell, II.
S. 39—42, 59—61, 74 f. (Ransom by Wight) nachweist. Krauss.


Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien.

233

habe gehört, daß du in dieser Sache auch helfen kannst. Willst du meinem
Freunde diese große Gefälligkeit erweisen?

— Bożjom, a ne vrazjom pomoći może se sve — antwortete die Zauberfrau.
Kad tvoj prijatelj bude vexeras lijegao svojom żenom, neka svoj kajis od gaća
i żeninu tkanicu prostré na postelju. Neka sa żenom legnę na taj kajiS i na tu
tkanicu, pa onda może grijeh uciniti. — Ako mu to ne pomogne, ima i drugi
lijek. Neka od ovoga korijena cimitrka !) — und die Zauberfrau gab mir aus ihrer
Kiste eine weiße Wurzel — napravi prsten, kroz koji może provuci svoju snagu
і zivot,2) pa neka kroz taj prsten samo tri puta pusti vodu, povratice mu se snaga
i on će sa żenom moći imati grijeh. Korijen od trave cimitrka ima veliku snagu.
TakneS li s njom żensku, koju si zavolio, a koja tebe ne begeniSe, pomamiće se
za tobom, dok je ne zadovoljiS. MoraćeS bjeżati od nje, jer će ti ina£e ispiti svu
snagu. Nikada je ne ćeS zadovoljiti. U tome ćeS po gotovo uspjeti, ako żenskoj
daS i ona primi taj korijen cimitrka, da ga Cuva kod sebe. Ne moraS joj samo
govoriti, za Sto joj to dajeS. Za posao, o korne me pitaS, korijen od trave cimitrka
vrijedi i drukćije. Osim prstena i puStanja vode kroz-a-nj, taj se korijen meće u
vodu za umivanje. Neka u tu vodu tvoj prijatelj umije lice, a onda neka tri puta
okupa svoj zivot, svoje udo, pa może grijeSiti svojom żenom. (Mit Gottes- doch
nicht mit des Teufels Hilfe vermag man alles. Wenn sich dein Freund mit seiner
Frau heute abends niederlegen wird, so soll er seinen Hosenriemen und den Gürtel
seiner Frau auf das Bett ausbreiten. Mit der Frau lege er sich auf diesen Riemen
und diesen Gürtel und dann mag er sündigen. — Hilft ihm das nicht, so gibt es
auch ein anderes Heilmittel. Aus dieser Wurzel des Cimitrk soll er einen Ring
bilden, durch den er (seine Kraft und sein Leben) sein Glied durchziehen kann
und dann soll er dreimal durch diesen Ring Wasser lassen und seine männliche
Kraft wird wiederkehren und er wird mit seinem Weib Sünde pflegen können.
Der Cimitrkwurzel wohnt eine große Kraft inne. Berührst du nur damit ein Weib,
zu dem du eine Neigung gefasst hast, die aber dich nicht mag, so wird sie nach
dir vor Liebe wahnsinnig, bis du sie nicht befriedigst. Du wirst sie fliehen müssen,
denn sonst wird sie aus dir die ganze Kraft aussaugen. Nie wirst du ihr genüge
tun können. Dein Ziel wirst du darin sicher erreichen, wenn du einer Frau diese
Wurzel Cimitrk gibst und sie sie zur Bewahrung bei sich annimmt. Du darfst es ihr
aber nicht sagen, wozu du ihr dies gibst. Zu dem Zwecke, für den du mich
befragst, taugt die Cimitrkwurzel auch sonst. Außer dem Ringe und dem Harn-
lassen hindurch legt man diese Wurzel auch in Waschwasser. Mit diesem Wasser
soll sich dein Freund das Gesicht waschen und dann darin sein (Leben) Glied
dreimal baden. Dann kann er mit seiner Frau sündigen.)

1) Das Wort Cimitrk soll die Zauberfrau erfunden haben.*) Nirgends, in
keinem Wörterbuche und von keiner Person in Norddalmatien, konnte ich den
wahren Sinn dieses Wortes erklärt erhalten. Deswegen bin ich genötigt auch im
deutschen das Wort Cimitrk zu gebrauchen. Dr. Mitrovic.

2) Der serbische Bauer wird sehr selten im Gespräche das männliche Glied
seinem wahren Namen nach nennen. Er sagt gewöhnlich nur snaga (Kraft) oder
zivot (das Leben). So nannte es auch die Zauberfrau. Dr. Mitrovic.

*) Vielleicht Cimbola, chelidonium majus, Zymbelkraut Cimitrk kann aus
dem deutschen Worte entstanden sein. Wir heißen es auch Schölkraut und das
Volk gebraucht es gegen die Gelbsucht. Krauss.


234

Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien

— Gibt es noch welche andere Abhilfe, wenn ein Mann mit seiner Frau nicht
verkehren kann? — befragte ich Zauberfrau, als er mir vorkam, daß es ihr schwer
fiel weiter zu erzählen. Sie fürchtete zweifelohne, daß ich mir ihre Kunst an-
eignen werde.

— I ako nikome ne kazujem sve — bemerkte die Zauberfrau — tebi hoću
radi stare tvôje ljubavi. Neka se dvoje mladih izmjere na kantaru, svakö za se,
ali neka nikome ne kazuju, koüko koje teżi. To treba da znadu samo njih dvoje.
MuSko treba tada da ustane sa kantara, da se okrene istoku і da raskoraći noge.
Zena neka mu tri puta progje ispod noga, a neka se savije oko desne noge mu.
Dok to traje, muSko i żeńsko moraju po tri puta govoriti:

Voda na vodu,
Riba u vodu,
Meni moja sreća
Na vjeru i na mjeru!

Neka tada mu»ko i żeńsko legnu, vjerom u Boga, pa se ne boj. — Jo§ ću ti jednu
pomoc u tome kazati, pa viSe ne pitaj o tome. MuSko i żeńsko neka u ponoći
odu na prijateljsku oranicu, koja se toga dana orała i na kojoj je ostavljen lijes.
Neka rastave sve komade lijesa a ima ih mnogo —, pa neka mu&ko polovinu tih
komada baci na desno, a żeńsko drugu polovinu na lijevo. MuSko tada neka
żeńsko desnom rukom uzme za lijevu ruku njenu, pa neka se tri puta poseću ili
poigraju po oranici izmegju porazbacanih komada lijesa. Ne drżeći se za ruke,
neka odu kuci. Tada mogu grijeh imati. (Und ob ich auch niemandem alles
sage, dir werde ich es um deiner altbewährten Liebe willen. Das junge Paar soll
sich auf der Stangenwage, jedes für sich, abwägen; sie dürfen aber niemandem
mitteilen, wieviel sie wiegen. Das brauchen nur die zwei zu wissen. Der Mann
muß dann von der Stangenwage aufstehen, sich gegen Osten wenden und seine
Beine ausspreizen. Das Weib soll ihm dreimal unter den Beinen hindurchgehen
und sich dreimal um sein rechtes Bein winden. Solange dies dauert, müssen Mann
und Weib dreimal sagen:

Wasser aufs Wasser,

Der Fisch im Wasser,

Mir mein Glück

Im Vertrauen und nach Gebühr!

Dann sollen sich Mann und Weib, mit Gottvertrauen niederlegen und um den
Erfolg sei dir nicht bang. — Noch eine Hilfe will ich dir in dieser Sache angeben
und dann frag nicht mehr darüber. Mann und Weib sollen sich um Mitternacht
auf das Ackerfeld einer befreundeten Person begeben. Das Feld muß am selben
Tage beackert und der Ackerwagen zurückgelassen worden sein. Der Mann und
Frau müssen alle Ackerwagenbestartdteile — und es gibt deren viele >) — ausein-
anderlegen. Die Hälfte von diesen Stücken möge der Mann auf die rechte und
das Weib die andere Hälfte auf die linke Seite werfen. Der Mann ergreift hierauf
mit seiner rechten Hand die linke Hand seiner Frau und so Hand in Hand sollen
sie dreimal über das Ackerfeld zwischen den zerstreut umherliegenden Ackerwagen-

i) Der Ackerwagen des Bauern in Norddalmatien ist ganz aus Holz und
besteht aus mehreren, ungefähr dreißig, Stücken. Ein jeder Bestandteil hat seinen
eigenen Namen. Dr. Mitrovic.


Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien

235

stücken einherwandeln oder dahintanzen. Ohne sich bei den Händen zu halten«
sollen sie nach Haus gehen. Dann vermögen sie der Sünde zu pflegen.

Die alte, erschöpfte Zauberin war ziemlich müde geworden, ich bot ihr noch
einmal Branntwein an, und sie sprach ihm gerne zu.

— Manche Weiber — unterbrach ich die Stille — wünschen nicht schwanger
zu bleiben, wenn sie mit Männern geschlechtlich verkehren. Was haben sie zu
tun, um nicht schwanger zu werden?

— To nije lijepo — antwortete mir die Zauberfrau — da rade żene, koje
imaju svog covjeka. Grjehota je uniStavati ljudsko sjeme. Kad im se duśa rastane
od tijela, odgovarace za to Bogu. Nose na sebi uvijek nokat od mazginog kopita,
pa vjeruju, da im to pomaże, da nikada ne zatrudne. Piju i pelina, skuhana sa
liśajem, koji se hvata po kamenju. Sve to nije lijepo ni poSteno. Ja sam
s mojim Covjekom u grijehu izrodila jedanaestoro djece, koju sam mukom i trudom
podigla, ali svemogucem za to neću morati da odgovaram. (Es ist nicht schön,
daß die Weiber so etwas anstellen, die ihren Ehemann haben. Es ist eine große
Sünde auf solcher Weise den menschlichen Samen zu vernichten. Wann sich ihre
Seele vom Leibe einmal trennt, werden sie vor Gott dafür verantwortlich sein. Sie
tragen immer bei sich einen Maultierhuf und sind überzeugt, daß er ihnen hilft,
nie schwanger zu werden. Sie trinken auch mit Gesteinmoos abgekochte
Salbei. Alles das ist weder anständig noch ehrenwert. Mit meinem Manne habe
ich in Sünde elf Kinder gezeugt, die ich insgesamt mit Plag und Mühe aufgezogen,
doch dafür werde ich nie dem Allmächtigen Red und Antwort stehen müssen.)

— Was gibst du — befragte ich noch weiter die Zauberfrau — um venerische
Krankheiten zu heilen? Was gibst du einem venerisch kranken Manne und was
einer venerisch kranken Frau? Die häufigste Krankheit ist der Tripper.

— U naSim travama ima lijeka za svaku holest, pa i za kapavicu. NajuspjeS-
niji je lijek za nju, kad se kadulja svari u vodu. Bolesnik, svako jutro, dok ne
progje bolest, neka pije po jednu SaSu prije rufcka. MuSko mora u takvu vodu,
da ćesto pere svoje udo. Żeńsko namoci komad slanine u takvu vodu, dobro ga
natopi, pa ga onda uvuce u material, dok se ne osuSi. Osim toga, za tri jutra,
poslije nego li se popije voda sa svarenom kaduljom, treba prożdrijeti komadić
svjeze slanine od muSkog praseta i pozobati po tri zrna Senke. — Ima i drugih
bolesti, kojima se bez ljekara more naci lijeka. Covjeka, żenu iii dijete cestö boli
glava. To nije od prirode, nego su uroci duSmanski. Za to treba u sudić prinijeti
k vatri vode. U vodu se bacaju komadići ugljena żive vatre. Pri svakom bacanju
spomene se ime Covjeka iii żene, za koje se misli, da su na bolesnoga bacili urok.
Ciji komad ugljena potone, taj je sigurno urekao bolesnika. Tada bolesnik mora
tri puta da prilije vodu iz sudića kroz verige u drugi sudić, Neka tada umije lice,
pa će ozdraviti. (Unsere Kräuter bergen für jede Krankheit ein Heilmittel und so
auch für das Getröpfel (den Tripper). Das beste Heilmittel dafür ist das Wasser,
in dem Salbei abgekocht worden. Der Kranke soll jeden Tag, bis nicht die
Krankheit vergeht, vor dem Frühstück ein Glas voll davon austrinken. Der Mann
muß auch öfters sein Glied in diesem Wasser baden. Das Weib wieder taucht
ein Stück Speck in ein solches Wasser ein, läßt es sich tüchtig damit ansaugen
und führt es hierauf in die Scheide ein, bis es darin nicht eintrocknet. Außerdem
müssen die Kranken drei Morgen hindurch, nachdem sie den Salbeisud ausgetrunken,
ein Stückchen frischen Specks von einem Ferkelmännchen verschlingen und je drei
Weizenkörner verschlucken. — Es gibt auch noch andere Krankheiten, für die


Mein Besuch bei einer Zauberfrau in Norddalmatien

man ohne Arzt eine Heilung finden kann, öfters leiden Männer, Weiber und
Kinder an Kopfschmerzen. Der aber rührt nicht von der Natur, sondern von
Beschreiungen her, die von Feinden ausgehen. Zur Heilung hat man in einem
Fäßchen Wasser ans Feuer zu stellen. Ins Wasser wirft man einige Kohlen
Stückchen von einem Feuer, das man durch Reibung gewinnt, hinein. Bei jedem
Hineinwurf gedenkt man des Namens eines Mannes oder eines Weibes, von denen
man glaubt, daß sie die Beschreiung auf den Kranken geworfen. Wessen Kohlen-
stück untersinkt, der hat den Leidenden gewiß beschrieen. Hernach muß der
Kranke dreimal das Wasser durch eine Kette hindurch aus dem Fäßchen in ein
anderes Fäßchen überschütten. Mit dem Wasser soll er dann das Gesicht waschen,
und er wird gesunden.)

Noch um eines befragte ich die Zauberfreu, nämlich was schwangere Frauen
anzustellen hätten, um die Frucht ihres Leibes abzutreiben.

— Neću ja — antwortete die Zauberfrau — da gine tvoje sjeme і tvoje zlatne
żenice. Pa to je od Boga grjehota, a od ljudi zazor i sramota. (Ich will nicht,
daß dein und deines goldenes Weibchens Same zugrunde gehe. Das ist sowohl
von Gott aus eine Sünde als auch von den Menschen aus eine Schmach und
Schande.)

— Umsonst versuchte ich die Zauberfrau zu überzeugen, daß ich ihre Wissen-
schaft nicht für meinen Hausgebrauch benötige und daß ich von meiner Kenntnis
keinen Vorteil zu ziehen beabsichtige. Sie wollte mir auf keinen Fall ihr Geheimnis
anvertrauen.

— Ima5 Ii dusmana, a ima ih svaki Covjek, — sagte mir noch die Zauberfrau
— P°gji u crkvu, uzmi tri карі voska sa svijece, koja gori pred Bogorodicom.
Za te tri карі daj u crkvu tri jednaka komada novca, kakvog hoćeS. Vosak cuvaj
u kuci, pa se ne boj, da će ti iko i§ta nauditi i zla uciniti. (Hast du Feinde, und
deren hat wohl ein jeder Mensch, so gehe in die Kirche, nimm drei Wachstropfen
von der Kerze, die vor der Gottgebärerin brennt Für diese drei Tropfen stifte
der Kirche drei gleiche Geldstücke beliebiger Art. Bewahre das Wachs zu Hause
und dann fürchte nicht, daß dir irgend jemand sei es womit immer einen Schaden
oder ein Übel zufügen können wird.)

— Die Zeit zum Abschiede war gekommen. Anfangs wollte die Zauberfrau
das Geldgeschenk, das ich ihr anbot, nicht annehmen. Wir reichten einander die
Hand und sie gab dem Wunsche Ausdruck, das Glück, das mich bis jetzt begleitet,
möge mir auch in Zukunft treu zur Seite stehen.

Knin (Norddalmatien), im Juni 1907.


Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten

und Lüstlingen.

Mitteilungen von Karl Amrain.

Dr. Iwan Bloch hat in seiner gedankenreichen Broschüre „Die
Perversen" den sehr berechtigten Wunsch ausgedrückt, daß zur
Entschleierung aller Phänomene des Geschlechttriebes dem Arzte
der Anthropologe, der Ethnologe, der Folklorist, der Kulturhistoriker
und der Philosoph zu Hilfe kommen müssen. (Vergleiche auch An-
thropophyteia Bd. II, S. 457). Dementsprechend seien einzelne Fälle
angeführt, die für die Vita sexualis bezeichnend sein dürften, ohne daß
irgendwelche weitere Schlüsse gezogen werden sollen.

Die nachstehenden Angaben stammen teils von Gerichtpersonen,
teils von Ärzten, Pädagogen usw. Um keines der Individuen irgend-
wie zu schädigen, müssen die genauen Namenangaben entfallen und
Aufenthaltorte ungenannt bleiben.

I. Fall. Rechtbeflissener, 25 Jahre alt, Süddeutscher von Ge-
burt. Der Geruch von frisch gemachtem Heu erregt in dem jungen
Manne den Geschlechttrieb so mächtig, daß er in einem Heuhaufen
onaniert. Alljährlich, wenn die Heuernte ist, begibt er sich „einem
inneren Drang folgend" aufs Land, um seinem Trieb zu willfahren.
Ärztliche Ratschläge befolgt er gern, nennt aber seinen Trieb eine
Vis maior. Bauern beobachteten den Studiosus, wie er sich auf
einem Heuboden völlig nackt auszog und sich „wie besoffen" im
Heu wälzte, dann den Penis erectus in geballtes Heu drückte und
ejaculatio herbeiführte. Seit dieser Zeit heißt der Studiosus im Dorfe
„Heuficker".

Anmerkung. Es ist eine in den letzten Jahren stets genauer
bekannt gewordene Tatsache, daß Heu die Individuen ganz ver-
schieden affiziert. Heufieber, Heuschnupfen zeigen diese Tatsache
am besten. Viele Leute nennen den Geruch von Heu „unangenehm"


238

Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüstlingen.

sogar „sauer'1, ohne daß im landwirtschaftlichen Sinne das Heu
sauer wäre.

2. Fall. Pensionierter Regierungsekretär. Alter (?). Preuße
von Geburt. Der Mann hat „seit langen Jahren das Bedürfnis",
Soldaten um die Befriedigung seiner geschlechtlichen Gelüste an-
zugehen. Er wartet bei anbrechender Dunkelheit oder Sonntags an
Kasernentoren, sucht sich an das Militär heranzumachen indem er
den Soldaten gratis ein Glas Bier und Rauchmaterial verspricht.
Beim Biertisch bittet er erst verblümt, dann je nach Lage des
Falles deutlicher, den Penis des Soldaten in den Mund stecken zu
dürfen. Er nimmt knieend auf dem Abort der Wirtschaften das
Glied des willfährigen Soldaten in den Mund und saugt bis Samen-
erguß erfolgt. Mit dem Augenblick, da der Samen seine Rachen-
höhle trifft, stellt sich bei dem Manne selber der Erguß ein. Er
huldigt seit Jahren diesem Verfahren und hat angeblich nur bei
Soldaten das höchste Lustgefühl. Ohrfeigen und Prügel, die ihm
reichlich von Soldaten, welche sich diese Schweinerei verbaten, ver-
abreicht worden sind, schreckten ihn von seiner Passion ebensowenig
als eine längere Gefängnisstrafe ab. Ob der Ledergeruch oder der
sogenannte „Kasernengeruch" dabei mit im Spiele ist, bleibt dahin-
gestellt.

3. Fall. Hausbursche, in den zwanziger Jahren, Süddeutscher.
Dieses Individuum verlor stets nach kurzer Zeit seine Stelle, weil der
Bursche morgens, wenn der Milchmann oder das Milchmädchen kam,
in die gefüllten Milchkannen seinen Penis hing und in die Koch-
töpfe seiner Herrschaften urinierte.

4. Fall. Bäckerknecht, in den zwanziger Jahren, Württemberger.
Sein „gröscht Lust" findet er 3 bis 4 mal in der Woche in den
Semmelteig zu onanieren. Der Teigduft und die Kühle des Teiges
reizen den von verschiedenen Meistern aus der Stellung gejagten
Burschen.

5. Fall. Zahntechniker, 28 Jahre alt, aus Nürnberg gebürtig,
protestantisch, will durch die Lektüre gereizt worden sein, nur mit
Wasserstiefeln, Mantel und Hut gekleidet in die Straßen herumzu-
streunen. Verfolgt Dienstmädchen und zeigt sich ihnen nackt
Manchesmal begnügt er sich die nackten Arme eines Dienstmädchens
zu beschnuppen. Eine Gefängnisstrafe, die er sich durch sein Treiben
zuzog, hat ihn insoweit beeinflußt, als er jetzt in Wirtschaften mit
Damenbedienung geht und daselbst in einem Winkel eine „Dame"


Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüstlingen. 239

beriecht Er legt seine Nase an die Nase seiner Partnerin, zieht
tief Atem, dann beriecht er den Nacken, endlich die Achselhöhlen.
Wenn er seine Nase in die Haare einer schwitzenden Weiberachsel-
höhle stecken kann, ist er im Himmel. Er hat diesen Wunsch nicht
immer, nur „wenns Vollmond ist". Als guter Bezahler ist er bei
den Weibern, nach Aussage eines Kriminalschutzmannes, sehr beliebt.

6. Fall. Artist (Musiker und Schmierenschauspieler), Alter un-
bekannt, kam wegen Unterschlagung in Strafhaft. Seit dem 13. Le-
bensjahre Onanist Der Schmutz sub praeputio erschien ihm als
Eiter. Das Brennen in der Glans trieb ihn zur Onanie, wie er angibt.
Seit jener Zeit onaniert er in weite Lampengläser, in Schnapsgläser
usw. Er will besonders vom Geruch der ejaculierten Samen-
flüssigkeit Genußbefriedigung haben.

Anmerkung. Dänach besteht diese erotische Handlungweise
aus zwei Höhepunkten, a) Ejaculatio, b) Beriechung. Der Fall ist
seltsam genug, um entsprechende weitere analoge zu eruieren.

7. Fall. Gymnasialprimaner. Er mußte das mit dem Gymna-
sium verbundene Internat verlassen, weil er als starker Onanist be-
kannt war. Seinen Mitschülern gab er vor dem Akt an, die ganze
Ejaculation wieder hinunterzuschlucken zu wollen. Die klebrige
Masse brachte er nur einmal hinunter, später trocknete er in einem
Wasserglas den Samen und genoß ihn wieder. — Diese Prozedur
ist an Scheußlichkeit wohl kaum zu übertreffen. Eine geschlechtliche
Belehrung in den Internaten würde sicherlich mehr zur Förderung
eines gesunden Geistes beitragen als die bisher geübte Vertuschung-
politik vieler und namentlich geistlicher Erzieher.

8. Fall. Jurist, Rechtanwalt, 39 Jahre alt, Norddeutscher.
Starker Alkoholiker. Häufiger Bordelbesucher. Sein Haupt- und
Mord vergnügen", das ihn sinnlich reizt, ist Dirnenbesucher, welche
sich bereits über der Dirne beim Akt befinden, an den Fußsohlen
zu kitzeln. Namentlich auf Leute, welche sich ihrer Coituspotenz
rühmen, hat es dieser Jurist abgesehen. Der auf die Fußsohlen aus-
geübte Kitzel soll wie mit einem Schlag den Erektionzustand beheben.
Das brutale Verfahren dürfte Irrenanstalten manchen Patienten zu-
fuhren. Bisnun hat dieser tolle Jurist durch seine Geldmittel unlieb-
same Weiterungen vorbeugen können. Zweifel besteht aber keiner,
daß solche Neigungen zur Bestialität fuhren müssen.

9. Fall. Buchdrucker, 29Jahre. Keine besondereAbnormalität,
aber als Bordellbesucher kann er nach eigenen Angaben keinen


240

Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüstlingen.

natürlichen Coitus ausüben, weil ihm stets der Gedanke venerisch
angesteckt zu werden vorschwebt. Seine Lust äußert sich in Be-
riechen der Hinterbacken — nicht des Anus — und der Grübchen
über dem weiblichen Becken. Nach dem Beriechen küßt er
die Hinterbacken und geht bei fortschreitendem Lustgefühl zum
Beißen über.

10. Fall. Taglöhner, Alter? Vor jedem Coitus Vaginaküsser
und -lecker. Kam mit der Polizei zusammen, als er eine Prosti-
tuierte, die sich vor dem Vaginaküsser fürchtete, da er sie früher
einmal an der Scham gebissen hatte, tötlich bedrohte. Ein zweites
Mal wurde der Mann bestraft, weil eine geschlechtkranke Dirne,
die sich an der Vagina nicht küssen lassen wollte, von ihm mit Er-
mordung bedroht wurde.

11. Fall. Bergmann, 47 Jahre alt, Witwer, Vater eines er-
wachsenen Sohnes. Empfindet größte Lust, wenn er eine jüngere
weibliche Person veranlassen kann nackt auf ein Pferd zu steigen
und zwar auf ein braunes Pferd. Er spielt dann der Person mit den
Fingern an den Geschlechtteilen, steckt dabei die Nase in das
Schwanzhaar des Pferdes und springt dann auf das Pferd hinter
das nackte Mädchen, um sitzend mit der vor ihm sitzenden den
Akt auszuüben. Kam mit den Strafgesetzen in Konflikt, als er auch
mit einem Mädchen unter 14 Jahren in einem Stalle dieses Verfahren
übte. Das Mädchen soll gesessen haben „wie eine Mauer".

12. Fall. Ehemaliger Apothekenbesitzer, Witwer. Etwa 52 Jahre.
Von Geburt Franzose (katholisch). Übte mit Rücksicht auf seine
gesellschaftliche Stellung und seine bildhübschen Töchter den Bei-
schlaf mit Dirnen sehr diskret. Seine Erlustigungen bestanden darin,
daß eine junge Dirne — darauf hielt er viel — sich splitternackt
auszog. Die Dirne mußte sich die Fußsohlen mit Heliotrop oder
sonst einem Pflanzenparfüm einreiben. Sodann gab B., der sich
inzwischen auch nackt ausgezogen hatte, der Dirne ein kleines Rad,
durch welches eine Achse ging, in die Hände. Die Dirne mußte
sich bäuchlings auf den Boden legen und mit den Händen die Rad-
achse fassen. B. packte die Dirne bei den Beinen und schob das
Weib wie einen Schiebkarren durch durch das Zimmer. B. steckte
nach der ersten Rundfahrt der Dirne ein Geldstück in die Vagina;
konnte die Dirne während der Fahrerei harnen, dann erhielt sie zur
Belohnung hernach den doppelten Betrag. Zum Beschluß leckte der
Mann die Fußsohlen der Dirne bis er ganz in Schweiß gebadet war.


Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüstlingen.

241

Der Sonderling starb während eines solchen Vorganges an Schlag.
Nie wäre man hinter diese Sache gekommen, wenn der Bordellwirt
nicht in seiner Aufregung über den Todfall den Körper des
Apothekers bekleidet auf die Straße hätte tragen lassen. Lage und
Bekleidung der Leiche ließen es der Polizei nicht lange unklar, daß
der Mann unmöglich auf der Straße zusammengebrochen war. Die
Untersuchung führte zu einem dem erwähnten Tatbestand entspre-
chenden Ergebnis.

13. Fall. Eleve auf einem großen landwirtschaftlichen Betrieb,
22 Jahre alt, vorgebildet auf dem Gymnasium, woselbst er die Be-
rechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst erwarb. Stammt aus
einer guten Familie (Vater Gymnasialoberlehrer), protestantisch. Der
junge Mann galt allgemein als Schürzenjäger, er war seines freund-
lichen Wesens halber überall beliebt und Mädchen sehen ihn gerne.
Er hat die Passion a) die Schamhaare der Mädchen mit einem
Bartbürstchen halbestundenlang zu bürsten, b) mit einer für die Rad-
schläuche an Fahrrädern bestimmten Pumpe Luft in die Scheide des
ihm willfahrenden Mädchen zu pumpen. Dieses letztere Verfahren
betreibt er förmlich systematisch. Weibliche Eifersucht machte ihm
seine Elevenstellung in dem Betriebe unmöglich. Wohin er sich ge-
wendet ist nicht bekannt.

14. Fall. Zuckerbäcker, verheiratet. Besucher von Bordellen.
Sammelt Achsel- und Schamhaare von Weibern. Die Haare kaut
und beißt er im Munde herum und begeilt sich auf diese Weise.
Ist besonders auf blondes und rotes Weiberschamhaar versessen.
Weil er gegen den Willen einer Blondine mit Gewalt deren Scham-
haare abschnitt und sich zur Tätlichkeiten verleiten ließ, kam er
Mann mit der Polizei in Konflikt.

15. Fall. Frau eines Fabrikanten, 30 Jahre alt, Mutter eines
Kindes, brünett, Französin in Deutschland sich aufhaltend. Der An-
blick reifer Pflaumen erweckt in ihr die Vorstellung von Hoden. Sie
gefällt sich darin durch zwei reife Pflaumen einen Bindfaden zu
ziehen und als Hoden gleichsam vor die Vagina zu hängen. Ließ
sich einmal nackt photographieren mit ihren künstlichen Hoden.
Geringe Quantitäten Alkohol genügen, um aus ihr die tollsten Ge-
ständnisse herauszubringen. Vorzüglich versteht sie aus Äpfeln und
Birnen männliche Glieder zu schneiden. Sie tut das in Gegenwart
von Gästen. Von ihrem Manne wurde sie mit der Hundepeitsche
gezüchtigt angeblich, weil sie sich eine Flasche mit Sodawasser ia

Krause. Anthropophyteîa. IV. j6


242

Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüstlingen.

die Vagina habe sprudeln lassen. Diese Behauptung bestreitet sie
energisch und reichte Scheidungklage ein, worauf der Ehemann aber
nicht eingehen wollte wegen des Reichtums seiner Frau. Seitdem
leben beide Gatten getrennt.

16. Fall. Rentner, 53 Jahre alt, verheiratet, Vater von drei
Söhnen, zwei Töchtern. Hat sich im 40. Jahre eine venerische Krank-
heit zugezogen. Seit jener Zeit findet er Vergnügen daran, jeweils
drei Dirnen in ein Privatlogis zu bestellen. In diesem Logis stehen
drei Drehsessel, die sich durch einen Mechanismus selbsttätig und
zwar schnell drehen. Die Dirnen müssen unbekleidet auf diesen
Sesseln Platz nehmen und wenn nun die Stühle zu rotieren anfangen,
hat dieser Lüstling seine größte Freude. Je mehr die Dirnen herum-
gewirbelt werden, um so geschlechtlicher wird X, angeregt.

Anmerkung. Man vergleiche über die erotische Manie des
Schaukeins Havelock Ellis, Geschlechtstrieb und Schamgefühl,
Würzburg 1907. S. 241 ff.

17. Fall. Jungverheiratete Frau, 25 Jahre alt, Tochter eines
Hotelbesitzers, brünett. Trinkt gerne. Der Ehemann klagt dem
Arzt und Freunden über das absonderliche Gebahren seiner Frau.
Letztere macht den Coitus davon abhängig, daß sie zuvor den
Hodensack und die Schamhaare ihres Mannes einseifen darf. Sie
greift dabei den Penis nicht an, sondern agiert ihrem Manne von
hinten zwischen den Hinterbacken. Je schaumiger die Schamberg-
gegend desto sinnlicher wird die Frau. Der junge Mann befürchtet,
daß diese Wünsche der Frau einer Geistesstörung Vorschub leisten.

18. Fall. Katholischer Theologe, Franzose von Geburt, etwa
42 Jahre. Folgt seit langen Jahren im Spätjahr „wenn die ersten
dichten Abendnebel eintreten" einem „unbesiegbaren" Trieb. Wie
im Fieber begibt er sich in allerlei Verkleidung in ein Bordell —
seit etlichen Jahren fährt er in eine benachbarte andere Stadt —.
Bewegt sich beim Beischlaf fast nicht, dafür muß die unter ihm
liegende Person umso beweglicher sein. Ferner muß während des
Coitus eine zweite Dirne beständig das Rückgrat des unbekleideten
Mannes vom Genick bis zur Kreuzgegend mit der Zunge belecken.
Trifft die Zunge der Leckenden die Kreuzgegend, so zuckt der Mann
mit lautem „ui, ui," wollüstig zusammen. Ärztliche Behandlung er-
wies sich bisher als machtlos.

19. Fall. Mann, 22 Jahre alt, Militärperson, sieht die Frauen
gerne, ist aber Onanist zwischen Bettkissen, verabscheut den mit


Von absonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüstlingen. 243

der Hand ausgeübten Onanismus als „ekelhafte Brutalität und wider-
natürlich (1)". Er will Onanist sein, weil er beim Akt mit Frauen
„ein Gefühl von Leere" zwischen den Oberschenkeln hat Besucht
mit Kameraden zuweilen Bordelle und begnügt sich dabei, wenn er
zwischen seinen Oberschenkeln die Schenkel einer Dirne krampfhaft
pressen kann, oder wenn die Dirne mit ihrer unbekleideten Fußsohle
sich gegen seinen Daumen stemmt Den Kameraden ist die sonder-
liche Veranlagung des P.P. bekannt.

20. Fal 1. 28 Jahre alter Lehrer an einer Kunstschule. Läßt sich
von gefälligem Hotelpersonal, das er gut entlohnt, in Schlafzimmer
führen, deren Betten von jüngeren weiblichen Personen benutzt
wurden. Wenn die weiblichen Gäste das Zimmer kaum verlassen
haben, schleicht er sich hinein, riecht das Bettlaken ab, beißt in
erotischer Extase in das Laken in der Gegend wo die Person etwa mit
dem Gesäß lag und wälzt sich dann nackt im Bett bis Samenfluß entsteht.

21. Fall. Gymnasiast, 17 Jahre alt. Der Jüngling ist nach
Aussage der Eltern „wie toll", wenn seine Schwestern, die 14 und
16 Jahre alt sind, Mitschülerinnen zum Lesekränzchen einladen. Er
„schnüffelt" in jedem Mädchenhut herum, namentlich im Hut eines
rötlichblonden Backfisches. Wurde von dem Vater angetroffen, als
er völlig unbekleidet die Schnürschuhe dieses Mädchen (Alter 1 6 Jahre)
mit den Senkeln verknotet über seinen erigierten Penis gehängt
hatte. Auf gütliches Zureden des zu Rate gezogenen Arztes erklärt
der junge Lateiner einem unwiderstehlichen Triebe zu folgen. Dis-
krete Erkundigungen ergaben weiter, daß der Junge wiederholt den
Zopf der Maid aufgeknotet und in den Mund gebracht hatte, um
das Haar „im Spass" zu beknabben. Der Junge kam in eine Er-
ziehunganstalt. Weitere Nachrichten fehlen.

22. Fall. Ehemaliger Schutzmann. 38 Jahre alt. Verlor seine
Stellung, da er sich in Bordellen umhertrieb, doch stets nur hinter
Rothaarigen her war. Klagte seinem Vorgesetzten, „die roten Weibs-
bilder sind mein Unglück". War darauf Fabriknachtwächter; heiratete
eine rothaarige Frau, die sich aber wieder scheiden ließ, weil der
Mann keine Kinder haben wollte, aber dafür sie (die Frau) fast jeden
Tag um den anderen „zwischen den Beinen saugen wolle". Kam
wegen Vergehen mit einem Kinde zur Anzeige, aber entzog sich
durch Selbstmord der richterlichen Strafe.

23. Fall. Kaufmann, geboren 1878, Mecklenburger, blond.

Sehr sprachenkundig. Vom 12 Jahre ab, nach eigenem Geständnis,

16*


244 ^on «^sonderlichen geschlechtlichen Gelüsten und Lüstlingen.

wütender Onanist, da Geschlechttrieb ihm sonst „Herz abdrücken'1
würde. War bereits auf Betreiben seiner Eltern (Lehrerfamilie)
zweimal im Sanatorium, kam mit dem Strafgesetz in Konflikt, weil
er sich mit Knaben unter 14 Jahren verging. Er küßt nackte Knaben
und fuhrt Samenerguß herbei, indem er sein Glied an jenem des
Knaben hin und herfuhrt. Ihn reizen nur unbehaarte Knaben, Frauen
gegenüber ist er völlig kalt. Mit Rücksicht auf seine selbst dem
Gericht sonderbar erscheinende Veranlagung wurden dem M, B. mil-
dernde Gründe zugebilligt.

24. Fall. Blondine, 28 Jahre alt, Tochter eines verstorbenen
Regierungbeamten. Der Anblick eines behaarten Männerarmes oder
einer behaarten Männerbrust macht die M. W. seit dem 12 Lebens-
jahre geschlechtlich erregt. Sie ging mit dem Dienstmädchen gerne
an Plätze, wo Männer im Freien badeten. Wurde, da sie mit Gym-
nasiasten herumzog, von der höheren Töchterschule ausgewiesen.
Als sie mit dem Penis eines erwachsenen Cousins wie mit einer
Puppe gespielt hatte, worüber der Cousin Gewissensbisse empfand,
kam die M. in eine Nervenklinik. Daselbst gab sie sich mit dem
Anstaltgärtner ab, dessen geschorenen Schädel sie gerne zwischen
ihre Oberschenkel brachte. Der Anstaltgärtner verlor durch die
M. W. seine Stelle, worüber sie nur lachte. Sie gebar erstmals un-
ehelich, nachdem sie den Kindesvater, einen jungen Israeliten, um
Vorzeigung der Schamteile gebeten hatte. Seit der Geburt ihres
ersten im Auslande untergebrachten Kindes ist die M. W. gründlich
liebeexaltiert und fühlt den Trieb in sich Nase und Mund in die
Schamhaare blonder und rötlicher (also lichthaariger) Individuen zu
stecken. Sie erleidet dabei wollüstige Krämpfe, die in stillem Schluchzen
ihr Ende finden. Sie ist darüber ein zweites Mal von einem Fa-
brikanten geschwängert worden und hat geboren. Bei hübschem
Äußern hat sie sich auch körperlich gut zu erhalten verstanden,
Brüste sehr wenig entwickelt, obwohl sie beide Kinder ganz kurze
Zeit genährt hat Sie hegt die Hoffnung einen Architekten zu ehe-
lichen, um in der Gesellschaft einen Platz zu bekommen. Die M. W.
scheint erblich belastet zu sein, da auch die Mutter seit dem Tode
ihres Mannes, dessen Ableben sie durch ihr hitziges Temperament
beschleunigte, sich mit Herren geschlechtlich abgibt.


Der Geruchsina in der Vita sexualis.

Eine Umfrage von Dr. Iwan Bloch (Berlin).
Erhebungen von Krauss, Mitrovic und Wernert.

Vorbemerkung. In der Anthropophyteia II. S. 445—447 leitet
Dr. Bloch seine Umfrage mit einer Darlegung der Wichtigkeit der
Berücksichtigung des Geruchsinnes für die Erforschung des Sexual-
lebens ein und wirft eine Reihe von Fragen auf, die fast alle Er-
scheinungen unseres Studiengebietes streifen. Genau betrachtet, ent-
wirft er die Umrisse zu einem Buche über diesen Gegenstand, wie
er ja selber eines bereits verfaßt hat1) Wir wollen oder müssen
dem Charakter unserer Jahrbücher gemäß unsere einschlägigen Er-
mittlungen in verschiedenen Abteilungen veröffentlichen, hier jedoch
nur solche Überlieferungen vereinigen, in denen die Äußerungen des
Geruchsinnes die Hauptsachen bilden. Kleine Kinder beriechen zuerst
einen Gegenstand und dann fuhren sie ihn zu Munde, um seinen Ge-
schmack zu versuchen. Es ist zu bemerken, daß so wie in unserer
Sprache schmecken sowohl riechen als mit dem Geschmacksinne
etwas erproben, auch die Sprachen vieler anderer Völker einen und
denselben Ausdruck zur Bezeichnung beider Sinneindrücke gebrauchen.
Das führt uns darauf, hier auch Überlieferungen über das Lecken der
Geschlechtteile mitzuteilen. Wenn sich einer oder eine zum Lecken
versteht, so muß dabei wohl auch deren Geruchsinn völlige Befriedi-
gung erlangt haben. Ob ein Riecher oder Lecker ein Fetischist zu
nennen, daß müßte jeweilig untersucht werden. Es will uns nämlich

1) Hagen, Dr. Albert: Die sexuelle Osphresiologie. Die Beziehungen des
Geruchsinnes und der Gerüche zur menschlichen Geschlechttätigkeit. Berlin,
H. Barsdorf, 2. Aufl. 1905. — Man vergl auch bei Havelock Ellis, Die
Gattenwahl beim Menschen mit Rücksicht auf Sinnesphysiologie u. allgem. Bio-
logie, deutsch v. Dr. H. Kurella, Würzburg, G. Stuber, 1906, das Kapitel über
den Geruch, „das viele überraschen wird", wie Näcke bemerkt (Arch. f.
Kriminalanthropologie u. Kriminalistik, 1907. S. 286).


246

Der Geruchsinn in der Vita sexualis

scheinen, als ob sich Erotiker zu gleicher Zeit allen möglichen Betä-
tigungen der Geschlechtlust hingeben und daß die Spezialisten unter
ihnen zu den Ausnahmeerscheinungen ihrer Art gehören.

1. Fledermausflügel.

Djevojka metne ispod prsa od koSulje razapeta krila od slijepog
misa, da se ocuva od muśkog. — Von einem serbischen Bauernburschen
bei Pakrac, Slavonien.

Das Mädchen legt unter das Hemd auf die Brust die ausgebreiteten
Flügel einer Fledermaus, um sich vor den Männern zu bewahren.

Anmerkung. Um das Mädchen aufzuregen, pflegt der Bursche
nach ihren Brüsten zu schnappen. Der Geruch der Fledermaus übt
auf ihn einen geschlechtlich abkühlenden Einfluß aus Dagegen haben
slovenische Burschen in Krain den Brauch, „um die Liebe eines jeden
Mädchens zu gewinnen" unter die Achselhöhe (pod pazuh) eine Fleder-
maus zu stecken.

2- Zumptgeruch.

Da żeńska vol i. Uzme se marama od żenske, potare se njome
po kurcu i dade se żenskoj natrag, ako se hoće, da se dobije od te
żenske picke. — Von einem Handwerker in Pożega, Slavonien.

Um die Neigung eines Frauenzimmers zu gewinnen. Man
nimmt von dem Frauenzimmer ein Tuch, reibt sich damit über den
Zumpt hin und gibt es dem Frauenzimmer zurück, wenn man haben
will, daß man von diesem Frauenzimmer Voze kriege.

3. Yozenküssen und Filzläuse.

Ima ljudi, koji kad vole żensku pa je ljube u pićku. — Angabe
eines chrowotischen Bauern aus einem Dörfchen bei Kutjevo in Sla-
vonien.

Es gibt Leute, die, wenn sie ein Frauenzimmer lieben, es auf (in)
die Voze küssen.

Anmerkung. Ein chrowotischer Taglöhner in Pożega bemerkte,
er würde eine, die er liebte, in die Voze küssen. Derselbe Geruch-
fetischist machte noch folgende Angabe über die Nützlichkeit
der Filzläuse, die wahrscheinlich auf seinen und seinesgleichen Ge-
schlechttrieb einen anregenden Einfluß ausüben. Ich kann mir näm-
lich nicht denken, daß sonstwie der Besitz von Filzläusen irgend einem
wünschenswert erscheinen dürfte.


Der Geruchsinn in der Vita sexualis.

247

Piclajs je dobro imati; to je znak, da je krv zdrava. Ako je krv
nezdrava, onda oni ne će ostati. Tako je jedan pisar metno piclajse
sa jednog decka pod svoj pazuh, ali mu nijesu htjeli ostati, jer je krv
nezdrava. Ima ljudi, koji meću piclajze pod pazuv.

Filzläuse zu haben, ist gut; das ist ein Zeichen gesunden Blutes.
Ist das Blut ungesund, so werden sie nicht bleiben. So z. B. hat ein
Schreiber Filzläuse von einem Knaben sich unter seine Achselhöhle
getan, doch wollten sie nicht bleiben, weil er ungesunden Blutes war.
Es gibt Menschen, die unter die Achselhöhlen Filzläuse setzen.

Der slavische Volksausdruck fur Filzläuse ist sitne vasi, feine,
kleine, winzige Läuse.

4. Peśkir.

Ako se hoće, da se sa żenskom (iii curom iii źenom) vlada i da
ona sve ućini, Sto se joj każe i dade u svako vrijeme, uzme se peŚkir,
mętne u krevet na śtrożak, ali tako da ona ne vidi i u jutru poslije
śto ju je jebo valja peśkir metnuti na staro mjesto, da se żeńska njime
obriśe. — Erzählt von einem Landmanne in Seoci in Slavonien.

Das Handtuch.

Will man es erzielen, daß man über ein Frauenzimmer (sei es ein
Mädchen oder Frau) eine Herrschaft ausübe und daß sie alles tue, was
man sie heißt und zu jeder Zeit gewähre, so nimmt man ein Handtuch,
legt es ins Bett auf den Strohsack, doch so, daß sie es nicht sieht,
und am Morgen, nachdem man sie gevögelt, soll man das Handtuch
an seine alte Stelle geben, damit sich das Frauenzimmer damit ab-
wische.

Anmerkung. Hier handelt es sich um die Gewinnung der
dauernden Neigung eines Frauenzimmers, dessen einer ohnehin schon
froh wird. Um einen Burschen zu entflammen, wissen es die Chro-
wotinnen so einzurichten, daß er zu ihrem Busen hinschmeckt oder
riecht, oder sie wischen sich mit einem Tüchel ihre Schamteile aus
und überreichen es beim Tanze, dem Kolo, dem Burschen, daß er
sich damit das schweißtriefende Gesicht abwische, oder sie halten eine
Zeitlang einen Apfel zwischen den Beinen an der Scham und geben
ihn als übliches Liebezeichen dem Burschen zu essen. Einmal bekam
ich selber ein derart parfümiertes Veilchensträußehen von einem Mädchen
verehrt. Seit jener Stunde bin ich einer Idiosynkrasie gegen diese
lieblichsten Frühlingboten nicht los geworden. Es muß einer offenbar


248

Der Gesuchsinn in der Vita sexualis.

stark erotisch veranlangt sein, soll ihn dieser eigentümlich stinkende
Duft fur die Spenderin anregen.

5. Djevojacka duśa.

Momak volio curu. Htio je isprositi i vjencati. Cura nije htjela
ni da ćuje za nj. Momak je neprestano oblijetao oko nje. Cura bi
uvijek bjeżala, ćim bi ga ugledala. Jednom je momak nagje samu na
livadi. Prevali je na tle. Jednom rukom zapusi joj usta, da ne vice,
drugu joj ruku zavuce megju nogę i stanę Joj trljati pićku. Pośto joj
je dobro istrljao pićku, pusti curu, neka ide kuda hoće. Momak je
srećan і zadovoljan vonjao ruku, kojom je trao curu megju noge. ,Ne
ću oprati ruke nikada/ govorio je, jer miriśe kao djevojacka duśa.
Kad ne mogu u pićku, siatko je i po pićki.' — Erhoben in Nord-
dalmatien von Dr. Alexander Mitrovic.

Die Mädchenseele.

Ein Bursche liebte ein Mädchen. Er wollte um sie anhalten und
sich mit ihr trauen lassen. Das Mädchen aber mochte nicht einmal
hören von ihm. Während der Bursche immerfort um sie herumscher-
wenzelte, pflegte das Mädchen immer davorzulaufen, sobald sie seiner
ansichtig wurde. Einmal traf sie der Bursche allein auf der Wiese
und wälzte sie um. Mit der einen Hand hielt er ihr den Mund fest
zu, damit sie nicht schreien könne, die andere Hand aber zog er ihr
zwischen die Beine und begann ihr die Voze zu rüppeln. Nachdem
er ihr tüchtig die Voze abgerüppelt, ließ er sie, das Mädchen, frei,
damit sie gehe, wohin ihr beliebt. Glücklich und zufrieden beroch
der Bursche seine Hand, mit der er das Mädchen zwischen den Beinen
gerieben. .Niemals werde ich die Hand abwaschen/ sagte er ,denn
sie duftet wie eine Mädchenseele. Kann ich nicht in die Voze hinein,
so ist es auch süß über die Voze!'

6. Kolo.

Igrali kolo momei і djevojke. Kolo bilo veselo i vragolasto.
Pjevalo se і popjevalo se s krają na kraj. Od jednom će jedan iz
sredine, kad su se stariji odmakli, na sav glas zapjevati:

Ріка tvoja, duśa moja,

sikilj tvoj, jezik moj !
a z drugog kraja prihvati drugi vragolast momak:

Ove dvje do mené

nisu jośte j ebene,


Der Geruchsinn in der Vita sexualis. 249

al do vece
faliti im ne cel

Vernommen in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic.

Der Reigen.

Burschen und Mädchen tanzten einen Reigen. Der Reigen war
fröhlich und verteufelt. Man sang und Wiedergesang erscholl von
einem Ende zum anderen. Auf einmal hub einer aus der Mitte,
nachdem sich die älteren Leute etwas entfernt hatten, aus voller Kehle
anzustimmen an:

Dein Vözlein, meine Seele,

dein Kitzler, meine Zunge!
vom anderen Reigenende nahm ein anderer verteufelter Bursche den
Faden auf:

Diese zwei an meiner Seite

sind noch nicht gevögelt worden,

aber bis zum Abendanbruch

wird es ihnen nicht ermangeln!
Anmerkung. Der erste Bursche gab eine Vertraulichkeit kund,
die er mit einem der Mädchen pflegte, der andere aber antwortete
mit stereotypen Reigenzeilen, deren Inhalt vielleicht in seinem Falle
den Verhältnissen entsprach. Beide taten wohl daran, ihre Mitteilungen
in Abwesenheit der Mädcheneltern zu verlautbaren, weil man ja nie
wissen kann, wie sich Menschen von gesetzterem Wesen solchen Kund-
gebungen gegenüber verhalten werden.

7. Baba і ріска.

Iśao jednom sveti Petar po zemlji sa joś jednim apostołom. Uz
put reće sveti Petar svome drugu: ,Teo bi, brate, pićke; jebao bü'
— ,Pa to je lako/ — ,Ćim naigjem na devojku, iskat ću! — ,Iśti pa
ćeś dobiti!'

Tako su iśli neko vreme pa naigju na jednu lepu curu. Tad reće
drug svetom Petru: ,Eto pićke, da iśtemo?1 — ,Ne, ne, ta mi se cura
ne dopada. Doćiće druga,' — I tako su iśli dalje. Nakon dugog pu-
tovanja naigju opet na jednu devojku, no ova nije bila lepa. Opet
oslovi drug svetog Petra: ,Petre, da iStemo pićke od ove curel' —
.Ne, ne, nikako. Ta nije lepa ni kao ona prva.1 — Ovaj je bio vec
ljutit na svetog Petra te ne reće ni reći vise, iśli su dalje ćuteći. Tako
su iśli bogme vrlo dugo, al nikako da naigju na koju curu. Na to reće
sveti Petar: ,Sad bi pićke^ pa ma baba bila!' — ,Znam to, reće mu


250

Der Genichsinn in der Vita sexualis

drug, jedno govoris a drugo delaś. Da sretnemo opet neku curu,
znam da ćeś i njoj naci manel* — Na to će sveti Petar: ,ZnaŚ, dajem
ti reć moju, sad bi i babu, samo da je dobijeml' —

Tek to reće a pred njima se stvori jedna stara, gurava i rużna
baka. ,Petre, śta si rekao mało prije?4 reće mu drug. Ovaj ne imade
kud, već zaiste od babe pićke. Baba mu reće: ,Daću ti pićku ali ako
mi obećaś, da ćeś mojoj pićki dati miris najljepśega rajskog cvetal'
— Petar joj obeća. Kad se sit najebao, duhne babi u pićku i pićka
zamirisa kao najmiliji cvet rajski.

Drug reće sad svetome Petru: ,Lepo je od tebe, da si reć odrźao,
no nije pravo, da samo pićka u bake miriśe, nego neka miriSe i u svake
devojke i żenel' — Na to se sveti Petar okrene istoku i povika triput:
,Svaka pićka, koja ima uśi, nek miriśe onom koj je buśi!' — I od to
doba svaka pićka u żenske miriSe kao ruża, neki je i zovu rużom, to
jest, pićki su dali ime ruża. — Erzählt von einer Dorfschmiedtochter
in einem Dörfchen bei Pancevo, Südungarn.

Das alte Mütterchen und die Voze.

Es wanderte einmal der heilige Petrus mit noch einem Apostel
auf Erden. Des Weges sagte der heilige Petrus zu seinem Genossen:
,Ich möchte, Bruder, Voze haben; vögeln möchte ich!' — ,Na, dem ist
leicht zu helfen I' — ,Sobald ich auf ein Mädchen stosse, werde ich
verlangen!' — ,Verlang nur und du wirst eine kriegen!' —

Also zogen sie eine Zeitlang umher und stießen auf ein schönes
Mädchen. Da sprach der Genosse zum heiligen Petrus: ,Da wäre
eine Voze, sollen wir verlangen?1 — ,Nein, nein, dieses Mädchen ge-
fällt mir nicht Es wird schon eine andere kommen I' — Und so gingen
sie weiter. Nach langer Wanderung stießen sie wieder auf ein Mädchen,
diese jedoch war nicht schön. Wieder redete der Genosse den heiligen
Petrus an: .Petrus, laß uns Voze von diesem Mädchen begehren 1' —
,Nein, nein, unter keinen Umständen. Die ist ja nicht einmal so schön,
wie jene erstere.' — Der war schon zornig auf den heiligen Petrus
und sprach kein Wörtchen mehr; schweigend schritten sie fürbaß. So
gingen sie, Gott straf mich, sehr lange, doch fügte es sich, daß sie
durchaus auf kein Mädchen gerieten. Darauf sagte der heilige Petrus:
Jetzt möchte ich Voze haben, selbst wenn es ein altes Mütterchen
wäre!' — ,Das kenne ich,' sagte zu ihm der Gefährte, ,das eine redest
du und das andere tust du. Begegneten wir wiederum einem Mädchen,
ich weiß schon, du fändest auch an ihr etwas auszusetzen!' — Darauf


Der Geruchsinn in der Vita sexualis.

251

bemerkte der heilige Petrus: , Weißt du, ich gebe dir mein Wort, jetzt
möchte ich selbst ein altes Weib, wenn ich sie nur kriegte!' —

Kaum hatte er dies gesagt, stand schon, wie hergezaubert, vor
ihnen ein altes, buckliges und häßliches Großmütterchen. .Petrus, was
hast du kurz zuvor gesagt?' sagte zu ihm der Genosse. Dieser hatte
da keinen anderen Ausweg, sondern begehrte von der Strunsel Voze.
Sprach die Vettel zu ihm: ,Ich werde dir Voze gewähren, doch nur
wofern du mir versprichst, meiner Voze den Duft der allerschönsten
Paradiesblume zu verleihen!' — Petrus versprach ihr ihn. Nachdem
er sich satt gevögelt, hauchte er der Vettel in die Voze hinein und
die Voze begann wie die allerlieblichste Paradiesblüte zu duften.

Allda sprach der Genosse zum heiligen Petrus: ,Das ist schön
von dir, daß du Wort gehalten, doch ists nicht recht, daß bloß bei
dem Großmütterlein die Voze dufte, vielmehr soll sie auch bei jedem
Mädchen und jeder Frau duften!' — Hierauf wandte sich der heilige
Petrus gen Osten und rief dreimal aus: Jede Voze, so da versehen
mit Ohren, soll dem duften, der sie tut bohren!' — Und von der Zeit
an duftet jede weibliche Voze gleichwie eine Rose, ja, manche heißen
sie sogar Rose, daß heißt, sie gaben der Voze den Namen Rose.

Anmerkung Manche Männer versicherten mir, daß ihnen der
Geruch weiblicher Geschlechtteile Ohnmachtanfälle verursache, andere
wieder beschnuppern, wie Hunde oder Kater, zuerst diese Gegend,
ehe sie den Beischlaf ausüben. Übrigens duften nicht alle Rosen gut,
manche stinken geradezu. Die Entstehung der Bezeichnung Rose für
die weibliche Scham hat bekanntlich einen anderen Grund als den der
Schluß dieser Geschichte angibt.

8. Momak olizu pićku.

Sve bi jebo, samo ne bi lizo,
jer je pićka kod dupeta blizo!
Tu je pesmu pevao jedan momak idući śorom (sokakom, ulicom)
u vecer. To je ćula jedna lepa devojka iz sela te se brże popela na
tarabu (plot, ogradu) te povika tom momku: ,Ej pevacu, ne pevao
vise, ko ne liże, ne dobije pićke!' — Na to reće momak: .Oj devojko,
lepoto devojko, te kad bi mi tvoju dala, ljubio bi je kao tebe, seko,
a lizo bi je i uz duż i preko; lizo bi te i u dupe i nuz dupel' —
,Dobro,' reće mu devojka, ,sutra u vecer dogji, biću sama. Kucni samo
na ovaj mali pendżerl' — I momak ode obecavsi, da će sutra doći.
Sutra u vecer pre no śto će momak doći, devojka se otrolja (isere)
і tim govnima namaże svu pićku i butine і ostrag sredu dupeta.


252

Der Geruchsinn in der Vita sexualis.

Kad bi vreme zakuca momak na pendżer, ova ga pusti. Sad on
zaiste pićku a ona mu reće: ,Daću ti, ali prvo moraS da je Hżeśl4
I momak ne imade kud, nego poće lizati, ali smrad od govana da ga
uguśi. ,Aoj, euro, ta tvoja pićka smrdï. smrdi kao govno!' — ,Pa nije
ni cudo. Sam si pevao, da je pićka kod dupeta blizol' To reće pa
mu okrene dupe, da liże a ovaj i ovde oseti smrad od govneta te
reće: ,Hvala lepo, seko, ja to nisam ćekol' i izagje iz sobe a ova mu
dovikne: Ja se usra od radosti, jer mi eto do danas joś niko ne oliza
pićke a danas je oliza pevaè!' — Momak osramoćen uteće, ali vise
nikada nije pevao tu pesmu. — Erzählt von einer Dorfschmiedtochter
in einem Dörfchen bei Pancevo, Südungarn.

Wie ein Bursche die Voze abgeschleckt hat.

„Auf jede Art möchte ich wohl vögeln, nur lecken möchte ich
nicht, — denn die Voze ist beim Arschloch nahe!"

Dieses Liedchen sang ein Bursche abends durch die Zeile (die
Gasse, die Straße) ziehend. Das vernahm ein schönes Mädchen aus
dem Dorfe und erklomm rasch die Planke (den Zaun, die Umzäunung)
und rief diesem Burschen zu: ,Heda, Sänger, sollst nicht mehr singen,
wer da nicht leckt, der kriegt keine Voze!' — Darauf sagte der Bursche:
,0 du Mädchen, du eine Schönheit, Mädchen, o wenn du mir die deine
gewährtest, ich tat sie herzen, wie dich, o Schwesterlein, und lecken
möchte ich sie in die Kreuz und in die Quere; ich tat dich lecken
sowohl ins Arschloch als neben das Arschloch!' — ,Gut,' so sprach
zu ihm das Mädchen, ,morgen zu Abend komm, ich werde allein sein.
Poch du bloß an dies kleine Fenster an!' — Und der Bursche ging
mit der Zusage weg, morgen zu erscheinen. Morgen am Abend, vor
des Burschen Eintreffen, kackte sich das Mädchen aus und beschmierte
mit diesem Dreck ihre ganze Voze und die Schinken und hinten die
Mitte des Arschlochs.

Als es an der Zeit war, pochte der Bursche ans Fenster an, die
ließ ihn ein. Jetzt begehrte er Voze, sie jedoch sagte zu ihm: ,Ich
werde dir gewähren, doch mußt du sie vorerst belecken!1 — Und der
Bursche hatte keinen anderen Ausweg, sondern begann zu lecken, der
Dreckgestank war aber so arg, daß er ihn fast erstickte. ,0 weh, Mädel,
diese deine Voze stinkt, sie stinkt, wie Dreck!' — ,Nun, das ist ja gar
nicht wunderlich. Hast ja selber gesungen, daß die Voze nahe dem
Arschloch seil' Das sprach sie und wandte ihm das Arschloch zu,
damit er daran lecke, der aber schmeckte auch hier den Gestank vom


Der Geruchsinn in der Vita sexualis. 253

9. Usmrdelo se.

Bio jedan sasvim glup mladić і prost pa nije znao niśta. Tako
se i ożeni. Żena mu — mlada nevesta — videci, da on ne zna śta
je to żena i zaśto se covek żeni, namisli da zbije śalu s njime. Ona
mu izjavi, kako ona nema pićku.

— Pa śta ćemo sad? upita je on.

— Lako. Ja znam jednoga majstora, koji może pićku da mi naćini,
odgovori ona,

— Pa hajdmo majstoru!

Ona ga odvede kod njenoga nekadaśnjega jebaća, s kirne je se
jebavala joś devojkom. Ovaj, budući prepredenjak, każe: Ja mogu da
joj naćinim pićku, no ti mi donesi dva ovna debela neośiśana, dva
pętla і dvadeset kilograma soli. Od toga materijala mogu da joj na-
ćinim pićku.

Ode ovaj i donese sve to. Dok je on iśao za ovaj materijal,

Dreck und bemerkte: .Danke schön, Schwesterlein, ich habe das nicht
erwartet!' und ging aus der Stube hinaus, die aber rief ihm nach:
,Ich beschiß mich vor Freude, denn schau, bis auf heute hat mir
noch niemand die Voze abgeschleckt und heute schleckte mir sie der
Sänger ab!' — Beschämt rannte der Bursche davon, doch nimmermehr
sang er dies Lied.

Anmerkung. Weil ich fur gewöhnlich die herzogländische Mund-
art spreche und auf die Erzählerin den Eindruck eines etwas be-
schränkten Menschen machte, hielt sie es für notwendig, einzelne Worte
durch Synonime zu erklären. Zu ihrer Charakteristik notierte ich
auch die einigemal und auch weil es nicht gut ist, durch Zwischen-
bemerkungen den Redefluß zu unterbrechen. — Die angeführten zwei
Liedzeilen sind Reigensängern allgemein vertraut. Das Mädchen im-
provisiert mindergute Reime und der Bursche erwiedert ebenso un-
geschickt im Versbau. — Mit dem Hinriechen findet sich der Bursche
leicht ab, doch so manches Mädchen und manche Frau hat den Brauch,
wie man mir glaubwürdig versicherte, den Liebhaber oder Ehegemahl
zum Lecken förmlich zu zwingen. Das ist es, was die meisten Männer
verabscheuen, manche wieder behaupten, sie müßten zuerst ein solches
Vorspiel genießen, um das Frauenzimmer in Stimmung zu versetzen,
manche wieder finden ihr Genügen schon allein am Lecken, das offenbar
ihren Geruchsinn befriedigt. Aber auch Frauen lieben es, an männ-
lichen Geschlechtteilen zu schnüffeln und sie zu belecken.


2 54 Der Geruchsinn in der Vita sexualis.

majstor mu zenu jebavao. Sedela żena kod majstora nedelju dana
і ovaj je za sve to vreme jebavao. U rećeni dan ovaj dogje za żenu.
Ona mu se u putu vracajuci se pohvali, da sad ima ріски. Kad dogju
kuci a ovaj każe:

— Kamo da vidim, je li naćinio?

Źena mu se otkrije. On videv pićku reće:

— Oca mu njegovoga, ala me je izvarao! Od onolike vune sa
dva ovna, samo ovolicko vune metnuo! (misli za dlake na picki; da
je to od ovnujske vune). A gle, od kresie sa dva pętla samo onolićko
metnuo! (ovde pokaże i misli, da je u sredini picke sikilj naćinio
od kresle-obera).

Tada zavuce prst u pićku i pomiriśe pa kad vide, da smrdi a on
każe: I ovo mi podvalio! Ja mu dao dvadeset kilograma soli, da dobro
posoli a on nije hteo, da dobro usoli, već se usmrdelo! — Erzählt
vom Landmann Todor Vukovic aus einem Dörfchen bei Poljna, Ost-
serbien.

Es ist in Gestank übergegangen.

Es lebte mal ein ganz vernagelter, einfältiger Jüngling, der da
von nichts wusste. Als sein Weib — die junge Frau — merkte, er
wisse nicht, was ein Weib sei und warum sich der Mann beweibe,
nahm sie sich vor, mit ihm einen Jux zu treiben. Sie erklärte ihm
denn, sie besässe keine Voze.

— Ja, was fangen wir jetzt an? fragte er sie.

— Leicht geholfen. Ich kenne einen Meister, der wohl in der Lage
wäre, mir eine Voze anzufertigen, antwortete sie.

— Nun, so lass uns zu dem Meister gehen!

Sie führte ihn zu ihrem ehemaligen Vogler hin, mit dem sie noch
als Mädchen zu vögeln pflegte. Dieser, ein mit allen Salben ge-
schmierter Geselle, sagte: Ich bin imstande, ihr eine Voze anzufertigen,
doch bring du mir zwei feiste, ungeschorene Schafböcke, zwei Hähne
und zwanzig Kilogramm Salz her. Aus diesem Material vermöchte
ich ihr wohl eine Voze herzustellen.

Dieser ging weg und brachte alles herbei. Während er jenes
Material holen ging, vögelte sein Weib der Meister. Das Weib saß
beim Meister eine volle Woche und während der ganzen Zeit vögelte
sie der. Am festgesetzten Tag kam dieser um sein Weib. Auf dem
Heimwege berühmte sie sich, sie besässe jetzt eine Voze. Als sie
heimgekommen, da sprach dieser:


Der Geruchsinn in der Vita sexualis. 255

10. Das Lebenslicht.

Javi se sveti Petar jednom coveku, kad ovaj beśe tvrdo zaspao
pa ga povede u raj. Covek dragovoljno pristade i pogje sa svetim
Petrom. Dugo su lutali po raju i dogjośe do velike i prostrane a vrlo
lepo uregjene śumice, gde na svakom drvetu gorahu po nekoliko
kandila. Covek zapita svetoga Petra, śta je ovo ovde. Sveti Petar
odgovori, da su to kandila, koja gore sve dotlę, dok je covek żiv a
ćim ne stanę zejtina i kandilo se ugasi,,mora i covek odmah umreti.
Ovoga to jako zainteresova pa zamoli svetoga Petra, da ga odvede
do njegovoga kandila. Sveti Petar primi molbu і odvede ga do kandila
njegove źene a odmah tu beśe і njegovo. Vide covek da u żeninom
kandilu ima joś mnogo zejtina a u njegovom vrlo mało pa mu jako
żao beśe, Śto mora skoro umreti i zamoli svetoga Petra, da joś mało
dospe zejtina u njegovo kandilo. Sveti Petar reće, da to Bog sipa
zejtin odmah ćim se ko rodi i odredi ko će koliko ziveti. Coveka
to jako neraspoloźi i vajkaSe se porad kandila. Sveti Petar mu reće:
,Ostani ti sad tu a ja moram ici dalje, imam joś posła!' — Covek se
tome obradova pa ćim izmaće sveti Petar poće umakati prst u źenino
kandilo i istrisati u svoje. Tako je ponovio vise puta pa ćim sveti
Petar naigje, on se trze i uplaśi te se od toga i probudi pa vide da
je prst umakao u zeninu pićku a istrisao u svoja usta liźući. — Erzählt

— Wo steckt sie? Lass sie mich anschauen, ob er sie gemacht hat?
Das Weib deckte sich auf. Beim Anblick der Voze sagte er:

— Ich vögle ihm seinen Vater, beim Allah, der hat mir das Fell
über die Ohren gezogen 1 Von einer solchen Menge Wolle von zwei
Schafböcken hat er bloß so winzig Wolle draufgetanl (er meinte damit
die Haare auf der Voze, die wären von der Schafbockwolle). Und
da schau her, von den Kämmen zweier Hähne brachte er nur so ein
Bißchen an! (hier zeigte er und meinte er, der Meister habe in der
Mitte der Voze den Kitzler aus den Hahnenkämmen angefertigt).

Alsdann steckte er den Finger in die Voze hinein und roch daran,
als er aber merkte, daß es stinke, so sagte er: Auch hiemit hat er
mich begaunert! Ich gab ihm zwanzig Kilogramme Salz hin, damit
er es tüchtig einsalze, der aber mochte nicht gehörig salzen, so daß
es in Gestank übergegangen ist!

Anmerkung. Diese Schnurre vom Tölpel, den seine junge Frau
mit ihrem Liebhaber narrt, ist allgemein verbreitet, doch selten erzählt
man sie mit der Schlußpointe, wie in dieser Fassung.


256

Der Geruchsinn in der Vita sexualis.

von einem Gymnasiallehrer in Belgrad nach der Mitteilung einer
Bäuerin aus der Gegend von Kragujevac.

Der heilige Petrus erschien einem Manne, als der fest eingeschlafen
war und führte ihn ins Paradies weg. Von Herzen gern willigte der
Mann ein und ging mit dem heiligen Petrus. Lange irrten sie im
Paradies umher und kamen zu einem großen und geräumigen, dabei
sehr schön in Ordnung gehaltenen Wäldchen, allwo auf jedem Baume
mehrere Hängelampen brannten. Der Mann fragte den heiligen Petrus,
was das hier bedeuten solle. Der heilige Petrus antwortete, das wären
Hängelampen, die nur solange brannten, als da der Mensch lebe, sowie
jedoch das Öl verschwände und die Hängelampe verlöschte, müßte
auch der Mensch sofort versterben. Das hat den sehr interessiert und
er bat den heiligen Petrus, er möge ihn zu seiner Hängelampe hin-
führen. Der heilige Petrus erhörte die Bitte und geleitete ihn zur
Hängelampe seines Weibes hin und gleich dabei befand sich auch die
des Mannes. Der Mann sah, daß in der Hängelampe des Weibes
noch viel Öl vorhanden sei, in seiner eigenen aber sehr wenig und
es tat ihm sehr leid, weil er bald sterben müßte und da bat er den
heiligen Petrus, er möchte noch ein wenig Öl in seine Hängelampe
zugießen. Der heilige Petrus sagte, Gott schütte da Öl gleich bei der
Geburt eines Menschen ein und bestimme jedem die Lebensdauer.
Das versetzte den Mann in trübe Stimmung und er jammerte neben
der Hängelampe. Der heilige Petrus sprach zu ihm: ,Bleib du jetzt
da, ich aber muß weiter gehen, ich habe noch zu tun l' — Der Mann
freute sich dessen und kaum rückte der heilige Petrus aus der Sehweite,
begann er den Finger in seines Weibes Hängelampe einzutunken und
in seine das Öl einzutröpfeln. So tat er es mehrmals und sobald als
der heilige Petrus nahte, fuhr er zusammen, erschrak und erwachte
davon und da merkte er, daß er den Finger in des Weibes Voz ein-
getunkt und leckend in seinen Mund den Finger abgeträufelt habe.

Anmerkung. Nach einer von einem Handwerker in Sarajevo
erzählten Fassung erwachte der Mann nach einer Ohrfeige seiner Ehe-
gattin, die er mit dem Herumbohren in ihrer Scham aufgeweckt Hier
fehlt der heilige Petrus und statt der Hängelampen brennen Gläser
mit ÖL — Nach einer dritten Fassung, die ich von einem Schüler aus
Mostar erfahren, zeigt ein ehrwürdiger Greis dem Manne verschiedene
brennende Kerzen. Seine ist sehr dünn, die des Weibes riesig dick,
Nun beginnt der Mann, um sein Leben zu verlängern, mit brennendem
Eifer die dicke Kerze zu belecken. Da kriegt er aber eine gewaltige


Der Geruchsinn in der Vita sexualis.

257

Watschen. Da si zivotinja, znała sam, ali da si prase to beli nijesam!
Daß du ein Vieh bist, das wußte ich, doch daß du ein Ferkel bist,
das wußte ich wahrhaftig nichtI sagte sein Weib zu ihm, der er im
Schlaf die Voze beleckte.

Die Geschichte ist außerordentlich weit in Europa verbreitet Bei
den Südslaven zumal bekannt ist die Fassung, daß der Schatzfinder
in der Wildnis die ihm gezeigte Fundstelle nicht anders als durch eine
Entleerung zu bezeichnen weiß, um wieder hinzutreffen. Er betut sich
aber seinem Weibe auf die Scham, oder den Bauch, oder sonstwohin.

IL Erst schleck.

Eine Person, welche zuvor im Kloster gewesen war, heiratete.
Als sie mit dem Mann zum erstenmal beieinander im Bett lag, wollte
der Mann seinen Schwanz gleich zwischen das Vozenhaar in die Voze
stecken. ,Nicht so,' wehrte die Person, ,erst schleck mich an den
Dütteln, dann an der Voze/ — Der Mann wollte zuerst nicht, aber die
Frau sagte: ,du mußt'. Da tat 's der Mann und fand, daß die Frau
auf die Dütteln und die Voze Streuzucker gemacht hatte. ,Wer hat
dir das gesagt,' fragte der Mann. ,Die Nonnen im Kloster,' antwortete
die Frau ,denn es ist ein größerer Genuß fur uns Weiber!'

Anm. Dieses Lecken der Brüste und weiblicher Schamteile ist eine
anscheinend stets mehr sich ausbreitende Unart des modernen Sexual-
lebens. Die in Frankreich dienenden Elsässerinnen haben zum Teil
diese Tollheit in die bäuerlichen Kreise hineingetragen. Ein großer
Teil der in Frankreich dienenden Mädchen kommt als uneheliche
Mütter heim. Das Treiben und die Genußsucht der Städter steckt
die Mädchen an. Es ist nur ein Zufall, daß die Mädchen all die Per-
versitäten in Frankreich lernen, würden sie in deutschen, schweizeri-
schen Großstädten dienen, dann stünde die Sache wohl ebenso. Man
bezeichnet diese Leckerei im Volk mit Minette machen. Junge
Mädchen werden nach ziemlich glaubwürdigen Angaben zuerst durch
Minettemachen auf den Weg des Lasters gebracht. Die Mädchen
etwa vom 12. Jahre ab bekommen Alkohol zu trinken und werden
dann im Schlaf von Lüstlingen beleckt. Dieser auf die Geschlecht-
teile ausgeübte Reiz bringt die Mädchen mit Notwendigkeit zum Ona-
nismus und liefert den Bordellen neue Ware. Bei dem gesetzlich leider
sowenig einheitlich geregelten Ziehkinderwesen darf man sich gar nicht
wundern, wenn selbst Säuglinge in wahrhaft teufelischer Weise für das
Lasterleben dienstbar gemacht werden. Geile Ammen lassen sich von

Krauss, Anthropophyteia IV. \y


258

Der Geruchsinn in der Vita sexualis,

den armen Würmchen die Klitoris bepullen, gegen Bezahlung wird
dieser „Genuß" auch anderen Tieren in Menschengestalt gewährt und
auf diese Weise der Säugling einem sicheren Hungertod zugeführt
Wer kann all die Scheußlichkeiten der Engelmacherinnen ermessen?
— Ein Beispiel noch von der Art des Minette. In einem kleinen
Vogesenorte erkrankte eine ganze Anzahl von Burschen an Lippen-
geschwüren. Der herbeigeholte Arzt erkannte sofort den venerischen
Charakter dieser Pusteln. Auf eingehendes Befragen gaben die Burschen
an, den Wünschen eines in Nancy dienenden Mädchens, das zur
Kirchweihfest (Messti) hingekommen war, willfahrt zu haben. Das
Mädchen hatte sich nach dem Tanz mit einigen Burschen in eine
Scheune begeben. Dort zog das Mädel alle Kleidungstücke aus, ließ
dann einen um den andern Burchen auf eine Bank liegen und stellte
sich dann so über den Burschen, daß die Oberschenkel den Hals des
Burschen umschlossen. Die Burschen küßten nun die Geschlechtteile
der Person und preßten gleichzeitig mit den nach oben erhobenen
Händen die Brüste der geilen Person. Die zuschauenden Burschen
zählten taktmäßig die Zeit bis Erektion und dann Ejaculation eintraten
und verglichen diese gegenseitig. Der tolle Vorgang spielte sich im
heißen Sommer ab und war nach Angaben der Burschen von auf-
regendster Art Daß die Zeche dieser seltsamen Unterhaltung nicht
so glatt verlief, erfuhren die Leutchen am eigenen Fleisch, da die tolle
Weibsperson Spuren einer venerischen Krankheit aufwies.

Aus dem Breuschtal im Elsaß. F. Wernert

12. Minette.

An das „Minette machen" schließt sich, beziehungweise geht ihm
voraus ein Gelüst von Erotomanen, welches der Franzose „boire la
tosée" nennt

Man begreift darunter zweierlei: a) das mit leisen Saugbewegungen
ausgeführte Ziehen an der weiblichen Brustwarze, b) das Ablecken
der Harntropfen, welche an den Schamhaaren des harnenden weiblichen
Individuum hängen bleiben.

Namentlich sollen blonde und rothaarige — also lichtfarbige
Weiber — von der Gruppe dieser Erotomanen unter denen sich auch
solche weiblichen Geschlechtes befinden, fur diese „Genüsse" ge-
sucht sein.

Manches blonde Mädchen aus dem Elsaß, welches in Frankreich
diente, kann von derartigen Dingen Mitteilung machen. Der Nach-


Der Geruchsinn in der Vita sexualis.

259

ahmungtrieb bringt solche sexuelle Nova auch in bäuerliche und länd-
liche Arbeiterkreise. Viel verbreitet ist in den Dörfern die Unart, daß
Burschen mit Zeige- oder Mittelfinger einem Mädchen über die Brüste
fahren und dabei die Worte sprechen: Derf ich e bissei Räuhm
schlecke (darf ich ein bissei Rahm schlecken).

Nicht verwechseln darf man mit dem Minette und boire la rosée
das zur Sättigung des Geschlechtgefühles hie und da beliebte Küssen
und belecken der Teile zwischen Anus und Vagina. Äußerungen von
Bauernburschen sowie unauffällige Rückfragen haben mir eine Gewiß-
heit verschafft, daß solche Lieberauschhandlungen nicht unbekannt
sind. In welchem Umfang sie erfolgen, ließ sich bei dem heiklen
Thema natürlich noch nicht abschließend eruieren. Es gibt da fur
den Forscher, dem namentlich Mediziner zu Hülfe kommen können,
noch unendlich viele Fragen; ich deute nur noch an die manchmal
beobachtete Steigerung der Geschlechtlust des Mannes, wenn das
weibliche Individuum mit seiner Scham sich über das Genick des flach
liegenden Mannes setzt usw. Dinge, die man im Gespräch mit Bauern-
burschen hört, die aber eingehend untersucht und geprüft sein wollen.
Ein einzelner Mann vermag da kaum viel auszurichten; Erfolg verspricht
die Forschung erst, wenn viele Mitarbeiter dasselbe Gebiet bearbeiten.

Aus dem Breuschtal im Elsaß. F. Wernert.

13. Żena porodiya i gaće rtfenog muza,

Mućila se źena pri porogjaju pa ugledala gaće njenog muza i
vikne babici: Jao, ukłoni ono (pokazujući na gaće) da ne gledam!'
hoteći time da każe, da je kurac njenog coveka kriv śto se ona ovoliko
mući pa i gaće, koje su kurac skrivale. Babica skłoni brzo gaće
u kraj.

Kad se pośle porodila i mało odmorila, ona će reći babici: ,Daj
mi one muzevlje gaće, da ih metnem pod glavu, jer volim da ih mi-
riśeml — Mitgeteilt von einem Landmann aus Temnić in Serbien.

Die Gebärende und ihres Ehemannes Leinenhosen.

Ein Weib plagte sich beim Gebären ab, erblickte dabei ihres
Ehemannes Leinenhosen und rief der Hebamme zu: ,0 weh, entferne
jenes (auf die Leinenhosen weisend), damit ich es nicht anschaue!'
Sie wollte damit nur sagen, an ihrer großen Plage wäre nur ihres
Mannes Zumpt und die Leinenhosen auch schuld, die den Zumpt
verbargen. Die Hebamme beseitigte rasch die Leinenhosen in den
Winkel.

17.


2бо ^rotîk beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

Von Georg Qu er і in München.

Die Leser dieser Jahrbücher werden im Allgemeinen über die
oberbayrische Sitte des Haberfeldtreibens unterrichtet sein. Ich
möchte indessen gleich Eingangs die Feststellung der Konversation-
lexika korrigieren, daß diese Volksjustiz „namentlich bei Geiz, Wucher
und Betrug und gegen Feldmarkfrevler" zur Anwendung kam; das
wird nur durch außerordentlich wenig Fälle belegt. Die Haupt-
momente, die das Einschreiten des bäuerlichen Rügegerichtes be-
dingten, sind Ehebruch und sexuelle Verirrungen überhaupt,
denen man mit einem seltsam zähen Spürsinn nachzuforschen pflegte.

Die Tendenz der Haberfeldtreiber war die, Laster und Ver-
brechen aufzudecken, die durch die sanktionierte Justiz nicht bestraft
werden konnten oder wollten. Andreas Niedermair von Maxlrain
bei Aibling, der in den Jahren 1862 bis 1864 als Haberermeister
des Flachlandes fungierte, erklärte mir das kurz und bündig so:
„Wo der Pfarrer und das Gericht einen Mantel drüberschmeißt, da
gehn wir los," Allerdings fehlten diesem Losgehen zumeist die Vor-
bedingungen der klaren Beurteilung der Fälle, der Erkennung von
Wert und Unwert der Anklagen und der Kritik der Ankläger. So
mußte die streng prüfende Bauernfehme vor anno dazumal in pöbel-
hafte Veranstaltungen ausarten, deren Kern wohl der sein mochte,
dem Laster gröbste Predigten zu halten, deren vernachlässigte Form
indessen Neidern und hämischen Menschen Intriguen gestattete, die
den Betroffenen geächtet machten und auch in seinem Erwerb ge-
fährden konnten. Auch war man von den ehedem grundsätzlichen
Bedingungen abgekommen, nur solche Leute zu den Treiben zuzu-
lassen, die im Urbezirk des Brauches erzogen und als tadellose

Nachdem die Frau niedergekommen war und sich ein wenig erholt
hatte, bemerkte sie zur Hebamme: ,Geh, gib mir mal des Mannes
Leinenhosen her, damit ich sie unter den Kopf lege, denn ich habe
es gern, daran zu riechen/


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern. 261

Charaktere durch Bürgen bezeichnet waren. So mußten mehr und
mehr die Mitläufer, die radaulustige Rotte, im Heer der Haberer zur
Geltung kommen und das Gewichtigte, Ernstvolle und Ansehnliche
der Bauernfehme untergraben.

Und so mußte ein Volksbrauch von unerhörter Langlebigkeit
durch Selbstzerstörung seinem Ende zugehen, das die sanktionierte
Justiz so oft verlangt und so oft verfugt hatte — auf dem Papier
freilich. Es kommt in den Gerich takten vor, daß Herzog AI brecht
von Bayern im Jahre 1365 die von seinem Vorgänger bereits ver-
fugte — aber eben wieder nur verfugte — Aufhebung des bäuer-
lichen Rügegerichtes bestätigt. „Diese Rügegerichte", schreibt Wi-
guläus Hundius im Bayrischen Stammbuch, „seynd Inquisitiones
gewesen, allenthalben im Land jährlich gehalten, und die Leute auf
anderer Mißhandlung heimlich inquirieret worden, daraus große Feind-
schaft und Unrath erfolgt, derhalb von Hertzog Albrechten von
Bayern gäntzlich aufgebebt".

Der „gänzlich aufgehobene" Brauch bestand indessen munter
fort; gleichwohl werden erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts wieder
Verfügungen gegen das Haberfeldtreiben erlassen, indem Gemeinden,
nicht Persönlichkeiten, für jeden Fall mit 50 Fl. Geldstrafe belegt
werden. Diese Rechtsprechung wurde indessen von höchster Stelle
nicht gerne gehört: König Ludwig I. erließ durch Reskript vom
17. April 1833 einer verurteilten Gemeinde die Strafe in Gnaden
mit der Verfügung, „daß künftighin eine Einschreitung gegen die
alte Sitte des Haberfeldtreibens nur insofern stattzufinden hat, als
solches im Interresse der öffentlichen Ordnung absolut nötig ist".
Im Jahre 1848 indessen schienen die Haberer sich dadurch mißliebig
gemacht zu haben, daß sie der besonders geizigen alten Kurfurstin
Elisabeth von Österreich im Schlosse Brannenburg haberten (nach
Prof. Sepp); 1849 wurde dann bereits Militär gegen die Haberer
requiriert und von nun an wurden Mitglieder des Bundes — soweit
man sie ergreifen konnte — mit Gefängnisstrafen belegt. Diese Ur-
teile wurden im Lauf der Zeit umso härter, je weniger der Haberer-
bund sich vor der Justiz beugte; bis zu Ende des 19. Jahrhunderts
(1898) wurden dann Strafen ausgesprochen, die die habernden Bauern
geradezu mit dem finanziellen Ruin bedrohten. Wenn auch 8, 9 und
mehr Jahre Gefängnis den Bauern nicht aufrieben, so vernichteten
doch die Vollstreckungkosten und die Abwesenheit des Hofherren
den Besitz. — Die Haberer waren eingeschüchtert.

Die Kirche war schon früher gegen die Haberer aufgetreten: 1828


2Ó2

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

erließ das Münchener Episkopat einen Hirtenbrief gegen das Haber-
feldtreiben, 1834 einen zweiten, 1863 einen dritten und zugleich den
größeren Kirchenbann gegen die Haberer. An dreißig Jahre
vermochte der Bannstrahl die Haberfeldtreiben zu unterbrechen;
aber als eine neue Generation ans Ruder getreten war und ein
Tölzer Pater sich bereit erklärte, den exkommunizierten Haberern
im Beichtstuhl Sünde und Strafe zu erlassen — da begannen die
Treiben in nie gekanntem Umfang wieder, um schließlich wieder ein-
gestellt zu werden, als die Gerichte mit grausamen Strafen vorgingen.

* *

Es steht mir hier nicht der Platz zur Verfügung, um die Geschichte
der Haberfeldtreiben ausfuhrlich zu geben. Sie ist romantisch, schier
romanhaft; sie spielt auch eine Rolle in Kriegzeitläuften, wie sie in
die Geschichte des oberbayrischen Klerus eingreift; sie ist maßgebend
fur die Entwicklung der Gerichtpflege der Landbezirke. Ich werde
den richtigen Stoff, den ich im Laufe vieler Jahre teils in den Ort-
schaften des Habererbezirkes, teils in Archiven gesammelt habe, aus-
fuhrlich in einem Privatdruck behandeln, der im Herbst 1907 er-
scheinen wird.1)

Hier, in den Spalten der Anthropophyteia, sei das Hauptgewicht
auf folkloristische Momente gelegt in der Voraussetzung, daß der
ungefähre Hergang der nächtlichen Rügegerichte bekannt ist. Die
Treiben begannen zumeist um Mitternacht mit einem fürchterlichen
Radau, in dem neben allen erdenklichen Lärminstrumenten Schieß-
waffen die Hauptrolle spielten; dann trat Ruhe ein und der Rügmeister
verlas — zumeist auf öffentlichem Platze — die Rügverse mit län-
gerer Einleitung. Nach jedem einzelnen Verse frug der Meister:

„Ist 's wahr oder not?"

,,Wahr is 's!" schrieen die Haberer.
Alsdann treibt 's zual"

Und der grauenhafte Lärm wiederholte sich.

Ich gebe nachstehend die Protokolle von fünf Treiben aus der
Zeit des letzten Wiederaufblühens des Bundes, also nach der Pause,
die der erzbischöfliche Bann bewirkt hatte. Die Verse werden die
Natur der Bauern des oberbayrischen Vorgebirges in wesentlich an-

1) Das Haberfeldtrciben. Bauernfehme und Bauernerotik in Oberbayern.
20—25 Bogen. Gr. 8ft. Mit Illustr., Faksimiles usw. Preis ca. 20 Mark. Sub-
skription durch Dr. H. Lüneburgs Sortiment (Gais), München, Karlstraße 4.


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

263

derer Beleuchtung zeigen als die leider anscheinend systematische
Schilderungart jener Hochflut von Romanen, die gerade die Bauern
des Isarwinkels behandeln. Und was die oberbayrische Volksdichtung
anbelangt: mögen Stieler, Kobell und Anzinger immerhin Kinder
dieses Volkstammes sein — ihre Dialektdichtungen entbehren zu sehr
aller Derbheit, die für das Schnaderhüpferl typisch ist. Sie schalten
die Erotik aus und schwelgen in süßlichen Stimmungen, so sehr
auch das Erotische oder besser das derb Erotische im Volksgeschmacke
liegt. Vielleicht ist ja auch die Erotik im Sinne aller Staatsanwälte
aus der Literatur zu verbannen und vielleicht liegt die volkstümliche
Derbheit nicht im Geschmacke des heutigen Publikums von Verse-
lesern. Und dann: es herrscht in Bayern immer noch die Sitte vor,
die volkstümlichen Literaten — ich nenne als letzten Maximilian
Schmid mit seinen unglaublich unechten volkstümlichen Romanen
— zu Hofräten zu ernennen. Es ist also in Bayern wesentlich vor-
teilhafter, das Volk so abzuzeichnen, wie es nicht ist.

Wie es aber ist — in seiner derben Richterherrlichkeit über
sexuelle Moral — das mögen die folgenden Haberfeldtreiben an-
zeigen. Ich habe die ursprüngliche rein phonetische Aufschreibung der
Texte belassen — im Interesse der Dialektforschung; es erwuchs
indessen daraus mehrmals die Notwendigkeit, vollständige Über-
setzungen beizufügen, schon aus der Erfahrung, daß Übersetzungen
aus dem Oberbayrischen dem nicht ganz Geschulten sehr schwierig
sind und daß Pani zza z. В. in seinem Werkchen über Haberfeld-
treiben u. a. folgende Übersetzung sich leistete :

„Hast d' Ehhalt'n b'schiss'n um an Lau'n alter Lump"
Hast wegen einer Laune die Ehe gebrochen . . .
Statt: Hast die Dienstboten um Lohn beschissen . . .

Treiben im Egmating

vom 12. zum 13. September 1892.

I.

Gon äschtn köma glei iban D.-Würth, iba den ehebröcharischen Mo,

Weira bei seina Dachta s Kindamacha gar so guot ko.

Das duat aiwai de Handlungsreisendn sakrisch vodrüassn,

Weijs für den Huanschtingl an Kindsvotan macha müassn.

An sölan Votan soi ma as Zuchdhaus bringa.

Na kunda stod seina Tachta an Scheißkübi springa.


2óą

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

(Zum ersten kommen wir gleich über'n D.-Wirt, über den ehebrecherischen Mann,

weil er bei seiner Tochter das Kindermachen gar so gut kann.

Das tut alleweil die Handlungreisenden sakrisch verdrießen,

weil sie für Hurenstingel den Kindsvater machen müssen.

Einen solchen Vater soll man in's Zuchthaus, bringen,

dann könnt* er statt seiner Tochter den Scheißkübel springen.)

2.

Na köma glei as Bräuhaus gon Blembi fabrikand iba den Hund

I glaab it datma in an Zuchdhaus die an schlechdan Fagabuntn fina kund.

Dä Spizbua ko leichd rächt brozn und seina Kinda kina leichd schtudian,

Ä duat ja nix ois da Laid as Sach ostain und sei Herschafd ofian.

A Gsiff machda scho aso a schlachte zon voröka,

Da braugst grod a Hoiwi z trinka na braugst koan Abadeka,

Was des füra Schwindla is, des muas d Herschafd dafrong

Damit das do den Lumba amoi ban Loch aussajong.

(Dann kommen wir gleich in's Bräuhaus zum Plempelfabrikanten, über diesen Hund ;

ich glaub' nicht, daß man in einem Zuchthaus drinnen einen schlechteren Vaga-
bunden finden könnt'

der Spitzbub' kann leicht recht protzen und seine Kinder können leicht studieren,

er tut ja nichts als den Leuten das Sach abstehlen und seine Herrschaft anführen.

Ein Gesüff macht er schon ein so schlechtes zum Verrecken,

da brauchst du gerade (nur) eine Halbe zu trinken, dann brauchst du keinen Apo-
theker (kein Abführmittel).

Was der für ein Schwindler ist, das muß die Herrschaft erfragen,

damit daß sie doch den Lumpen einmal beim Loch hinausjagen.)

з-

A da R. liegt an Kins Umbringä ganz wöni dro,

Derä Matz ko ada Schlächtikeit gor niama mer o,

Jatz san eham de Morddatn afs Gwisn köma,

Drum hotsi lossn an dritn Ordn afnöma.

Aba zweng dorn duats sei Huararei noit bschliaßn,

Weils d Handwärgburschn oiwai vögln müassn.

Vo da M. wissat ma a netö Brockä,

Dära muaß da Sch. oiwai af seina Britschn oma hockä.

(Auch der R. liegt am Kindumbringen ganz wenig dran,
dieser Metze kann an der Schlechtigkeit gar niemand mehr an;
jetzt sind ihr die Mordtaten aufs Gewissen gekommen,
drum hat sie sich lassen in den 3. Orden aufnehmen.
Aber deswegen tut sie ihre Hurerei noch nicht beschließen,
weil sie die Handwerkburschen immer vögeln müssen.
Von der M. wüßten wir auch nette Brocken,
der muß der Sch. allerweil auf ihre Voze oben hocken.)

4-

Jatz köma von R. H. a por Stükln, [din finna.

Den Huanstingl ko ma de ganz Wocha ba den 13 Jahr oite G.-Deandl ada Kama


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern

265

Dä Huanstingl hot des Deandel gvögld des wor a Graus,
Drum homs an Doktä ghoit as Haus.
Dä Doktä sagt glei

Do isa rächda Huanstingl gläng dabei.

Dä Huanstingl wan bremüat wä des wä a Schand,

Den kundma brauchä ois Bschaihengs am Land.

Jetzt kommen von R. G. ein paar Stückel,

den Hurenstingel kann man die ganze Woche bei dem 13 Jahr alten D. Dirnd

in der Kammer drinnen finden;
der Hurenstingel hat dieses Dirndl gevögelt, das war ein Graus,
drum haben sie den Doktor geholt in's Haus.
Der Doktor sagt gleich:

(,Da ist ein richtiger Hurenstingl gelegen dabei I

Der Hurenstingl wenn prämiiert war', das war eine Schand',

den könnte man brauchen als Beschälhengst am Land/')

5-

Jatz kirnt ä ganz schlächdä Kral des is da B.,

Wejra sein Sau rehama ba den 14 Johr oita Sch. Deandl oiwai ad Fut eihö stockt.

Dea Ehbröchä hot gmoat, ea däfs Deandl gnuo ofieren,

Dö Pframinga wäns Kind scho afziang.

As Brod machda seitdeam a hibsch kloa,

Ä moat ä ko na daro s Kindergehid afd Seitn doa.

Dä H. wart a 3 Tog

Bis d Höwamin sei Wei richdi ausglart hot.

(Jetzt kommt ein ganz schlechter Kerl (an die Reihe), das ist der B.,
weil er seinen Sauriemen bei dem 14 Jahr alten Sch.-Dirndl alleweil in die Voze

hineinsteckt.

Der Ehebrecher hat gemeint, er darf das Dirndl genug anführen,

die Pframinger werden das Kind aufziehen.

Das Brot macht er seitdem auch hübsch klein,

er meint, er kann dann davon das Kindergeld auf die Seite tun, —

Der G. wartet auch (nur) 3 Tage (mit dem Coitus),

bis die Hebamme sein Weib richtig ausgeleert hat.)

6.

An B. sei Wei des is de Schöna vode Gmoha,

Derä Ehbröcharen kos sei Mo a njma gnua doa,

Koan Handwärgburschn lost si a net aus,

Sie sogt si braucht oiwai schtehadi Mitl an Haus.

Und d W. R. dea Schlambn

Hot oi Aumblig vo de Jaga a groußi Wambn,

D Huararei däfs boid bschliasn

Wei oiwei andani Voda macha müasn.

Und da M. wo Stocka

Mäckt a oiwai auf derä sein Bach omat hocka.


266 Erotik beim Hąberfeldtreiben in Oberbayem.

(Des B. (sein) Weib, das ist die schönere von der Gemeinde,
dieser Ehebrecherin kann es sein Mann auch nimmer genug tun;

+

keinen Handwerkburschen läßt sie auch nicht aus,

sie sagt: sie braucht immer stehende Mittel im Haus. —

Und die W. R., diese Schlampe,

hat alle Augenblick von den Jägern eine große Wampe (Bauch);
die Hurerei darf sie bald beschließen,
weil alleweil andere Vater machen müssen.
Und der M. Stocken

möcht* auch alleweil auf ihrem Bauch oben hocken.)

Ь

An oitn W. vo Pframing müasma a no mitnöhma,

Wejra duat a no üwa Diana köma,

Dea oit Huanbog is scho ofi an Stohi foihi krocha

Und hot mit sein Huanschwanz de Dian d Löcha rächt vastocha.

Amoi hot den Ehbröcha do sei Wei datapt

Wira sein Sauschwoaf in da Dian sein Loch hot Dina ghabt.

Ea häd a so no a rächds Wei dea Stia

Und vögeld no oiwai astugara drei a via.

(Den alten W, von Pframing müssen wir auch noch mitnehmen,

weil er tut auch noch über die Dirnen kommen;

der alte Hurenbock ist schon oft in den Stall vor gekrochen

und hat mit seinem Hurenschwanz den Dirnen die Löcher recht verstochen.

Einmal hat den Ehebrecher doch sein Weib ertappt,

wie er seinen Sauschweif in der Dirn' seinen Loch hat drinnen gehabt.

Er hätt' so noch ein richtiges Weib, der Stier,

und vögelt noch alleweil der Stücke (ein Stück ihrer) drei ein vier.)

8.

Jatz kimb da H. vo Emating bei den Ehbröcha hots oiahand Gwindn,

Ea vöglt sei L. va forn und da G. E. an H. vo hindn.

Und füa dasa stad ist gwön

Hota eham a Kaibi Kuha göm.

Zweng an steh'en homa a no wos z song

Des koni eng song des is a schlächda Mo,

Dea pakt d Laid midn afda Straße o.

Dea Raba hot do gor koa Gwisn,

Dea hot an B. H. hoibat daschlong und an Gehid Beudl von Sock aussa grissn.
Füa d H. homa a no wos hindn

Ba dea koma Gsöhin Tog und Nocht af sein Loch omat findn.

(Jetzt kommt der H. von Egmating; bei diesem Ehebrecher hat's allerhand Gewinden,

er vögelt seine L. von vorne und der H. E. den H. von hinten.

Und dafür, daß er verschwiegen ist gewesen,

hat er ihm eine Kälberkuh gegeben.

Wegen des Stehlens haben wir auch noch was zu sagen:

das kann ich Euch sagen, das ist ein schlechter Mann,


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

267

der packt die Leut' mitten auf der Straßen an.
Der Räuber hat doch gar kein Gewissen,

der hat den B. H. halb erschlagen und den Geldbeutel (ihm) vom Sack heraus-
gerissen.

Für die H. haben wir auch noch was hinten,

bei der kann man die Gesellen Tag und Nacht auf ihrem Loch oben finden.)

9-

Dä B. vo Emating is a rächd a gscheida Mo,

Af 6 Meinoad kimbs eham noit draf o.

AI sei Tachda is ea oiwai afgsprunga,

Jatz is Hansin vo B. worn, jatz is si eham do no austruna.

Da Schadarm A. dea hotn rächd gean,

Dea wan in Glam no da wä na müasta ban В. Fleischbschaua wän.
An B. seini Buam wän so schlächd ois wia eha Schwesta Resl,
Awa da Deifö dea gibt ehama do no an Sässl.
Dä B. hod gmoat ea häd richtigi Buam afzong
Dawej is dalong.

(Der B. von Egmating ist ein recht gescheidter Mann,
auf 6 Meineid kommt's ihm noch nicht (drauf) an;
auf seine Tochter ist er alleweil aufgesprungen,

jetzt ist sie Hansenbäuerin von Berg geworden, jetzt ist sie ihm doch noch entronnen.
Der Gensdarm A., der hat ihn gern,

der wenn in Glam noch war', dann müßt' er beim B. Fleischbeschauer werden.

(Er setzte ihm Hörner auf.)
Dem B. seine Buben wär'n so schlecht wie ihre Schwester Resl,
aber der Teufel gibt ihnen doch noch einen Sessel (in der Hölle).
Der B. hat gemeint, er hätt' richtige Buben aufgezogen,
derweilen ist's erlogen.)

IO.

Jatz kimb da H. zo den müasma a no abi schrein,

Dea soit ba da Musi Mari seina Britschn amoi din henga bleim.

Den hot a amoi oana datapt

Wiara sein Schwanabartl ba da B. vo Egmating ada Kachei din hot ghobt.

D M. voacht den oitn Sch. it schlächd,

Se sog dea mechd a no oiwei vögln und ko njma rächd.

(Jetzt kommt der H., zu dem müssen wir auch noch hinabschreien,

der sollte bei der Musikantenmarie ihrer Britschen drinnen hängen bleiben.

Den hat auf einmal einer ertappt,

wie er seinen Schwanenbarthel bei der B, von E. in der Kachel drinnen hat gehabt.
Die M. fürchtet den alten Sch. nicht schlecht,

Sie sagt, er möcht' auch noch alleweil vögeln und kann nimmer recht.)

II,

Gon Pfara müasma a no oihi schrein

Go den köma no amoi extri zon Hobafehitreim.


2б8

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

Dea Keal is neidiga ois weihra Hund

Weijra dö arma Baualaid an Kirta d Muhsi as Bier unds Fleisch it vogund.

Er moat d Laid soitn eham d Sachn göm und an Kirta obringa

Das sei Wambn no gröaßa wur, na kunda sei Köchin a njma springa.

(Zum Pfarrer müssen wir auch noch hinschreien,

zu dem kommen wir noch einmal extra zum Haberfeldtreiben.

Der Kerl ist neidiger als wie ein Hund,

weil er den armen Bauernleuten die Kirchweih, die Musik, das Bier und das Fleisch

nicht vergönnt.

Er meint, die Leut' sollten ihm die Sachen geben und die Kirchweih abbringen,
daß seine Wampe noch größer würde, dann könnte er seine Köchin auch nicht

mehr (be-) springen.)

Treiben zu Harthausen

vom 20. zum 20. November 1892.

I.

Gon äschtn wäds mitn H. vo H. prowiat,

Weira mit sein Paradiesbaam oiwai sei Dachta krischtiat.

Dea Ehbröcha is a rächd schlächda Hund,

Ea liegt oivai ba da Dachta an Bed din wajas koan junga Burschn vogunnt.
An sölan Bluatschända und Sau Stia soitma schnein wiaran Hund
Dos wa ejahm gsund.

(Zum ersten wird's mit dem H. von H. probiert,

weil er mit seinem Paradiesbaum alleweil seine Tochter klystiert.

Dieser Ehebrecher ist ein recht schlechter Hund,

Er liegt alleweil bei der Tochter im Bett drin, weil er sie keinem jungen Burschen

vergönnt

Einen solchen Blutschänder und Saustier sollte man schneiden wie einen Hund,
Das war' ihm gesund!)

2.

Da K. vo H. is a ehebröcharischa Mo,

Weira füa sein Suh s Kindamacha gor so guat ko.

Dea ganz schlächd Huanstïngl häd a so scho dö sei

Und do schleichta sö füarn Suh boi da Dian ada Kama ei.

Zwöngan Stehin hädma ejahm a no was z song,

Dea Ehbröcha und Spitzbua duatsö ganz leicht,

Weira koa Hoi und koan Deifö it scheicht.

(Der K. von H. ist ein ehebrecherischer Mann,

weil er für seinen Sohn das Kindermachen gar so gut kann.

Der ganz schlechte Hurenstingel hätt' ohnedies schon die Seinige,

und doch schleicht er sich für den Sohn bei der Dirn in der Kammer ein.

Wegen des Stehlens hätten wir ihm auch noch was zu sagen;

dieser Ehebrecher und Spitzbube tut sich ganz leicht,

weil er keine Hölle und keinen Teufel nicht scheut.)


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern

269

3-

A rächta Huanstingl is a scho da N. von dem heat ma a netto Stickin,
Den koma dö ganz Wocha ba sein Basi afda Britscha oma fina.
Mit dera Sach wara stad mit dem müasma lacha,
Ea denkt ejahm ea ko d Hewamin sehiba macha.
Aba dawej köman Zwilling do hat ejahm freîli graust
Nacha is a um d Hewamin gsaust.

(Ein rechter Hurenstingl ist auch schon der N., von dem hört man auch nette

Stücke,

den kann man die ganze Woche bei seinem Bäschen auf der Voze oben finden.
Mit dieser Sache war er verschwiegen, mit dem müssen wir lachen,
er denkt (ihm) sich, er kann die Hebamme selber machen.
Aber derweilen kommen Zwillinge, da hat ihm freilich gegraut,
nachher ist er um die Hebamme gesaust.)

4.

Jatz köma von B. a netto Brocka,

Weira ba sein Wei a niema ko aufhocka.

Drum is sei Wei gar a so betrüab

Weis füas Mausn Brigl kriag.

Dea Huanstingl soisi früha bössa ham ghoitn

Na kunta sei Wei jotz a no dahoitn.

(Jetzt kommen vom B. auch nette Brocken,

weil er bei seinem Weib auch nimmer kann aufhocken.

Drum ist sein Weib gar so betrübt,

weil sie für's Vögeln Prügel kriegt.

Der Hurenstingl sollte sich früher besser haben gehalten,
dann könnt' er sein Weib jetzt auch noch erhalten.)

5-

An Sch. und sein Suh Heinrich ko an Schtehin koana o

Soamoi schtehins ban Mair z Aing a Kuha sandamai packas z Bayrn an Kircharab o

Da Heinrich is a rächt schlächda Huanstingl

Dea hot mit seina Schwösta scho oihand prowiat

Und hots mit sein Sauschwoaf a scho oft grischdiat.

Da Heinrich ho scho efta as Zuchdhaus müasn,

Da koas füa den oidn Raba an Scheißkiwi brav büaßn.

(Dem Sch. und seinem Sohn Heinrich kann im Stehlen keiner an,

das eine Mal stehlen sie beim Mair zu Aying eine Kuh, das andermal packen sie

zu (Strigers-)beuren einen Kirchenraub an.
Der Heinrich ist ein recht schlechter Hurenstingel,
der hat mit seiner Schwester schon allerhand probiert
und hat sie mit seinem Sauschweif auch schon öfter klystiert.
Der Heinrich hat schon öfter in's Zuchthaus müssen,

da kann er's für den alten Räuber am Scheißkübel (-tragen) brav büßen.)


ч

6.

An Buagamoaschta vo Gr. däfma a it vogößn,

Dea hot da Dian vonuma a Hemad ogmößn.

Koa Weibätz sogta hota no nia koani gschiecha,

Und hotzi schö schtad ban Diandl untas Pfoad eihögschlicha.

Dea scheitzmi hot mi seina Dachda oiahand prowiat,

Und amoi haman gsähgn do ho tas glei a pormoi nochananda grischtiat.

(Den Bürgermeister von Gr. dürfen wir auch nicht vergessen,

der hat der Dirn vornüber ein Hemd angemessen.

„Kein Weib(liches)," sagt er, „hat er noch nie keine gescheut",

und hat sich schön still beim Dirndl unter's Hemd hineingeschlichen.

Der, scheint mir, hat mit seiner Tochter allerhand probiert,

und einmal haben wir ihn gesehn, da hat er sie gleich ein paarmal klystiert.)

7.

Jatz kimb da G. vo Gr. dea Ehbröcha,

Dea Huanstingi is a it rächt sauwa,

Da ligt a oiwai ba da Dian a sein Gschtauda.

Grod foitz marei, den homa a scho oft geschbant

Boia Dian fügt nacha geita ia oiwai zäscht no d Zwirnknöiai ei d Hand.
Koan söln Huanstingi muaß a njma göm

Ela hot Dian gvögld und sei äschts Wei is an Todnbeet glöng.

(Jetzt kommt der H. von Gr., dieser Ehebrecher,
Der Hurenstingl is auch nicht recht sauber,
der liegt auch alleweil bei der Dirn in ihrem Gestade (Bett).
Gerade fällt mir's ein, den haben wir auch schon oft bemerkt:
Wenn er die Dirn flickt, dann gibt er ihr alleweil zuerst die Zwirnknöllchen (Hoden)

in die Hand.

Keinen solchen Hurenstingl muß es auch nimmer geben: .

er hat die Dirn gevögelt und sein erstes Weib ist am Totenbett gelegen.)

8.

An M. vo W. den Huanstingi müasma a no mitnöhma,

Wejra z H. üba a njads Weibätz duat köma.

Af d M, und sei Diandl hat asö a scha oft afi traut

Und vo da H. Kathl dera Betschwesta horn Knia no oiwai üban M, aussagschaut.
Dö Betschwesta moat ba ia is net Sünd

Wei ia da M. oiwai 20 March gib und sis füra neus Kreuz setzn losn heanimb.

(Den M. von W., den Hurenstingl müssen wir auch noch mitnehmen,

weil er zu H. über ein jedes Weib(liches) tut kommen.

Auf die M. und ihr Dirndl hat er sich auch schon oft hinaufgetraut

Und von der H. Kathl, dieser Betschwester, haben die Knie noch immer über den

M. hinausgeschaut.
Die Betschwester meint, bei ihr ist's nicht Sünde,

weil ihr der M. alleweil 20 Mark gibt und sie es für ein neues Kreuz setzen lassen

hernimmt.)

Zum Schlüsse ein dreifaches „Gut Heill" auf den Prinzregenten.

270 Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

271

Treiben in der Valley

in der Nacht vom 16. zum 17. September 1897.

Ös hot woi oiwei ghoaßn dasma ihns it ad Valley zuawj dan wong,
Aba jatz sama do scho do dasma eng d Worat song.
Den des lost si da Kaisa Karl it gfoin

Was do glumbt wäd vo de Ehbrecha Spizbuam und Schnoin.
Mir hom de Laid scho efta afgfodat si soin si bekean,
Awa des ams it do, drum müassmas heid effentli hean.
D Schadarm und höhn Hean warn ihns do garit z schlauch,
Und akema lasman äscht rächd it den tausandjäringa Brauch.
D Schadarm müsma a no warna das it zuahj dan schiassn,
Sischt kundn leicht an ötli ad Ewikeit müassn,

Denn mir ham a guidi Bixn Puiva und Blei und san dabei sichane Schützn.
So Laid jatz hobts no kloani Geduhid mia san no guat ada Zeit,
Na wämas glei sehgn was fürj Schbitzbuam und Huanstingl das geit.

(Er hat wohl alleweil geheißen, daß wir uns nicht nach der Valley zu täten wagen,
aber jetzt sind wir doch schon da, daß wir Euch die Wahrheit sagen.
Denn das läßt sich der Kaiser Karl nicht gefallen,

was da gelumpt wird von den Ehebrechern, Spitzbuben und -Schnallen (Huren);
wir haben die Leute schon öfter aufgefordert, sie sollen sich bekehren,
aber das haben sie nicht getan, drum müssen wir's heute öffentlich hören.
Die Gensdarmen und hohen Herren wären uns doch gar nicht zu schlau
und abkommen lassen wir ihn erst recht nicht, den tausendjährigen Brauch.
Die Gensdarmen müssen wir auch noch warnen, daß sie nicht (auf uns) zu täten

schießen,

sonst könnten leicht ein etliche in die Ewigkeit müssen,

denn wir haben auch gute Büchsen, Pulver und Blei und sind dabei sichere Schützen!
So, Leute, jetzt habt noch eine kleine Geduld, wir sind noch gut in der Zeit,
Dann werden wir gleich sehen, was für Spitzbuben und Hurenstingl daß es gibt.)

I.

Gon äschtn müasma jatz glei an M. vo A. hernöma,
Ba den wäd wos van Kuha Vögln köma.

Den Saukeal hots Gehid a so greut koi a Kuha nachi hot gstiat,
Drum hot dea Hämo glei sehiba s Kaibi macha prowiat

Den hama scho sauba dawischt do hota dea Kuha an Beidl eihö gschom und is

afn Stuhalei om gschtana,
Für an sölan schlechdn Huankeal dan do scho glei zecha Jahr njma glanga.
Wos dea Kuhavögla scho Laid agfiat hot des is njma zon song,
Koan schlächdan Schbizbuam muas da Deifö ei da Hoi dina hom.

(Zum ersten müssen wir jetzt gleich den M. von Unterdarching hernehmen,
Bei dem wird was von Kuhvögeln kommen.

Den Saukerl hat das Geld (ein) so gereut, sobald eine Kuh nachgestiert hat, (zum

zweiten Mal gedeckt werden mußte)
drum hat der Hammel gleich selber das Kälbermachen probiert.


272

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

Den haben wir schon sauber (richtig) erwischt, da hat er der Kuh den Beutel hinein

geschoben und ist auf dem (Melk-)Stülchen oben gestanden.

Für einen solchen schlechten Hurenkerl täten doch auch schon gleich zehn Jahr

nicht mehr gelangen (reichen).

Was der Kuhvögler schon Leute angeführt hat, das ist nicht mehr zu sagen,

keinen schlechteren Spitzbuben muß der Teufel in der Holl drinnen haben.)

2.

Da E. dea Huanstingl duat si a garit schama,

Dea ho D. Nandl oiwai gvögld und hots a gmacht schwanga,

Finf Monat hots trang nocha hams Kind wöka putzt,

Füra so a Ehbröcha Panti wars gscheida es wur ehana da Brunzzeug schö gstutzt.
Gon Wei hota gsagt ea häd z Loading Loschin
dawoi hotn dea Beudl oiwai zon D. eiha triem.

(Der B. E., der Hurenstingl, tut sich auch gar nicht schämen,
der hat (die) D. Nandl alleweil gevögelt und hat sie auch gemacht schwanger.
Fünf Monate hat sie getragen; nachher haben sie das Kind weggeputzt (abtreiben).
Für eine solche Ehebrecherbande war's gescheidter, es würde ihnen der Brunzzeug

schön gestutzt.

Zu (seinem) Weib hat er gesagt, er hätte zu Leiding Logis;
Derweilen hat ihn der Beutel alleweil zum D. hineingetrieben.)

З-

An H. vo A. den bigodischen Schbizbuam müasma a no wos song

Dea hot ois Steia Einähma 2000 March Steia Gehid undaschlong

Nocha hot dea Gotsraba und Kirchnschända sei Oiti afda Orgl om zamaghaut

Und da Grauvogl hot eham schö sauwa vo da Sakrischtei aus zuagschaut.

Wann a voheirata Mo s Huan ko ada Kircha din it gran,

Da koma nacha do scho vo da Schlechtikeit song.

(Dem H. von Unterdarching, dem bigotten Spitzbuben, müssen wir auch noch

was sagen,

der hat als Steuereinnehmer 2000 Mark Steuergeld unterschlagen;

nachher hat der Gottesräuber und Kirchenschänder seine Alte (sein Weib) auf

(hinter) der Orgel droben zusammengehaut.
Wenn ein verheirateter Mann das Huren kann in der Kirche drinnen nicht geraten,
da kann man nachher doch schon von der Schlechtigkeit sagen!)

4-

Jatz kimb a Baua

Bei dem wäds a woita saua.

Dea hot mit sein Sauschwoaf dea Dian oiwai an Bauch eihögschbiem,
Und wias schwanga is gwen hota ihrs Kind wökatriem.
Des is da Sch. vo D. dea Hämo dea geschwoin,

Dem is gor nix z schlächd, sischt häta an Sch. M. sei Gehid net geschtohin.

(Jetzt kommt ein Bauer,

bei dem wird es auch Woltern (sehr) sauer;


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

27З

der hat mit seinem Sauschweif der Dirn alleweil in den Bauch hineingespieen
und wie sie schwanger ist gewesen, hat er ihr das Kind weggetrieben.
Das ist der Sch. von Darhing, der Hammel, der Geschwollene,
dem ist gar nichts zu schlecht, sonst hätte er dem Schuster M. sein Geld nicht

gestohlen.)

5.

Von B. vo U. dama a viahand wissn

Dea Ehbröcha dea vahuat hot a sei Dian oiwei grissn.

Dö wä eham zwor heund no voschwieng

Wara zon Vögln it an Stohi aussiganga und war an Haus dim bliem.
Dea hot a zwoa Lampin gschtohin aba ea woaß nix davo hota gsogr,
Dawei hots dea Diab am Denna ada Kischtn din ghobt.

(Vom B. von U. täten wir allerhand wissen:

der Ehebrecher, der verhurte, hat auch seine Dirnen alleweil gerissen.
Die war' ihm zwar heute noch verschwiegen,

war' er zum Vögeln nicht in den Stall hinausgegangen und war' im Haus drinnen

geblieben.

Der hat auch zwei Lämmer gestohlen, aber er weiß nichts davon, hat er gesagt,
derweilen hat sie der Dieb auf der Tenne in der Kiste drinnen gehabt.

6.

An B. vo A. D. duat a scho gar nix schinian
Sischt dat a net oiwai В. Wabn ban H. krischtian,
Des is a oana dea an Ehschtand gorit betrachd,
Sischt hâta da Kehinarin z M. dent koa Jungs it gmachd.
Söln Huanstingi hot ma friiha Ehbröcha ghoaßn,

Dö wo nem dö Weiwa no Menscha zamhauen und ad Gebärmuatta neischmeißn.

(Den B. von U. tut auch schon gar nichts genieren,

sonst tat* er nicht alleweil (die) B. Wabn beim H. klystieren;

das ist auch einer, der den Ehestand gar nicht (betrachtet,

sonst hätt' er der Kellnerin zu M. drüben kein Junges nicht gemacht.

Solche Hurenstingel hat man früher Ehebrecher geheißen,

die (wo) neben den (Ehe-)Weibera noch Menscher zusammenhau'n und (ihnen) in

die Gebärmutter hineinschmeißen.)

7.

Da Vawoita vo da A. M. dea is a oana dea mit de Weiwalaid gor nix machd,
Aba da B. Natharin hota do scho Britschn opacht. —

D W. ada Valley hot af sein Mo zweng da Sch.-Köchin den oiagröaßtn Zorn,

Aba da Hua hot glei ada Schier din mitn Mälza a Ordnsstück valorn.

D. Z. hot an Vawoita L. um an Schloßstadl umagjogt,

Aba dea is davo weira koa henafleischgflicktö Britschn it mog hota gsogt.

(Der Verwalter von der A. M., der ist auch einer, der mit den Weibsleuten gar

nichts macht,

aber der B. Näherin hat er doch schon die Voze abgepachtet. —

Krauss, Anthropophytcia. IV. l8


274

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

Die W. in der Valley hat auf ihren Mann (zu)wegen der Sch.-Köchin den aller-
größten Zorn,

aber diese Hur* hat gleich in der Schier drinnen mit dem Mälzer ein Ordensstück

(die Keuschheit) verloren.
D. Z. hat den Verwalter L. um den Schloßstadel herumgejagt,
aber der ist davon, weil er keine hühnerfleischgeflickte Voze nicht mag, hat er gesagt.)

8.

Koan eagan Stia wiaran W. vo H. muas a njima göm,

Dea mechd de ganz Zeit ba da Dian und da Kehinarin din long.

Danachts hots eham d Kehinarin fürghoitn da hota woita it gschaut

Denn dea ausgewiesn Strizi hot a scho oii Korbmacha und Kratta Menscha zsamghaut.

Wann dea Schnointreiwa sein Huan no lang aso treibt,

Na schickman zon Nazi adar Au, dasa eham an Beudl wegschneid.

(Keinen ärgeren Stier wie den W. von Holzkirchen muß (es) auch nimmer geben,
der möcht* die ganze Zeit bei der Dira und der Kellnerin drinnen liegen;
demnächst hat es ihm die Kellnerin vorgehalten, da hat er weiter nicht geschaut

(war erstaunt)

denn der ausgewiesene Strizzi hat auch schon alle Korbmacher- und Gratter-(Hau

sierer) Menscher zusammengehaut.
Wenn der SchnaHentreiber seine Huren noch lang (ein) so treibt,
dann schicken wir ihn zum Nazi in der Au, daß er ihm den Beutel wegschneidet.)

9

Von G. H. müasma a zuahi schrein

Mia harn scho lang gmoat mia woin eham extri s Hobafehi treim.

Wia dea Sau Stia d Kehinarina zamvöglt is do a scho a Schand.

Koan eagan Huanstingl gibts njma an boarischn Land.

Zo den seina Schlächtigkeit is njma zon lacha,

Jatz müaßa scho wieda ba da Kehinarin an Kindsvota macha.

(Vom G. H. müssen wir auch zuschreien,

wir haben schon lang gemeint, wir wollen ihm extra das Haberfeld treiben.

Wie der Saustier die Kellnerinnen zusammenvögelt, ist doch eine Schande;

keinen ärgeren Hurenstingl gibt's nimmer im bayrischen Land.

Zu dem seiner Schlechtigkeit ist nimmer zum lachen,

jetzt muß er schon wieder bei der Kellnerin den Kindsvater machen.)

IO.

Da M. H. dea is a sauwana Hämo,

Dea roast mit sein Beudl oiwai aussi zo da L. Nanö,

Dea volumbt a nacha an Wei sei Gehid dea Windbeudl der nouithi,

Und ko dö Laid ofieren, is dem Schwindla gor nix z kouithi.

Danachst hota sei Jungs Wei boid daschlong

Wans dea net andast macht müasma eham eins as Hobafehi jong.

(Der M. H., der ist ein sauberer Hammel,

der reist mit seinem Beutel alleweil hinaus zu der L. Nanni.


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

275

Der verlumpt auch nachher dem (Ehe-)Weib sein Geld, der Windbeutel, der notige,
und kann die Leut* anführen, ist dem Schwindler gar nichts zu kotig.
Demnächst hat er sein junges Weib bald (beinahe) erschlagen —
wenn der nicht anders wird, müssen wir ihn eigens in's Haberfeld jagen.)

IL

Wann grod da Foihi war, datma nach Hoizkircha köma,
Na müasma gon äschtn an B. und an G. hernöma.
Da B. duat nem sein Wei oiwai Dian mausn

Und da G. dea hot scho ois vahaut dea ko vor lauta Nouth njma hausn.

An S. R. darfma a it vogößn,

Dea hot da O. Kehinarin Britschn ogmößn.

Dea Sau Stia hot an Kopf ois wiara Doin

Und vor lauta Vögln und Huan weadn da Deifö boid hoin.

Wo da Sch. und da J. vo dene Sau Menscha miagma gar nix mea song,

Dene soitma mit an Büschi Brenössl s Loch rächt voschlong.

An Bolizeideana B. hama danachst ban Hoiz Stehin vowischt,

Aba d Famiii hot ihns dabarmt sischt häman seine vaschtohin Haxn wökpritscht.

(Wenn gerade der Fall war', daß wir nach Holzkirchen kämen,
dann müssen wir zum ersten den B. und den G. hernehmen.
Der B. tut neben seinem Weib alleweil (die) Dira mausen

und der G., der hat schon alles verhaut, der kann vor lauter Not nimmer hausen

(sein Anwesen erhalten).
Den S. R. dürfen wir auch nicht vergessen,
der hat der O.-Kellnerin die Voze abgemessen;
der Saustier hat einen Kopf wie eine Dohle so verschlagen,
und vor lauter Vögeln und Huren wird ihn der Teufel bald holen.
Von der Sch. und der J., von diesen Saumenschern, mögen wir gar nichts mehr sagen,
denen sollt1 man mit einem Büschel Brennessel das Loch recht verschlagen.
Den Polizeidiener B. haben wir demnächst beim Holzstehlen erwischt,
aber der Familie hat uns erbarmt, sonst hätten wir ihm seine verstohlene Haxen

weggepritscht. (Onomatopoetisch für „weggeschossen".)

Es folgte ein dreifaches Hoch auf den Prinzregenten und folgender Merk-
spruch für den Papst:

„An Papstn den römischn Wehid Froß loßrha a schö löm,

Zwar is grod it recht schö ea loßt si vo an jedn Hoderlumpa und Korbflicka an

Petaspföning göm."
(Den Papst, den römischen Weltfraß lassen wir auch schön leben,
zwar ist's gerade nicht schön; er läßt sich von einem jeden Haderlumpen-
sammler und Korbflicker den Peterspfennig geben.)

Treiben zu Finsterwall

in der Nacht vom 30. September zum 1. Oktober 1893.

I.

Z erseht fangma bei den junga Baun *) glei o
Dos is a ganz a jung voheirater Mo,

1) Bauern.

18*


276 Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

Jatzt sagn öams1) d Haberer wie oft
Daß er s seiner oagner Muadan hat do.

Im Jahr 1890 am 12. Februar is gwön,

Da is da jung Baur vo Finsterwall gon erschtmal

Bei seina Muadan a da Kammer drin glegn.

Bei sein Nachbar is a Kuah krank gwen
Jatzt get er öma go 2) sein Kammerad,
Dawei siachta3) a da Kamma din
Daß da jung Baur sein Sauschwoaf
Seine oagna Muadan eihögsteckt hat.

Da alt Diab und Spitzbua hat an Heirat gmacht

Und hats do a net kennt,

Daß da jung Baur statt sein junga Weih

Seina Muadan dera oidn Hur sein Schwoaf eiherennt.

2.

An D. treiwa4) a mit

Dem Hurenstingl, dem Ehbrecher sagmas pfeigrad,

Wei a sei Dirn, dö Hur 2um Meineid triem hat.

Wenn da d Dirn bliebn wa5), da het der Ehbrecher glacht

Aba sie is öäm davo und denkt du Batzi 6) hast ma asn scho oas7) gmacht.

Da oit Batzi hat a scho amoi foisch*) gschworn

Und hat an Sch. Nanei oiwai no an Schwoaf eihögschobn

Er hot an foischn Meinoad gschworn, dös wissma ganz gwiß

Den Ehbrecher und Spitzbuam soi der Teufi hoin,

Wir Haberer treim an Teifö nach bis eihö ö dö) Hinterriß.

з-

An F. J. müassma a a bißl mitnehma

Der duat oiwei mit seiner Nasn der oitn Wackersbergerin

Dö koitn Baun10) ausn Loch außerstemma.

Zum Schlüsse ein dreifaches Hoch „auf unseren hochschätzbaren edlen
Menschenfreund und Armenspender" Herzog Karl Theodor.

Treiben zu Gaissach

in der Nacht vom 9. zum 10. November 1894.

I.

A dreißg Johr is jatz her dasma nimma san kemma,
Drum müassma dö oidn Stückl a dazua nehmal
Gon erschtn werds mitn M. vo Goassa probiert,

Dä Schwankoi11) hot a da Sakristei drin a Dirn zu da Hurarei voführtl

1) sagen ihm's, 2) hinüber zu, 3) sieht er, 4) treiben wir, 5) (auf seinem
Hof) geblieben war1, 6) Pazzi, 7) so wie so schon eines (ein Kind), 8) falsch,
9) bis hinein an die, 10) die „kalten Bauern" (der männliche Samen) mit der
Nase aus der Voze herausstemmen, 11) Schwänkemacher.


Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern,

1) Korbinian, 2) halbes Erbteil abgestohlen, 3) zum ärgsten, 4) Spürtäzchen
(Zumpt), 5) hat den Zumpt aus- und eingetan, 6) ihnen allen zweien, 7) zweimal,
8) (so)bald (wenn), 9) seiner Alten den Pantoffelhelden, 10) sich, 11) abgibt,
12) zu, 13) fehlt, 14) kann das, 15) täten wir raten, 16) sonst.

An B. Kurbi1) an L. hota hoibs Erbtheil o gstoin,2)
Drum werdn da Teifi a d Holl eini hoin.

2.

Dö Lenggriesa derfma net vogessn,

Do is gon ergstn3) da P. P. auf dö Weibatn vosessn,

Dem san a dö mehran Zimmamadl davo,

Wei as mit sein Spürtazla4) nimma recht ko.

3-

Da B. dös is a saubana Mo,
Der hotn bei der P. oft aus und ei do.5)
Dö Jung hota a oiwei müssn mausn,
Aba jatz duat äna oi zwa6) scho grausn.
Er hätt si a scho zwamoi7) aufghenkt,
Wei äm dö Oit koa Geld nimma schenkt.

Ф

Mitn H. vo W. seina Ehrlichkeit hots ollahand Gwindn,
Dä hot vom D.-Baurn no 1100 Mark Baumgeld hintn.
Boi8) da so furt macht mit sölln Sacha
Da werd da Teufi a da Holl drina lacha.

5-

Mitn O.-Wirth mit dem müassma lacha,

Der muaß seina Oitn an Pantofiritter«) macha.

An Veterana-Johrtag hotsn a net geh lassn,

Do hots äm d Liab mitn Stecka aufn Buckl aufi lassn.

6.

Jatz müasma an H. Sch. hernema,

Do werd vo da Blutschand was kema.

Dos is a feina Vota, der weiß wos is da Brauch,

Er zecht a dö Töchta Rausch o, na legt a sö10) aufi an Bauch.

An Kranz Wurst hot a kauft, daß koan Hunger ogeit11)

Na is a aufi go12) dö Töchta, daß äm gwiß nixn feit.13)

7.

Da erseht Ehbrecha ist da A. vo R., der kos1«) Kindamacha so guat,
Vo dem möcht ma wissn warum daß a si vo da Vataschaft oiwei weg-
schwindln thuat.
Dem that ma rotn,15) er soi sei Votaschaft bekenna,
Sischt1^) müassma äm an Beutl ausanehma.


278

Die Erotik beim Haberfeldtreiben in Oberbayern.

8.

Da W. vo G. thuat oiwei sei Schwigamuata zamhaun,
Bei andane Weibatn thuat a sö a sakrisch traun.

Bein H. hot a oani af da Straßn opackt, dö hot oba sakrisch gschrien,
Na hot a ihr mitn Wedl an Kittl o gschbibn.1)

Dos erseht Hurnhaus vom Tölza Bezirk is bein Z.

Da Wirth is bei da Dirn an Bett da wischt worn.

Nacha is a no egstri gon2) Hurn auf Münko ohi3) gfobren.

D Wirthin dös Saumensch dös schlecht,

A jeda Handwerksbursch und Gratia4) boi as zamhaut is ihr recht.
Vo dö thuat an Leutn iatz teufisch grausn,
Weis vo da Weitn scho stinka von roausn.

IO.

Jatz kema zwoa Dokta, da B. vo Str. und da R. J.

Den thuat a gar nit grausn, der thuat oiwei Sennarina mausn.

Da B. hot dö oit J. zamghaut

Und Bettlwei wem bei äm a net voschaut.*)

Bei dera Lumperei hot a Filzlaus davotrogn,

Aba wei a Dokta is ko as selba vojogn.

II.

An P. derf ma a not vogessn,

Deö is auf dö Weibaleut sakrisch vosessn,

Dä hot sei Dim a da Kamma drin packt

Auf oamal hot Bettstatt do kracht,

S Nachtgschirr is a no dabrocha,

Drauf is a klei6) a d Stubn oiwei7) krocha.

12.

Mitn A. B. miissma lacha,

Wie a Pfarabaumoasta8) is gwen hot a miissn in*) Kindsvotan macha.
Er hots glei auf amoi zahlt, daß a schön da gstan is,
S Kind is ada gstorm,10) iatz hot a denkt is ma s Geld wieda gwiß.
Er hot glei an Advokatn gnomma und höt s Geld wieda ming,11)
Do is äm oba da Fotz sauba bliem.12)

ІЗ-

Da Sch, K., da H. vo Reischbeurn13)

Dos is a Mensch dä hot a Lebn aba nidascht14) a bleibn;

1) Mit dem Zumpt den Rock angespieen, 2) noch extra zum, 3) hinab,
4) wandernde Krämer, 5) verschont, 6) gleich, 7) hinab, 8) Ökonomieverwalter
am Pfarrhof, 9) den, 10) gestorben, 11) mögen, 12) der Schnabel sauber ge-
blieben, 13) Steigersbeuren, 14) nirgends (es geht ihm gut, aber er kann sich
nirgends halten), 15) in die Ställe.


Ein japanisches Frühlingbild.

279

Dä treibt a d Stei*) eini Schaf und a d Widder,
Aba do heilign Zeitn kimt a und stehlts wieda.
s Stehln des tragt zweni und Preisroß san gar,
Drum macht er und sei Bua an Pfarra an Narr.

14.

Da Pfara vo Reischbeurn des is a schlaucha Mo,

Bei den greift d Reiffeißn und Kreditbank a nimma o.

Sei Vieh hot a vosteigert und dabei glacht,

Wei äm dö duma Bauern an Haufn Geld ham as Haus zuwi1) bracht.
An Knecht hot a furtgschickt weis mit da Ökonomie niks mehr is
Aba Dirn hot a ghoitn2) für d Nachzucht ganz gwiß.

Zum Schluß ein dreifaches Hoch auf den Dekan von Gaißach.

Ein japanisches Frühlingbild.

Von Berthold Laufer, New York.

China und Japan sind unendlich reich an volktümlichen Kunst-
darstellungen, die, was Japan betrifft, erst zu einem Teil bekannt,
was China anbelangt, überhaupt noch nicht zugänglich geworden
sind. Es ist bewußt populäre Kunst, von Leuten des Volkes, ihrer
sozialen Stellung nach Kunsthandwerkern, nicht Künstlern, geschaffen,
für die breiten Schichten des Volkes bestimmt. Die allgemeine An-
schauung geht dahin, daß die Schule der Ukiyoye (wörtlich ,Bilder
der dahinfließenden, vergänglichen Welt') Japans, die im schwarz-
weißen und buntfarbigen Holzschnitt das Höchste geleistet hat, eine
durchaus einheimische, echt japanische Kunstrichtung sei. Dies
trifft fur die späteren Phasen in der Entwicklung der xylographischen
Technik und des wesentlichen Inhalts gewiß zu, auf keinem anderen
Gebiete hat sich Japan auch japanischer bewährt als in dem der
Holzschneidekunst, und doch muß daran erinnert werden, daß das
Nachbarreich, die Quelle all seiner Kultur, eine gleiche Kunstrich-
tung derselben Form und desselben Inhalts besessen hat und noch
besitzt. Freilich, niemand hat ihr bisher Aufmerksamkeit geschenkt,
unsere Spezialliteratur über chinesische Kunst enthält kein Wort

1) zu, 2) zurückbehalten.


28o

Ein japanisches Fruhlingbild.

darüber, von den allgemeinen Darstellungen der Kunstgeschichte
ganz zu schweigen, und unsere Museen schweigen sich ebenso gründ-
lich darüber aus. Und doch kann sich jeder, der irgend eine chine-
sische Stadt mit sehenden Augen durchwandert oder irgend ein ein-
faches Bürger- oder Bauernhaus betritt, täglich und stündlich von
ihrer Existenz überzeugen, von ihrer großen Wertschätzung beim
Volke und ihrer Bedeutung für das gesellige Leben. In ihrer Technik
sind diese Bilderbogen meist roh, obwohl sich neuerdings in Shanghai
eine Schule gebildet hat, die der in Europa üblichen Durchschnitt-
ware kaum nachstehende Farbendrucke herstellt. Aber was auch
immer der künstlerische Wert dieser Erzeugnisse sein möge — Ästhetik
hat mich stets herzlich wenig gekümmert — sie sind das Ent-
zücken des Ethnographen und eine unerschöpfliche lebenswahre
Quelle der Anregung und Belehrung flir das Studium des Volkslebens.
Da ist China, wie es leibt und lebt, wie es trinkt und zecht, wie es
spielt und lacht, wie es feiert und hochzeitet und das Leben fröh-
lich genießt, das ausgelassene Treiben der Kinder, die munteren
Spiele der Knaben, die beschaulich-geschäftige Tätigkeit der Mädchen
und alle Phasen im Leben der Frau. Natürlich, sie steht im Mittel-
punkt dieser ganzen Kunst, ebenso wie in Japan, die Frau, von der
man nicht spricht, und in noch höherem Grade, die Frau, von der
man spricht. Die berühmten Schönheiten und Sängerinnen von
Shanghai und Peking werden immer und immer wieder porträtiert,
kahnfahrend, Lotosblüten im See pflückend, in einem Gartenpavillon
oder in ihrer Häuslichkeit. Darstellungen von Szenen populärer
Bühnenstücke und beliebter Schauspieler sind ungemein häufig. Der
Humor kommt nie zu kurz, und Folgeszenen lustiger Bilder auf
einem Blatt vereinigt sind ganz nach Art der Münchener Bilder-
bogen. Idyllen aus dem Leben von Pantoffelhelden, die in China
ebenso florieren als bei uns, gehören dabei zu den geschätztesten
Sujets. In anbetracht der Tatsache, daß uns das Familienleben der
Chinesen und vor allem das äußere und innere Leben ihrer Frauen
verschlossen bleibt, sind diese fliegenden Blätter, die allenthalben
auf den Straßen feilgehalten und in großen Auflagen über das ganze
Land verstreut werden, ein willkommener Ersatz fur den Mangel
direkter Beobachtung und erschließen uns tiefe Einsichten in ihr
innerstes Fühlen. Ich habe daher von diesem Hilfmittel reichlich
Gebrauch gemacht und auf meinen Reisen in China keine Ge-
legenheit vorübergehen lassen, solche ethnographische Dokumente
zu sammeln, die im Laufe der Zeit auf viele Hunderte angewachsen


Ein japanisches Frühlingbild.

281

sind. Ob und wie sie sich werden veröffentlichen lassen, ist mir
vorläufig noch ein Rätsel; wären es prähistorische Topfscherben, so
hätte sie längst ein Museum auf würdigen Tafeln publiziert, aber es
ist ja pulsierendes Leben der Gegenwart. Bei der Engherzigkeit
und fossilen Verdummung, mit der gegenwärtig unsere amerikanischen
Museen verwaltet werden, ist ohnehin an solche Publikationen nicht
zu denken.

Diese Volkskunst steht in bewußtem Gegensatz zu der ernsten,
gleichsam akademischen1 Kunstmalerei, die dem eigentlichen Volks-
leben fernsteht. Wir sind schulmäßig gewöhnt, in dem Chinesen
den ernsten und nüchternen Realphilosophen zu sehen; gewiß, der
Chinese ist ernst und muß ernst genommen werden, viel ernster
noch in Zukunft als bisher geschehen. Aber mit dem Ernst, der
Wirkung uralter moralischer Erziehung und ritualer Einrichtungen,
ist das Wesen seiner Psyche noch lange nicht erschöpft. Neben
dem offiziellen Menschen kommt auch der natürliche Mensch zu
seinem Recht. Im allgemeinen ist der Chinese, nicht nur Bürgers-
und Bauersmann, sondern auch der strenge Konfuzianer, Beamter
oder Gelehrte, ein heiterer lebensfroher Genußmensch, nicht einer,
der dem Genuß sinnlos und bedingunglos fröhnt, sondern der die
Freuden des Daseins mit Maß und Weisheit zu genießen versteht.
Kaum ein Volk hält so viel auf die Bewahrung des Decorums und
aller äußeren Regeln des Anstands und guter Sitten, nicht als einer
rein formellen Äußerlichkeit, sondern wurzelnd in einem stark aus-
geprägten Moralitätbewußtsein. Das Ritual des Konfuzius ist der
Ausfluß seiner praktischen Ethik. Ihre Literatur ist ungewöhnlich
frei von dem, was unsere Moralisten ,Schmutz' nennen, und ist selbst
von Missionaren als eine der ,reinsten1 gepriesen worden. Dabei
darf aber nicht vergessen werden, daß es sich hier nur um die offi-
zielle oder anerkannte Literatur handelt; es gibt eben eine unge-
heure Masse anderer Literatur, die darum, weil sie anders ist, nicht
zur Literatur gezählt wird. Und diese Literatur ist gerade die
volktümliche, die von der großen Masse gierig verschlungen wird.
So gibt es Romane von zynischstem Naturalismus, gegen die sich die
Versuche der modernen Franzosen wie das erste Erröten des er-
wachenden jungen Mädchens ausnehmen, bürgerliche Lustspiele mit
aktuell gegebenen Situationen, vor denen die freieste Bühne Europas
auf immer zurückschrecken würde. Das eheliche, oft genug zum
unehelichen gemachte Bett und der Nachtstuhl spielen in diesen
Stücken eine sichtbare Rolle auf der Bühne. Für die auf ihr üb-


282

Ein japanisches Frühlingbild

liehe Freiheit der Rede will ich nur ein ganz zahmes Beispiel an-
führen, das gleichzeitig charakteristisch für die Art und Weise ist,
wie der chinesische Schauspieler das Publikum mitspielen läßt. Der
Held des Dramas ist so sehr von Liebe zu einer Schönheit ent-
flammt, daß er gleich auf offener Szene seine Leidenschaft stillen
will. Sie wehrt ihn ab. Er: ,Aber warum denn nicht? Das ist
doch die natürlichste Sache von der Welt, das tun doch alle
Menschen*. Sie: ,Sehr schön! Aber es geht doch nicht hier in der
Öffentlichkeit vor dem ganzen Publikum*. Er: ,Ach, das macht
doch nichts!1 Sie: ,Nun sieh Dir bitte diesen ehrwürdigen alten
Herrn mit grauem Haar in der ersten Reihe des Parketts an' (sie
zeigt wirklich auf den Betreffenden); ,wolltest Du es verantworten,
ihm die Schamröte ins Gesicht zu treiben?' Er: ,Nun ja, dann
warten wir bis bis später!' Ebenso gelangt in den Volksliedern die
erotische Seite des Liebelebens in den stärksten Tönen zum Aus-
druck, und ein besonderer Zweig der oben geschilderten Volkskunst
ist die Darstellung erotischer Szenen.

Diese Bilder heißen euphemistisch ,Frühlingbilder' (chcun hua,
in japanischer Aussprache shungwa); die Bezeichnung ,Frühling1
wird vielfach ganz passend fur die Regungen des Geschlechtstriebes
gebraucht. ,Frühlingsmedikamente' sind Aphrodisiaca. In Japan ist
ferner der Ausdruck warai-ye d. i. Bilder zum Lachen, gebräuch-
lich, sodann makura-ye d. i. Kissenbilder; Bücher mit solchen Ab-
bildungen heißen makura-zöshi. Aus China sind mir auch gefaltete
Albums mit Malereien bekannt, die ganze Zyklen von Coitusszenen
darstellen, oder die Geschichte eines Liebepaares in der wechseln-
den Entwicklung der Ereignisse; manche darunter sind von tech-
nischer Vollendung der Ausfuhrung und bei der bekannten Begabung
der Ostasiaten für die Auffassung und Darstellung der körperlichen
Bewegung meisterlich naturwahr. In Japan scheint der buntfarbige
Holzschnitt in diesem Fache zu überwiegen. Zu den künstlerischen
Leistungen der Chinesen gehören auch Karikaturen von Europäern,
die in solchen Szenen dargestellt werden. In China sah ich ein
Album, vortrefflich gemalt, in dem Jesuiten auf diese Weise ver-
spottet werden; ferner erwarb ich eine Serie bis in das Detail der
Kostümornamentik sehr fein ausgeführter Malereien, die wahrschein-
lich aus dem 18. Jahrhundert stammen und die sexuelle Geschichte
eines Europäers und einer Europäerin in der Tracht der Rokokozeit
illustrieren. Die chinesischen Typen überwiegen naturgemäß, und
ihnen haftet nicht der Stempel der Satire an. Die Mehrzahl der


Ein japanisches Frühlingbild.

283

von mir gesehenen Darstellungen kann auch nicht einfach als obszön
bezeichnet werden, wenn auch noch weniger als naiv; sie sind künst-
lerisch veredelt und der Ausdruck einer überschäumenden Lebens-
lust. Manche nehmen sich wie Anleitungen fur angehende Liebende
aus in erschöpfender Vorführung aller Stellungmöglichkeiten und mit
besonderer Berücksichtigung der Terrainschwierigkeiten, z. B. in freier
Natur, im Garten, auf dem Stuhl etc. Daneben gibt es natürlich auch
viele rohe Darstellungen, besonders in Holzschnitten, die in Peking
von hausierenden Spielzeughändlern in den Strassen verkauft werden.
Es sei bemerkt, daß nach dem chinesischen Strafgesetz die Verkäufer
,unmoralischer Publikationen1 eine Strafe von hundert Stockschlägen
und Transportation auf drei Jahre verwirken; die Käufer erhalten
hundert Stockschläge, die Urheber dieselbe Zahl und außerdem
lebenslängliche Transportation bis zu einer Entfernung von 3000 Ii.
Trotz dieser Strafandrohungen scheint aber dieser Kunstzweig eifrig
zu blühen, denn auf Verlangen kann man solche Bücher überall
leicht erlangen, und aus persönlicher Erfahrung weiß ich, daß sie
auch von Beamten mit Vorliebe gekauft werden.

In Japan haben die Frühlingbilder eine noch viel tiefere Be-
deutung für das Volksleben als in China gehabt, denn sie sind jetzt
von der nach europäisch-amerikanischem Muster prüden Regierung
strengstens verboten und unterdrückt worden, wie auch der Phallus-
kultus. Besonders die Illustration von Romanen mit geschlechtlichen
Szenen war in Japan bis zur Zeit der Restauration in vollem Schwang,
jedenfalls wird sie auch jetzt noch im verborgenen betrieben. Ich
habe eine nach etwa hundert Bänden zählende Sammlung dieser
Art im Besitz eines alten deutschen Residenten in Yokohama inspi-
ziert, der sie auf heimlichnächtlichen Streifzügen im Laufe vieler
Jahre zusammengebracht hatte. In Japan sollen solche Bücher als
eine Art Instruktionhefte zur Brautausstattung in die Ehe tretender
Mädchen gehört haben. Sicher dienten sie alt und jung zur Unter-
haltung und Belustigung. Charakteristisch fur die japanischen Früh-
lingbilder ist die phantasiereiche Mannigfaltigkeit der Positionen,
und zwei auf den entsprechenden chinesischen Bildern nie vorkom-
mende Züge, die Anwesenheit von Zuschauern im Hintergrund, die
durch Luken und Schiebetürspalten neugierig hereingucken, und
sehr häufig neben dem menschlichen Begattungakt eine Parallele
aus dem Tierleben, besonders rammelnde Katzen. Auch die Darstel-
lung von Massenpaarungen in einem Räume ist nichts ungewöhnliches.

Ein Beispiel der letzteren Gattung ist auf unserer Tafel nach


284

Ein japanisches Frühlingbild.

einem japanischen Originalholzschnitt reproduziert. Die Situation
läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und spricht fur sich
selbst. Aber dies, und darin liegt der besondere Wert dieses Bunt-
drucks, ist das einzige Frühlingbild, das ich gefunden, dem an-
scheinend eine mythologische Bedeutung zu Grunde liegt. Diese
geht aus dem großen Ungetüm mit dem Fischkopf hervor, das die
lustige Gesellschaft plötzlich überrascht und in wirrer Hast ausein-
andersprengt. Das Bild hat leider keinerlei Beischriften, die das
Sujet erklären würden, und ich muß von vornherein bemerken, daß
mir der eigentliche Sinn der Darstellung unklar ist. Ich habe sie
bisher verschiedenen gebildeten Japanern vorgelegt, die gleichfalls
nicht imstande waren, eine befriedigende Erklärung darüber zu geben.
Vielleicht wird diese Veröffentlichung dazu beitragen, diese Frage
zu klären. Die drei das Monster begleitenden Männer sind Hand-
werker, der eine, der drohend seine Säge zum Angriff auf die Fest-
teilnehmer schwingt, ist ein Zimmermann; sein Nachbar scheint einen
Bohrer oder anderes Instrument zu halten. Man könnte so vermuten,
daß die Idee, die der Darstellung zu Grunde liegt, ein Kampf der
ehrbaren Zünftigkeit gegen die Ausschweifung sei; ich kann mich
aber in dieser Deutung auch irren. Vielleicht handelt es sich um
die Illustration einer uns unbekannten Lokalsage, deren es ja in Japan
so viele gibt. Unzweifelhaft ist jedenfalls, daß das Bild eine tiefere
mit dem Wesen der Phallusverehrung in Verbindung zu bringende
Symbolik besitzt. Darauf deuten zunächst die drei großen weißen
Kalebassen, die auf dem violetten Rock des Ungetüms angebracht
sind. Die Kalebasse ist in Ostasien ein Symbol des Phallus. Ferner
schwingt das Frauenzimmer unten rechts einen großen Penis in der
Rechten, den sie anscheinend dem mit dem Kopf nach vorn auf
dem Boden liegenden, um seinen Verlust klagenden Manne ausge-
rissen hat. Hier handelt es sich vermutlich um die magische Ver-
wendung des Phallus, über die jüngst W. G. Aston in seinem treff-
lichen Buche jShinto1 (London 1905), p. 196, gehandelt hat. Ebenda,
pp. 186—198 und p. 363, findet man eine gute Auseinandersetzung
über den Phalluskultus in Japan *), der in den östlichen Teilen des
Landes auch jetzt noch nicht ausgestorben sein soll.

1) Altere Literatur darüber: W. E. Griff is, The Religions of Japan, New York
1896, pp. 27—32, 49—52, 88, 380—384, und Edmund Buckley, Phallicism in Japan,
publiziert von der Universität Chicago. — Zu beachten ist die neueste, die einschlägige
ethnologische Literatur fast erschöpfende Monographie von Dr. Friedrich S. Krauss:
Das Geschlechtleben in Glauben, Sitte und Brauch der Japaner. Ein Beitrag zur Er-
forschung der Anthropophyteîa, 1907.


Ueber den „zuaßog« der Hellenen.

Studie von Dr. O. Knapp.

Die Sitte der Weiber künstliche Phallen zur Selbstbefriedigung
zu gebrauchen, von der vielleicht am interessantesten Pietro Aretino
in seinen unsterblichen ragionamenti berichtet, findet sich auch bei
den alten Hellenen. Sie muß sogar sehr weit verbreitet gewesen sein,
wie die wenigen überlieferten Stellen bei hellenischen Schriftstellern
beweisen. Da wir hierüber, wohl dank der Zimperlichkeit unserer
Forscher, noch keine Studien besitzen, sei hier der Versuch gemacht,
die darüber bekannten Angaben zusammenzustellen. (Vgl. auch den
Artikel: Gegenständliche Mittel zur Befriedigung des Geschlechttriebes
in Anthropophyteia Bd. III, S. 425 f.). Die älteste bekannte Stelle ist
wohl folgende, die sich in der Lysistrata des Aristophanes findet
(v. 108—110), „denn seitdem die Milesier uns verraten haben, sah ich
nicht einmal einen achtzölligen Olisbos, der uns ein lederner Not-
helfer wäre".

Die Scholie schreibt zu dieser Stelle:

Olisbos: „ein Schamglied aus Leder. Auch diese Stelle ist gegen
die Milesierinnen gerichtet Er verspottet sie aber als solche, die den
Olisbos gebrauchen."

Zu Vers 110: „Nach dem Sprichwort, feigenhölzerne (== ovxivrj)
Stütze, wegen der Gebrechlichkeit. Er aber hat es umgeändert in
„oxvtivt]" (ledern), denn ledern sind die Olisboi. Es sind aber lederne.
Schamglieder, welche die des Mannes beraubten Weiber benützen"
Die Glosse meint also, es liege ein Wortspiel von ovxivi] mit oxvxlvrj
vor; denn es gab einen sprichwörtlichen Ausdruck „feigenhölzerne
Stütze" für etwas, das in Wahrheit keine Stütze war und nur den
Schein einer solchen vortäuschte. So täuscht das lederne männliche
Glied, der Olisbos den Schein eines weiblichen vor, ohne es zu sein.
Schon Suidas schreibt unter oXcoßoq: „ein ledernes Schamglied, das
die milesischen Weiber benützten, ebenso die Tribaden und unzüchtigen


286

Über den „Shoßoq" der Hellenen.

Weiber. Es benützten es aber auch die WitwenI" Und an anderer
Stelle nach Kratinos: „die geilen Weiber werden Olisben benützen".

Was folgt somit aus der Aristophanesstelle im Ganzent Man
kannte damals bereits den Olisbos, der anscheinend aus Milet nach
Athen gekommen war. Er wurde benützt i) von den eigentlichen
Tribaden, d.h. doch wohl von den weiblichen Homosexuellen, die damit
ihre geliebten Mädchen und sich selbst befriedigten. Hierüber müßte
einmal in einer besonderen Studie gehandelt werden. 2) Von durchaus
„normalen" Weibern, die ihn in Ermangelung eines lebendigen Penis
benutzten oder wohl auch, wenn sie aus irgend einem Grund bei ihren
Männern nicht genügende Befriedigung fanden. Dieser Gebrauch des
Olisbos 1) durch Tribaden), 2) durch normale Weiber wird durch die
folgenden beiden Stellen bestätigt. Der Gebrauch durch normale
Weiber illustriert trefflich eine köstliche Szene, aus den neulich erst
gefundenen Mimiamben des Herondas (von der Insel Kos
um 250 v. Chr.). Den ganzen Mimiambus kann ich hier nicht ab-
schreiben, man findet ihn gut verdeutscht von O. Crusius 1893. Die
fur uns wichtigste Stelle in Mimiambus VI, IQ ff. lautet in Crusius
Übersetzung folgendermaßen: „Motro, wer in aller Welt war es der
nur, der dir den scharlachroten Baubon gemacht hat?" Koritto:
Wo hast du denn den gesehen, Motro? Motro: „Nossis holte ihn
neulich, Erimas Tochter, ach, ein Prachtgeschenk!'1 Koritto: Nossis,
woher denn? Motro: „Wirst du mich vertratschen, wenn ich es sage?"
Koritto: „Bei diesen süßen Augen, was du mir mitteilst, lieber Metro,
wird aus Korittos Mund kein Mensch erfahren." Metro: „Eubule, des
Wirtes Tochter, hat ihn ihr gegeben und schärft ihr ein, es dürfe keiner
merken." Koritto: „O diese Weiberl Dies Weib bringt mich noch
uml Ich ließ mich durch ihr Bitten und Flehen erweichen und gab
ihn ihr, eh ich ihn selber brauchte; doch sie, als ob sie auf der Gasse
ihn gefunden hätte, verschenkt ihn, auch an solche, die nicht dazu
gehören. Eine Freundin von dieser Sorte kann mir gewogen bleiben;
eine andere mag sie an unserer Statt als Freundin suchen. Grade
der Nossis ihn zu leihen! Der würd' ich doch — vermess'ner red'
ich, als Weibern zusteht; mögst du mich nicht hören, Adrestine —
hätt* ich tausend, gab' ich der nicht einen ab, und wenn er räudig
wäre!" Im Laufe des Gespräches gesteht endlich Koritto auf Motros
Bitten: , In seiner Wohnung arbeitet er und treibt den Handel heimlich,
denn vor den Hellenen ist ja keine fur dermalen sicher. Aber Worte
sind es, wie von Athenel Eigenhändige Arbeit von ihr glaubt man


Über den „dXiaßoc" der Hellenen.

287

zu sehen, und nicht von Kendon. Ich wenigstens — mit zweien kam
er nämlich, — wie ich sie erblickte, gingen mir vor Entzücken die
Augen über. Unseren Männern hebt sich — wir sind ja unter uns —
das Glied nicht so und mehr noch — weich, wie holder Schlaf, ist
Alles, und Wolle sind die Riemchen, keine Riemen; einen Schuster,
der es mit uns Frauen besser als dieser meinte, kannst du lange suchen?
Aus dem Gespräch geht hervor, daß ein wahrer Handel mit diesen
begehrten Instrumenten getrieben wurde und daß die Behörden stellen-
weise dagegen einschritten. Das Motiv, warum Frauen, wie sie uns
hier geschildert werden, neben ihren Männern nach dem Instrument
Sehnsucht hatten, ist klar ausgedrückt in den Worten „unsern Männern
hebt sich das Glied nicht so," d. h. mit dem Instrument waren größere
Raffinements im sexuellen Genuß zu erreichen! Übrigens scheint die
Stelle „und Wolle sind die Riemchen, keine Riemen" darauf hinzu-
weisen, daß es sich hier um ein Instrument zur gegenseitigen Befriedi-
gung, nicht zur einfachen Onanie handelt. Deutlicher noch behandelt
denselben Gegenstand Lukianos im fünften Hetärengespräch, das ich,
da es in keiner Lukianausgabe verdeutscht ist, ganz übersetzen will.
Klonarion: Neuigkeiten hört man von dir, Leaina; die reiche Lesbierin
Megilla soll in dich verliebt sein, wie ein Mann? Ihr seid zusammen
und macht da weiß Gott was mit einander? Was? Du wirst rot, so
ist es also wahr? Leaina: Es ist so, Klonarion, aber ich schäme
mich, denn es ist so komisch.,.. Klonarion: Bei der Göttin, was ists
denn und was will diese Frau von dir? Was macht ihr denn, wenn
ihr beisammen seid? Du bist still? Siehst du, daß du mich nicht lieb
hast? Sonst würdest du mir sowas sagen! Leaina: Ich hab dich
lieb wie keine andere. Jenes Weib ist schrecklich männlich. Klona-
rion: Ich begreife nicht, was du sagst, — oder — sollte es am Ende
eine männliche Freundin sein? So sollen nämlich auf Lesbos die
männlichen Weiber sein, die zwar keinen Mann erdulden können, aber
Weiber genießen, wie es sonst der Mann tut! Leaina: So ähnlich ist
es. Klonarion: Bitte, liebste Leaina, sag mir doch alles, wie sie
dich drangekriegt hat, wie du dich überreden ließest, und was dann
folgtel Leaina: Sie haben ein Mahl hergerichtet, sie und die Korin-
thierin Demonassa, ebenfalls sehr reich und in derselben Kunst er-
fahren wie Megilla. Mich ließen sie zum Kitharaspielen kommen, und
als ich gespielt hatte, spät abends, als es Zeit zum Schlafengehen war und
sie genug getrunken hatten, sagte Megilla: Jetzt ists Zeit zum Schlafen,
Leaina, leg dich hier zwischen uns beiden nieder. Klonarion: Du
hast dich also hingelegt, aber was kam dann? Leaina: Geküßt haben


288

Über den „Sktoßoc" der Hellenen.

sie mich zuerst, wie Männer, nicht nur mit den Lippen, sondern mit
ein wenig offenem Mund, und umarmten mich und küßten mir die
Brüste. Demonassa aber biß mich beim Küssen. Ich verstand gar
nichts von all dem, was sie wollte. Auf einmal nahm Megilla, die
schon warm wurde, ihre falsche Frisur herunter, die wie eine echte
aussah und gut befestigt war; und sie war bis auf die Haut rasiert,
wie die männlichsten Athleten. Ich war starr, als ich das sah. Aber
sie sagte: Liebe Leaina, hast du schon mal einen so schönen jungen
Mann gesehen? Aber, sagte ich, ich sehe hier gar keinen Mann,
Megilla! Mache mich nicht zum Weibe, sagte sie, ich heiße Megillos
und habe die Demonassa geheiratet, und sie ist meine Frau. Da mußte
ich lachen, Klonarion, und sagte: So bist du also ein Mann, ohne daß
wir's ahnten, Megillos, so wie Achilles unter den Mädchen geblieben
sein soll in seinem Purpurkleid? Und hast du wirklich das, woran
man Männer erkennt, und machst's du Demonassa wie ein Mann? Das,
sagte sie, habe ich nicht; aber das brauche ich gar nicht; aber du
wirst es mich auf eine eigene, viel wollüstigere Art machen sehenl
Ja bist du dann, sagte ich, ein Hermaphrodit, wie es viele geben soll,
und die Beides haben? Denn ich wußte immer noch nicht was es
sei. Nein, sagte sie, ich bin durchaus ein Mann. Ich habe, sagte ich,
von einer böotischen Flötenspielerin gehört (Ismenodora), die berichtete,
daß Jemand in Theben aus einem Weib ein Mann wurde; es war,
glaube ich, ein berühmter Wahrsager, Teiresias mit Namen; ist es dir
vielleicht so gegangen wie der? Nein, traurig sagte sie, ich bin geboren
wie ihr alle; aber mein Empfinden, Verlangen und alles andere in mir
ist männlich. Und dir genügt das Verlangen? fragte ich. Gib dich
mir hin, sagte sie, wenn du es nicht glaubst, und du wirst merken,
daß ich in nichts hinter den Männern zurückstehe, denn ich habe
anstatt jenes männlichen Teiles etwas — aber laß mich nur, und du
wirst sehen. So ließ ich sie dann, Klonarion, da sie mich so darum
bat und mir ein kostbares Halsband sowie feine Hemden gab. Ich
umarmte sie wie einen Mann, und sie küßte mich, machte es, kam
außer Atem und um Ubermaß von Wonne zu empfinden.

Klonarion: Was machte sie, Leaina, und wie, das mußt du mir
vor allem sagen!

Leaina: Frag mich nicht aus; das sind schändliche Sachen. Bei
der Göttin, ich kann nichts davon sagen!

Soweit Lukian, der doch zweifellos in dem obigen Dialog den
Gebrauch des künstlichen Phallus beschreibt, wenn er das Instrument


Über den „Sfooßoc" der Hellenen

289

auch nicht mit Namen nennt. Weitere Stellen aus der griechischen
Literatur kenne ich nicht; es gibt wohl auch keine. Dagegen hat die
griechische Kunst und zwar die Vasenmalerei noch Einiges überliefert.
So findet sich auf einer Schale des Euphronios (etwa v. 500—450 v. Chr.)
ein Bild, das Hartwig, die griech. Meisterschalen 1893, S. 457, wie
folgt, beschreibt: „Das Motiv der Figur ist die oxvxivrj èxixovçla,
deren sich die Hetäre bedient (Aristophanes Lysistrata 109/10). Das
Motiv ist nicht neu, es findet sich bereits im Innenbild einer Schale
des Pemphaios in London (Klein, Meistersignaturen, S. 93, 14). Der

eiförmige Gegenstand, den die Hetäre in der rechten Hand hält,---

ist ein Flacon, aus welchem die Hetäre den Phallos mit Ol beträufelt."
Diese Schale steht übrigens nicht vereinzelt da: Hartwig erwähnt aus
älterer Zeit noch einige andere Schalen mit künstlichen Phallen, S. 345,
Anm. 2. Auf einem dieser Bilder fuhrt ein Mann einer Hetäre einen
Olisbos ein, auf einem anderen trägt ein nacktes Weib einen Krater
voll Olisben herbei, auf einem dritten hat sie zwei Olisben in der Hand,
deren einen sie anwendet. Wie viele Abbildungen der Art mögen
erst in Wirklichkeit existiert haben! Man sieht aus diesen spärlichen
Resten der Literatur und Kunst, wie verbreitet der Gebrauch der
künstlichen Phallen schon in den ältesten Zeiten bei den alten
Hellenen war.

Anmerkung. Über den Autoerotismus vergl, man die bezüglichen Aus-
führungen bei Dr. Iwan Bloch, Das Sexualleben unserer Zeit, Berlin 1907,
Havelock Ellis, Geschlechtstrieb und Schamgefühl, deutsch von Kötscher,
Würzburg 1907 und die literar. Nachweise bei Krauss, Das Geschlechtleben in
Glauben, Sitte und Brauch der Japaner, Leipzig 1907.

Krauss, Anthropophyteîa. IV.

19


Koitus and Sexualinstinkt.

Eine Umfrage von Dr. Alfred Kind in Berlin.

Die Lehre vom Pathologischen im Sexualleben setzt ein Normales voraus.
Normal, als Handlung oder Vorstellung oder Trieb, soll der spezielle Zeugungakt
sein, d. h. Erhaltung der Art Was auch immer nicht gleich Erhaltung der Art
ist, sei pathologisch (widernatürlich, Sünde).

Diese Formulierung führt, bei Anwendimg durchaus „normaler" Logik, zu
unsinnigen Schlüssen; also scheinen die Prämissen zweifelhaft zu sein.

.In der Tat kann man durch Analogien zu einer anderen These gelangen.
Die Erhaltung der Art erfolgt durch sehr wenige Keime unter „nutzloser Ver-
schwendung" sehr vieler, im ganzen Tierreich wie beim Menschen. Folglich
wird jede Handlung aus Instinkt, die Keime „verschwendet", natürlich d. h. nicht-
pathologisch sein müssen. Damit wäre den Pathologen der Boden unter den Füßen
weggezogen. Es fragt sich nur um die Tatsachen-Beweise.

Wenn sich der Begriff der Keimverschwendung mit dem des Pathologischen
deckte, so wäre also die Natur normalerweise „ökonomisch" und der Sexualinstinkt
müßte die vererbte, apriorische Kenntnis vom Koitus (wenigstens als einer Lust-
handlung) enthalten. Quod est demonstrandum.

Mir scheint nämlich erstens, daß die Kenntnis vom Zeugungakt in der Regel
durch Mitteilung oder Eindruck von außen in die Vorstellung gelangt (vgl. dazu
das Anschwellen der Aufklärungliteratur konform dem Anwachsen der Großstädte,
in denen der optische Eindruck des Landlebens durch sprachliche Mit-
teilung ersetzt werden muß).

Mir scheint zweitens, daß in der Regel bei Kindern eine apriorische Instinkt-
kenntnis von Lusthandlungen besteht, die mit „Verschwendung" einhergehen oder
zukünftig einhergehen werden.

Zu beantworten wäre also die Frage: War in jungen Jahren, ohne jede
Vermittelung von außen, eine apriorische Instinktkenntnis vom
Koitus als Lusthandlung vorhanden? oder daneben, oder allein, eben-
solche instinktive Vorstellungen von anderen Verschwendung-Lust-
handlungen?


ч

Die Stärkung männlicher Kraft.

Eine Umfrage von Karl Amrain.

I. Das Nachlassen der geschlechtlichen Triebe ist wohl von alter-
her bei den Naturvölkern wie bei den männlichen Angehörigen zivi-
lisierten Nationen als eine physisch wie psychisch herabstimmende
Tatsache empfunden worden. Sie erinnert an Vergänglichkeit, an
dahingeschwundene Jugendstärke und mahnt ernster als vielleicht an-
dere Dinge an das Alter, an Erschöpfung, an Verzicht.

Sehen wir von den immerhin doch stets geringen Bruchteilen der
Völker ab, bei denen die Selbstentmannung ein gottgefälliges Werk
zu sein schien oder scheint, so finden wir andererseits bei den aller-
meisten Völkern Wünsche, die männliche Kraft möglichst lange zu
erhalten und zu stärken. Schwindet die Zeugungkraft, dann verliert
der Naturmensch seine unumschränkte Gewalt und Herrschaft über
sein Weib oder seine Weiber.

Grade weil körperliche und sexuelle Stärke bei den Naturvölkern
so bedeutungvoll ist, tritt das Bedürfnis die männliche Zeugungkraft
möglichst mächtig zu erhalten ganz besonders hervor.

Die Jaunde, Bali auch etliche Wei-Stämme in Kamerun furchten
den „bösen Blick", der sich auf die männlichen Geschlechtteile richtet,
denn er bewirkt Impotenz. Um ihr möglichst zu entgehen, tragen die
Männer Panterzähne an einer dünnen Schnur um die Hüften. Diese
Panterzähne stärken nach Ansicht der Kamerunleute das Beischlaf-
vermögen. Der 1904 verstorbene lange in Kamerun tätig gewesene
Arzt Dr. Plehn hat die Furcht der Männer vor dem bösen Blick
häufig festgestellt. Werden die Leute bei ärztlichen Untersuchungen,
wo sie sich entblößen müssen, vorgeführt, so klemmen sie den Penis
mit großer Fertigkeit bei festgeschlossenen Beinen zwischen die Ober-
schenkel, so daß das Glied jedem Blick entzogen ist.

Gleiches gilt auch für Samoa, aber auch hier nur für Männer;

19*


2g2 Die Stärkung männlicher Kraft.

Frauen und Mädchen, welche unbekleidet überrascht werden, bedecken
mit den Händen schamhaft die Hinterbacken und entziehen möglichst
dem Manne den Anblick ihres Rückens.

Körperliche und sexuelle Stärke erhoffen die Hereros in Südwest-
afrika, indem sie mitunter die Hoden tapferer Feinde verzehren.

Hoden von Hähnen, Kaninchen, Hunden gelten in der Volks-
medizin auch in Europa als Stärkungmittel für Männer. Wir nennen
da besonders Frankreich. Die Hoden werden im rohen Zustand fein
gehackt und mit Zwiebeln, Öl und Essig gemengt, dann gegessen.
Ferner gelten junge Tauben als spermaförderndes Mittel.

Vanille, Zimmet, Gewürznelken werden weniger genossen, um
Samen zu fordern als vielmehr um kräftige Erektionen zu erzielen, um
den Grad der Wollust beim Koitus zu erhöhen. Hierher gehören die
meisten Reizmittel des Genitalsystems. Sie treiben das Blut in den
Penis, befördern aber nur den Priapismus.

In den Jahren 1830—1900 waren als spermafördernde Mittel beim
französischen Volke besonders beliebt neben den verschiedenen Hoden-
gerichten, Eigelb, Krebse, Ochsenmark, Backfleisch, Milch, — besonders
Frauenmilch! Noch heute wird ja Frauenmilch im Volke als Universal-
mittel bei Schwindsucht gepriesen. Beliebt waren ferner gekochter
Knoblauch, Zwiebelkuchen, Hirschfleisch im Oktober oder Mai, alter
Wein, Schokolade.

Außer diesen vom Magen aus wirkenden Mitteln gab es und gibt
es solche, die äußerlich wirken. Z. B. mische Honig mit Ameisen-
spiritus und Fett, gib Senfmehl dazu und füge ein wenig Moschus bei.
Menge alles und streiche es in die Nierengegend nach dem After zu
am Damm entlang und salbe den Hodensack. Ein anderes Mittel
sieht man in Franzbranntwein, darinnen man Roßkastanienblüte aus-
gezogen hat Mit der Tinktur sind die Hoden einzureiben. Ein weiteres
Mittel: Zerkaue Weißbrot, tauche es in Rotwein und hülle den Hoden-
sack und Penis in die Masse. Ferner: Nimm Schamhaare eines mann-
baren Mädchens und stopfe sie unter das praeputium.

Auch im deutschen Volksliede finden wir Rezepte zur Förderung
von Erektionen. Siehe z.B. Anthropophyteia, Band III, S. 189. LXXXII
wo es heißt:

Ich lieg im Bett und schwitze,
Mein Mann, der ist eiskalt,
Er hat keine Hitze,
Ist zum Pudem viel z' alt.


Die Stärkung männlicher Kraft

293

Ich koche ihm täglich Eier
Auch Zeller und Salat,
Vergebens ist die Mühe,
Er steht ihm niemals steif.

Hiernach wären also Eier, Selerie und Salat zweckdienliche Mittel.

Weniger zur Förderung männlicher Stärke als vielmehr zur Er-
höhung der Wollust beim Koitus scheint das in Ostfrankreich unter
der Frauenwelt beliebte Verfahren geeignet zu sein. Die Frau isst
„Zimmetmandeln", wodurch die Menses rascher zum Stillen gebracht
und die Vagina enger werden soll, sodaß bei der Cohabitatio die
Friktion außerordentlich erhöht wird. Genaueres ließ sich leider nicht
ermitteln. — Im Taunus gilt oder galt lange Zeit das Eintauchen des
Gliedes und Hodensackes in einen Absud von Nußbaumblättern als
kräftigend. Das Einreiben des scrotum mit Bay-Rum wird nach An-
gabe einzelner Masseure in großem Maßstab als Kräftigungmittel an-
gewendet. Es gibt dabei ein nach den Weisen der Mattchiche zu
singendes ganz nlodernes zotiges Gedicht: Reib mich mit Bay-Rum
— Rings um das Ei Vum. — Ärzte erfahren von ihren Patienten
manchmal die tollsten Rezepte, die der Impotenz abhelfen sollen.
Z. B. Verwendung von Mausefett zum Einreiben der testiculi. Die
Mäuse müssen lebend gefangen in heißes Wasser geworfen und das
an der Wasseroberfläche sich sammelnde Fett sorgsam abgeschöpft
werden. Auch blähende Speisen wie Erbsen, Bohnen, Linsen, harte
Eier, Rettige essen die Männer in vielen Gegenden Süddeutschlands
und Frankreichs, um durch die sich ansammelnden Gase eine kräftige
Erektion zu erzielen. In den letzten Jahren legt man Wert auf Sonnen-
bäder, genauer auf Besonnung der Dammgegend und des Scrotum.
Zu den Gewaltmitteln bei wenig kräftigen Erektionen muß man jeden-
falls auch rechnen die Verwendung eines schwachen elektrischen
Stromes auf die Glans und ebenso die Verwendung eines dünnen
Wasserstrahles, der auf die Glans geleitet wird. Ich gebe nur eine
kleine mir im Laufe der Jahre bekannt gewordene Zahl von Seltsam-
keiten, welche Stärkung der männlichen Kraft bewirken sollen. Das
Gebiet ist im Interesse des gesamten Volkswohles von der Wissenschaft
erst noch gründlich zu durchpflügen. Vielleicht vermitteln diese Zeilen
dieKenntnis von weiteren ähnlichen Vorgängen, aus denen der Ethnograph
wie der Arzt manch bedeutungvollen Anhaltpunkt gewinnen könnte.1)

1) Man vergl. zu diesem Gegenstande Dr. Iwan Bloch, Das Sexualleben
unserer Zeit, Berlin 1607. S. 488—97. Havelock Ellis, Geschlechtstrieb und
Schamgefühl, Deutsch von J. E. Kötscher, III. Aufl. Würzburg 1907. S. 351—78
(Auto-Erotismus).

■2


294

Erotik in der Numismatik.

I. Der „Cosel-Dukaten" liefert einen weiteren interessanten Beleg für
die allumfassende Macht der Erotik, die sich selbst auf ein so „trockenes" Gebiet
wie die Numismatik wagt.

Beim „Cosel-Dukaten" — unter diesem Namen begreift man eine ganze
Münzgruppe — hat man den eigentlichen (goldenen) Dukaten von den Silber-
stücken (Gulden, Va Taler und V6 Taler) zu unterscheiden. Ersterer ist das origi-
nellste und völlig erotische Werk, bei letzterem spielt das Sexuelle nur die Rolle
eines Scherzes.

Der Gold-Du kat en, vom Händlerwert 28 M., stammt wie die nachstehend
beschriebenen Münzen aus den Jahren 1706—1711 und leistet sich eine „Anzapfung"
auf den bekannten sächsischen Kurfürsten August, der durch die „Haltung" zahl-
reicher offizieller Maitressen, unter ihnen der bekannten Gräfin Cosel, „berühmt"
geworden ist und schon durch seine Persona für die Sittenkunde jener Zeit typisch
ist. Unser Dukaten zeigt auf der einen Seite das Bild eines Hahns, der eine
Henne tritt. Die Überschrift lautet „Umsonst" — gewißlich ein klassischer Humor I
Die Rückseite trägt die Umschrift

„Wenn du nicht treu willst sein, so:"
Unter dem Doppelpunkt finden wir das Bildnis eines zierlichen, halb auf einem
Beine stehenden Amorjungen, der das andere Bein in die Höhe hebt, um auf ein
Herz zu — scheißen. Gewissermaßen eine bildliche Paraphrase des bekannten
Abort- und Scherzverses:

„Daß du mich liebst, daß weiß ich,

Auf deine liebe schei—

nt der Mond!"

Relativ harmlos, und doch in der Verstecktheit des Scherzes viel pikanter
sind der (silberne) Gulden aus dem Jahre 1706, der Va Taler (1707) und der
Vg Taler (1707). Hier hat der Münzstecher eine geradezu diabolische Phantasie-
freudigkeit entfaltet. Die Rückseite dieser Münzen trägt bekanntlich zwei sächsische
Wappen, die in folgender Form aneinandergrenzen (a und b die
beiden Wappen):

Der kühne Münzstecher hat nun in den dazwischen liegenden ovalen Raum
einen Punkt gesetzt, wodurch denn das Bild einer vulva ensteht,
wie es unnütze Schulbuben noch heute an die Wände zeichnen.
Das Humoristische an der ganzen Sache ist, daß der verulkte Kurfürst von
diesen Scherzen nichts „weißgekriegt" hat, während sich Umgebung und Volk
weidlich amüsierten. Oder drückte er im Schuldbewußtsein beide Augen zu?
Zwickau i. S. Hugo E. Luedecke.

II. Unsere Abbildung auf der Tafel im Anhange zeigt die Vorderseite einer
Münchener kupfernen Denkmünze auf das J. 1881. Auf dem aufgedeckten
Bauch eines Frauenzimmers sitzt ein bärtiges Männchen, das da „stemmt". Die
Rückseite, der hier in natürlicher Größe abgebildeten Denkmünze weist einen großen
Humpen mit der Inschrift § 11 auf. Daraus erkennt man, daß eine lustige Tisch
gesellschaft diese Münze für ihre feuchtfröhlichen Mitglieder zu einem Gründungfest
gestiftet hat. Für die im Handel sehr selten gewordene Münze bietet man zu
200 Kronen an. F. S. Krauss.


Erotische und skatologische Sprichwörter und

Redensarten der Serben

gesammelt von Vuk Stefanovic Karadzic.
(Aus dem handschriftlichen Nachlass.)

Der Vater der neuen serbischen Literatur und Begründer wissen-
schaftlicher Erforschung des Serbenvolkes Vuk Stefanovic Ka-
radzic (1787—1864) reihte bereits in die erste Ausgabe seines ser-
bischen Wörterbuches (Srpski rjećnik) vom Jahre 1818 auch sogenannte
verba obscoena ein. Darum erhob man wider ihn ein gewaltig Geschrei,
woraus ihm großes Ungemach und mancherlei Verlegenheit erwuchs,
sodaß er sich genötigt sah, in der zweiten, vielfach vermehrten Aus-
gabe desselben Wörterbuches (1852) alle Worte und Wendungen
auszulassen, die den keuschen Leser daran erinnert hätten, daß er ein
Geschlechtwesen und von Eltern in Sünde gezeugt worden sei

Nun, wenn er auch dem auf ihn ausgeübten Druck gehorchend
solche Sachen im Wörterbuche nicht mehr berührte, so hörte er doch
nicht auf, sich folkloristisch und lexikographisch mit ihnen zu befassen
und sie vorzumerken. In der kgl. Nationalbibliothek zu Belgrad be-
wahrt man aus Vuks Nachlass einen Bund Handschriften auf, denen
nachfolgende auf 272 Blättchen aufgezeichneten Sprüche erotischen
oder skatologischen Inhaltes entnommen sind. Aller Wahrscheinlich-
keit nach dürfte sich in den übrigen Papieren Vuks noch mehr davon
vorfinden.

Jeder Spruch steht auf einem besonderen Achtelbogenkärtchen.

Bei der Mehrzahl der Sprüche fehlt die Angabe des Ursprung-
ortes, doch erkennt man schon nach den mundartlichen Verschieden-
heiten, daß sie nicht aus einem einzigen Gebiete stammen.

Auf vielen, doch nicht allen Kärtchen sind die erotischen und
skatologischen Ausdrücke nicht voll ausgeschrieben, sondern es stehen
bloß die Anfang- und Endbuchstaben, während die Lücken mit Punkten


2q6 Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

oder Sternzeichen ausgefüllt sind, z. B.: G....a, M..o, d..e = guzica
= Arsch; mudo = Hoden; dupe = Arschloch. Da und dort waren
ursprünglich die Worte wohl ganz ausgeschrieben, dann sind die
inneren Buchstaben gestrichen und dafür Pünktchen oder Sternchen
eingesetzt worden.

Auf vielen Kärtchen sind nachträgliche Verbesserungen und Zu-
sätze von Vuks Hand zu lesen.

Zu manchen Sprüchen fehlt die Erklärung, wo sie erforderlich
wäre und es hält schwer deren eigentliche Bedeutung und Anwendung
zu erraten.

Indessen bilden alle, sowie sie uns erhalten sind, immerhin eine
kostbare Bereicherung der serbischen Folkloreliteratur und der Anthro-
pophyteîa überhaupt.1) T. R. Gj.

i) Anmerkung des Ubersetzers. Über Vuk St. Karadzic vergleiche
man die zwar kurze, doch sehr gediegene Würdigung bei Tihomir R. Gjor-
gjevic: Zur Einführung in die serbische Folklore, Wien 1902, F. Lang (Karl
Wehle), S. 13—22. Sachlich hätte es sich wohl empfohlen, diese Aufzeichnungen
aus Vuks Nachlass in meine bedeutend umfangreichere Sammlung südslavischer
Sprichwörter einzureihen, die in einem späteren Bande unserer Anthropophyteia
erscheinen soll, die Ehrfurcht vor unserem großen Vorläufer auf dem Gebiete
der Folklorestudien gebietet uns jedoch, seine Sprüche gesondert abzudrucken.
Manches Sprichwort, das dem serbischen Leser ohne weiters verständlich ist, muß
ich für den Deutschen dennoch erklären, bei manchem aber versagt mein Wissen,
ja, hie und da sogar meine Übersetzerkunst. Vielleicht vermag der eine oder
andere unserer serbischen Leser durch Umfragen im Volke Aufschluß zu erlangen
und macht uns davon Mitteilung. Im Herbste des Jahres 1887 besuchte ich in
Wien die einzige Tochter Vuks, die Witwe Mina Vukomanovic. Sie war
infolge eines schweren Leidens mißgestimmt, empfing mich aber trotzdem wie
einen Blutverwandten sehr freundlich. Ich erlaubte mir, mich nach dem Verbleib
der Sammlung erotischer Volkserzählungen ihres Vaters zu erkundigen. Sie sagte,
die hätte ihr Prof. Valtazar BogiSić, damals Beamte an der k. k. Hofbibliothek
abgenommen. BogiSić bestätigte mir späterhin die Richtigkeit der Angabe. Er
selber veröffentlichte nichts davon, nur in den Kryptadia eine kleine Anzahl von
Erzählungen aus dem Nachlass Vuk VrSevic's. —Bemerken muß ich, daß mir
von Vuks Sprichwörtern an hundert vorher unbekannt waren. Sie sind vielleicht
einfach aus dem Verkehr gekommen oder sehr selten geworden. Sprichwörter
sind kurz und kurzlebig, oft nur von örtlicher Bedeutung und geringer Verbreitung.
Bloß die allgemeinsten Wahrheiten und Unwahrheiten, die echte Weisheit von der
Gasse, die öffentlich predigt, die ist dem ganzen Volke vertraut.

Einen Bannspruch und eine skatologische Erzählung, die in diese Sammlung
von Vuks Sprichwörtern hineingeraten, brachte ich an anderen Stellen in diesem
Bande unter, wohin sie gehören.

Von den weiteren 270 Zettelchen las ich bloß 256 Sprichwörter und Redens-
arten ab. Einigemal liegen Doppelschreibungen und das anderemal nur mit einem


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

1. UkoCio se kao popov na ven^anju (kurac). — Er versteifte sich
wie des Popen Zumpt bei einer Trauung.

2. Dupe duvaru a pamet u glavu (t, j. Cuvaj se). — Das Arschloch
gegen die Wand, den Verstand aber in den Kopf (d. h. sei auf der Hut). — Wenn
man mit einem Unbekanten auf einem Lager nächtigt, muß man auf seiner Hut
sein, um nicht dessen Gelüsten zum Opfer zu fallen. Gib dir keine Blöße zum
Angriff, sei verständig und klug.

3. Kako je, slugo, na polju? — Vedro kao srebrol — A śto su ti
Cizme mokre? — Ki śa pada (a on popiśao Cizme). — Wie schaut's, Diener,
draußen aus? — Klar, wie Silber! — Und warum sind die Stiefel nass? — Es
regnet (er aber hatte die Stiefel bepisst).

4. Ne zna goga śta je рібка! (rekla nekakva żena, koja je prema gogi
rużno sjela pa je neko opomenuo, da se pokrije.) — Der Maurer weiß von einer
Voze nichts I (sagte irgend ein Weib, das sich einem Maurer gegenüber häßlich
hingesetzt, als sie einer sich zu bedecken ermahnte.) — Goga ist ein mazedonischer
Rumäne, der sich als Wanderarbeiter durch die Welt schlägt. Das Weib verachtet
ihn so sehr, daß sie meint, er wüßte gar nicht, was weibliche Schamteile wären.
Der fremdsprachige Mann erscheint ihr als zu dumm dazu.

5. Cudna starca, runjata mu je guzica! — Ein merkwürdiger Alter,
sein Arschloch ist fließig 1 Abweisung eines Erzählers, der etwas selbstverständliches
als Merkwürdigkeit zum Besten gibt.

6. Ako sam kriva dati, nijesam noge dizatil — Wenn ich schuldig
bin, dir [Voze] zu gewähren, so doch nicht, die Beine in die Höhe zu heben! —
So spricht die Frau zum ungeliebten Gatten, dem sie zu Willen sein muß. — Ich
tue nur meine Pflicht, die mir widerwärtig ist.

7. Daj Boże da ne svane do Gjurgjeva dnel (kazala nekakva mlada
koja je skoro dovedena). — O Gott, laß bis zum Georgtage keine Morgendämmerung
anbrechen! (so sagte eine junge Frau in der Hochzeitnacht.)

8. Bori se kao kalugjer s kurcem. — Er ringt wie der Mönch mit dem
Zumpt. — Er kämpft gegen eine Naturnotwendigkeit vergebens an.

9. Bog te sacuvao nova trgovca i stare kurve! — Gott behüte dich
vor einem neuen Kaufmann und vor einer alter Hure!

10. Udijeli kurCev narode, majku ti jebem! — (Pripovjeda se, da je
vikao nekakav pijan slijepac na saboru proseći a sad se гебе kad ko śto iśte pa

einzigen Worte abweichende Fassungen vor. Im zweiten Falle merkte ich in
Klammern das andere Wort einfach an. Von den kleinen Schreibversehen, die
leicht zu berichtigen waren, schweige ich hier, weil ich bei den Studierenden der
Anthropophyteia kein genügendes Interesse für eine solche nebensächliche philo-
logisch kritische Bemühung voraussetze. Hie und da reihte ich zusammengehörige
Sprichwörter aneinander. Um alle sachlich nach Schlagworten zu ordnen, dazu
ist der Vorrat zu bescheiden. Kurze Haare sind bald gebürstet und eine kleine
Sammlung ist bald überflogen, so klein sie aber auch ist, so vermittelt sie dem
Leser doch immerhin eine Anschauung von der großen Menge derartiger Sprich-
wörter und Redensarten des Serbenvolkes.

% Die im Text eingeklammerten Erläuterungen zu den Sprichwörtern rühren
von Vuk, die anderen, sowie alle Verdeutschungen von mir her.

Friedrich S. Krauss.


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

se ne moli smijerno i pokorno.) — Spende Almosen du Zumpt volk, ich vögle dir
die Mutter ! — (Man erzählt, so habe irgend ein betrunkener Blinder auf der Kirch-
weih bettelnd geschrieen, und jetzt sagt man es, wenn einer etwas verlangt, doch
darum nicht bescheiden und ergeben bittet.)

11. Stakni babu u guzicu, nek ti dade ljubenicu! (na pitanje śta?) —
Rühr das Mütterlein ins Arschloch, sie soll dir eine Melone gebenI (auf die Frage:
was ?) — Des Reimes wegen, wie im Deutschen, wenn einer aus Unaufmerksamkeit
fragt: was? und man ihm antwortet: Man scheißt dir auf die Nas!

12. Uśao mu pundrov u dupe. (Kad je ko nemiran.) — Ein Roßwurm
ist ihm ins Arschloch eingedrungen. (Von einem Unruhigen.)

13. Tikva glava, govno mozak. — Kürbis der Kopf, Dreck das Gehirn.
— Damit kennzeichnet man einen bösartigen Hohlkopf.

14. Igra se golim oko gola. (Kad ko vaino śto za malu stvar drzi). Er
spielt mit dem Nackten um das Nackte herum. (Wenn einer etwas Wichtiges für
eine kleine Sache hält). — Mit dem nackten Zumpt um das nackte Arschloch eines
anderen zu spielen, ist keine Kleinigkeit. Wir sagen, spiele nicht mit Schieß-
gewehren.

15. Lovcu govno u loncu a hajkaSu u bakracu. — Der Jäger hat
einen Dreck im Topf, der Treiber aber im Kupferkessel. — Sinn: Viel Plage und
Geschrei um nichts.

16. Da padne na guzicu razbio bi nos. (Kad se kazuje za koga, da je
vrlo nesretan).— Fiele er auf den Arsch, zerschlüge er sich die Nase. (Wenn man
wem nachsagt, er wäre vom Unglück verfolgt.)

17. Vidima je bijeda u starca żena mlada. — Bei einem Greis ein
junges Eheweib ist eine sichtbare Unsaelde.

18. I to je bolje nego śaśom dupe otrti. — Auch das ist noch immer
besser als sich mit Rietgras das Arschloch auszuwischen. — Unser: Besser eine
Laus im Kraut als gar kein Fleisch.

19. Ako si i mati, pokri sei — Wenn du auch die Mutter bist, so bedeck
dich dennoch I — Man darf selbst dem allernächsten Verwandten gegenüber nicht
die Schamhaftigkeit gänzlich verleugnen.

20. Ostao kao govno na cedilu. (Kad se mlijeko procijeda.) — Er blieb
wie der Dreck auf dem Seiher zurück (beim Milchdurchseihen).

21. Ne muti govna, da ne smrde. — Rühr den Dreck nicht auf, damit
er nicht stinken soll.

22. Nije se setio radi cetvrtka, vec radi svoga prkna. — Er erin-
nerte sich nicht des Donnerstags, sondern seines Farzlochs wegen. — Von einem,
der den Gründonnerstag nicht aus Frömmigkeit, sondern des Festmahls halber feiert.

23. Rasprdnuti igru (t. j. pokvariti. Gledaj: umrije kumce, rasprde se
kumstvo). — Zerfarzen das Spiel (d. h. verderben. Siehe: das Pätchen gestorben,
die Gevatterschaft zerfarzte sich).

24. Vjecna mu patarica i blażeni tandrkl (Każe se u sali mjesto pok-
njiikoga: Vjecna ja mu pamjat i błazen pokój!) — Ewig sei ihm das Sattelbrett
und seliges Gerassel! (Man sagt so scherzweise statt des Schriftmäßigen: Ewig sei
sein Gedenken und selig die Ruhe!)

25. Ne valja po pizde vode. — Er taugt keine halbe Voze Wasser. —
Von einem Taugenichts. — Männer sagen: da pustim kurac vode = muß mal
einen Zumpt (voll) Wasser lassen; Frauen: pizdu vode, eine Voze voll Wasser;


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

einer, der nicht einmal die Hälfte des wertlosen Weiberpisses wert ist, ist schon
ein vollkommener Niemand.

26. Bliżnjoj nagoreo skutak a daljnoj i tupak.— Der näher Sitzenden
brannte das Fürtuch, der ferneren sogar das Stumpfende (das Gesäß) an.

27. Pouzdala se strina u sinovca pa ostala jalova. — Die Tante ver-
ließ sich auf den Neffen und blieb gelt. — Auf Verwandte gibt es keinen Verlass.

28. Gjavo si ti, kad se natrćiś! (Kad korne u sali і s podsmijehom hoće
da se każe, da je pametan і dosjetljev.) — Ein Teufel bist du, wenn du den Arsch
vorstreckst! [als Lustknabe]. (Wenn man einem im Scherz und schmunzelnd sagen
will, er wäre gescheidt und witzig.) — Er versteht es, den Arschficker so zu foppen,
daß der seine liebe Not mit ihm hat, ehe er ihn wirklich drankriegt.

29. Rasrdio se govedar na selo pa osekao sam svoj kurac. — Der
Rinderhirte erzürnte sich über das Dorf und hieb sich (zum Trotz) selber den
Zumpt ab. — Wir sagen: er schnitt sich die Nase ab, um den bösen Nachbar
zu ärgern.

30. Odvalio kao Blagoje serući. — Er legte los, wie Blagoje beim
Scheißen. — Anspielung auf eine mir unbekannte Schnurre von B. dem großen Kacker.

31. Ostao kao posran. (Kad se ko od svoje rijeci ili od svoga djela
postidi). — Er blieb wie beschißen. (Wenn einen Schamgefühl über seine Worte
oder seine Handlung überkommt.)

32. Pustio guzicu na kolac. (Kad se ko razgolići.) — Er streckte den
Arsch aufs junge Gras aus. (Auf einen, der sich nackt ausgezogen.) — Die Redens-
art steht auch in der dritten Auflage von Vuks Wtb. (Belgrad 1898) mit dem
Bemerken: Man sagt es im Scherz von Moslimen, wenn sie nicht angekleidet sind.

33. Prdi mara na pudara. (Ko mari za to?) — Marie farzt auf den
Winzer, (Wer scheert sich darum?) — Zeile eines Reigenliedes.

34. Pristao kao lisica za ovnujskim mudima. (Pripovjeda se, da je
lisica videci ovnova muda gdje vise, mislila, da će skoro otpasti pa öitav dan ili
і vise u zaludu iSla za ovnom po planini.) — Er läuft hartnäckig hinter ihm einher,
wie der Fuchs hinter den Schafbockhoden. (Man erzählt, als der Fuchs sah, wie
die Schafbockhoden herabhängen, habe er geglaubt, sie würden bald abfallen und
da ging er den ganzen Tag oder auch noch länger im Hochgebirg vergeblich dem
Schafbock nach.)

35. Otiśao u guzicu po med. — Er begab sich ins Arschloch um Honig
zu holen.

36. Ja tebi dala jedan put kao poStenu knezu a ti mené (sad) za-
opucao kao kurvu! — Ich gewährte dir einmal [Voze] als wie einem ehrenwerten
Dorfschulzen, du jedoch begehrst (jetzt) frech von mir wie von einer Hure! —
Pointe einer mir sonst unbekannten Schnurre. Sinn: wer sich einmal zu schlechtem
hingibt, den achtet man wie einen Schlechten.

37. Ko (na ovom svijetu) ne jebe punice, (na onom svijetu) vuci će joj
śaś iz guzice. — Wer (hienieden) seine Schwiegermutter nicht vögelt, wird ihr
(im Jenseits) Rietgras aus dem Arsch ziehen. — Hat einer eine noch riegelsame
Schwiegermutter, so belehrt man ihn im Scherz so, wenn er die Frage, ob er die
Frau auch beschlafe, wie selbstverständlich verneint.

38. Jebem ga za vrat kao Bugarin bivola. — Ich vögle ihn hinter den
Hals, wie der Bulgare den Büffel. — Die Geschichte, auf die die Redensart anspielt,
ist mir unbekannt.


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

39. Jebi mlado. da te oeeślja a staro da te poćasti. — Vögle ein
junges (Weib), damit sie dich kämme, eine Alte aber, damit sie dich tüchtig bewirte.

40. Ja ne kupujem u kurve kurac. (Reee se u Kotoru onome, koji
svasto skupo prodaje.) — Ich kaufe einer Hure keinen Zumpt ab. (So sagt man
zu Cattaro zu jenem, der da alles und jedes teuer verkauft.)

41. Kad gjavo nije posla imao. metao je petia materi u pićku. —
Als der Teufel nichts zu tun hatte, da steckte er einen Hahn seiner Mutter in die
Voze hinein. — Unser Bauer sagt: Einmal hat einer nichts zu tun gehabt, da
steckte er den nackten Arsch zum Fenster hinaus.

42. Dokle kosih travu lipicu,
dobro probijah svaku pièicu;

a kako stadoh po brdu vresak,
kao da u kurac udari tresak.
Solang als ich noch Bastard-Eibisch mähte, durchschlug ich tüchtig jedes Vözlein;

— wie ich jedoch auf dem Berge anfing Besenheide [zu mähen], — als ob ein
Zittern in den Zumpt gefahren wäre. — Das ist ein Reigenliedchen; zu erklären
vermag ich es nicht.

43. Miti ga kao mati poprdljivu ćerku. — Er besticht ihn, wie die
Mutter ihre Tochter die Farzerin. — Damit die nicht in Gesellschaft die Mutter
beschäme.

44. Svakom svoje govno miriśe. — Jedem duftet sein eigener Dreck.

— Dieses Sprichwort entstand unter Leuten, denen die Syphilis wenig bekannt
sein mochte; denn den Syphilitischen stinkt ihre eigene Ausscheidung furchtbar zu.

45. Kamo vas ćako i majko, da vi polijem і da vas poljubim u
ruku, da mi sjutra govna ne jedetel Rekla nevjesta svekru і svekrvi i osta-
li jem u kuci prvo jutro pośto se do vela. U Dalmaciji. — Wo steckt ihr, Väterchen
und Mama, daß ich euch Wasser über die Hände gieße und euch die Hand küße,
damit ihr mir morgen den Dreck nicht essen sollt! So sprach die heimgeführte
Braut zum Schwiegervater und zur Schwiegermutter und zu den übrigen Haus-
insassen am ersten Morgen nach der Heimführung. — Jemandes Dreck essen,
hier, von jemandem verleumderisch reden. Man vergleiche unsere Erzählungen im
Abschnitt vom Dreck. — Über die Stellung der jungen Frau in der Hausgemein-
schaft vergl, die Mitteilungen bei Krauss, Sitte und Brauch der Südslaven,
Wien 1885.

46. Rovitom govnetu mało kiśe treba. — Ein weicher Dreck braucht
wenig Regen. — Er geht leicht auseinander. — Von Leuten, die bei der geringsten
Veranlassung in Tränen ausbrechen.

47. Reci ludu da prdne a on se posere. (Mit Bleistift: a on će se
posr...) — Sag einem Narren, er soll mal farzen und der bescheißt sich auch
gleich (... und er wird sich besch .,.,).

48. Prvome muśtuluk a drugome govno. (Kad ko kazuje śto kao
kaku novinu, śto su drugi već prije kazali.) — Dem ersten ein Botenlohn, dem
zweiten aber ein Dreck. (Wenn einer etwas als eine Neuigkeit erzählt, was die
anderen bereits früher erzählt hatten.)

49. Junak je govno (koje svak obilazi. Kad se za koga rekne, da je junak.)

— Ein Held ist ein Dreck, (dem jeder im Bogen ausweicht. Wenn man von einem
sagt, er wäre ein Held!). — Helden nennen sich Kampfhähne, Stänker und Unheil-
stifter. Die Chrowoten berühmen sich z. B. ein Heldenvolk zu sein, sie sind aber


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

auch überall jedermann und sich selber verhaßt und wer den Frieden liebt, weicht
ihnen noch mehr als einem Dreck aus.

50. Jebu Ii ti brzu majku, koja je psima na Kosovu utekla! (Kad
se ko uteće te radi і govori ono sto nije njegov posao.) — Ob sie nicht deine schnelle
Mutter vögeln, die den Hunden auf den Leiten entronnen ist! (Wenn sich einer
aufdrängt und tut und spricht, was nicht seine Sache ist.) [Dies Sprichwort auf der
Rückseite eines Kärtchens, nachträglich durchstrichen, konnte aber doch entziffert
werden.] — Die Schlacht auf den Leiten, dem schiefen Gefilde, Kosovo 1389. Den
Namen verdeutschte man falsch mit Amselfeld.

51. Kojoj kobili ne znaś ćudi, ne idi joj k nogama! — Nah dich
nicht den Füßen einer Stute, deren Gemütart du nicht kennst.

52. Nepoznatoj se kobili s repa ne ide. — Einer unbekannten Stute
nähert man sich nicht von der Schweifseite.

53. Vozgovna! T. j. idi odatle. (Kad ko cera koga od sebe, i znaci:
Bjeż odatle, — idi bez traga!) — Fahr einen Dreck! d. h. troll dich von hinnen.
(Wenn einer einen von sich wegjagt, und es bedeutet: Marsch weg von hier, —
geh spurlos weiter!)

54. Kad se obrne tur ha kur; ili: — Wann sich der Gesäßteil auf den
Zumpt zuwendet; oder:

55. Kad se ono posrano okrene naprijed. (T. j. kad posao pogje
naopako.) — Wenn sich jenes Beschißene nach vorne wendet. (D. h. wenn ein
Geschäft schief geht.)

56. Ne bi mu na mizdraku govno pod nos mogao donijeti. (Kad
se koji ponese pa se ne może s njime lasno da govori.) — Du könntest ihm auf
einem Speere keinen Dreck unter die Nase zutragen. (Wenn einer hoffährtig wird
und es nicht leicht hält, mit ihm zu sprechen.) — Er trägt nämlich die Nase so hoch
usw. Statt Weihrauchs einen Dreck, der ihm gebührt. — Dies Sprichwort wieder-
holt sich auf Vuks Blättchen noch zweimal.

57. Jedegovna. (Kad ko govori śto ludo ili nepovoljno. U ovom doga-
gjaju se govore і ove druge sve tri poslovice, koje se s ovim rijecma poemju.) —
— Er isst Dreck. (Wenn einer etwas törichtes oder ungünstiges spricht. In diesem
Falle wendet man auch die folgenden drei Sprichwörter an, die mit diesen Worten
anheben.)

58. Jede govna kao pijan rotkvu. Er isst Dreck, wie ein Betrun-
kener Rettig.

59. Jede govna kao Grk hàjvar. — Er isst Dreck, wie ein Grieche Kaviar.

60. Ustima govna jedi (koliko ti drago) samo rukama ne dirajl (t. j.
możeś govoriti, śto ti drago, samo se rukama ne dovataj. Osobito reku żene
i gjevojke momćadima.) — Mit dem Mund iss Dreck (soviel als dir behagt), nur
mit den Händen rühr nicht an! (d. h. du kannst reden, was dir beliebt, nur mit
den Händen greif nicht zu. So sagen besonders Frauen und Mädchen zu den
Burschen). Im Reigen, beim Kukuruzrüppeln, in der Spinnstube, bei der Bittarbeit
und bei geselligen Zusammenkünften überhaupt, zumal beim Fensterin führen die
Burschen gewöhnlich die losesten Reden, bildlich ausgedrückt, sie essen Dreck
Der Erheiterung wegen nimmt man dies hin, doch ist es ein Unfug, jedem Frauen-
zimmer gleich auch nach den Zizen und den Schamteilen zu greifen.

61. Jede govna, dok mu ja raka uhvatim. — Er isst solang Dreck,
bis ich ihn nicht bei seinem Krebs packe. — Der Krebs ist der Arsch. Wenn der


302

Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

Kerl nicht aufhört zu schmähen, so werde ich ihn puzerieren! bildlich: aufs
schimpflichste behandeln.

62. Śto kuma donijela u torbici to odnijela u guzici. (Kad ko Sto
korne donese pa sam najvise i pojede.) Iii: — Was die Gevatterin im Hängesäckchen
mitgebracht, das trug sie wieder im Arsche weg. (Wenn einer einem etwas mit-
bringt und dann selber das meiste davon auch aufisst.) Oder: — Die Variante
oder die Parallele dazu fehlt in Vuks Vormerkungen.

63. Ne bi kriv ko prde, već ko Cu. — Nicht der trägt die Schuld, der
da gefarzt, sondern der es gehört hat. — Weil der Hörer davon ein Aufheben
machte, setzte er den Farzer in Verlegenheit und beschämte ihn. Den Skandal
verursachen die Farzriecher und Tugendwächter, nicht derjenige, der zufällig gegen
die gute Sitte verstößt.

64. Sam prde, sam kolac potrze. — Allein farzte er, allein schwang er
den Pfahl.

65. Ko prde kolac poteże a ko Cu jedva uteće. — Wer da farzte,
schwang den Pfahl, und der es hörte, entrann kaum. — Vergl. zu 63—65 Anthro-
pophyteîa III. S. 373—373» N0. 539—541-

66. TrCi se a guzica mu se vidi. Gledaj: Glas do neba itd. — Er beugt
sich aufdringlich vor, der [nackte] Arsch guckt ihm aber hervor. (Siehe: Der Ruf
bis zum Himmel usw.) — Das Sprichwort lautet: Glas do neba a kad dobro
poglediś a ono mućak. Der Ruf (der Henne) drängt bis zum Himmel, schaust
du aber genauer hinzu, so ist es ein unfruchtbares Ei. Das Sprichwort auch bei
Vuk in den Narodne poslovice N0. 42.

67. Pri guzici je duśica rtica (t. j. pri brizi o jelu i o ostalim tjelesnim
potrebama Cesto se duśa 1 zaboravi). — Beim Arsch ist die liebe Seele das Spitzchen
(d. h. bei Sorgen wegen der Nahrung und übriger leiblicher Bedürfnisse vergisst
man häufig auch auf die Seele). — Wenn man nichts zu beißen und zu brechen
hat, scheert man sich wenig um das Seelenheil.

68. Uz kur kurje uz Capurje. — Ist dem Übersetzer unverständlich.

69. Ne cudim se babi Miljani śto gazi po bari, već se Cudim popu
Pavlu, śto je on digao glavu! — Ich wundere mich nicht über Mütterlein
Miljana, daß sie in der Pfütze watet, sondern wundere mich über den Popen Paul,
daß er den Kopf erhoben ! — Der heilige Mann sollte sich doch um nackte Beine
nicht bekümmern. Gemünzt auf Heuchler, die anderen Enthaltsamkeit von fleisch-
lichem Verkehr predigen, selber aber lüstern sind.

70. Hoće guza mesa. (Kad koga biju śto je ukrao kakvo zivince. koje
se jede.) — Das Arschlöchlein möchte halt Fleisch. (Wenn man einen haut, weil
er ein Tier gestohlen, das man isst.) Not kennt kein Gebot.

71. Naduo (napeo) se kao mudo na ugljenu (t. j. ovnujsko ili jarcevo
mudo kad se peJe za jelo. Kaie se za ponosita ili srdita Coveka). — Er blähte
sich auf, wie Hoden auf Kohlenglut (d. h. wie Schaf- oder Ziegenbockhoden, wenn
man sie zum Essen brät. Man sagt so von einem hochmütigen oder aufbrausenden
Menschen).

72. Da padnem na legja slomio bih kurac! (Kad ko kazuje, da je
vrlo nesrećan.) — Fiele ich auf den Rücken, bräche ich mir den Zumpt! (Wenn
einer über sein großes Unglück klagt.)

73. Gola govna (t. j. zlo. Gjekoji u sali odgovori na ovu poslovicu: Ako
su gola a ti skini kapu te ih pokrij). — Ein nackter Dreck (d. h. ein Übel. Im


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

Scherz antwortet mancher auf dieses Sprichwort: Wenn er nackt ist, nimm die
Mütze ab und bedeck ihn).

74. Prva6ast (iza govna. Reee se za nepovoljno jelo). Das ist der erste
Gang (gleich nach dem Dreck bei einem Festmahl. So sagt man von einer minder-
wertigen Speise).

75. Pita od govana biti ne może (jer makar se kakvi mirisi u nju met-
nuli, opet će smrgjeü). — Aus Dreck läßt sich kein Honigkuchen bereiten (denn
mag man was für immer Wohlgerüche darein mengen, stinken wird er dennoch).

76. Jec pre glava boli, leb ne stoji. (Kad bolestan mnogo jede). —
J . . . p . . der Kopf schmerzt, Brot steht nicht. (Wenn ein Kranker viel isst.) —
Die ersten zwei Worte unübersetzbar.

77. Kad grmi пек i munje sevaju! Pripoveda se, kako je nekakva
żena prdnula pred mużem koji se bio ućinio gluv pa kad je on zapitao, śta se to
Cu, odgovorila mu da grmi; onda on uzme ugarak s vatre pa po njoj govoreci:
Kad grmi пек і munje sevaju I — Wenn es donnert, so sollen auch die Blitze
zucken ! Man erzählt, wie mal ein Weib vor ihrem Manne, der sich taub gestellt,
farzte und sie ihm auf seine Frage, was man da gehört, geantwortet, es donnere,
worauf er vom Feuer einen brennenden Scheit ergriffen und mit dem angeführten
Ausruf auf sie losgeschlagen habe.

78. Dok bi ciganin govno izio. — Nicht länger als ein Zigeuner braucht,
um einen Dreck zu verzehren. — Sehr schnell. Der Zigeuner ist heißhungerig
und ist zur Stillung seines Hungers nicht wählerisch.

79. Dete se vrne i na ujca preko Dunava a kamo li na slugu u
kuci. — Das Kind gerät sogar dem Oheim jenseits der Donau nach, wie denn
nicht erst nach dem Diener im Hause. — Die Mutter hat sich eben verschaut.

80. Da je lasno lajati, ne bi pas prdio. — Wäre es leicht zu bellen,
tat der Hund nicht farzen. — Auch zum Schmähen und Verleumden bedarf es
Geschickes.

81. Prevrni govegju balegu, naci ćeś Iriżanina pod njom. —
Wend einen Rinderdreck um, da findest einen Iriger darunter. — Die Serben des
jetzt deutschen Ortes Irig in Sirmien trieben sich in dem neuen Fürstentum Serbien
als Kulturträger herum und verstanden es, sich durch ihre Aufdringlichkeit sprich-
wörtlich unbeliebt zu machen.

82. Da je dobro govno, izjeli bi ga Cavtacani. — Wäre Dreck gut
(zu essen), die Bewohner von Ragusa Vecchia verzehrten ihn. — In Cavtat (R. V.)
wohnten ehemals vorwiegend Kleinhändler, die das Land als Hausierer bestreiften
und sich durch ihre übertriebene Sparsamkeit auszeichneten.

83. Ko magarca (na magarcu) jaàe, valja i prdeź da mu trpi. —
Wer zu Esel reitet, muß auch dessen Farz ertragen.

84. Prda prdu sustiże (n. p. od straha). — Der Farz holte den Farz ein
(z. B. aus Furcht). — Ein Feigling rennt schneller als der andere.

85. Ne dao Bog kamenja jesti a govna su mekana. (Rekne kasto
mlagji, kad ga stariji narani nećiśću.) — Bescheer einem Gott keine Steine zu
essen, Dreck aber ist weich. (Sagt mitunter ein Untergebener, wenn ihn ein Vor-
gesetzter mit Unflat abspeist.)

86. Na dram jede, na dram sere. (Seljaci govore za varosane, koje oni
ponajvise drze za tvrdice.) — Eine Drachme schwer isst er, eine Drachme schwer
scheißt er. (Der Bauer sagt es den Städtern nach, die er zumeist für Geizhälse


304

Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

hält.) — Spitzname für Krämer: dramoser, Drachmenscheißer, wie wir sagen:
Zwirnscheißer.

87. Ta prdio, ta govorio, njemu sve jedno. — Ob du farzst, ob du
sprichst, ihm ists alles eins. Von einem Unempfindlichen.

88. Navalili kao muhe na govno. — Sie stürzten sich darauf, wie Fliegen
auf den Dreck. — Von zudringlichen, habgierigen oder gefräßigen Menschen.

89. Prem есе se s guza na guz. (Kad se za koga hoće da każe, ne radi
nista, nego leżi besposlen.) — Er rutscht von einer Arschbacke auf die andere.
(Wenn man von einem sagen will, daß er nichts arbeite, sondern untätig liege.)

— Bei uns: er wetzt den Arsch.

90. Sveta je ovca, koja se posere u mlijeko pa ga ljudi opet jedu
(pośto se ocijedi. Ovo se obićno govori, kad se zivom coveku, n. pr. kakvom
kalugjeru, rekne sveti). — Heilig ist das Schaf, das sich in die Milch bekackt
und es essen sie die Leute dennoch (nachdem man sie geseiht. Diese Redewendung
gebraucht man gewöhnlich, wenn man von einem Lebenden, z. B. einem Mönche
sagt, der heilige).

91. Od sile prdi a od rgje smrdi. —Vor Gewalt farzt er und von Nichts-
würdigkeit (Rost) stinkt er. — Von einem aufgeblasenen Wicht.

92. Ta govorljiv, ta poprdljiv (sve jedno je sramota). — Ob er ge- *
schwätzig, ob er gefarzig ist (auf jeden Fall ist 's eine Schande). — Von einem,
dem man allerlei Untugenden nachsagt, von denen jede für sich ausreichte.

93. Ko je srećan i u turu nag je (u sali se rekne). — Der Glückliche
findet auch in den Hosen [etwas von Wert] (sagt man im Scherze). — Von einem,
der alleweil irgend eine belanglose Sache findet und sich seines Glückes berühmt.

94. Svak o svojoj guzobolji nek se brine. — Jeder bekümmere sich
um sein eigenes Arschweh.

95. More ti do koljena a govno ti do uśiju! (Kad jednak jednakome
rekne: More!)— Das Meer reicht dir bis zu den Knien, der Dreck aber bis zu den
Ohren! (Sagt ein gesellschaftlich Gleicher zu einem anderen: More!) — M. aus
dem Neugriechischen, du Tropf, du Närrchen; slavisch more = Meer.

96. Ne seri, ne ribari, nego ori pa se rani! (U Srijemu.) — Scheiß
nicht fisch nicht, sondern acker und ernähr dich! (In Sirmien). — Gegen speku-
lationwütige Bauern.

97. Misliti і srati, to je sve jedno, (nego valja raditi). — Sinnen und
scheißen, das ist alles eins (vielmehr muß man arbeiten).

98. Guta kao hala govna. — Würgt hinab, wie der Drache den Dreck.

— Nach dem Märchen vom Drachen. Auf einen Fresser.

99. Seta se kao posran golub. — Er ergeht sich, wie ein beschissener
Täuberich. — Von einem Dünkelhaften.

100. Kad dogje sugjenik, nek izjede govno kućenik! — Kommt
der vom Schicksal bestimmte [Bräutigam], dann soll der Hauswirt den Dreck auf-
essen! — Sagt wohl ein unsauberes Mädchen.

101. Ko od straha mre, za duśu mu se prdi. — Wer vor Furcht hin-
stirbt, für dessen Seelenheil farzt man. — Nur das Andenken Mutiger ehrt man
durch Seelenmessen, das der Feiglinge jedoch schmäht man.

102. Ni mu je u kuci sit prdnuo, ni gladan uzdanuo. — Weder hat
in seinem Hause ein Satter gefarzt, noch ein Hungriger aufgeseufzt. — Von einem
Geizhals und Knicker.


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

.103. Svjedoku govno od oku.— Dem Zeugen ein okaschwerer Dreck. —
Als Entlohnung nämlich. Von Leuten, die sich zur Zeugenschaft aufdrängen, um
daraus für sich einen Vorteil zu ziehen.

104. Uze strunjicu pa obrisa guzicu. Er ergriff den Ziegenhaarrucksack
und wischte sich damit den Arsch aus. — Von einem, der in der Verlegenheit zu
einem unzweckmäßigen Auskunftmittel greift.

105. Utiće se, kao krpe u guzicu. — Er drängt sich ein, wie ein
Fetzen in den Arsch. — Von einem, der sich in fremde Sachen ungebeten einmengt.

106. Ko se umije posrati, umije se i oprati. — Wer sich zu bescheißen
versteht, der versteht es auch, sich rein zu waschen. — Unser: Wer sich selber
eintunkt, tunkt sich selber auch aus.

107. Ne more se i prdnuti і stisnuti. — Man kann nicht gleichzeitig
farzen und [den After] zusammenziehen.

108. Mlad i zelen kao guSöje govno. (Rekne se korne mladom u Sali.)
— Jung und grün wie ein Gansdreck. (So sagt man scherzweise zu einem jungen
Menschen.)

109. Mekoj gjevojci potreni dojci. — Ein weichherziges Mädchen hat
mürb geriebene Tutein. — Weil sie sich jedem hingibt, welken ihre Brüste. —
In den Krivoslje: rastrene dojke = zerriebene Tutein.

110. Mekoj gjevojci meke і sise. — Ein weichherziges Mädchen hat auch
weiche Zizen.

m. S moga meka obraza і sise su mi meke. — Von wegen meines
weichen Ehrgefühls sind auch meine Zizen weich. — So sagte wohl ein Mädchen.

112. S meka obraza gola guzica. — Von wegen des weichen Ehrgefühls
ist der Arsch nackt. — Von einem Lustknaben, der sich preisgibt.

113. S meka obraza gola govna. — Von wegen des weichen Ehrgefühls
ein nackter Dreck. — Wie N0. 112.

114 und 115. Cist, kao dupe o berbi. Gledaj: Brblja, kao guzica
(dupe) o vinoberi. — Rein, wie das Arschloch zur Weinlese. Siehe: Er schwätzt,
wie der Arsch (der After) zur Traubenlese.

116. Sröku manje u prknu (u Boci). — Der Zornnickel (Bosnickel) hat
weniger in Arschloch (in der Bocca). — Weil er sich abseits stellt, essen ihm die
anderen die Bissen weg.

117. Da bih se znao govnima hranitil (ne ću to ućiniti). — Wenn ich
wüßte, mich mit Dreck nähren zu müssen! (werde ich das nicht tun).

118. Ne bi s njim otiśao ni na sranje! — Mit ihm würde ich nicht
einmal kacken gehen!

119. Kad mené staSe moja govna ućiti plivati! — (Kazała kamila,
kad se plivajuci posrala pa voda pronijela balegu preda nju.) — Als mich mein
Dreck anfing das Schwimmen zu lehren! (So sagte das Kameel, als es sich
schwimmend beschissen und das Wasser den Kot vor ihm dahintrug.)

120. Izrizikovao se, kao govno na mrazu. (Kad se za koga u Sali
hoće da każe, da mnogo kojeSta probirao і nauöio se. U Srijemu.) — Ausgekostet
hat er alle Gefährden, wie ein Dreck im Nachtfrost (Wenn man von einem im
Scherz sagen will, daß er gar mancherlei versucht und daraus Lehren gezogen.)

1^1. Kako ne zaboravi gaće vezati, kad sere! (Kad se za koga hoće
da każe, da je vrio zaboravan.) — Wie vergaß er nur nicht, die Hosen zu binden
beim Scheißen! Zur Bezeichnug einer sehr Vergesslichen.)

Krause, Anthropophyteia. IV. 20


ЗОб Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

122. Kakila bi, ne bi. (Kad ko i hoće і ne će Sto da ućini.) — Sie
möchte kacken, möchte wieder nicht. (Von einem Unschlüssigen.)

123. Da może, izio bi ono, Sto isere. (Tako je tvrd.) — Könnte er nur,
ässe er auch das auf, was er auskackt. (So geizig ist er.)

124. PojeSće iglu a posraće Cuvalduz. (Presence mu.) — Eine Nähnadel
wird er aufessen, die Sacknadel aber bescheißen. (Er wird es satt kriegen.)

125. Prdni gluvom kod uva, on će misliti, da grmi. — Farz einem
Tauben beim Ohr, er wird meinen, es donnere.

126. Prdnuo u varicak (valjda, kad je u njemu vec nestalo Zita? Kaie se
obićno za Coveka, kad propadne ili oslabi). — Er farzte in den Metzen hinein
(wohl, als darin keine Frucht mehr war? Man sagt es gewöhnlich von einem
Menschen, wenn er zu Grund geht oder schwach geworden). — Unser: Er bläst
aufs letzte Loch.

127. Pogodio kao prstom u govno. — Er traf es, wie mit dem Finger
in den Dreck hinein. — Von einem Schlemiehl.

128. Обі piruju a guzica gladuje. (Kad Covek Sto lijepo samo gleda.)

— Die Augen hochzeiten, der Arsch aber hungert. (Wenn ein Mensch nur auf
Schönheit schaut.)

129. Cujte ljudi, gdi guzica sudi! (Kad se Sto ludo radi.) — Hört Leute,
wie der Arsch Urteil spricht! (Wenn man etwas unvernünftiges treibt.)

130. U toga (njega) je srce kraj guzice. (Ko se za najmanje Sto
rasrdi.) — Bei dem (ihm) ist das Herz beim Arsch. (Von einem, der sich über
jeden Schmarn gleich erzürnt.)

131. Ne może se s duSom u raj a s guzicom na pir. — Man kann
nicht mit der Seele ins Paradies, mit dem Arsch aber auf die Hochzeit. — Um
ins Paradies zu kommen, muß man sich kasteien; der Völler ist von den Freuden
des Jenseits ausgeschlossen.

132. Od sira dupe svira, od pogaCe dupe plaCe. — Vom Käse musiziert
das Arschloch, vom Brotfladen weint das Arschloch. — Der Wohlhabende hat
leicht zu lachen, der Arme ist leidbeladen.

*33* S jednom guzicom na dvije svadbe ne może se. — Mit einem
Arsch kann man nicht auf zwei Hochzeiten.

134. Ne nosi on tebi soli u guzici. (Kad ko pristaje za kim.) — Er
trägt dir kein Salz im Arsche nach. (Wenn sich einer an einen eng anschließt.)

— Er tut es nicht, um dir, sondern um sich zu nützen.

135. Nije kriva guzica da je skupa Senica. (Darnach steht in ( ) doch
durchstrichen: U Risnu reCe se onome koji ciganiSe pri żenidbi ili krsnom imenu.)

— Der Arsch ist nicht schuld daran, daß der Weizen teuer ist. (Man sagt es zu
Risano zu jenem, der bei einer Hochzeit oder beim Sippenfest knausert.) — An
der angeblichen Teuerung ist der Appetit der Gäste unschuldig. Gäste muß mar*
ausgiebig unter allen Umständen bewirten.

136. Trpa kao pij an u tur. (Kad ko ludo govori.) — Stopft, wie ein Be-
trunkener in den Hosensack hinein. (Wenn einer dummes Zeug daherredet.)

137. Cic, guzica, do Bożića! (Kazao nekakav pojedavsi kokoś na Badnji
dan u veCe.) — Hast das leere Nachsehen (schmecks! wienerisch), Arsch, bis zur
Weihnacht! (Sagte mal einer nachdem er am Jultag abends eine Henne aufgegessen.)

— Seine Gefräßigkeit brachte ihn um den Festbraten zur bestimmten Zeit.


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

138. Izjela ti guzica kośulju. (Kad komu ostrag upadnę kośulja a on
ne zna nego onako ide. — Auf einem zweiten Zettel dasselbe Sprichwort mit dem
Zusatz: Kad korne upadnę i prione kośulja megju guzove, da se vidi spolja.) —
Der Arsch hat dir das Hemd aufgegessen. (Wenn einem von rückwärts das Hemd
eingezwängt ist, er es aber nicht weiß, sondern arglos dahergeht. — Wenn einem
das Hemd zwischen die Arschkerbe eindringt, so daß man dies von außen merkt.)

— Vgl. Anthropophyteia III. S. 361 f. N0. 531.

139. Sveta Petkol Crveni guzica! (Rekla iena, kad je drugu vidla meta-
niśući ocaparenu). — Heilige Petkal [Paraskeue]. Der Arsch schimmert rotl (Sagte
ein Weib, als sie ihre Genossin beim Kniefall (in der Kirche) mit nacktem Arsche
sah.) — Auf eine blöde Bemerkung zur Unzeit.

140. Ako sam ti u kucu, nijesam ti u guzicu! — Wenn ich auch dein
Hausgenosse bin, hänge ich dir doch nicht zum Arschloch heraus!

141. Pre guzo! (Ala baś!) — Potz Arsch! (Ei der tausend!)

142. Magarac se po strnjiki valja,

strnjika ga u guzicu bada. Aus einem Volkslied. Der Esel wälzt
sich auf dem Stoppelfelde, die Stoppeln stechen ihn in den Arsch. — Wie es einer
treibt, so hat er es.

143. U Jerine na guzici drenjina. — Jerina hat auf dem Arsch eine
Kornelkirsche. — Sie tut so hochmütig als ob sie usw. Sie leidet an Vorzugwahn
oder Größenwahn, wie ein chrowotischer Göttererzeuger.

144. Ne vjeruj mu, da sjedne golom guzicom na vatru! — Glaub
ihm nicht, und wenn er sich mit nacktem Arsche aufs Feuer setzte!

145. Grko, puno prkno! (Kad je ko sit pa jelu nalazi manu.) — Es ist
bitter, das Gesäß ist voll! (Wenn einer satt ist und an den Speisen auszusetzen hat.)

146. Zabij se ti u petu numeru (t. j. u guzicu. Kad ko rekne śto ludo.
U avstrijskim drzavama і to najvise po varosima). — Laß du dich auf die fünfte
Nummer auframmen! (d. h. ins Arschloch. Einer, der etwas törichtes sagt. In
österreichischen Provinzen und zwar zumeist in Städten gebräuchlich). — Die zwei
Hände und zwei Beine sind vier und der Zumpt die fünfte Nummer. Du hast
genug Verstand, um einen Lustknaben abzugeben, oder man könnte feiner sagen:
Schreib für chrowotische Blätter Rezensionen!

147. Kao da mu je pundrav u dupetu. (Kad je ko nemiran.) — Als ob
ihm ein Roßwurm im Arschloch stäke. (Von einem Unruhigen.)

148. Kao da mu je erv u dupetu (tako je nemiran). — Als ob er einen
Wurm im Arschloch hätte (so sehr ist er unruhig).

149. Kazi guzici, nek se raduje. (Kad ko śto trażi ili se nada бети, śto
ne će dobiti.) — Sag dem Arsch, er sol! sich freuen. (Wenn einer was verlangt
oder auf etwas hofft, was er nicht bekommen wird.)

150. Ubio mraz obraze a nacve guzicu. — Der Nachtfrost hat das
Ehrgefühl und der Backtrog das Arschloch ertötet. — Wenn die Saat zugrunde
geht, hat der Bauer wenig zu essen; er verarmt. Mit seinem stolzen Selbstbewußt-
sein ists dahin. Als Armer muß er borgen und betteln.

151. Nos piruje, guzica gladuje. —Die Nase hat einen Hochzeitschmaus,
der Arsch hungert. — Vgl. N0. 128.

152. Śto bih ja za tugju guzobolju glavu lomio? (t. j. za tugj posao).

— Warum sollte ich mir für fremdes Arschweh den Kopf zerbrechen? (d. h. um
einer fremden Angelegenheit willen). Vgl. N0. 94.

20*


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

153. Kad vrana na dva koca stoji, jedan će u śupak. — Wenn der
Rabe auf zwei Pfühlen steht, fährt ihm einer in den Arsch hinein.

154. Kad megjedu guzica zaraste (t. j. nikąd. Gdekoji joś dodadu:
sad je koliko zolota). — Wenn dem Bären der Arsch zuwächst (d. h. niemals.
Manche fügen noch hinzu: er ist jetzt schon so klein wie eine Zolota). — Zolota
ist eine Münze im Werte von 30 Paras.

155. Bez mrtva nije puna prkna. — Ohne Toten wird das Gesäß nicht
УОцв — Beim Totenschmaus (Fellversaufen) essen sich die Gäste bumvoll an.

156. Da może zavukao bi mu se u dupe. (Kad se ko korne vrlo ula-
guje.) — Könnte er nur, er kröche ihm ins Airschloch hinein. (Von einem, der
sich bei einem anderen einzuschmeicheln sucht)

157. Zamaglio kao pas ispod repa. (Kad ko puseći vrlo zadimi.)— Er
dampft, wie ein Hund unterm Schwanz.) (Wenn ein Raucher stark qualmt)

158. Zena ima sedamdeset i sedam rupa, (koje sve valja da zatisne
onaj, koji se ożeni, t j. żeni valja mnogo kojeśta). — Ein Weib hat siebenund-
siebzig Löcher, (die der verstopfen muß, so sich da beweibt, d. h. ein Weib hat
gar zahlreiche Bedürfnisse).

159. Progovorio bi na guzicu, (da mu usta svezu). — Der tat mit dem
Arsch noch sprechen, (wenn man ihm den Mund verbände).

160. To su govna u Gjurgjevoj kaci. (Kad je kakav posao rgjav.) —
Das ist der Dreck in Georgs Bottich. (Von einem schlechten Geschäft). — An-
spielung auf eine mir unbekannte Schnurre, die vielleicht der Schnurre Pravica
(Das Richtige) im Abschnitt vom Dreck in diesem Bande ähnlich war.

161—162. Śto muz, to guz (t. j. Sto omuze, to i pojede a ne może da
nakupi sira i masła. Gledaj: Sto kuc, to muc.) — Was du milkst, verzehrt der
Arsch (d. h. was sie milkt, das isst sie auch auf und gelangt nicht dazu, daraus
Topfen (Käse) und Butter zu sammeln. Siehe: (dies Lautspiel unübersetzbar).

163. Hajde, guzo, da putujemo! (Kad ko besposlen a і nespremljen
kako valja kud pogje.) — Komm denn, Ärschlein, laß uns wandernI (Wenn sich
einer wohin aufmacht, ohne ein Geschäft vorzuhaben und ohne sich anständig
angezogen zu haben.)

164. Pićku valja milovati a ne gledati, (jer se nema Śta lijepo vigjeti).
— Die Voze muß man liebkosen, nicht jedoch betrachten, (denn man hat nicht etwas
schönes zu schauen). — Vuks Erklärung des Sprichwortes ist unzulänglich; denn
man gebraucht es, um zu sagen, man solle den Geschlechttrieb bei gebotener
Gelegenheit befriedigen, sich aber nicht mit dem Anschauen begnügen, weil es
die Frau erbittert und zum Ehebruch zwingt. Diesen Ausspruch tut in einer
Erzählung meiner Sammlung eine Frau ihrem ältlichen Manne gegenüber, der ihr
ihre Untreue vorwirft.

165. Na vjetru puśenje i danju jebanje ne valja. (Pripovjeda se, da
je rekao ciganin.) Gledaj: Pi£ku valja milovati a ne gledati. — Im Winde das
Rauchen und bei Tag das Vögeln taugt nicht. (Man erzählt das habe ein Zigeuner
gesagt). — Vuks Hinweis auf unsere N0. 164 ist unzutreffend. Der Beschnüfler und
Belecker der weiblichen Schamteile findet diese keineswegs unschön, er rät vom
Beischlaf bei Tag nur darum ab, weil beide* darnach matt und zur Arbeit minder
fähig werden.

166. Kad ću dati dupe, volim moje dupe (t j. kad ću promeniti moju
stvar za tugju opet onaku, volim moju stvar.) — Soll ich Arschloch für Arschloch


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

eintauschen, so bleib ich lieber bei meinem Arschloch (d. h. wenn ich meine Sache
für eine fremde, gleichwertige eintauschen soll, so habe ich doch die meine lieber).

167. Crnogorac kupio u Kotoru nove plavetne od raśe gaće i odmah ih
metnuo na sebe. Viäe Kotora kad je bilo za puśtit vodu, vidiv plavetan od gaća
kurac, povice: A sta je ovo, źla mi śreća! Ko mi ga promijeni? — Ein
Montenegrer kaufte zu Kattaro neue, bläuliche Lodenhosen und zog sie gleich an
den Leib an. Als er oberhalb Kattaros Wasser lassen wollte, da sah er seinen
von den Hosen blaugefärbten Zumpt und rief aus: ,Ei, was ist denn das, ein bös
Geschick auf mich! Wer hat mir ihn umgetauscht?*

168. I do sad je kuga strijeljala, al nije u dupe zgagjala (u gu-
zicu z.). — Auch bisher sandte die Pest [ihre Giftpfeile] aus, doch zielte sie nicht
aufs Arschloch (in den Arsch). — Ein Arschficker maskierte sich als Pestfrau, um
einen Jüngling nachts zu übertölpeln. Zu Tod erschrocken rief er aus, als er sich
dem Angriff ausgesetzt sah: Auch bisher usw. Vielleicht eine Variante zu N0. 140,
Anthr. II. S. 232 f.

169. Izgubio (sam) kljuce od guzice. (Kad koga cera napolje.) — Er
(ich) verlor die Arschschlüssel. (Wenn einer auf die Seite hinaus muß.)

170. Kad kurcu ora progje, sto pićaka za paru. — Wenn einmal die
Zeit des Zumptes vorbei ist, sind hundert Vozen um eine Para feil.

171. Usta su joj dinarom prorezana a guzica svrdlom jarmenja-
kom provrcena. (Kad koja stiskuje usta, kad govori a jede za dvojicu.) — Ihr
Mund ist mit einem Denar durchschnitten, der Arsch aber mit einem Jochbohrer
durchbohrt. (Von einer redefaulen, wortkargen Fresserin.)

172. Juhe do guzice a mesa ni zalogaja. — Suppe gibt es bis zum
Arsch, Fleisch aber keinen Bissen. — Von einem, der viel redet und nichts zu
sagen weiß.

173. Zauvar je i mu(v)a u guzicu kad uleti (t. j. od gladi je dobro
i najmanje śto izjesti.) — Es ist auch eine Fliege von Nutzen, wenn sie einem in
den Arsch hineinfliegt (d. h. es ist gut, wenn man hungert, das allergeringste auf-
zuessen.) — In der Not frisst der Teufel Fliegen.

174. Pitali sarova: ,Śto su ti muda otrag?' a on odgovorio: ,A śta
mi je naprijed?' (Kad ko u kakvom dogagjaju reće za 5 to da ne val ja a niśta
nije kao śto bi trebalo.) — Man fragte den fleckigen Hund: ,Warum hängen dir
die Hoden rückwärts?' und er antwortete. Ja, was habe ich denn vorne/ (Wenn
einer bei einer Gelegenheit bemerkt, es wäre etwas nicht recht, während gar nichts
so, wie es sein sollte, beschaffen ist.)

175. Tako me ne ljubilo śto zuba ne imalo (t. j. zadnjica).— So wahr
mich das nicht herzen möge, was keinen Zahn kriegen soll! (d. h. der Hintere). —
Beteuerung: So wahr ich nicht gezwungen werden soll, einen in den A. z. 1. —
Vgl. Anthropophyteîa III. S. 350, N0. 521.

176. Smije se kao lud na pićku. — Er lacht, wie ein Narr über die Voze.

177. Pun novaca kao muda kostiju. — Voll Geldes, wie die Hoden
voll Knochen. — Von einem Habenichts.

178. Sacuvaj me, Boże, jepca ukraj kuce a jebice u sred kuce! —
Bewahre mich, o Gott, eines Hurers neben dem Hause und einer Hure mitten im Hause !

179. Sila pravdu jebe kad god hoće. — Gewalt vögelt das Recht, so oft
sie die Lust dazu anwandelt.

180. Pala pćela u hodże na kurac, da nagje meda. — Eine Biene


IQ Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

ließ sich auf des Hodżas Zumpt nieder, um Honig zu finden. — Die Schnurre
dazu folgt unter Nr. 211.

182. I stara ovca so liże. — Auch ein altes Schaf leckt Salz. — Geschlecht-
lichen Freuden jagen auch bejahrte Leute nach.

183. Ko na tugju zenu uzjaSe i niz brdo jaSe, ne zna §ta ćini.
(U KrivoSijama.) — Wer auf ein fremdes Weib auf reitet und wer bergab reitet,
der weiß nicht, was er tut. — Er setzt sich einer Lebensgefahr aus.

184. Kad guske prde (n. pr. ustao, t. j. u nesrećan Cas). — Wenn die
Gänse farzen (z. B. ist er aufgestanden, d. h. in einem unglücklichen Augenblick).

185. Kazali Nasradin-hodżi: ,OdlećeSe pićke u oblakel' a on ufativsi
se za kurac odgovorio: ,Evo im sjedalal, (na koje će opet doći). — Man sagte
zu Nassreddin dem Hodża: ,Die Vozen entflogen in die Wolken!' er aber griff
sich nach dem Zumpte und antwortete: ,Da haben sie ihren Sitzplatz!' (auf den
sie wiederkommen werden.)

186. Sirotinjo, golotinjo, — Jebu ti mi majku! — Kud ćeś, kad
ja umrem? — (A ona iz prikrajka odgovorila:) U tvoj rod! — [Ein Mann auf
dem Sterbelager klagt wehvoll: O du Armut, o du Nacktheit, — Deine Mutter
vögeln die Leute! — Wohin ziehst du, wann ich versterbe? — (Die Frau aber
antwortete aus der Ecke;) Zu deiner Sippe! — Den Mann peinigt der Gedanke,
sein Weib werde, um die verwaisten Kinder erhalten zu können, ein Hurenleben
führen müssen, der Gattin erscheint die Aussicht jedoch nicht trostlos.

187. Turi i to babi, mudar majci bio! — Steck auch das in das
Mütterlein ein, sollst deiner Mutter weiser Sohn sein! — Vgl. dazu die Schnurren
Anthropophyteia I. S. 441—443, N0. 329—331.

188. O mjeseće, suncevo govno! (Pripovijeda se, da je rekao ozebao
ciganin putujući noću prema mjesecu.) — O du Mond, du Dreck der Sonne!
(Man erzählt, so habe ein Zigeuner gegen den Mond ausgerufen, als er frierend
nachts dahinwanderte.)

189. Siatka ti zemlja kao popu pićka! (Vicu ratari volu kad ga uće
o rati. U Crnoj Gori i u Zeti.) — Die Erde sei dir süß, sowie dem Popen die
Voze! (So rufen die Ackerleute dem Ochsen zu, wann sie ihn ackern lehren.) —
Das ist eigentlich ein Zauberspruch oder eine Besegnung (in Montenegro und im
Herzogtum).

190. Oj orasi, suvo voce O ihr Nüsse, dürres Obst,

I babi se kurac осе! Auch die Vettel will den Zumpt!
Aus einem Reigenlied.

191. PoStena ka і vrata od Śuranja. (Śuranj se zove nekoliko kuca na
juźnoj strani Kotora, po ćemu se i kotorska vrata od one strane zovu: vrata od
Śuranja. Poslovica se ova rekne onuda za nepostenu zenu ili gjevojku i znaći:
kao Sto su vrata ona svakome otvorena, tako je i ona za svakoga.) — Jungfräulich
gleichwie auch das Tor von Śuranj. (Śuranj heißen einige Häuser auf der Süd-
seite von Kattaro, wonach auch das jenseitige Tor von Kattaro das Suranjer Tor
genannt wird. Dies Sprichwort gebraucht man dortzulande von einem buhlerischen
Weibe oder Mädchen in dem Sinne: So wie jenes Tor jedermann offen steht,
ebenso auch dies Frauenzimmer für jeden.)

192. Nikao kao gljiva iz govna. (DoSao od nekud.) — Er sprosste auf
wie der Schwamm aus dem Dreck. (Er kam von irgendwoher.) Von einem
Dahergelaufenen.


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben. 311

193. Prde pa se onda okreće, (da nije ko ćuo a to jevaljalo €initi prije.
Kad ko §to ruino rekne ili ućini pak se onda kaje). — Er farzte und dann dreht
er sich um, (ob es nicht wer gehört habe, das aber hätte er früher tun sollen.
Wenn einer etwas garstiges sagt oder tut und es dann bereut.)

194. Da mi je i poloSa vina,

Samo da je krćmarica mladal — Der Wein dürfte auch von min-
derer Sorte sein, nur die Wirtin soll jung sein! — Aus einem Volkslied.

195. Daće diaku! (t j. stradaće). — Sie (er) wird Schamhaare hergeben 1
(d. h. in arges Ungemach geraten).

196. Dvije volje, gaće dolje! — Zwei Willen, die Hosen herunter! —
Ein Tor ist immer willig, wenn eine Törin will.

197. Da ti je sad glavica gje żenina guzica! (Rekne u Sali drug drugu
na zlu konaku.) — Läge dir jetzt dein [Zumpt-]Köpfchen, wo deines Weibes Arsch
ist! (Spricht scherzweise der Gefährte zum Gefährten auf schlimmer Herberg.)

198. Uziva kao kurac u ladnoj vodi. — Er erfreut sich seines Daseins
wie der Zumpt im kalten Wasser.

199. Kalugjere! żeniće te! — Ne bi ta. — Kalugjere! izbice te! —
Biće ta! — Mönch, man wird dich beweiben! — Das geschieht nicht. — Mönch,
man wird dich durchhauen! — Das kann geschehen!

200. Kalugjere, da te ożenimo? — Da je prosto, kad ste naumili!
(navalili). — Mönch, sollen wir dich beweiben? — Es mag geschehen, da ihr
dazu die Absicht habt! (mich dazu drängt).

201. Tajała, tajała pa i popi kazała. (Valjada kad gjevojka ili udovica
zatrudni?) — Sie verheimlichte und verheimlichte es und teilte es auch dem Popen
mit. (Wohl, wenn ein Mädchen oder eine Witib schwanger wird?)

202. Odnijela bi greben u brucama. (Rekne se za mladu gjevojku, kad
se hoće da każe, da već nije dijete, nego da je odrasla sasvim.) — Einen Rechen
trüge sie davon (in den Schamhaaren. Von einem jungen Mädchen, wenn man
sagen will, daß sie kein Kind mehr, sondern völlig erwachsen ist.)

203. Ko se najviSe klanja, najviSe ga jebu. (t. j. mladu nevjestu, a
upravo znaći: Ko se svakom jednako pokorava, najvise ga gaze, cf.

Svakoj suSi: hejvala!
Osta glava cela va!)

Wer sich am meisten verbeugt, den vögeln sie am meisten (d. h. die junge Frau,
geradezu aber bedeutet das Sprichwort: wer sich jedem gleichermaßen untertänig
zeigt, den treten sie am meisten nieder, cf. Ruf jedem Niemand: ,Grüß dich Gott!'
zu, dein Kopf bleibt davon kahl!). — Das Sprichwort ist auch wortwörtlich zu
nehmen. Vgl. dazu Anthropophyteia I. S. 262.

204. Liże kremen (svaki ćas), kao pas kurac. (Kad koji sve u puSku
zagleda.) — Er leckt den Feuerstein (jeden Augenblick), wie der Hund den Zumpt.
(Wenn einer ständig sein Gewehr beschaut.)

205. Ko ne vidi pićku kroz reśeto, ispale mu осі! (Ovako reku u
Risnu, kad ukori koji koga da ne zna niSta.) — Wer eine Voze durch den Reuter
nicht sieht, dem sollen die Augen herausfallen! (So sagt man zu Risano, wenn
einer einen rügt, er wisse gar nichts.)

206. Svaka ova dobrosretna upljina hoće svoj ćeif. (Pop Śćepo iz
Grabova uzimljući u nos burmuta ovako mi je rekao.) — Jede dieser glückseligen
Öffnungen will ihr Vergnügen haben. (So sagte zu mir Pope Stefan aus Grabovo.


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

indem er Schnupftabak der Nase zuführte.) — Er setzte seine Nasenlöcher der
weiblichen Scheide gleich. Der Witz beruht darin, daß er das Schnupfen dem
Vozenriechen verglich.

207. Od prvoga tira dobrogo sinal (U Dubrovniku ćestita se mlado-
żenji poslije vjencanja.) — Vom ersten Stoß einen tüchtigen Sohnl (So beglück-
wünscht man in Ragusa den jungen Ehemann nach der Trauung*) Im Wörter
buche bemerkt Vuk, selbst der Geistliche gratuliere so. Vergleiche dazu die
Glückwünsche in diesem Bande der Anthr. S. 192. N0. 30.

208. Niti iStem, da mi daS, — niti velim, da ne das, — samo
każ em, neka znaSI — Weder verlange ich, daß du mir gewährest, — noch sage
ich, du sollst nicht gewähren, — sondern sage so bloß, damit du es wissestl —

— Vgl. dazu die Erzählung Anthropophyteia II. S. 281, N0. 388.

209. Sit pas, vaistinul (Kazao kalugjer żeni, koja mu se tużila da je
muz goni od sebe.) — Ein satter Hund, in Wahrheit! (So sagte der Mönch zum
Weibe, das ihm klagte, ihr Mann jage sie davon.) — Dieser Spruch gehört in
Marie Luise Luzian's Modernes Ehe-Dirnentum, Randglossen aus meinem Ehe-
leben (Leipzig 1907) hinein. Das Weib muß dem Manne auch zur unentbehrlichen
Freundin und Helferin werden, nicht bloß seiner Wollust dienen, dann behält er sie.

210. Raz vi la bar jak (t. j. postała javna kurva). — Sie entfaltete die Fahne
(d. h.. sie ist eine öffentliche Hure worden.) — Vor drei Generationen warb man
die Soldaten zur aufgepflanzten, flatternden Fahne auf offenem Markte.

211. Moś se odm or і ti (al ne ćeś meda naci. Kazao Nasradin hodża celi
kad mu je pala na neku stvar). — Kannst wohl rasten (doch einen Honig wirst du
da nicht finden, sagte Nassreddin der Hodża zur Biene, die sich ihm auf eine
gewisse Sache niedergelassen).

212. Ne će pica sena ni Sevara,
Nego hoće zilavoga mesa!

Das Vözlein will weder Heu noch Schüfrohr — sondern will muskulöses Fleisch.

— Aus einem Volkslied.

213. Nosi pamet u gaćama. — Er trägt den Verstand in den Hosen. —
Er läßt sich vom Zumpt leiten und lenken.

214. Marko sjaśi a Janko uzjaśi,
Dok doratu muda otpadośe!

Marko stieg ab und Janko schwang sich auf, — bis dem Braunen die Hoden
abfielen. — Aus dem Volkslied. — Von erbarmunglosen Ausbeutern.

215. Ożeniće i tebe tata! (t. j. dobićeś i ti ovo śto ja imam pa ćeś se
kajati. Kad je nekakvo ożenjeno dijete kunjalo pred kucom, zaleti se pijetao te
kljune u slinac, koji mu je iz nosa visio a on onda kao pola plaćući rekne: ,Iś!
Boga mi će tebe ożeniti tata!) — Auch dich wird der Vater beweiben! (d. h. auch
du wirst das kriegen, was ich habe und wirst auch Reue empfinden. Als mal ein
verheiratet Büble vor dem Hause napezte (im Halbschlummer dasaß), flog auf
ihn der Haushahn zu und pickte ihn auf den Rotz, der ihm zur Nase heraushing,
worauf der Junge weinerlich sagte: ,Troll dich! So war mir Gott, dich wird der
Vater beweiben!) — Offenbar führte das Knäblein neben seiner erwachsenen Frau,
der Beischläferin seines Vaters, nicht das glücklichste Leben. Vgl. darüber Anthro-
pophyteia I. S. 255—281: Von der Zeitehe des Schwiegervaters mit der Schwieger-
tochter.

216. Ne bih ga ubio da ga uhvatim żeni megju nogama! — Ich


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben. 313

würde ihn nicht töten, selbst wenn ich ihn zwischen den Beinen des Weibes anträfe.

— Er ist mir so lieb und wert, daß ich ihm sogar einen Ehebruch mit meinem
Weibe verziehe.

217. Lasno je tugjim kurcem gloginje mlatiti! — Leicht ists mit
einem fremden Zumpt Weißdornbeeren herabzuschlagen I — Unser: Leicht ists von
fremder Haut Riemen zu schneiden.

218. Ko ne skvasi guzicu, ne izjede ribicu. — Wer sich scheut, seinen
Arsch zu befeuchten, der aß sich am Fischlein nicht an. — Beim Fischfang mit
Netzen oder Angeln kann einer am Leib trocken bleiben, das Sprichwort weist
aber auf eine Gegend hin, wo es Brauch ist, ins Wasser zu steigen und die Fische
im Flug aufzugabeln (diese Art des Fischfangs ist besonders den Zigeunern eigen),
oder, wo man einen Bach abzweigt, den Arm absperrt und dann die darin gefan-
genen Fische mit der Hand aushebt.

219. Za parice i u carice, — Fürs liebe Geld gewährt auch eine Kaiserin.

— In einer Gesellschaft höchster Herrschaften, so erzählt man in Wien, stellte
einmal Saphir die Behauptung auf: .Fürs Geld ist jede Frau zu haben!' Entrüstet
fuhr ihn die Fürstin XYZ an: ,Sie werden doch nicht behaupten wollen, ich z. B.
wäre zu haben?'— ,Wenn aber Eurer Durchlaucht einer eine Million Golddukaten
bar aufzählte?' — ,Na, eine Million Dukaten ist halt viel und man könnte damit
mancherlei gutes stiften, z. B. eine Kirche erbauen. Wenns nur einmal wäre und
mein Mann, der Fürst davon nichts erführe, soll der Herr meinetwegen das Ver-
gnügen haben.' — ,Also sehen S', Durchlaucht, die Hur war da, nur der Narr
fehlt!' — Wie so viele Sprichwörter ist auch dieses in seiner Verallgemeinerung
unwahr, denn es gibt in jeder Gesellschaftschichte Frauen, die sich eher töten, ob
sie sich einem ungeliebten Manne für Geld hingäben, von den Urninden ganz
abgesehen, denen der Mann ein Greuel ist.

220. Da je svuda, kao oko muda, (nit bi trebale gaće ni koSulja; ili kao
Sto se u Magjarskoj po varoSima govori: ne bi trebala bunda.) — Wäre es überall
so. wie um die Hoden herum, (bedürfte man weder Unterhosen noch Hemde; oder
wie man in Ungarn in den Städten sagt: brauchte man keinen Schafpelzrock).

221. Klin se klinom cera. (Kazao Nasradin-odźa, kad je u jedan put jeo
i srao pa ga neko zapitao, zasto to Sini.) — Den Keil treibt man wieder mit einem
Keil aus. (So sagte Nassreddin der Hodża, als er einmal gleichzeitig aß und
schieß und ihn einer befragte, warum er dies täte.)

222. Proganja se kao kurva kroz pazar. — Stolziert aufgedonnert
einher, wie die Hure durch den Bazar. — Wie z. B. in Agram die Lustknaben
geschniegelt und gestriegelt auf dem Jelacić-Platze umhersteigen. Eine Kravatte
oder eine Kokarde oder ein Hemdknopf in rotweißblau kennzeichnet die Rupfer.

223. Boji ga se kao neka stvar ki§e. — Er fürchtet ihn, wie eine
gewisse Sache den Regen. — Gemeint sind die Geschlechtteile.

224. Isla na oproStenje, da izgubi poStenje. — Sie begab sich auf
die Wallfahrt, um ihre Ehre zu verlieren. — Vgl. Anthropophyteîa II. S. 297 f.
N0. 396. Auch der Mönch von Montaudon sagt: Das Weib, das Gottergeben, bringt
sich selber gern zum Opfer dar. Casanova, der sich von Berufswegen in geist-
lichen und als Erotiker seiner Natur nach in Frauensachen bestens auskannte, sagt
einmal: ,Ich habe überall bemerkt, daß fromme Frauen mehr für die sinnlichen
Genüsse empfänglich sind als andere.' — Der Chrowot nennt eine bestimmte Reihe


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben.

unehelicher Kinder, deren Väter unbekannt bleiben, Bistricka deca (Maria Feist-
ritzer Kinder) und der Niederösterreicher kennt entsprechend Maria Zeller Kinder.

225. Majka ti se gola bola! (Kao kletva ili psovka gjeci — u Sali.) —
Deine Mutter möge nackt gestochen werden 1 (Gleichsam eine Verfluchung oder
Beschimpfung gegen [unartige] Kinder — im Scherze,

226. Zekreće, kao iguman mudi. — .... wie der Abt mit den Hoden.
— Ursprünglich schrieb Vuk: zakreće (wendet seitwärts), strich dann aber das a
und setzte darüber ein e. Das Wort ist mir unbekannt.

227. Ko ima masła on i muda maże a ko nema njemu i usne
pucaju. — Wer da Fett hat, der schmiert auch die Hoden ein, wer aber keines
hat, dem springen selbst die Lippen auf. — Der Reiche kann sich jeden Luxus
vergönnen, der Arme aber entbehrt selbst das notwendigste.

228. Kao da je сага za muda uvatio. (Kad se vrlo ko ponese.) — Als
ob er den Kaiser bei den Hoden gepackt hätte. (Von einem, der sehr hoffährtig
tut.) — Stolz, wie ein kaiserlicher Lustknabe.

229. Ne pada mi na um, koliko staru masku na mater. (U Crnoj
Gori.) — Ich entsinne mich dessen nicht, soviel als .... auf die Mutter. (Aus
Montenegro.) — Staru masku kann sowohl altes Maultier als alte Maske bedeuten.
Der Sinn des Spruches ist mir unklar.

230. Ko se svoje żene stidi, drugi mu je jase. — Wer sich seines
Weibes schämt, dem vögelt sie ein anderer.

231. Lice kurvu ljubi. — Das Gesicht kost die Hure. — Der Sinn ist
wie der eines ebenso weitverbreiteten Sprichwortes: Lice piöku prodaje, das
Gesicht verkauft die Voze.

232. Mic po mic pa namic! — LTnübersetzbar, Der Sinn ist: Nach und
nach kriegt man ein Frauenzimmer herum.

233. Nad tebe se gaća ne odrijeSilo! (Kletva żeni.) — Über dir soll man
keine Unterhosen auflösen 1 (Fluch für ein Weib.) — Sie soll keiner begehren.

234. Na gjevojku gaće, gaće;

AI neka ih, daće, daće! (Aus einem Reigenliedchen.)
Auf das Mädchen Unterhosen, Unterhosen; — doch laßt sie sein, sie wird schon
gewähren, gewähren!

235. Kurvi se naprijed plaća! (Kad ko i§te, da mu se kakav posao
naprijed plati.) — Der Hure zahlt man im vorhinein. (Wenn einer den Arbeitlohn
vorausbezahlt haben will.)

236. Jebena baka vrata zatvara. — Das gevögelte Mütterlein schließt
die Türe ab. — Erzählungen zu diesem und dem folgenden Sprichworte im Abschnitt
vom Humor in der Anthropophyteia.

237. Ja kriva, ja popu dala. — Ich bin die Schuldtragende, ich gewährte
dem Popen (Voze). Eine Erzählung dazu folgt im Abschnitt vom Humor.

238. Jebem ti Segedin! (Jedan Covek ode u Segedin zimi a zaboravi
opakliju poneti. Napati se straSno i nazebe pa kad dogje kuci nalożi veliku vatru,
zaogrne se u opakliju i legne pored vatre, kad ga vatra s jedne strane ргеребе
i prepali, on se onda okrene na drugu stranu govoreci: Jebem ti Segedin!) — Ich
vögle dir Szegedin! (Ein Mann begab sich zu Winterzeit nach Szegedin, vergaß
aber den Schafpelz mitzunehmen. Er mühte sich schrecklich ab, fror halb ein und
heimgekommen, legte er ein großes Feuer an, hüllte sich in den Schafpelz ein
und legte sich ans Feuer nieder. Als ihn das Feuer von der einen Seite heiß


Erotische und skatologische Sprichwörter und Redensarten der Serben. ^ 15

brannte und versengte, drehte er sich auf die andere Seite um und sprach: Ich
vögle dir Szegedin!)

239. Jebao mu і misa u duvaru. (Kad se kazuje, da je ko korne sve
psovao.) — Er vögelte ihm selbst die Maus in der Wand. (Wenn man erzählt,
einer habe einem alles beschimpft.) — Vgl. zur vorigen und dieser Redensart
Anthropophyteia I. S. 11. N0. 16 und die folgenden Erzählungen.

240. I snaśica vodu puSta. (Kad se hoće da każe da nije sramota od
ljudi otići da se izide na polje.) — Auch die junge Frau läßt Wasser. (Wenn man
sagen will, daß es keine Schande vor den Leuten ist, hinaus auf die Seite zu gehen.)

241. Ziva dala! (Rekne se u sali poznatoj gjevojci ili mladi, mjesto: ziva
bila!) — Lebend sollst du gewähren! (Voze). (Man sagt es im Scherze zu einem
bekannten Mädchen oder einer jungen Frau, anstatt: Lebend sollst du sein!)
( sollst leben!)

242. Zacrvenuo se kao da je pred kumom prdnuo. — Er errötete,
als ob er vor dem Gevatter gefarzt hätte. — Dem Paten ist man besondere Ehr-
furcht schuldig. Vgl. Krauss, Sitte und Brauch der Südsl. Wien 1885. S. 606—618.

243. Oli pas oli neko od nas. — Entweder hat der Hund oder einer von
uns (einen gehen lassen). — Einer ist der schlechte Kerl, der z. B. gestohlen hat.

244—246. Ima ih kao і krivokurijeh tatara. — Els gibt ihrer, sowie
auch krummzümptiger Tataren. — Daß es auch so beschaffene Tataren, d. i.
kaiserlicher Kourriere gibt, ist selbstverständlich. Vuk erinnerte sich rein äußerlich
dabei an die Sprichwörter Ima kao i kusi pasa und: Ima kao u żabe diaka,
es gibt sowie auch kurzstummeliger Hunde, und: Es gibt [Geld] wie bei einem
Frosche Haare; später aber durchstrich er diese zwei Sprichwörter, da er wohl
erkannte, daß sie zum ersteren nicht gehören.

245. Glava u berbernici і guzica u aśćinici ne może biti. — Der
Kopf in der Barbierstube und der Arsch in der Küche können nicht zugleich sein.

246. Kao prdeż u turu (n. pr. smeo se). — Wie ein Farz in den Hosen
(z. B. in Verlegenheit, weiß nicht, wo aus und wo ein).

247. Ko gladne godine govno izije, site se kaje. — Wer im Hunger-
jahre einen Dreck auffrisst, bereut es im satten Jahre. — Wer sich in einer Not-
lage zu schimpflichen Dingen hergibt, bereut seine Charakterlosigkeit, wenn er
einmal in gute Verhältnisse kommt. Vgl. N0. 57—60.

248. Posrao se pa rućao. — Er bekackte sich und aß zu Mittag davon.
— Er zehrt von seiner Schändlichkeit.

249. Saradżom srao! (Kletva.) — Die rote Ruhr soll dich zum Scheißen
treiben! (Fluch.)

250. Sluśa Bog śto kaćura prdi! (Kad ko koga kune.) — Als ob Gott
aufs Gefarze der Blasserin (der Kuh) hörte! (Wenn einer einen verwünscht.) —
Unser: Der Mond achtet nicht aufs Hundegebell.

251. Ko se ruga, poseru g a. — Wer die Leute verhöhnt, den be-
scheißen sie.

252. Valja posrati ponjavu dok se umre. Gledaj; Nije (takoj lasno
umrijeti. — Man muß das Leintuch bescheißen, ehe man stirbt. — Siehe: Es ist
nicht (so) leicht zu sterben.

253. Govna i kuöine (t. j. zlo). — Dreck und Werg (d. h. ein Übel).

254. Kranjsko govno i Arbanaśka żena i gradsko magare, to su najveéi
mućenici na ovome svijetu. (Za kranjsko zvono za to se misli, śto Cesto zvoni. U Lici.)


Grundlagen der Skatologie.

— Eine krainerische Glocke und ein albanesisches Weib und ein städtischer Esel,
das sind die drei größten Märtyrer auf dieser Welt. (Von einer Krainer Glocke
glaubt man es darum, weil sie häufig läutet. In der Lika.) — Gemeint sind nicht
Kirchenglocken, sondern die dem Vieh angehängten Glocken, die nie zur Ruhe
kommen. Die soziale Stellung des albanesischen Weibes ist durchaus nicht
ungünstiger als die einer Serbin in der Lika, der Bauer hat aber ein Einsehen bei
der Albanesin, nicht bei seinem eigenen Weibe. Der städtische Esel ist bei schlechter
Nahrung immer als Lasttier im Dienst.

256. Prda (prdeźom se) ne bojadiśe no broc (L j. spraznim se rijeCma
ili s besposlićenjem posao ne svrsava). — Nicht der Farz, sondern die Färberröte
[rubia tinctorum] färbt [das Tuch], (d. h. mit leeren Worten oder mit Müsßiggang
erledigt man keine Arbeit).

Grundlagen der Skatologie.

Von Hugo E. Luedecke (Zwickau i. Sa.).

Motto: „Mit der eigentlichen Zeugung haben
diese Sachen wenig zu schaffen, doch mit anderen
Dingen, die von der menschlichen Notdurft und
grobtierischen Lebensäußerung unzertrennlich sind.
.... Das Menschliche, das Allzumenschliche, das
Unabweisliche, das täglich Wiederkehrende kommt
hier zur unbestreitbaren Geltung....."

Friedrich S. Krauss.

Diese Sätze, die Krauss in den Vorbemerkungen zu den Abschnitten 25—28
seiner Südslavischen Volksüberlieferungen (Anthr. III. S. 343) sagt, wurden für mich
eine Quelle neuer, klarer Erkenntnisweise auf skatologischem Gebiet; kurz gesagt:
die Bedeutung der Skatologie wurde mir offensichtlich, und alles, was ich —
gelegentlich oder absichtlich — gesammelt hatte — stellte sich mir in neuem Licht
dar, regte mich zum Nachdenken über die Grundlagen der Skatologie an.
K. Reiskel hat bekanntlich eine Umfrage nach skatologischen Inschriften (Anthr.
III. S. 244 ff.) erlassen. Als eine Antwort diene die nachstehende Veröffentlichung
meiner Sammlung, deren Kern durch zahlreiche Beiträge von Dr. Friedr. S. Krauss
und mehrerer Mitarbeiter (darunter auch E. K. Blümml, sowie ein Thorner, ein
Erfurter, Ungenannnte und Dr. Heinrich Felder, Elberfeld) stattlich vergrößert
worden ist.

Man fragt sich unwillkürlich: was ist das Agens, das dazu treibt, die Wände
eines Aborts zu bekritzeln? Ein einheitliches Agens gibt es nicht. Der Motive
sind mehrere. Die bei einigen Forschern sich vorfindende Ansicht, es kämen hier
lediglich pathologische Motive in Betracht, ist in diesem Umfang schwerlich
haltbar. Die pathologischen Fälle, wo weitliegende Vorstufen von Koprolagnie in
Aktion treten, sind sehr vereinzelt und — vor allem I — nicht kontrollierbar.


Grundlagen der Skatologie.

1) Andere Handschrift. 2) Handschrift nicht angegeben.

Die Strophen einer skatologischen Inschriftsammlung lassen sich unschwer
in zwei Klassen teilen: in i) solche Strophen, die von Gebildeten stammen
und meistenteils einen Witz (oft einen guten I) darstellen, und 2) Strophen, die von
Leuten des einfaches Volkes ,,verfaßt" sind und — wie ich nachher zeigen
werde — fast ausnahmlos physiologische Substrate haben. Zur Fesstellung der
Motive ist diese Einteilung unentbehrlich. Und der Wichtigkeit dieser Klassifi-
zierung halber möchte ich es hier energisch betonen, daß es die unabweisbare
Pflicht jedes Erforschers der Skatologie ist, bei jeder einzelnen Strophe (neben
genauer Angabe der Art des betreffenden Abtritts) die Art der Schrift anzu-
merken. Nur so wird man zu wertvollen Resultaten gelangen. Bei meiner
Sammlung aus Halle a. S. ist dies Prinzip meist durchgeführt worden.

Betrachten wir die beiden großen Klassen näher. Was an skatologischen
Inschriften von Gebildeten herrührt und zumeist einen Witz, vergröberten Esprit,
darstellt, verdankt seinen Ursprung zwei Faktoren: der Langeweile und dem
Nachahmungtrieb. Langeweile und damit skatologische Neigungen treten natürlich
dort ein, wo als Papier keine Zeitungen hingelegt sind! Auf irgend eine Weise
muß man der tötlichen Langeweile entrinnen, die leeren Wände laden unwillkürlich
zum Beschreiben ein und — das Geistesextrement steht da. Die Behandlung
religiöser, konfessioneller, nationaler und sozialer Gegensätze ist hier
nicht selten. Ein paar typischer Beispiele dafür (durch die Handschrift sämtlich
Gebildete verratend):

1. Hier in dieser weichen Butter 3. Im Grab und dieser Halle*)

liegt begraben Dr. M.....Lu ... . sind alle Menschen gleich.

Doch1) greifst du etwas tiefer hinein: Im Grabe faulen alle

da liegt derP...., das dicke Schwein. und hier stinkt arm und reich.

(Zwickau. 1905. Hotel-Abort.) (Admont i. Steiermark. August 1906.

2. Hier sammeln Mann sowohl wie Frau Bahnhofabort. — Abgeschrieben von
Liebesgaben für den Ackerbau. E. K. Blümml.)

Drom dränge und drücke mit ganzer Ą WagM und 0nanie>

Kraft tschaft! wie lieben sich die!

Zum Wohle der notleidenden Landwirt- .

(Thorr, 1897. Abort eines Cafés.) <HalIe ** S" Umveratätsabort)

Auf letzterem werden von der Studentenschaft mit Vorliebe durch Inschriften
die bestehenden Gegensätze ausgefochten die christlichen und die schlagenden
Korporationen, die Farbentragenden und die Finken befehden sich hier aufs heftigste
— mit wenig akademischer Würde.)

*

і. Preuße: All wo ein Bayer scheißen tut, Bayer: Der, der dies geschrieben hat,
da gibts 'nen großen Haufen. ist gewiß aus Preußen.

Das kommt gewissen vom Fressen nur Denn wo es nichts zu fressen gibt,
und vom vielen Saufen! da gibts auch nichts zu scheißen!

(München. 1905. Abort und Art der Handschrift nicht festgestellt.) Von
diesem Vers — muß schon mehr „Lied" genannt werden — gibts zahlreiche
Variationen. Wörtlich mit obiger stimmt überein die aus Nordhausen. Am
vollständigsten behandelt unser Thema die aus O derb erg. An der Wand des
Bahnhof ab tritts war im Mai 1880 zu lesen:


Зі8

Grundlagen der Skatologie

2. Ein jeder, der hier scheißen will, 4. Wer Deutschlands Einheit sehen will,
muß sich ein wenig sputen, braucht gar nicht viel zu wandern,
denn die Bahn gewährt hiezu denn, wie man hier geschrieben sieht,
in Gnaden 5 Minuten. scheißt einer auf den andern.

Ein Norddeutscher. Ein Österreicher.

3. Der obiges geschrieben hat, 5. Ob Süd-, ob Nord-, ob Österr-Deutsch,
ist sicherlich aus Preußen, Ihr Deutschen müßt doch raufen,
den wo es nichts zu fressen gibt, drum scheiß ich euch als Streitobjekt
da gibts auch nichts zu scheißen. zur Teilung einen Haufen.

Ein Süddeutscher. Ein Ungar.

Anders liegen die Verhältnisse in der zweiten (größeren) Klasse, deren
Inschriften von einfachen Leuten aus dem Volk stammen. Sehr richtig sagt
K. Reiskel in seiner oben erwähnten Umfrage: „Die Luft der Latrinen muß für
viele Besucher etwas Inspiratorisches haben; denn sie bringt manchen der Besucher,
dem die Regeln der Dichtkunst wohl unbekannt sind, dazu, Verse zu schmieden
und an die Wand zu schreiben." Dies inspiratorische Moment ist zweifellos
vorhanden und bedarf nur einer zoologischen Erklärung. Meiner Ansicht nach
kommen hier zwei physiologische Tatsachen in Betracht, je nach welcher
Richtung hin sich die Aufmerksamkeit des Exkrementierenden konzen-
triert. Auch hier gibt wieder eine Durchsicht des gesammelten Materials Licht.
Wir sehen da, daß die Konzentrierung des Interesses in zwei Richtlinien erfolgt:
in der der Exkrementierung und der des Sexuellen. Bezüglich der ersteren
müssen wir zunächst (ohne uns der Überhebung schuldig zu machen!) feststellen,
daß auf der großen Stufenleiter der Entwicklung der Mann aus dem Volke eine
Stufe niedriger steht als wir; wir haben die Instinktwelt (leider!) längst verlassen
und sind Gehirn geworden; das Volk lebt im Instinkt und strebt dem Gehirn zu.
Dies zugegeben, fällt die Auffindung des physiologischen Substrats nicht schwer:
die Lust an Fäkaüen und Exkrementierung, wie sie sich inspiratorisch auf Unkul-
tivierte in skatologischen Inschriften äußert, ist weiter nichts als ein Residuum
aus der Tierzeit. Man braucht hier nur die Tatsache zum Vergleich heranzu-
ziehen, daß es eine wahre Wonne der Hunde ist, an Fäkalien der Straße zu
schnuppern, sie intensiv zu beriechen, um für Reiskels Wort des „Inspiratorischen
der Luft der Latrinen" eine ausreichende Erklärung zu haben. In uns allen steckt
ein Stück Tier, ein Stück entwicklunggeschichtlicher Vergangenheit; je mehr wir aber
Kultur, Gehirn, Intellekt werden, desto mehr wird es abgeschwächt. In dieser
Unterklasse (Interesse auf örtlichkeit und Aktus konzentriert) finden wir als Motiv
zunächst das Gefühl der Erleichterung. Eine Probe:

6. Wer nie mit Schweiß im Angesicht der kennt das Wonngefühl noch nicht,
dem Abtritt zugekeucht, wenn man ihn hat erreicht.

(Elberfeld. 1905. — Offenbar schwebten hier dunkle Erinnerungen an
Goethes „Wer nie sein Brot" vor.)

*

Ferner das Gefühl des Wohlbehagens. In Halle ist allgemein sprich-
wörtlich: „Ein guter Kaktus ist was Schönes." Auch hier eine Probe:

7. Gott gebe dir zu diesem Werke dazu des Spatzen Emsigkeit —
des Rosses Mut, des Bullen Stärke, von nun an bis in Ewigkeit!

(Halle a. S. 1904, Universitätabort.)


Grundlagen der Skatologie.

З19

Oder das Gefühl der Beeinträchtigung des Wohlbehagens:

8. O welch ein Plaisir:
noch nicht einmal Papier!

Das hätt ich früher wissen müssen,
ich hätte dann zuhaus geschissen!
(Elberfeld. 1907. Gasthof abort.)

9. Mein lieber Wirt, ich rate dir,
sorge für Klosettpapier t

Denn der Mensch in seiner Not
beschmiert die Wände sonst mit Kot.

Variation:
Denn der Mensch in seinen Nöten
greift sonst oft zu den Tapeten.

(Dennheritz i. Sa. 1906. Abort des
dortigen Gasthofs.)

10. Ich kann es nicht ermessen,

was der Schweinhund hat gefressen
Und das da stinket so
aus dem Popo.
(Weißenfels a. S.)

Solchen „Gefühlen" entspringen die in skatologischen Sammlungen überaus
reich vertretenen Mahnungen bezw. Drohungen bei Verunreinigung:

11. Ihr lieben Leute habt Verstand!
Scheiß t ins Loch und nicht auf n Rand !

(Kolberg. 1902.) — Eine andere
Fassung aus Elberfeld:
O Mensch bedenke doch,
hier ist ein großes Loch!
Gebrauche den Verstand

und scheiß nicht auf den Rand.

*

12. Wer hier will nach der Ordnung leben,
der scheiß ins Loch und nicht da-
neben!

(Binz auf Rügen. 1902. Bahnhof-
abort.)

13. Variante: Wer Freude hätt in seinem

Leben,

der scheiß ins Loch und nicht da-
neben !

(Halle a.S. 1903. Café International,

Abort. — Gemeingut des Volks.)

14. Wer das Sitzbrett bekackt,
dem wird der Arsch abgehackt.

(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)

15. Malerei ist fein und zierlich,
aber nicht an diesem Ort,

wo der Finger dient als Pinsel
und der Arsch als Farbentopf.

(Breslau. 1895. Abort der Artillerie-
kaserne.)

16. Lieber Freund, ich rate dir:
stehle kein Klosettpapier!
Du bist wie ein Kinderlein,
wenn du nimmst Papier mit heim.
Drum horche auf und merke dir:
für deinen Arsch genügt das gröbste

Sandpapier !

(Zwickau i. Sa. Abort des Polizei-
amts. 1904. — Dem Vers liegen Tat-
sächlichkeiten zu gründe.)

17. Wenn Ihnen etwas fehlt allhier
Sei 's auch nur weiches Druckpapier,
So bitte drücken Sie nur brav!
Sogleich besorgts der Telegraf.

(Elberfeld.)

18. Gar höflich wird gebeten —
Und dies gilt einem Jeden —
Daß für schmierserge Hände
Man nicht die Wand verwende!

Doch drückt ein Witz dich gar zu
sehr

Und ist er wert, bewahrt zu werden
So setz ihn, bitte, nicht hierher!
Bedenk', es gibt noch Schreibpapier
auf Erden.

(Elberfeld.)


320

Grundlagen der Skatologie.

Die zweite Unterklasse, wo sich das Interesse des Exkrementierenden auf das
Sexuelle konzentriert, ist ungeheuer groß. Die einfache, auf der Hand hegende
Erklärung dafür bietet die bekannte Tatsache, daß bei Exkrementierung häufig
Erektion des Penis eintritt (die Fäkalien drücken auf ihrem Wege auf den
Samenleiter). Das reiche Belegmaterial möge man unten nachlesen. Leider haben
wir so wenig Skatologisches aus Frauenabtritten. Mir ist die Erlangung einer
einzigen derartigen Inschrift gelungen, die den treuesten Ausdruck eines verliebten
„Verhältnisses" bildet:

19. Viktor von Stein

der macht's recht fein
und steckt ihn1) auch süß hinein.
(Halle a. S. 1903. Klause St. Lukas. Frauenabtritt.)

*

Nach dieser Darlegung der physiologischen Grundlagen aller Skatologie
möge das weitere Material der Sammlung in Gruppen, nach dem Inhalt sortiert,
folgen:

20. Daß ich hier gewesen,
kannst du selber lesen;
wie lange geblieben,
steht nicht geschrieben.

(Würzburg. 1905. Bahnhofabort.)

21. Mensch achte deinen Namen mehr
und schreib ihn nicht aufs Scheißhaus

her.

(Halle a. S. 1904. Männerabort des

22. Ein Nilpferd saß am Meeresstrand,
Wusch sich den Arsch mit Wüsten-
sand.

O möchte doch dein Herz so rein
Wie dieses Nilpferds Arschloch sein !

(Halle a. S. 1903/4, Auf mehreren
Abtritten. — Variante aus Elberfeld
1905: Nilesstrand — O mög dein Herz
so zart und rein ...)

*

Cafés Clause St. Lukas. U. H.2)

Der von K. Reiskel (Anthr. III. S. 246) angeführte Abortspruch (Jahr 1850):

23. Hier ist das hohe Hochgericht, Wer scheißen will, soll selber kommen,

Advokaten braucht man nicht, Advokaten werden nicht angenommen.

Liegt mir in vier, zum Teil klareren und ursprünglicheren Fassungen vor. Er ist in
Nordostdeutschland (Pommern und den beiden Provinzen Preußen) ziemlich all-
gemein bekannt.

24. Hier ist Appellationsgericht,

Wo jeder Arsch sein Urteil spricht.
Vertreter werden nicht angenommen,
Wer scheißen will muß selber
kommen.

(Thorn. 1906.)

25. Hier ist das Oberlandsgericht,

Wo jeder Arsch sein Urteil spricht,
Dukaten werden nicht angenommen,
Wo Scheiße nicht will von selber
kommen. Die Direktion.
(Halle. 1904. — Café International
Abort. Sehr kindliche Handschrift.)

26. Hierjst das Oberlandsgericht,

Wo nur der Arsch sein UrteU spricht.

(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)

27. Hier ist das Scheißgericht,

Wo jeder Köttel den Hals zerbricht.

(Elberfeld. 1905.)

Weitere Variationen aus Chemnitz i.S.

28. Hier ist das Ober-Appellationsgericht,
Wo jeder Arsch sein UrteU spricht I
Kein Advokat wird angenommen,
Wer scheißen wül muß selber

kommen.

1) Penem. 2) U. H. = Ungebildete Handschrift.


Grundlagen der Skatologie«

321

29. Hier ist das große Scheißgericht,
Wo jeder Köttel den Hals zerbricht!
Advokaten usw.

30. Hier befinden sich: Leber, Herz und

Lunge,

Arschloch, Votz und Zunge.

(Zwickau. 1906. Abort des Schützen-
hauses.)

31. In diesem Hotel

gibts warme Würste ohne Schell
(Schale).

(Binz a. Rügen. Bahnhofabort. U.H.)

32. Hier in dieser Halle,
wo kein Vogel singt,

läßt der Mensch was fallen,
was entsetzlich stinkt.

(Würzburg. 1905. Bahnhofabort.)

*

33. Was der Bäcker backt,
was der Fleischer hackt,
wird hier ganz exakt
wieder ausgekackt.

(Halle a. S. 1903. Auf mehreren
Abtritten. Auch in Pommern und im
Bergischen weit verbreitet.)

34. Ist die Musik so hoch gestiegen,
daß auf dem Abtritt Noten liegen,
das kann sich anders nicht beweisen:
der Arsch, der muß nach Noten

scheißen!

(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)

35. Wer eines Menschen Freude stört, —
der Mensch ist keine Freude Wert.
Ruhig und friedlich kneipe man hier,
der Hausknecht lauert vor der Tür.

(Linz a. D. 1905. Kasernenabtritt.)

36. Die Liebe und Diarrhoe,

die machen viele Schmerzen,
die Diarrhoe im Unterleib,
die Liebe, ach, im Herzen.

(In Halle a. S. 1904. Auf Abtritten
weit verbreilet, auch auf dem Univer-
sitätabtritt.)

37. Variante: Die Liebe und der Dünn-

schiß,

die machen beide Schmerzen.
Der Dünnschiß macht das Arschloch
wund,

Die Liebe nagt am Herzen.

(Elberfeld. 1905.)

*

38. Fünf Minuten wird geschißen,

wer länger scheißt, wird 'rausge-
schmissen.

(Aus Erfurter Abtritten. 1906. In
der völlig gleicher Passung auf dem
Bahnhofabort zu Ad mont i. d. Steier-
mark, gesammelt von E. K. Blüm ml.)

*

39. Scheiß, daß die Wände krachen!
Scheiß dem Teufel in den Rachen!
Scheiß dem N. N.1) ins Angesicht,
daß2) er vor Angst gleich pischt!

(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhof-
abort. Sehr kindliche Handschrift Die
ursprüngliche Fassung der vorstehenden
Strophe, die Allgemeingut des Volkes ist,
erhellt aus den folgenden beiden:)

40. Scheißt, daß alle Wände krachen 1
Scheißt dem Teufel in den Rachen!
Scheißt der Welt ins Angesicht, —
nur bescheißt den Abtritt nicht!

(Aus Erfurter Abtritten. 1906.)

41. Scheiß, daß die Felsen krachen!
Scheiß dem Teufel in seinen Rachen!
Scheiß dem Bauern ins Gesicht —
nur auf unsere Freundschaft nicht!

(Wien. 1850.)

42. Wer Ordnung liebt und Sitte,
erfülle mir die Bitte

und mache nach der Sitzung
zum Dank für die Benützung
hübsch den Deckel wieder zu.

(Elberfeld. 1905.)

43. Wer den Arsch wischt mit der Hand
Gehör'n dem Aas nicht Prügel?

1) 3 Fassungen waren durchgestrichen. 2) Zusatz von zweiter Hand

Kraust, Anthropophyteia. 21


322

Grundlagen der Skatologie.

Wozu hat man das „Vaterland"
Von Doktor juris Sigl?

(Nordhausen.)

44. Das größte Schwein auf Erden ist,
Wer den Arsch mit den Fingern

wischt.

(Nordhausen. Hotelabort.)

45. Wenn du willst scheißen mit Verstand,
so nimm den Kopf in deine Hand,
und krumme die Ellenbogen auf die

Knie,

dann kannst du scheißen wie noch nie І
(Chemnitz.)

46. Himmel, Arsch und Zwirn,

Der Mensch, der kann sich irr'n!

(Elberfeld.)

47. Auf der Bank da geht's nicht gut,
Weil es da so rumpeln tut

(Nordhausen.)

48. Wer hier zu seines Körpers Ruh'
Den Rest der Mahlzeit schendet,
Der mach auch hübsch die Klappe zu,
Wenn er sein Werk vollendet.

(Nordhausen.)

*

49. Nunnen, die seind selten frumb,
machen sich von Speck und Ziebeln
einen derben Burschenpiebel,
humpeln in dem Loch herumb.
Nunnen, die sein selten frumb.

(Einem Elberfelder Herrn mitgeteilt
von einem Lehrer am Niederrhein.
1905. Soll aus einem Nonnenkloster-
abort in Kaiserswoerth stammen.)

*

50. Welcher hübsche junge Mensch
läßt sich für і M. einen ablutschen
und sich in Arsch ficken?

(Halle a. S. Ostern 1905. Bahnhof-
abort.)

51. Ist das Mädchen noch so schön,
scheißen muß es gehn.

Trägt sie die Nase noch so hoch,
stinken tut es doch.

(Aus Erfurter Abtritter. 1906.)

52. Did you ever see Selly make water,
she has a terrible stream.

She piss's three miles and a quarter,
you could'nt see Selly for stream.

(Aus Hamburger Abtritten. 1906.)

53. Ein altes Weib wollt scheißen gehn,
der Abtritt war verschlossen.

Da sah sie eine Leiter stehn
und schieß nun durch die Sprossen.
(In Thorn allgemein verbreitet. 1906.)

54. О Votze, du unschuldig Lamm,
dich trennt vom Arsch ein kleiner

Damm.

Und wenn der kleine Damm tut reißen,
dann tut der Arsch die Votze be-
scheißen.

(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhof-
abort. U. H.)

55. O puella, quid fecistil
In saltando cecidisti,
monstravisti genera
ceteraque omnia.

(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofabort.
Geb. Handschr. — Diese Strophe ist
Gymnasiastenpoesie und in den Aborten
der Gymnasien ganz Deutschlands zu
lesen. Sie existierte z. B. 1892 in sehr
erweiterter Form in Neustettin in
Pommern.)

56. Dein Auge dumm und ehrlich
scheint gänzlich ungefährlich.

(Halle. 1904. Abort des Cafés Clause
St. Lukas. U. H.)

57. „An die Geliebte."

Es pißt der Hund auf 3 Beinen,
auf allen Vieren pißt die Kuh.
Es pißt ein Jeder mit dem Seinen.
In meinem Herzen — bist — nur Du !

(Chemnitz.)

58. Warum küßt du die Wangen

deiner Braut?
Küß doch aufs Arschloch, —
s'ist dieselbe HautI

( Wildenfels b. Zwickau. 1906. Abort.)


Grundlagen der Skatologie.

59. Vögeln, das war Gottes Wille!
Dazu schuf er uns die Nille.
Mädchen, warum wollt ihr nu noch

trotzen?

Wozu schuf er euch die Votzen?
( K o 1 b e r g. 1904. Bahnhof abort.)

60. Variation: Ficken, das ist Gottes

Wille.

Wer nicht fickt, hat keine Nille.
(Aus einem Erfurter Abort. 1906.)

61. Doo hime an dem Eck

doo wohnt der Schuster Beck!
Streckt den Arsch zum Fenster enaus
unn sagt, es war e Weck!
Kommt e Fraa gelaufe
will ihm den Weck abkaufe.
Streckt er'n wieder 'nei
und sagt: der Weck is mei!

(Mainz.)

62. Hier durch diese Brille

guckt Arschloch, Voz und Nille.

(Nimbsch i. Schlesien. 1894. Abort
eines Restaurants.)

63. Was ist der Mensch? Ein Erdenkloß,
gefärbt mit roter Tinte;

das Loch ist wie ein Taler groß

und vorne hängt die Flinte.

Und drunter hängt der Pulversack,

gefüllt mit zwei Patronen,

und hinten ist der Schießeplatz,

da donnern die Kanonen.

(Großwikau i. Schlesien. 1894. Mit
Blaustift in großen Schriftzügen. Auch
in Pommern weit verbreitet.)

64. Da kam der Vater mit dem Bambus-

rohr,

Und schlug die Mutter vors Pisskontor

(Elberfeld. Piss = menschlicher
Geschlechtteil.)

65. Pimpern, vögeln, ficken
tu ich nur die dicken.

(Halle a.S. 1904. Universitätabort.
Geb. H.)

66. Nach des Gesetzes Regeln
muß jeder junge Mann

als Jäger 3 mal täglich vögeln.

67. Pumpe, Votz und Eierfaden,
das sind der Dinge drei.
Stoßt ihn 'rein mit Jugendkraft,
bums geht das Ding entzwei.

(Aus einem Erfurter Abort. 1906.)

68. Ich bin lustig und vögle gern, [fern,
ich ficke die Mädchen von nah und
Ich liebe die Großen und die Kleinen,
die Häßlichen und die Feinen.
Zum Vögeln sind sie gut genug,
und zum Kinderkriegen — na, ich

bezahl sie nicht!

(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofabort.
Sehr kindliche Handschrift.)

69. Hier geht das Vögeln gut,
das muß ich sagen:

die Altsch* hat 'ne fett Kurt' (vulva)
und 'nen fetten Magen.

(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofabort.)

70. So sah die erste aus, die ich erblickte
und sogleich von vorne fickte-
Zuerst war sie spröde,

nachher gar nicht mehr blöde.
Sie sagte, hab ich nicht ein feines Loch ?
Darum fick doch noch!

(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhofaborf.
Sehr kindliche Handschrift; zum Bild
einer weiblichen Scham.)

71. Alle Mädchen sollen leben,

die das Hemd von selber heben
und den Schwanz mit eigner Hand
führen ins gelobte Land.

(Binz, Halle, Würzburg. 1903/5.
Die Würzburger Variante: Solche Mäd-
chen muß man lieben.)

73. Liebes Mädchen, laß dich ficken,
das ist dir ja sehr gesund.
Dann bekommst du dicke Titten
und ein Bauch wie Kugel rund.

(Binz auf Rügen. 1903. Bahnhof abort.
U. H.)

21*


324

Grundlagen der Skatologie.

Eine Variante :

73. Mädchen, laß dich vögeln,
denn das ist gesund,
du kriegst dann dicke Tittchen,
dein Arsch wird kugelrund.

(Weißenfels a. S.)

74. Vögeln, ach vögeln ist eine Lust,
unter die Arme, zwischen die Brust,
von hinten, von vorn, es ist egal,
wenn er nur steif bleibt jedesmal.

(Weißenfels a. S.)

75. Ficken, das ist schön,
drum möcht ich gleich ficken gehn.

(Halle a. S. Ostern 1905. Bahnhof -
abort. U. H.)

76. Die Zeit, wenn man verheiratet
ist muß man benutzen um
zu ficken.

(Halle a. S. Ostern 1905. Bahnhof-
abort. Kindl. Handschr.)

77. Vögeln soll man täglich
ein Stück Zucker geben.
Aber vögeln täglich stündlich,
das ist sündlich.

(Halle a.S. 1904. Bahnhof abort. U.H.)

Aus obigem erhellt zur Genüge die Wichtigkeit der Beobachtung von Bahn-
hofaborten. Wo die stärkste Benützung vorhanden, da gedeiht die Muse der
Latrine am üppigsten. — Des Weiteren sei hier nun einiger skatologischen
Spezialitäten gedacht, die mit obigem Material in durchgehende enger Beziehung
stehen. Als ein Beispiel skatologischer

Erzählungen

diene das folgende „Erzählchen", aus Zwickau i. S. 1906 stammend und weit ver-
breitet:

82. „Der Affe." Ein Affe, der in einer Restauration frei gehalten ward, hat
ein Spiritusfaß aufgedreht und deswegen vom Wirt fürchterliche Senge bezogen.
Heulend flüchtet er in die Brille (Abort). Die Frau des Wirts geht „schiffen"
(urinieren), setzt sich auf die Brille. Doch als Strahl kommt, kneift der Affe,
der da denkt, das Spiritusfaß laufe noch, von unten erschreckt die Möse zu.

Sehr verbreitet sind die skatologischen

Rätsel,

die in manchen Aborten geradezu grassieren. Hierzu drei Beispiele:

83. Wenn „sie" das erste sagt (Vic) So bist du das mittelste, (tor)

Und du nicht das dritte (ja) Das ganze ist der Name einer Herrscherin.

(Victoria.)

78. Fick mich tot, dann sterb ich seligL
Deck mein Grab mit Schwänzen zu.
Schreib darauf mit rotem König:
Hier ruht eine alte Sau.

(Elberfeld. 1905. — Übrigens nur
der Anfang eines Herrentischlieds.)

79. Marie, Marie, wat häw eck en doch
stieff

Hess en stief, haul en stief,
steck en in dat örgerlies (vielleicht:
Ärgernis?)

(Elberfeld. 1905.)

80. Kutte, süßes Loch!
Hätt ich meinen Dreier (Taler) noch!

(Elberfeld. 1905.)

81. Du ahnst es nicht,
wie tief er sticht

der Mutter ins Leibgericht (Uterus) Г

(Elberfeld. 1905. — Verhunzung
des bekannten Gassenhauers. Der dritte
Vers auch häufig: der Omnibus im
Schnee.)


Grundlagen der Skatologie.

З25

84. Was ist Geduld? — Einen toten Juden in 'n Arsch ficken, bis er schwitzt.

(Nimbsch i. Schles.)

85. Welche Ähnlichkeit zwischen Abort und Bankgeschäft? — Im Abort
krachts, dann fallen die Papiere; beim Bankgeschäft ists umgekehrt.

(Nimbsch i. Schles.
Oft werden solche „Rätsel" zu liedartigen Scherzen in die Länge gezogen,
wie das folgende aus Glauchau stammende Abortliedlein zeigt, das den „Unter-
schied zwischen Möschen und Vötzchen" darlegen will:

86. Was zwischen Hös'chen hervorlugt, Und was unter einem Unterrock

wie ein Röschen, hervorstinkt wie ein Ziegenbock,

und einläd zu 'nem Stößchen, gerade so zum Kotzen,

das ist ein Mös'chen. das ist eine Votzen!

An dieses schließen sich, für die spezielle Skatologie noch enger, die

Lieder

an, die sich teils mit den Fäkalien und der bezüglichen Tätigkeit befassen, teils
für die skatologische „Dichtung" bedeutungvoll geworden sind (denn nicht wenige
der einzelnen Abortverse stammen aus einem längeren Ganzen 1). Besonders
interessant in dieser Beziehung ist das „Lob des Scheißens". Dr. Friedrich S.
Krauss schreibt hierzu:

87. »Wer der Verfasser dieses Lobgedichtes und wann es entstanden ist,
weiß ich nicht, doch scheint es in den weitesten Kreisen sehr bekannt und beliebt
zu sein. Das geht schon daraus hervor, daß einzelne Zeilen und Strophen daraus
sehr häufig die Wände von Aborten in Nieder- und Oberösterreich verunzieren.
Nachfolgende Fassung ist vor etwa 20 Jahren in Wien-Ottakring vermerkt worden.
Sie steht in einer Sammlung, die erotische Gedichte von Klopstock, Blumauer,
Saphir, Castelli und Nestroy ziemlich wahllos vereinigt." — Das Lied lautet:

Scheißen ist mit nichten unanständig, Seht den Doktor auf dem Scheißhaus

alle sind wir ja zum Schiß gemacht, sitzen,

alles, was auf dieser Welt lebendig gravitätisch scheißt er seinen Dreck,

hat den Göttern einen Schiß gebracht oft muß er bei seinem Scheißen schwitzen

Um zu leben muß ein jeder scheißen, und der Unrat &eht nur mühsam we&-

Adler, Elefanten, Mäuse, Hahn, Hinter seiner Hütte scheißt der Bauer

alles muß bei seinem Scheißen greißen, freudenvoll sein hartes Bemmchen Mist;

wohl dem Wesen, welches scheißen kann. dort scheißt Fritzchen an derGartenmauer,

Jupiter scheißt unter Donnerblitzen, wahrend er sein Butterbrötchen isst.

den Olymp durchtönt des Dreckes Sturz, Schüchtern scheißt die Kuhmagd in

nichts kann ihn von seinem Abtritt dem Stalle,

schützen voller Angst, daß sie der Knecht belauscht,

und selbst Götter loben einen Furz. ihr entfährt derDreck mit dumpfem Knalle

Juno scheißt auf goldlackierten und vom heißen Duft wird Hans berauscht.

Stühlen, Enten scheißen nicht gar appetitlich,

die mit Roßhaar weich gepolstert sind, Gänse kacken auch nicht elegant,

trotz der Gottheit muß sie dennoch fühlen doch das Lamm legt seine Lorbeern

Dreck im Arsch, wie jedes Menschen- niedlich,

kind. der Aptheker nimmt sie in die Hand.


32б

Grundlagen der Skatologie.

Unter allen aufgeschiß'nen Drecken
ist der leckersten der Schnepfendreck,
man speist ihn geschmiert auf Butter-
wecken

und vereint mit frischem Schweinefett.

Schweine lieben sehr die Schweine-
schi ße,

wenn er frisch von seinem Arsche fällt,
Fliegen, Wespen, jederlei Geschmisse
liebt den Dreck als bestes auf der Welt.

Scheißen überhaupt ist Götterwonne,
grunzt ja selbst das Schwein vor lauter
Lust,

der Soldat scheißt in die Pulvertonne,
Wollusttöne hebts ihm aus der Brust.

Ja, die Bomben füllt er oft mit Drecke,
Mörser selbst verschont sein Arschloch
nicht,

und auch in der stillen Straßenecke
scheißt der Wächter beim Laternenlicht.

so

Ängstlich und verdrießlich ist man
immer,

wenn das Arschloch widerspänstig ist,
auf und ab spaziert man in dem Zimmer
und erpresst sich mühsam einen Furz.

Warum spricht man denn ach, gar
wenig

von des Scheißens wonnigem Genuß,
wer gut scheißt, ist glücklich wie ein
König,

arm der Mann, den man klystieren muß.

Freudvoll und beglückt ist jeder

Scheißer,
daß er frohen Mutes essen kann,
seinem Mund entströmt ein Dank, ein

heißer:

wohl dem Mann, der immer scheißen
kann!

Außer manchen anderen kommt hier auch ein Erfurter Herrentischlied, das
sog. „Puplied" in Betracht. Es lautet:

88. „Das Puplied". (Nur zu singen bei feuchtfröhlicher Laune und
geschlossenen Fenstern. Melodie: Bin kein Freund von Traurigkeit.)

Prost! Ihr lieben Pupkameraden,
freundlich seid Ihr eingeladen.
Ob Ihr sitzet oder geht,
Euch das Puploch offen steht.
Pup, pup, pup, pup, Heideritchen,
Ob Ihr sitzet oder geht,
Euch das Puploch offen steht.

Auch Offiziere pupen gerne,
sind sie mal in der Kaserne,
pupen tut der Grenadier,
seine Köchin sorgt dafür.
Pup etc.

Selbst, so'n Klosterbruder,
ist in Pupen auch ein Luder,
Hat er sein Gebet vollbracht,
pupt und furzt er, daß es kracht.
Pup etc.

Und die schöne Leonore
vor dem Rosentaler Tore

will sie morgens früh aufstehn,
läßt sie erst noch einen gehn.
Pup etc.

Pupen tun alle Kinder,
pupen tut ja auch der Schinder,
Puparsch1) ist sein Lieblingstrank,
pupt er nicht, so ist er krank.
Pup etc.

Auch die Köchin in der Küche,
sie verbreitet Wohlgerüche,
wenn sie Zwiebelsauce macht,
pupt sie gleich, daß alles kracht.
Pup etc.

Arbeitsmann in stiller Kammer,
7 Kinder, s'ist ein Jammer,
läßt der Vater einen streichen,
müßen Frau und Kinder weichen.
Pup etc.

i) Sachs. Ausdruck, mißratenes Getränk.


Grundlagen der Skatologie

З27

Pupen tun die Restaurateure,
pupen in die Ofenröhre,
pupen in den Apparat
und das Bier schmeckt delikat.

Pup etc

In Afrika, dem Land der Tropen,
pupen Affen, Antilopen.

Mit am interessantesten sind jene

Pupen tut auch König Bell,
scheußlich stinkt sein schwarzes Fell
Pup etc.

Zum Pupen hat im Sattelsitz
der Radler einen großen Schlitz.
Pupen tut er meistens auch,
pumpt er Luft in seinen Schlauch.
Pup etc.

Kinder-Abzählverse,

die man gar nicht häufig findet. Kindliche Naivetät übernimmt ahnunglos berüch-
tigte Abortverse, ohne deren Sinn zu ahnen. Häufig finden halbwüchsige Burschen
oder abgelebte Lüstlinge eine Pikanterie darin, derartige Dinge aus unschuldigem
Munde zu vernehmen und so lehren sie es auch. Ich habe nur drei solcher
„Abzählverse" ermitteln können, der erste ist mir aus Zwickau i. Sa., Leipzig und
Nimbsch i. Schlesien, der zweite aus letzterem Orte, der dritte (in charakteristischem
Dialekt) aus dem Erzgebirge bekannt:

89. Es war einmal ein Mann,
der hieß Pumpan,
Pumpan hieß er,

große Fürze ließ er.
Große Fürze könnt er lön, (lassen)
aus dem Arschloch Butter schlön.
(schlagen.)

90. Ficke, ficke, vögel!

Der Bauer nimmt den Schlegel,

der Bauer nimmt den Habersack,
haut den Großknecht auf den Sack.

91. One tone turz

der Teifel ließ en Furz.

Schiß er in die Hus'n,

könnt er nich mehr dus'n (?).

Stieg er aufn Baam,

könnt er nich mehr laam (leben).

Schließlich, und nicht zum wenigsten, bleibt nun der

Nachttopf-Verse

zu gedenken über, eines wichtigen, aber recht vernachläßigten Zweiges der Skato-
logie. Aus Wien stammen die folgenden:

92. Bescheiden steh ich unterm Bett,
bewahre dich vor großem G'frett.

93. Wie auf den Stuhl der Götter
setz du dich auf dieses Geschirr,
und laß den Sturm, das Donnerwetter
laut krachen unter dir.

94. Heiter ohne Sorgen
bombardiere alle Morgen.

95. Immer lustig, fesch und munter,
der am Scherm sitzt, geht net unter.

96. DasBächlein rauscht, der Donner rollt,
Was darin steckt, ist kein Gold.

97. Das geheimnisvolle Geschirr
überreich ich heute dir;
erfasse es mit rascher Hand
und füll es an bis an den Rand.

98. Nur außi mit die tiafn Tön*.

99. Ich bitte, machen Sie in die Mitte,
nicht auf den Rand,

das wäre a Schand.

100. HalloI wer dort?
Ich sitz' am Scherm
und kann nicht fort.


328

Grundlagen der Skatologie.

Anhang.

ioi. „Leben, Meinungen und Wirken der Witwe Wetti Himmlisch,

die ihre Laufbahn als Malermodell angefangen, langjährige Toillettefrau gewesen
und jetzt von ihren Zinsen zehrt. Von ihr selber eigenhändig niedergeschrieben."
Leipzig 1907. Deutsche Verlagsactiengesellschaft. Preis 2,— M.

Mein obiger Versuch bliebe unvollständig, würde ich hier nicht anhang-
weise eines kürzlich erschienenen Buches Erwähnung tun, das an Seltsamkeit
und Wert alle Memoirenwerke der Jahrzehnte hinter sich läßt. Wetti Himmlisch's
Niederschrift eröffnet ein völlig neues, in dieser psychologischen Wahrheit auch
vom Forscher noch unerschlossenes Gebiet. Was bedeutet unserem Gros der
Kulturmenschheit ein „Häuselweib"? Nichts. Es ist so verachtet wie ihr Gewerbe
und das Material, das das Bestehen solches Gewerbes ermöglicht. So ruft der
Durchschnittmensch, der doch sofort anderer Meinung wird, sowie er die Lektüre
hinter sich hat. Letztere beweist schon der enorme buchhändlerische Erfolg, den
die ehemalige Toiiettefrau erzielt hat. Ja, die Augen werden dir geöffnet, lieber
Leser; du tust einen Blick in ein Daseingebiet, an dem du bisher achtlos vorüber-
geschritten bist. Die Schwere allen Menschenschicksals, mit ihren zahllosen
Bitterkeiten und kleinen Freuden geht dir auf, dein Herz wird reicher, denn ein
Detail mehr ist sein eigen geworden I Und das Besitztum an Details entscheidet
über inneren Reichtum.

Für den Forscher, speziel den Skatalogen, bedeuten der Himmlisch' Me-
moiren natürlich weit mehr, denn sie berühren sein eigenstes Gebiet Freilich
rühren unsere Sammlungen nicht lediglich von Toilettewänden her, ich meine:
aus öffentlichen Aborten, sondern auch die Hotels liefern reiches Material. Aber
die öffentlichen „Häusel", in denen so eine Wetti sitzt, geben doch das Meiste.
Wenn man nun erfährt, daß eine solche — ohne Fingierung — tatsächlich ihre
Meinungen und Erfahrungen persönlich niedergeschrieben hat, so ist nur billig und
recht, daß jeder auf diesem Gebiet Forschende und Klärende genanntes Buch
kennen muß. In dieses sind eine ganze Menge bekannter, auch in dem vorste-
hendem Aufsatz wiedergegebener Abortverse eingestreut, freilich für die breite
Öffentlichkeit dezent gekürzt, doch unschwer ergänzbar. So z. B. auf Seite 38 :

„An X. X.
Du bist ein Dichter unter Dichtern

_ _ _ _ _ _et

Fehlt: „Wie der Arsch unter Gesichtern"). Weiterhin lese man die Verslein auf
den Seiten 36, 37, 39, 40, 47, 71 usw. Interessant ist, daß wir bei nicht wenigen
auch die Entstehunggeschichte solcher Versreihen erfahren. Die Memoiren gewinnen
dadurch einen biologischen Wert.

Jn aller Kürze nur, da es nicht zum vorliegenden Thema gehört, sei darauf
hingewiesen, daß des Häuselweibes Werk nicht nur ein Document humain bedeutet,
sondern auch einen sehr interessanten durch die Schicksale fesselnden Roman,
den jeder mit wachsendem Vergnügen genießen wird. Unseren Freunden aber
von der Folkloreforschung sei das Buch als unentbehrlich empfohlen.

Hugo E. Luedecke.


Sudslavische Volksuberlieferungen,
die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

(III. Fortsetzung.)

Gesammelt, verdeutscht und erläutert von Dr. Friedrich S. Krauss.

Vom Dreck.

Prije jeb an ja dao bih joj dva ovna,
poslije jebanja dva — govna.

Sprichwort in Norddalmatien. Mitgeteilt von

Dr. Alex. Mitrovic.

Vor dem vögeln gäbe ich ihr zwei Schafböcke,
nach dem Vögeln zwei — Drecke.

Vorbemerkung. In der Kulturgeschichte der Menschheit kommt dem Dreck
eine außerordentliche Bedeutung zu und jene Völker, die sie erkannt haben, stehen
kulturell so hoch, daß sie zur Hebung der Landwirtschaft Dreck (Guano) über-
seeisch beziehen und auch künstlich erzeugen. Egypter und Römer wußten ihn
bereits zu schätzen und anthropomorphisierten oder, was dasselbe ist, sprachen ihn
heilig. Die Verfasser der Bibliotheca scatologica leiten mit einem darauf bezüg-
lichen Exkurs ihr Bücherverzeichnis ein und wir wiederholen ihn mit der Bitte an
unsere Leser, uns für die weiteren Bände Ergänzungen beizusteuern.

Vile excrementum es stercus, sed inutile non es;
Tu nutrimento das alimenta meo.

J. Owenius.

Les anciens avaient fait plusieurs divinités du Stercus.

1. Stercus ou Stercès, père de Picus, inventeur de la méthode de fumer les
terres. (St. Aug. De civ. Dei, 1. 18. c. 15.)

2. Sterculius (Macrob., Satura, 1. 1, c. 7); Stercutius (Lactant, De fal. reb., 4),
Stercutus, Sterquilinus, Sterquiline, divinités qui présidaient aux engrais. Quelques
personnes croient que c'étaiet un surnom de Saturne comme inventeur de l'agri-
culture; d'autres y reconnaissent la terre alle-même. Pline dit que ce dieu était fils
du dieu Faune et petit-fils de Picus, roi des Latins. (Pline, 1. 17. c. 9, no. 40;
Pers., Sat. і, v. 3.)

On honore aussi Faunus avec les deux derniers surnoms (Pline, loc. cit).


330 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

570. Dreck eines Blinden.

a) Svaleru valja dati slepcevo govno, da zaćori za svalerkom. —
Angabe einer Bäuerin aus einem Dörfchen bei Kragujevac, Serbien.

Dem Liebhaber soll man eines Blinden Dreck eingeben, damit er
nach der Liebsten verblendet werde.

b) Mnoge prostije devojke veruju, da će je uzeti onaj na koga je
sama bacila oko, ako mu da te pojede vrh slepceva govneta. Toga
radi staraju se, da same lieno to uzmu i na raźne naćine ili uz kakvo
pice ili uz jelo daju budućem mużu da pojede. — Mitgeteilt von einem
Bauern aus einem Dörfchen bei Kragujevac, Serbien.

So manches gemeinere Mädchen glaubt, jener, auf den sie selber
ihr Auge wirft, werde sie zur Frau nehmen, wenn sie ihm die Spitze
des Drecks eines Blinden aufzuessen gibt. Deswegen bemühen sie
sich, dies selber persönlich aufzugreifen und geben es auf verschiedene
Art und Weise, entweder mit einem Getränke oder mit einer Speise
dem zukünftigen Ehegatten zum verzehren ein.

3. Dieu particulier qui présidait à la garde-robe. [Diva Cloacina, eine Gott-
heit, der man zu Ehren auch Medaillen prägte. Lactant. Inst. 1,20, § u; S. Cypr.,
Von d. id. c. 2, § 6; Min. Felix Oct., c. 25, § 8; Plin. Hist. nat. XIV. 29;
Livius III. 48.]

4. On trouve encore dans Arnobe un dieu Latrinus, duquel il dit: Quis
Latrinum praesidem latrinis? (Adv. gent. 1. 4.)

On sait que Tescarbot ou fonille-merde, qui nait dedans et qui s'en nourrit,
était pour les Egyptiens l'image du monde, du soleil, d'Iris, d'Osiris (Pline, 1. 30,
c. il, no. 15; Id. t. 2. no. 30).

Wohl darum, weil diese Gestalten dem niederen Volksglauben angehören,
gedenken ihrer die meisten Mythologien, so z. B. die von Preller mit keiner Silbe.

Ausführlich behandelt im Anschluß an den angeführten Auszug aus der
Bibl. scatologica Captain John G. Bourke die Dreckgötter (Scatologie rites of all
nations. A Dissertation upon the Employment of Excrementitious Remedial Agents
in Religion etc. Washington D. C 1891, Cap. XIX, p. 127—133): Excrement gods
of Romans and Egyptians. — The Assyrian Venus had offerings of Dung placed
upon her altars. — The mexican goddes Suchiquecal cats ordure. — Israelitich
dung gods. — Einen kurzen Auszug daraus bei Dr. Iwan Bloch, Beiträge zur
Aetiologie der Psychopathia sexualis, Dresden 1903. II. S. 234—236. — Man ver-
gleiche auch die sehr wichtigen und lehrreichen Auseinandersetzungen Havelock
Ellis' über skatologischen Symbolismus, die Urolagnie, Koprolagnie usw. in seinem
trefflichen Werke: Die krankhaften Geschlechtsempfindungen auf dissoziativer
Grundlage. Deutsch von Dr. Ernst Jentsch, Würzburg 1907. S. 155—181.
Stofflich fußt auch er hauptsächlich auf Bourke, dessen Werk ich ehebald unseren
Lesern deutsch vorlegen werde.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

571. Kako je snataa svekru za muśtuluk govno dala.

Krćio covjek u njivi. Imao je duge opanke. Navali mu srati
i on skala gaće i posere se. Kada je bio gotov obazdre se, da vidi
govno, ko śto je to u seljaka obićaj, ali govnu ni tragal On se pre-
pane, da mu je to prama glavi te kako je već vecer bila ode kuci
i sjede kod vatre, podboći se źalostan. Snaha ga upita: ,Sta je tebi,
babo?' — A on joj pripovjedi, kako je iśo srati pa mu se ućinilo, da
je i crijeva izasro a kada je pogledo,.ne ima govnu ni traga pa veli:
,Ta mi je prama glavi Iі

Kada je snaha stalą izuvati svekra nagje govno u opanku pa
zavice: ,Babo, meni muśtuluk, tebi govno I Evo ga u opanku I'

Erzählt von eiuem Bauernmädchen aus einem Dorfe am Mittellauf
der Bosna.

Wie eine Schnur ihrem Schwiegervater gegen Botenlohn

einen Dreck gegeben.

Es rodete ein Mann im Ackerfelde. Er trug lange Bundschuhe.
Es befiehl ihn ein Scheißdrang und er streifte die Leinenhosen herab
und kackte sich aus. Als er damit fertig war, schaute er sich um,
um seinen Dreck zu besehen, wie dies schon bei den Bauern Brauch
ist, vom Dreck jedoch keine Spur! Er entsetzte sich [im Glauben],
das wäre [ein Vorzeichen], daß es ihm an den Kopf gehe und wie
es schon Abend war, ging er heim und setzte sich ans Feuer. Betrübt
stemmte er seine Arme in die Hüfte. Die Schwiegertochter fragte
ihn: ,Was fehlt dir, Vater?' — Er aber erzählte ihr, wie er scheißen
gegangen und es habe ihm geschienen, daß er sogar die Gedärme
herausgeschissen, als er aber hingeschaut, da sei vom Dreck nicht
einmal eine Spur dagewesen, und er spricht: ,Dieser Fall weist gegen
meinen Kopf hin!4

Als die Schnur dem Schwiegervater die Fußbekleidung auszuziehen
anfing, fand sie den Dreck im Bundschuh vor und rief aus: ,Vater,
mir ein Botenlohn, dir ein Dreck! Hier ist er im Bundschuh!'

Anmerkung. Der primitive Mensch kommt infolge seiner Unwissenheit,
aus der sein Glaube sprießt, weniger dazu sich seines Daseins zu freuen als ein
gebildeter Mensch in der Kultur. Alles um ihn herum erscheint ihm beseelt und
ihm nur selten wohlgesinnt. Daher erblickt er in jedem ihm ungewohnten, neuen
Vorfall ein Anzeichen drohender Gefahren für sein Wohl und Wehe. In höheren
ausgebauten Religionformen verdichtet sich solcher Glaube zur Vorstellung von
Sünden, für die es Ablösungen gibt. So gewinnt der höher Gebildete für seinen
Wahn wenigstens die Hoffnung und dank priesterlicher Bereitwilligkeit zu Opfer-
entgegennahme auch eine Möglichkeit zur Entlastung seines bedrängten Gemütes,


2 Südslavische Volksüberlief erungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

während der Primitive seiner Verzweiflung unterliegt. — Die meisten Säugetiere
begucken oder beschnuppern ihren frischen Unflat, so auch der rückständige
Mensch. Viele primitive Völker errichten Aborte, nicht so sehr aus ästhetischen,
als aus religiösen Rücksichten, um das, was aus ihrem Leibe herauskommt, keinen
ungewissen Zufälligkeiten preiszugeben und um sich von Zeit zu Zeit vom Vor-
handensein der Ausscheidungen überzeugen zu können. Zum Überfluss lehnt sich
der Geruchsinn der Primitiven gegenüber ätzenden Gerüchen lange nicht so heftig
auf, wie der von Kulturmenschen und der Südländer und Polarländer sind un-
empfindlicher als die Bewohner mittlerer Breitegrade. — Einen Botenlohn, d. h.
ein Trinkgeld geben auch wir für eine frohe Botschaft, aber bei den Orientalen
verläßt sich der Bote nicht auf die Freigebigkeit des Nachrichtempfängers, sondern
behandelt vorsichtigerweise seinen Lohn vorher aus. — In den Worten der Söhnerin
steckt für den Serben noch ein besonderer Witz, den auch unser deutsche Land-
mann verständnisinnig nachzufühlen vermag.

572. Trażili blago.

Dva prijatelja idući kroz śumu ugledaju na jedan put plamen ne-
obićne plavkaste boje i po prićanju, koje su iz ranije joś sluśali, za-
kljuće, da će tu biti zakopano blago. Ali te noći nisu hteli niśta
preduzimati, dok se ne izveste, da li je doista takov plamen siguran
znak, da tu ima blaga i dok ne raspitaju, kako ga valja kopati.

Sutradan odu jednom coveku, za koj ega se u celom selu prićalo,
da je covek pun iskustva i da je mnogo po svetu putovao і svasta
vidio i ćuo ali koji je u ist o vreme bio źiv okaćenik. Każu mu, sta
su videli u śumi i zapitaju ga, śta to może biti.

— ,To su vam se pokazale pare!1 odgovori onaj covek

— ,Pa śta da radimo? Kako da ih iskopamo?'

— ,Bome. to je poteśka stvar. Valja dobro, da se drżite onoga,
Sto vam bu dem kazao!'

— ,Hoćemo, razume se, samo da nagjemo pare!'

— ,E, lepo. Otidite noćas oko pola noći, ponesite budak i motiku,
ali za celo vreme morate ćutati i ne smete ni jedne reći da progovo-
rite. Kad ugledate plamen, prigjite polako bliźe i tu ćete posigurno
naci kakvu kładu. Ako vam je sugjeno, da iskopate pare, onda će
na kladi biti kakav znak ili kakva crknuta tica ili miś ili guja iii ljucki
pogan. Sto bude bilo, morate zajedno pojesti i tek onda kopajte
i tada ćete izvesno naci pare!'

Ona dvojica tako i ućine. I kad su dośli u Sumu na ono isto
mesto, gde su prosie noći ugledali plamen, vide ga i ovoga vecera
i doista, kako im je onaj covek kazao, nagju kod plamena i kładu i na
kladi skoraśnje ljucke pogani.

Obraduju se veoma, jer je to po rećima onoga ćóveka bio znak,


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

da im je sugjeno, da iskopaju na tome mestu pare. Poćeśe se tutkati
znacima, jer govoriti nisu smeli, ko će prvi poćeti jesti. Najzad se
jedan reśi i poce. Bilo mu je gadno, ali valjalo je to ućiniti pa da
se dogje do para.

Kada je dośao do polovine, dade znak onome drugome, da pro-
duźi. Ali ovaj odmahnu rukom, kao da bi hteo reći: ,Produźi, kad
se već opoganio!7 Pośle duźeg razmiśljanja onaj produźi. Śta je znao,
da ćini? Pojeo je vise od polovine; sad da ostavi, ne će biti niśta od
para. Tako produii i pojede sam celu gomilu.

Poćeśe potom kopati, ali ih već i zora zateće u tome poslu a oni
ne iskopaśe ni krśene pare. Snuźdeni se vratise kućama i pośto se
ispavaSe odośe onome coveku i isprićaśe mu sve, Sta je bilo, dodav,
da su mu ućinili sve, śto im je kazao, ali da para nisu naŚli.

— fPa jeste li pojęli pogan po pola?'

— ,Nismo', reće jedan od njih, ,pojeo je onaj sam!ł

— ,E, pa da Borne, da niste mogli naci pare! Trebali ste svaki
ravno po polovinu da pojedete!1

Aus Serbien.

Die Schatzgräber.

Auf dem Weg durch den Wald erblickten zwei Freunde auf
einmal eine Flamme von ungewöhnlicher bläulicher Farbe und nach
Erzählungen, die sie schon früher vernommen, zogen sie den Schluß,
daß hier ein Schatz vergraben sein dürfte. Sie mochten jedoch in
dieser Nacht nichts unternehmen, ehe sie sich nicht vergewissert hätten,
ob wirklich eine solche Flamme ein zuverläßiges Zeichen sei, daß
allhier ein Schatz vorhanden sei und bevor sie nicht erfrügen, wie
man ihn auszugraben hätte.

Am anderen Tag begaben sie sich zu einem Manne, von dem im
ganzen Dorf der Ruf ging, er wäre ein Mensch voller Erfahrung und
daß er viel in der Welt umhergewandert sei und allerlei gesehen und
gehört habe, doch der war zu gleicher Zeit mit allen Salben, nur mit
keiner guten geschmiert. Sie berichten ihm, was sie im Walde gesehen
und befragen ihn, was das wohl sein könnte.

— Da ist euch ein Geld erschienen! antwortete jener Mann.

— Und was sollen wir tun? Wie sollen wir es ausgraben?

— Gott helf mir, das ist eine ziemlich schwierige Sache. Ihr müßt
euch genau an das halten, was ich euch sagen werde!

— Das wollen wir, versteht sich, wenn wir nur das Geld finden!

— Ei, schön. Verfugt euch heute nachts um Mitternacht dahin,


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

nehmt eine Rodehacke und eine Haue mit, doch während der ganzen
Zeit müßt ihr schweigen und ihr dürft auch nicht ein einziges Wort
sprechen. Wenn ihr die Flamme erschaut, nähert euch ihr langsam
und ihr werdet daselbst so gut wie gewiß irgend einen umgestürzten
Baumstamm vorfinden. Wenn es euch vom Schicksal beschieden ist,
das Geld zu heben, so wird sich auf dem Stamm irgend ein Zeichen
vorfinden, entweder irgend ein krepierter Vogel oder eine Maus oder
eine Giftnatter oder ein menschlicher Unflat. Was es immer sein mag,
müßt ihr es gemeinsam aufessen und dann erst grabt darauf los und
sodann werdet ihr gewißlich die Münzen entdeckenl

Also taten denn auch die Zwei, Und als sie in den Wald an jene
selbe Stelle kamen, wo sie in der vergangenen Nacht die Flamme
erblickt, erschauten sie sie auch an diesem Abend und wahrhaftig, so
wie es ihnen jener Mann gesagt, fanden sie bei der Flamme auch den
umgestürzten Stamm und auf dem Stamm frischen Menschenkot vor.

Darob waren tie höchlich erfreut, denn das war nach den Worten
jenes Mannes das Zeichen, daß es ihnen vom Schicksal beschieden
sei, an dieser Stelle die Münzen auszugraben. Sie begannen einander
mit stummen Geberden anzueifern, denn reden durften sie ja nicht,
wer der erste zu essen anfangen solle. Schließlich entschloß sich der
eine und machte damit den Anfang. Es war ihm ekelhaft, doch mußte
dies geschehen, damit man zu dem Geld gelangen könne.

Als er bis zur Hälfte kam, gab er jenem anderen ein Zeichen,
fortzusetzen. Dieser jedoch winkte mit der Hand ab, als ob er sagen
wollte: ,Fahr nur weiter fort, nachdem du dich mal schon verunflätigt
hast!' — Nach längerem Nachdenken setzte jener [das Mahl] fort.
Was wußte er denn sonst zu tun? Mehr als die Hälfte hatte er bereits
verzehrt; läßt er jetzt die Sache stehen, so wird aus dem Gelde nichts
werden. Also setzte er fort und aß allein den ganzen Haufen auf.

Hernach begannen sie zu graben, doch schon überraschte sie
auch das Morgenrot bei diesem Geschäfte, während sie nicht einmal
einen entzweigebrochenen Pfifferling ausgegraben. Betrübten Gemütes
kehrten sie zu ihren Häusern heim und nachdem sie sich ausgeschlafen,
begaben sie sich zu jenem Manne und erzählten ihm haarklein alles,
was sich zugetragen mit dem Hinzufugen, sie hätten alles getan, was
er ihnen angeraten, Geld jedoch hätten sie keines entdeckt

— Und habt ihr den Unflat zu gleichen Hälften aufgegessen?

— Das taten wir nicht, sagte einer von ihnen, aufgegessen hat
ihn jener allein!


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

— Ei, nun, so Gott mir helfe, da habt ihr natürlich die Münzen
nicht finden können. Ihr hättet müßen jeder gerade die Halbscheit
aufessen I

Anmerkung. Das Dreckessen ist in diesem Falle ein Sühn-oder Ablösung-
opfer von sehr abgeschwächter Art. Der Ratgeber machte sich aus den zwei
Schatzgräbern einen nach bäuerlichen Begriffen ausgezeichnet gelungenen Jux. Sonst
heischt der Volksglaube blutige Menschen- oder Tieropfer. Vgl. Krauss:
Menschenopfer in Serbien, Am Ur-Quell, VI. S. 137—140.

573. Dreck als Heilmittel.

1. Govno covecje se upotrebljava kao lek protivu nicine, ćirića
i priSta (zalca), kad se isto prosto metne na ranu (boljku).

— Menschendreck gebraucht man als Heilmittel gegen Beulen,
Geschwüre und Pusteln, indem man ihn einfach auf die Wunde auflegt.

2. Prvo govno, koje malo dete isere posle porogjaja, treba uzeti
i namazati detetu (istom) obrve і brkove (ako je muśko) pa će posle
biti lepo.

Den ersten Dreck, den ein kleines Kind nach der Geburt aus-
kackt, muß man nehmen und damit dem Kinde [demselben] die Augen-
brauen und die Oberlippe [falls es ein Knäblein ist] bestreichen und
es wird schön werden.

3. Da bi źena općinila muza te da ne bi video i znao, Sta ona radi,
daje mu kradom da okusi od slepcevog govna.

Will ein Weib ihren Ehegatten mit Zauber so verblenden, auf
daß er nicht sehe und wisse, was sie treibe, so gibt sie ihm ver-
stohlenerweise vom Dreck eines Blinden zu verkosten.

Diese drei Vorschriften aus Levac in Serbien, üblich sind sie aber
weit und breit unter den Südslaven.

4. Zur Vertreibung von Leberflecken und Runzeln im Gesichte
und auch zur Erzeugung eines reinen, hellen Teintes pflegen die
Chrowotinnen allgemein vor dem Schlafengehen ihr Gesicht mit Lappen
zu belegen, zwischen die sie frischen Menschenkot gegeben. Ein Mädchen
klagte mir einmal ihre Not, sie vertrüge nachts den Gestank nicht
und es befielen sie davon Üblichkeiten. Ich riet ihr, sich grüne Kohl-
blätter aufzulegen, vor Sonnenaufgang eine Stunde weit auf die Wiesen
zu gehen und sich mit Tau zu waschen und dann zum Frühstück
eine Maß voll Milch zu trinken. Das erlöste sie von Verdauung-
beschwerden und nach einigen Wochen verloren sich die Pusteln und
Flecken in ihrem Gesichte.


2 2Ö Südslavische VolksüberUef erungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

574. Dreck als Wundenpflaster.
Viastito govno valja metnuti na nogu ili na ruku, kad se na-
gnoji pa će proći. — Von einem bäuerlichen Zimmermann in Poiega,
Slavonien.

Es ist gut, den eigenen Dreck auf den Fuß oder die Hand auf-
zulegen, wenn [die Wunde] voll Eiter ist und sie wird vergehen.

575. Harn als Heil- und Zaubermittel.

1. Ćetrdeset jutara daju po negde da pije detinju piSaću bolesniku,
koji boluje od suhe bolesti (jektike), verujuci, da će posle upotrebe
tog leka bolesnik ozdraviti.

2. Da ne bi naiśla kakva bolest na decu po negde ih majkę mazu
s veceri po licu s piśaćom.

3. Ne valja se piśati u vodu, jer je to grehota a hoće i majka
da umre.

4. Ne valja se piśati na put, jer će dim s vatre da ide na tebe,

5. Ne valja se mahati ugarkom sa iivim ugljenom, jer ćeS da se
upiśaś u posteljl

Alle diese Angaben von mehreren in Levac in Serbien, doch auch
sonst allgemein.

1. Vierzig Morgen hindurch gibt man an manchen Orten Kinder-
harn dem Kranken ein, der an der Auszehrung leidet, im Glauben,
der Kranke werde nach Gebrauch dieses Heilmittels genesen.

2. Damit nicht irgend eine Krankheit die Kinder befalle, wischen
die Mütter an manchen Orten abendlich die Kinder mit Harn ein.

3. Es ist nicht gut, ins Wasser zu harnen, denn das ist eine Sünde,
es würde aber auch die Mutter davon sterben.

Anmerkung. Das Volk schöpft Trinkwasser meist aus offenen Gerinnen
und Brunnen, deren Verunreinigung hintanzuhalten ist. Wirksamer als ein Polizei-
verbot erweist sich die Aufrechthaltung des vermeldeten Glaubens.

4. Es ist nicht gut, auf den Weg zu harnen, weil sonst der Rauch
vom Feuer auf dich hinziehen wird.

Anmerkung. „Die Vila vom grünen Felsen" erteilte dem Volke ähnliche
Vorschriften (Krauss: Volksglaube und religiöser Brauch der Südslaven, Münster
1890, S. 83 f.): ti ne seri gje te svijet glegje, kack nicht, wo dich die Leute sehen;
— ti s ne mokri kada putem igjeś, jer ćeś sebi gaće pomokriti, piß nicht, wann
du auf dem Wege einherschreitest, denn du wirst dir die Hosen benässen; —
putem iduć preda se ne piśaj, auf dem Weg einherschreitend, piß nicht vor dich
hin; ne pogani se kud svijet prolazi, verricht deine Notdurft nicht dort, wo Leute
vorübergehen usw. usw.

5. Man darf keinen Brandscheit mit glühender Kohle daran schwingen,
weil du dich sonst im Bett bepißt.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Anmerkung. Seit dem Aufkommen der Zündchölzchen verwehrt man
kleinen Kindern mit der gleichen Begründung das Spielen damit.

6. Wenn man vom Feuer träumt, bepißt man sich ins Bett

576. Pećene govno.

Bio ćoek dobar żeni, mlad se ożenio. Śto mu god żena każe, on
ju posluśa, Jednoć izagju sve żene iz sela pa se spominju, kako koja
oprela, kako koja otkala i kako koja Zivi i kakoj kojoj ćoek dobar.
A ta se ista żena javi: ,Meni je moj ćoek dobar. Tri godine nije mi
niśta kazo, śto mu każem, posluśa me/ — A druga će kazat: ,1 meni
ćoek dobar bio, dok sam bila mlada. Deder se ti razboli pa ćeś vidit,
kako će ti bit u bolestil'

Ode ćoek u drva te dogje u vece iz drva a żena glavu zavezala
maramom a samulira: ,Joj, dragi ćoek, ja ću umrijetil' — A on gladan
nju dvori citavu noć. Pita nju oće 1 ić vracu ili po doktura ili po
babicu. ,Ne idi nikuda, dok ja ne sanjam!'

Kad u jutru svanulo każe ona: ,Izvedi me napoljel' — Iznese on
napolje te se ona posere za kucu i on je opet odnese u kucu natrag.
,Fala Bogu, saće ti bit lakśel* veli on a ona każe: Ja sam sanjala, o
śto ću ozdravit Moj mili ćoek, da ti ispećeś ono moje govno a ja
ću bit odma zdraval' — A taj ćoek jedva to doćeka te on uzme
räjliku i nalożi veliku vatru i mast ucvrce і ide on po njezino govno
i ispeće ga punu räjliku, i kad je peko zaćepio je nos і vavijek se Bogu
molio, da bi Bog dao, da mu żena ozdravi. A ona se smije, da on
ne vidi. Kad je ispeka i donio k njoj i vavijek se smija: ,Vala Bogu,
saće mi żena ozdravit!* A ona zdrava zdravcata i bila. Kad je donio
ona njega pita: Joj, moj ćoek, jesi 1 solio?' — ,Bome, żeno, ja ne znaml'
,A kako si mogo peći a ne znaS je 1 siano?1 Svako kuvanje ja pro-
bam, je li siano. Probaj i ti, je li siano/ — A kad je on próbo, pljune:
,Ko bi to jiol* — Joj I' veli ona, ,da ja jedem bolesna, kad a ti ne
możeś zdrav!' — Erzählt von einem Taglöhner aus einem Dörfchen
bei Gospić in der Lika.

Der ausgebackene Dreck.

Ein Mann war seinem Weibe gar gut, jung hat er sich beweibt
Was immer das Weib von ihm heischt, er tut ihr den Willen. Einmal
gingen alle Weiber vors Dorf hinaus und plauderten, die eine, wie sie
ihr Gespunst, die andere, wie sie die Leinwand aufgearbeitet und wie
die eine und die andere lebt und wie der und jener der Mann ge-
wogen ist. Auch dieses selbe Weib meldete sich zu Wort: ,Mir ist

Krauss, Anthropophyteîa. IV. 22


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

mein Mann gar gut Während dreier Jahre sagte er mir kein unbe-
schaffen Wort, was ich ihm heiße, erfüllt er.4 — Eine andere aber
bemerkte dazu: ,Auch mir war einst mein Mann wohlgeneigt, solang
ich jung war. Geh, erkrank du nur mal und du wirst schon sehen,
wie er dir während deiner Krankheit sein wird I'

Der Mann ging ins Holz und kehrte abends aus dem Holz heim,
sein Weib aber hatte den Kopf mit einem Tüchel verbunden und
simulierte: ,Wehe, mein teuerster Mann, ich werde sterben!' — Er
aber hungrig, wie er war, wartete ihrer die ganze Nacht Er fragt
sie, ob er zu einem Heilkräuter (Besprecher) oder um den Doktor
oder um die Hebeamme gehen soll. ,Geh nirgends hin, bis ich nicht
geträumt habe I'

Als es am Morgen tagte, da sagte sie: ,Führ mich hinaus I' —
Er trug sie hinaus und sie beschieß sich hinterm Hause und er trug
sie wieder zurück ins Haus hinein. ,Gott sei es gedankt, jetzt wird
dir leichter sein!' spricht er, sie aber sagt: ,Ich habe geträumt, woran
ich genesen werde. Mein liebster Mann, wenn du jenen meinen Dreck
ausbäckst, so werde ich sogleich gesundenl' — Dies erlösende Wort
hat der Mann kaum erwartet und er ergriff ein Reindeichen und machte
ein großes Feuer an und das Schmalz brodelte auf und er holt ihren
Dreck und bäckt davon ein volles Reindeichen aus und während er
ihn buk, verstopfte er sich die Nase und betete dabei unablässig zu
Gott, Gott möge gewähren, daß ihm sein Weib wieder genesen soll.
Sie jedoch lacht sich die Haut voll an, so daß er es nicht merke.
Als er ihn ausgebacken und ihr hingebracht — und sie lachte immer-
fort — sagte er: ,Gott sei gedankt, jetzt wird mir das Weib genesen I'
Sie aber war sowieso kerngesund und wohlauf. Als er ihn hingebracht,
da fragte sie ihn: ,0 weh, mein Männchen, hast du ihn gesalzen?1
,Gott straf mich, Weib, ich weiß es nicht!' — Ja, wie hast du ihn
backen mögen, ohne zu wissen, ob er salzig ist!? Jedes Gericht ver-
suche ich, ob es salzig ist Versuch es auch du, ob es gesalzen ist?

— Als er aber probierte, spuckte er aus: ,Wer möchte das essen!'

— ,0 Weh/ spricht sie, ,da soll ich ihn krankerheit essen, wenn du

ihn als Gesunder nicht magst I'

Anmerkung. Zuerst denkt der Mann in seiner Bekümmernis, wie
natürlich, an den vra6, den Beschwörer, der gegen Beschreiung wirken könnte, an
zweiter Stelle an den geschulten Arzt und zuletzt an die Hebeamme. Diese
Frau ist freilich in keiner Hebeammenschule ausgebildet worden, sondern
nur eine Praktikerin im Dorfe geworden, doch auch die kennt allerlei Mittel und
ist eine geübte Masseuse. Die Simulantin ist aber noch klüger als der Gemahl,
sie verläßt sich auf eine Traumeingebung. Da der Mann weiß, daß Dreck als


Südslavische Volksüberliefeningen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Heilmittel Wunder wirken kann, so bereitet er ihn ohne Bedenken vorschrift-
gemäß her.

577. Covjecji kleger.

Magjari prave rakiju od govna. Kad koga potjera srat a on brże
bolje na lonac, priklopi lonac brzo, da onaj miris ne ode i istrese
govno u jednu kacu, koja je sa svih strana zatvorena. Kad se tako
skupi mnogo govana, namjeste kazań, istresu u nj govno pa onda peku
rakiju. Kazu, da je to fina raki ja i onaj, koji imade suśicu, da od
nje ozdravi. — Erzählt von einem Chrowoten aus dem Zagorje.

Menschlicher Kleger.

Die Magyaren erzeugen aus Dreck Branntwein. Wenn einen
Scheißdrang befällt, so eilt er so rasch als möglich auf den Topf hin,
deckt schnell den Topf zu, damit sich jener Duft nicht verliere und
schüttet den Dreck in einen Bottich aus, der von allen Seiten wohl
verschlossen ist. Kam auf diese Weise viel Dreck zusammen, setzt
man den Kessel auf, schüttet den Dreck hinein und brennt den
Branntwein. Man sagt, das wäre ein feiner Branntwein und jener, der
an der Auszehrung leide, genese von ihr.

Anmerkung. Davon hörte ich vielfach erzählen, bekam jedoch niemals
einen solchen Branntwein zu Gesicht. In Niederösterreich sagt man den galizischen
Polen nach, sie erzeugten aus Menschenkot Branntwein, den sie in den Handel
brächten. Dreck enthält aber keinen Alkohol und wenn schon möglicher-
weise irgendeiner einmal versucht haben sollte, aus diesem billigen Stoffe
ein Destillat zu gewinnen, so hat er sich bald von dessen Wertlosigkeit überzeugt.
Die Chrowoten sagen den Magyaren auch noch nach, sie stammten von Hunde-
köpfen (psoglavci) ab, vögelten ihre Weiber nur in den After und die Magyarinnen
brächten ihre Kinder zum After zur Welt. Das ist chrowotischer Volksglaube, der
nicht um ein Haar weniger wert ist als die von der kgl. Akademie zu Agram
gestiftete neue Religion der Serben und Chrowoten (Religija Srba і Hrvata),
von der allerdings die Serben vorläufig noch nichts wissen wollen.

578. Kako je covjek bio poboian.

Ono je ćoyjek bio poboźan pa sve molio krunice. Jednom ode
srati a moli krunicu. Vrag dogje k njemu i stane mu se rugati i go-
voriti: ,Eto ti tvoja pobożnost, sereś a Bogu se moliSI1 A onaj od-
govori: ,Śto na usta izlazi ono Bogu a śto na guzicu ono tebil' —
Onda vrag pobjegne. — Erzählt von einer Bäuerin aus der Gegend
von Żepće in Bosnien.

Von einem, der fromm gewesen.

Es war einmal ein frommer Mann, der betete unabläßig zum

Rosenkranz. Der Teufel kam zu ihm, begann ihn zu verhöhnen und

22*


O Südslaviscbe Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

zu ihm zu reden: ,So schaut dir deine Frömmigkeit aus, scheißt und
betest dabei zu GottIі — Jener aber antworte: ,Was zum Mund heraus-
kommt, das gehört Gott, was aber zum Arschloch, das fällt dir zu!'
— Hierauf lief der Teufel auf und davon.

Anmerkung. Die Volksmeinung geht dahin, daß die unerläßlichen und
unabweislichen leiblichen Verrichtungen mit Gott und dem Jenseits nichts zu
schaffen haben. Ausscheidungen fahren zum Teufel, d. h. sie sind zu nichts
weiter nutz. Der Teufel holt sich seinen Anteil und darum ist er gewöhnlich an
unreinen oder verunreinigten Orten zu finden. Man meidet die Kackplätze nicht
bloß um ihres Gestankes wegen, sondern auch, um dem Teufel auszuweichen.
Zur Abwehr sprechen fromme Menschen auch irgend eine der üblichen Gebet-
formeln, Frauen schlagen ein Kreuz. Im alten Irland bestand bei den Mönchen
die gleiche Übung. (Dr. Reeves, On the Culdees; Trans, of the R. Irish Aca-
demy, XXIV. Antiquities, Part. II. p. 209. — Zitiert nach Kryptadia, IV. S. 386.)
Now the privy-houses and the urine-houses, they are the abode of demons. Let
these houses be blessed by any one going thither, and let him bless himself when
he enters them, and it is not lawful to say any prayers in them, except Deus in
adjutorium to festin a. — Ständiges Rosenkranzbeten kann man im Süden
gewöhnlich bei gewerbmäßigen Wucherern, Kupplerinnen und sonst allen un-
ehrenwerten Personen beobachten, die mit ihrer Frömmigkeit den Einfältigen
die Augen auswischen wollen. Im allgemeinen sind aber die Südslaven so Christen
wie Moslimen, nur äußerlich Monotheisten unter dem Zwang des auf sie vom
Staat und der Geistlichkeit ausgeübten Druckes, wirklich nicht aus innerer Über-
zeugung. Daß der Islam und das Christentum die Südslaven glücklich gemacht
und sittlich gehoben habe, ist eine Behauptimg, auf die man sehr häufig in ihren
Büchern stößt, dagegen strengten sich sl ovenische und chrowotische Mythologien-
erzeuger an, nachzuweisen, daß die Slaven gerade infolge der Annahme des
Christentums von einer herrlich wundersam strahlenden Höhe der Gesittung herab-
gekommen wären.

579. Kako je vlah postao.

Iśao Bog sa svetim Petrom po svetu pa nagju na putu gomno od
mećke. Może li neśto od ovoga da bude? pitao ga sveti Petar. -
Może, odgovori Bog, pazi samo! — Udari Bog tojagom (Stapom) po
gomnetu і vikne: Skoleće, Romune! — I u taj ćas skoći vlah: Jaka
ma żopune, ku lula 'n gura, ku kaćula mare!

Kad ga tako Bog stvorio, naredi svetome Petru, da ga izmeri sa
Srbinom, da vidi, da 1 je ak Turi svetar Petar i Srbina і Vlaha na
terazije — teżi Srbin. Otsece on Srbinu kurac, zavuce vlahu u dupe
pa meri opet. Sad pak teżi vlah. Onda on otseće vlahu nos pa za-
vuce Srbinu u dupe, izmeri — barabar.

Kad i to bilo gotovo, pogledaju — vlah nema dupe. Sta će onda
da rade? Uzmu svrdao te vrti, vrti, provrte mu і dupe. — A zar ovo
iverje da ide u śtetu? pitao Boga sveti Petar. — Ne će, każe Bog,


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

prekrsti gal — I tako postane Cincarin. — Erzählt von einem Land-
mann in Vrazogrnac in Serbien.

Wie der Walache (Rumäne) entstanden ist.

Gott wanderte mit dem hl. Petrus über die Welt und sie stießen
auf dem Wege auf einen Bärendreck. ,Kann wohl etwas aus dem da
werden?1 fragte ihn der hl. Petrus. — ,Kann wohl', antwortete Gott,
,paß nur mal auf!' — Gott schlug mit dem Stab über den Dreck und
rief aus: ,Erheb dich, Rumäne!' — Und in diesem Augenblick sprang
der Walache auf: ,Da bin ich, Herr, mit der Tabakpfeife im Maul,
mit der große Pudelmütze!'

Nachdem ihn Gott also erschaffen, befahl er dem hl. Petrus, er
soll ihn mit dem Serben ausmessen, um zu sehen, ob er vollgewichtig
wäre. Steckte der hl. Petrus sowohl den Serben als auch den Wlachen
auf die Wagschalen, — der Serbe wiegt schwerer. Schnitt er dem
Serben den Zumpt ab, zog ihn dem Walachen ins Arschloch ein und
wägt wiederum. Jetzt aber wiegt der Walache schweren Hierauf hieb
er dem Walachen die Nase ab und zog sie dem Serben ins Arschloch
ein, wog sie ab, das Gleichgewicht ist hergestellt

Als auch dies fertig geworden, schauen sie nach, — fehlt nicht
dem Walachen das ArschlochI Was fangen sie alsdann an? Sie nehmen
einen Bohrer, und bohr und bohr drauf los, sie bohren ihm auch ein
Arschloch aus. — Ei, sollen denn diese Splitterabfälle aufs Verlust-
konto kommen? fragte der hl. Petrus Gott den Herrn. — Das sollen
sie nicht, sagt Gott, mach ein Kreuz darüber! — Und so entstand
der Zinzare.

Anmerkung. Infolge häufiger Völkerverschiebungen sind die Bewohner
des Timokbezirkes national und sprachlich sehr stark gemischt. Da gibt es ser-
bischer Altansiedler, Einwanderer aus Altserbien, die am Anfang des XVIII. Jahr-
hunderts eingewandert, dann Rumänen, Bulgaren, Zigeuner und da und dort auch
noch Angehörige anderer Völker. In diesem Gemisch ist ein fruchtbarer Boden
für den Völkerspott (blason populaire), was gar nicht auffällig ist, weil ja die
Serben ohnehin diese Art von Spott sehr lieben und die Bewohner eines Dorfes
den Bewohnern des anderen, auch wenn sie national verwandt sind, alles mögliche
in Sage und Lied nachsagen. Mit der oben angeführten Erzählung verspotten die
Serben die rumänischen Nachbarn, die fast ausschließlich in den gebirgigen
Gegenden ansäßig sind. Sie machten die Beobachtung, daß der Rumäne seinem
Aussehen, Auftreten und seiner Lebensweise nach etwas bärenhaftes an sich habe,
daß er sich von seiner großen Pelzmütze und seiner Tabakpfeife nicht zu trennen
vermag, daß er durchschnittlich eine kleine Plattnase besitzt, stark hervortretende
Backenknochen hat und breit gebaut in den Hüften ist. Die Entdeckung, daß
der Zinzare (oder Aromune) sprachlich zu den Rumänen gehört, machte auch der


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

serbische Bauer. Unter den Serben auf den Dörfern sind die Zinzaren, wie schon
oben erwähnt, Kleinkrämer, die sich auch mit Darlehengeschäften befassen. —
Der Witz ist nicht übel. Weil der Zinzare, um Geschäfte zu machen, jedem Kunden
ins Arschloch hineinkriecht, muß er wohl von den Abfällen entstanden sein, die
bei der Afterbohrung übrig geblieben.

580. Palio gjavolu svecu te mu i pomogao.

Covek jedan hteo da se obogati od jednom, sve sanjao o tom da
nagje gde zakopan ćup para. Svima je vec svecima po crkvi popalio
svece, ali mu nijedan ne dogje u snu, kako se on nadao i molio se —
niti mu kaza, gde blaga ima.

Kad je već bio gotovo s vu nadu izgubio u svece i smislio teśka
srca, da se batali corava posła, senu mu u glavu, da taj posao oko
blaga i nije svetih otaca i apostola, koji su i sami gladovali i samo

0 onom svetu radili, neko upravo onoga nepomenika, anatema ga bilo!
Video i njega u crkvi na ikoni svetog arhangela Mahaila, kako ga
ovaj metnuo pod nogę te i njemu upali pogolemu svecu i vécu nego pre
svecima i pomoli mu se, da mu dogje u snu te każe, gde ima blaga.

I gle, gjavo ga posluźa i dogje, bai onaj s ikonę, pljunu ti. Dogje

1 uze ga lepo za ruku i kao povede ga nekud. Vodio ga, vodio, dok
ne dogjośe u grdnu neku śumu, gustu, visoku. Dugo su joś tako iśli,
tako da se covek već pomeo i zaboravio put, na koji je dotlę sve
lepo motrio. Dogjośe i do jednog drveta, obicnog. Tu gjavo pokaza
rukom i reće: Eto, ovgje ima grdno blagoI Covek uze razgledati drvo,
da mu umotri kakav znak, po korne bi ga posle poznao pa kad vide
da mu je uzalud, zapita briżno anatemnjaka: A kako ću ja sutra po-
znati, kad nemam nikakvog znaka, ni noża pri sebi, da ga zareżem?
— A gjavo mu reće: Naseri se dobro pa to ti je znaki — I ne
stade ga.

Covek se obradova na to pa se napregne, koliko vec ne bi mogao
od radosti te naćini povecu gomilu. Kad se sutradan probudio, obeseli
se, setivsi se sna, ali se brże joś sneveseli, kad vide, da je gaće na-
punio i prepunio.

Tako mu je gjavo pomogaol

Erzählt von einem Lehrer aus Belgrad in Serbien.

Wie einer dem Teufel eine Kerze anzündete und wie der ihm

geholfen.

Wollte mal ein Mann auf einmal reich werden und träumte un-
ablässig davon, um irgendwo einen vergrabenen Topf mit Geld finden


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen. 343

zu können. Schon hatte er allen Heiligen zu Ehren in der Kirche

Kerzen brennen lassen, doch erschien ihm keiner im Traume, wie er
dies hoffte und worum er betete, — auch zeigte ihm keiner eine

Schatzfundstelle.

Als er bereits so gut wie alle Hoffnung auf die Heiligen verloren
und schweren Herzens mit sich einig geworden, vom faulen Geschäft
abzustehen, fahr ihm der Gedanke in den Kopf, die Schatzgräber-
angelegenheit wäre überhaupt nicht eine Sache der heiligen Väter
und der Apostel, die ja auch selber am Hungertuch nagten und sich
ausschließlich um jene Welt bemühten, vielmehr gerade jenes, nicht
gedacht soll seiner werden, das A na them auf ihn! Er schaute auch
ihn in der Kirche auf dem Bilde des heiligen Michaels, wie ihn der unter die
Füße gekriegt und also zündete er auch diesem eine recht ansehnliche
Kerze an und die war noch größer als die vordem den Heiligen
geweihte und er flehte ihn an, er möge ihm im Traume erscheinen
und ihm angeben, wo ein Schatz läge.

Und schau, der Satan folgte dem Rufe und erschien, just jener
vom Heiligenbilde, ich spucke dir vor ihm aus. Der erschien, ergriff
ihn artig an der Hand und führte ihn gleichsam irgendwohin weiter
weg. Er führte ihn und führte ihn, bis sie in irgendeinen greu-
lichen, dichten, hochstämmigen Wald hingelangten. Sie gingen noch
lange so einher, so daß der Mensch bereits irre ward und den Weg
vergaß, auf den er bis dahin so sorgsam geachtet. Sie trafen auch
bis zu einem Baume, einem ganz gewöhnlichen Baume ein. Hier wies
der Teufel mit der Hand hin und sprach: ,Wohlan, allda liegt ein
gewaltiger Schatz Ie — Der Mensch begann den Baum von allen Seiten
zu betrachten, um irgend ein Merkmal an ihm zu erspähen, an dem
er ihn späterhin erkennen würde, als er aber sah, daß sein Bemühen
vergeblich sei, fragte er bekümmert den Verfluchten: Ja, wie soll ich
ihn denn erkennen, wenn ich keinerlei Merkzeichen habe und auch
kein Messer bei mir, um ihn einzukerben? — Der Teufel aber sagte
zu ihm: Scheiß dich tüchtig aus und das diene dir als ZeichenI —
Und schon war er verschwunden.

Der Mann war darüber hoch erfreut und strengte sich tüchtig an,
wie sollte er es vor Freuden nicht gehörig können und machte einen
ziemlich großen Haufen. Als er am nächsten Tag erwachte, war er
frohen Sinnes, indem er sich seines Traumes besann, doch noch
schneller befiel ihn Betrübnis, als er merkte, daß er seine Leinenhosen
voll und übervoll angefüllt hatte.

Anmerkung. Die Schnurre ist alt und in ganz Europa allgemein im Volke


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

verbreitet. Bald betut sich der Mann auf sein neben ihm ruhendes Weib, bald
auf seinen Genossen, wie in der elsässischen Fassung, vgl. oben S. 72—75, N0. 15.
Die Einkleidung gibt aber richtig den serbischen Volksglauben an die Wahrheit
der Träume wieder. — Pljunu ti, ich spucke dir aus, da ne bude uroka (damit
kerne Beschreiung erfolge; angesichts eines Kindes z. B.), wenn man aber den
Satan meint und ausspuckt, fügt man gewöhnlich noch hinzu: Іібі on, suncem
se mjerio!

581. Prića, kako je onąj vragu svijecu zapalio.

Ono je, vele, dośo jedan ćoyjek u pravoslavnu crkvu, vele, da je
bio turcin, pa je vidio, gdje pred svakim svecem voscana svijeca gori.
On zagje od slike do slike i zapita klesara, podvornika crkve: ,Koji
je ovo svetaca, koji je ono?' і sve redom dok dogje do jedne slike,
pred kojom nikakova svijeca nije gorila. Zaćudi se i upita: ,Koji je
ovo svetaca, śto mu nikakova svijeca ne gori?!' — A oni mu reće:
/То je slika vrazija!' — On ode, uzme svijecu i pred vraiijom slikom
zapali i reće onome: ,Kad vragu niko ne će svijece da zapali, beli ću
mu je ja zapaliti pa nek bude śto će bitiIі i ode.

U vecer toga dana dogje on u kahvu, zadrema i zaspę. Kahva
je puna ljudi. On usne, dośo vrag k njemu i reće mu: ,Ti si me ni
danas zapalio svijecu, ajde ti sa mnom i ja ću tebi kazati, gdje ćeś
mnogo novaca naci!' — On pogje sa njim i vrag ga izvede na jedno
polje i reće: ,Evo vidi, ode su novci zakopani. Dogji sutra, ponesi
trnokop, mało zakopaj, naćeś pun kazań novacal' — On ga zapita:
Kako ću ja pogoditi na ovo mjesto?' a vrag mu reće: ,Lahko. Poseri
se tute pa ćeś sjutra lahko naci!' — On se stanę natezati, dok puknę,
posere se u gaće, po kahvi zasmrdi. Ljudi skoće. Onaj oźeżi ćibukom,
onaj sakom, onaj odvezi sile i zavicu: ,Polja, jebo ti Sarov mater! Zar
si ode dośo sratil' — On skoći iz sna і zavice: ,Stante ljudi, ako Boga
znate! Naśo sam pare!' — Poslje im je sve pripoyjedio, kako je vragu
svijecu palio. — Erzählt von einem Bauern in Bistrica bei Źepće in
Bosnien.

Erzählung, wie jener dem Teufel eine Kerze angezündet.

Kam mal, so erzählen sie, ein Mann in die Altgläubigenkirche, sie
sagen, es wäre ein Moslim gewesen, und der sah, daß vor jedem
Heiligen eine Wachskerze brenne. Er ging von Bild zu Bild und
fragte den Küster, den Kirchendiener: ,Wer ist dieser von den Heiligen,
wer jener?' und so der Reihe nach, bis er zu einem Bilde kam, vor
dem gar keine Kerze brannte. Er verwunderte sich darüber und fragte:
,Wer ist der unter den Heiligen, dem zu Ehren gar keine Kerze


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

brennt?!' — Und jener sagte zu ihm: ,Das ist des Teufels Bildnis!1
Der ging hin, nahm eine Kerze und entzündete sie vor dem Teufel-
bilde und sprach zu jenem: ,Wenn dem Teufel niemand eine Kerze
anzünden mag, wahrhaftig, so werde ich ihm zu Ehren eine anzünden
und da mag kommen, was immer!1 und damit entfernte er sich.

Am Abend dieses Tages kam er in die Kaffeeschenke, schlummerte
und schlief ein. Die Kaffeeschenke ist voll Leute. Ihm träumte, der
Teufel komme zu ihm und spreche ihn an: ,Du hast mir zu Ehren
heute eine Kerze angesteckt, so komm denn mit mir und ich werde
dir angeben, wo du viel Geld finden wirst!' — Er folgte ihm und der
Teufel führte ihn in ein Gefilde hinaus und sprach: ,Da schau, hier
sind Gelder vergraben. Komm morgen, bring eine Rodehacke mit
her, grab ein wenig nach, du wirst einen vollen Kessel Kupfer Geldes
finden!' — Er fragte ihn: ,Wie werde ich auf diese Stelle hertreffen?'
und der Teufel sagte zu ihm: ,Leicht. Scheiß dich da aus und du wirst sie
morgen leicht wiederfinden! — Er begann sich anzustrengen, bis er
herausplatzte, er beschiß sich in die Unterhosen, in der Kaffeeschenke
verbreitete sich ein Gestank. Die Leute springen auf. Der eine brennt
ihm einen mit dem Ćybuk auf, der wieder versetzt ihm einen Faust-
schlag, der andere reißt ihm eine Watschen herunter und sie schreien:
,Hinaus, der fleckige Hund soll dir die Mutter vögeln! Was, bist du
hierhergekommen, um zu scheißen?' — Er sprang aus dem Traum auf
und schrie auf: ,Haltet an, Leute, so Ihr von Gott wißt! Ich habe
einen Schatz gefunden!' — Späterhin erzählte er ihnen alles, wie er
dem Teufel zu Ehren eine Kerze angezündet.

582. Der Dreckhaufen.

I. Chrowotische Einbrecher und Diebe pflegen am Orte der Tat,
zumeist auf dem Tische oder sonst an einer auffalligen Stelle ihre
Notdurft zu verrichten, weil sie glauben, daß der Dreckhaufe die
Eigenschaft besitze, ihre Spur den Verfolgern zu verwischen. Es liegt
mir kein Beleg vor, daß serbische oder bulgarische Freunde fremder
Habe diesen Glauben auch hegen, es scheint mir aber das Gegenteil
der Fall zu sein, was ich aus folgender Begebenheit schließen möchte.

Einmal um das Jahr 1895 brach ein Chrowote bei einem aus
Bosnien eingewanderten serbischen Bauern ein, der sich in Gornji
Vrhovci bei Poiega in Slavonien angesiedelt hatte. Die ganze Familie
des Serben war zu Besuch bei einem Freunde, der das Sippenfest
(krsno ime) feierte und das Haus blieb ohne jede Bewachung. Als
die Leute am anderen Tag heimkamen, fanden die Frauen ihre Truhen


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

ausgeräumt und man erblickte auf dem Tische einen riesigen Dreck
häufen. Über diese ihnen zugefügte Schmach waren die Serben be-
sonders aufgebracht, doch chrowotische Nachbarn redeten ihnen die
Sache aus mit der Erklärung, Diebe pflegten überall solche Denkmäler
ihrer Aufmerksamkeit zu hinterlassen. Das machte den Hausvorstand
stutzig und er untersuchte genau den Dreck. Darin entdeckte er eine
Menge Kirschenkerne. Es war noch im Frühsommer als reife Kirschen
selten waren. Dieser Umstand brachte ihn auf den Gedanken, nach-
zuforschen, wo man schon reife Kirschen fände. Er begab sich nach
Poźega und traf dort einen Chrowoten aus Komu&na an, der auf dem
Hauptplatze als einziger schöne, rote Kirschen feilhielt. Dem kaufte
er Kirschen ab und überzeugte sich, daß die im Dreck vorgefundenen
Kirschenkerne die gleiche Größe haben. Der Verkäufer selber war
zwar nicht der Einbrecher, doch stellte es sich heraus, daß es dessen
Gevatter gewesen, der nach chrowotischem Bauerngebrauch auch die
Kerne gierig mit verschluckt hatte. Jener Bauer allein hatte dazumal
in der ganzen Umgegend die ersten reifen Kirschen in seinem Garten. Der
überwiesene Dieb gab die gestohlenen Sachen gutwillig heraus, weil
ihn der Serbe sonst ermordet hätte. Die Angelegenheit glich sich
dann in Frieden und Freuden durch Wahlverbrüderung aus und
man schied in dickster Freundschaft von einander.

2. Chrowotische Diebe pflegen, wie bemerkt, am Orte ihrer Tat
einen Haufen zu pflanzen, weil sie glauben, daß der Dreck ihre Spur
verwische. Die Bestohlenen hingegen meinen, wenn sie den Unflat
in ein Säckchen tun und in den Rauchfang hängen, müße der Dieb
verdorren.

Anmerkung. Vgl. die Umfrage Dr. Albert Hellwigs, Anthropophyteia
II. S. 442—444. Desselben: Die Bedeutung des grumus merdae für den Praktiker,
Archiv f. Kriminalanthropologie und Kriminalistik hrg. v. Groß, 1906, S. 188—191
und: Weiteres über den grumus merdae, Monatschrift f. Kriminalpsych. u. Straf-
rechtreform hrg. v. Aschaffenburg, 1905, S. 639—643. „Es ist offenbar der
Grundgedanke, daß der Kot als freiwilliges Opfer an die Götter zurückgelassen
wird, um hiedurch die Götter gewissermaßen zu bestechen, den Verbrecher vor
Entdeckung zu sichern. Es ist uns ein allen schon aus dem „Ring des Polykrates"
geläufige Gedanke. Zum Opfer nimmt man etwas wertvolles, mit der Persönlichkeit
in enger Beziehimg stehendes. Wie Polykrates sein liebstes Kleinod opfert, so ist
vielfach Menschenblut Gegenstand des Opfers, so ist auch bei uns der Kot, ein
Sekret des menschlichen Körpers. Damit dürfte der Grundgedanke zu Genüge
klargestellt sein." — Für „Götter" hätte Hell wig besser „Hausgeister** sagen
sollen, sonst muß man seiner Ausführung nur beipflichten.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

583. Ostavi mu obilje^el

Dogovorilo se njekoliko obijesne momćadije, da pokradu imućnog
suseljanca. Ulovise priliku, kad je on sa svojom porodicom bio na
njekom sajmu a kuca mu ostała na jednom samom momku. Śest
momaka dovuku se po noći u kucu, preskoće preko zida, uhvate
momka u kuci, preko glave bace mu vrecu da ih ne pozna i veźu
za murvu, koja je bila u avliji. Momci, lupeźi, otjeraju iz obora blago,
go kuci polupaju, śta nijesu mogli odnijeti a ukradu i neśto novca.

— Ded, da mu ostavimo obiljeżjel reće jedan od njih, kada su već
połazili.

— Moźemo nas dva! prihvate dva megju njima. Skinu ćak&re.
Jedan skoći na sto i posere se posred stola. Drugi uzme bakru pa
se posere u nju.

Kad su i to svrsili, odmagle iz kuce ostaviv momka vezana, sa
vrecom preko glave, i posrani sto i bakru.

Ovo se ćesto prića po Dalmaciji a i dogagja. Lupeźi hoće tim
da pokazu svoje prezrenje i sprdnju prema pokradenom. OStetili su
ga materijalno pa hoće da ga ponize i moralno, jer je govno kod
seljaka Dalmacije najgnusnija stvar u svakom pogledu.

Kad neko nekoga hoće da ponizi, kaiu: ,Poseri mu se na sto!' —
,Poseri mu se u bakru!' — ,Poseri mu se u bronsinl' (od italijanskog
bronzino, posuda, u kojoj se kuva.)

Erhoben von Dr. Alexander Mitrovic in Knin.

Hinterlafl ihm ein Denkzeichen !

Einige übermütige Burschen verabredeten miteinander, einen ver-
mögenden Mitdörfler zu bestehlen. Sie erlauerten eine Gelegenheit,
da er mit seiner Familie auf irgend einem Markte weilte, sein Haus
aber nur unter Obhut eines einzigen Knechtes stand. Ihrer sechs
Burschen schlichen sich bei Nacht ins Haus ein, sprangen über die
Mauer, erwischten den Knecht im Hause, warfen ihm über den Kopf
einen Sack, damit er sie nicht erkenne und banden ihn an den Maul-
beerbaum an, der im Hofe stand. Die Burschen, Diebkerle, treiben
aus der Hürde das Vieh weg, zerschlugen im Hause, was sie nicht
wegschaffen konnten und stahlen auch einiges Geld.

— Geht, laßt uns ihm ein Denkzeichen hinterlassen! sagte einer
von ihnen bereits im Abzüge.

— Wir zwei vermögen es! so nahmen zwei unter ihnen den Vor-
schlag auf. Sie lassen die Hosen herab. Der eine springt auf den


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Tisch hinauf und bescheißt sich mitten auf dem Tische, der andere
nimmt den großbauchigen Kochtopf her und scheißt sich darein aus.

Nachdem sie auch dies Geschäft verrichtet, verdufteten sie aus
dem Hause unter Hinterlassung des gebundenen Knechtes mit dem
Sack überm Kopf, des beschissenen Tisches und des Kochtopfes.

Das erzählt man in Dalmatien häufig und es kommt auch von
Damit wollen die Hausdiebe ihre Verachtung und ihren Spott dem
Bestohlenen gegenüber bekunden. Sie haben ihn materiell geschädigt
und wollen ihn auch moralisch erniedrigen; denn Dreck ist beim Land-
mann in Dalmatien die in jeder Beziehung allerekelhafteste Sache.

Will einer einen demütigen, sagt man: ,Bescheiß dich ihm auf den
Tisch!' — ,Bescheiß dich ihm in den großen Kochtopf!' — Bescheiß
dich ihm in den glasierten Kochtopf!'

584. Dreck als Diebelohn,

Im Frühjahr 1876 fuhren acht Śijaken aus Nurkovci und Skende-
rovci fur einen Branntweinhändler aus Poźega auf ihren knarrenden
Wägelchen jeder je ein Zwölfeimerfaß mit Zwetschkenbranntwein über
Djakovar nach Essegg. Die alte, steile Türkenstraße über die Krndija
war für die halbkrepierten Rößlein der Chrowoten unwegsam und
darum schlugen die Bauern den zeitraubenden Umweg durch die Tief-
ebene ein. Die Zeit kostet dem Chrowoten gar nichts und das Futter
für die Pferde ebensoviel, solang als es rechts und links der Straße
Wiesen und Felder gibt Die erste Rast hielten sie nachts auf einer
fetten Wiese vor dem Serbendörfchen Bresnica oberhalb Pleternica
ab. Sie ließen ihre Klepper ruhig weiden, fachten ein mächtiges Feuer
an, als ob sie einen Ochsen zu braten gehabt, brieten aber blos einige
zufällig auf dem Wege aufgelesene Hühner und eine vorwitzige Gans
ab, die sie boshafterweise angeschnattert hatte. Zu einem guten Braten
gehört ein guter Tropfen und so bohrten sie die Fässer an und zapften
genug von dem brennenden Naß zu ihrer Labung ab. Nachdem sie
sich zur Nachtruhe ausreichend gestärkt und gekräftigt, entdeckte einer
von ihnen in seinem Wagen ein durch einen rätselhaften Zufall dahin
gelangtes, fest gearbeitetes, mit Messingreifen beschlagenes Halbeimer-
faßchen, das aber noch leer war. Nach kurzer, doch reiflicher Be-
ratung beschlossen die acht Frachter einhellig, selbiges Fäßchen mit
Branntwein zu füllen und es im dichten Gestrüpp zu verbergen, um
es auf glücklicher Heimfahrt hervorzusuchen und um dann wieder
miteinander einen sorglos heiteren Abend zu verleben.

Durch den lodernden Feuerschein und die lebhafte Unterhaltung


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

angelockt, näherte sich dem Chrowotenlager jener Serbe, der im
Grundbuch als Eigentümer der Wiese vermerkt war. Der unverhoffte
Besuch bereitete ihm wenig Freude, doch hielt er es nicht für ange-
zeigt, sich den acht geistvollen Śijaken bemerkbar zu machen, sondern
belauschte aus schattigem Dunkel das Tun und Treiben der Reise-
gesellschaft. Als die im Morgengrauen ihre Fahrt nach der Haupt-
stadt des Königreichs Slavonien fortgesetzt, räumte er das Gestrüpp
weg und rollte das Fäßchen mit dem Branntwein ins Dorf zu seinem
heimischen Herde, jeden Morgen und jeden Abend suchte er aber
die öde Stätte wieder auf, um da, wo das Fäßchen gelegen, einen
Haufen hinzupflanzen. In der neunten Nacht trafen die acht Śijaken
wieder ein und lagerten sich wieder auf derselben Wiese. Wieder
flammte ein Feuer auf und wieder staken Gänse am Spieß. Alsdann
begaben sich die Männer ins Gestrüpp. Was sie anstatt des Fäßchens
im Finsteren ergriffen, erfüllte sie mit tiefem Ingrimm und sie schleu-
derten einander den Fund ins Gesicht Es kam zu einer blutigen
Schlägerei und dann schirrte jeder, den Dieb verfluchend und ver-
wünschend, die Pferde an und in wildem Hader miteinander fuhren
sie heimwärts nach Nurkovci und Skenderovci. Seit jener Kampf-
nacht aber steht Bresnica in der ganzen Śijakei im Rufe eines gott-
verfluchten Diebenestes.

585. Grabschändung aus Rache.

1. Aus Rache scheißt der Chrowot auf das Grab seines Feindes.
Auf dem Grabe des im Vuéijak-Friedhofe zu Pożega bestatteten
Advokaten und Bürgermeisters P. fand man so viele Dreckhaufen, daß
die Leute der Sehenswürdigkeit halber dahin pilgerten. Selbstver-
ständlich verrichteten die Grabschänder ihre Notdurft im frühen
Morgengrauen. Bei Nacht hätten sie die Strafe der Toten und bei
hellem Tag die der Lebenden gefürchtet

2. U Levcu (u Srbiji) do skora je bio obićaj (a może se po gdegod
i sad naci), da se Zivi suparnik isere mrtvom suparniku na grob.
Otuda i żeńska grdnja, koja se i sada ćuje: ,Sraću ti se (t j. posraću
ti se) na grobl' — Mitgeteilt von einem Beamten aus Levac.

Zu Levac (in Serbien) bestand bis jüngsthin der Brauch (den man
hie und da auch gegenwärtig noch antreffen kann), daß sich der
lebende Gegner auf das Grab des Toten ausschiß. Daher rührt auch
die bei Weibern übliche Schimpfrede her: ,Scheißen werde ich dir
(d. h. ich werde mich dir ausscheißen) aufs Grab!'


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

Anmerkung. In einem anderen Sinne bedient sich der niederösterreichische
Bauer dieser Redensart. Er sagt z. B. zu einem Freigebigen, der einen unwür-
digen, undankbaren Menschen beschenkt: ,Dafür wird er dir aufs Grab scheißenI*

586. Cosa i mehandżija.

Radio Cosa neko vre me i zaradio ćetir dukata i tri dinara, za
dukat kupio magare a ono resto ćuvao i otiśao kod mehandżiji da
pije. Kad je napravio trośak za tri dukata i tri dinara on otide kra-
dom u śtalu, gde mu je magare boravilo pa mu nabije u dupe tri
dukata i tri dinara zatim pozove mehandżiju da mu plati raćun. Kad
su dośli kod magareta Ćosa łupi pesnicama magare u trbuh a ono
ispade dukat i dinar. Lupi ga drugi put, a ono opet tako. Lupi ga
i treći put a ono opet ispade dukat i dinar. — Vise ne ću; toliko ti
dugujem. Uzmi tvoje pa idil Każe Ćosa mehandżiji.

Mehandżiji se dopadnę ćosino magare, koje sere sve same duka te
i dinare pa navaii na Ćosu, da mu ga prod a. Ćosa mu ga na pos-
letku proda, ali mu każe, da ga zatvori u Stalu pa da ga ne gleda za
Sest dana. Śestog dana da otvori i tada će naci punu Stalu sve samih
żutih dukata i belih dinara. Mehandżija tako i uradi, ali kad je śestog
dana otvorio śtalu, nagje magare gde je lipsalo i napelo nogę u vis.

Mehandżija pogje u poteru za Ćosom, da ga bije śto ga prevario.
Nagje Ćosu u njivi, gde drżi jednog zeca a drugog je bio tu prikrio
u blizini zajedno s donetim rućkom. Mehandżija vikne na njega, Sto
ga prevario a ovaj mu każe, da će s njim razgovarati tek pośto mu
zec donese rućak od kuce. U tom, kao bajagi, każe zecu, da trći za
rućak pa ga pustiI Nije mało postojalo a on se osvrne kao onom
drugom zecu, koji je tu bio sakriven zajedno s rućkom i uzvikne:
,Evo, doneo gal1

Dopadnę se mehandżiji zec, koji tako brzo donosi rućak pa na-
vaii na Ćosu, da mu ga proda i Ćosa mu ga na posletku proda po
skupe novce. Odneo mehandżija zeca kuci pa ga s njive poślje po
rućak. Ćekao i ćekao pa ni rućka ni zeca. Kad je video, da ga i tu
Ćosa prevario, reśi se da ide da ga nagje i da ga ubije. Tako ga
nagje kod kuce. Ćosa se već nadao da će mu ovaj opet doći pa
svakom ukućaninu vezao oko guśe po crevo puno krvi i kad mu
mehandżija podviknuo a on ga stanę moliti, da ga prićeka samo u
toliko, da pokolje sve njegove ukućane pa ga pośle może slobodno
ubiti. Zagje i svima preseće crevo. Krv line i oni popadaju. Zatim
każe mehandżiji, da ga prićeka, da ih ozivi te da vide kako će ga
ovaj ubiti. Uzme sviralo i poćne svirati, kada svi poklani namah
ustanu.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen. з q і

Dopadnę se mehandżiji ova ćosina svirala, pa ga okupi, da mu
je pçoda. Ćosa mu je na posletku proda po skupe novce. Mehandżija
se vrati kuci i pokolje sve śto je imao źivo u kućŁ Za tim uzme onu
ćosinu sviralu i poćne njom svirati, ali bez uspeha. Śto je već bilo
zaklano, to se ne due. Zato se najodlućnije reŚi, da ide da nagje
Ćosu pa da ga odmah ubije, bez reći.

Kad je tako dośao cosinovoj kuci, njegovi mu ukućani każu, da
je Ćosa već davno umro. Megjutim on je znao, da će ovaj opet da
ga trażi pa je bio naredio njegovima, da ga tek mało zaćeprljaju u
zemlji a u ruci je drżao jedan śiljat kolac. Mehandżija ćuvśi to po-
trażi mu grob, da se bar posere na njega. Ovi mu każu, gde mu je
grob, i kad je ovaj taman ćućnuo, da se posere a Ćosa mu odozdo
ćuśne kolac u guzicu, zbog ćega mehandżija ostanę tu na mestu
mrtav. — Erzählt von einem Bauern aus Temnić in Serbien.

Bartlos und der Schankwirt.

Bartlos arbeitete eine Zeitlang und erwirtschaftete vier Dukaten
und drei Denare. Um einen Dukaten kaufte er einen Esel und was
übrig blieb, bewahrte er auf und begab sich zum Schenkwirt, um zu
trinken. Als er einen Verbrauch von drei Dukaten und drei Denaren
gemacht, ging er heimlich in den Stall, wo sein Grauchen weilte und
stopfte ihm drei Dukaten und drei Denare ins Arschloch hinein.
Hierauf rief er den Schenkwirten herbei, um ihm die Rechnung zu
begleichen. Als sie zum Esel kamen, versetzte Bartlos dem Esel mit
der Faust einen Schlag auf den Bauch, und da fielen ein Dukaten und
ein Denar heraus. Er schlug auf ihn zum zweitenmal ein und es ge-
schah wieder das gleiche. Er schlug auf den noch ein drittesmal ein
und da fielen wieder ein Dukaten und ein Denar heraus. — ,Mehr will
ich nicht; soviel schulde ich dir; nimm das deine und gehl' sagt Bart-
los zum Schenkwirten.

Der Schenkwirt fand an des Bartlos Eselchen Wohlgefallen, das
da lauter Dukaten und Denare scheißt, und bestürmte Bartlos, er möge
ihn ihm verkaufen. Zu guterletzt verkaufte ihn Bartlos ihm, sagte ihm
jedoch, er soll ihn in den Stall einsperren und während sechs Tage
nicht nach ihm schauen; am sechsten Tage soll er öffnen und dann
werde er den Stall voll angefüllt mit lauter gelben Dukaten und weißen
Denaren finden. Der Schenkwirt tat auch so, doch als er am sechsten
Tag den Stall aufschloß, da fand er den Esel verendet und mit den
nach oben gespreizten Beinen vor.

Der Schenkwirt nahm die Verfolgung des Bartlos auf, um ihn zu


2 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

hauen, weil er ihn betrogen. Er traf Bartlos auf dem Ackerfelde an, wo
er einen Hasen festhielt, einen zweiten aber hatte er da in der Nähe
zugleich mit dem ihm hingebrachten Mittagessen bedeckt Der
Schenkwirt schrie ihn an, weil er ihn betrogen, der aber sagt, er werde
mit ihm die Unterredung pflegen, erst bis ihm der Hase das Mittag-
mahl vom Hause gebracht haben wird. Währenddessen sagte er, als
ob es im Ernst gemeint wäre, zum Hasen, er soll ums Essen laufen,
und ließ ihn los! Es währte nur ein Weilchen, da drehte er sich dem
anderen Hasen zu, der hier zusammen mit dem Mittagessen versteckt
war und rief aus: ,Da schau, hat es gebracht!'

Der Schenkwirt fand an dem Hasen Wohlgefallen, der so flink
das Mittagessen herbeiholt und bestürmte Bartlos, er möge ihn ihm
verkaufen und Bartlos verkaufte ihn ihm zu guter Letzt um teueres
Geld. Der Schenkwirt trug den Hasen heim und schickte ihn vom
Acker um das Mittagmahl aus. Er wartete und wartete, weder zeigt
sich das Mittagmahl noch ein Hase. Als er merkte, daß ihn Bartlos
auch hiemit betrogen, entschied er sich dafür, hinzugehen, ihn auf-
zufinden und zu töten. So traf er ihn daheim an. Bartlos erhoffte
schon dessen neuerlichen Besuch und band jedem seiner Hausgenossen
um die Gurgel einen Darm voll mit Blut um, und als ihn der Schenkwirt
anrief, hub er ihn zu bitten an, er möge nur noch soviel zuwarten, bis
er alle seine Hausgenossen abgeschlachtet, und hernach könne er ihn
ohne Umstände umbringen. Er nahm einen Zulauf und schnitt allen
den Darm durch. Das Blut schoß hervor und sie sanken zu Boden
nieder. Hierauf sagte er zum Schenkwirten, er möge sich etwas ge-
dulden, damit er sie wieder belebe und sie sähen, wie ihn dieser ab-
murksen werde. Er ergriff eine Schalmei und begann zu blasen, als
sich da im Augenblick alle Abgeschlachteten erhoben.

Der Schenkwirt fand an des Bartlos merkwürdiger Schalmei Wohl-
gefallen und er drängte auf ihn ein, damit er sie ihm verkaufe. Zu
guter Letzt verkaufte sie ihm Bartlos fur teueres Geld. Der Schenk-
wirt kehrte nach Haus zurück und schachtete der Reihe nach alles
ab, was da im Hause lebte und webte. Hierauf ergriff er jene Schal-
mei des Bartlos und begann auf ihr zu blasen, doch ohne gewünschten
Erfolg. Was einmal abgeschlachtet war, das erhob sich nimmer
wieder. Darum beschloß er aufs allerentschiedenste, hinzugehen, Bart-
los aufzusuchen und ihn sogleich ohne ein Wort mehr zu verlieren,
totzuschlagen.

Als er mit dieser Absicht in Bartlos Haus kam, sagten ihm dessen
Hausleute, Bartlos wäre schon längst gestorben. Inzwischen wußte


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

dieser, daß ihn der da wieder aufsuchen wird und hatte seinen Leuten
aufgetragen, ihn nur so oberflächlich in die Erde zu verscharren, in
der Hand aber hielt er einen spitzen Pfahl. Als der Schenkwirt die
Trauerkunde vernommen, suchte er dessen Grab auf, um sich
wenigstens auf ihn zu bescheißen. Die Hausleute sagten ihm, wo
dessen Grab ist und just, wie sich dieser niederhockte, um sich zu
bescheißen, rammte er ihm von unten mit einem Stoß den Pfahl ins
Arschloch hinein, weshalb der Schenkwirt allda auf der Stelle tot
liegen blieb.

Anmerkung. Vgl. damit Anthropophyteîa III. No. 535 und die Note. Die
vorliegende Fassung gebe ich nur des Schlusses halber, aus dem deutlich hervor»
geht, daß die Verunreinigung des Grabhügels eine Rachehandlung darstellt. Sie
wäre sinn- und zwecklos, richtete sie sich nicht gegen den Geist oder die Seele
des Verstorbenen, die nach urältestem Glauben der Slaven nicht in den Himmel
oder ein Paradies fährt, sondern die längste Weile in reger Verbindung oder in
regem Verkehr mit dem Leibe steht. Erst wenn sie durch den Unflat vom Grabe
vertrieben wird, irrt sie ruhelos umher.

587. Da mu ospjetl nameru.

Umirao neki covek pa kad je vec naredio kako da bude sa
imanjem i śta će korne ostati reće:

— ,Molim vas joś, prijatelji moji, kad me sahranite, zabodite mi
krst u trbuhl' —

— ,Zaśto, da od Boga nagjeä?!1 upitaśe ga prijatelji.

— ,Eto zasto', odgovori samrtnik, ,żiveo sam vrlo hrgjavo sa
mojim komśijom Petrom i ćesto smo se svagjali. Jedanput mi se u
svagji zakune, da će mi se posrati na grob. On je kao covek i kako
mu se sad dala prilika, on će izvrSiti svoju zakletvu. On će se pos-
rati ispod krsta raćuneći, da mi je to glava pa zato vas i molim, da
mi zabodete krst u trbuh pa neka mi se posere na kurac, oca mu
rćinskogl'

Aus Serbien. (Mehrfach).

Um die Absicht des Rachsüchtigen zu vereiteln.

Ein Mann lag im Sterben und nachdem er bereits über sein Ver-
mögen verfugt und jedem sein Erbteil bestimmt hatte, sagte er:

— Ich bitte euch noch, meine Freunde, wann ihr mich begraben
habt, steckt mir in den Bauch das Kreuz einl

— Warum denn, daß dirs Gott heimzahle? — fragten ihn die
Freunde.

— Da habt ihrs, warum, antwortete der Sterbende, ich habe mit

Kraoss, Anthropophyteîa. IV. 23


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

meinem Nachbar Peter sehr schlecht gelebt und wir stritten oft mit-
einander. Einmal im Streit schwur er mir, er werde mir aufs Grab
scheißen. Er ist als ein Mann [von Wort bekannt] und da sich ihm
nun die Gelegenheit dazu darbietet, wird er seinen Schwur auch aus-
fuhren. Er wird sich unter dem Kreuz ausscheißen berechnend, dort
wäre mein Kopf, und darum eben bitte ich euch, daß ihr mir das
Kreuz in den Bauch hineinstecken sollt, damit er mir auf den Zumpt
scheiße, [ich vögle] ihm seinen Jagdhundvater!

Anmerkung. Wie die folgende Fassung (No. 561) zeigt, begegnet der
Brauch der Grabentweihung allgemeinem Verständnis. — Die Abwehr ist klar
gedacht. Wenn dem Verstorbenen der Grabschänder auf den Zumpt scheißt,
so macht er es, wie sonst wohl ein Pathicus seinem Puzeranten und zieht
sich selber damit die gröbste Entehrung zu. Nebenher erklärt der Sterbende,
nur einer, der aus dem sodomitischen Umgang seiner Mutter mit einem
Jagdhund entsprossen, könne seine Rachsucht so weit treiben und darum beschimpft
er zu guter letzt auch dessen Erzeuger, den er zur Strafe für des Sohnes Missetat
auch selber vögeln möchte.

588. Krst na trbuh.

Nekakav nevaljali covek razboli se i oseti, da ce umreti te pozove
jednog jedinog svog prijatelja, da mu iskaże poslednju żelju. Kad
ovaj dogje reće mu: ,Kad umrem pobodi mi krst na trbuh a nemoj
nikako vise glave.' — ,Zaśto?' upita prijatelj. — ,Zato', progovori ne-
valjalac, jer sam za zivota poćinio grdnih zala pa może korne pasti
na um, da dogje na grob і da mi se pored krsta posere na glavu a
ovako će pored krsta na kurac da mi se posere!' —

Aus dem Rudniker Kreise im Serbien. Erzählt von einem Bauern.

Das Grabkreuz über dem Bauche.

Irgend ein nichtswürdiger Mensch erkrankte und fühlte, er werde
sterben und da berief er einen, seinen einzigen Freund, damit er ihm
den letzten Wunsch erfülle. Als der eintraf, sagte er zu ihm: ,Wann
ich gestorben, pflanz mir das Kreuz auf den Bauch, unter keiner Be-
dingung aber ober dem Haupte ein. — Warum? fragte ihn der Freund.
— Darum, erwiederte der Haderlump, denn ich habe mein Lebtag
greuliche Übeltaten verbrochen und da könnte es einem einfallen, mein
Grab heimzusuchen und mir neben dem Kreuze auf den Kopf zu
scheißen, so aber wird er mir neben dem Kreuze auf den Zumpt
scheißen!

589. Osveta.

1. Poseru se protivniku noću na pragu kapije.

2. Kad zimi sere u svojoj avliji, zabode drvo u govno. Kad se


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

govno smrzne, on ga sa sve drvce baci protivniku u avliju. Tako
radi cele zime. Kad sijne proleće i nastanu topli dani a ono onome
użasan smrad u avliji. — Mitgeteilt von einem Bauern namens Vucetic
aus Trstenik, Ostserbien.

Rachehandlung.

1. Sie scheißen dem Gegner nächtlicherweile aut cüe Haustor-
schwelle hin.

2. Wenn er zur Winterzeit in seinem Hofe scheißt, steckt er ein
Holz in den Dreck ein. Wann der Dreck gefriert, wirft er ihn mit
dem ganzen Hölzchen dem Gegner in den Hofraum hinein. So tut
er den ganzen Winter über. Wann der Frühling anbricht und warme
Tage da sind, so hat jener einen furchtbaren Gestank im Hofe.

Anmerkung, і und 2 sind wohl lediglich als sichtbare und den Geruch-
sinn herausfordernde Zeichen der Verachtung aufzufassen. Wer den Schaden hat,
braucht für den Spott nicht zu sorgen. Einem Fuhrwerker aus der Pożegaer
Gegend, aus der s. g. Śijadija besudelten die Bauern aus der Essegger Gegend
seinen Karren oder Wagen, den er in einem Wirtshausschoppen geborgen. Er
suchte nach den Tätern, um sie derb zu züchtigen, denn er hatte niemanden auch
nur im geringsten gekränkt. Man wollte ihm nur begreiflich machen, daß man

у

den Sijak verachte. — Statt prezirem te (ich verachte dich) sagt der Chrowot
gewöhnlich serem ti se na glavu, ich scheiße dir auf den Kopf, der Bosnier:
redim ti se u bradu, ich betue mich in deinen Bart hinein.

590. Pravica.

Bila tri brata pa se dvojica zavadila trećim і svaku noc bi se
bratu posrali pred pendżer. Brat kad bi u jutro usto і govna pred
pendżerom naśao, uzeo bi lopatu pa govna usuo u futunju, Doskora
se futunja napuni a taj brat nju dobro zatvori, samo gore ostavi otvor,
koji se cepom mogao zatvoriti. Naprti ju na se i ode u svijet. Pitaju
ga ljudi, śto on to nosi a on każe: ,Pravicu nosim. Dete mi pet
forinti pa możete primiriŚat' — A nagje se koji, dade peticu i pri-
miriśi otvoru. ,Baś je pravica! Jer dobro smrdi/ — Erzählt von
einem Bauern im chrowotischen Zagorje.

Das Richtige.

Es waren ihrer drei Brüder und zwei von ihnen gerieten mit dem

dritten entzwei und pflegten jede Nacht dem Bruder vor das Fenster

zu scheißen. So oft der Bruder in der Früh aufstand und den Dreck

vor dem Fenster fand, nahm er die Schaufel und schüttete den Dreck

in den Treberbehälter hinein. Alsbald füllte sich der Treberbehälter

23*


3j6 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

an und dieser Bruder verschloß ihn gut, nur oben ließ er eine Öffnung
frei, die mit einem Propfen geschlossen werden konnte. Er lud ihn
auf sich auf und zog in die Welt hinaus. Die Leute fragen ihn, was
er da trüge und er sagt: Das Richtige trage ich. Gebt mir fünf
Gulden und ihr könnt dazuriechen.' — Und es trifft sich mancher, der
einen Fünfer hergibt und zur Öffnung hinriecht ,Wahrhaftig, das ist
das Richtigel Denn es stinkt gediegenIe

Anmerkung. Pravica, das Richtige, hier im Sinne von Wahrheit, die reine,
unverfälschte Wahrheit. Um das Richtige zu erkennen, muß man viel bezahlen
und wenn man es erkannt hat, wird einem Übel davon.

591. Cikoćan posro se na zrvanj.

Kraj Pakraca ima jedno selo Cikote a na glasu je svuda ko Pożega
megju gradovima, da su seljani najpametnijL Ovako prićaju o jednom
Cikoćanu. Pop propovijedo, da ljudi na taj i taj dan idu poljubit
hranitelja, Jedan Cikoćanin razmiSljo, ko je to hranitelj i napokon se
domislio: otići će on u mlin pa će poljubiti zrvanj. Ode u mlin. Vo-
da tjera zrvanj. Cikoćanin rad bi poljubiti, al ne może. ,Boga ti
tvoga!' Kaie, ,kad se ne daś poljubiti a ja ću te posratl' — Spusti
gaće pa na zrvanj a zrvanj, kako se okreto, ufati ga pa ga okrene
nekoliko puta i otepe mu glavu.

Bratu bilo dugo ćekat kod kuce pa ode da traii svog brata Sto-
jana. Sretne seljanina. ,Ćuje£, Jovo, a jesi li ti vidio mog brata, da
je bio bez glave? Ma o Boźiću, kad je pjevo, imo je joś glavuI' —
Erzählt von einem Burschen aus Kutina in Chrowotien.

Wie sich ein Cikoter auf den Mahlstein beschissen.

Bei Pakrac ist ein Dorf, das Cikote heißt und überall, wie Pożega
unter den Städten berufen ist, daß die Dörfler zu den ganz gescheidten
zählen. So erzählt man von einem Cikoter. Der Pfarrer predigte, die
Leute mögen an dem und dem Tag ihren Ernährer küssen gehen.
Ein Cikoter sann darüber nach, wer dieser Ernährer sei und endlich
kam er auf den Gedanken, in die Mühle zu gehen und den Mahlstein
zu küssen. Er begab sich in die Mühle. Das Wasser treibt den Mahl-
stein. Der Cikoter möchte ihn gern küssen, kann aber nicht Daß
ich dir deinen Gott v. . .1' sagt er, ,wenn du dich nicht küssen läßt,
so werde ich dich bescheißen I' — Er ließ die Leinenhosen herab und
hockte sich über den Mahlstein nieder, der Mahlstein aber ergriff ihn
im Drehen, drehte ihn einigemal herum und schlug ihm den Kopf ab.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen. 357

Dem Bruder war es lang zu Hause zu warten und er machte sich
darum auf die Suche nach seinem Bruder Stojan auf. Er begegnete
einem Bauern. ,Hörst du, Jovo, hast du wohl meinen Bruder gesehen,
daß er ohne Kopf gewesen? Zu Weihnachten, als er sang, hatte er
noch seinen Kopfl*

Anmerkung. Die Cikoter Dörfler gelten als harmlose Abderiten, nicht so
die Bewohner von Pożega, und darum trifft die Parallele nicht gut zu. Die
Dummheit des Poźegaers äußert sich in einem maßlosen Eigendünkel, dem
sich eine Freude an VerÜbung schandlicher Grausamkeiten zugesellt Er stimmt
ein Hohngemecker über die Qualen an, die er Wehr- und Hilflosen bereitet und aus
Größenwahn nennt er sich einen echten Chrowoten.

592. A, izlazi, paąja veröl

Srao Crnogorac pa nije mogao lako govno da isere. Posle dugog
natezanja uzvikne: ,A, izlazi, pasja vero, ne mući mel* — Kad je tako
s mukom govno israo, uzme jataganom pa preko govna flis pa onda
poćne lizati jatagan govoreci: ,Eto, tako ću ja tebe, pasja vero, da ti
se napijem krvil dosta si me namućilo!' — Erzählt von einem monte-
negrischen Ansiedler in KruSevac in Serbien. Auch in Poljna bekannt

Ach, heraus mit dir, du Hundeseele 1

Ein Montenegrer verrichtete seine Notdurft und konnte nicht leicht
den Dreck herausscheißen. Nach langer Anstrengung rief er aus:
,Ach, geh heraus, du Hundeseele, marter mich nicht I' — Nachdem er
so mit Mühe und Plag den Dreck herausgeschissen, ergriff er den
Jatagan und hui! fuhr er damit über den Dreck hin und fing dann den
Jatagan zu belecken an, indem er dazu sprach: ,Da hast du es, so
werde ich, du Hundeseele, mit dir verfahren, um mich an deinem Blut
satt zu trinken! Genug hast du mich abgequält!

Anmerkung. Vjera ist in diesem Falle sinnverwandt zu Ehrenwort, doch
im Deutschen sagt man nicht ein Hunde-Ehrenwort, sondern, eine Hundeseele.
— Nach altem Kriegbrauch trinkt der Montenegrer vom Blut des getöten Feindes;
das tun die chrowotischen Bauern auch heutigentags noch, wenn sie bis zur äußerster
Verzweiflung getrieben, einige ihrer nationalpatriotischen Bedrücker töten, ja, sie
essen dann sogar ihr Fleisch. So ein Fall trug sich im September 1897 zu Sjeniôak
in Chrowotien zu, worüber man in meinen Slavischen Volkforschungen, Leipzig
1908 nachlesen mag.

593. Da zna da je tursko, і iyemu bi sudiol

I5ao primorac kroz Bosnu pa video kraj puta poveliko govno.
Koliko je mrzeo turke a nikako ne mogao da im napakosti, reće gov-
netu: A, gado, da znadem da si tursko, sad bih te svega izgrizao!

Aus Bosnien. Erzählt von einem Belgrader Lehrer.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Wüßte er, daß es ein türkischer Haufen ist, er hielt auch über

ihn Gericht!

Ein Küstenländer wanderte durch Bosnien und erblickte einmal
am Wegrain einen ziemlich großen Dreck. Wie er so sehr die Mos-
limen haßte, auf keine Weise aber in der Lage war, ihnen mit argem
Leid lästig zu fallen, sprach er zum Dreckhaufen: Ach, du Unflat,
wüßte ich, daß du moslimisch bist, auf der Stelle würde ich dich ganz
zerbeißen!

Anmerkung. Der biedere Hasser steht im Banne des Glaubens an sympa-
thetischen Zauber. Wenn man von einem Haare, Fingernägel oder Blut oder auch
nur einen Lappen von seinem Gewand besitzt, so kann man ihn dieselben Leiden
fühlen machen, die man über die Teile seines Leibes verhängt. Wenn der Hasser
nun den Dreck zerbisse, so wäre damit auch jener, der ihn dort gelassen, arg
getroffen. Weü aber der Dreck möglicherweise von einem Christen herrühren
kann, so schont ihn der Küstenländer. Drollig ist es, wenn einer aus Wut den
Dreck seines Feindes zertritt, um an ihm seinen Zorn auszulassen. Das kommt
vor und darauf weist auch die häufige Drohung hin: zgaziću te ko govno! Zer-
treten werde ich dich, wie einen Dreck! — Aus bloßen Behagen stampft auch
der Serbe in keinen Dreck hinein.

594. Vera govnetu.

Mućio se crnogorac oko jednog govneta pa nikako da ga is tera.
Badava je stenjao, badava stiskao zube i buljio осі, ne će pa ne će;
zaglavio se na pola puta pa nikako napolje. U veljoj muci napreze
svu silu i povika mu: ,Ama izljezi nikogovicu! Evo ti davam junaćku
vjeru tvrdu, da ti niśta ućinjeti ne ćul1 — Govno se zbilja otkaći te
on odahnuvsi okrete mu se: ,Sreća tvoja, śto povjerova a da me ne
posluśa, Bożja mi vjera, hoćah te ziva zubma zaklati і tvoje ti se krvi
napiti, Sto me namući tako!'

Erzählt von einem Serben aus dem Timokgebiete in Serbien.

Einer verpfändet sein Ehrenwort dem Dreck.

Ein Montenegrer mühte sich mit einem Dreck ab und es gelang
ihm auf keine Weise, ihn herauszuquetschen. Vergeblich ächzte er,
vergeblich preßte er die Zähne zusammen und glotzte sich die Augen
heraus, der mag nicht und mag nicht; auf dem halben Wege hatte
er sich festgerannt und wollte um keinen Preis heraus. In gewaltiger
Pein spannte der Mann mit aller Gewalt an und rief dem Dreck zu:
.Aber, so komm doch heraus, du Niemandsohn! Da verpfände ich
dir mein festes Heldenehrenwort, daß ich dir kein Leid zufügen werde!'


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

— Der Dreck riß sich tatsächlich los und aufatmend wandte sich der
Mann zu ihm um: ,Dein Glück, daß du mir Vertrauen schenktest,
hättest du mir jedoch nicht gehorcht, mein Ehrenwort bei Gott, ich
war daran, dich lebendig mit den Zähnen zu zerfleischen und mich
an deinem Blute satt zu trinken, weil du mich so sehr abgemartert hast!'

Anmerkung. Der Montenegrer liebt es, sich in der gewöhnlichen Rede
des Alltags in der ungewöhnlichen Sprache des Guslarenliedes auszudrücken. Er
bramarbasiert ständig, wie ein Don Quixote und merkt es gar nicht, wie sehr er
sich lächerlich macht. In dummer und selbstbeschmutzender Prahlerei übertrifft
ihn nur der Chrowot, der echte sowie der künstliche. Da stieg z. B. in Wien einer
herum, der sich berühmte, sein Großvater wäre ein Likaer und ein Wegelagerer
gewesen, der auf dem Galgen geendet, nachdem er vierzig Menschen umgebracht.
In Wahrheit stammte der Jüngling — er studierte in Wiener Nachtkaffeeäusern
Jurisprudenz — aus Neugradiśka in Slavonien und war der Sohn eines armen
Handwerkers, der sich als Wandergesell aus der Polakei dahin verlaufen hatte.

— Ein anderer, der in Wien sogenannte slavische Philologie studierte und Imhof
hieß, behelligte mich einmal auf der Gasse mit seinem chrowotischen Größenwahn.
Unter anderem behauptete er, vom König Zvonimir abzustammen und daher ein
Urchrowot zu sein. Zufällig kannte ich den Urheber seiner Tage, einen Schwaben
aus Vinkovci in Slavonien, der als ein Eingewanderter in der deutschen Umgebung
ein Deutscher blieb und nicht einmal notdürftig chrowotisch zu reden erlernte.
Das hielt ich dem Jüngling vor und der erhitzte sich darüber gar sehr: ,Das ist
gar nicht mein VaterI meine Mutter hat mit Chrowoten gehurt!' — Empört warf
ich ihm vor, daß er sich trotzdem vom Schweiß eines Deutschen nähre und verbat
mir für immer seine Annäherungen.

595. Zgadio se na dlaku.

Razgovarali se neki ljudi u drustvu o gagjenju. Tek će jedan
izmegju njih reći, kako se on nićega ne gadi pa da bi to i dokazao
opkladi se z drustvom. da će pojesti ljucki pogan.

Donesu mu u ćanku tada baś zgotovljene pogani i on poce da
jede. Videlo se po njemu, da mu nije prijalo, jer se sve vise mrśtio,
ali on nije hteo da prizna, da se gadi, već se upinjao te i dalje jeo.
Kad je doterao do polovine, on se najeżi i poće da povraca.

— ,Sta ti bi?' privikase ostali.

— .Nagjoh jednu diaku', odgovori on, ,pa mi se zgadü' —
Aus Serbien.

Ein Haar verekelte es ihm.

Gewisse Leute unterhielten sich in Gesellschaft vom Ekeln. Da

bemerkte von ungefähr einer aus ihrer Mitte, er empfände rein vor

gar nichts einen Ekel und um dies zu beweisen, wettete er mit der
Gesellschaft, er werde einen menschlichen Unflat aufessen.


Збо Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Man tischte ihm in einer Holzschüssel einen eben hervorgebrachten
Dreck auf und er begann ihn zu essen. Man sah es ihm an, daß ihm
das Gericht nicht munde, denn er zog immer mehr die Brauen zu-
sammen, doch mochte er nicht eingestehen, daß es ihn ekle, sondern
tat sich Zwang an und aß auch weiter. Als er die Aufgabe bis zur
Hälfte erledigt, überkam ihn ein Grauen und er hub sich zu er-
brechen an.

— Was ist bei dir los? riefen die übrigen aus.

— Fand ein Haar darin, antwortete er, und es befiel mich ein Ekell

Anmerkung. Die Sache erklärt sich recht einfach: der Geruch und der
Stoff der Exkremente ist dem Dreckesser angenehm, das Haar dagegen löst bei
ihm eine ihm widerliche Vorstellungreihe aus und darum muß er kotzen.

Diese Geschichte dürfte gleich mancher anderen als Wandergut den Weg
auch zu den Serben gemacht haben, was man aus ihrem Vorkommen bei den
Franzosen vermuten darf. Das Dreckfressen ist übrigens den Südslaven wohlbekannt,
wie dies ja schon die Wendung jesti govana = Dreck essen, im Sinne von
dummes Zeug reden oder treiben, bezeugt. Die Herausgeber der Bibliotheca
Scatologica widmeten dem Brauch des Dreckessens eine kleine Auseinandersetzung,
zu der sie die Angaben aus der ihnen zu Gebote gestandenen Literatur schöpften:
„... après avoir parlé de ceux qui en ont écrit, nous voulons dire un mot de
ceux qui en ont mangél non plus par prescription des médecins, par crainte
de la maladie, de la mort, mais librement, volontairement, spontanément, par
goût, par réflexion! I! Ces gourmets d'un gerne particulier, ces ruminants de
nouvelle espèce, ces épicuriens blasés ou raffinés, s'appelaient scatophages ou
scybalophages (De scybales, skybala. —Voyez dans Dioscoride lib. 5, c 77
et Gorreus, Def. med., p. 579, les diverses acceptions de ce mot).

L'empereur Commode était de ceux-là. ,Dicitur saepe praetiosissimis cibis
humana stercora miscuisse, nec abstinuisse gustu', dit Lampride (Vie de l'em-
pereur Commode).

Les Romains ont été nos maîtres en toutes choses.

Riedlinus (Linear, medic, an. 1697, mens, nov., obs. 23, p. 800) rapporte
les cas d'une femme qui affirmait: nullum cibum in tota sua vita palato magis
satisfecisse.

Sauvages (Nosologie méthodique) dit qu'une fille lui a avoué qu'elle
avait mangé jadis avec un plaisir infini la croûte qui s' attache aux murailles des
latrines.

Zacutus Lusitanus a connu une demoiselle qui, ayant par hasard goûté ses
excréments, en fit dans la suite sa nourriture favorite, au point qu'elle ne pouvait
s'en passer sans être malade.

J. B. Von Helmont (Tractatus sextuplex, Digestio alimenti humani,
§ 36, fol, 132): ,Nobilis virguncula, salutis suae avida, proprium stercus edit:
petitum fuit ab ilia cujus saporis esset, ас respondit esse fétide et aquose dulcis/

Le même raconte qu'un peintre de Bruxelles, réfugié dans une forêt, vécut
pendant trois jours de ses propres axcrément, et, interrogé sur leur saveur, il
répondit: Sapit ut olet.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Le même récite qu'un enfant qui avait fait dans son lit, craignant d'être
puni, mangea sans difficulté et sans inconvénients le corps du délit.

J. J. Wepffer (Dec. III, an. 2, obs. 135, schol., p. 199) rapporte un fait du
même genre. De même: Ehrenfried Hagendornius (Obs. et hist. phys. med., cent. 3,
hist. 95). — Daniel Eremita (Descript. Helvet. oper. p. 402). — P. Tollius (Epist.
itinerar. 62, p. 247). — Tob. Pfanner (Diatrib. de Charismati seu miracuL antiqu.
eccles., c. 2). — J. Chr. Frommann (De fascinatione, lib, 3, part. 4). Il rapporte
plusieurs cas. — Rosinus Lentilius (Dec. II. an. 2, obs. 150), 2 observât. —
P. Borellus (Obs. phus. med. cent. 4, obs. 2). — J. Johnstonus (Thaumatograph. ad-
mirand. homin. c. 2, art. 2). — Georg. Hannoeus (Dec. II, an. 8, obs. 115). —
Paullinus (Dec II, an. 5). — P. Rommelius (Dec. III, an. 6 et 8, obs. 40). — Mich.
Bern. Valentin (Novell, med. log., cas. 11).

Nous croyons nous rappeler qu'il existe des exemples du même genre dans
l'ouvrage de J. B. Cardan, intitulé: De abstinentia ab usu ciborum fetido-
rum libellus, imprimé à la suite du traité De utilitate ex adversis capienda
de son père.

On a connu à Paris un riche bourgeois, nommé Paparel, qui, par une étrange
dépravation de goût, avalait des excréments de petits enfants (Virey, Nouv. diet,
d'hist. nat., Deterville, t. X). La tradition même rapporte qu'il les mangeait avec
une cuiller d'or. Enfin Tavernier, déjà cité pour le singulier tabac indigène dont
se servent les habitants du royaume de Boutan, dit que la même substance,
puissée à la même source, leur fournit des assaisonnements, et les Tartares et les
Japonais tenaient en pareille vénération la merde du grand lama et du Daîri.
(Ce n'est pas seul exemple d'un goût aussi bizarre. Bullion portait toujours une
boîte d'or remplie non de tabac, mais d'excrements humains. — Vog. Dulaure,
Hist, de Paris, édit. de 1825. t. VII, p. 262).

Les nombreux exemples précèdent rendent moins intéressantes la question
de savoir an Ezechias stercus comederit: ce ne serait qu'un mangeur de
plus. Pourtant, on peut voir dans la Bible le verset 12 du chap. 4 de ce prophète:
Et quasi sub cinericium hordaceum comedes illud: et stercore quod
egreditur de homine operies illud in oculis eorum, et les diverses inter-
prétations données par les différents traducteurs et commentateurs.

Enfin Walther Schulzius (Ostindianische Reise, lib. 4, c. 10) cite une
tribu de l'Inde, dite Gioghi, qui ne prend aucun aliment sans y ajouter de la
bouse de vache, et qui se barbouille la face et les cheveux avec cet excrément.

Nous avons nous — mêmes imité ces Indiens, car Bouillon Lagrange, phar-
macien à Paris, que ses confrères appelaient Bouillon le Pointu, a publié un
ouvrage, intitulé la Chimie du goût, sur la fabrication des liqueurs de table, et
il donne la recette d'une préparation qu'il appelle Eau de mille fleurs, qui se
compose de bouse de vache infusée dans l'eau-de-vie.

Du reste, il paraît qu'on se lasse de cela comme de toutes les bonnes choses,
même pour les causes les plus futiles, car nous connaissons une chanson qui, si
elle n'est pas imprimée, mérite de l'être, et que dit:

Je suis dégoûté de la merde

Depuis que j'y ai trouvé un ch'veu.

Erschöpfendere Mitteilungen aus der ethnologischen Literatur liefert Captain
John G. Bourke, Scatologie rites of all nations. A Dissertation upon the Em-


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

ployment of Excrementitions Remedial Agents in Religion, Therapeutics, Divination,
Witchcraft, Love-Philters etc., in all Parts of the Globe. Washington D. C. 1891.
S. 27: The Urine Dance of the Zufiis may conserve a tradition of the time when
vile aliment was in use. — S. 29—32: Human excrement used in food by the
insane and others. — Man vergleiche auch die geistvollen Darlegungen Dr. Iwan
Blochs, Beiträge zur Aetiologie der Psychopathia sexualis, Dresden 1903. IL
S. 222—234. (S. 228 f.): „[Die Scatologie] liefert einen Schlüssel für viele Tatsachen
auf dem Gebiete der geschlechtlichen Verirrungen und erleuchtet insbesondere das
Wesen der Kopro- und Urolagnie, indem wir durch die Skatologie erfahren, wie
tief eingewurzelt, ja allgemein menschlich die Neigung ist, jene ekelhaften Vor-
gänge in Beziehung zum Geschlechtakte zu bringen und überhaupt an solchen
Vorstellungen ein Gefallen zu finden."

596. Opogani ali ne prevari!

Verovanje je u narodu, da će onoga goniti cele godine zla kob.
koga prevari kukavica te je ćuje pre nego śto uzme zalogaj u usta.

Jedan crnogorac izagje u proleće u polje, da se otarasa svojega
tereta i ćućne, ali tamam je bio u polovini posla, kad kukavica za-
kuka. On brże bolje umoći prst iza sebe i pokusa pa uzviknu:

— ,Opogani pasja vero, ali ne prevari !'
Aus Serbien.

Verunflätigt, du Hundetreu, doch überrascht hast du mich nicht

listig!

Im Volk besteht der Glaube, denjenigen werde das ganze Jahr
über ein böses Geschick verfolgen, den der Kuckukvogel listig über-
rascht, so daß er dessen Ruf früher vernimmt als er einen Bissen in
den Mund genommen (nüchtern morgens).

Ein Montenegrer gieng mal im Frühjahr ins Feld, um sich seiner
Last zu entledigen und hockte sich nieder, doch eben wie er in Mitten
der Verrichtung war, ließ ein Kuckuk seinen Ruf erschallen. So
hurtig als nur möglich tunkte er seinen Finger hinter sich ein,
schmeckte davon und rief aus:

— Verunflätigt, du Hundetreu, doch überrascht hast du mich
nicht listig!

Anmerkung. Wir haben das Sprichwort: Besser eine Laus im Kraut als
gar kein Fleisch, der Montenegrer hier sagt sich wieder, besser sich mit eigenem
Kot den Mund besudeln, als sich für ein Jahr unglücklich machen lassen. Das Unglück
besteht eigentlich im Glauben, das einer, der nüchtern zum erstenmal im Jahre
den Kuckuck vernimmt — das Jahr begann bei den Slaven einst mit dem Frühling-
anfang — das ganze Jahr hindurch werde hungern müssen. — Sein Glauben ver-
setzte ihn in eine Notlage, aus der es für ihn kein Entrinnen gab, außer seine
eigene Ausscheidung zu verkosten. So errettete ihn seine Geistesgegenwart aus


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

der veimeintiichen Gefahr. — Über den Kuckuck als Jammervogel vgl. Krauss
in: Bojagić Aliles Glück und Grab.

597. Ne ćeś, rgjo, ne ćeś!

Putovao Era i nosio na konjima katran. To je bilo u proljeće
pred Gjurgjevdan. U putu mu se prisere i on odreśi pelengire i ćućne
uz jedan trn da sere. Tek śto je poćeo da sere a na jednom drvetu
vise njega zakuka kukavica.

— ,E, ne ćeś, rgjo, ne ćeś me, vala, prevaritü' uzviknu Era pa
zgrabi punu saku govana ispod sebe te u usta.

Kod Srba je svuda rasprostranjeno verovanje da kukavica i joś
neke tice mogu prevariti coveka i da mu onda ne će biti dobro. To
se ,varanje* sastoji u tome, ako koji prviput s proleća ćuje kukavicu
a ne bude niśta u jutru okusio. Era to jutro niśta nije okusio pa
mu niśta nije smetalo i svoje govno da pojede, kad drugo bolje nije
imao tada pri ruci, samo da kukavica ne prevari. Toliko se od toga
bojao. — Erzählt von einem Landmann aus Levac, Serbien.

Nein, das sollst du nicht, du Rostfleck!

Ein Herzler wanderte und verfrachtete zu Rossen Teer. Das war
im Frühling vor dem Georgtag. Auf dem Wege wurde er kackerig
und er löste seine tuchnen Kniehosen auf und hockte sich neben einem
Dornstrauch nieder, um zu scheißen. Kaum begann er zu kacken,
als auf einem Baume ober ihm ein Kuckuk zu kucken anhub.

— Ei, du sollst mich nicht, du Rostfleck, beim Allah, du sollst
mich nicht übertölpeln! rief der Herzler aus, raffte eine volle Hand
Dreck unter sich auf und fuhr damit in den Mund.

Bei den Serben ist der Glaube allgemein verbreitet, der Kuckuk
und noch einige Vögel könnten den Menschen übertölpeln und es
werde ihm dann nicht gut ergehen. Diese „Ubertölpelung" besteht
darin, daß einer zum erstenmal im Frühjahr einen Kuckuk vernimmt,
ehe er morgens einen Bissen verkostet. Der Herzler hatte an diesem
Morgen noch keinen Bissen im Munde gehabt und es hinderte ihn
nicht im geringsten, selbst seinen eigenen Unflat aufzuessen, da er
damals gerade nichts anderes zur Hand hatte, nur damit ihn der
Kuckuk nicht übertölple. So sehr fürchtete er sich davor.

598. Wie ein Schenkwirt einen Zigeuner Dreck essen lehrte.

Ein Schenkwirt dang einen Zigeuner zum Schankburschen auf
und sagte zu ihm: ,Siehst du diese Holzschüssel unter dem Faß? So


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

oft du einem einschenkst, wird der Wein über das Maass hinaus in
diese Holzschüssel hinabrinnen, doch paß auf, daß ihn einer nicht
wegtrinkt, denn abends dient der Tropfwein mir und meinem Gesinde
zum Trunki' — Der schlaue Zigeuner leckerte sich auf den fremden
Wein und soff täglich insgeheim mehr als die Halbscheidt vom Tropf-
wein aus der Schüssel weg. Der Schenkwirt merkte etwas und be-
schloß, sich am Zigeuner zu rächen. Da stieß er drei, vier von den
größten Paprika staubfein und nahm ebensoviel gestoßenen Pfeffers
und warf alles in den Wein in die Holzschüssel hinein. Wie gewohnt,
setzte der Zigeuner die Holzschüssel an den Mund und trank mehr
als die Hälfte vom Wein ab, doch es währte nicht lange, fieng es ihn
in den Gedärmen zu schneiden, reißen und zu zwicken an und er er-
hob ein Wehgeschrei. Der Wirt kam gerannt und fragte erschrocken :
,Was ist geschehen? Das Unheil soll dir den Sinn verwirren! Hast
doch nicht etwa gar vom Wein aus der Holzschüssel getrunken, in
die ich Arsenik fur die Mäuse hineingetan?4 — ,So Gott mir helfe,
habe es wohl getan, doch was fang ich nun an, o du vor Gott mein
Vater?' — ,Iß raschestens einen warmen Kuhdreck auf, daß du nicht
schändlich hin wirst!' — Als dies der Zigeuner hörte, rannte er flugs
in den Hof hinaus, wo die Kühe wiederkäuen und fand einen frischen,
noch dampfenden Kuhdreck und fraß ihn mit wilder Gier bei Putz
und Stengel auf und gleich ward ihm leichter und als er sich erleichtert
fühlte, sagte er zu sich im Stillen: ,Beim Allah, wenn ich noch einmal
aus der Holzschüssel einen Wein trinken sollte, so gäbe es Gott, daß
ich einen noch abscheulich größeren Dreck, nicht den von einer Kuh,
sondern einen von meiner Großmutter aufessen muß!1

Erzählt von Vuk Vrcevic, Srpske narodne pripovjetke ponajviSe
kratkę і saljive. II. Ragusa 1882, S. 69f.

Anmerkung. Als Gegengift bei Vergiftungen gebraucht man frischen Dreck.
Der Zigeuner ist wie der Serbe gewohnt täglich seine Speisen mit Paprika zu
würzen und eingesäuerte rote Paprika zu genießen, so daß ihm der neue Geschmack
des Weines nicht auffiel, zumal da er sehr rasch trank, ehe man ihn dabei
überraschte.

599. Ispećena balega.

Ismo neki grof kuvara. Jednoga dana zapovidi mu grof, da mu
priredi jilo, kakog joś піко nije jio na svitu. Ako to ne ućini, glavu
će mu otsić. Kuvar snuźden śta će i kako će pa se seta avlijom i
razmiślja a krave prolazile pa se jedna posrala, ,Aha! domislio sam
sel' uzme lopatu, mętne na nju balegu, odnese je u kujnu. Onda


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

uzme gvirca, Sekera i kojeśta, pomiśa sa balegom pa sve to turi u
śporet. Kad je bila balega ispećena, kuvar je jo§ lipśe iscifra gore і
sa strane i odnese grofu na stoi. Grof sidne i kolac pojede, a nije
znao, da je pećenu balegu jio. ,Ćujete vi, kuvare, kaiite vi meni,
kako ste vi ovaj kolać priredili?' — ,E, gospodine, il bilo ovako il
onako, ja ću vam kazati. Uzeo sam kravju balegu pa u nju pomiśo
svega і svasta i onda to ispeko I' — ,Ajde de4, reće grof, ,sad sam bar
jio krayjeg govna pa mi je dobro iSlo u tek. Siatko je bilo I* — Er-
zählt von einem Mannweib in Lipik, Slavonien.

Der ausgebackene Kuhfladen.

Ein gewisser Graf hatte einen Koch. Eines Tages befahl ihm der
Graf, für ihn ein Essen zu bereiten, wie ein solches noch niemand auf
der Welt gegessen hat Wenn er das nicht täte, werde er ihm den
Kopf abhacken. Betrübt, was er und wie er es zuwege bringen soll,
erging sich der Koch im Hofe und sann nach. Da zogen die Kühe
vorbei und eine bekackte sich. ,AhaI Jetzt habe ich einen Gedanken
gekriegt l' Er ergriff eine Schaufel, legte darauf den Kuhfladen und
trug ihn in die Küche. Dann nahm er Gewürze, Zucker und mancherlei
dazu und vermengte es mit dem Kuhdreck und steckte dies alles in
den Sparherd. Als der Kuhdreck ausgebacken war, verzierte ihn der
Koch oben und von der Seite noch schöner und trug ihn dem Grafen
auf den Tisch hin. Der Graf setzte sich nieder und verzehrte den
Kuchen, ohne zu wissen, daß er einen gebackenen Kuhdreck gegessen.
Hören Sie mal, Koch, sagen Sie mir, wie haben Sie diesen Kuchen
zubereitet?* — ,Ei, Herr, mag es so oder so ausgehen, ich werde es
Ihnen sagen. Ich nahm einen Kuhdreck, vermischte ihn mit allem
und jedem und dann buk ich ihn aus I' — ,Das mag angehen,' sagte
der Graf, jetzt habe ich wenigstens Kuhdreck gegessen und es schmekte
mir. Es hat mir fein gemundet!'

600- Zaśto covek radi.

Bila nekad dva brata pa jedan sve radio i hranio se a drugi nije
hteo da radi, već śto posere on izede a i tugja govna jeo. Tada
covecja govna ne smrgjahu. Onaj śto radi, potuźi se Bogu na brata,
koji jede govna. Bog naredi te govna postanu smrdljiva te je i onaj
brat morao raditi. — Erzählt von einem Bauern namens Vucetic aus
der Gegend von Trstenik-Polnja, Ostserbien.


Südslavische Volksüberiieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Warum der Mensch arbeitet.

Es waren einmal zwei Brüder und der eine war unablässig ar-
beitsam und ernährte sich, während der andere nicht arbeiten mochte,
sondern, was er geschissen, aufaß und auch fremden Dreck aß. Da-
mals stank der menschliche Dreck nicht Jener, der tätig war, führte
vor Gott wider den dreckessenden Bruder Klage. Gott verfugte, daß

der Dreck stinkig wurde und so mußte auch jener Bruder arbeiten.

Anmerkung. Diese Erzählung kann man als das Schulbeispiel einer Pa-
rabel hinstellen. Śto posere on izede, ,was er geschissen, das aß er auf, bedeutet
soviel als: er verleumdete, stänkerte, davon zehrte er, und tugja govna jeo, er
wiederkäute den Unflat anderer, sowie dies z. B. der Lustknabe von Karlowitz,
sein Afterfreund der Gymnasiastenschänder von Neusatz und ihre chrowo-
tischen Genossen in Agram als Rezensenten tun. Sie sind anrüchig geworden,
und müßen am Ende doch irgend etwas arbeiten, um nicht auf dem Mistberg zu
verenden, wofern es nicht dem einen und anderen glückt, im Dienste der Natio-
nalen oder Politiker oder Glaubenretter irgend eine Versorgung zu ergattern. Sie
unterscheiden sich bloß durch ihr gedrucktes Gefasel von den übrigen Dreckfressern,
die auch dem Bauernvolke auffallen. Der Sinn der Parabel ist: von schuftigen
Ehrabschneidungen kann einer nicht immer sein Dasein fristen, sie fangen zu
stinken an und dann muß er, um nicht zu verhungern, endlich doch zur Arbeit
greifen.

601. Cigan jio govno.

Carica imała na prsima mjesec, na pupku sunce a megj nogama
zvijezdu. A to nije піко znao, vec se iślo na pogagjanje a ko pogodi,
dobije pol carstva.

Bila tako tri brata, najmlagji najlugji. Kad je on pośo, braća su
ga grdila. ,Nismo mogli mi, koji smo pametnijil' — Kad je iśo a
sretne ga ciganin. ,Kuda ideś, momće?' — ,Idem i ja, da pogodim
u naśe presvijetle carice, śta ima.1 — Każe cigan: ,Idem i ja s tobom.'
— Kad su dośli tamo a ovome momku je kazato u snu, da to imade.
Kad su redom svi divanili, onda dośo red i do toga. Najmlagji naj-
lugji a cigan je stao baś uż njega. Ovaj rekne: ,U naśe presvijetle
carice* na prsima ima mjesec!' — Cigan rekne: ,Mjesec!' — Ovaj rekne:
,Na pupku ima sunce!' — Cigan rekne: ,Ima sunce l' —,Megj nogama
ima zvizdal' — Cigan odma za njim: ,Med nogama zvizda!'

Nijesu se mogli pravo pogodit, ko je pravo pogodio. Iće sve
troje, cigan, najmlagji brat i carica u jedan krevet leci. Korne bude
carica okrenuta, onaj je pogodio. Seljak ponese sa sobom svakojaki
koląca a obnoć ustane, uzme cizmu, ode za vrata pa stenje. Cigan
,ga pita: ,Sta ti radiś?' — ,Evo serem u cizmu'. Uzme kolać pa jede

V

a fentijero je, kako će cigana prevarit Cigan ga pita: ,Sta radiś?' —
Evo, sad jedem govno a ono śto ostanę, potrt ću po glavü' — Navali


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

se cigan srat. Ide i cigan za vrati srat. Nasro je pol sare, onda zaćmę
jesL Sto ostało potare po glavi. Kad je lego u krevet, smrdi cigo
ko futav. Kad je dan svanuo, carica se od njega otkrenula i seljaku
dobro nakrenula. U jutro su dali cigana pogubit, zaśto je vaki
smrdljiv usto i uz presvijetlu caricu leżo. — Erzählt von einem Bauern-
mädchen in Seoci, Slavonien.

Der Zigeuner afl Dreck.

Die Kaiserin hatte auf dem Busen einen Mond, am Nabel eine
Sonne und zwischen den Beinen einen Stern. Davon aber wußte
niemand zu sagen, sondern man gieng aufs Erraten, und wer es er-
riete, bekommt das halbe Kaiserreich.

Es waren so ihrer drei Brüder, der jüngste unter ihnen war der
dümmste. Als er sich auf den Weg machte, schmähten ihn seine
Brüder: ,Haben wir es nicht gekonnt, die wir die gescheidteren sind I'

— Als er dahinging, begegnete ihm ein Zigeuner. ,Wohin gehst du,
Bürschlein?' — ,Auch ich gehe, um bei unserer erlauchtesten Kaiserin
zu erraten, was sie hat/ — Sagt der Zigeuner: ,Ich gehe auch mit
dir/ — Als sie dort ankamen, erfuhr der Bursche im Traume, sie
habe das und das. Nachdem sie alle der Reihe nach gesprochen,
kam die Reihe auch an diesen. Der jüngste, der dümmste, der
Zigeuner aber stellte sich just ihm zur Seite. Dieser sprach: ,Unsere
erlauchteste Kaiserin hat am Busen einen Mond!' — Der Zigeuner
sagte: ,Einen Mond!' — Dieser sprach: ,Am Nabel hat sie eine Sonne!'

— Der Zigeuner sagte: ,Hat eine Sonne!' — ,Zwischen den Beinen hat
sie einen Stern I' — Der Zigeuner gleich nach ihm: ,Zwischen den
Beinen einen Stern!'

Sie konnten sich nicht recht darüber einigen, wer das richtige
getroffen. Darum sollen sich denn alle drei, der Zigeuner, der jüngste
Bruder und die Kaiserin in ein Bett legen. Der, dem die Kaiserin
zugewandt sein wird, der hat es getroffen. Der Bauer nahm allerlei
Kuchen mit sich, bei Nacht aber erhob er sich, ergriff den Stiefel,
gieng hinter die Türe und stöhnt. Fragt ihn der Zigeuner: ,Was tust
du?' — ,Da scheiße ich in den Stiefel hinein!' Er ergreift den Kuchen
und ißt, er machte aber den Spiegelfechter, um den Zigeuner zu
foppen. Fragt den Zigeuner: ,Was treibst du?' — ,Da esse ich jetzt
den Dreck und das, was übrig bleibt, werde ich auf den Kopf
schmieren!' — Den Zigeuner befällt ein Scheißdrang. Es geht auch
der Zigeuner, hinter die Türe scheißen. Er schiß die halbe Stiefel-
röhre voll an, dann hub er zu essen an. Was übrig blieb, damit rieb


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

er sich den Kopf ein. Als sich der Zigeuner ins Bett gelegt, stank
er, wie ein Wiedehopf. Als der Tag dämmerte, hatte sich die Kaiserin
von ihm abgewandt und dem Bauern tüchtig zugekehrt. In der Früh
ließen sie den Zigeuner hinrichten, weil er als solcher Stinkkerl er-
standen und neben der erlauchtesten Kaiserin gelegen.

602. Die Geschichte vom geschundenen Flohbalg.
(Pripoyjetka o buvinoj kozi oguljenoj.)

Es war einmal ein Kaiser, der hatte ein sehr schönes Töchterlein,
die war schon reif zu heiraten. Nun sann er darüber nach, an wen
er sie zur Frau ausgeben solle und geriet auf einen sinnigen Einfall,
fand einen Floh, schund ihn ab und nagelte den Flohbalg an die Türe
an. Nachdem er den Flohbalg an der Türe angenagelt hatte, erließ
er eine Kundmachung, daß der die Tochter heimfuhren solle, der da
erkennt, von was für einem Tier der Balg herrühre. Alle Welt eilte
herbei und keine Seele konnte herauskriegen, was für Balg an der
Türe sei.

Dazumal lebten ihrer drei Brüder, einer darunter war ein Narr,
die anderen zwei galten aber als gar gescheit. Der eine von den
Klugen machte sich reisefertig und wanderte dahin zum Kaiser. Also
ausgerüstet zog er des Weges und begegnete auf der Wanderung
einem alten Weibe. Die Alte bat ihn um ein Stückchen Brot
.Hungrig bin ich', sagte sie: ,Habe wohl Brot', sagte er, ,gebe aber
keines her, taugt mir selber welches.' Darauf sprach sie: ,So mögst
du denn auch nicht das Ding erraten, dessentwegen du dich bemühst'
Und so erzielte er denn auch wirklich nichts.

Begab sich dann auch der andere Kluge auf die Reise und auch
er begegnete dem alten Weibe und auch von ihm verlangte sie Brot
und sagte: ,Ich bin hungrig* und er erwiderte ihr: ,habe wohl eines,
doch dies brauche ich für mich allein', und sie versetzte darauf: ,So
mögst du, Söhnchen, auch nicht erraten, was du beabsichtigst!' Und
also war sein Mühen vergeblich, erraten konnte ers nicht

Schließlich bereitete sich jener Narr vor, kochte einen Brotfladen
ein und machte sich auf den Weg zum Kaiser, um die Art des selt-
samen Balges an der Türe herauszufinden. Auf der Wanderung be-
gegnete er dem alten Weibe: ,Söhnchen, so du an Gott glaubst und
einen Bissen Brot mit dir trägst . . . ich bin halb verhungert!1 Ant-
wortete er: ,Habe wohl eines, Mütterchen mein!' und schenkte ihr den
ganzen Fladen. Sie sprach zu ihm: ,Gott soll geben, Söhnchen, daß
du erraten mögst, auf was dein Sinn gerichtet ist!'


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen. 369

Auf der Weiterreise traf er mit einem Hodża zusummen, der auch
zum Kaiser wanderte, um zu erraten, was für ein Balg an der Türe
befestigt sei. Sie langten gleichzeitig vor dem Kaiser an. Da sprach
der Narr zum Hodża: ,Geh, rede du zuerstI' Entgegnete der: ,Du
Narr vorher I' Sagte darauf der Narr: ,Das ist ein abgeschundener
Flohbalg!' Gleich fiel der Hodża ein: ,Siehst du, das wollte ich eben
selber sagenJ' Jetzt war der Kaiser in Verlegenheit, was er anfangen
soll und entschied also: ,Meine Tochter möge zwischen euch zweien
schlafen heute zu Nacht, und wem sie sich in der Frühe zugekehrt
haben wird, wann ich zu euch komme, dem gehört sie zu eigen.'

Abends begaben sich die drei zu Bette. Der Narr sprang plötz-
lich vom Lager auf und schritt zur Türe hin. Fragte ihn der Hodża:
,Wo bist du gewesen?' ,Wasser habe ich abgeschlagen', sagte er. Der
Hodża glaubt, es sei wahr, erhebt sich und pisst sich bei der Türe
aus. Nach einer Weile springt der Narr wiederum auf und eilt zur
Türe hin. Fragt ihn der Hodża: ,Wo bist du gewesen?' Antwortete
er: ,Ausgeschissen habe ich mich!' Hurtig erhob sich der Hodża auf
die Beine und kackte sich bei der Türe aus. Zum drittenmal sprang
der Narr vom Bett auf und lief zur Türe hin. ,Wo warst du, Tropf?'
fragt ihn der Hodża. Entgegnete der Narr: ,Mußte doch das Zeug
aufessen, das ich hingeschissen; denn kommt morgen früh der Kaiser,
läßt er uns aufhängen, erblickt er das bedreckte Zimmer!' Der Hodża
glaubte ihm aufs Wort und tummelte sich, alles aufzuessen, was dort
lag, beschmierte sich dabei den Bart und legte sich so stinkig wieder
ins Bett hinein. Auf der Seite lag der Hodża, auf der anderen
der Narr.

Das Mädchen roch den Gestank und wandte sich vom Hodża ab
und dem Narren zu. Morgens, als der Kaiser kam und die Prinzeß
dem Narren zugekehrt, den Hodża aber bedreckt erblickte, ließ er
den Hodża hinrichten, indeß der Narr das Fräulein bekam. Und wenn
er noch lebt, geht es ihm auch heutigentags gut Hab* ich eine Lüge
gehört, hab' ich eine Lüge erzählt

(Von einem Bauer aus einem Dörfchen bei Srebrenica. Drina-

gebiet Bosnien).

Anmerkung. Die Ausstellung eines geschundenen Flohbalgs ist ein in
nordtürkisch asiatischen Märchen sehr beliebtes Motiv.

603. Husarsko govno.

Jednoć iśli husari manevrirat pa su pośli u jednog grofa Sumu.
Jednom husaru dogje potreba da ide na stranu, zaostane, sveze svog

Kraustt Anthropophyteia. IV. 24


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

konja za jedan rast, nasloni puśku do drugog rasta, ćućne pa sere.
A u to dogje grof, zgrabi karabin, koji je nabit bio pa zavikne: ,Ili
pojedi ovo govno ili ću te ubit!' — Husaru ne bi na ino, već sjedni
pa poćni jist. Al mu se jako gadilo, a kad je grof vidio, da je husar
malne polovicu svoga govna izjeo, oprosti mu ono śto ga je joś bilo
pa mu vrati karabin. Husar brźe objaśi konja, skoći prema grofu,
naperi na njega karabin pa mu zapoyjedi: ,11 pożderi umah ostatak il
ću te na mjestu ubiti!1 — Kuce, śta će ti moj grof, milo mu ne bijaśe,
siła kola tare, već ajd, pojedi onu ostalu polovicu husarske kobasice.

Sutradan dogje grof ritmajstoru, da tużi tog husara. Husari sol-
dati su stajali u glidi pa grof nije prepozno onoga, kojega bi okrivio.
Onda je ritmajstor zapovjedio: ,Onaj, koji grofa poznaje, nek stupi
van!1 — A izagje na tu zapovijed onaj husar pred ritmajstora: ,Gospo-
dine ritmajstore, ja poznam toga gospodinal' — ,A odakle ga poznasz

— ,Poznam ga, jer smo jućer zajedno rućali.' — Da se ne osramoti,
odustane grof od tużbe pa mu dade saku dukata, da nikom ne kazuje,
kako su se ćastili. — Erzählt von einem chrowotischen Taglöhner aus
einem Dorfe bei Belovar in Chrowotien.

Der Husarendreck.

Einmal zogen Husaren zu Feldübungen aus und gelangten in den
Wald eines Grafen. Einen Husaren befiel die Not, auf die Seite zu
gehen, er blieb zurück, band sein Pferd an einen Baum, lehnte die
Büchse an einen anderen Baum an, hockte nieder und kackte. In-
zwischen kam der Graf heran, packte den Karabiner, der geladen war
und rief aus: ,Entweder iß diesen Dreck auf oder ich erschieße dich!1

— Dem Husaren blieb nichts übrig, als setz dich nieder und fang zu
verspeisen an. Doch, es ekelte ihn recht sehr, und als der Graf sah,
daß der Husar nahezu die Hälfte seines Dreckes aufgegessen, erließ
er ihm gnädig, das was noch übrig geblieben und gab ihm den Kara-
biner zurück. Rasch schwang sich der Husar aufs Pferd hinauf
sprengte gegen den Grafen los, legte den Karabiner auf ihn an und
befahl ihm: »Entweder friss augenblicklich das Überbleibsel auf oder
ich töte dich auf der Stelle!' — Wohin soll er, was soll er dir mein
Graf, lieb war es ihm nicht, Gewalt bricht den Wagen, vorwärts, mit
frischem Mut, iß die übrige Halbscheidt der Husarenwurst auf.

Am anderen Tag kam der Graf zum Rittmeister, um diesen
Husaren zu verklagen. Die Husaren standen in Reih und Glied und
der Graf vermochte jenen nicht wiederzuerkennen, den er beschuldigen


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

sollte. Hierauf befahl der Rittmeister: Jener, der den Grafen kennt,
soll heraustreten!1 — Auf diesen Befehl hin trat jener Husar vor den
Rittmeister vor: ,Herr Rittmeister, ich kenne diesen Herrn l' — ,Und
woher kennst du ihn?' — ,Ich kenne ihn, weil wir gestern zusammen
gefrühstückt haben.' — Um sich nicht zu beschämen, nahm der Graf
von der Klage Abstand und gab ihm eine hand voll Dukaten, damit
er niemandem erzähle, wie sie in Ehren einander bewirtet haben.

604. Da govno otrese.

V

U śumi bio Sumar sa paurom. Sumara potjera i on ode za panj
pa se posere, uzme papir pa otare guzicu. To je gledo paur pa kad
ga jednoć potjeralo srat, ponese papira a kako je papir bio tvrd,
razgrebe guzicu. Drugiput kad ga je tjeralo srat, uzme flispapira,
ode za panj srat, tare guzicu papirom, papir se prodere a paur prstima
vuće po guzici. Kad je osjetio, da su mu ruke usrane, poćne rukama
treskati, da govno otrese. I ovako treskajući udari o panj i udari se
jako. Kako je to već obićno, kad se ćoek udari po ruci, da je ustima
prinese, da ga tako boi mine, ućini i on tako te posranu ruku turi u
usta. — Erzählt von einem Bürger zu Pożega in Slavonien.

Um den Dreck abzuschütteln.

Im Walde weilte der Förster mit einem Bauern. Den Förster
befiel ein Drang und er begab sich hinter einen Baumstamm und
kackte sich aus, nahm ein Papier und wischte den After ab. Dem
schaute der Bauer zu und als es ihn einmal zu scheißen drängte, nahm
er Papier mit und da das Papier hart war, zerkratzte er sich das Arsch-
loch. Ein zweitesmal, als es ihn zu scheißen drängte, nahm er Fließ-
papier, gieng hinter den Baumstamm scheißen, wischte den After mit
dem Papier aus, das Papier reißt durch und der Bauer zieht mit den
Fingern übers Arschloch. Als er seine Hände beschissen fühlte, be-
gann er mit den Händen zu beuteln, um den Dreck abzubeuteln. Und
so beutelnd schlug er an den Baumstamm an und schlug sich fest an.
Wie das schon gewöhnlich ist, wenn sich der Mensch auf die Hand
schlägt, daß er mit ihr zum Munde fährt, damit so der Schmerz von
ihm weiche, tat auch er und steckte die beschissene Hand in den
Mund.

Anmerkung. Wie schon früher einmal bemerkt, waschen sich die Moslimen
nach jeder Notdurftverrichtung den After und die Geschlechtteile, nicht so der Christ,
indessen geht auch der christliche Bauer oder die Bäuerin gewöhnlich nicht mit
Kotüberbleibseln einher, sondern wischt sich mit grünen Blättern, mit Gras oder

24*


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Heubüscheln gründlich aus. Auch wascht er seine Finger zuweilen ab, wenn daran
Unflat kleben blieb. Den im Freien abgesetzten Dreck fressen die Schweine oder
pickt das Geflügel auf oder es setzen sich unzählige Fliegen und Mücken auf
die Bescheerung und verbreiten dann etwaige Krankheitkeime weit und breit.
Darum herrscht unter den Chrowoten, wo sie in Dörfern gedrängt Haus an Haus
nahe an einander siedeln, gewöhnlich Krankheit jeder Art. Zur Zeit der Müitär-
grenze zwang die deutsche militärische Verwaltung die Leute, an jedes Haus einen
Abort anzubauen. Nach Auflösung der Militärgrenze zerfielen mit der Zeit auch
die aus Bretterwänden hergestellten Aborte und die ursprüngliche Säuerei nahm
wieder überhand.

605. Galetica.

Sastala se dva bodula u njekom malom dalmatinskom mjestu.
Trebalo je tu da prenoće pa sjutradan dalje da otputuju. Nagju u
njekoj gostioni zgodnu sobu pa kako su bili prijatelji, nije im bilo za-
zorno zajedno noćiti. Jedan od njih, debeo i krupan, pio je ćesto
vode po noći. Radi toga zamoli gostionićara, neka mu donese vre
vode, kako bi se mogao napiti po noći, ako kao obićno uzżedni.

Dva bodula zaspała a debeljko naslonio vrc vode pokraj svoje
glave. U njeko doba noći moga drugoga bodula potjerala mala і
velika tjelesna potreba. U sobi nije bilo vrea za to a on je bio lijen,
da se oblaci i izlazi na polje. Uzme vrc sa vodom, koju je debeljko
bio namijenio za pice. U njemu ućini i malu і veliku potrebu. Zado-
voljan, śto se oprostio toga tereta, legnę po novo i zaspa kao zaklan.

Mało kasnije probudi se debeljko, źedan. Prihvati vrć i dobro
gutne vode. Pijući vodu dogje mu u usta komad govneta. I ni snije-
vajuci śta je, reće:

— Ki je vrag moćija galeticu u ovi verć?l

Sjutradan kad je vidio śta je, podigao je larmu na gostionićara,
koji nikako nije znao, da protumaći to cudo. Onaj drugi boduo mu-
ćao je kao zaliven.

Aufgezeichnet in Norddalmatien von Dr. Alexander Mitrovic.

Zwieback.

Zwei Eiländler trafen einander in einem kleinen dalmatischen Orte.
Da mußten sie übernachten, um am anderen Tage weiter zu wandern.
In einem Gasthofe fanden sie eine geeignete Stube, und da sie mit-
einander befreundet waren, war es ihnen nicht zuwider gemeinsam zu
nächtigen. Der eine von ihnen, ein dicker, vierschrötiger Mann, trank
nachts öfters Wasser. Deshalb ersuchte er den Gastwirt, er möge ihm
einen Krug Wasser bringen, um sich nachts, wann es ihn, wie ge-
wöhnlich dürsten sollte, anzutrinken.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Die zwei Eiländler schliefen ein, der Dickwanst aber lehnte den
Wasserkrug neben seinem Haupte an. Zu vorgerückter Nachtstunde
bedrängte meinen anderen Eiländler die kleine und die große Not-
durft. In der Stube gab es zu diesem Zwecke kein Gefäß, der jedoch
war zu faul, sich anzukleiden und hinauszugehen. Er ergriff den Krug
mit dem Wasser, das der Dickwanst zum Trinken bestimmt hatte.
Darein verrichtete er sowohl die kleine als die große Notdurft Zu-
frieden, daß er sich dieser Bürde entledigt, legte er sich neuerlich
nieder und schlief wie geschachtet ein.

Ein wenig später erwachte durstig der Dickwanst, hob den Krug
und tat einen tüchtigen Schluck Wasser. Beim Trinken geriet ihm
ein Stück vom Dreck in den Mund. Und ohne im Traum nur zu
ahnen, was es wäre, sagte er:

— Welcher Teufel tunkte Schiffzwieback in diesen Krug ein?!
Als er am anderen Morgen sah, was der Mähr sei, erhob er gegen

den Gastwirten ein Gelärm, der sich dies Wunder gar nicht zu er-
klären vermochte. Der andere Eiländler schwieg dazu wie begossen.

Anmerkung. Der Schiffzwieback (ital. galetta) ist zuweilen so abgelagert,
daß er ein Gerüchlein und Geschmäcklein gewinnt, der an Dreck gemahnt. In
dalmatischen Einkehrwirtshäusern gehört ein Nachttopf zu den seltensten Luxus-
gegenständen. Die Eiländler, die noch die im Austerben begriffene chrowotische
êa-Mundart sprechen, hält der Festlandbewohner, der rein serbisch spricht, für
ungehobelte, rücksichtlose Gesellen, die er spöttisch bodu lani (Einzahl: bo du o)
nennt.

606. Turćin, sveti Nikola i Muhamed.

ZaSao spahija turćin po spahiluku te pokupio od raje ovce pa ih
poterao u grad na prodaju. U putu naigje na jednu reku preko koje
je morao da se preveze s ovcama na skeli.

— Pomoli se aga svecu, da zdravo i mirno pregjemo preko reke!
każe mu Srbin, koji je ovce gonio.

— A korne, bre rajo, svecu da se pomolim?

— Pa naśem svetom Nikoli, aga, jer on pomaźe i na putu i
na vodi!

 Vas sveti Nikola neka jede govna a moj dobri і veliki prorok
Muhamed neka mi bude u pomoći! odgovori turćin.

Tako se naveze s ovcama i kad je bio na sred reke jedna ovca
skoći u reku a za njom poćnu da skaću і ostale. Videci to turćin
po vice iz s vega glasa:

— Muhamede govna jede, sveti Nikola ne daj i pomozil
Ovce isplivaju і izagju zive na obalu a turćin će Srbinu:


Südslavische Volksüberlieferungen! die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

— E bre rajo, an as an a bre, megjer je istina, da vas sveti Nikola
bolje pomaże no naS Muhamedl

Erzählt von einem Bauern aus der Gegend von Temnić in Serbien.

Der Moslim, der hl. Nikolaus und Mohammed.

Ein muslimischer Gutherr zog durch seine Gutherrschaft, sammelte
von der Rajah Schafe ein und trieb sie in die Stadt zum Verkauf.
Auf dem Wege kamen sie an einen Fluß, über den er mit den Schafen
auf einer Fähre übersetzen mußte.

— Richte, Aga, ein Gebet an den Heiligen, damit wir heil und
ruhig über den Fluß hin überkommen I sagte zu ihm der Serbe, der die
Schafe trieb.

— Ja, Rajah, zu welchem Heiligen wohl, soll ich denn beten?

— Nu, zu unserem heiligen Nikolaus, Aga, denn er hilft sowohl
auf Land- als auf Wasserwegen/

— Euer heilige Nikolaus soll Dreck essen, mir aber soll mein
guter und großer Prophet Mohammed hilfreich beistehen! antwortete
der Moslim.

Also tauchte er mit den Schafen an und als er sich in Mitten des
Flusses befand, sprang ein Schaf in den Fluß und ihm begannen auch
die übrigen nachzuspringen. Als dies der Moslim sah, rief er aus
voller Kehle aus:

— Mohammed ißt Dreck, o heiliger Nikolaus, wehr ab und hilf!
Die Schafe schwimmen heraus und erreichen lebend das Ufer.

Der Moslim aber bemerkte zum Serben:

— Ei, potz Rajah, unvermutet ists, potz, also ists doch wahr, daß
euer heilige Nikolaus wirksamer als unser Mohammed hilft!

607. Nasredin odża u Debru.

Kad je Nasredin odia posao u Debar (Makedoniju), on je mislio,
da će i tamo ćiniti ono śto je po drugim varoSima ćinio. Kad se je
pribliżio Debru on sretne na putu jednog Debranca i pośto ga zadrżą,
upita: ,Ama, Boga ti, ima li u Debru kakva stvar, koja bi se mogła
za deset para kupiti i da se od nje covek dobro najede pa da je pośle
może prodati za deset paraf' — Debranac mu odgovori: ,Ima, i możeś
kupiti za deset para jedno śkembe, i pośto pojedeś izmet ako si voljan
da prodaś śkembe, svaki će ga za deset para kupiti.1 — Ćim je Nas-
redin odża dobio ovakav odgovor, odmah se s puta vratio i vise ni-
kako u Debar nije dolazio. — Brastvo, В. IX u. X. S. 443.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Nasreddin der Hodźa in Debar.

Als sich Nasireddin der Hodia nach Debar (in Mazedonien) auf-
gemacht, da gedachte er, auch dort dieselben Streiche auszuführen,
die er in anderen Städten den Leuten gespielt. Als er sich Debar
genähert hatte, begegnete er auf dem Wege einem Debarer und nach-
dem er ihn aufgehalten, fragte er ihn: ,Aber, Gott steh dir bei, gibt
es wohl in Debar irgend eine Sache, die man für zehn Paras kaufen
könnte, und daß sich ein Mensch an ihr tüchtig anessen könnte und
daß er sie später wieder für zehn Paras weiterverkaufen könnte?' —
Der Debarer antwortete ihm: ,Die gibts, und du kannst um zehn Paras
eine Kuttelflecke kaufen, und nachdem du daraus den Unflat aufge-
gessen, wird dir sie jeder, wenn du willens bist die Kuttelflecke zu
verkaufen, um zehn Paras abkaufen*. — Sobald als Nasireddin eine
solche Antwort erhalten, kehrte er sogleich vom Wege um und ist
unter keinen Umständen je mehr nach Debar gezogen.

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608. Prst u guzicu.

Natezao se Bugarin i nikako nije mogao da bljuje (povraca).
Video ga Era pa će ga upitati:

— A śto radiS to, Bugo?

— Niśta, Ero, bljuje mi se pa ne mogul

— Ta to je lako, brate, odgovori mu Era, prst u guzicu pa u
usta, pa opet u guzicu pa u usta pa ćeś izbljuvati i ono śto si na
lanjski Bożić pojeo!

Erzählt von einem Landmann (St M.) aus Jasika bei Krusevac in
Serbien.

Mit dem Finger ins ArschlochI

Ein Bulgare strengte sich an und konnte sich auf keinerlei Weise
erbrechen (kotzen). Ein Herzler sah ihn und fragte ihn:

— Ja, was treibst du da, Bulgl?

— Nichts, Herzler, es ist mir brecherisch zu Mute und ich kann
nicht !

— Na, dem ist doch, Bruder, leicht abgeholfen, antwortete ihm
der Herzler, fahr mit dem Finger ins Arschloch und in den Mund
hinein, dann wieder ins Arschloch und dann in den Mund und
du wirst erbrechen auch jenes, was du zur vorjährigen Weihnacht
gegessen !


2 уб Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Anmerkung. Das Mittel erscheint dem serbischen Bauern im serbischen
Binnenlande höchst ekelhaft und darum erzählt er davon; er selber pflegt in einem
solchen Falle bloß den Mittelfinger in die Kehle tief hineinzustecken. Chrowotische
Bauern sah ich öfters den mit Speichel durchsetzten Bodensatz aus der Tabakpfeife,
den sie bag au 5 heißen, entnehmen und schlucken. Die Brechwirkung ließ gar
nicht lange auf sich warten. Manchem Zuschauer ward vom bloßen Mitansehen
totschlecht zu Mute. Als sich einmal bei einer Kirchweihe in einem chrowotischen
Dörfchen ein betrunkener Gast erbrochen, der auch zuviel fettes Schweinefleisch
gegessen, weigerten sich alle Frauen im Hause, das Erbrochene vom Tisch weg-
zuputzen. Man ließ ein großes Schwein in die Stube hinein, das leckte alles auf
und dann setzte man sich wieder gemütlich zu Tisch, um weiter zu schmausen
und zu saufen.

609. Govna jisti.

DoSao Sobotaga u nekakva seljaka pa ce od sale oprijet gjetetu
ćibukom u trbuh i upitati ga: ,Śta ti je, dijete, u trbuhu?' — ,Bogme,
skrob, agal1 — Dijete ne budi lijeno pa poSto mu odgovorilo upitaće
ono njega: ,A Sta je u tebe, aga?* — ,Govna, dijete!' — ,A Boga ti,
aga, kad si ih ijor* — ,Bogme, dijete, kad sam tebe pitao/ odgovori
Śobot Poslije toga je ovo Sobotaga ceSće prićao pa bi uvijek dodao:
,E, niko me ne pre van ko vlasko dijete!' —

Entnommen Luka Grgjić-Bjelokosićs: Stotina Saljivih prića
iz srpskog narodnog zivota u Herceg-Bosni. Mostar 1902, S. 82 f. —
In einer dieser vorangehenden Erzählung sagt Grgjić: JEs lebte einst
ein gewisser Śobo Avdic zu Rudine, ein wegen seiner Heldentaten im
Kriege und wegen seines fröhlichen Humors in Gesellschaft berühmter
Türke/ Das war wohl um die Mitte des 18. Jahrhunderts, da Śobot
als ein Gefährte des gefurchteten DerviSpaSa genannt wird.

Dreck fressen.

Sobotaga traf bei irgend einem Bauern ein und spaßeshalber
stemmte er sein Pfeifenrohr einem Kinde auf den Bauch an und fragte
es: ,Was hast du da, Kind, im Baucher' — ,Bei Gott, Aga, Haber-
grütze!' — Das Kind nicht faul, nachdem es ihm geantwortet, richtete

wieder an ihn die Frage: Ja, was hast denn du in dir, Aga?;--

,Dreck, o Kind.' — ,Ei, so Gott dir helfe, Aga, wann hast du denn
einen
gegessen:' — ,Gott schlag mich, Kind, als ich dich befragte.4
antwortete Śobot. Späterhin pflegte Sobotaga des öfteren davon zu
erzählen und immer fügte er hinzu: ,Ei, niemand hat mich so wie das
vlahische (christliche) Kind übertölpelt!4

Anmerkung. Die Geschichte erklärt fein den Sinn der Redewendung vom
Dreckessen. Ich will sie noch deutlicher durch ein anderes Beispiel erläutern. Ende


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Mais 1906 erschienen die „Abgesandten des chrowotischen Volkes" (eine Anzahl
ihrer Landtagabgeordneten) vor dem neugewählten magyarischen Präsidenten des
Budapester Reichparlaments und der Führer der Chrowoten hielt an den Magya-
rember eine deutsche Ansprache, was ja natürlich ist, da er selber kein magyarisch
und der Magyar kein chrowotisch versteht. Da warf sich der Magyar in die Brust
und belehrte die Gratulanten mit erheuchelter Entrüstung, in diesem hohen Hause
dürfe man nur magyarisch oder chrowotisch sprechen, nimmermehr aber deutsch,
die Sprache des Feindes, zu dessen gemeinsamer Abwehr man sich all hier vereinige I
Das heißt man auch: Dreck fressen. Übrigens, was solche Magyaren und Chrowoten
einander gönnen, das möge ihnen zukommen.

Wie sich der Witz Sobotagas mit dem Kinde zu einem allgemeinen Volks-
witz abgeschliffen, das lehrt die nachfolgende Fassung des Gesprächs.

610. Śta imaS u trbuhu?

Pitao turćin raju: Śta imaś u trbuhu?

— Hleba, aga.

— Kad si ga jeo?

— Jutros, aga.

— To nije hieb, nego to su govna.

— A Sta ti imaś u trbuhu, aga?

— Govna, dakakol odgovori aga.

— A kad si ih jeo?! upita raja.

Aus dem Moravagebiete in Serbien. Von einem Lehrer erzählt.

Was hast du im Bauche?

Ein Türke fragte eine Rajah: Was hast du im Bauche?

— Brot, Aga.

— Wann hast du es gegessen?

— Heut morgens, Aga.

— Das ist kein Brot, sondern ein Dreck.

— Ja, was hast denn du, Aga, im Bauche?

— Dreck, selbstverständlich! gab der Aga zur Antwort

— Ja, wann hast du ihn denn gegessen?! fragte die Rajah.

611. Gincarin i śegrt.

Pitalo Segrće majstora ein carina: ,Śta ćemo, majstore, danas rućku?'
— ,Govno!' — ,Dobro majstore tebi, ali śta će biti meni?' — Ognjen,
Bosanska Vila 1887, Heft 9, Nr. 78.

Der Zinzare und der Lehrling.

Der Lehrjunge fragte seinen Lehrherrn den Zinzaren: ,Meister,
was nehmen wir heute zum Mittagessen ein?' — ,Einen Dreck!1
,Gut, der ist für dich, Meister, doch was werde ich kriegen?' —


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

612. Slabigovno.

Po uveravanju jednoga kolege, 1886 godine bio je u V. razredu
Druge Beogradske Gimnazije gjak koji se prezivao Slabigovno. Ne
seća se ödakle je, ali mu se ćini, da je iz uźićkog okruga. — Mitteilung
eines Belgrader Gymnasialprofessors.

Schwächdendreck.

Nach der Versicherung eines Kollegen war im J. 1886. in der
V. Klasse des II. Belgrader Gymnasiums ein Schüler, der den Über-
namen Schwächdendreck führte. Er entsinnt sich nicht, woher der
stammte, doch scheint es ihm, er wäre aus dem Kreis von Uźica
gewesen.

Anmerkung. Slabigovno dürfte wohl nur ein Synonim für das gewöhn-
lichere Govnogrizac, Dreckbeißer sein, das einen bezeichnet, der verrücktes Zeug,
vorzugweise falsche Gerüchte weiterverbreitet. Es kommt auch der Name Gazi-
govno, Trittindendreck vor, angeblich als gemeingiltiger Zuname. Das wäre
wieder ein Synonim zu gazibiato (Kottreter, Trittindenkot, Wichtigtuer) und
kalógaża. Vielleicht ist aber gazigovno ursprünglich ein Schimpfwort: ghazi
govno, der Glaubenkämpfer Dreck, für einen, der den lieben Gott bei den großen
Zehen zerrt, wie man bei uns sagt und als Gottes Gendarm und übereifriger Ver-
treter der Religion friedliebenden Leuten beschwerlich wird. Slabigovno könnte
man auch als einen Dreckbezwinger auffassen, als einen Bramarbas, wie man
einen solchen Helden bei uns heißt.

613. Buba ga sere.

DoSlo dete kod cincarina, da kupi za marjaS meda. Cincarin kao
cincarin ne dade ni pola kasike.

— ,Pa ovo je mało, ćićal' reće dete.

— ,E, dete/ odgovori cincarin, med je to, buba ga sere. Da ga
serem ja pa da ti napunim corbaluk za marjaś!' — Aus Serbien.

Die Imme scheißt ihn.

Es kam ein Kind zum Zinzaren, um für einen Mariensilberling
Honig zu kaufen. Der Zinzare, wie ein Zinzare schon ist, gab nicht
einmal einen halben Löffel voll.

— Aber, das ist doch wenig, Onkel! sagte das Kind.

— Ei, Kind, antwortete der Zinzare, das ist ein Honig, die Imme
scheißt ihn. Laß du mich ihn mal scheißen und ich bin bereit, dir
für ein Marienstück eine Suppenschüssel anzufüllen!


Südslavische Volksüberiieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Anmerkung. Der Witz wird dadurch verstärkt, daß der Zinzare für Imme
(p2ela) buba (Geziefer) sagt. Die Zinzaren sind Rumänen aus Mazedonien. Die
Greisler (Viktualienhändler), Krämer und Allesbesserversteher in Serbien sind zu-
meist Zinzaren. Man behauptet scherzweise und meint es halb im Ernste, der Zin-
zare esse aus lauter Sparsamkeit den Dreck unter sich weg. — Marjas heißt in
Serbien ein Zehncentimes-Stück (deset para). Der Name ist ein Überlebsei aus
älterer Währungzeit.

614. Pojedi Lazu!

S one strane Save egzekutor, koji naplaćuje porezu i izvrSuje
ostale naplate vazi kao bauk i ceo ga se svet plaśi. Tako kao śto
u nas décu plaśe vukom, tako i u njih egzekutorem.

Covek i źena iz jedne siromaśne kuce pogju jednog letnjeg dana
na njivu, da żnju a kod kuce ostave samo svoja dva sinćića, manjega
Lazu u kolevci i vecega Triśu kod kolevke, da Lazu ljulja i zabavlja
i da ga cuva.

Najedanput banu egzekutor u kucu. Triśa videci strano lice, kao
śto već obićno deca eine, uplaśi se i zbuni. Uzalud je egzekutor pitao,
gde su mu otac i mati, Triśa sa uplaŚio pa ni da beknę. Najzad se
egzekutor doseti pa reće:

— ,Odmah da kaźeś, gde ti je otac ili ću te pojesti! Ja sam eg-
zekutor I'

Dete znajući, da se samo onom detetu każe, da će ga pojesti
egzekutor, koje ne sluŚa a znajući opet da samo nije niśta skrivilo,
reće placu ći:

— ,Nemoj mené, ja sam dobar. Pojedi Lazu, on se usrol' — Aus
Serbien.

Friß Lazar auf!

Jenseits der Save gilt der Exekutor, der die Steuern eintreibt und
sonstige Zahlungen einhebt, gleichsam als ein Baubau und alle Welt
hat eine Angst vor ihm. Sowie man bei uns die Kinder mit dem
Wolf schrickt, so bei jenen auch mit dem Exekutor.

Mann und Frau aus einem armen Hause begaben sich eines
Sommertages auf den Acker, um zu fechsen, daheim aber ließen sie
blos ihre zwei Söhnchen, den kleineren Läzar in der Wiege und den
größeren Triśo an der Wiege, mit der Aufgabe, Lazarchen zu wiegen,
zu unterhalten und zu behüten.

Auf einmal fiel der Exekutor ins Haus herein. Als Triśo das
fremde Gesicht sah, erschrak er und geriet in Verwirrung, wie dies
schon gewöhnlich bei Kindern eintritt. Vergeblich befragte ihn der


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Exekutor, wo ihm Vater und Mutter wären, Triśo war erschrocken
und es verschlug ihm die Rede. Endlich hatte der Exekutor einen
guten Einfall und sagte:

— Augenblicklich sollst du es sagen, wo dein Vater ist oder ich
freß dich aufi Ich bin der Exekutorl

Wohl wissend, daß man nur dem unfolgsamen Kinde droht, der
Exekutor werde es fressen, dann aber auch im Bewußtsein seiner Un-
schuld, rief das Knäblein aus:

— Verschon mich, ich bin brav. Friß Lazar auf, der hat sich
beschissen!

Anmerkung. Zur Zeit der Aufzeichnung dieser Erzählung war der Gericht-
vollzieher im Königreich Serbien noch eine sehr seltene Erscheinung und man
konnte die ungarischen und österreichischen Serben wegen ihrer hohen Steuerlasten
und ihres Exekutors verspotten. Seitdem aber auch Serbien mit Einsicht, Fleiß und
Eifer bestrebt ist, politisch eine Großmachtstellung im Staatenkonzerte durch
massenhafte Kanonen- und Gewehranschaffungen zu erringen, hat sich der Kultur-
zustand allgemein gehoben und es besuchen sehr häufig Gerichtvollzieher die.
Heimstätten des serbischen Städters und Bauers, um der noch wenig patriotisch
lodernden Steuerbegeisterung des Volkes nachzuhelfen. So ist denn auch in dem
reinen serbischen nationalen und konfessionellen Königreich der Exekutor eine zwar
dem Gedankenkreise, doch nicht dem Herzen des Volkes sehr befreundete Gestalt
geworden.

615. Kadya і tri brata.

Bio jedan covek, imao tri sina, і svu je trojicu lepo othranio і
oźenio. Kako je on bio postar, te nije mogao raditi, sinovi mu odrede
jednu sobicu, gdi je sam sedeo i sam se sluśao, a oni ga prenebregnu.
Vide starać Śta sinovi od njega uradiŚe i da se ne może dugo ovako
izdrźati, doseti se jadu, te nabavi jedan cup i nekoliko tantuza, pa
donese u svoj sobićak a da sinovi ni znali nisu. U cup je starać
srao, a tantuze svako veće pośto se zatvori, brojao. Jedne veceri
jedna od njegovih snaha ćuje da u starcevoj sobi neśto zvecka, osluśne
na vrata i ću da starae broji pare, pa kaze svome muźu a ovaj osta-
loj braci. Nekoliko veceri tako su svi sluśali і uvek ćuju da kod starca
zvece pare, pa najzad se reśe da ga pitaju śta to on radi svako vece.
Sjutra dan sva tri sina odu u ocevu sobu: Śta ti, babo, svako vece
brojiś? — A starać im odgovori: Brojim pare śto sam u srećno doba
uśtedio. — Oni ga zapitaju: Gdje su ti te pare? Śta ćeś s njima da
radiś? — A starać im odgovori: Evo ih u ćupu i ostavicu onom sinu,
koji me bude najbolje nadgledao. — Sinovi kad ovo Ćuju, stanu se
nadmetati, ko će oca bolje da uslużi. Kad je starać video da su sinovi
poćeli s njim dobro postupati, mete u ćup povrh govana tantuze, uveze


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen. 381

ćup i zakopa ga pod krevet і posle kratkog vremena umre. Posle
smrti oceve stanu se braća svagjati korne će pripasti ćup, jer je svak
od njih govorio, da je on оса najbolje nadgledao і da po ocevom
zaveStaju treba njemu da pripane ćup, pa kako se nisu mogli slożiti,
odu kadiji da im on presudi. Kadija naredi da se donese ćup, prostré
na sred sobe ćilim, a ćup obesi na sredini nad ćilimom. On sedne
na sred ćilim a ispod ćupa, a njima naredi da stanu van ćilima, pa Sta
pane na ćilim i na njega, to će biti njegovo, a Sto pane van ćilima,
to njih trojica da podele; pa naredi gavazu, da jednom batinom łupi
po ćupu i razbije ga. Gavaz uradi po naredbi a govna se iz ćupa
sroljaju na kadiju, njega i ćilim sve izmacaju a i braću poprskaju.
I tako je kadija najviSe dobio.

Aus der serbischen Krajina. Erzählt von einem Beamten.

Der Kadi und die drei Brüder.

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Söhne und alle drei erzog
er ordentlich und beweibte sie. Wie er so alt war und nicht mehr
arbeiten konnte, bestimmten ihm die Söhne ein Stübchen, wo er allein
saß und sich selber bediente, sie aber kümmerten sich um ihn gar
nicht mehr. Der Alte sah, was die Söhne aus ihm gemacht und daß
es nimmer länger so auszuhalten sei, erfaßte die Ursache seines Un-
gemachs und schaffte sich einen Schmalztopf und einige Salzkörner-
stücke an und trug dies in sein Stübchen hinein, ohne daß seine Söhne
davon irgend etwas wußten. In den Topf schiß der Alte hinein, die Salz-
stücke aber zählte er allabendlich, nachdem er sich eingeschlossen hatte.

Eines Abends vernahm eine seiner Schwiegertöchter, daß in des
Alten Stube etwas klimpere, loste ein wenig an der Türe auf und hörte
den Alten Geld zählen. Da sagte sie davon ihrem Ehemanne, der
aber erzählte es den übrigen Brüdern. Einige Abende hindurch haben
so alle zugehört und immer vernahmen sie, daß beim Alten Münzen
klingen und schließlich beschlossen sie ihn zu fragen, was er da all-
abendlich treibe. Am andern Tag begaben sich alle drei Söhne in
des Vaters Stube: Was zählst du, o Vater, jeden Abend? —Der Alte
gab ihnen aber zur Antwort: Ich zähle das Geld, das ich in glück-
licheren Tagen erspart habe. — Sie fragten ihn: Wo hast du diese
Münzen aufbewahrt, was gedenkst du mit ihnen anzufangen. — Und
der Alte gab ihnen zur Antwort: Hier stecken sie im Schmalztopf
und hinterlassen werde ich sie jenem Sohne, der mich am sorgsamsten
betreuen wird. —


382 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Als die Söhne dies vernommen, begannen sie miteinander zu wett-
eifern, wer von ihnen dem Vater die besten Dienste leisten werde. Als
der Alte merkte, daß die Söhne mit ihm gut vorzugehen angefangen,
legte er in den Schmalztopf über den Dreck die Salzstücke, verband
den Schmalztopf und vergrub ihn unter dem Bette und kurze Zeit dar-
nach verschied en —

Nach dem Ableben des Vaters entbrannte zwischen den Brüdern
ein Streit, wem der Schmalztopf zufallen werde, denn jeder von ihnen
behauptete, er habe den Vater aufs allersorgsamste betreut und das
nach des Vaters letztwilliger Verfügung ihm der Schmalztopf zuzu-
fallen habe. Und da sie auf keine Art und Weise einig werden konnten,
begaben sie sich zum Kadi, damit er ihnen Recht spreche. Der Kadi
verfügte, daß man den Schmalztopf zur Stelle herschaffe, breitete dann
mitten in der Stube einen Teppich auf, den Schmalztopf aber hing er
mitten über dem Teppich auf. Er setzte sich mitten auf dem Teppich
unterhalb des Schmalztopfes nieder, ihnen aber befahl er sich außer-
halb des Teppichs aufzustellen und was auf den Teppich und auf ihn
herabfalle, das werde ihm zufallen, was aber über den Teppich hinaus-
falle, das sollen ihrer drei unter sich aufteilen. Und er befahl dem
Kavaz, mit einem Stocke auf den Schmalztopf loszuhauen und ihn
zu zerschlagen. — Der Kavaz tat nach dem Befehl, die Dreckmasse
aus dem Schmalztopf brauste auf den Kadi nieder und bedeckte ihn
und den Teppich von oben bis unten, bespritzte aber auch die Brüder.
Und also hat der Kadi den größten Teil abbekommen. —

Anmerkung. Die Geschichte vom alten Ausgedinger ist sehr verbreitet.
Absichtlich wählte ich vorstehende Fassung zuerst, weil sie der folgenden gegen-
über zeigt, wie sich eine Erzählung verschlechtem kann, wenn ein Erzähler die
Pointe sei es aus Nachlässigkeit sei es aus mangelndem Verständnis ausläßt, so
daß der Witz, in unserem Falle die Rache an dem Kadi, ohne Begründung bleibt.

616. Ćup.

Imo j otac dva sina. Oba su bili trgovci pa se zavade sa ocom
te ga oće da iśćeraju iz kuce. Onda će otići oba sina kod kadije i
ponesu dvije junge masła. Onda će kazati: ,Efendija, mi viSe ne mo-
remo oca da trpimo. Prvo ne će da sluśa nas a drugo ne će naśije
żena.' — Onda će kadija kazati: ,Nek dogje taj vaś otac k menil'

Onda sinovi ocu kaźu: ,Ajdemo, otac, kadiji. Neśto nas poziva!1
— Onda dogje otac sa dva sina kadiji. Kadija upita starca: ,Zaśto,
stari, ti ne sluśaś svoji sinova?' — Starać każe kadiji: Ja ne mogu


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

sinova sluśiti, jer sam već ostarijo a kad sam ja nji ranio niko nije
ćuo a kada oni mené poćeśe raniti hljebom ondo svatko ćuje!'

Kadija otsudi starcu, da mora sinove slużiti ili ici kud mu drago.
Onda pogje starać sa svoja dva sina niz ćarśiju. Onda trgovci kaźu
sinovima: ,To je, bolan, sramota svoga oca oterati pa da ide pod
starost drugoga slużit; nego podajte mu jednu odaju u kuci pa nek
starać Zivi tute!' — Onda oni dadu ocu jednu odaju.

Onda će starać ziviti u toj odaji nekoliko dana. Onda zovne
mlagju snahu a smete mnogo krtoga za vrata i baci u nj nekolika
karantanca pa każe snahi: ,De, żiva bila, izbaci onaj krtog iza vrata!*
Śto snaha i posluŚa i nagje one karantane u krtogu pa każe: Joj babo,
evo nekakvi para! To si ti prosuo/ A starać każe: ,Ta sta će mi
pare? Imam ih, da ji jedem, ne bi jih pojiol* Pa izvadio tri grosa i
dade snahi, da mu ćup kupi. Onda snaha donese njemu ćup a starać
imao nekolko karantana pa po celi dan gje saspi gje istresi iz ćupa
na zemlju, samo da zvoni.

Onda starija snaha prividi pa każe svome ćoeku: ,Bome, u naśega
babe ima dosta novaca; vazda ij je danas brojio a daj da ga zovnemo
sebi. Babo će umreti pa će ostati Zlati sve pare!' śto i ućine. Starać
sada pregje u odaju starijega si sina pa u onaj ćup, śto mu je mlagja
snaha kupiła napogani pun i napiśe jednu knjigu i mętne na ćupa.
Cup smołom zapećeti i odnese ga u li v ad u u vrbu i odma se razboli.

Onda ga sinovi zapitaju: ,Babo, ti ćeś belćim umreti a może biti
da imaś novaca pa ća ostati drugom!' — Starać odgovori: ,Sinko, vi
mené dobro saranite, kazaću vam za novce. Novaca eno u livadi u
vrbi, ali sinko, tako ne imali za mnom na onaj svijet, kako bez kadije
podjelite!' — Sinovi oca sarane i uzmu ćup pa odnesu kadiji, da im
podjęli. Kadija uzme ćup a reće starcevim sinovima, da sjedu oko
njega. Kadija mętne ćup sebi na glavu pa każe: ,Śto novaca padnę
na desno, to jednom, a śto s leva, to drugom, a śto u krilo i nazad
to kadiji!' te zapovjedi jednom, da udari po ćupu. Ovaj udari po ćupu,
ćup se razbije a pogan sva po kadiji i ispane knjiga preda nj, koja
je glasila: ,Neka znadeś kadija mené mrtva, kako si mi pravo sudijo,
da pod starost sinove slużim!' —

Erzählt von einem Bauern aus der Gegend von Bjelina in Bosnien.

Der Schmalztopf.

Ein Vater besaß zwei Söhne. Beide waren Kaufleute und sie
gerieten mit dem Vater in Streit und waren willens, ihn aus dem Haus
zu jagen. Hierauf begaben sich beide Brüder vor den Kadi und


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

nahmen zwei Töpfe mit Schmalz mit. Alsdann sagten sie: ,Efendi, wir
können nicht länger den Vater dulden. Erstens mag er uns nicht
folgen und zweitens unseren Weibern nicht!' — Hierauf bemerkte der
Kadi: .Er soll erscheinen, dieser euer Vater vor mir!'

Hierauf sagten die Söhne zum Vater: ,Laß uns, Vater, zum Kadi
gehen! Er lädt uns wegen irgend etwas vor!' — Hierauf trafen der
Vater und die zwei Söhne beim Kadi ein. Der Kadi fragte den Alten:
,Warum, du Alter, magst du deinen Söhnen nicht folgen?' — Sagt der
Alte zum Kadi: ,Ich kann den Söhnen nicht dienen, weil ich schon
hoch bei Jahren bin, als ich aber sie ernährte, hat niemand etwas da-
von auch nur gehört, wo sie jedoch mich mit Brod zu ernähren an-
fingen, allda vernimmt es jedermann!'

Der Kadi verurteilte den Alten, er müsse seinen Söhnen dienen
oder sich fortpacken, wohin er mag. Darnach gieng der Alte mit
seinen zwei Söhnen die Geschäftstraße hinab. Alsdann sprachen die
Kaufleute zu den Söhnen: ,Das ist, sollst nicht krank sein, eine
Schmach, seinen Vater davonzujagen, auf daß er im Alter anderen
dienen gehe; gebt ihm vielmehr eine Stube im Hause und der Alte
soll daselbst leben!1 — Hierauf räumten sie dem Vater eine Stube ein.

Hierauf verlebte der Greis in dieser Stube einige Tage. Hierauf
rief er die jüngere Söhnerin herbei, kehrte viel Stubenmüll hinter der
Tür zusammen, warf einige Kreuzer darauf und sagte zur Schnur:
,Geh, sollst leben, wirf den Stubenmist von hinter der Tür hinaus!' —
Die Schnur folgte auch der Weisung und fand jene Kreuzer im Mist
und sagte: ,0 weh, Vater, da liegt so ein Geld! Das hast du ausge-
streut!' — Der Alte aber sagte: ,Aber geh, was soll mir das Geld?
Habe davon soviel, daß, wenn ich es äße, ich es nimmer aufessen
könnte!' Und zog aus der Tasche drei Groschen heraus und übergab
sie der Söhnerin, damit sie ihm einen Schmalztopf kaufe. Hierauf
schaffte ihm die Schnur einen Schmalztopf herbei, der Alte besaß aber
einige Kreuzer und den ganzen Tag über beschäftigte er sich damit,
bald die Münzen in den Topf hineinzuwerfen, bald aus dem Topf auf
die Erde zu streuen, nur damit sie erklingen sollen.

Hierauf belauschte ihn die ältere Schnur und sagte zu ihrem
Manne: So Gott mir helfe, unser Vater hat Überfluß an Geld. Er hat
es heute unablässig gezählt und so laß uns denn, ihn zu uns rufen.
Der Vater wird sterben und so wird Zlata (mir) all das Geld ver-
bleiben!' — Gesagt, getan. Der Greis übersiedelte nun in die Stube
seines älteren Sohnes und kackte jenen Schmalztopf, den ihm die
jüngere Söhnerin gekauft hatte, voll an und schrieb einen Schreibe-


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

brief und legte ihn oben auf den Schmalztopf. Den Schmalztopf ver-
siegelte er mit Wachs und trug ihn in die Wiese in eine (hohle) Weide
hin und gleich verfiel er in Krankheit.

Hernach fragten ihn die Söhne: ,Vater, du wirst höchst wahr-
scheinlich sterben, es kann aber sein, daß du Geld besitzest und das
verbleibt einem andern!' — Der Greis antwortete: ,Kindchen, besorgt
mir ein anständiges Begräbnis, so werde ich euch vom Verbleib des
Geldes sagen. Das Geld ist dort auf der Wiese in der Weide ver-
borgen, doch, Kindchen, so mögt ihr nicht mir auf jene Welt folgen
wenn ihr die Teilung ohne den Kadi vornehmt!' —

Die Söhne bestatteten den Vater, nahmen den Schmalztopf und
trugen ihn zum Kadi hin, damit er ihn unter sie aufteile. Der Kadi
ergriff den Schmalztopf und hieß die Söhne des Alten, sich um ihn
herumzusetzen. Der Kadi setzte sich den Schmalztopf auf den Kopf
und sagte: ,Was vom Geld rechts fällt, das fällt dem einen und was
links, dem anderen zu, was aber in den Schoß und nach hinten, das
dem Kadi!' und befahl einem, auf den Schmalztopf zu hauen. Der
schlägt auf den Schmalztopf los, der Schmalztopf zerschlägt sich, der
ganze Unflat ergießt sich über den Kadi und vor ihn hin fallt der
Schreibebrief, der also lautete: ,Du sollst, o Kadi, mich den Toten kennen
lernen, dieweil du mir Recht gesprochen, daß ich im Alter meinen
Söhnen dienstbar sein müssei'

617. Nasarajdin odża platijo kadiji tapiju.

Ode odża kod jednog seljaka i kupi od njega jednu njivu i ode
kadiji na tu njivu da izvadi tapiju. Kadija rekne odżi: ,Dobro, odża,
ali ja ti ne mogu prije petka dati tapije, jerbo imam mlogo posla.
Nego idi kuci i dogji u pętak i donesi mi jedan ćup masła pa ćeś u
pętak bit got o vi'

Odża pośto sasluśa kadiju izigje i ode kuci pa uzme jedan ćup
pa poćme i on i njegova żena u njega srati i do petka naseru pun
ćup, samo mętne na vri ćupa jednu litru masła i onda poravni tako,
da bi reko ćoek, da je to sve masło. Te uzme ćup i ode opet kadiji.
Ali prvo je odża predo oni ćup kadinoj żeni i rekne joj: -,Kazo je
efendija, da ostavis o vi ćup masła i ne smijeś, da ga naćneś, dok on
ne dogje 1'

A odża ode kod kadije i rekne mu: .Efendija, ja sam dośo, da mi
daś tapiju na onu njivu a masło sam dao tvojoj kaduni. Ako se ne
yjerujeś a ti poślji zaptiju, neka pita kadune, jesam li donijo masło!'

Krauss, Anthropophyteîa IV. 25


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

— Kadija odma posla zavtiju і osvedoci se kod kadune, da je odźa
don'jo maslo.

Zatim kadija odma napravi odżi tapije i odźa ode. A kadija odma
ustane i ode kuci, dokopa oni cup pa udari svom rukom kroz maslo.
Kad izvuce, kad pogleda a on izvuko punu ruku govanal Te odma
povice na zaptiju, da vrati odżu. A odża pośto vidi zaptiju poćme
bjeżati a zaptija povice: ,Vrati se odża, ne valjaju te tapije, jerbo nije
kadija udarijo mural' — A odźa bjeżeći povice: ,Vala, ako ne valjaju
tapije, beli, ne valja ni masloIі I pobjegne.

Erzählt vom Bauern Vaso Pavlovic zu Pilica in Bosnien.

Wie Nasreddin der Hodża dem Kadi einen Grundschein be-
zahlte.

Der Hodża begab sich zu einem Bauern und kaufte von ihm ein
Ackerfeld und gieng zum Kadi, um auf den Acker einen Grundver-
schreibungschein zu beheben. Der Kadi sagte zum Hodża: ,Gut, Hodża,
doch kann ich dir vor dem Freitag nicht den Grundschein ausstellen,
weil ich viele Arbeit vor mir habe, sondern geh du heim und komm
am Freitag wieder und bring mit einen Topf mit Schmalz her und du
bist am Freitag [mit deinem Anliegen] fertig!' —

Nachdem der Hodża den Kadi gehört, ging er hinaus, begab sich
heim, nahm einen Schmalztopf und sowohl er als sein Weib begannen
hineinzuscheißen und bis zum Freitag schissen sie den Topf voll an, nur
legte er [der Hoża] ganz oben auf den Topf eine Litra Schmalz und
dann glättete er es so, daß wohl jeder sagen würde, dies alles wäre
Schmalz. Und er nahm den Schmalztopf nnd begab sich wieder zum
Kadi. Vorher jedoch übergab der Hodża jenen Schmalztopf der Frau
des Kadi und sagte zu ihr: ,Der Efendi hat dich geheißen, diesen Topf
mit Schmalz aufzubewahren und du darfst ihn nicht eher angänzen,
als bis er [der Kadi] eintrifft!' —

Der Hodża aber begab sich zum Kadi und sagte zu ihm: ,Efendi,
ich bin gekommen, damit du mir einen Grundschein auf jenen Acker
ausstellst, das Schmalz aber habe ich deiner Hausfrau überreicht.
Wenn du dem keinen Glauben schenkst, schick den Amtschergen hin,
er mag die Frau befragen, ob ich das Schmalz gebracht habe!' — Der
Kadi schickte gleich den Schergen ab und überzeugte sich bei der
Hausfrau, daß der Hodża das Schmalz gebracht.

Hernach fertigte der Kadi sogleich dem Hoża den Grundschein
aus. Der Kadi stand aber sogleich auf und begab sich nach Haus,


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

langte jenen Schmalztopf herbei und schlug mit seiner Hand durch
das Schmalz durch. Als er sie herauszog und sie beschaute,
ei, da hatte er die Hand voll Dreck herausgezogen 1 Und sogleich
schrie er auf den Amtschergen, er soll den Hodża zurückrufen. Der
Hodża aber, wie er den Schergen erblickte, hub zu laufen an und der
Scherge rief ihm zu: ,Kehr um, Hodża, die Grundscheine taugen nicht,
denn der Kadi hat sein Petschaft nicht draufgedrücktl' — Flüchtend
aber rief der Hodża aus: ,Beim Allah, taugen die Grundscheine nicht,
taugt auch das Schmalz nicht! — Und rannte davon.

Anmerkung. Der Kadi war verpflichtet, den Feldeigentumschein unent-
geldich auszustellen, wollte aber seine Arbeit noch besonders belohnt wissen, nur
machte er die Rechnung ohne den Hodfca. Da er der Ehrlichkeit des Hodża
mißtraute, mußte er selber heimeilen, um sich von der Güte des Schmalzes zu
überzeugen.

618. Dva brata oba objeśenjaka.

Dva brata najme se u jednog adze, da cuvaju ovaca. Jedanput
popne se mlagji brat na kruŚku da trese kruśaka. Polete ovee a jedu
kruśke. PoĆne stariji braniti od ovaca a ovce sve kruśke pojedośe.
Onda reće mlagji brat s kruśke: ,Odi ti tresi a ja ću braniti!' — Stariji
se na kruśku popne a mlagji poćne braniti. Uzme malj pa sve ovcu
po ovcu u glavu, sve ovce pobije samo jedan ovan ostanę. Kad poćnu
vuci ovce u potok mlagji po dvije u potok vuce a stariji po jednu.
Dok sve ovce u potok svuku budne i mrak pa na onoga jednog ovna
svezu sva zvona і zatvore ga u baŚću pa dogju adżi i reknu: ,Ti nama
plati. Mi vise ne ćemo biti u najmu u tebe!' — Adżo poće njima
plaćati, starijem bratu po dvi cvancike a mlagjem po jednu cvanciku.
Onda reće mlagji brat: Ja sam po dvije u potok vuko!' — Onda reće
adżo: ,A śta no govori?' — A stariji brat odgovori: ,Bunca ko
b udała!' —

Kad njima adźo plati a oni igju kuci, nagju na putu jedan mlin,
ugledaju, gje se pod mlinom okreće kolo. Onda rekne stariji: Ja ću
ovo kolo ponijeti sestri prśljenćićl' — On uprti kolo na se i putujući
.zavrne u konak pod jednu jelu.

Kad adżo iz jutra da vidi ovaca ali sam ovan u baśći. Brże bolje

adżo sazove turke, da idu naci ona dva brata. Oni putujući i nji zavrne

konak pod istu tu jelu, gje su se i ona dva brata okonaćila. Poćnu

peći jednog ovna. Onda reće stariji brat: ,Meni natużi mokriti! —

On se pomokri, ovarise adżi niz bradu. Onda reće adżo: ,Ala s jele

jfosicel* — Onda reće: ,Bome, meni natużi i sratil' — On se ozgo po-

25*


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

sere. Opet ovarise adżi niz bradu a adźo reće: ,Alasjele smokvicel'
— Onda reće: ,Bome, meni doteśća drźatil' — On pusti kolo niz jelu.
Poće krŚiti niz jelu a turci pobegnu. A oni sigju s jele pa poćnu jesti
ovna. A turci pośalju jednog turćina da vidi, śta radi ovan. Turćin
izviri iza obalę a kad ga vide dva ona brata, viknu ga: ,Odi, ne boj
se!' — Turćin dogje njima. Poćnu jesti ovna a jedan brat rekne tur-
ćinu: , Eto ti dlake na jeziku!' — Turćin isplazi jezik a on mane no-
żem po jeziku i otseće mu jezik a turćin poleti za onim turcima, po-
vice: ,Blug! blugl' ko nema jezika a turci ga ne razumiju a pobegnu
od njega. Tako ona dva brata upute adżi ovce!

Erzählt von einem vierzehnjährigen Serben zu Derventa in Bosnien.

Zwei Brüder, beide Galgenstricke.

Zwei Brüder verdangen sich bei einem Pilgram, um Schafe zu
hüten. Einmal erklomm der jüngere Bruder einen Birnbaum, um Birnen
zu schütteln. Die Schafe eilen flugs herbei und fressen die Birnen.
Der ältere begann die Schafe abzuwehren, doch die Schafe fraßen alle
Birnen auf. Darauf sagte der jüngere Bruder vom Birnbaum herab:
,Komm mal, schüttle du, ich aber werde abwehren!1 — Der ältere
kletterte auf den Birnbaum hinauf, der jüngere aber fieng abzuwehren
an. Er ergriff einen Holzhammer, traf damit ein Schaf nach dem
anderen und erschlug alle Schafe, nur ein Schafbock blieb übrig. Als
sie die Schafe in den Bachgraben zu schleppen anfiengen, zog der
jüngere je zu zwei, der ältere aber je eines fort. Bis sie alle Schafe
in den Bachgraben hinabgeschleppt, brach auch die Dunkelheit an,
dann banden sie sämtliche Glocken an den einen Schafbock an, schlössen
ihn in den Garten ein, traten vor den Pilgram hin und sagten: ,Du
zahl' uns aus. Wir wollen nicht länger bei dir verdungen sein!' — Der
Pilgram begann ihnen auszuzahlen, zahlte dem älteren Bruder zu zwei
Silberzwanziger, dem jüngeren aber je einen Silberzwanziger. Hierauf
sagte der jüngere Bruder: ,Ich habe ihrer zu zweien in den Bachgraben
gezogen!' — Hierauf sagte der Pilgram: Ja, was redet der daher?4
Der ältere Bruder aber antwortete: ,Er kaudert krauses Zeug, wie ein
Narr!' —

Als ihnen der Pilgram [den Lohn] gezahlt, begaben sie sich auf
die Heimreise, trafen auf dem Wege eine Mühle und erblickten, wie
sich unter der Mühle ein Rad dreht. Da sagte der ältere: ,Ich werde
dieses Rad der Schwester als ein Ringlein mitnehmen!' — Er belud
sich mit dem Rade und einherwandernd machten sie unter einer Tanne
Nachtherberge.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Als der Pilgram gegen Morgen die Schafe besehen wollte, — doch
da fand sich der Schafbock allein im Garten. So rasch als nur mög-
lich rief der Pilgram die Türken [Moslimen] zusammen, um die Ver-
folgung jener zwei Brüder aufzunehmen. Auf ihrem Wege mußten
auch sie gerade unter jener Tanne ihr Nachtlager aufschlagen, wo sich
auch jene zwei Brüder zur Nacht niedergelassen. Sie begannen einen
Schafbock zu braten. Hierauf sagte der ältere Bruder: ,Ich habe einen
lästigen Drang zu brunzenl' — Er pißte, es traf sich just den\ Pilgram
über den Bart. Hierauf sagte der Pilgram: ,Ei, fällt da von der Tanne
ein lieblicher Tau herab!' — Hierauf sprach er: ,Gott helf mir, mich
befiel auch ein arger Scheißdrang!' — Er beschiß sich von oben.
Wieder rann die Bescheerung gerade dem Pilgram über den Bart und
der Pilgram bemerkte: ,Ei, von der Tanne [fällt] eine liebliche Feige
herab!' — Hierauf sagte er: ,Gott helfe mir, es ist mir zu schwer ge-
worden, es länger zu halten!' — Er ließ das Rad von der Tanne
hinabfallen. Es begann im Falle die Tannenzweige abzuschlagen und
die Türken liefen davon. Da stiegen die von der Tanne herab und
begannen den Schafbock zu essen. Die Türken aber schickten einen
Türken nachschauen, was der Schafbock macht Der Türke lugte
hinter dem Gestrüpp hervor und als ihn jene zwei Brüder erblickten,
riefen sie ihn an: ,Komm, furcht dich nicht!' — Der Türke kam zu
ihnen. Sie fingen den Schafbock zu essen an, der eine Bruder aber
sagte zum Türken: ,Da hast du ein Haar auf der Zunge!' — Der Türke
streckte die Zunge hervor, der aber fuhr ihm mit dem Messer über
die Zunge und hieb ihm die Zunge ab. Der Türke rannte eilig jenen
Türken nach und rief: fBhjg! blug!' wie einer, der keine Zunge hat,
die Türken verstehen ihn jedoch nicht und laufen vor ihm davon.
Also haben jene zwei Brüder dem Pilgram die Schafe auf den richtigen
Weg gebracht!

Anmerkung. Diese ebenso einfältige als allgemein verbreitete Spottge-
schichte zeichnete ich nach dem Diktat des Jungen auf. der aber bei der Wieder-
erzählung gerade die in seiner ersten Fassung ausgiebige skatologische Aus-
schmückung ausließ, offenbar weil er sich vor, mir dem Fremden der bösen
Schweinereien schämte. Die zwei Brüder hatten ihrem Brotgeber auch einen Un-
flat und Urin vorgesetzt, ihn dann durch List zum Herumwälzen im Dreck ver-
anlaßt usw., welche Streiche den Zuhörern ein bedeutendes Vergnügen bereiteten.
Moslimen und Christen haben von ihrer gegenseitigen Gescheidtheit die gleiche,
geringe Meinung.

619, Opklada: ko może srati a da ne stenje?

Opklade se srbin і svaba, da vide, koji je tvrgje petlje: ko może
srati a da ne stenje. Potera prvo svaba, potera, ne dise, ne treplje,


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen«

ali kad vec bi, da izvali govno, on ne mogade, da ne zastenje. Onda
poće srbin. Da bi prevario Svabu, da mu ne opazi stenjanja, on za-
metnu razgovor kroz zube: ,A je li, kazi ja Svabo, a imaś li oca, de?1
— Jmaml' — ,A je li tvoj otac imo oca, ä?' — Jmala.' — ,A Sta ti
je bio deda, är' itd. — I tako dobije opkladu.
Erzählt von einem Belgrader Serben.

Wette: wer kann scheißen, ohne dabei zu ächzen?

Es wetteten ein Serbe und ein Schwabe (Deutscher) darüber,
wessen Afterring widerstandfähiger wäre: wer nämlich scheißen könnte,
ohne dabei zu ächzen. Zuerst treibt der Schwabe an, er treibt an,
er atmet nicht, er zittert nicht, als er jedoch schon daran war, den
Dreck herauszuwälzen, konnte er nicht umhin, er mußte aufstöhnen.
Hierauf begann der Serbe. Um den Schwaben zu übertölpeln, damit
sein Stöhnen von diesem nicht wahrgenommen werde, hub er so
zwischen den Zähnen ein Gespräch an: ,Äh, richtig, Schwabe, sag, äh,
hast du noch einen Vater, hä?' — ,Habe einen!' — ,Hä, hat auch dein
Vater einen Vater gehabt, ha?* — ,Hat sie eine gehabt' — ,Hä, und
was war dir dein Groß Väterchen, hä?* usw. — Und auf diese Weise
gewann er die Wette.

620. Mećkino prokletstvo.

Zavuko se jazvac kuma Meje u jazbinu. Mućila ona da ga istera,
mućila, — oja, ne će da izide. Zvala jednoga, da ga istera, zvala
drugoga, ne może! Zavukô se on pa ne će da mrdne, Najposle dogje
kuma Strja, uvuce se u jazbinu, zvrn zvrcal zvrn zvrcal — росо da
ga bode zavkom, jazvac uteće. E, oce kuma Meja da ga cast! Od-
vede ga pod kruśku a ona se prepne, da natrese. Tresne, padnę kruśka
pa ubije kuma Strju. Śta će sad da ćini? Zakopa ga pod kruśku pa
nameni: Kuj se tu posere, da ide gomno za njiml

A pośo svat na svadbu pa ga svije nevolja te se posere baś ispod
kruśke, Sveze ćakśire pa pogje, kad oćeś! gomno ide za njim і vice:
Ćekaj men, tatoI Ćekaj men, tato! — On se osvrne, udari gomno to-
jagom, ono se rasprśti. Kad malo cas, jopet vice: Ćekaj men, tato!
Ćekaj men, tato! — On ga pâ (opet) udari. Tako i treći put On ga
tad uzme te u ćakśire.

Dogje na svadbu, sedne da ruća; je (jede) on a gomno jednako
vice: Daj i men, tatol Daj i men, tato! — On turi zalog u ćakśire.
Malo ćas, ono jopet: Daj men, tato! Daj men, tato! — On mu jopet


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

da. Pa tako turao, turao, pa ga vise bilo sramota, tek (nego) izide
pa ga spuśti u grne (lonac) kraj ognja.

Ete ti ga aćija (aśćija), da promesa grne i da ga posoli. Turi so
a gomno vikne iz grneta: Kuj me se soli, posolim ga; kuj me papri,
zapaprim ga! — Aćija se upudi (uplaśi), uzne grne pa ga isiplje
svinjama.

Progune svinja gomno, arna se strevi te svinju izê vuk. Progje
mu gomno kroz creva, dogje do dupeta pa tu gvfri. Kako vuk pogje
da davi ovce, gomno tek zavice: Ovcar bre, izede vuk ovee! Ovcar
bre, izede vuk ovce! — te siroma vuk nikako ne moż da udavi ovcu,
odma ga pojure. Trajalo tako za mnogo, stao vuk kâ rt: kudgod se

V

mrdne, vice gomno iz dupeta: Vuk brel vuk bre! — Sta će onda vuk
da ćini, nagje dva drveta jedno uz drugo, oce da protrći izmegju nji,
to va će gomno ispadnut, kad se provukuje. Zaleti se, Stogod może
te megju ti dva drveta pa se tu і zaglavi te lipce.

Erzählt von einem aus Vrazogonac gebürtigen Manne. In diesem,
sowie in einigen umliegenden Dörfern wohnen Einwanderer aus Alt-
serbien. Sie sprechen die ekavische Mundart der ibraresaver Färbung.
Bisher erschien in dieser Mundart nur noch ein Text, eine Sage: ,Gute
Taten gehen nicht unter", im Letopis Matice Srpske in Neusatz 190a

Die Verfluchung der Gevatterin Petzin«

Grimbart der Dachs verkroch sich in den Bau der Gevatterin
Petzin hinein. Sie plagte sich weidlich damit ab, um ihn herauszujagen,
sie plagte sich, ach nein, der mag nicht herauskommen. Sie rief da
einen, um ihn herauszutreiben, sie rief einen anderen, es geht halt
nicht: jener hat sich verschlieft und will sich nicht mucksen. Zu guter
Letzt kam die Gevatterin Hornis, kroch in den Bau hinein, stich, brumm,
stach! stich, brumm, stach! Fing ihn mit dem Stachel zu kitzeln an,
Grimbart der Dachs rannte aber auf und davon.

Ei, will nicht Gevatterin Petzin ihre Gevatterin Hornis mit Ehren
bewirten! Sie führte sie unter den Birnbaum, kletterte hinauf und
schüttelte von ihm mehr als genug ab. Sie schüttelt drauflos, fällt
eine Birne und schlägt die Gevatterin Hornis maustoL Was soll die
Gevatterin Petzin jetzt tun? Sie begrub die Verunglückte unterm Birn-
baum und weihte ihr den Spruch:

Wer sich hier bescheißt, dem soll sein Dreck nachlaufen!

Kam daher ein Hochgezeiter zur Hochzeit und der Drang bezwang
ihn und er kackte sich just unter dem Birnbaum aus. Er bindet die


Südslavische Völksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Hosen zu und schreitet weiter, ja freilich, möchtest wohl! der Dreck
hinterdrein und schreit: Wart auf mich, Papa! Wart auf mich, Papa!
— Er kehrt sich um und versetzt mit dem Stock dem Dreck einen
Streich und der Dreck zerfliegt überallhin. Wie aber ein Weilchen
verstreicht, schreit er wieder: Wart auf mich, Papal Wart auf
mich, Papa! — Wieder versetzt er ihm einen Hieb. So auch zum
drittenmal. Dann hob er ihn auf und steckte ihn in die Hosen
hinein.

Er traf zur Hochzeit ein, setzte sich zum Mahl hin; er ißt und
der Dreck schreit ohne Unterlaß: Gib auch mir, Papa! Gib auch mir,
Papa! — Er steckt einen Bissen in die Hosen hinein. Ein weilchen
darnach schreit er wiederum: Gib mir, Papa! gib mir,Papa! — Wiederum
gibt er ihm. So schob er ihm zu und schob ihm zu und mehr noch
war ihm eine Schande, so gieng er denn hinaus und ließ ihn in den
Topf am Feuer hineinfallen.

Da kommt der Koch daher, um den Topf umzurühren und zu
salzen. Er gibt Salz hinein, der Dreck aber schreit aus dem Topf
heraus: Wer mich salzt, den salz auch ich! Wer mich papriziert, den
paprizier auch ich! — Der Koch erschrak darob, ergriff den Topf und
schüttelte ihn den Schweinen vor.

Verschluckte das Schwein den Dreck, es traf sich jedoch, daß der
Wolf das Schwein auffraß. Der Dreck gieng ihm durch die Einge-
weide, kam bis zum Arschloch und lugte heraus. Sobald als sich der
Wolf dran machte, die Schafe hinzuwürgen, schrie auch schon der
Dreck aus: Schäfer, holla! Der Wolf fraß die Schafe auf! Schäfer,
holla! Der Wolf fraß die Schafe auf! — Und so konnte der ärmste
Wolf auf keine Weise ein Schaf erwürgen, gleich hub man ihn zu
hetzen an. Das währte so lange Zeit; der Wolf schaute schon wie
ein Windhund aus; wo immer er sich hinmuckst, schreit der Dreck
aus dem Arschloch heraus: Der Wolf, holla! Der Wolf, holla! — Was
soll alsdann der Wolf anfangen, er fand zwei Baumstämme, einen neben
dem anderen und will zwischen ihnen beiden durchrennen, dann wird
der Dreck herausfallen, wann er, der Wolf, sich hindurchziehen wird.
Er nimmt aus allen Kräften einen Anlauf, fährt zwischen die zwei
Baumstämme, bleibt aber da auch stecken und verreckt

Anmerkung. Auf altbosnischen Grabsteinen sind häufig Inschriften zu
lesen, die den Grabschänder verfluchen. Die Verfluchung in unserer Erzählung
ist nicht als Scherz aufzufassen. Man setzt den Verstorbenen aufs Grab eine Seelen-
speise, setzt man ihnen aber einen Haufen hin, so beleidigt man sie aufs schwerste,
nicht minder als täte man dies einem Lebenden an oder noch mehr; denn nun


Südslavische Volksüberliefenmgen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen. 393

irrt die Seele zur Qual anderer Menschen ruhelos umher. Um das zu verhindern,
wünscht man, der Dreck soll dem Grabschänder nachlaufen. Vergl. Nr. 559, 3
und 560—561.

621. Prica, kako je onaj popu mjesto smokve donio govno.

Bila u popa vrlo lijepa na udaju kćer. Pop proglasi u narodu,
da će onomu ko mu o Gjurgjevu danu donese taze smokvu, dati kćer.
To se svuda na daleko i śiroko ćulo pa to zaćuju i neka tri brata.
Oni se dogovore i tri smokve metnu u med pa kad je dośo Gjurgjev-
dan, onda najstariji brat izvadi onu jednu smokvu, uzme u ruku і po-
nese popu i dogje do jedne ćuprije. Na toj ćupriji nagje jednu vrlo
staru babu. Ona ga zapita: ,Sta to nosiś u ruci?'a on odgovori: ,N0-
sim govnoI, Ona mu reće: ,Govno i bilo!'

Kad je dośo popu, pruźi mu ruku i reće: ,Tebi taze smokva a
meni tvoja kćil' Otvori ruku, kad u ruci taze govno, joś se veli, puśi!
Pop ga sikteriśe i reće: Jzdiri na polje! Jebo ti pas mater! Zar ti
je to smokva?' — On pokunjen ode kuci.

Kad je vidio drugi brat, da starijt cure dobio nije, uzme i on
smokvu i odnese popi, al mu se sve dogodi kar i starijem bratu.

Mlagji brat kao obićno najlugji, uzme onu treću smokvu. stisne u
saku, dogje do ćuprije, baba ga zapita: ,Gdje ćeś to sinko?' a ort reće:
,Valaj idem popu, da iśtem od njega kćer!' A ona će mu: ,A śta
ti je to u ruci?' — ,Bogme, baba, taze smokva. Nosim popi!' — Babä
mu reće: ,Smokva ti bi bila!'

Kad je dośo popi pruźi mu smokvu i reće: ,Popo, tebi taze smokva
a meni tvoja kćer!' — Pop primi smokvu ali mu reće: Ja ti kćeri ne
mogu dati, dok mi tri dana ne cuvaS sto zeceva pa ako mi sve zeceve
doreneś, vodi, slobodno kćer!1 — On ne tjedne zeceve cuvati, znajući
da će se zecevi po Sumi razbjeći, već se vrati nazad i dogje babi na
ćupriju. Baba ga zapita, je li mu pop dao djevojku a on joj reće, da
ne da, već hoće, da mu tri dana zeceve cuvam. Baba mu dade jednu
sviralu i reće: ,Ajde popu pa mu cuvaj zeceve. U vecer kad kuci
pogjeś, ti sviraj u sviralu, zecevi će svi za tobom a ti ji predaj popu!'
— Tako i ućini. Kad je bilo u vecer, ide on, svira a zecevi svi za
njime. Pop izagje pa gleda i ne bi mu drago,

Sutra dan ode on opet cuvati zeceve. Pop reće curi: ,Idi pa na
kakav mu drago naćin dobij jednoga zeca od onoga lopoval' — Cura
ode i zaiste od njega zeca, da joj proda, ali on ne da, već joj reće,
da će joj dati jednog zeca ako mu dade da ju jednom jebe. Ona se
otimala, ali nije smila kuci bez zeca pa se pusti i on joj zaklepa. Uvati


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

jednog zeca і da'de joj. Ona ponese zeca kuci. On uzme sviralu,
zasvira a zee moj iz ruku iskoći i pobjegne. Ona opet zamoli ćobana,
da joj dade drugog zeca. On reće: ,Hoću, arna da mi daś da te opet
jebeml' — Ona jadna, ja śta će, pusti, i opet joj zaklepa. Dade joj
zeca, ona ga ponese a on zasvira na sviralu. Zec se koprene, izmakne
i pobigne a ona jebena bez zeca ode kuci.

Drugi dan pośalje pop popadiju, da od ćobana izmakne bud kako
jednog zeca. Ona ode al joj se dogodi isto kao i kćeri pa i ona jebena
ode kuci i każe popi da ćoban nikako zeca ne da.

Treći dan ode pop sam ćobanu, da borne preobućen, i zaiste da
mu proda jednog zeca. On mu reće, da on zeca prodati ne more ni
po jedne novee, a kad ga je pop obrlatio, da mu jednog zeca po śto
po to dade, on mu reće: ,Hoću, ako ćeś mi dati, da te jednom jebeml'
— Popo ko popo, żao mu dati kćer za prosta seljaka a bogme i
guzice, stanę se izvinjavati, da to ne more biti, već neka trail novaca
koliko hoće, ali ćoban ostanę pri svome i reće popi: ,Nema druge,
ako hoćeś dobiti zeca, daj da ti jednom żegneml* — Pop savre rame-
nima, skala gaće, naguzi se a ćoban otraga ut era svom popi. Kad je
sve lijepo svrSio, ufati jednog zeca i dade popu, a on ga uzme u naru-
ćaj і ponese kuci, ali ćoban zasvira na sviralu, zec se koprene, iskoći
і pobigne u Sumu. Pop se pokunji, jeben ode kuci.

U veće dojavi ćoban sve zeceve i preda popu i reće: ,Eto pope,
ja tebi tri dana cuvah zeceve i predo sam ti sve, daj mi sada svoju
kćerkul' — Pop ga odbije govoreci mu: ,Hoću, akoś mi ovu veleku
kacu punu nasuti besjedal' — On śta će, vidi da je prevaren, vrati
se kuci.

Kad je dośe na ćupriju, upita ga ona baba: ,Gje ti je djevojka?'
a on joj sve każe i reće: ,Ne pitaj, ne da pop. Veli mi, da mu jednu
veleku kacu natrpam besjeda pa da će mi onda dati kćer!1 — Baba
savjetuje da se vrati popu i povede Sto viSe ljudi i neka u kacu go-
vori, kako je sve od poćetka bilo, pa će mu pop dati kćer.

On tako ućini. Vrati se popu, zovne desetak ljudi i poĆme u
kacu govoriti, da svi ljudi i pop ćuju sve iz poćetka. Kad je dośo
da reće: ,Prvi dan pośalje pop svoju kćer, da kupi od mené jednog
zeca, ali ja nisam dao, dok mi nije dala, da ju jebem. Eto, pope,
jednał' — Pop se uzvrpoljio, onda će on dalje: ,Drugi dan pośalje
pop popadiju, da od mené kupi zeca, ali joj ja nisam dao, dok mi
nije dala, da ju jebem Eto, pope, biśe dvije rijeći!' —

Pop se stanę ćeśati iza uśiju, al on dalje nastavi: ,Treći dan dogje
pop i zaiste od mené jednog zeca, al mu ja nisam dao dok* — a pop


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

zavice: postal Ne more viäe u kacu stati! Eto ti kćer ivodi ju bez
tragal' — Erzählt von einem Bauern in Bistrica bei Zepće in Bosnien.
Die Erzählung von der Hasenweide wie Anthropophyteîa II. Nr. 421,
S. 340—344. Es ist möglich, daß der eine Erzähler vom anderen die
Geschichte hat, wahrscheinlicher jedoch, daß beide von einander un-
abhängig einem dritten oder vierten Gewährmanne nacherzählten. Die
vorliegende Fassung ist wegen der Alten auf der Brücke, deren Ge-
stalt an einen Flußgeist erinnert, bemerkenswert. In einen Fluß darf
man nicht hineinpissen noch hineinkacken und ebensowenig den
Flußgeist mit unanständiger Rede beleidigen oder seine Rache
herausfordern.

Erzählung, wie jener dem Popen statt einer Feige einen Dreck

gebracht hat.

Der Pope hatte eine schöne, heiratfähige Tochter. Der Pope ver-
lautbarte im Volke, er werde jenem die Tochter geben, der ihm am
Georgtage eine frische Feige bringt Davon vernahm man überall weit
und breit und davon hörten auch gewisse drei Brüder. Sie trafen eine
Verabredung und taten drei Feigen in Honig einlegen, und als der
Georgtag eintraf, da nahm der älteste Bruder die eine Feige heraus,
nahm sie in die Hand und trug sie zum Popen fort und auf dem
Wege kam er an eine Brücke. Auf dieser Brücke traf er ein stein-
altes Mütterlein an. Sie fragte ihn: ,Was trägst du da in der Hand?'
und er antwortete: ,Ein Dreck trage ich l' Sie sprach zu ihm: ,Ein
Dreck soll es auch sein!'

Als er beim Popen ankam, reichte er ihm die Hand und sprach:
,Dir die frische Feige, mir aber deine Tochter!' Er öffnete die Hand,
siehe da, in seiner Hand ein frischer Dreck, der noch, wie man sagt,
raucht 1 Der Pope schimpfte ihn einen Zumpterich und sagte: ,Zerr
dich hinausI Ein Hund soll deine Mutter vögeln! Wie? Ist dir dies
eine Feige!' Niedergeschlagenen Sinnes zog er nach Hause,

Als der andere Bruder sah, daß der ältere das Mädel nicht ge-
kriegt hat, nahm auch er eine Feige heraus und trug sie zum Popen
fort, doch ereignete sich ihm alles genau so, wie auch dem älteren
Bruder.

Der jüngste, wie gewöhnlich, der dümmste Bruder, nahm jene
dritte Feige, preßte sie in der Faust zusammen, kam zur Brücke und
das Mütterlein fragte ihn: ,Wohin zeuchst du, Söhnchen?* und er ant-
wortete: ,Beim Allah, zum Popen gehe ich, um von ihm die Tochter


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen

zu heischen!' worauf sie zu ihm: Ja, was hast du denn da in der Hand?'
— ,Gott helf mir, Mütterlein, eine frische Feige. Ich trage sie dem
Popen hinl' — Sprach zu ihm das Mütterlein: ,Eine Feige soll es dir
auch sein!'

Als er zum Popen kam, reichte er ihm die Feige und sprach:
,Pope, dir die frische Feige, mir aber deine Tochter!' —* Der Pope
nahm die Feige an, sagte jedoch, zu ihm: ,Ich kann dir nicht eher die
Tochter geben, bis du mir nicht drei Tage lang hundert Hasen be-
hütet hast und wenn du mir sämtliche Hasen heimgebracht, dann fuhr
ohne weiteres die Tochter heiml' — Der mochte die Hasen nicht be-
hüten, wohl wissend, die Hasen würden sich im Walde verlaufen,
kehrte darum zurück und kam zum Mütterlein auf die Brücke hin.
Das Mütterlein fragte ihn, ob ihm der Pope das Mädchen gegeben
und er sagte ihr, der gebe sie nicht her, sondern wünscht, daß ich
ihm drei Tage lang Hasen behüte. Das Mütterlein gab ihm eine
Schalmei und sprach: ,Geh zum Popen hin und behüt ihm die Hasen.
Abends, wann du heimwärts ziehst, blas du auf der Schalmei, alle
Hasen werden dir nachfolgen und du übergib sie dem Popen!' — So
tat er denn auch. Als der Abend kam, macht er sich auf, schalmeit,
die Hasen insgesamt folgen ihm. Der Pope tritt heraus, schaut zu
und es war ihm gar nicht lieb.

Am anderen Tag gieng er wieder fort, die Hasen zu weiden.
Sagte der Pope zum Mädchen: ,Geh und schau auf was immer für
Art von jenem Halunken einen Hasen herauszukriegen!' — Das Mädel
gieng und verlangte von ihm einen Hasen zu kaufen, doch er gibt
keinen her, sondern sagte ihr, er wolle ihr einen geben, wenn sie ihm
gewähre, sie einmal zu vögeln. Sie sträubte sich, doch durfte sie ohne
Hasen nicht heim und so gab sie sich denn hin und er rammelte ihn
ihr ein. Er fing einen Hasen und überreichte ihn ihr. Sie nahm den
Hasen mit nach Haus. Er ergriff die Schalmei, blies darauf, mein
Häslein aber sprang ihr aus der Hand und entwischte. Wieder bat
sie den Hirten, ihr einen anderen Hasen zu geben. Er sprach: ,Ich
will, doch sollst du mir wieder dich zu vögeln erlauben!' — Sie, die
ärmste, ja, was soll sie tun, läßt ihn drüber und wieder rammelte er
ihn in sie ein. Er gab ihr den Hasen, sie nahm ihn mit, er aber blies
auf die Schalmei. Der Hase zappelte auf, riss sich los und lief davon,
sie aber gieng gevögelt ohne Hasen nach Haus.

Am anderen Tag schickte der Pope die Popin ab, damit sie dem
Hirten, sei es wie immer, einen Hasen entlocke. Sie ging weg, doch
ihr widerfuhr dasselbe was auch der Tochter und auch sie ging ge-


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

vögelt heim und sagte dem Popen, der Hirte gäbe um keinen Preis
einen Hasen her.

Am dritten Tag begab sich der Pope selber zum Hirten, selbst-
verständlich in Verkleidung und verlangte von ihm einen Hasen zu
kaufen. Der sagte ihm, er könne um kein Geld der Welt einen Hasen
verkaufen, doch als ihn der Pope bestürmte, er möge ihm, sei es um
welchen Preis immer einen Hasen verkaufen, sagte er zu ihm: ,Ich
will, wenn du mir gewährst, daß ich dich einmal vögle!1 — Dem Popen,
wie einem Popen, tat es leid, die Tochter an einen gemeinen Bauern
auszugeben und, Gott helf mir, auch um sein Arschloch tat es ihm
leid, und darum drehte und wand er sich, dies könne nicht geschehen,
sondern er möge soviel als ihm beliebe, Geld heischen, der Hirte
jedoch beharrte unerschütterlich auf seiner Forderung und sagte zum
Popen: ,Es gibt sonst nichts, wenn du einen Hasen bekommen willst,
laß dich einmal von mir anfeuern!' — Der Pope zuckte mit den
Schultern, streifte die Hosen ab, streckte den Arsch vor und der
Hirte trieb ihn von hinten seinem Popen ein. Nachdem er fein säuber-
lich alles erledigt, fing er einen Hasen ab und übergab ihn dem Popen,
dieser aber nahm ihn in seine Arme und trug ihn heim, der Hirte
jedoch blies auf die Schalmei, der Hase strampelte, sprang aus und
entwich in den Wald hinein. Der Pope ließ betrübt den Kopf hängen
und gieng gevögelt nach Haus.

Am Abend trieb der Hirte alle Hasen heim und übergab sie dem
Popen und sagte: ,Wohlan, Pope, drei Tage hindurch weidete ich dir
die Hasen und übergab dir alle wieder, jetzt folg du mir dein Töchter-
chen aus I' — Der Pope wies ihn ab mit den Worten: ,Ich will, sofern
du bereit bist, mir diesen großen Bottich voll mit Reden anzuschütten!'
— Was fangt der an, er sieht, daß er der betrogene ist und kehrt
nach Haus zurück.

Als er auf die Brücke gekommen, fragt ihn jenes Mütterlein: ,Wo
bleibt dir das Mädchen?' und er erzählt ihr alles und sagt: ,Frag nicht,
der Pope gibt sie nicht her. Er sagt zu mir, ich soll ihm einen großen
Kupferkessel voll mit Reden anstopfen und dann erst werde er mir
seine Tochter ausfolgen!' — Das Mütterlein beriet ihn, zum Popen
zurückzukehren und möglichst viele Leute mitzufahren und er soll in
den Kupferkessel hineinreden, wie sich alles von Anfang an zugetragen
und dann werde ihm der Pope die Tochter geben.

Also tat er. Er kehrte zum Popen zurück, rief an zehn Leute
herbei und begann in den Kupferkessel hineinzureden, so daß alle die
Leute und der Pope den ganzen Hergang von Anfang an vernehmen


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

sollen. Als er dazu kam zu sagen: ,Am ersten Tage schickte der
Pope seine Tochter, damit sie von mir einen Hasen kaufe, doch gab
sch ihr keinen, ehe sie sich nicht mir zum vögeln überließ/ geriet der
Pope in große Aufregung, der aber fuhr weiter fort: ,Am zweiten
Tage sandte der Pope die Popin ab, um mir einen Hasen abzukaufen,
doch gab ich ihn keinen, ehe sie mich nicht vögeln ließ. Da hast du,
Pope, das waren zwei Worte!' —

Der Pope hub sich hinter den Ohren zu krauen an, doch der
setzte weiter fort: ,Am dritten Tag kam der Pope und verlangte von
mir einen Hasen, doch gab ich ihm keinen, ehe er nicht' — der Pope
aber rief aus: ,Genugl Mehr hat im Kupferkessel nicht Raum! Da
hast du die Tochter, führ sie heim, verschwinde spurlosl' —

622. Zlatna tica.

Iśo seljak na koli. Kraj druma sio ćoek pa drżi kapu rukom.
Pita ga seljak: ,Sta ti to radiś?' — ,Evo ćuvam zlatnu ticu. Već mo-
lim te, ako Boga znaś, de ti misto mené ćasak pridrżi, dok ja odem
u selo pa se vratim'. — Seljak privoli i drżi rukom kapu a taj ćoek
ode bez traga.

Ide potjera a na celu grof. Dogje do seljaka. ,Ćujeś, jesi li ti
rio koga — ,Pa jesam/ — Jesi 1 vidio da śto nosi?' — ,Imao je
niśto sjajno pod pazuvom.' — ,Pa bi 1 ti mogo njega stić? Evo ti
konja a mi ćemo te tu ćekati.' — ,Ma da, gospodo, ja bi iśo, a ko će
éuvat zlatnu tica pod kapom a kapa se ne smije dići dok sunce ne
zagje/ — Grof każe: Ja ću već kapu cuvât, ajde til' —

Seljak zajaśi a ovi ćekaju do veceri. Vrati se seljak, nije mogo
onog naci. Vecer nastała, sad se zlatna tica może pustiti. Grof stade
pred kapu a drugi će svojim карата doćekat ticu. Jedan odigne kapu
a grof rukom pod kapu pa u govno. ,0, vidis ti tog lopova, kako
je i mené i moju gospoju prevario! Dogje on u moj dvor ko prosjak
a moja gospoja njega pita, odakle je on, a on każe, da je iz raja.
Pita ga, je 1 pozna njezinog оса i strica i śta rade. A taj lopov każe,
da ih pozna i da bi se rad kartali al nemaju novaca. Moja gospa
njemu da novce, da ih preda njezinom ocu i stricu u raju, da se mogu
kartat a on uteće s novci. A sad mené tako prevari!' — Erzählt von
einem Mannweib in Lipik in Slovonien.

Der Goldvogel.

Ein Bauer fuhr zu Wagen. An der Straße saß ein Mann, der
hielt die Kappe mit der Hand (an die Erde gedrückt). Fragt ihn der


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Bauer: ,Was tust du da? — ,Ich bewache da einen Goldvogel. Doch,
ich bitte dich, so du um Gott weißt, geh, halt mal da anstatt meiner ein
weilchen an, bis ich ins Dorf gehe und zurückkehre/ — Der Bauer
willigte ein und hält mit der Hand die Kappe nieder, dieser Mann
aber entfernte sich spurlos.

Es naht eine Verfolgung und an deren Spitze der Graf. Er kommt
zum Bauern: ,Hörst du, bist du wem begegnet?' — ,Nun, ja/ — ,Und
hast du gesehen, daß er etwas trägt?' — ,Er hielt etwas glänzendes
unter der Achsel.' — ,Und könntest du ihn einholen? Da hast du ein
Pferd und wir werden dich hier erwarten/ — .Schön, Ihr Herren, ich
möchte gehen, doch wer wird den Goldvogel unter der Kappe be-
wachen, die Kappe aber darf man nicht aufheben, ehe nicht die Sonne
untergegangen.4 — Der Graf sagt: ,Ich werde schon die Kappe be-
wachen, geh du nur!' —

Der Bauer bestieg das Pferd, die aber warten bis zum Abend.
Der Bauer kehrte zurück, er war außerstande, jenen zu finden. Der
Abend war angebrochen, jetzt kann man den Goldvogel frei lassen.
Der Graf stellte sich vor die Kappe, die anderen aber wollen mit
ihren Kappen dem Vogel aufpassen. Einer lüftet die Kappe ein wenig,
der Graf aber fährt mit der Hand unter die Kappe und in einen Dreck
hinein. ,0, siehst du diesen Erzschelm, wie er sowohl mich als meine
Frau betrogen hat! Kam er da als Bettler in mein Schloß und meine
Frau befragt ihn, woher er wäre und er sagt, er käme aus dem Para-
diese. Sie fragt ihn, ob er ihren Vater und Onkel kenne und was sie
machten. Und dieser Erzlump sagt, er kenne sie und sie rriöchten
gern Karten spielen, hätten aber kein Geld. Meine Frau gibt ihm
Geld, damit er es ihrem Vater und Onkel im Paradiese übergebe, da-
mit sie Karten spielen können sollen, der aber brannte mit dem Gelde
durch. Und jetzt hat er gar mich so angeführt!

623. Śto żdral і divlja guska govore.

Podunavcu jaje a Misircu govno! Tako govori żdral і divlja guska
s proleća a s jeseni każe: Misircu jaje a Podunavcu govno! pośto on
tada bega od zime u topli Misir. — Als sprichwörtliche Redensart
mitgeteilt von einem Landmann in Levac, Serbien.

Was der Kranich und die Wildgans reden.

Dem Donauländer das Ei, dem Ägypter aber der Dreck! So
spricht der Kranich und die Wildgans am Frühlinganfang, im Herbst-


400 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

beginn aber sagt er: Dem Ägypter das Ei, dem Donauländer aber
der Dreckl nachdem er da vor dem Winter ins warme Ägypten
flüchtet

Anmerkung. Wahrscheinlich ist das Sprichwort türkischen Ursprungs, denn
der Bauer hat von der geographischen Lage Ägyptens und von den Wanderungen
der Tagvögel sehr undeutliche Vorstellungen, nicht aber so der vieireisende Mos-
lim, der auf seinen Wallfahrten nach Mekka und Medina seinen Gesichtkreis er-
weitert.

624. Śmrkelj i drek.

Śmrkelj i drek iśli su vu fremt Kad su se vec dosti sveta na-
gledali bili dośli su doma pak su si pripovedali, kaj su sega na svetu
vidli pak ćuli. ,Ej/ veli drek, ja sam puno gospodarov imal al naj-
gorśe mi je bilo pri gospodi. Tak sam ti imal jednoga gospodara,
koj se je posral pak me je hitil s trećega śtoka doli, da mi se je mam
drob raspuknul. A blaźeno mi je bilo pri muźu. On ti me je lepo
polahko pustil doli, da mi se ne bi kaj pripetilo. Pa kam sam god
opal, naśel si poznancov, nigdar, nisam bil sam!1 — ,Haj, haj/ odgo-
voril mu je śmrkelj, ,meni ja bąś lepśe bilo pri gospodi neg pri muźu.
Muz me je znal primiti za vrat pak me je frknul doli, da sam se na
sto komada razletil. A pri gospodi mi je lepo bilo. Gospon me lepo
v rubec spravil pak me je cuvai lepo v żepu. Kad se joś jenput
narodim ne bum stel drugo neg gospon biti!' —

Aus Kopreinitz (Koprivnica) in Chrowotien. Erzählt von einem
Gastwirt.

Der Rotz und der Dreck.

Rotz und Dreck giengen einmal in die Fremde. Als sie bereits
genug von der Welt geschaut hatten, kehrten sie zurück heim und
erzählten einander, was sie alles in der Welt gesehen und gehört.
,Ach/ spricht der Dreck, ДсЬ habe viele Gebieter gehabt, doch am
schlimmsten erging es mir bei den Herren. So z. B. hatte ich einmal
einen Herrn, der sich auskackte und mich vom dritten Stock hinab-
schleuderte, daß mir augenblicklich die Eingeweide zerplatzten. Doch
selig befand ich mich beim Bauern. Der ließ mich schön langsam
herab, daß mir nichts schlechtes zustoßen möge. Und wo immer ich
auch hinfiel, fand ich Bekannte vor, niemals befand ich mich allein!'
— ,Hei, hei, antwortete ihm der Rotz, mir erging es gerade bei den
Herren besser als beim Landmann. Der Bauer verstand es, mich beim
Hals zu packen und hinabzuschmeißen, daß ich zu hundert Stücken


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen, aq £

zerflog. Bei den Herrschaften dagegen stand ich mich wohl. Der
Herr barg mich artig ins Sacktüchlein und bewahrte mich schön in der
Tasche auf. Wenn ich nochmals auf die Welt komme, mag ich nichts
anderes als ein Herr sein!'

Anmerkung. Vgl. die magyarische Fassung auf S. 64. Nr. 3. — Die
Schnurre zeigt klar ihren städtischen Ursprung. — In der ersten Zeit meiner For-
schungreise befand ich mich einmal in Gesellschaft moslimischer Edelleute in Bos-
nien. Wir unterhielten uns recht lebhaft. Da entstand unversehens eine peinliche
Pause und einer der älteren Herren forderte mich auf, mit ihm hinauszugehen.
Vor der Türe sagte er mir in wohlwollendem Tone: ,Wir haben dich alle lieb ge-
wonnen und in unsere Gesellschaft aufgenommen, aber in unserer Mitte mußt du
dich auch anständig benehmen.' — Ich errötete über und über und fragte ihn, was
er damit meine, ich wäre mir keines absichtlichen Vergehens bewußt. — Du zogst
aus der Tasche ein weißes Tüchel, schneuztest dich hinein und stecktest den Rotz
in die TascheI' — Ja, wie hätte ich es denn tun sollen?!' — ,Das ist ekelhaft.
Das tut man nicht. Ein Mann von Lebensart geht vor die Türe und schneuzt sich
draußen mit den Fingern.' — Ich dankte aufrichtig für die Belehrung und zog mir
nie wieder auf der Reise wegen des Sacktücheis eine Zurechtweisung zu.

625. Gomno i mrsojj.

Dodijalo gomnetu da sedi u gradu pa uteće i pogje u selo. Kad
bilo na pola puta, skobi ga mrsolj. ,Pomozi Bog!1 — ,Bog ti pomogo!'

— Kud ćeś?' pita ga mrsolj. ,Vala, dodijalo mi', rekne mu gomno,
,u gradu. Ne éuvaju me nimalo. Tek kad me puste od visine, ja kad
padnem, sva mi se rebra polomel' — ,Ne brini,4 każe mu mrsolj, ,idi
ti u selo, tu će da ti bude dobro; tam nema zavod, samo te spuśte
na zemlju pa i ne osetiś!' — ,A kud si se ti uputio?' pita ga gomno.
,Men pa dosadilo u selu. Kad me uvate s dva prsta pa me ljosnu
o zemlju, ju żiv premrem. Trpe, trpe pa ne mogu vise!' — ,Tdi ti,
brajko, u grad, tam ćeS da uzivas. Ceo dan će da te nose u marame,
nikako ti ne dadu da padneś na zemlju 1' — I tako se rastanu. — Er-
zählt von einem Bauern in Vrasogrnac im Zajećarbezirke in Serbien.

— In einer anderen Fassung aus derselben Gegend fuhrt eine Spinne
mit dem Rotz dieselbe Unterhaltnng.

Der Dreck und der Rotz.

Der Dreck ist des ewigen Sitzens in der Stadt überdrüssig worden
und er entfloh und zog ins Dorf fort. Als er mitten auf dem Wege war,
stieß der Rotz auf ihn. »Helfe Gottl' — ,Gott soll dir helfen!1 — .Wo-
hin des Weges?' fragt ihn der Rotz. .Beim Allah, ich bin des Stadt-
lebens überdrüssig geworden,' sagte der Dreck zu ihm, ,man respek-
tiert mich nicht im geringsten. Sie lassen mich rücksichtlos aus der

Krauss, Anthropophyteîa. IV» 26


Ą02 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Hohe hinab, und wie ich falle, zerbrechen mir alle Rippen!' — ,Sei
ohne Sorge,1 sagt der Rotz zu ihm, geh du ins Dorf) da wirst du dich
wohl befinden; dort gibt es keinen Abort, man läßt dich blos sachte
auf die Erde nieder und du spürst es gar nicht!' — ,Und wohin hast
du dich aufgemacht?' fragt ihn der Dreck. — ,Mir ist es wieder im
Dorfe lästig worden. Wenn sie mich mit zwei Fingern anpacken und
mich auf den Erdboden niederhauen, sterbe ich bei lebendigem Leib
ab. Ich duldete und duldete und länger halte ichs nicht aus!' — ,Geh
du, Brüderlein, getrost in die Stadt, dort wirst du dein Dasein genießen.
Den ganzen lieben Tag über tragen sie dich in Sacktücheln herum,
unter keinen Umständen erlauben sie es dir, auf den Boden zu fallen!'
— Und so trennten sie sich voneinander.

626. Jutroklek.

— Joj, joj, śto jaućeś?

— Joj, joj, boli me zub!

— Joj, joj, mętni na nj jutrokleka pa dobro zgrizi!
Allgemein und sprichwörtlich verbreitet.

Der Morgenhock.

— Weh, weh, was jammerst du?

— Weh, weh, der Zahn tut mir weh!

— Weh, weh, leg darauf einen Morgenhock und beiß ihn tüchtig
zusammen!

Anmerkung. Morgenhock == frischer Dreck. — Den Rat erteilt man
scherzweise und mancher mag ihn im Ernst befolgen; denn auch bei den Südslaven
hält man große Stücke auf die Heilkraft des Drecks. Um einen zarten Teint zu
bekommen legen sich, wie schon oben bemerkt, eitle Mädchen über Nacht frischen
Dreck aufs Gesicht auf und waschen sich ständig mit Urin.

627. Śokaćka slava.

Vice bika iz Dubovika: ,Rodi se dite u prve pivce, nit je rance
ni donośće, već kopile, guje ga popile!' Pop huće, popadija suce. Pop
pita: ,Od koliko ćemo kita?' — Jami vraze, od kôliko mu drażeI' —
,Otstupite stare, pristupite mlade u żutim Sebernićima, u crvenim
papućicama, da vam dadem svitoga Antuna paląc. I nokat je bio,
arna sam ga zbijo. Jalovicu gonim, svitoga Niku iz kupusa gonim.
Izigji sviti Niko iz kupusa! Niti si kupusa sadijo niti si vrtla gradijo,
Kupus mi je lipo masno zeljice, so mu je zacina, maslo mu je zatuka.
Ti bi ga dumo i ja bi ga dumo. Sokcići bogćići, mladi momćići, po


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Rimu hodeći, Rim papu dvoreci. Jozo je Jozetan, Pajo je Pavletan,
Niko je Nikletan. Megju sobom zborili: ,Ko će turki turkétan na
mejdanl' Veli Niko niketan: Ja ću turki turkétan na mejdan!' — To
oni zborili, eto ti turke turketan na mejdan: nà konju brnjasu, na glavi
mu zarkula, kożni je lakota, gvozdeni je peta, mrsna para, nekrśćena
yjera, nazva salam. Niko na mejdan, uvati Niku za kiku. Niko se
vrti, guzica mu prdi. Niko se mace, kika se izmaće. Ko prvice po
Bogu sestrice. U dnu se rastani, u vrhu se sastani. Bjeżi dolje niz
udjele, gji no kuca Davidova i u kuci s vita diva. Ona kliknu: ,Za vas
greśne Boga moleći, Amin!'

Vom serbischen Bauern Ilija Savic in Priboj in Bosnien.

Das Sippenfest der Katholiken.

Diese Dreckgeschichte, deren Pointe in einer Farzerei und Scheißerei gipfelt,
ist eine Verhöhnung des katholischen Heiligenkultes und einer Franziskanerpredigt.
Sie ist absichtlich so verworren gehalten, daß sie weder der Erzähler verstand noch
ein Zuhörer begreifen konnte. Es scheint nur als ob irgend ein Sinn in dem durchaus
nicht witzlos aneinandergereihten, pompös klingenden Wortschwallstücke stäke. Wir
nennen derartige Redeleistungen einen gediegenen Bierschwefel. Mit der deutschen
Wiedergabe solcher Redeübungen würde man unverantwortlich Zeit vergeuden,
denn die Arbeit wäre sehr mühselig, um auch im deutschen die gleich lustige
Wirkung zu erzielen.

628. Turćin i srb.

Neki turćin igja§e sa Simom Gospavicem iz Ćardaćina u lug, da
nasijeku drva te se tako zdruziśe. Simo je veliki gjavolan i danas
pak ga svaki ovdasnji poznaje. E, oni su tako iśli, da nasjeku drva,
dok jednom turćin: ,Ćujeś, Simo, da se nadlagujemo!' — ,Pa de vala,
turćinel' — Turćin veli: ,Sluśaj:

Je li via ko ora?

Je li ora ko ljeljak?

Je li ljeljak ko brabonjak?

Je li brabonjak kao i govno?

E, pa tako ti je via!' —

— ,Sluśaj turćine ti:

Je su li turci ko vuci?
Je li vuk ko kurjak?

Je li kurjak ko pasće? . ' " ,

Jede li paśće govno?

E, tako su ti tvoji turci!'

Aufgezeichnet in Janja in Bosnien i. J. і88б. Erzählt von einem
Schreiber namens Lazar Łazić.-

26*


404 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

Moslim und Serbe.

Ein gewisser Türke (Moslim) ging mit Simon Gospavic (griech.-
orient.) aus Ćardaćina ins Gehölz, um Brennholz zu hacken und so
schlössen sie sich an einander an. Simon ist ein großer Teufelkerl
noch heutigentags und jeder hiesige kennt ihn. Nun denn, sie gingen
so einher, um Holz zu hacken, bis auf einmal der Türke anhub : ,Horch,
Simon, laß uns mal einander überlügen I' — ,Wohlan, beim Allah, du
Türke!' — Der Türke spricht: ,So hör zu:

Ist der Vlahe (Serbe) wie die Nuß?

Ist die Nuß wie die Hetschepetsche?

Ist die Hetschepetsche wie das Ziegenkügelchen?

Ist das Ziegenkügelchen soviel wie ein Dreck?

Nun, und so viel gilt dir auch der Vlahe!'

— .Horch mal, Türke, du:

Sind die Türken wie die Wölfe?

Ist ein Wolf wie ein Isegrimm ?

Ist ein Isegrimm wie ein Hündchen?

Frißt ein Hündchen Dreck?

Nun, so sind dir deine Türken geartet!'

Anmerkung. Diese Unterhaltung soll sich vor der österreichischen Besitz-
nahme Bosniens abgespielt haben, als es noch als eine gewaltige Vermessenheit
galt, einen Moslim zu reizen. — Das Überlügen, das einander im Lügen über-
trumpfen ist beim Volke ungemein beliebt und man schätzt einen tüchtigen, schlag-
fertigen, lustigen Lügner und Aufschneider in jeder Gesellschaft. Weniger harm-
los und gemütlich schaut die Sache aus, wenn gewisse Chrowoten ihre aufgelegten
Lügen auf Kosten gelehrter Gesellschaften und natürlich gegen hohe Honorare
drucken lassen, um damit nach ihrem Geschmacke die Geschichte und die Wissen-
schaft umzustilisieren.

629. Pitaitfa.

1. Kad bi bila uzica preko puta prevucena a na jednom kraju
drek a na drugom kurac, kud bi ti vuko? Iii govno u zube ili kurac
u guzicu? — Von einem Bürger in Poźega, Slavonien.

2. Śta bi ti volio, da ideŚ grabom a u grabi govno pa da govno
zine na te ili ti na govno? — Gegenfrage eines zweiten Bürgers.

3. Śta bi dao ono me, ko bi se tebi za pete posro? — Frage eines
dritten Burgers an den zweiten, ebenda.

4. Da Ii volis: jaser ili tiber? — Svaki odgovara da voli jaser.

5. Da Ii voliS: krv u kucu ili piast iza kuce? — Krv u kuci
to je siani na a piast iza kuce govno.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen. 405

6. Da Ii voliS śeke-beke ili kruśke meke? — Śeke-beke to
je śećer a kruśke meke govno,
Nr. 4—6 aus Ostserbien.

Fragen.

1. Wäre eine Schnur über den Weg gespannt und an dem einen
Ende ein Dreck, am anderen aber ein Zumpt, wohin zögst du an?
Mit dem Dreck zwischen die Zähne oder mit dem Zumpt ins Arsch-
loch hinein?

2. Was wäre dir lieber, giengst du durch einen Graben hin, im
Graben aber läge ein Dreck und der Dreck sperrte das Maul auf dich
oder du auf den Dreck auf?

3. Was gäbst du dem, der sich dir hinter die Fersen beschisse?

4. Was ist dir lieber: Ichscheiß oder Duklaub? — Jeder ant-
wortet, ihm wäre ein Ichscheiß lieber.

5. Ist dir lieber: Blut ins Haus oder ein Schober hinterm
Hause? — Blut im Hause das ist eine Speckseite, der Schober
hinterm Hause aber ein Dreckhaufen.

6. Hast du lieber: Zuckirne-schirne oder weiche Birne? —
Zuckirne-schirne ist ein Zucker, weiche Birne aber ein Dreck.

630. Pitanja і odgovori.

1. Ćije je govno u tebi? — U mené je od pćele, jer pćela nema
govna a u tebe od żene.

2. Kako bi ti pretjero jato gusaka preko ćuprije a da se nijedna
ne posere? — ZnaŚ kako? Ja bi turio svakoj kljun u guzicu a zadnjoj
bi moro ti kurac turiti u guzicu.

Beides vernommen in Pakrac in Slavonien.

Fragen und Antworten.

1. Wessen Dreck steckt in dir? — In mir ist einer von der Biene,
denn die Biene hat keinen Dreck, in dir aber einer vom Weibe.

2. Wie tatst du eine Gänseschar über die Brücke treiben, ohne
daß sich auch nur eine beschisse? — Weißt du, wie? Ich tat jeder
den Schnabel ins Arschloch hineinstecken, der letzten jedoch müßtest
du den Zumpt ins Arschloch stecken.

631. Rätselfragen chrowotischer Städter.

i. Śto je nemoguće? — Nemoguće je, golom se posrat u dźep і
turiti kiśobran u guzicu pa ga otvoriti.


40б Südslavische Volksüberüef erungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen,

Alltägliche Hausmittel.

632. Zur Abwehr der Mar.

Kad żensku tmora sisa neka uzme svoje vlastito govno і neka
ga metne na svoje sise і tmora će otstupiti. — Allgemein in Chro-
wotien und Slavonien.

Saugt eine Mar an einem Frauenzimmer, so nehme es seinen
eigenen Dreck und lege es auf seine Zizen auf und da wird die Mar
von ihr abstehen.

Anmerkung. Über die Mar im südslavischen Volkglauben vergl.
Krauss, Slavische Volkforschungen. Abhandlungen über Glauben,
Gewohnheitrechte, Sitten, Bräuche und die Guslarenlieder derSüdslaven,
Leipzig 1908, Wilhelm Heims.

2, Śto je bezobrazno? — Bezöbrazno je, dragöj doć pod prozor,
posrat se і pozvat je, da pogleda.

3, Śta je najveca brzina? — S prozora trećeg kata posrat se na
sokak, brże bolje na sokat izletit i ufatit govno u usta.

4, Śta je strpljivost? — Turiti magarcu pol lęmuna u usta i onda
na guzicu cuclat.

Allgemein unter den Chrowoten verbreitet.

1. Was ist unmöglich? — Unmöglich ist es, einem Nackten in die
Tasche zu scheißen uud ihm einen Regenschirm ins Arschloch zu
stecken und den dann aufzuspannen.

2. Was ist unverschämt? — Unverschämt ist, der Liebsten unter
das Fenster zu kommen, sich auszukacken und sie zu rufen, daß sie
sich die Bescherung anschaue.

3. Was ist die größte Schnelligkeit? — Vom Fenster des dritten
Stockes auf die Gasse hinabzuscheißen, raschestens auf die Straße
hinauszulaufen und den Dreck mit dem Munde aufzufangen.

4. Was ist Geduld? — Einem Esel ins Maul eine halbe Lemone
zu stecken und sie dann beim Arschloch zu sutzeln.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen, qqj

633. Dreck auf der Nase.

Kad ko koga pogledom осе da urekne, onda se każe protiv
uroka: Oh, ali ti je drek na nosi, obriśi ga! — Aus dem chro wo tischen
Küstenlande. — Nosi, richtig für das sonst übliche: nosu.

Will einer einen mit dem Blick beschreien, so spricht man gegen
die Beschreiung: ,0, hast du aber einen Dreck auf der Nase, wisch
ihn abl'

634. Wie man einem den After verstopft.

Kad se ko posere pred pendżerom, onda neka gazda uzme drvo,
śto ide na drljaću (da bolje zagje u zemlju) pa neka zavrta u to drvo
govno, i onda će posrancu guzica zaćepita biti i on će doć moliti
gazdu. I da je to govno i drvo bacit u vodu, onda će on dobit vo-
denu bolest. — Allgemein in Slavonien.

Wenn sich einer vor dem Fenster bescheißt, so nehme der Haus-
herr jenes Holz, das man zur Egge verwendet (damit sie tiefer in die
Erde eindringe) und verbohre den Dreck in dieses Holz hinein und
dann wird des Scheißers Arschloch verstopft sein und er wird kommen,
um den Hausherrn [um Vergebung] zu bitten. Und wenn man diesen
Dreck und das Holz ins Wasser würfe, so befiele ihn die Wassersucht

*

635. Um unangreifbar zu werden.

Ima jedan gospodin pa nosi komadić svog govna u briftaśnu.
Njemu ne może niśta nauditi, kad bi ko vraco protiv njega ili kad bi
ga komad drveta udarilo. — Aus Pożega in Slavonien. Auch sonst
gebräuchlich.

Es ist da ein Herr, der trägt ein Stück seines Dreckes in der Brief-
tasche mit sich herum. Ihm kann man gar nichts böses anhaben, wenn
einer gegen ihn zauberte oder, wenn ihn ein Stück Holzes träfe.

636. Eines Reichen Dreck.

Na vecer kad se prva zvijezda pojavi, da je ufatit malo govna
od bogataśa i kuci ponest, to će tome éoeku uvijek sreća prijat —
Chrowotisch, städtisch.

Wann sich abends der erste Stern zeigt, erwische man etwas Dreck
eines reichen Mannes und trage den heim, so wird diesem Menschen
immer das Glück lächeln.


40$ Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen.

637. Dreck vor Gericht«

Kad se ide na sud pa se imade govna od momka u dźepu, onda
je njegova prava. — In Chrowotien und Slavonien üblich.

Wenn man aufs Gericht geht und hat in der Tasche Dreck von
einer Wassereidechse (triton vulgaris L.), so gewinnt man den Prozeß.

638. Gegen Hexen.

Sa kokoSnjim govnom namazat kravi med rogove і viätice ne
mogu njoj uradit. — Aus Slavonien, allgemein.

Man hat eine Kuh zwischen den Hörnern mit Hühnerdreck zu
beschmieren und die Hexen können ihr nichts antun.

Anmerkung. Über die Hexen vergl. Krauß, Slavische Volk-
forschungen, IL Abschnitt

639. Dreck einer schwarzen Sau.

Kad se ide u cirkus і sa sobom ponese govno od crne krmaće,
onda će on vidjeti kako onaj pravi komedije. Onaj ga ne će moći
zaslijepiti. — Aus Pożega, Slavonien.

Wenn einer in den Zirkus geht und den Dreck einer schwarzen
Sau mit sich mitnimmt, so wird er sehen, wie jener Komoedien treibt
Jener wird ihn nicht verblenden können.

640. Hundedreck gegen Fieber.

Onaj koji ima sedam godina teśku groznicu, neka uzme tvrdog
psećjeg govna і neka ga u mlijeku skuva i procijedi i onda popije.
I neka rekne: ,Kako god ovaj pas teSko ovo isro, tako ova tvrda
groznica s mené spala!' — Onda neka uzme orah i u ljuske metne
pauka і to sveze і око vrata nosi te neka każe: ,Kako venuo pauk,
tako venula groznica1/ — Unter Chrowoten allgemein.

Jener, der sieben Jahre lang an schwerem Fieber leidet, nehme
harten Hundedreck und koche ihn in Milch ab und seihe ihn durch
und trinke ihn dann aus. Und er spreche dazu: ,Sowie dieser Hund
dies da schwer herausgeschissen hat, also falle auch dieses harte Fieber
von mir ab!' — Alsdann nehme er eine Nuß und lege in die Nuß-
schalen eine Spinne und binde dies zusammen und trage es um den
Hals und spreche: ,Sowie die Spinne hinwelke, so soll auch das Fieber
dahinwelken!'


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen, aqç

641. Gansdreck gegen Brandwunden.

Kad se ćoek opeće onda neka lipovïnu pali, drvo to stuca, po-
mijeśa sa guśćim govnom i namaźe rami. — Aus Chrowotien und
Slavonien«

Wenn sich ein Mensch eine Brandwunde zuzieht, so brenne er
ein Lindenholz an, das Holz stoße er zu Staub, vermische ihn mit
Gansdreck und schmiere damit die Wunde ein.

642. Für die männliche Kraft.

Ako ćoek izgubi snagu time śto sjedne na flek krvi od żenskog
vremena, onda neka se popiśa i neka toj żeni każe, da ona ide i na
piśalo sjedne. Kad ona to ućini, onda će se njegova snaga povratiti.
— In Chrowotien und Slavonien gebräuchlich.

Wenn ein Mann seine Kraft (Potenz) dadurch einbüßt, weil er sich
auf einen Blutfleck von der weiblichen Zeit gesetzt, so soll er sich
bepissen und diesem Frauenzimmer sagen, sie soll hingehen und sich
auf die Pisse hinsetzen. Wenn sie dies tut, so wird seine Kraft wieder
zurückkehren.

643. Pissend in den Mond schauen.

Kad bi ćoek piso u neki sat noći i gledo u mjesec, może ograj sat;
kurac ili pićka odma svrbi. — Allgemein in Chrowotien und Slavonien.

Wenn ein Mensch in gewisser Nachtstunde pißte und dabei in den
Mond schaute, so könnte er üble Folgen davontragen; sogleich juckt
der Zumpt oder die Voze.

644. Pisse gegen Beschreiung.

Kad je koji urećen, neka se umije u svom piSalu. Allgemein ge-
bräuchliches Abwehrmittel.

Ist einer beschrieen, so wasche er sich mit seiner Pisse das Ge-
sicht ab.

645. Nicht ins Wasser pissen!

Żena, koja je krupna, zbabna, ne smije u vodu piśat, jer će dijete
uvijek piśat. — Allgemeiner Glaube.

Ein schwangeres, der Niederkunft nahes Weib darf nicht ins
Wasser hineinpissen, denn sonst wird das Kind immer pisserig sein.


J  t

410 Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen;

646. Um trächtige Stuten zu bekommen.

Ako je źena zbabna, neka se popiśa i neka ono piśalo baci na
kobilu, onda će ona postât żdrebna, kad se pusti źdrijebac na nju. —
In Chrowotien und Slavonien.

Wenn ein Weib hochschwanger geht, so soll sie sich bepissen
und diese Pisse auf die Stute werfen, dahn wird die trächtig Werden,
wenn man den Hengst auf sie läßt

647. Kauernd pissen.

Ko ćućeći pisa taj nije ni za śto (źensko). Allgemein in Chro-
wotien.

Wer kauernd pißt, der taugt zu nichts (ist ein Weib).
Anmerkung. In Bosnien pissen die Moslimen hockend.

648. Gegen das Bettnässen.

Kad ko pisa u krevet, onda treba ovako: komśinici zdogovornoj
sa gazdom popiśanca pośalje gazda popiśanca po kaku stvar uzajmit
a ona ga doćeka sa novom kaśikom i poćne udarat po njemu. — In
Chrowotien und Slavonien üblich.

Wenn einer ins Bett näßt, so muß man dem auf solche Weise
abhelfen: Einer Nachbarin, die mit dem Hausherrn des Pissers im Ein-
verständnis ist, schickt der Hausherr den Bettnässer zu, damit er irgend
eine Sache ausborge, die aber empfängt ihn mit einem neuen [Holz-]
Löffel (Kochlöffel) und fangt damit auf ihn loszuschlagen an.

649. Gegen die Schwindsucht.
«

Protiv tizike treba vlastito svoje piśalo pit — tri ćaśe svaki dan
— i stare slanine — od tri godine — jest. — Allgemeines Heilmittel.

Gegen Schwindsucht hat man seine eigene Pisse zu trinken — drei
Gläser voll jeden Tag — und alten Speck — von drei Jahren — zu
essen.

650. Gegen Impotenz.

Ako ćoek ne może pojebat zenu, neka se popiśa kroz ćupriju. —
In Slavonien üblich.

Wenn ein Mann sein Weib nicht abvogeln kann, so soll er durch
eine Brücke pissen.


Südslavische Volksüberlieferungen, die sich auf den Geschlechtverkehr beziehen, ац

651. Um das Weib anzufeuern.

Ako ćoek осе da mu żena bude ostra u jebanju, neka joj dade
svog vlastitog piśala, jer je piśalo ostro. To se obićaje uradit, kad
mladi ćoek ima staru zenu. — In der Gegend von Pożega, Slavonien.

Wenn der Mann will, daß sein Weib beim Vögeln feurig (scharf)
sein soll, so soll er ihr von seiner eigenen Pisse eingeben, denn Pisse
ist scharf. Das pflegt man zu tun, wenn ein junger Mann ein altes
Weib hat.

Die weiteren Abschnitte und die Fortsetzungen zu den bisherigen
folgen in den weiteren Bänden der Anthropophyteia nach.


Vom Buchertische.

Bloch, Iwan, Dr. med.: Das Sexualleben unserer Zeit in seinen Beziehungen zur
modernen Kultur. Berlin 1907. Louis Marcus. VIII, 822 S. gr. 8e (in
6 Monaten 18 000 Ex.) I

Bloch faßt den Begriff unserer Zeit in dem Sinne, als das Wissen der Vergangen-
heit unser Besitz geworden und sich als überkommenes Erbe den Anforderungen des
durch die naturwissenschaftlichen Errungenschaften beeinflußten gesellschaftlichen
Zustandes der tonangebenden oder führenden weißhäutigen Schichte der gegen-
wärtigen Menschheit anpassen muß. Die Geschlechtlichkeit als tierische Erscheinung
ist nicht aus der Gegenwart, sondern ein aus der Anfangzeit der Menschwerdung
unverändert herubergenommener Trieb zur Erhaltung der Gattung. Die Kultur
ist das gewordene und in Weiterentwicklung oder Umwandlung oder Anpassung
ständig befindliche, durch das eine Einschränkung des Geschlechttriebes bedingt
und erzwungen wird, um die gesellschaftlichen Gruppen in ihrem Gedeihen zu be-
schützen. Man könnte mit Recht Blochs Werk auch als eine Geschichte des
Kampfes zwischen dem Geschlechttrieb und der Gesellschaft bezeichnen. Das ist
eines der wichtigsten Blätter der Menschheitgeschichte, das vor uns aufgeschlagen
wird und man muß sich nur wundern, wie viele Jahrtausende der Kultur verstrichen,
ehe sich einer fand, der dies Blatt beschreiben konnte. Allerdings hat'Bloch ein
endlose Reihe von Vorgängern, die dem Buche mit ihren Einzelforschungen vor-
gearbeitet haben und er selber ist einer von ihnen, daß er jedoch die ungeheure
Literatur verschiedener Völker und Sprachen mit unermüdlichstem Fleiße und mit
dem sicheren Unterscheidungvermögen des wahren Forschers durchzustudieren,
für sein Werk auszunutzen und all den Stoff in eine literarisch mustergültige Form
zu bringen vermocht, das verleiht seiner Leistung einen außerordentlichen Wert
und eine bleibende Bedeutung für den Fortschritt unserer aufstrebenden Wissenschaft

Wir von der Anthropophyteia bemühen uns, ein folkloristisches und ethno-
logisches Grundbuch des Sexuallebens zu schaffen; wir liefern Erhebungen und Ab-
handlungen, die sich auf einen bestimmten Kreis von Gefühlen, Empfindungen
und Neigungen beziehen, Blochs Werk dagegen ist der erste Grundriß der Sexual-
wissenschaft, ein Lehrbuch für Lernende, eine Stütze für Lehrende, ein Buch von
so reichem und gediegenem Inhalt, daß keiner dasteht, der von sich behaupten
dürfte, es bereichere ihn nicht in vieler Hinsicht. Dieses Werk bedeutet aber weitaus
mehr, denn wenn mich meine Lebenserfahrung nicht irre führt, leitet es durch
seinen gewaltigen buchhändlerischen Erfolg auch einen Umschwung in der öffent-
lichen Meinung zugunsten der Sexualwissenschaft ein und macht die weitesten Kreise
der Gebildeten für unsere naturwissenschaftlichen Forschungen empfänglich. Alle


Vom Büchertische

413

Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß damit eine segenreiche Wendung auch in
der Volks- und Völkerforschung anhebt. Ein Buch ist nicht allein durch seinen gründ-
lichen Inhalt wertvoll, sondern noch mehr durch die Anregungen, die es den Geistern
gewährt. Es gibt Bücher, die ihren Verfasser mit einem Schlag berühmt machen
und ihn zu einem Führer erheben. Eines von diesen guten, leider so seltenen Büchern
ist auch das Blochs und nun kommt das Seltsamere: er selber hat seinen wissen-
schaftlichen und den Erfolg seiner Persönlichkeit so wenig gemerkt, daß er gegen
eine sogenannte Rezension, die sein Gegner Dr. Albert Moll im Zeitgeist (Bei-
blatt z. Berl. Tgbl. v. 17. VI. 07) veröffentlichte, eine Erklärung loslassen mochte,
anstatt sich am unverhohlenen Ärger des Referenten zu ergötzen. Richtig ist unter
allen Vorhalten, die ihm Moll macht, der eine, daß er (Bloch) seine Meinung leicht
ändert, das heißt sich in allen Sonderfällen der Belehrung zugänglich erweist und
ohne Trotz und Zorn eine Meinung aufgibt, sobald neue Tatsachen seinen Gesicht-
kreis erweitern und sein Verständnis vertiefen. Wer am Abend nicht anderer Meinung
als des Morgens ist, der hat den Tag nicht durchgelebt und tagsüber nicht nach-
gedacht; für den ist der Tag verloren. Bloch brauchte angeblich anderthalb Jahre
zur Änderung seiner Meinung über die Ehe. Das ist ein fast zu langer Zeitraum.
Mancher lernt sein Weib sechs Wochen vor der Ehe, mancher sechs Wochen nach
der Ehe kennen. Einmal in der Woche wünscht jeder Ehegatte sein Weib in das
Land hin, wo der Pfeffer wächst, aber es gibt auch glückliche Ehen, so z. B. die von
Philemon und Baucis, und vielleicht weiß einer von unseren freundlichen Lesern
aus seinem Bekanntenkreise noch welche anzuführen. Es ist doch eigentümlich,
daß man immer die Ehen anderer, selten oder nie die eigene als die glücklichste
preist. Warum darf nach Moll ein Bloch über die Ehe keine eigene Meinung
haben? 1 Warum verwehrt er і h m ein Recht, das jedem Taglöhner zusteht? !
Zum Überfluß stellt Bloch die Einehe als Kulturideal hin und befürwortet sie, doch
verdammt er die Zwangehe. Sollte mal ein vernünftiges Ehegesetz beschlossen
werden, so daß Ehescheidungen ohne besondere Schwierigkeiten erfolgen können,
so müssen die Weiber in der Ehe alles aufbieten, um mit Liebenswürdigkeit, Geduld
und Nachsicht den Mann an sich zu fesseln, statt, wie bisher auf ihr Recht zu pochen
und dem Manne leidige Jahre und Tage zu bereiten. Dann ist auch der Streit zwischen
Moll und Bloch gegenstandlos.

Weniger spaßhaft klingt der Vorwurf, Bloch habe sich von K r a f f t -
Ebings und seiner (Molls) Ansicht über Homosexualität abgewandt. Hierin
erging es ihm nicht anders wie mir, der ich durch das Studium von Hirsch-
felds Jahrbüchern für sexuelle Zwischenstufen gründlich bekehrt worden bin.
Da gibt es keine Wahl als die, die Tatsachen anzuerkennen oder sie, nach Art ge-
wisser Rabulisten, einfach als Märchen zu bezeichnen. Der Wahrheit aber muß
man sich als Forscher fügen, und etwas anderes tat auch Bloch nicht.

Wahrheit sucht und findet man bei Bloch in allen 33 Abschnitten seines
Buches, das wohl bereits jeder Studierende der Anthropophyteia in Händen hat.
Darum ist eine nähere Inhaltangabe diesmal überflüssig. Freuen wir uns des Werkes,
das uns allen als ein trefflicher Wegweiser auf dem bis vor kurzem so schwer gang-
baren Gebiete der Sexualforschung dient.

Dr. Moll nennt Blochs Buch unwissenschaftlich. Da muß man ihn doch daran
erinnern, daß er selber, der mehrere für die Sexualforschung grundlegende Werke
veröffentlicht hat, bei einer akademischen Größe, wie sie von der Gestalt des Jenaer
Privatdozenten Dr. L o b o s c h dargestellt wird, einen so abfälligen Eindruck


4H

Vom Büchertische.

machte, daß selbiger Herr unsere Bemühungen samt und sonders als eine Pseudo-
Wissenschaft brandmarkt und gegen unsere Bestrebungen die Sittlichkeitschnüffler
aufruft. Molls Referat ist Wasser auf die Mühle eines Dr. Lobosch und noch so
mancher ihm gleichwertiger Erzeuger der öffentlichen Meinung. Vor dem Richter-
stuhle dieser Herrschaften kann auch Moll nicht bestehen. Übrigens ist zur Zeit
eine dritte vielfach verbesserte Auflage des Blochischen Buches im Druck und sie
wird auch des sichersten, von Moll schmerzlich vermißten Kennzeichens der Wissen-
schaftlichkeit, eines Registers nicht ermangeln.

Krauss.

Dr. Magnus Hirschfelds Bestrebungen.

Nach dem Ableben des berühmten Psychiaters und Sexualforschers Richard
von Krafft-Ebing dürfte zur Zeit wohl Dr. Magnus Hirschfeld
in Charlottenburg als der bedeutendste Sachverständige auf dem Gebiet des SexuaJ-
lebens zu gelten haben. Krafft-Ebing wagte es zuerst, gestützt auf die Autobio-
graphien zahlreicher sexuell anormal Veranlagter, die sich vertrauenvoll an ihn
wandten, in das dunkle, bisher aus Prüderie gemiedene Gebiet der Geschlechtkunde
mit der Fackel der Wissenschaft hineinzuleuchten. Daß ihm in dem Bestreben,
recht genau zu klassifizieren, hie und da noch Irrtümer mit unterliefen, war bei
der Unberührtheit des Forschungfeldes, auf dem er noch eigentlich keinen medi-
zinischen Vorläufer hatte, verzeihlich; die These von der Erwerbungmöglichkeit
homosexueller Triebe durch Verführung und Suggestion hat Krafft-Ebing später
selbst fallen lassen, obwohl sie leider noch heutzutage in manchen wissenschaftlich
nicht aufgeklärten Köpfen noch weiter spukt und Unheil anrichtet.

Das Erbe Kraf ft - Ebings hat nun Dr. M. Hirschfeld übernommen, der
in zahlreichen aufklärenden Schriften die Ergebnisse seiner Forschungen auf dem
Gebiet des Sexuallebens Ärzten und Laien zugänglich gemacht und viel zur Klärung
und Richtigstellung irrtümlicher Anschauungen beigetragen hat.

Von mehr fachwissenschaftlichem Interesse ist Hirschfelds Broschüre
,,G eschlechtsübergäng e",der er das Motto voranschickt, daß die Natur
nie sprungweise, sondern immer nur schrittweise vorgeht. Durch Aneinander-
reihen und Gegenüberstellen verwandter Naturerscheinungen sucht der Verfasser
die Gesetze zu eruieren, die ihm für die Entstehung sowohl der Geschlechtunter-
schiede als der Geschlechtübergänge maßgebend erscheinen. An der Hand neuer
Fälle von Hermaphrodisie und „irrtümlicher Geschlechtbestimmung1' bespricht er
die Übergangerscheinungen am Genitalapparat selber, sodann legt er an einer
weiteren Reihe von Beispielen die „sekundären" Annäherungen und Übergänge dar,
so enges Becken, Bartwuchs, Verkümmerung der Brüste bei Frauen, weibliches
Becken, Mammaentwickelung, weiblichen Habitus bei Männern. Nachdem er die
Darstellung des Hermaphroditen in der Kunst gestreift, die in dem von prüden
Anwandlungen unberührten Altertum aus der ideal dargestellten Vereinigung
männlicher und weiblicher Elemente mancherlei eigenartige Anregungen empfing,
geht H. zu der eigentlichen Homosexualität über, dem männlichen Geschlechttrieb
bei Frauen, dem weibartigen Geschlechttrieb bei Männern zu Personen des —
scheinbar — gleichen Geschlechts. In Wirklichkeit findet jedoch bei den Homo-
sexuellen eine solche Mischung männlicher und weiblicher Elemente statt, daß die


Уот Büchertische

415

Diagonale der Kräfte sie entgegen ihrem scheinbaren Geschlecht, ihrem äußeren
Genitalapparat, auf den Vollmann bzw. das echte Wçib als reizgebenden Gegensatz
hinweist. Durch die Hermaphf odisie wird die Homosexualität,
aus den „stärkeren Graden" die „leichteren", aus dem „Mehr" das so oft verkannte
„Minder" begreiflich gemacht. H. gelangt zu hochinteressanten „Genogenetischen
Gesetzen", unter denen ich nur folgende hervorheben möchte.

„Jeder Geschlechtcharakter ist in der befruchteten Keimzelle präformiert,
eingeboren."

„Alle Geschlechtmerkmale beruhen auf einer verschieden starken Entwicke-
Uing einer einheitlichen Anlage."

„In jedem Bion, das aus der Vereinigung zweier Geschlechter hervorgegangen
ist, finden sich neben den Zeichen des einen Geschlechtes die des anderen oft weit
über das Rudimentärstadium hinaus in sehr verschiedenen Gradstufen vor."

„Je später die Differenzierung eines Geschlechtzeichens erfolgt, um so häufiger
weicht seine Graduierung von dem sexuellen Durchschnitt ab."

Bietet das eben besprochene Werk dem Arzt, dem medizinischen Sachver-
ständigen eine Menge neuer Anregungen, so wendet sich Hirschfelds Broschüre
„Berlins drittes Geschlecht" mehr an das Laienpublikum. Einer Aufforderung
des Seemannschen Verlages, der eine Serie von „Großstadtdokumenten" heraus-
zugeben beabsichtigte und H. um Bearbeitung des augenblicklichen Standes der
gleichgeschlechtlichen Frage in Berlin anging, glaubte der Verfasser sich nicht ent-
ziehen zu dürfen, damit nicht ein anderer damit betraut würde, der nicht nur viel-
leicht mit weniger Sachkunde, sondern auch mit weniger Wohlwollen und Mitgefühl
geschrieben hätte. Daß eine ganze Reihe für den normal Empfindenden nicht
gerade sympathischer Züge nicht übergangen wurde,kann dagegen der Wahrheit-
liebe und Sachlichkeit des Verfassers nur zur Ehre gereichen. Das Bild würde durch
Weglassung dieser charakteristischen Einzelheiten an Vollständigkeit und Treue
verloren haben. H. durfte sich nicht dadurch abhalten lassen, daß einzelne extreme
Elemente unter den Homosexuellen sich gern als eine Art Elitemenscheji betrachtet
sehen; diese erklären die Theorie von den weiblichen Zügen im Uranier als „alles
verwirrend und verzerrend" und wollen es als eine Forderung männlicher Gesellung-
freiheit hingestellt wissen, daß der Mann sich an Mann oder Jüngling liebend an-
schließe; sie vergessen dabei nur, daß es keinem nichthomosexuellen Mann je einfallen
wird, sich in eine über die Freundschaft hinausgehender „Liebe" einem Geschlecht-
genossen zuzuneigen. Jenem Übereifer der extremen Kreise hat die Bewegung zur
Verbesserung des Loses der Homosexuellen es zu danken, daß sich ihr noch immer
Unverständige und Übelwollende entgegenstemmen, indem sie von einer unbe-
rechtigten Propaganda für die Homosexualität sprechen. Was Dr. Hirschfeld
anstrebt, ist nur, daß alte Vorurteile und irrige Ansichten über das Wesen des
Uranismus berichtigt werden, daß die Behandlung der Homosexuellen vor Gericht
und im öffentlichen Leben eine gerechtere und menschenwürdigere werde ; eine
Verherrlichung, eine Höherstellung über die Normalen hinaus liegt ihm fern und
muß ihm fernliegen. .....________

Sehr anerkennenswert ist endlich — und den Lesern dieses Jahrbuches wird
es besonders wertvoll erscheinen —, daß H. auf die Bedeutung der Erforschung
uranischer Erscheinungen bei Naturvölkern hinweist. (Gynäkomastie eines jungen
Eingeborenen des Bismarck-Archi pels aus der „Menschenkunde" von A. S o k o -
1 o w s k y und Mikromastie zweier eingeborener Peruanerinnen und männliche


Vom Büchertische»

Konturen bei einem Makavamädchen aus Ploß-Bartels klassischem Werk
„Das Weib in der Natur- und Völkerkunde.")

Hier eröffnet sich den folkloristischen Forschern ein dankbares Gebiet. Die
gleichgeschlechtliche Liebe ist ein nicht unwesentlicher Bestandteü im Leben der
Naturvölker. Leider wurde dieser Erscheinung in einschlägigen Werken manchmal
zu wenig Beachtung geschenkt, wenn sie nicht gar aus Prüderie ganz mit Still-
schweigen übergangen wurde. Wie schon Friedrich von Hellwald her-
vorhebt, findet sich aber gleichgeschlechtliche Liebe nirgends mehr, wie bei den
wilden Stämmen, wo doch von Überkultur keine Rede sein kann. Und nicht sind
es verweichlichte Südländer, sondern gerade oft die Bewohner des äußersten Nordens,
bei denen diese Erscheinungen mit elementarster Natürlichkeit zutage treten.
Während allerdings die alten spanischen Schriftsteller, besonders O v i e d o und
Garcia, bei Schüderung der Kulturzustände der neuentdeckten Welt nicht
genug tun konnten in schmähenden Ausdrücken, wie „Verbrechen wider die Natur",
lobt T a n n e r das anständige und züchtige Betragen der Indianer. Wilson
hebt hervor, daß die Polynesier ungeachtet der bei ihnen im Schwange befindlichen
Laster in Gegenwart von Fremden niemals etwas Anstößiges begingen ; M о e r e n -
h o u t kann nicht umhin, seiner Verwunderung Ausdruck zu geben über die naive
Unbefangenheit, mit der die Tahitier sich über alles aussprachen, jedes Ding beim
rechten Namen nennend, ohne irgend eine Art des geschlechtlichen Verkehrs ver-
werflich zu finden ; W r a n g e 1 drückte den Tschuktschen seinen Abscheu über
die Männerliebe aus, was die Leutchen unbegreiflich fanden, da bei ihnen hierin
jeder seiner Natur und seinem Geschmack folgen dürfe. Bei einigen Naturvölkern
war die Pflege gleichgeschlechtlicher Beziehungen geradezu staatlich sanktionierte
Volksitte, so in Dahomey und Neu-Caledonien, wo Liebende sich zur Waffenbrüder-
schaft auf Tod und. Leben zusammenschlössen. Steindorff berichtet von
feierlichen Hochzeiten unter den männlichen Bewohnern der Oase Siwah, die mit
großem Pompe begangen und durchaus nicht als etwas Schimpfliches oder Ver-
heimlichenwertes angesehen werden. Bei den Indianern Floridas werden die „Herma-
phroditen" nach Le M о y n e als Krankenträger und Pfleger der verwundeten
Krieger herangezogen. Auch zu religiösen Zeremonien wurden Homosexuelle be-
nützt, da man ihnen besondere Fähigkeiten im Verkehr mit der Gottheit zuschrieb,
ja selbst übernatürliche Kräfte, so bei den Sakalaren auf Madagaskar. Ja, die
Kamtschadalen übertrugen selbst auf ihren obersten Gott Kutka die bei ihnen
gebräuchlichen Volksitten, wie aus ihren Poesien hervorgeht. In den Sagen und
Liedern der Naturvölker harrt überhaupt noch ein reicher Schatz der Hebung
durch folkloristische Forscher; daß man aus sogenannten moralischen Gründen
heute noch charakteristische homosexuelle Erscheinungen absichtlich fälscht oder
verdunkelt, kann dank der Aufklärungarbeit namentlich deutscher Gelehrter auf
dem Gebiet der Sexualkunde, wozu auch die beiden besprochenen Broschüren
Dr. Hirschfelds gehören, wohl hoffentlich als ausgeschlossen gelten.

Dr. J. E. Meisner.

Vorlesungen über Geschlechtstrieb und gesamtes Geschlechtsleben des Menschen.
Yon Dr. Hermann Rohleder« 2. verb., verm., u. gänzl. umgearb. Aufl.
Bd. I: Das normale, anormale u. paradoxe Geschlechtsleben. XVI 600 S.


Vom Büchertische

Bd. II: Das perverse Geschlechtsleben des Menschen. 545 S. 1907. Berlin,
Fischers mediz. Buchhandlg. H. Kornfeld. Lex. 8°. brosch. 20 Mk.

Neben dem Bloch sehen wird dies Werk für den Forscher ein notwendiges
Nachschlagehandbuch sein, zumal ähnlich umfassende Darstellungen bei dem
encyclopädischen Anschwellen des Materials in nächster Zeit kaum zu erwarten
sein durften; vielmehr wird man zu Monographien übergehen müssen, um wenig-
stens an der einen oder anderen Stelle von der Oberfläche der logischen Spekulation
bis zum Felsgrund der Wahrheit hinabzuloten. Rohleders umfangreiche
Übersicht wird besonders für diejenigen wertvoll sein, die gleich ihm nicht nur
wissen, was „normale" Sexualität ist, sondern diese Grenze auch relativ eng
ziehn und die Masse der übrigen Erscheinungen als abnorm und pathologisch hin-
stellen. In dieser Hinsicht wird das eigene Nachschlagen in Krafft-Ebing, Moll &c
ungemein erleichtert. Anders steht es freilich mit der Benutzung von Werken
wie die Antrhopophyteia ; hier scheint indessen die Zurückhaltung des Autors nur
einen subjektiven Grund zu haben, auf den ich noch zu sprechen komme. Schema
und Einteilung des ersten Bandes sind folgende:

I. Libido sexualis. A. Normaler Geschlechtstrieb (Allgemeines, Definition,
Ehe und ihre Hygiene, außerehelicher Verkehr und seine Prophylaxe, persönliche
individuelle Prophylaxe, freie Liebe, Pubertät, Pollution, Menstruation, Ovulation).
B. Abarten und Paradoxien; a) zu geringer Trieb; 1. Anaesthesia sexualis ^Para-
doxia libidinis im Kindesalter, im Greisenalter, Anaphrodisia sexualis totalis und
partialis, Frigiditas organica idiopathica) ; 2. Dyspareunie der Frau (mangelnde
Empfindung) ; 3. Abstinentia sexualis; b) zu starker Trieb (Hyperesthesia sexualis) :
і. Satyriasis; 2. Nymphomanie. Anhang: Geschlechtstrieb bei Hermaphroditismus
Kastrierter und Eunuchen.

II. Kohabitation. A. normale (Physiologie, therapeutische Wirkung, De-
floration) ; B, abnorme (übermäßiger Verkehr und seine Folgen, Vaginismus, Klito-
rismus, Koitus interruptus, Neomalthusianismus, bei Erkrankungen).

III. Konzeption. A. normale, physiologische; B. pathologische (kranke Keim-
zeilen, abnorme Befruchtungsvorgänge) ; C. künstliche.

Schema und Einteilung des zweiten Bandes sind: *

I. Die heterosexuellen Perversionen. A. Rein heterosexuelle Perversionen:
і. Notzucht und Beischlaf an Mädchen unter 14 Jahren; 2. Unzucht (andere Hand-
lungen als Kohabitation an Kindern unter 14 Jahren. Alle diese Gruppen auch
immer de lege lata und de lege ferenda); 3. Paedicatio mulierum; 4. Abnorm-per-
verse Sonderheiten im heterosexuellen Verkehr (Cunnilingus [sie! als Handlung,
wie leider üblich], Fellatorismus [sie! statt fellatio], Irrumatio, Cunnilingus analis
[sic!!], Coitus in sinus mammarum, mutuelle [?] Masturbation per puellam, Coitus
inter femora, genua, axillas &c feminae); 5. Incest; 6. Unzucht (also andere Hand-
lungen als Koitus) an Blutsverwandten; 7. Unzucht an Pflegebefohlenen, Ver-
führung. B. Meist heterosexuelle Perversionen: 8. Frottage (Reiben der Genitalien
an irgend einem Körperteil einer anderen Person); 9. Exhibitionismus; 10. Sadis-
mus oder Activismus (ideeller, Pollutionismus, aktiver Flagellantismus, Strangu-
lomanie, Lustmord und Anthropophagie, Leichenschändung, Statuenschändung
oder Pygmalionismus, endUch Sodomie, zerfallend in a) Zooerastie oder Zoo3tuprum
auf pathologischer Grundlage, b) Bestialität oder Zoostuprum auf unmoralischer
Grundlage, c) Zoo3adismus; 11. Masochismus oder Passivismus (ideeller, Submis-

Krausi, Anthropophyteia. IV. 27


418

Vom Büchertische.

sionismus, passiver Flagellantismus, Fakirismus, passiver Pollutionismus, Kopro-
lagnie, Mixoskopie oder Voyeurs, Fetischismus auf Körper, weibliche Kleidung,
Tiere und leblose, zufällig von Weibern getragene Gegenstände.

IL Homosexuelle Perversionen, zunächst Masturbation und psychosexuelle
Hermaphrodisie, dann speziell: A. reiner Konträrsexualismus beim männlichen
Geschlecht: i. griechische Liebe Eros, Paedophilie), 2. Feilatorismus oder homo-
sexueller männlicher Cunnilingus [siel], 3. Paederastie, 4. Konträrsexualismus
sensu stricto (mutuelle Onanie, Immissio penis inter femora, in axillas, inter genua,
appressio ad partem corporis alterius, Küsse, Liebkosungen), 5. Ätiologie: a) ange-
boren, b) vereinzelt erworben durch erbliche Belastung, falsche Erziehung, Nach-
ahmungstrieb, Abstinenz, unglückliche Ehe, Furcht vor Ansteckung oder Kinder-
segen, Impotentia coeundi, Geisteskrankheit, Pädophilie, Beruf), 6. Diagnose,
Prognose, Therapie, lex lata, lex ferenda, Seelenzustand. B. Konträrsexualismus
beim weiblichen Geschlecht: 1. mutuelle Masturbation, 2. Lesbismus oder Sapphis-
mus (lambendo), 3. Tribadismus (fricando vulvam ad vulvam), 4. homosexueller
weiblicher Feilatorismus [!] und Klitoriskohabitation [in vaginam aut anum!],
indessen vom Verf. für mehr „theoretisch" gehalten, 5. Paedophilia erotica homo-
sexualis feminarum (Handlungen an unreifen Mädchen).

III. Automonosexualismus (Masturbation mit Gedankenrichtung auf sichselber).

Wissenschaft ist ja Ordnung; aber ich fürchte, in das Prokrustesbett dieser
Rubriken wird man so leicht niemand lebend hineinbringen. Wer vielen Leuten
auf dem Gewissen gekniet hat, weiß, wie ungemein vielfältig und in alle Rubriken
ausstrahlend die Tendenzen jedes einzelnen Individuums sind. Die feste Systemati-
sierung droht alle Schattierungen der Psyche zu mehr groben Farbunterschieden
zu verwischen, und was die Erklärung anlangt, so kommt man aus der Sack-
gasse nicht heraus, wenn man zu den Fenstern auch noch die Fensterkreuze zählt.
Diese Mängel, wenn sie vorhanden sind, fallen aber nicht dem Autor zur Last,
sondern dem unreifen Stadium, in dem sich unser Wissen von der Sexualität über-
haupt befindet. Und gerade deshalb wiederhole ich dringend meine Empfehlung
des Werkes, weü es vielleicht in Zukunft deutlich die Biegung des Weges markieren
wird, den wir zurücklegten. Wir haben hier die Lehre von der Pathologie ziemlich
nach jeder Seite erschöpfend dargestellt, und für alle, die von dieser Lösung geistig
nicht befriedigt sind, bedeutet das einen gewissen Abschluß und das weitere
Verlangen: quid no vi?

Eine Eigenart des Verfassers ist noch zu erwähnen: er belegt alles, was nicht
normal ist, mit gut variierten Ekelnamen. Das geht so weit, daß er z. B. den be-
kannten Fall eines Grafen, der zum Zweck der Potenz eine Erdbeere mit den Menses
der Gattin in Berührung bringt und verzehrt, als das Scheußlichste erklärt, was
ihm vorgekommen sei. Das geht so weit, daß er, als Psychopathologe, sagt: ,,Ich
habe nur Bruchstücke der de Sadeschen Werke gelesen — ich hatte genug." Dies
"Betonen einer ganz subjektiven Ästhetik, die sich bei einem objektiven Natur-
wissenschaftler völkerkundlich durch nichts rechtfertigen läßt, hat Ver-
fasser auch wohl abgehalten, sich mit den Erhebungen dieser Jahrbücher vertraut
zu machen. Als Gegenansicht führe ich nur eine Stelle aus der eben erschienenen
interessanten Studie von L. M. K ö t s c h e r in Hubertusburg (Erwachen des
'Geschlechtsbewußtseins) an: „Abgesehen von einer ästhetischen Wertung, die
bekanntlich sehr subjektiv ist, und sich sogar bei manchen Leuten als Abscheu
auf die eigentlichen Genitalien erstreckt, wird man in der Fellatio und im Cunni-


Vom Büchertische,

419

lingus kaum etwas besonders Perverses sehen können &c." Also die Ästhetik des
Verfassers in allen Ehren. Wenn aber die Tausende von gebildeten Laien, die nach-
weislich in der Hauptsache diese Bücher lesen, nicht nur erfahren, daß ihre ange-
borene perverse Richtung eine psychische Krankheit, sondern auch eine ekelhafte
Scheußlichkeit ist, so erzeugt solche ganz überflüssige Bemerkung nur vermehrtes
taedium vitae und vor allem, zum Schaden der Wissenschaft, absolute Verschlossen-
heit gegenüber den „unverständigen" ärztlichen Untersuchern.

Berlin. Alfred Kind.

Die Verirrungen der Liebe. Studien zur Sexualpsychologie von Hans Rau (2. Bd.

der Beiträge zu einer Geschichte der menschlichen Verirrungen). Leipzig,
Leipziger Verlag (1907). 8°. XXIV 303 S. brosch. 8 Mk.

Der früh verstorbene Verfasser führte eine gute Feder. Das hob ihn schon
ohne weiteres aus der Masse der Skribenten, die mit der gleichen Ware handeln.
Aber er war auch bemüht, jenseit von Kompilation und Abschriftsteilerei eigene
Studien zu machen und sich eigene Gedanken zu bilden. Was besonders vom ersten,
hier schon besprochenen Bande (Verirrungen in der Religion) gilt. Der zweite,
vorliegende, ist flüchtiger geraten, vielleicht wegen der schweren Krankheit des
Verfassers. Der Forscher wird nicht sonderlich Neues finden, falls ihn nicht die
jugendliche Kühnheit reizt, mit der hier gegen einige ehrwürdige Theorien der
Sexuallehre geplänkelt wird.

Verfasser verlangt, daß beim Sexualforscher das „Gefühl" und das Vorurteil
der großen Masse ausgeschaltet sein müsse. Nur Roderich Hellmanns
seltenes Buch über Geschlechtsfreiheit (1878) sei ganz objektiv. Die Anschauung,
nur solche Formen der Triebbefriedigung seien normal und naturgemäß, bei denen
zum mindesten die Möglichkeit der Befruchtung vorhanden ist, hält Verfasser für
einen Fundamentalirrtum. „Es genügt eben bei der Reichhaltigkeit der Natur,
wenn von jeder Million, ja von jeder Milliarde nur ein einziges Samenkorn aufgeht."
Allerdings 1 der Zoologe und Botaniker weiß, daß das eben so ist. Die Vor-
schrift der erotischen Moraltheologie und ihre Übersetzung ins Krafft-Ebingsche
Idiom gleicht daher nicht dem „Natürlichen", sondern etwa der Methode einer
künstlichen Fischzuchtanstalt : Befruchtung um jeden Preis. Ob der Daumen
des Fischzüchters dem Karpfen nicht als ein attentat aux moeurs erscheint, bleibe
dahi ngesteilt. ^ л > і

Verfasser geht dann die einzelnen Gruppen der Sexualität summarisch durch,
wie gesagt, nicht ohne Geschick und Selbständigkeit. Man hört ihn gern plaudern.
Zuweilen vermißt man solidere Stützpunkte; so wenn er sich beim Masochismus
mit der Heranziehung der amerikanischen Prügelbriefe begnügt, in denen Phantasie
und Realität einen gehörig verhedderten Knäuel bilden. Für den Fachmann er-
übrigt es sich, auf Einzelheiten einzugehen; aber in populären Kreisen würde eine
Verbreitung des Buches gute Dienste leisten.

Berlin Alfred Kind

27*


420

Vom Büchertische

Cäsarenwahn und Blutrausch. Neue Beiträge zur Geschichte der menschlichen Ver-
Irrung und Grausamkeit. Von Johann Parsenow. Leipzig (1907), Leipziger
Verlag. 8Л 208 S.

Dem Verlangen des Verlegers nach Erwähnung komme ich nach, weil das
Buch nach zwei Seiten ein exemplum demonstrationis ist. Nämlich erstens handelt
es sich um eine ganz subjektive und total unkritische Kompilation, die beim
Skandalblättchen-Redakteur Suetonius ihre Anleihe beginnt und mit den üblen
Nachreden chinesischer Potentaten das Sammelsurium beschließt. Einen Heiter-
keiterfolg will ich dem Leser nicht vorenthalten. Bei Gelegenheit der Popäa Sabina
(deren Eselinnenmilch-Bäder sich jeder Gymnasiast andächtig vorstellt) entgleitet
dem calamo scriptoris folgendes eheu ! : Diese Dame — eine Jüdin nebenbei ! Nach-
her avanciert sie konsequent zur „verschlagenen Jüdin". Ich brauche an dieser
Stelle den geehrten und gelehrten Lesern nichts davon zu erzählen, um was für eine
freimaurerische Philosophie es sich bei diesem Judäertum in der alten Roma nur
handelte und wie beliebt die alexandrinische Bildung bei den schönen Damen war.
Aber das rutscht dem Verfasser so aus dem Handgelenk haste nich gesehn, und
man macht sich eine interessante psychologische Note dazu. Mein Resume ad eins
ist nun beileibe kein Vorwurf für den Autor, sonst müßt ich die mehrsten Berühmt-
heiten der Geschichtsklitterung auf dem gleichen Rasiermesser reiten lassen. Viel-
mehr halte ich ad zwei das Buch für wertvoll, aus Folgendem: Verfasser ist (seiner
Verfassung nach) etwa das, was mit dem ganz schlechten Namen Sadist bezeichnet
wird. Er malt die aufgehäuften Grausamkeiten gar nicht, um kritisch die Wahrheit
des Tatsächlichen zu eruieren, sondern weil ihn die ewig wiederholte Spannung
seines Innern dazu trieb, derartige literarische Gemälde zu sammeln, diewieder
nur den gleichen Naturen — von Rom bis China— ihr Dasein verdanken.
Und nochmals von den gleichen Naturen wird das Buch gelesen
werden so, wie es gelesen werden soll, d. h. als Erotikum. Nun bin ich der
Ansicht, daß jeden anders Gestimmten solche Lektüre zum mindesten anödet.
Und darin hegt die einfache Lösung der Frage : Ist die erotische Literatur (Schmutz
sagen einige, die die künstlerischen Sachen nicht kennen) schädlich oder nicht?
Die Antwort ist : summa summarum betrachtet ganz unschädlich, weil die anders
Gearteten höchstens zu einer sofort im Sande verlaufenden Nachahmung angeregt
werden, und weil die darnach Abgestimmten eine notwendige Nahrung darin
finden, die sie von ermattender Phantasiearbeit befreit, ja sie durch Auslösung
der Spannung vor Handlungen bewahrt, die der „umnebelte Instinkt" zu
ihrem und der Gesellschaft Schaden begehrt. Als einen kleinen Beleg dazu zitiere
ich aus einem unveröffentlichten Material mit frdl. Erlaubnis des Herrn Kollegen
Magnus Hirschfeld die feine Bemerkung eines hochgebildeten „Sadisten",
der sich sein Leben lang über diese Dinge den Kopf zergrübelt hat. Es heißt da:
„Heutzutage ruft man nach Ausnahmebestimmungen gegen die unsittliche Lektüre.
Da kann ich nicht mitmachen. Hätten mir diese Bücher gefehlt, hätte ich durch
sie keine Befriedigung gefunden, wer weiß, ob meine Begierden nicht doch meine
angeborene Gutmütigkeit überwunden hätten, ob ich meinem Trieb nicht durch
Taten Genüge verschafft haben würde, ganz ohne Rücksicht auf gesetzliche Kon-
flikte. Man hat Zustände, wo nur der blinde Drang nach augenblicklicher Er-
leichterung besteht.... Kommen nicht tätliche Sittlichkeitverbrechen hauptsäch-
lich in den niederen Klassen vor, wo derartige, teure Bücher nicht gekauft werden


Vom Büchertische

421

können und wo schon das enge Aneinanderleben die Handlungen an Personen
nahelegen? usw." Nun, das gibt doch zu denken. Man betrachte aus dieser Per-
spektive die ungeheure Verbreitung der Pornographie namentlich in Asien, man
sehe unsere Gravuren-Kabinette auf Sadismus durch, man belausche die Geheim-
nisse mancher Bibliophüen, und man wird etwas konstatieren, was keinen Schein-
wert hat, nämlich Wahrheiten.

Berlin. Alfred Kind.

Monatsberichte des Wissenschaftlich-humanitären Komitees. (Privatdruck im
Selbstverlag, Berlin-Charlottenburg, Berlinerstr. 121. Jahrgang 4 Mk.)

Diese Publikation entstand aus winzigen Anfängen. Im Jahre 1902 waren
es hektographierte Sitzungprotokolle, gerade 2 Schreibseiten. 1903 wurde der Drucker
bemüht, von Januar 1904 an erschien das jetzige Format, zunächst 4 Seiten
stark, noch im selben Jahre auf 1 Bogen steigend. Die soeben ausgegebene Sep-
tembernummer 1907 hat 2 Bogen Umfang. Hinzufügen will ich, daß die Monat-
berichte ab і. Januar 1908 als reguläre, buchhändlerisch vertriebene Zeitschrift
unter dem Titel einer Sexualwissenschaltlichen Revue 4 Bogen
stark herauskommen werden. Der Anlaß hierzu ist hauptsächlich der Umstand,
daß eine ernsthafte und beachtenswerte Zeitschrift, die die sexuellen Probleme
für sich speziell behandelt, bisher nicht existiert.

Was nun bisher von den Monatberichten erschienen ist, stellt ein schätzens-
wertes Orientierungmittel auf dem Forschunggebiete der sogen. Geschlechtüber-
gänge und der Homosexualität dar. Man findet dort sorgfältig registriert: öffent-
liche Affären nebst dem Echo der in- und ausländischen Presse, Besprechungen
der Jahrbücher und bedeutender Publikationen des Komitees, Diskussionen, An-
zeigen und Referate aller Neuerscheinungen der Erotik, Vortragberichte, Kultur-
historisches, besondere Fälle, Verurteilungen aus § 175 D. R. Str. G. B. Erpressungen,
Selbstmorde usw.

Allen, die auf diesen Gebieten Untersuchungen anstellen, ist die Durchsicht
der kleinen Hefte anzuraten, weil dadurch sicherlich manche Mühe und Zeit ge-
spart werden kann.1

Berlin. Alfred Kind.

Ursprung und Entwickelung der Moralbegriffe, von Prof. Dr. Eduard Westermarck.

Erster Band, deutsch von Leop. Katscher. Leipzig 1907, Werner Klinkhardt.
Lex. 8°. VI 632 S.

Nach Verfasser beruhen die Moralbegriffe auf Gefühlregungen. Von diesen
gebe es zwei Arten: Mißbilligung und Billigung. Die weiteren Zusammenhänge
ergeben sich aus folgendem Schema:


422

Vom Büchertische.

Vergeltunggefühle

Vergeltender Unwille

Freundliches Vergeltunggefuhl

Zorn und Sittliche

Rache Mißbilligung

Sittliche Außersittliches freund-
Büligung liches Vergeltunggefühl

SittUche Gefühle.

inkl. Pankbarkeit

Der erste Teü des Buches beschäftigt sich mit der Untersuchung der Beschaffen-
heit und Entstehung der sittlichen Gefühlregungen, geht dann zur Analyse der
hauptsächlichsten Moralbegriffe über, Untersucht Sitten und Gesetze als Kund-
gebungen von solchen, behandelt den Willen als Gegenstand sittUcher Beurteüung,
betrachtet Beweggründe, Fahrlässigkeit, Charakter, und geht dann unter fort-
währendem Zitieren einer ganz ungeheuerlichen Menge von ethnologischen
Beispielen zu den speziellen Themen über, als da sind: Das Töten von Eltern,
Kranken, Kindern, Ungeborenen, Weibern, Sklaven. Blutrache, Zweikampf, Körper-
verletzung. Freigebigkeit, Gastfreundschaft. Hörigkeit der Kinder, Gattinnen,
und Sklaverei.

Ein kritisches Eingehen auf den Inhalt des Werkes ist vor Erscheinen des
zweiten Bandes nicht angebracht, verbietet sich überhaupt, wegen seiner kom-
pakten Eigenart, im beschränkten Rahmen eines Referats, weshalb ich mich mit
dieser Anzeige begnüge.

N. 0. Body. Aus eines Mannes Mädchenjahren. Vorwort von Rudolf Presber. Nach-
wort von Dr. med. MagnusHirschfeld. Berlin (1907), Gustav Rieckes
Buchhandlung Nachf. 8°. 218 S. brosch. 2,50 Mk.

Der Inhalt dieses Buches ist ungefähr folgender: Ein Knabe wird mit Hypo-
spadie geboren. Der Hausarzt entscheidet, es sei ein Mädchen. Damit beginnt
die Kette psychologischer Wirrnisse. Bespöttelt und beargwöhnt von den Spiel-
gefährtinnen der Kindheit wegen seiner Lust an Knabentollheiten, fühlt er bald
alle Bitternisse des nagenden Zweifels und der seelischen Einsamkeit. Welche
Qual für ihn und welch verworrener Lustreiz, auf den Bänken der höheren Töchter-
schule zu sitzen, als Lagermädchen im Warenhaus zu dienen, mit den Kolleginnen
im gleichen Raum zu schlafen, von Männern bedrängt zu werden. Eine Wendung
des Schicksals stellt ihn in den Dienst einer großen Sache, er studiert National-
ökonomie, wird Frauenrechtlerin, reist berichtend und agitatorisch in Südosteuropa.
Frauen verlieben sich in ihn, Männer verlieben sich in ihn. Er hat die zwanzig
überschritten, und die Katastrophe der reifenden Sinnlichkeit rückt unaufhaltsam
näher. Wie sie ausbricht, und wie sich hart am Rande des Abhangs alles zum Guten
wendet, mag der Leser selber aus dem flott geschriebenen Buche ersehn. Hinzu-
zufügen ist, daß es sich um keine Phantasie handelt, sondern um eine durchaus
wahre Darstellung des Durchlebten. Natürlich sind örtlichkeit und Personen ver-
wischt; denn der junge Mann hat heut nach dem offiziellen Wechsel seines Ge-
schlechts jeden Anlaß zu vermeiden, der seinen neuen Lebensanfang mit unerhörten
Schwierigkeiten verrammeln könnte. Zweiflern gegenüber verbürge ich mich aber

Alfred Kind.


Vom Büchertische.

423

ausdrücklich neben den Herren, die die Geleitworte schrieben, für die Authentizität
des Ganzen, da ich den Verfasser näher kennen gelernt habe. Der Bericht ist in
seiner Art ein Unikum und wirft ein Licht auf die zerstreuten psychologischen
Details, die sich in der Weltliteratur über ähnliche Situationen vorfinden.
Berlin. Alfred Kind.

Stern, Bernhard: Geschichte der öffentUchen Sittlichkeit in Rußland. — Kultur,
Aberglaube, Kirche, Klerus, Sekten, Laster, Vergnügungen, Leiden. — Eigene
Ermittlungen und gesammelte Berichte. Mit 29 teils farbigen Illustrationen.
I. B. 502 S. gr. 8°. Berlin 1907. Hermann Barsdorf.

Stern ist ein Russe, der sein Vaterland meiden muß, der aber trotz aller er-
littenen Unbill von Liebe für Rußland und das russische Volk erglüht. Das Volk
möchte er durch Arbeit und Bildung geadelt und aus geistiger und leiblicher Knecht-
schaft erlöst wissen. Er gibt einen Abriß der Leidengeschichte des Volkes und der
unvernünftigen, ruchlosen Mißwirtschaft einer dem eigenen Volkstum entfremdeten,
der Habsucht, Verschwendung und Ausschweifung ergebenen Kaste vertierter
Machthaber, die vom Tag alles heischen, weil sie nicht wissen, was ihnen der nächste
Morgen bringen wird. Ist das aber wirklich die russische Kultur? Die ungeheure
Volksmenge steht doch diesem Treiben gar zu sehr ferne, als daß sie davon totlich
getroffen werden könnte. Dieses Volk bedarf unserer Kultur weit weniger, als St.
glaubt. Für uns Deutsche sind die Schulen unerläßlich, weil wir auf engem Räume
zusammengedrängt einen harten Kampf ums Dasein zu führen haben und weil
wir zu großen Bedürfnissen künstlich erzogen werden, die Russen dagegen gebieten
über unendliche Räume, sie sind genügsam und, was uns als dringende Notwendig-
keit erscheint, gilt bei ihnen vielfach als leicht entbehrlicher Luxus.

St. sagt, ,,daß Rußland noch abgrundtief im Aberglauben untersinkt". Das
klingt schrecklich, es ist ja auch wahr, aber, wie steht es denn mit unseren mittel-
europäischen Völkern? Stecken die in einem wesentlich geringeren Aberglauben?
Wir erfreuen uns nur eines kleinen Vorsprungs infolge einer größeren Rechtsicherheit
und immer zunehmender naturwissenschaftlicher Kenntnisse, die durch Bücher in
die Massen dringen, so daß man sich vor verschiedenen leiblichen und geistigen
Epidemien mehr als die Russen zu schützen trachtet. Uns lehrt man mehr den
Wert des Lebens und der Gesundheit schätzen, wir sind schon so sehr in einer städti-
schen Kultur aufgewachsen, in Wahrheit jedoch ist uns nichts Russisches fremd,
am allerwenigsten von Ursprung an^ Stems Jauch ist mittelbar gleichsam ein Spiegel-
bild unserer eigenen Halbvergangenheit.

Stern nennt fast durchgehends, doch ohne Beständigkeit den uralten slavischen
Volksglauben Aberglauben und uraltes auf diesem Volksglauben folgerichtig auf-
gebautes Strafrecht Verbrechen. Dem ist entgegenzuhalten, daß eine moderne
Naturforscherrichtung jeden Glauben als Aberglauben und auch unsere moderne
mitteleuropäische Strafrechtgesetze als verbrecherisch bezeichnet. Unsere Strafen
sind Rachehandlungen und da ist es ethnologisch betrachtet unwesentlich, welche
Machtfaktoren des Rächeramtes walten. Von dieser grundsätzlich verschiedenen
Auffassung abgesehen, nehme ich keinen Anstand Sterns Buch als eine der
wertvollsten Sammlungen nordslavischer Sitten und Gebräuche, die sich auf den


424

Vom Büchertische.

Geschlechtverkehr beziehen, willig anzuerkennen. Die Abschnitte über Geister.
Zauberer und Hexen, über die Unsitten im Mönchtum (d. h. die Folgen erzwungener
geschlechtlicher Enthaltsamkeit), über Heüigenkult und Mystizismus, über erotische
Sekten, Volksfeste, den Tanz, Bäder, Schicksalglauben und Medizin enthalten
endlos viele und nützliche Belehrung, um so mehr als Stern sehr oft Parallelen
aus anderen Völkergebieten zur Erläuterung heranzieht. Eine ausgebreitete Belesen-
heit in mehreren Literaturen kommt ihm dabei zu statten und sichert auf alle Fälle
seinem Werke eine dauernde Beachtung.

Das Buch hat man in Rußland verboten. Bedenkt man, daß in Rußland die
Forscher in den Schriften ihrer gelehrten Gesellschaften mit einer neidenswerten
Freiheit über alles und jedes publizieren dürfen, so erscheint das Verbot lächerlich.
Es ist offenbar, daß nur die Angst vor der öffentlichen Meinung Europas dieses
Verbot hervorgerufen. Die Arbeiten der russischen Gelehrten bleiben unbeachtet
und ungelesen, während Sterns Werk der abendländischen Welt die Augen
aufreißt. Ja, worüber?! Über Dinge, die jeder naturwissenschaftlich geschulte
Folklorist auch aus unseren geogr. Provinzen kennt und die weder zum Lob noch
zum Tadel eines Volkes heranzuziehen sind. Aus Sterns Darstellung empfängt
man mitunter wie aus der Anklageschrift eines Staatsanwaltes, der eine Verurteilung
erzielen will, den Eindruck, als ob Rußland für die Kultur nahezu verloren wäre.
Überlege ich aber die Riesenleistungen russischer Ethnologen, Anthropologen und
Folkloristen — über die Arbeiten anderer Fachgelehrten urteile ich nicht — so
muß ich ehrlich einbekennen, daß sie mit uns Abendländlern aufs erfolgreichste
konkurrieren. Bei ihnen ist nur der Alexandrinismus, der unserem Bildungpöbel
so gewaltig imponiert, noch zu wenig gediehen, dies jedoch erscheint mir als ein
wahrhafter Vorzug. Richtig hebt Stern hervor, daß sich das Geschlechtleben
in Rußland laut und in breiter Öffentlichkeit abspielt. Auch das ist kein Fehler,
der ein Volk zugrunde richtete, wenn nur keine Seuchen das Vergnügen stören.
Gut essen, gut trinken und sich geschlechtlich frei ausleben, das sind die natür-
lichen Vorbedingungen für das Gedeihen eines Volkes. So lange als die russische
Machthaber darin die großen Massen nicht behindern, wird jede soziale Revolution
in Rußland verpuffen und alles bleibt beim alten, hergebrachten Brauch, den uns
Stern schildert. Ein abschließendes Urteil über seine Arbeit wird man erst nach
Erscheinen des II. B. fällen dürfen. Es ist das Werk eines vielgereisten, riesig be-
lesenen Mannes, der sich mit offenen Augen in der Welt und unter Menschen um-
geschaut hat. Ein großer weil erfahrener Schriftsteller spricht zu uns, einer der
die Wahrheit sucht. Von ihm lernt man zu.

Krauss.

Havelock Ellis: Geschlechtstrieb und Schamgefühl. Autorisierte Übersetzung mit
Unterstützung von Dr. med. M. KÖtscher, besorgt von J. E. K ö t s c h e r.
Dritte erweiterte und umgearbeitete Auflage. Würzburg, A. Stubers Verlag
(Curt Kabitzsch), 1907/. 8°. XIII 446 S. u. XIII Tafeln.

Havelock Ellis hat seine Forschungen auf die Geschlechts-Psychologie
ausgedehnt und behandelt in seinem Werke zuerst die Entwicklung des Scham-
gefühls analytisch, ethnographisch und psychologisch und kommt zu dem Schlüsse,
daß das Schamgefühl ein wesentliches Element der Liebe sei. Dann behandelt


Vom Büchertische.

425

Havelock Ellis die Erscheinung der Sexual-Periodizität beim Weibe, beim
Manne und auch bei den Tieren, woran er eine interessante Studie über den Auto-
Erotismus, die Erscheinung der spontanen geschlechtlichen Erregung ohne irgend-
welche Anregung unmittelbarer oder mittelbarer Art durch eine andere Person
anschließt und dieses Thema in derselben Weise behandelt wie die Entwicklung
des Schamgefühls. Als Anhang folgen Abhandlungen über den Einfluß der Men-
struation auf die Stellung des Weibes, über der Sexual-Periodizität beim Manne
und über den auto-erotischen Faktor in der Religion. Jedem ernsten Forscher
des Geschlechtinstinktes, der sich eingehend damit befaßt, sei dieses Werk bestens
empfohlen,

Karl Reiskel.

Havelock Ellis: Die krankhaften Geschlechtsempfindungen auf dissoziativer Grund-
lage. Autorisierte deutsche Ausgabe besorgt von Dr. Ernst Jents c^h.
Wurzburg, A. Stubers Verlag (Curt Kabitzsch). 1907. 8°. XIII 306 S.

In diesem Werke bespricht der Verfasser fast alle Entgleisungen des Geschlechts-
triebes und gibt hiermit eine einheitliche systematische Darstellung der Disso-
ziationserscheinungen der geschlechtlichen Sphäre. Die Abhandlung erörtert in
vier Kapiteln den Intumeszenzvorgang und dann den erotischen Symbolismus in
sechs Kapiteln, woran sich ein Beitrag zur Psychologie der Schwangerschaft und
eine Kasuistik von 4 Fällen der geschlechtlichen Entwicklung anschließen. Das
neue Werk des berühmten Sexualforschers Havelock Ellis ist so reich an
interessanten Dingen und bietet dem wißbegierigen Leser und dem fleißigen Forscher
so viel neues Material, daß es jedermann, der sich mit dieser Disziplinen beschäf-
tigt, lesen und wieder lesen muß.

Die beiden Werke könnte man mit gutem Grunde als einen fortlaufenden
wissenschaftlichen Kommentar eines Psychopathologen zu den Erbehungen in den
Anthropophyteia oder auch diese als Belegstücke aus dem Völkerleben zu den
Untersuchungen Ellis bezeichnen. Viel Folklore bringt Ellis zwar nicht, und
die spärlichen Angaben aus dem Völkerleben auch zumeist aus zweiter Hand, da-
gegen aber zahllose höchst wichtige, lehrreiche und anregende klinische Beobachtun-
gen aus englischen und amerikanischen Zeitschriften, die uns Deutschen in Wien
kaum dem Namen nach bekannt sind. Ellis ist ein durchaus kritischer Kopf,
ein Denker der Sexualforschung und wir haben von ihm noch so manche Vertiefung
unseres Forschunggebietes zu erhoffen.

Wien. Karl Reiskel.

Hans Ostwald: Das Berliner Dirnentum. Ausgabe in zwei Bänden. Leipzig, Verlag
von Walther Fiedler. Gr. 8e, I 408 SS. u. II 452 SS.

Der bekannte Schriftsteller Hans Ostwald hat in einem umfangreichen
Werke das Berliner Dirnentum in seinen verschiedenen Erscheinungen kultur-
geschichtlich und auch historisch dargestellt. Die Schilderungen aus der Gegen-
wart beruhen jedenfalls auf eignen Beobachtungen und Studien. Der Verfasser
hat es bei seinen geschichtlichen Ausführungen und sonstigen Anführungen unter-
lassen, genaue Quellenangaben zu machen, die jedenfalls sehr zweckdienlich ge-


Vom Büchertische

wesen wären. Das interessante Thema wird in zehn Abteilungen gegliedert und
behandelt die Berliner Bordelle, die freie Prostitution im Vormärz, die Mätressen-
wirtschaft in Berlin, den Tanz und die Prostitution, die männliche Prostitution,
die Prostitutionsmärkte, die Schlupfwinkel der Prostitution, die Gelegenheits-
dirnen, Dirnentypen und die Ausbeuter der Dirnen.

HansOstwald erfaßt das Dirnentum in seiner wirtschaftlichen Bedeutung
und nicht nur ethisch, medizinisch, polizeilich oder politisch. Er stellt Menschen,
ihre Umgebung und Zustände dar und macht aufmerksam, daß das Dirnentum
mit dem ganzen sozialen Leben eng zusammenhängt. Fur O s t w a 1 d ist die
Prostitutionsfrage ein Teil der sozialen Frage und kann seiner Ansicht; nach nur
so aufgefaßt und behandelt werden. Dem großen Lesepublikum werden in an-
ziehender Weise all die Dinge und Vorgänge des Geschlechtslebens der Großstadt
vorgeführt und es wird auch über manches aufgeklärt, was nur wärmstens zu be-
grüßen ist, damit auch weitere Kreise über diese Fragen ein klares Bild bekommen
und die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, ohne dabei in moralische Salbaderei
und sittliche Entrüstung zu verfallen.

Karl Reiskel.

Contes licencieux de l'Alsace* Racontés par Le M agnin de Rougemont.
Kleinbronn 1906: Librairie dépositaire, Gustave Ficker, Paris, 268 S.
u. XII Vorwort. Preis 20 Fr.

Dieses im Verhältnis zu den Anthropophyteia sehr teuere Werk ist als 2. Band
der Sammlung Contributions au folklore erotique erschienen und will gewissermaßen
als eine Fortsetzung en miniature der Kryptadia gelten. Ein recht glückliches
Zusammentreffen will, daß fast gleichzeitig aber völlig unabhängig von einander
neben diesen französischen Erzählungen auch die Anthropophyteia in Band III
aus der Feder Wernerts eine große Zahl urderber Bauerngeschichten brachten,
Erzählungen, die im Elsaß zum Bestand des Unterhaltungbedürfnisses zählen.
Die Berichte der Anthropophyteia, welche von der derben aber nicht perversen
Sinnlichkeit der Elsässer handelten, erfahren durch die Contes eine untrügliche
Bestätigung. — Während aber die in den Anthropophyteia gebrachten Schnurren
von Herrn W e r n e r t unmittelbar an Ort und Stelle aufgezeichnet wurden, also
wirklich bodenständig sind und noch gleichsam den Erdgeruch an sich tragen,
wurden die Schnurren von Le Magnin de Rougemont für die pikante Unterhaltung
zurechtgemacht. — Nach der Notice sur le conteur (pag. XI) ist der Erzähler ein
aus Thann gebürtiger Elsässer mit Namen S't (Fessel, der avant s'établir entre-
preneur de marbrerie et tailleur de pierres à Rougemont, avait parcouru toute
l'Alsace dont il connaît le moindre village." Letztere Bemerkung ist wohl nur
cum grano salis aufzufassen.

Herr Stoessel also, ein sozial Hochstehender, der in Rougemont ausässig
ist. — Wohlgemerkt, Rougemont liegt in Frankreich, hat etwas mehr als 2200 Ein-
wohner und wird fast nur mit Rotenburg bezeichnet — erzählt einem Mann der
Feder, Herrn Gilbert Froidure d'Aubigné derbe Geschichtchen. Die Geschichtchen
sollen nach einem guten Mahle die Unterhaltung würzen. Diesen Zweck erfüllen
sie mehr als reichlich. Von wissenschaftlich zweckdienlichen Gesichtpunkten ist


Vom Büchertische.

427

bei den Contes licencieux im Gegensatz zu den Anthropophyteia leider abgesehen
worden.

Die in den Anthropophyteia gebrachten Bauernerzählungen sind von dem
Mitarbeiter Wernert nicht dutzendweise an einem Abend aus dem Ärmel ge-
schüttelt, sondern während vieler Monate mühsam Stück für Stück nach der nicht
provozierten zwanglosen Unterhaltung männlicher und weiblicher Landleute fixiert
worden. Sie spiegeln bäuerliche Unterhaltungweise wieder und sind darum für
die folkloristische Wissenschaft bedeutungvoll. Die Contes licencieux stammen
un peu partout (pag. XII) her und wurden erst nach Jahren wieder aus dem Ge-
dächtnis herausgeholt, um einer dritten Person in die Feder diktiert zu werden.
Auf diesem Umweg verliert aber jede Erzählung und muß naturgemäß verlieren,
denn unbewußt schafft die eigene Phantasie mit, wenn nach ledigUch gehörten
und nirgendwo fixierten Erzählungen einer dritten Person die Sache wiedererzählt
wird.

Was nun die einzelnen Schnurren der Contes anlangt, so hätte doch wohl eine
schärfere Sichtung manche Nummer ausmerzen müssen. Vieles ist lediglich Variante
einer nach Frankreich oder nach Österreich gehörenden Schnurre. Spezifisch elsäs-
sische Züge sind sogar ziemlich selten. Daß der Erzähler manche Schnurre im
Elsaß gehört hat, ist ledigUch Zufall, aber damit wird die Erzählung noch nicht
eis assis ch.

Die Anthropophyteia gehen da weit wissenschaftlicher vor und nennen die Ein-
sendungen Wernerts: Deutsche Bauernerzählungen. Einzelne Fußnoten zu
diesen deutschen Bauernerzählungen zeigen auch ausdrücklich, daß diese oder
jene Schnurre, soweit sich ermitteln Ueß, nach dem Elsaß eingewandert ist. Durchaus
unwissenschaftlich ist bei den Contes licencieux die vom Herausgeber beliebte An-
deutung heikler Ausdrücke, auch daraus ergibt sich, daß die Contes sich weniger
an die Folkloristen denn an das große Publikum wenden.

Trotz all dieser Ausstellungen kann die Sammlung Interesse beanspruchen,
denn sie bietet dem Leser eine bemerkenswerte Mischung deutschen und fran-
zösischen Geistes, die Schnurren beweisen uns, daß nicht nur das Volk an sich seine
Unterhaltungen mit starkderben Stoffen würzt, sondern, daß auch hochstehende
Schichten zum Zeitvertreib Derbheiten erzählen. Die Contes sind lokalisiert auf
die südwestlichste Ecke des deutschen Reiches aber auch auf französische Ort-
schaften.

Acht Schnurren spielen in jüdischen Kreisen, vier in Kreisen von Anabaptisten,
vierzehn in Kreisen katholischer Pfarrer bzw. Nonnen und Mönche, die übrigen
Erzählungen beziehen sich auf die Landwirtschaft treibende Bevölkerung, eine
auf einen Spinnereibesitzer aus Thann, der in die Schweiz fährt.

Zur Orientierung gebe ich in den folgenden Zeilen die Überschriften und jeweils
soweit zweckdienlich einen kurzen Inhalthinweis.

1. Le prêtre qui avait des prunes. Die im Pfarrgarten von Niedersulzbach
spielende Erzählung ist eine kleine Ausschmückung der altbekannten Schnurre,
wenn der Papst in Rom einzieht läuten alle Glocken. S. Anthropophyteia Bd. II,
S. 393 S. 386 fast wörtlich.

2. Le juif qui ne pouvait avoir d'enfant. Nach mehrjähriger kinderloser Ehe
holt sich Levy beim Hufschmied Martin, der jedes Jahr neuen Kindersegen be-
kommt, Auskunft. Martin bringt Levy dahin, daß Rebekka nach einem guten
Mahle mit ihm (Martin) kohabitiert. Levy muß dabei Martin die testiculi halten.


428

Vom Büchertische

Frau Rebekka hat noch nie solche eheüche Freuden erlebt und ist überglücklich.
Levy hat die Lehre begriffen und will ebenfalls sein Meisterstück machen. Rebekka
meint, die Sache wird nicht gelingen, denn personne n'est la pour te tenir les
bourses. Levy weiß Rat, er knüpft seine Hoden an den Ring, an welchem die Nacht-
lampe aufgehangen wird und Rebekka ist außer sich vor Freude, einen so intelli-
genten Mann zu besitzen. Plötzlich kracht das Lager zusammen und Levy hängt
weheklagend an der Decke: „Haie! Aye! hurle-t-il. Coupe-la! Coupe-la! Seit
der Zeit kann man die Juden von Foussemagne nicht mehr erzürnen, als wenn
man ruft: Haïe! Aye! Coupe-la! Coupe-la! Sollte dem Erzähler dabei nicht etwa
ein Mißverständnis unterlaufen sein? Vielfach neckt man auch anderswo israeli-
tische Mitbürger mit ähnlichen Rufen und meint damit die Beschneidung. Sehr
gut persifliert der Erzähler das mangelhafte Französisch, welches viele elsässische
Juden sprechen (Seite 9 „et toi un beau femme".).

Die Anthropophyteia bringen ähnlicher Unterweisungen eine ganze Reihe.

3. Le jeune marié. Ein dummer Bauer von Burnhaupt heiratete ein Mädchen
von Soppe-le Haut. Der Vater gibt seinem Sohne Anweisungen, was er nach dem
Hochzeitsmahle zu tun habe. Er solle mit der Neuvermählten in die Scheuer gehen
und dort das eheliche Werk verrichten. Der Sohn^ klettert mit seiner jungen Frau
auf den Heuboden und fällt während der Tat in den Stall hinunter auf die Hörner
eines Ochsen. Papa ! Papa ! Je suis tombé dedans ! Viens vite à mon secours" schreit
der Aufgespießte. ,,Eh bien," antwortet der Vater, „si tu es dedans, restes — y le
plus longtemps que tu le pouras! Je te jouhaite un beau garçon."

4. Le vagabond. Ein Zigeuner bittet den Pfarrer von Sentheim um Speise.
Der Pfarrer verweist ihn an die Köchin, die ihm zwei Eier in die Pfanne schlagen solle.
In der Küche sagt der Zigeuner, die Köchin solle sich auf Wunsch des Pfarrherrn
geschlechtlich gebrauchen lassen. Nach kurzem Zögern kommt die Köchin dem
Wunsch nach. Bald kommt der Pfarrer und sieht auf dem Tische weißliche Flüssig-
keit. Die leckt der Geistliche mit dem Finger auf, indem er ruft: „Imbecile, je te
fais donner des oeufs frais et tu en laisses le meilleur:" Vergleiche dazu Historische
Quellenschriften zum Studium der Anthropophyteia Bd. IV, Seite 57 (Zwei Eier
und mehr). Die in den Contes licencieux genannte Köchin trägt fälschlich den
Namen Pavela. Der Verfasser meint Barbara, elsässisch heißt das Barwela oder
Barwel, Bärwel.

5. Mamas Liebling! Ein Spinnereibesitzer aus Thann im Elsaß badete in der
Schweiz. Als Schwimmhose knüpfte er zwei Kinderservietten zusammen, auf denen
die Worte gedruckt waren: Mamas Liebling! Alle Badegäste lachten laut auf ,als
sie den Mann mit dieser ominösen Schwimmhose sahen. Keine Erzählung bekundet
wohl besser als diese, daß die Herausgabe der Contes licencieux eine ganz wülkürliche
Zusammenstoppelung derber und unsauberer Schnurren ist. Diese Schnurre wurde
bereits vor zehn Jahren und mehr von Studenten der Breslauer Hochschule als
schlesisches Vorkommnis zum besten gegeben ! Mehr braucht man wohl nicht zu
sagen, um das „elsässische" an dieser Schnurre zu würdigen.

6. La chevüle. Die bekannte Erzählung von den drei Freiern einer reichen
Maid, welche vom Vater des Mädchens die Aufgabe gestellt bekommen, einen Faß-
spund zu machen. Der erste Freier bringt einen schön geschnitzten Spund aus Holz,
der zweite einen aus Gold, der dritte Freier entschuldigt sich damit, er müsse erst
das Loch sehen, um einen passenden Spund anfertigen zu können. Dieser Freier


Vom Büchertische.

429

wird erhört und der Vater sagt: je suis bien assuré que ta cheville lui ira comme
un gant!

7. Quand on épouse quatre femmes. Wer vier Frauen ehelicht, hat zuerst eine,
die treu ist wie ein Hund, die zweite als ein verspieltes Kätzchen, das auch kratzen
kann; die dritte ist wie ein Huhn, das alle Körner für sich zusammenscharrt, die
vierte ist eine zu allem fähige Sau. Ein Spruch, der mehr französisch als elsässisch
sein dürfte.

8. Il faudrait un juge de C... Von drei badischen Mädchen harnte die erste
Maid einen Amboß rotglühend, die zweite harnte in den Rhein, daß der Strom
von der Schweiz bis in das Meer mit Höllenlärm schäumend brauste, die dritte
harnte so heftig, daß der Schwarzwald in Brand geriet. Frage: Laquelle avait
le C... le plus chaud? Réponse: Eh bien, il y a bien des juges de paix (pets), mais
des juges de C... il n'y en a pas en Alsace." Die französische Fassung beweist allein
schon, daß die Schnurre nur französischen Ursprunges sein kann.

9 La Carotte. Ein reicher Landwi't findet im Nachttisch seiner hübschen
gar nicht zum Heiraten aufgelegten Tochter eine prächtige Karotte. Da geht ihm
ein Licht auf. Er steckt die Karotte ein und zeigt in Gegenwart der Mutter und
Tochter den als Gästen ankommenden Verwandten aus Straßburg die Karotte
welche er als seinen Schwiegersohn vorstellt. Das Mädchen war entlarvt und heiratete
binnen acht Tagen.

In einer Fußnote wird die Geschichte der Schwester des Piron mit Recht an-
geführt, denn sie darf als Quelle gelten. Der König möchte die Schwester Pirons
sehen. Piron findet sie noch im Bett und dabei, sich mit einer Karotte zu
befriedigen. Piron steckt die Karotte heimlich zu sich und zieht als die Schwester
dem König vorgestellt wird, das corpus delicti aus der Tasche mit den Worten:
,,Sire — voici mon beau-frére !"

10. Les C... de papa. Herr und Frau Meyer aus Kolmar gehen Sonntags
mit ihrem zehn Jahre alten Söhnchen ins Wäldchen spazieren. Moses, der Knabe,
wird fortgeschickt, Waldbeeren zu suchen. Meyer und Frau rüsten sich zum Liebes-
akt in freier Natur. Moses hat so was geahnt und sich zur Beobachtung zurück-
gezogen. Während die Eltern in actu sind, ruft der Knabe: ,,Voyons, maman,
relève-toi un peu. Tu ne vois donc pas que le c... de papa traînent dans la mousse ?
Die Schnurre ist städtischer Herkunft.

11. Le noeud impossible. Eine junge Frau aus dem Masmünstertal war mit
ihrem Mann unzufrieden. Letzterer hatte viele Schätze in den Dörfern der Um-
gebung und vernachlässigte seine Frau. Eine alte Quacksalberin rät der trostlosen
jungen Frau, sie solle das Glied ihres Mannes zu einem Knoten knüpfen. Das sei
ein Allheilmittel und mache es dem Manne unmöglich, auswärts Geschlechtsfreuden
zu genießen. In derselben Nacht stellt die Frau diesbezügliche Versuche an. Es
gelingt ihr nicht, der Ehemann ist verwundert über das Treiben seiner Frau, muß
aber herzlich lachen. In guter Stimmung wohnt er seiner Frau bei. Verschiedent-
lich versuchte es die Frau noch in der Nacht und reizte damit ihren Mann bis zur
Erschöpfung. Von da ab versuchte die Frau allabendlich die Schürzung des Knotens,
und der Mann war froh, wenn die Nacht herum war und trieb sich bei anderen
Frauen fürder nicht mehr herum.

12. La Grand'mère. Piccard schickt seinen achtzehnjährigen Sohn Josef mit
fünf Mark nach Maßmünster, damit er sich dort endlich einmal mit Weibern amü-
siere und Lust zur Heirat bekomme. Unterwegs trifft Josef seine Großmutter,


430

Vom Büchertische.

der er den väterlichen Rat mitteilte. Schnei) sagt die Großmutter, er solle zu ihr
kommen und im Heim der Großmutter angelangt, läßt die Alte sich den Fünfmark-
schein geben und nimmt Josef zu sich in das Bett. Dreimal hintereinander genießt
Josef bisher unbekannte Freuden und er verspricht, wiederzukommen. Daheim
klärt er den Vater auf. Letzterer ist ganz entsetzt und schreit, das sei ein schreck-
liches Verbrechen. „Un crime, allons donc papa!" sagt der Sohn, ,,J'ai couché avec
ta mère, c'est entendu. Mais est-ce que tu ne couches pas toutes les nuits avec la
mienne!"

Trotz mancher liberalen Lebensauffassung der Israeliten im Elsaß ist die Keusch-
heit des weiblichen Geschlechtes sehr groß.

13. Qu'on me laisse la queue! Das Nonnenkloster Sankt Katharina in Frank-
reich wurde wie alle Klöster aufgehoben. Die Oberin, eine schöne Brünette, wollte
von der Ausweisung nichts wissen. Ein Spaßvogel aus Kleinbronn kam mal an das
Kloster und da er nichts von der Nonnenausweisung wußte, klopfte er am Kloster-
pförtlein. Nach langem Warten kam endlich die Oberin und öffnete. ,,Ach, Augustin,
Ihr seid's ! Tretet ein ! Zwar ich bin allein, denn alle Schwestern sind jenseits der
Vogesen im Elsaß, weil sie vertrieben worden sind. Ich verlasse das Kloster nur,
um gleich die Freuden des Himmels zu genießen." ,,Wenn ich das gewußt hätte,
würde ich für Euch Flügel mitgebracht haben," sprach der Witzbold. Die Schwester
war ganz entzückt und laßt den Mann bitten, ihr Flügel aus Tuch zu machen. Der
Witzbold geht darauf ein und ißt und trinkt gut. Nach Fertigstellung der Flügel
muß die Schwester dieselben probieren. Die Schwester zieht sich auf Geheiß aus
und macht Fliegversuche. Umsonst! Bald sieht sie den Fehler j'ai bien des ailes,
mais il me manque la queue. Dem Mangel hüft der Flügelmacher ab und steckt
der Oberin sein Glied in die Scham. Kaum ist's an dem, da verzichtet die bebende
Nonne auf Flügel und Himmel wie Paradies unter der Bedingung: ,,Qu'on me
laisse la queue!"

14. Je n'ai pas couché avec la mère! Ein Pfarrer verlangt als Zehnten beim
Bauern eines der zehn Ferkel, welches die Muttersau geworfen hatte. Im Gehöft
trifft der Pfarrer Natzi, den jüngsten Sohn des Bauern. Natzi ist mit den Wünschen
des Pfarrers bekannt und er sagt: „Herr Pfarrer wir sind zehn Kinder, welches
wollt Ihr?" — „Keines! Ich habe nicht mit Deiner Mutter geschlafen." — ,,Ja
habet Ihr denn mit unserer Sau zusammen gelegen?"

15. Le chaton. Die fünfzehnjährige Bauerntochter ist entsetzt, als sie die
Schamhaare wachsen sieht. Die Mutter tröstet die Tochter, welche Angst hat,
wie ein Tier zu werden, und sagt, sie habe eine größere Katze am Leib als die Tochter.
Der Diener hat diese Unterhaltung gehört und erklärt, er habe Mäuse, um das
Kätzchen der Tochter zu füttern. Die Tochter findet Freude an dieser Art Mäuse.
Eines Tages sieht die Tochter eine Ziegenherde, und bedauernd sagt das Mädchen:
„Schade, daß mein Kätzchen nicht so groß wie eine Ziege ist, wie groß müßten
dann die Mäuse sein, welche unser Diener Franz mir täglich in den Leib steckt."
Siehe Anthropophyteia Bd. I, Nr. 141 u. 142.

16. Sept petites fois. Madame Hug und Madame Block halten sich wegen
der Kinderzahl auf. Frau Bloch spricht: „In weniger als zehn Jahren haben Sie
sieben Kinder. Ich habe doch meinen Mann ebensolange wie Sie, aber zwei Kinder
genügen. Sie denken nur an den Geschlechtsgenuß." — „Da irren Sie sich, Frau
Bloch! Sieben Kinder in zehn Jahren macht sept petites fois en dix ans."


Vom Büchertische

431

17. L'escalier. Der Amtsrichter von Maßmünster beschließt, um Gewißheit
zu haben, ob ein Mädchen mit Gewalt defloriert wurde oder nicht, das Mädchen
müsse mit einer Kerze im anus eine Treppe hinansteigen. Der beklagte Bursche
bekommt eine brennende Kerze und soll damit die Kerze des Mädchens anzünden.
Das Mädchen wackelt so stark mit den Hinterbacken, daß dem Burschen sein Vor-
haben nicht gelingt. Hättet Ihr ebenso abgewehrt, wie jetzt, dann wäret Ihr nicht
defloriert worden I Man hat Euch keine Gewalt angetan/1 urteilt der Richter.

18. Satin, nerf onsos. Siehe dazu Anthropophyteia Bd. III. Deutsche Bauern-
erzählung Nr. 71: Was ist es. Vergleiche auch die Variante in den Contes: Der
Vagabund gebraucht die Schwestern geschlechtlich und hernach sagt die erste:
,,Je ne connais раз, de viande si dure sans os." Die zweite: ,,I1 n'est pas de liqueur *
si douce sans mere!" Die dritte: ,,Je n'ai jamais vu, ni entendu, ni senti tant
cracher sans tousser."

19. Schau an und sei geheilt. Ein junger Bursche aus Burnhaupt war mit
einem Mädchen aus Gewenheim verlobt. Der Bursche wollte das Mädchen noch
vor der Hochzeit aufs Beilager führen und um das leicht zu haben, stellte er sich
krank. Das Mädchen eilt ans Bett und will den Arzt rufen. Vergebens sagt der
Bursche, ,,ich habe nur wenige Stunden noch zu leben". Das Mädchen verspricht
allerlei, aber der Bursche meint, Heilung könne er nur finden, falls er beschauen
dürfe la petite affaire que vous avez entre les jambes. Die Verlobte wird unmutig
und geht fort. Wenige Monate heiratete er die Jungfer, Nach einem Jahr wird
der Ehemann ernstlich krank. Man rät der Ehefrau, Urin des Mannes dem Arzt
nach Maßmünster zu bringen. Es kostet nur 1 Mark, wenn man zum Doktor gehe,
während der Doktor für einen Gang 10 Mark verlange. Die Frau macht sich auf,
doch unterwegs wird sie andern Sinnes. „Schon zurück?" ruft der Kranke. „Nein,
ich habe mirs anders überlegt," damit war die Frau im Handumdrehen dabei, sich
auszuziehen und indem sie hüllenlos dastand, meinte sie: „Was soll der Doktor
und Arznei; das kostet Heidengeld. Du hast mir mal gesagt, daß dich einzig vom
Tode retten könne die Schau meiner Scham. So schau sie an und sei geheilt"

20. Le colonel et son ordonnance. Diese Geschichte besteht aus zwei nicht
ungeschickt zusammengeschweißten Erzählungen. Ein Offizier in Mülhausen er-
lebt die schönsten Schäferstündchen mit der Frau seines Vorgesetzten. Dieser
Vorgesetzte gibt ihm ahnungslos stets die besten Ratschläge und hört anderen
Tages, wie sehr er sich selber die Hirschhörner aufgesetzt habe. Zum Schluß kommt
der von Amor begünstigte Offizier in einem Koffer nach dem von Schwestern ge-
leiteten Mädcheninstitut zu Rappoltsweiler (irrtümlich schreibt der Verfasser der
Contes Rappostwiller). Im Mädchenkloster springt in günstigem Augenblick der
Offizier aus dem Kloster und stellt sich im Kämmerlein eines Mägdleins—der Tochter
des Mülhauser Offiziers — an den Platz, auf welchem eine Statue des heiligen Joseph
stand. Ahnungslos legt sich das Fräulein ins Bett und bald ruft der Offizier leise,
er sei der heilige Joseph und habe kalt. Bald darf dieser heilige Joseph in das Bett
des mildherzigen Mägdleins. Anderen Tages bekommt der Offizier die abgetragenen
Kleider des Mädchen.» und bewegt sich nach Lust unter den Institutsdämchen.
So lebte der Soldat manchen Monat im Kloster und knüpfte die schönsten Ver-
hältnisse an, die leider nicht ohne Folgen blieben. Schließlich konnte der Zustand
einzelner Mädchen nicht mehr verborgen bleiben. Alle Mädchen und Schwestern
müssen sich vor der Oberin ausziehen. (Der Schluß identisch wie Nr. 92 Die männ-
licheNonne. Seite 135,Bd. III. Quellenschriften zum Studium der Anthropophyteia.)


432

Vom Büchertische.

Eine Vergröberung ist, daß der vorgesetzte Offizier in Wut sein Gesäß dem Täter
hinhält mit den Worten: ,,Du hast meine Frau geküßt, meine Tochter schwanger
gemacht, küsse auch mich, so hast du die ganze Familie geküßt."

21. S'il était. Männer und Frauen streiten. Einer legte den Zeigefinger an
den gekrümmten Daumen und sagte: „Wenn die Fran es so groß hätte!" Ein
zweiter vereinigte die Daumen und Zeigefinger beider Hände und sprach: „Wenn
es noch so groß wäre!" Ein dritter zeigte seine Mütze mit den Worten: „Nur zu
oft ist es so groß." Da antwortete eine Frau und zeigte auf ihren Schenkel : „Wenn
die Männer es nur so hätten"; eine zweite wies lachend auf ihr Handgelenk, eine
dritte Frau endlich zeigte den kleinen Finger mit den Worten: „Mais ils l'ont
comme cela!"

22. Le borgne. Die bekannte mittelalterliche Schnurre, in der eine junge
lebenslustige Frau mit ihrem Liebhaber vom alten halbblinden Ehegemahl über-
rascht wird. Die Frau läßt den Mann vorerst nicht in das Haus bis sich der Lieb-
haber angezogen hat, dann öffnet sie und entschuldigt sich, weil sie des Mannes
Stimme nicht gleich erkannt habe. Gleichzeitig hält sie ihrem Manne das sehende
Auge zu mit der Behauptung, geträumt zu haben, die Mutter Gottes habe ihm
die volle Sehkraft verliehen. Der Mann bestreitet das, inzwischen gelingt dem
Liebhaber die Flucht.

23. Le curé qui devint diable! Der unzüchtige Pfarrer wird von der Frau
eines Kohlenbrenners mit Wissen ihres Mannes in eine Kiste gesperrt. Der Köhler
fährt die Kiste nach Mülhausen und verkauft den Kasten mit dem schwarzen Teufel
an jüdische Händler. Kaum wird der Kasten geöffnet, da schnellt der Pfarrer
heraus und flieht, eifrig verfolgt von den geprellten jüdischen Händlern.

24. Les œufs au ventre. Ein Straßburger Student macht einem Dienstmädchen
in einem Vogesengasthaus vor, es habe Eier im Leib uüd müsse noch schwer leiden.
Er wolle als Mediziner Heilung verschaffen und die Eier im Leibe zerdrücken. Alle
Nacht vollbringt er seine Taten. Die Hausfrau sieht einmal das Mädchen aus dem
Zimmer des Studenten kommen und erfährt den Sachverhalt. (Städtischen Ur-
sprungs !)

25. Eine Viehmagd Claudine bleibt eines Abends lange aus, sie hat ein Schwein
verloren und will lieber sterben als heimkehren. Der Sohn des Bauern findet das
weinende Mädchen, er heißt Claudine nach Hause gehen. Alle Drohungen helfen
nichts. „Claudine ich töte dich," ruft endlich der Bauernbursche und macht sich
an das Mädchen, um es geschlechtlich zu gebrauchen. Bald will das Mädchen noch-
mals getötet sein.

Vergl. Historische Quellenschriften zum Studium der Anthropophyteia Bd. III,
Seite 44: Knecht uud Magd auf der Wallfahrt.

26. La servante du curé. Fast identisch mit „Freundin steh auf". S. 66, Bd.
IV der Quellenschriften zum Studium der Anthropophyteia.

27. Quand je les fais l'autre les mange I Der kinderlose Ehegatte geht zur Er-
füllung eines Gelübdes auf die Wallfahrt, unterdessen soll die Frau Rosenkränze
beten. In Wahrheit lebt die Frau aber statt zu beten lustig mit dem Pfarrer. Der
vor der vereinbarten Zeit heimkehrende Mann findet beide in actu. Da flucht
der Mann: „Was nutzen alle Wallfahrten, die ich unternehme? A mesure que je
fais des enfants, lè curé est là pour les manger.1'

28. L'animal inconnu. Die Erzählung besteht aus zwei ganz verschiedenen
Bestandteilen: a) Der Teufel wird vom Bauer überlistet, denn der Teufel als Mit-


Vom Büchertische.

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besitzer eines Ackers will die außerhalb des Bodens wachsenden Feldfruchte. Da
pflanzt der Bauer Kartoffeln und der Teufel bekommt das Kraut. Im folgenden
Jahre will der Teufel das umgekehrte Verfahren, da bestellt der Bauer das Feld
mit Getreide, b) Der Teufel will nach mehrfachem Geprelltsein auf den Mitbesitz
verzichten, wenn der Bauer ihm ein Tier, sei es Fisch, Vogel oder Säugetier, zeigt,
dessen Name der Teufel nicht weiß. Der Bauer hat Angst und erzählt den Fall seiner
Frau. Die weiß Rat und bestreicht sich völlig mit einem klebrigen Stoff, wälzt sich
unbekleidet in Entenfedern und nimmt in Knieellenbogenlage Stellung im Garten.
Als der Teufel kommt, ist er geschlagen. Das ist kein Insekt, kein Vogel, denn
er hat vier Füße, kein Fisch, er hat drei Mäuler. Der Teufel ist mit seinem Latein
zu Ende. — Vergleiche Anthropophyteia Bd. I: Der Teufelsweizen (Seite 173).

29. La vérole. Der Freier tritt vom Verlöbnis zurück, weil er geschlechts-
krank bei der Verlobten geworden sei. „Lügner, wie kann ich dir die Syphilis ge-
geben haben, da ich sie nicht los bin?"

30. Ferme la boutique. Auf einer Treppe sitzt eine Frau und erzählt den um
sie herumsitzenden und lachenden Knaben. Da kommt der Ehemann zurück.
Der Mann bemerkte, daß die Burschen nur lachten, weil sie die Genitalien der höher
sitzenden Frau sahen. SchUeß die „Bude, Judith I S'ist heut Schabbes," rief der
Mann und Judith merkte, wo es hinausging, aber ruhig erklärte sie: „Wer trägt
die Schuld? Du hast den Schlüssel, warum hast du vor deinem Weggang nicht
zugeschlossen ?"

31. L'outil gelé. Der junge Ehemann macht keine gute Figur im Ehebett.
Wütend springt er zum Fenster, reißt es auf und hängt sein Glied hinaus. Es war
mitten im eiskalten Winter. Entschlossen sprach der junge Mann: „Kerl, ich laß
dich so lange draußen, bis du gefroren und steif wie ein Stock bist!"

32. Pourquoi le cacherais-je? Die Hochzeiterin tanzt im zerrissenen Rock.
Die Brautmutter wollte mit Nadeln aushelfen, „Warum soll ich meine Scham
verstecken, wird sie denn mein Mann nicht gleich doch finden?"

33. J'ai lę feu au c... ! Eine Hochzeiterin saß vorm Ofen und ein Funke sprang
ihr ans Hemd, Sie merkte lange nichts davon, endlich spürte sie die Hitze; sie
hüpfte immer toller umher. „Was ist denn los?" fragten die Hochzeitgäste. „Ich
hab Feuer an der Scham!" „Das ist kein Wunder," kreischten die Anwesenden,
„dein Mann wirds gleich löschen."

34. Si vous saviez d'où sort ma fille. Eine Witwe verheiratete ihre Tochter,
doch sollte die Braut erst später Vermögen bekommen. Die Mutter meinte, der Freier
solle glücklich sein, die Tochter zu bekommen, denn die Tochter stamme aus großem
und prächtigem Hause, im ganzen Elsaß gäbe es kein ähnliches. — ,,Na, dann
heben Sie die Kleider auf, Schwiegermutter, damit ich das prächtige Geburthaus
ihrer Tochter sehe.

35. L avaricieuse. Ein Bursche mußte für den Beischlaf mit einer hübschen
Witwe einen Louisd'or bezahlen. Der Bursche schimpfte über den Geiz der Witwe,
jeden Kuß müsse man bezahlen. Nach dem Akt wollte der Bursche aus dem Bette
springen, doch da hielt ihn die Frau zurück und stellte ihm anheim, einen zweiten
Akt umsonst zu inszenieren.

36. Qui est le plus vieux des deux? Drei Betschwestern bemühten sich um
den Pfarrer von Niederbrück. Die, welche am besten seine Fragen beantwortete,
sollte zuerst beglückt werden. Die Frage lautete: „Wer ist älter, der Mund oder
die Scheide." Die erste sagte: „Mein Geschlechtteil, denn er trägt einen Bart,

Krause, Anthropophyteia. IV. 28


434

Vom Büchertische.

nicht aber mein Mund." Die zweite sagte: MMein Mund, denn darin sitzen noch
Zähne, am erwähnten Ort habe ich aber keine." Die dritte erklärte: ,,Ich stimm
für den Mund, denn der ist längst entwöhnt worden und meine Scheide verlangt
nur danach, am Penis der Herrn Pfarrers zu saugen."

37. Le bréviaire du curé. Ein Pfarrer von Sennheim war von einer reichen
Betschwester zum Essen geladen. Er verspätete sich ein wenig und ängstlich lugte
hinter den Fensterläden die Betschwester räch dem Eingeladenen aus. Endlich
sah sie ihn kommen. Im Garten hob der Pfarrer schnell seine Soutane und ver-
richtete die Notdurft, dann betrat er das Haus. Nach der Begrüßung bat die Bet-
schwester, der Herr Pfarrer möge sich die Hände waschen, um das Mahl beginnen
zu können. Das sei unnötig, denn er habe sich vorher gewaschen und unterwegs
nur sein Brevier in der Hand gehabt. „Das nennt Ihr, Herr Pfarrer, ein Brevier?
Ich würde es eher eine prächtige Wurst nennen."

38. Le meunier d'aspuch, Ist lediglich eine modern ausgeschmückte Wieder-
erzählung einer Schnurre von Poggio Bracciolini. Siehe „Fünf Eier" Seite 179
Bd. IV der Romanischen Meistererzähler, Leipzig 1906.

39. Le Plumeau. Eine moderne Fassung der schon von Jakob Frey in der
Gartengesellschaft gebrachten Schnurre „Der Bürstenstiel". Vergleiche Bd. 3
der Quellenschriften zur Anthropophyteia, Seite 14.

40. Les deux pelotons. Vergleiche Anthropophyteia Bd. IV.

41. Non, c'est celui du maitre d'école. Der Pfarrer von Reppen war berüchtigt
wegen seines unmäßig kleinen Gliedes, darum wollte eine schöne junge Witwe
nichts von ihm wissen, bevor sie nicht seinen Penis gesehen habe. Um nicht aus-
gelacht zu werden, schickt der Pfarrer zum geheimen nächtlichen Stelldichein
den Schullehrer. In der dunklen Nacht streckt die Witwe die Hand zum Fenster
hinaus und befühlt den Lehrer. „Oh oh," ruft sie, das Fenster zuwerfend, „das
ist der Schullehrer, denn einen ähnlichen zweiten gibts nicht! Er hat mir mehr
denn einmal wehe getan."

42. Chance de putain ! Einer Dame erzählte man, ein nicht eben gut beleumdetes
Mädchen von Obersulzbach sei beim Waldbeerenpflücken von Strolchen überfallen
und zwölfmal geschlechtlich mißbraucht worden. „Solch ein Glück begegnet mir
nie," klagt unbedacht die Dame.

43. Le mauvais outil. Ein Mann wurde von seiner Frau ausgeschickt, sich
neue Manneskraft zu holen. Die Frau gab ihm 100 Mark mit. Nach acht Tagen
kommt der Mann zurück und kann in einer Nacht fünfmal seiner Frau genügen.
„Die hundert Mark reuen mich nicht, aber wo hast du dein altes Instrument gelassen,
das so schwach war?" fragte die Frau. „Ich gabs dem Schmied für einen armen
Mann," versetzte verschmitzt der Gatte. „Hättest es nicht tun sollen, Peter, denn
für meine bejahrte Mutter wäre es auch noch gut gewesen."

44. Le chat dans le ventre. Eine Urinprobe. Vgl. Romanische Meistererzähler
Bd. IV, Nr. in und Anthropopyhteia Bd. II, S. 380, S. 427, Bd. III, S. 96. Mit
der Schluß variante, daß die Pfarrköchin den kranken Pfarrer einschmieren muß,
um die Katze, welche im Leib des Pfarrherrn stecken soll, zu töten. Als die Magd
das erstemal salbt, schreit sie: „ich spüre schon den Katzenschwanz; es muß eine
alte Katze sein!"

45. Les cigares. Dieselbe nur wenig weitergeführte Erzählung wie Anthro-
pophyteia Bd. II, Nr. 29. Städtische Erzählungen, die in Niederösterreich ge-
sammelt wurden;


Vom Büchertische.

435

46. Je vous f... tous! Einem Gendarme war der Transportat entlaufen,
man wies den Gendarmen in ein Haus, woselbst der Entlaufene sich aufhalten
sollte. Wütend drang er in die Wohnung, woselbst eine Witwe und. deren Magd
wohnten. Mit gezücktem Säbel fährt der Beamte im Haus umher und schwört
im Namen des Kaisers jeden vorzunehmen. „Herr Gendarme," wehklagt das Dienst-
mädchen, ,,wenn Sie jeden vornehmen wollen, dann verschonen Sie meine gute
Herrin, die krank ist. Hier ist ein Sofa, ich will Ihnen gern zweimal zu Diensten
sein." ,,Ach du Nimmersatt," ließ sich die Witwe hören, „wenn es des Kaisers
Befehl ist, soll der Gendarme mich zuerst vornehmen."

47. L'apprentissage. Die junge Frau springt schnell aus dem Bett als sie hört,
der Mann wolle seine Lehrzeit in ehelichen Sachen bei ihr beginnen. ï>er Pfarrer
habe sie längstens angelernt.

48. Ma dot est donc payée! Der vergeblich auf Auszahlung der versprochenen
Mitgift drängende Schwiegersohn droht, sich an seiner Frau zu rächen. Er ver-
kehrt häufiger als je geschlechtlich mit ihr, um sie dem Tode nahe zu bringen. Die
Frau wird aber nur lebenslustiger bei solch einem Modus und glaubt, ihre Eltern
hätten dem Manne das Geld ausbezahlt, während der Mann fast am Rande des
Grabes steht.

49. Graisse, Kuterlé! Ein Hirtenknabe war vom Hirtenmädchen beobachtet
worden, wie er Sodomie trieb und wurde vom Mädchen darob verhöhnt. Um das
Mädchen zum Schweigen zu bringen, ersinnt eine alte vom Hirten um Rat angegangene
Quacksalberin den listigen Plan, dem Mädchen einzureden, es sei krank und habe
beim Springen über die Gräben die Jungfrauschaft verloren. Das Mädchen muß
sich unbekleidet aufs Bett der Alten legen und dort nicht umschauen. Die Alte
ruft Josef den Hirten herbei und der salbt dem Hirtenmädchen per coitum die
Jungfrauschaft wieder zurecht. „Salbe weiter,, salbe weiter," ruft das Mädchen.
Von da ab hatte der Hirte Ruhe, denn sobald ihn das Mädchen neckte, sprach
er nur: „Salbe weiter, salbe."

50. Nas-tu pas honte? Der Knecht findet seine Herrin schlafend in der Scheune.
Da die Herrin leicht bekleidet ist und die Gelegenheit günstig war, macht sich der
Knecht über die Herrin. „Was machst du, hast du kein Schamgefühl?" „Ent-
schuldiget, ich ziehe mich zurück." — „Das meinte ich nicht, ich fragte nur, ob
du dich nicht schämst, deine Meisterin zu küssen?"

51. La fille prise par force. Das geschwängerte Mädchen klagt gegen den
Kindesvater vor Gericht, er habe Gewalt gebraucht. „Sie hat die Hinterbacken
so stark hin und herbewegt, daß ich nicht behaupten kann, den Coitus vollzogen
zu haben," erklärt der Bursche. „Lügner," ruft das Mädchen, „ich schwöre, eben-
sowenig die Hinterbacken bewegt zu haben, als der Kruzifixes hier im Gerichtssaal !"

52. Wie 51. Doch sucht sich der Knabe mit der Kleinheit seines, membrum
herauszureden. Das Mädchen erklärt darauf: „Monsieur le juge, permettez-moi
de le tenir cinq minutes dans la main, comme je le fais d'habitude, et vous verrez
si sa p... n'est pas aussi grosse que la vôtre!"

53. L'eaux miraculeux. Ein alter Mann hatte eine junge Witwe geheiratet.
Vergebens wartet man auf Kinder. Der Pfarrer von Steinbach kannte die Wünsche
der Eheleute und schlug eine Wallfahrt nach einem schweizerischen Wunderort
vor. Der Mann mußte viele Rosenkränze beten und Wunderwasser trinken, was
ihm gar nicht bekam. Die Kur und Wallfahrt nützte dem Ehepaar nichts. Im
folgenden Jahr schickte der Ehemann seine Frau allein mit dem Pfarrer nach dem

28*


43$

Vom Büchertische.

Wallfahrtsort. Nach neun Monaten genas die Frau eines Knäbleins und der Ehe-
mann war,glücklich über das Wunder,

54. Le jambon de Pâques. Eine dumme Magd gibt die von ihrer Hei in auf
Ostern aufgehobenen Fleischvorräte einem Stromer, der sich Ostern nennt, Die
Magd kauft für einen Thaler Verstand und der Stromer führt dem Mädchen den
Geist per vaginam zu. Von diesem Tage ab will die Magd sparen, um möglichst
viel Geist zu kaufen. Die Magd erzählt alles ihrer Herrin, letztere ist anfangs furcht-
bar böse, als sie aber die Versorgung von Geisteskräften hörte, inußte die Magd
den Verkäufer aufsuchen, damit auch die Herrin ihren zusammengeschrumpften
Vorrat ergänzen könne.

55. L'anabaptiste benêt. Die junge Frau stellt sich auf Geheiß ihrer Mutter
sterbenskrank, der Ehemann holt auf Geheiß der Schwiegermutter bei einer weisen
Frau Rat und muß, was er bisher noch nie getan hat, mit seiner Gattin kohabitieren.
Das bringt der Kranken die Gesundheit. Traurig meint der Ehemann, wenn er
dieses Mittel früher gekannt hätte, würde er es bei seinem Vater wie seiner Mutter
angewendet haben, um sie am Leben zu erhalten. — Also eine bekannte mittel-
alterliche Erzählung.

56. La gueule du brechet. Vergleiche Anthropophyitea Bd. I, S. 253.

57. Qu'y ferai-je alors? Eine spröde Jungvermählte will nicht in das Ehebett.
,,Ich mache dir gar nichts," schwört der Ehemann* ,,Ja was soll ich denn dann
im Bett?"

58. Les c... noires. Zwei Weiber unterhalten sich über ihre Männer. Eine
beklagt, daß die Hoden ihres Mannes so schwarz seien. Das hört aus einem Ver-
steck der Mann und kommt nach einer Weile herbeigelaufen mit der Beschuldigung,
sein Weib habe sich nach Verrichtung der großen Notdurft das Gesäß mit einem
Stein gesäubert und diesen Stein habe es über die Mauer des Pfarrgarten geworfen.
Im Garten sei aber der Bischof spazieren gegangen und der habe durch den Stein-
wurf ein Auge verloren. „Glaube nicht, daß ich es gewesen bin," entschuldigt sich
die Frau, „denn so lange als wir verheiratet sind, habe ich mir noch nie das Gesäß
gesäubert!" — „Ja, warum klagst du alsdann, daß meine Hoden schwarz sind?"

59. Les rosaires. In der Hochzeitnacht will die junge Frau vor Beginn des
Liebesaktes fünf Rosenkränze beten. Darüber schläft der Ehemann ein, zum großen
Leidwesen der Gattin.

60. Dis toujours: non! Wesentlich identisch mit „Von einem Jüngling, der
sich findiger als der Kaiser bewährte" Anthropophyteia Bd. I, S. 300. Die Ge-
schichte in den Contes licencieux spielt in jüdischen Kreisen.

61. La veuve. Dieselbe Erzählung, welche in den Schnurren des Poggio Brac-
ciolini (vergl. Romanische Meistererzähler Bd. IV, S. 146 Der Friedensstifter) ent-
halten ist.

62. La chemise de Saint-Victorien. Die auf elsässische Verhältnisse übertragene
Schnurre von den Hosen des heiligen Franciscus. Cfr. Poggio Bracciolini: Rom.
Meistererzähler Bd. IV, S. 157. (Der Titel: Das Hemd des heiligen Victor in den
Contes ist lediglich freie Erfindung.)

63. A qui l'enfant ! Die sterbende Bäuerin bekennt ihrem Manne, eine Tochter
sei vom Knecht erzeugt. — „Ich habe meinen Knecht regelmäßig bezahlt. Was
er bei uns geschafft hat, gehört also unsl Ziehe hin in Frieden," erklärt der Mann.

Zum Schluß möchte ich noch einen sehr groben Schnitzer berichtigen, welcher
in den Contes licencieux de l'Alsace vorkommt.


Vom Büchertische.

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Auf Seite 6 steht: „Foussemagne est le quartier général des Juifs de la Haute-
Alsace/4 Foussemagne liegt — was dem Herausgeber doch eigentlich bekannt
sollte sein — im französischen Departement Haut-Rhin. Ob man einen
Ort, den nur 8—io jüdische Familien bewohnen, das quartier général nennen darf,
wird jeder Leser bezweifeln. Im Jahre 1784 waren in Foussemagne 22 Familien
anwesend, damals, also vor mehr als 120 Jahren, konnte man allenfalls von
einem quartier général des juifs de la Haute-Alsac reden, wenn man unter Haute-
Alsace, wie das vereinzelt geschieht, den Sundgau versteht.

In unserer Zeit ist das quartier général des Juifs du Haut-Rhin, Bei-
fort, und das von Haute-Alsace, Colmar, wenn man quartier général
mit communauté principale gleichsetzt; kommt es dagegen auf die Einwohner-
zahlen an, so ist Mülhausen an die Stelle von Colmar zu setzen.

W. G.

Müller» Alphons Victor: „Die Hochheilige Vorhaut Christi" im Kult und in der
Theologie der Papstkirche. Berlin 1907, VIII, 156 S. 8°. C. A. S c h w e t -
schke & Sohn.

Das ist eine merkwürdig gediegene, weil gründliche und lehrreiche Sonder-
untersuchung, die des ungeteilten Beifalls und Dankes der Anthropophyteia-Stu-
dierenden sicher ist. Zu Rom fand man das älteste und berühmteste Praeputium
wieder auf. Die Klerikalen waren darüber aufs äußerste empört und es traten Leute
auf, um die Päpste und die anderen Kirchenbehörden durchaus reinzuwaschen
von dem Verdachte, einen geradezu tollen Aberglauben, der hart an Götzendienst
streife, geduldet und gefördert zu haben. Müller weist aber klar nach, die Geist-
lichkeit habe diesen Unfug bis auf den heutigen Tag gefördert und daß noch heute,
keine 50 Kilometer von Rom entfernt, die armen Bauern der Campagna mit Gut-
heißung der kirchlichen Behörden den Teil, der Christus bei der Beschneidung
-abhanden gekommen, feierlichst anbeten. In sieben Abschnitten behandelt M.
die Wiederauffindung des päpstlichen Schatzes, die allgemeine Geschichte des
aJlerheiligsten Praeputiums, Dogma und Praeputium, das Lateran-Praeputium,
das Praeputium von Charroux, das von Antwerpen und jenes von Calcata. Schwerer
Spott und Hohn senkt sich auf die Häupter der Reliquienerfinder und Reliquien-
händler hernieder, nur eines läßt dabei M. außer acht, daß hier wesentlich eine
Art vor Verchristlichung altheidnischen, aus dem Volkstum unausrottbaren ^na-
pischen Kultes festzustellen ist, daß ja neben dem verchristelten auch noch der
ihm als Vorbild dienende heidnische Kult weiterbesteht. M. verdammt den Zumpt-
kult aus moralischen und ästhetischen Gründen, ein Naturforscher, wie Eduard
K u 1 k e aber, der verwirft jedweden Kult, denn jeder Kult gilt ihm als moralisch
verwerflich. Ästhetische Rücksichten jedoch kämen dabei auf keinen Fall in Betracht.

Jahrhunderte hindurch mühten sich die Theologen mit der Beantwortung
der Streitfrage ab: Ist die Gottheit mit dem Praeputium, das hier auf Erden zurück-
geblieben ist, noch vereinigt? Muß infolgedessen das Praeputium angebetet werden
oder genügt es, es zu verehren? — Darüber sind die Meinungen noch immer nicht
geklärt !

. S. 96: „Diese drei gefälschten Quellenberichte hat nun derselbe fromme Fälscher
dazu benutzt, um eine Gründungsgeschichte des Klosters [von Charroux] zu schreiben,


43 8

Уот Büchertische.

in der er nichts anderes tut. als seine drei ersten Fälschungen mit einigen Wider-
sprüchen zu paraphrasieren. Im Grunde genommen bietet diese vierte Fälschung
uns also nichts Neues."

Ich habe die leidige Gewohnheit, neue Bücher, ohne erst den Titel zu besehen,
aufs Geratewohl aufzuschlagen und darin zu blättern.. Das geschah auch diesmal
und mein Blick fiel auf diese Stelle, die mich hocherfreute, denn ich glaubte nicht
anders, als daß sich einer gefunden, der mit den chrowotisch-akademischen Histo-
rikern Abrechnung pflege. Leider war es eine Enttäuschung. Mit derartigen er-
fundenen Wahrheiten über Rechte und Geschichte der Chrowoten unterhielten
volle dreißig Tage des Monats Juni 1907 die vierzig chrowotischen Reichherolde
das ungarische Parlament. Jeder Tag kostete dem Staate 18 000 Kronen. Mehr
sind die Geschichten auch nicht wert.

Im XVII, und XVIII. Jahrhundert ersetzte das Praeputium die heutigen
Spezialisten in Gynäkologie. Schwangere Frauen pilgerten andächtig zu ihm, um
sich mit ihm segnen zu lassen ; alsdann sahen sie ihrer schweren Stunde mit größerer
Zuversicht und Ruhe entgegen. Die Mönche von Charroux hatten neben dem
Spezialisten für Frauenleiden gleichfalls einen anderen für Männer angestellt. Das
muß man bei Müller auf S. 105 f. selber nachlesen.

S. 134: „Der Jesuit Kardinal Toletus hat solch unsinniges Gewäsch im besten
Glauben in seinen Lukaskommentar aufgenommen. Der Wunderglaube ist eben
damals wie heute derartig krankhaft verbreitet gewesen, daß selbst das tollste
und auffälligste Zeug, wenn es nur mit zuversichtlichem Tone und unter dem Deck-
mantel der Frömmigkeit vorgetragen wurde, beim Volke und vielen sogenannten
gebildeten Katholiken Glauben fand."

Das ist gar nicht so arg. Man setze für „Frömmigkeit" Chrowotismus
und für „Katholiken" chrowotische Akademiker ein und man hat
den Schlüssel zur Religi ja Srba і Hrvata (Religion der Serben und Chrowoten),
die ein Agramer Universitätsprofessor und Akademiker in Anwesenheit seiner
Kollegen, der Domherren Franjo R а б k і und Sime Ljubić in einer Reihe
feierlicher Akademiesitzungen offenbarte. So ein heilloser Bierschwefel war noch
nicht da, aber man erhob ihn zur neuen urchrowotischen Urreligion und druckte
ihn in den Publikationen der Kgl. Akademie der Wissenschaften ab. In meiner
Schrift: Böhmische Korallen aus der Götterwelt, folkloristische Börseberichte vom
Götter- und Mythenmarkte (Wien 1893) wagte ich schüchtern gegen solchen Humbug
Einspruch zu erheben und der Erfolg war, daß die chrowotische akademische Jugend
dem Stifter besagter Religion zu Ehren einen Fackelzug veranstaltete, über mich
aber verhängten die offiziellen Slavisten die Acht und Aberacht. Betrübt hat mich
dabei nur die Wahrnehmung, daß ihnen so manche deutsche Gelehrte, Söhne deut-
scher Mütter sekundierten. Chrowoten und Idioten kommt man mit Vernunft-
gründen nicht bei. Darum wird auch Müllers köstlich humoristisches Buch
gleich meiner eben genannten Schrift keines Narren oder Gläubigen Sinn bekehren.

Krauss.

Rau, Hans: Die Grausamkeit mit besonderer Bezugnahme auf sexuelle Faktoren.
Mit 2 t Illustrationen. Zweite, völlig umgearbeitete Auflage. Berlin 1907.
VI, 272 S. 8°. Hermann Barsdorf.

Für den Kundigen, der sich von der Gefühlduselei liebegirrender Lyriker nicht
einschläfern läßt, sind Grausamkeit und Geschlechttrieb fast sinnverwandte Be-


Vom Büchertische.

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griffe. Grausamkeit dient häufig als Stimulans, häufiger noch als Surrogat für
geschlechtliche Betätigung. Es gibt zwar auch eine Grausamkeit um ihrer selbst
willen, die jedoch ist pathologisch, während die andere einen beinahe normalen
Zustand als Ausdruck des Geschlechtlebens darstellt. Rau's Verdienst liegt darin,
die mannigfachen Äußerungen der Grausamkeit in der Philosophie, Psychologie,
Religion, Rechtpflege, Sklaverei, Erziehung, im Verbrechen, Krieg, Volksleben,
in der Gegenwart und in der Literatur übersichtlich und gemeinverständlich er-
örtert zu haben. R a u verarbeitete ein gewaltiges Material in diesem Buche, nur
hätte er hie und da etwas umsichtiger in der Auswahl seiner Belege sein dürfen,
so z. B. konnte die unverbürgte Anekdote auf S. 7 und der Hinweis auf den Fall
Bonmartini S. g ruhig wegbleiben. Das Buch wird als Ganzes erzieherisch gut wirken
und darum ist ihm eine große Verbreitung zu wünschen.

Krauss.

Schmidt, Richard: Das Kämasütram des VStsyäyana. Die indische ars amatoria.
Nebst dem vollständigen Kommentare (Jayamangala) des Yasodhara. Aus
dem Sanskrit übersetzt und herausgegeben. — Dritte, nach handschriftlichem
Material durchaus verbesserte Auflage. Berlin 1907. IX, 500 S., gr. 8°. H.
Barsdorf.

In seiner Jugend und in seinen besten Jahren war ihm nichts Mensch liches
fremd geblieben und als er in die Sechziger kam, da die Manneskräfte zu versagen
anfingen, beschloß er die reichen Erfahrungen seines liebetatenreichen Lebens auf
Palmblättern zu verewigen, um nochmals in süßen Erinnerungen zu schwelgen
und dem Nachwuchs mit ihnen die rechten Wege zum Genuß und zur Lebensfreude
zu weisen. Er war seiner Natur nach ein Erotiker und darum sammelte er bei jeder
Gelegenheit erotische Schriftwerke, um daraus sein Wissen zu vervollkommnen.
Jetzt kam es ihm zugute. Ein Panini war er zwar nicht, jedoch ausreichend
gebildet, um den Wust von Erlebnissen in eine übersichtliche Ordnung zu bringen,
die einem Lehrbuche nicht fehlen darf, wofern es seinen Zweck erfüllen soll. Er
schilderte zunächst den Galantuomo, wie er sein muß, dann alle ihm bekannten
landüblichen Liebegenüsse, ferner folgerichtig die bei keuschen Mädchen, verhei-
rateten Frauen und Buhlerinnen anzuwendenden Künste, um sie dranzukriegen
und zuletzt als Geheimlehre die Selbstbehelfe. Yasodhara, ein indischer Alexan-
driner, merkte, daß sich das Buch allgemeiner Beliebtheit erfreute und machte
sich daran, es mit einem Kommentar zu versorgen, doch trotz seiner Schreibselig-
keit war er mit allen den breiten Zutaten nicht imstande, den Text zu ersticken
und zu erdrücken. V. weiß viel, doch nicht alles. So z. B. hätte er als unser Zeit-
genosse aus dem Büchlein: Sieben Nächte aus den Flitterwochen („Honigwochen1')
Louisens von Cornoué von Noël Reirret (3. Aufl. Wien. E. Laute's Volksbuch-
handlung) noch einige Übungen zugelernt. Das erwähne ich nur darum, weil ich
damit andeuten möchte, daß V. unsere Kenner nichts wesentlich neues lehrt. Trotz-
dem ist sein Buch als eines der ältesten Zeugnisse von der allgemeinen Verbreitung
der sogenannten Unsittlichkeit und Sittenlosigkeit, die schnurstracks in den Höllen-
pfuhl hinabführt, von der größten Wichtigkeit für den Sexualforscher und mit
vielen Einzelheiten auch für den Folkloristen und Ethnologen. V. gehörte der
Schichte reichster Leute an und verachtete eigentlich die Volksmenge. Deshalb
gedenkt er ihrer nur nebenher. Zur Ausführung seiner Anleitungen gehört viel


440

Vom Büchertische

Geld, viel Zeit und eine starke Gesundheit. Zuweilen rät er aber auch schwer mög-
liches an, was über die Kräfte eines Durchschnittmenschen geht. Wo ihn die eigene
und die Erfahrung anderer verläßt, fängt er mitunter Stellungen zu erfinden an.
Neben diesem Buche haben die Inder, sowie die Chinesen und Japaner auch, Bilder-
werke zur Veranschaulichung der Liebekampf spiele, doch keines kann sich mit
dem Lebenswerke V/s messen. Schmidt erwarb sich mit seiner ausgezeichnet
gut lesbaren Verdeutschung, die er zwar von S. 177—222 mit einer lateinischen
störend unterbricht, den Dank aller, die sich mit Anthropophyteiastudien befassen.
Das Buch leistet unseren Bestrebungen um Erkundung der dunklen Wege des
Geschlechtlebens mächtigen Vorschub.

Krauss.

Schindler, Willy: Das erotische Element in Literatur und Kunst. Ein Beitrag
zur Erotologie. Berlin 1907. S. 132 in kl. 8°. Schindlers Verlag. — iB.
der Beiträge zur Geschichte des menschlichen Sexuallebens.

Als eine allgemeine Einführung in das Studium der Erotik, die von Porno-
graphie gar streng zu scheiden ist, erfüllt diese Schrift ihren beabsichtigten Zweck
sehr gut. Sie widerlegt die Eiferer gründlich und brandmarkt einige Denunzianten
und auch mehrere Ausschroter der modernen auf die Erforschung der Sexualität
gerichteten Bestrebungen. Mit Recht rügt Schindler das von E. K. В 1 ü m m 1
herausgegebene Büchlein „Erotische Volkslieder aus Deutsch-Österreich", das sich
als eine wichtige Ergänzung zu den Anthropophyteia ausgibt, ohne diesen Anspruch
zu rechtfertigen, denn es bringt doch zumeist unwichtige Varianten zu den in den
Anthr. bereits gedruckten Liedern. Auch ist В 1 ü m m 1 s Behauptung, der Inhalt
seiner Sammlung wäre „ein streng wissenschaftlicher" eine arge Ungehörigkeit.
Die Texte sind obszön, das steht fest, doch das wäre nebensächlich, verstände
es В 1 ü m m 1, sie in irgend eine wissenschaftliche Beleuchtung zu rücken. Die
unter einzelnen Texten angebrachten Hinweise auf anderswo vorkommende Varianten
und die Übersetzung mancher mundartlicher Worte sind denn doch eine allzu be-
scheidene Leistung. Mit derartigen unreifen, weil überhasteten Publikationen
bringt man das wissenschaftliche Studium der Erotik bald in Verruf. — Auf S. 96
tadelt Schindler das Vorgehen des verflossenen Besitzers des Wiener Ver-
lags, eines gewissen Fritz Freund, den er aber nicht namentlich nennt.
Eine solche Schonung ist durchaus unangebracht, denn man muß nicht bloß die
Übervorteilung der Käufer, sondern noch mehr den Übervorteiler öffentlich be-
sprechen. Fritz Freund machte mit seinem pornographischen Verlag lauter
brillante Geschäfte, bis er nach wenigen Jahren mit 700 000 Kronen Passiven im
Dreck stak. Jetzt ist er auf 5 Jahre ein sogenannter Angestellter bei der Firma,
die sein Lager übernahm und seine Gläubiger abzufertigen hat. Dieses Beispiel
lehrt deutlich, daß das deutsche Publikum die pornographische Literatur ablehnt,
sie nicht einmal als Ramschware mehr mag und daß es überflüssig ist, gegen eine
Literatur oder vielmehr einen Industriezweig, der im Abflauen ist, alle möglichen
Geister zu beschwören.

Krauss.


Vom Büchertische

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Hirt h, Georg: Wege zur Liebe. Idealisierung der Sinne und erbliche Entlastung.
Philosophie der Gesundheit — Religion der Menschlichkeit. München 1906.
Verlag der „Jugend". XV, 655 S. gr. 8°.

Dies Buch habe ich schon dreimal gelesen, denn es ist voll Lebenserfahrungen,
Lebensklugheiten und Lebensweisheiten; es unterweist einen in der Lebenskunst
und Lebensfreude. Darin stimmt es mit Rückerts Weisheit der Brahmanen
überein, nur hebt H і r t h als ganz moderner mit dem Befruchtungvorgange, der
Eizelle, der Säugung, der Liebebetätigung und allem an, was ein Gott erlaubt und
Menschenunverstand verboten hat. Er betätigt sich als ein Mitarbeiter an der
Riesenaufgabe der erblichen Entlastung. „Es muß sein, alle müssen zusammen
helfen, um den Entartungfluch mehr tausend jähriger Kultur und sinnloser Kraft-
verschwendung von uns zu nehmen." Auf Grund einer neuen furchtlosen Sitt-
lichkeit strebt er eine Wiederaufzucht an. Nachdem ich den einleitenden Aufsatz
über „die Mutterbrust, ihre Unersetzlichkeit und ihre Erziehung zur früheren
Kraft" gelesen, gab ich ihn einer jungen Frau weiter, die im Begriff stand, ihr zwei
Monate altes Töchterlein abzuspähnen, weil ihr die guten Freundinnen dazu rieten.
Den Anfang hatte sie schon gemacht. Altklug belehrte sie mich, in den ersten vier-
zehn Tagen nehme das Kind infolge der Präparate zwar stark ab, dann aber ge-
wöhne es sich daran und erhole sich wieder. Zum Beweis ging es mit dem zappe-
ligen Wesen bereits drei Tage lang merklich abwärts. H і r t h s Studie machte
auf die Frau einen so tiefen Eindruck, daß sie sogleich ihr Kindlein wieder an die
Brust nahm und plötzlich wieder genug Milch hatte. So geht es nun vierzehn Monate
hindurch und Kind und Mutter gedeihen dabei ausgezeichnet gut. Die glücklichen
Eltern richteten an H і r t h einen Dankbrief, auf den er stolz sein darf. Meiner
Meinung nach müßte man H і r t h s Abhandlung in allen Mädchenschulen als
erstes Lesestück in die Lesebücher einreihen. Durfte der Erlanger Universitäts-
professor Joh. Christian Fick in sein i. J. 1800 erschienenes und später
gar oft aufgelegtes englisches Lesebuch, IL T., S. 160—163 Lady Montagues
ausführlichen Konstantinopeler Brief über Kinderabtreibung und die Niederkunft
einschalten, ohne daß Deutschlands Sittlichkeit in Fransen ging, um wieviel be-
gründeter ist mein Wunsch, wo es sich um das Gedeihen unseres Nachwuchses
handelt, daß man die weibliche Jugend beizeiten für ihr Hauptgeschäft erziehe
und vorbereite.

Es ist mir unmöglich, hier den reichen Inhalt dieses merkwürdigen Buches
auch nur kurz zu skizzieren, weil es mir dazu an Raum gebricht, doch auf einiges
möchte ich hinweisen. Die Geschichte von der Boudoirfee (S. 154—8) habe ich selber
— natürlich als unbeteiligter Dritter — zweimal miterlebt. Mit unserer unsittlichen
Ehebruchmoral kommt man in solchen Fällen, die unserer Sittlichkeit im allgemeinen
entsprechen, nicht aus. Richtig bemerkt H і r t h (S. 202) : „Für sinnliche Menschen,
Frauen so gut wie Männer, bedeutet der geschlechtliche Umgang nicht „die"
Liebe. Bei ihnen bedeutet für den Trieb der Triebe die Umarmung ungefähr das-
selbe, wie für das Gehör der Besuch eines Akademiekonzertes. Man kann auf Wagner
schwören und doch Mozart hören." Sehr angenehm berührte mich die Abfertigung
des philosophierenden Hanswurstes W e і n і n g e r (S. 219—221), von dem das
Sprichwort gilt: Ein Narr macht viele Narren. Seine zwei Bücher erscheinen mir
als klägliche Kompilationen eines Irrsinnigen, der seinen Schwachsinn durch un-
erhörte Übertreibungen methodisch zu verbergen sucht. Kur eil a sagt einmal,


442

Vom Büchertische.

alle Judenfresser wären Syphilitiker und Weiberfeinde. W. war ein Weiber- und
Judenfresser. Sollte auch er ein Syphilitiker gewesen sein? — Zur Eindämmung
der Geschlechtkrankheiten schlägt Hirt h die Einverleibung dreier §§ ins Straf-
gesetzbuch vor (S. 400 f.). Unser Österreich. Strafgesetzbuch hat sie schon längst,
doch nur für die Blattern und den Scharlach. Es fehlt noch der Zusatz: Bei recht-
zeitiger Krankheitanmeldung werden die Heilungkosten aus öffentlichen Mitteln
bestritten. — Alle Beachtung verdienen die Aufsätze : Onan , der schmählich Ver-
kannte (S. 422—25), Das erotische Temperament und die alkoholische Entartung
(S. 433—65), Da unten in der Masochei (S. 465—73). — Die Splitternackten Gedanken
H і r t h s sind eine neue Art von ars amandi. Das muß man lesen, um sich an dem
überreichen Humor und Witz zu ergötzen. Auf einige Stellen mache ich insbesondere
aufmerksam: § 175 (S. 525), Sittlichkeitvereinmeierei (S. 536); Prostitution und
paradiesische Kraft des Phallus (S. 560). Das ist mal ein wahres Wort: dem Weib
gefällt der Zumpt am besten, alles andere ist ihr Firlefanz. Sie will tüchtig und
möglichst oft in Orgasmus geraten (S. 569). Wahr Sprüche bester Art vermerkte
ich ferner auf S. 570, 588, 591, 617, 625 u. 643.

Krauss.

Seiliiere, Ernest: Die Philosophie des Imperialismus. — IV. Band: Dieroman-
tische Krankheit. Fourier. Beyle-Stendhal. Autori-
sierte Übersetzung von Fr. v. Oppeln-Bronikowski. Berlin 1907.
H. Barsdorf. VII, 455 gr. 8°.

Das Buch ist eine erbarmungslose Abrechnung mit dem Romantismus in
Literatur und Kunst. Die Romantiker wären Neurotiker, die eine Psychologie
und Moral konstruieren, von der man sagen kann, sie wäre für die Urheber aus-
gezeichnet, nicht aber für den Durchschnitt der Menschen. Als Maler wären die
Romantiker Barbaren und verbrauchter als die Zivilisierten, deren Nachbarschaft
sie an der freien Betätigung ihrer Neurose hindere. Das alles weist Seiliiere
mit scharfer Analyse an den Schriften Fouriers und Beyle-S tendhales
sowie deren Vor- und Nachläufer deutlich nach. Übersehen hat er bloß den unheil-
vollen Einfluß des Romantismus auf die Geisteswissenschaften und speziell seinen
hemmenden Einfluß auf die Pflege der Sexualwissenschaft. Zoologie darf man schon
frank und frei als Sonderfach betreiben, doch das Menschentier muß man von der
Forschung ausschließen. Warum? Weil es den Romantikern nicht in den Kram
paßt. Aufdringlich und vermessen unter ständiger Anrufung der Staatsanwalt-
schaften rückten sich die Romantiker mit ihrer Neurose und ihrem Spatzenverstand
in den Vordergrund der Diskussion. Sie, die um Nachsicht und Schonung betteln
müßten, treten als Angreifer auf und fordern zu einem unerbittlichen Kampf die
geistig nicht Belasteten heraus. Sie sind durch die Bank auch Erotiker aus der
Masochei, wie H і r t h treffend sagt. In der Abwehr wird uns Seillière s Werk
jederzeit gute Dienste leisten. Fourier und St e n d h a 1 waren große Schrift-
steller, die ihre Verrücktheiten mit der Kunst der Darstellung angenehm genießbar
gestalteten. Die wenigsten erotischen Neurotiker haben einen solchen Milderung-
grund für ihre Ausschreitungen ins Treffen zu führen.

Krauss.


Vom Büchertische.

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Archiv für Rassen- und Ûegellschaftbiologie einschließlich Rassen- und Gesellschaft-
hygiene hrg. v. Dr. AlfredPloetz usw. III, 4—6 (1906), IV, 1—3 (1907).
Berlin, Verlag d. Archiv-Gesellschaft.

Das Archiv entwickelt sich zu einer der wichtigsten wissenschaftlichen Zeit-
schriften Deutschlands. Man lernt daraus ständig zu sowohl stofflich als kritisch.
Von den vielen Arbeiten berühren das Gebiet der Anthropophyteia vornehmlich
folgende: Dr. Walter Claasen's über Die Frage der Entartung der Volk-
massen auf Grund der verschiedenen durch die Statistik dargebotenen Maßstäbe
der Vitalität (S. 553): Die Abnahme der Stillfähigkeit ist ein bedeutsames Re-
generationssymptom und selbst die Quelle weiterer Degeneration. S. 703 : Die
angebliche Zunahme der Geisteskrankheiten kann auf eine größere Genauigkeit
bei der amtlichen Feststellung beruhen. S. 839 über sexuelle Verseuchung und
verseuchte Moral). C. nimmt K1 e m m s Einteilung in aktive und passive Rassen
von neuem auf. Die Schlußfolgerungen C.'s auf S. 860 kann man im ethnologischen
Gesichtskreise nicht mit Erfolg vertreten. — Dr. Julius Grober: Ein prak-
tischer Versuch in der Rassenhygiene (Maori auf Neuseeland) S. 704—717 und
O. Rosenbach: Über das Problem einer Brunftzeit beim Menschen, verdienen
ernste Beachtung. — S. 917 f. von R ü d і n: Über die Syphilis der ehrbaren Frauen
(nach Fournie r). — Dr. Sigfried Rosenfeld: Die Sterblichkeit der
Juden in Wien und die Ursachen der jüdischen Mindersterblichkeit. IV, S. 47—62 ;
189—200. R. spricht von einer Rasseneigentümlichkeit, wo doch
zunächst von einer Erziehung zur Hygiene des Volkes oder einer Gruppe zu handeln
ist. — Dr. Elias Auerbach erörtert als Zionist Die jüdische Rassenfrage
S. 332—361. Prof. v. Luschan richtet (S. 362—373) einen offenen Brief an
ihn, um ihn zu widerlegen. Er hält den Zionismus für kulturfeindlich und meint,
gewisse orthodoxe Elemente im Judentum wären gegenwärtig eifrig bemüht, einen
Teil ihrer Landsleute auf einem minderwertigen Niveau zu erhalten oder sie auf
ein solches zurückzudrängen. Er hätte darauf hinweisen können, daß der Zionis-
mus eine journalistische Gründung ist, ein umgestülpter Antisemitismus. Als
Folklorist verwies ich das jüdische Volktum unter die Fata-Morgana-Volktümer
(in: Die Volkskunde in den Jahren 1897—1902, S. 43—48). Der Zionismus ist
förmlich ein Sport von Auch Juden, die niemals im religiösen Judentum Bescheid
wußten und die mit ihrer Unwissenheit prunken.

Krauss.

Luedecke, Hugo, Ernst: Die Säule des Lebens. Ein Gedicht-Zyklus, Mit Um-
schlagzeichnung von Ernst Bublitz. Halle a. S. 1905. Heinrich
Kreibohm. 67 S. 8°.

Nach seinen zwei größeren Beiträgen im vorliegenden IV. B. unserer Anthro-
pophyteia kennen unsere Leser Luedecke bereits als einen ernsten Forscher,
von dem man noch so manche treffliche Arbeit zur Sexualforschung erwarten darf.
Er ist durch das Studium der Biologie auf unser engeres Gebiet gelangt und gleich-
zeitig zum Dichter geworden. Man ist gewohnt, den Gelehrten als Dichter zu be-
lächeln. Hat einer nichts anderes als die erlernbare Verstechnik weg, so mag man
mit Recht über seine Dichtungen hinwegsehen, dagegen erscheint es mir als selbst-
verständlich, daß ein echter Naturforscher zuweilen die auf ihn einstürmenden


444

Vom Büchertische.

Bilder und Gestalten dichterisch festhält. Es hat mich z. B. nicht im geringsten
überrascht, als von Dr. Albert Hermann Post, dem nüchternsten Sche-
matiker der ethnologischen Jurisprudenz W і s m u n d , ein Mysterium in 8 Szenen
erschien und noch weniger, daß es eine dichterische Schöpfung ist, die ihm einen
Ehrenplatz in der deutschen Literaturgeschichte sichert, wenn einmal unsere Literar-
historiker auf ihn aufmerksam werden sollten. Das braucht freilich viele Zeit,
denn sie haben bisher nicht einmal von Eduard Kulkes Schriften Notiz ge-
nommen, der als ein sehr produktiver Denker und Dichter unter den Darstellern
der Wirklichkeit obenan zu stellen ist. Luedecke soll zumindest in unseren
Kreisen nicht unbeachtet bleiben, denn er behandelt als eigenartiger, moderner
Dichter von großer Sprachgewalt ein Problem, das in unserer abendländisch-städti-
schen Kultur von tief einschneidender Bedeutung ist, das der Gefallenen nämlich.
Ob man ein Mädchen aus einem Bordell heiraten soll oder nicht, das hat jeder mit
sich selber auszumachen. Die Frage ist, ob eine, die den Lüsten der Stundenehe
preisgegeben war, eine ehrbare Frau werden kann. Luedecke meint, der Weg
zur Erlösung führe durch die Mutterschaft, und darin gibt ihm das volle Leben
recht. Nur eine Minderheit von Frauen versinkt freiwillig in der Prostitution, die
Mehrheit ist hinabgestoßen worden und sinnt auf Rache: In grimmen Lüsten ist
sie verdorben, — ihr Herz ist lange, lange gestorben. — Eins nur heult durch ihre
Nacht, — braust in ihrer Schande Schacht: — Rachel Rache!

Jugend, nimm dich in acht vor ihr! — Sie würgt euch, wie ein reißend Tier
— und hat schon viele elend gemacht. — Sie haßt in euch den Einen, — der sie
zerstört und — kalt gelacht, — den sie gesucht so Nacht für Nacht, — nach dem
ihre Augen weinen.

Auf grauem, staubigem Weg — im Sonnenbrüten ein Weib. — Und über ihren
nackten Leib — schritten die Menschen hinweg. — Sie höhnten mit harten Tritten
■<— und scherzten und gingen weiter. — Sie lächelte falsch und heiter — und hat
es duldend gelitten. — Da kam ein Mann und nahm sie bei der Hand — und hob
sie auf und schritt mit ihr ins Land.

Die anderen 37 meist von sinnlicher Glut durchhauchten Gedichte dieses
Werkchens muß man auf sich einwirken lassen, um den Umschwung in unserer
deutschen Dichtung zu ahnen, der sich als Folge der Naturforschung einstellen
wird und einfinden muß. Luedeckes Buch ist ein Zeichen der neuesten Zeit,
in der auch die Sexualforschung auf die Poesie klärend und belebend einwirkt.

Krauss.

Bonus, Arthur: Isländerbuch I. Sammlung altgermanischer Bauern- und Königs-
geschichten. I. Teil. XIII, 296, kl. 8°. München 1907. Georg D. W. Call-
w e y.

Das ist ein wundersam schön geschriebenes Buch! Es beweist uns wieder ein-
mal, daß unsere nach dem Vorbild lateinischer und griechischer Skribenten in
einem jämmerlichen Advokatendeutsch verkümmerte Schriftsprache einer kraft-
vollen, ausdruckreichen, bezwingend schönen Einfachheit fähig ist. So sind auch
die Geschichten des Skalden Egil Skallagrimssohn, des Skalden Gisli, des Kjartan
Olafssohn und der Gudrun Osvifstochter, sowie Sigrids der Stolzen und des Königs
Olaf Tryggvason, die uns Bonus hochdeutsch wiedererzählt. Bonus will uns


Vom Büchertische.

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die echten Germanen vorführen und er wünscht, daß sich die romantisch-senti-
mental-pathetische Stimmung, in der wir in bezug auf unsere Urvergangenheit
leben, nicht als zu stark und für die Wirklichkeit als undurchdringlich erweise.
Diese Geschichten könnten uns den Dienst tun, uns aus dem Bann der Phrase zu
reißen, die für uns alles durchtränkt hat, was „germanisch" oder „deutsch" mit
Betonung heiße. B. spricht von einer Ernüchterung, die diese Geschichten
über den Leser ausbreiten, während ich* der ich das Buch schon zweimal gelesen,
ganz begeistert dafür bin. Ich schwärme nicht für „den eigentlichen Geist unserer
Rasse", der aus diesen Geschichten hervorleuchtet, denn dieser Geist ist durchaus
keine Rasseneigentümlichkeit der Germanen. Wer diesen Geist genauer kennen
lernen will, der greife zu den serbischen, insbesondere zu den moslemisch-serbischen
Guslarenliedern, die ihn in einer noch primitiveren Ursprünglichkeit bewahren.
Hier sind die ethnologischen Parallelen zu den Isländergeschichten am saubersten
zu finden. Gleich den Isländern um das Jahr iooo ziehen auch die Kämpen der
Guslarenlieder auf Heerung aus, um Beute zu machen (na Cetu junaCku), auch
sie lassen sich von Traumgesichtern bestimmen, auch bei ihnen herrscht die be-
dingte Immunität (Heiligkeit, Unverletzlichkeit) einer Hausfrau, auch sie schließen
Blutbrüderschaften und Gottverwandtschaften, kennen den Holmgang und üben
den Brautlauf, und auch ihnen ist, wie den Isländern, ihr alter Kultglaube wich-
tiger als Christentum und Islam. Da wie dort ist das Weib gern bereit, dem Mörder
ihres Gatten tränenlos zu folgen, willig die Macht des Stärkeren anzuerkennen
und sich ihm zu eigen zu geben. Hoch oben im Norden und weit unten im Süden
ist es gleichermaßen das Weib, das den Mann narrt und in den Tod hetzt. Von
überschäumender Sinnlichkeit sind die Isländergeschichten sowie die Guslaren-
lieder frei. Auf der Stufe des Brautraubes und des Brautkaufes hat der Held
keine Muße zu geschlechtlichen Raffinements. Die Helden sind Ausnahmemenschen
und darum gedenkt ihrer der Dichter und die Geschichte.

Krauss.

Blei. Franz: Das Lustwäldchen. Galante Gedichte aus der deutschen Barockzeit.
Gesammelt und herausgegeben v. —. München 1907. 127 S. 8°. Hansvon
Weber.

Bedeutete barock verschroben, verdreht, überladen, so müßte man diese
Gedichte als Erzeugnisse unserer Tage ansprechen. Das Wort ist der Architektur
und Malerei entlehnt, taugt aber schlecht für poetische Erzeugnisse, von unserem
Gesichtpunkt aus diemal am wenigsten, denn die 21 hier vertretenen, sonst wenig
bekannten, zum Teil unbekannt gebliebenen Dichter besingen die Geschlechtlust,
die keiner Mode unterliegt. Sinnlich stark aufgeregte Naturen schildern ihre Freuden
und Leiden bei der Werbung und die Wonnen des Liebegenusses. Ein Frauenzimmer
ist auch darunter, und die bleibt mit ihrem matten Versuch in der Erotik hinter
den anderen zurück. Weiber können Liebelust spenden, sie sind von Natur aus
darin Künstlerinnen, doch in der Daxstellung der Erotik erweisen sie sich als Stümpe-
rinnen. Christian Günthers Hochzeit-Scherz (S. 116—121) ist eine ge-
schickt versifizierte Strohkranzrede, wie wir solche Reimereien noch heutigentags
in Niederösterreich in der Hochzeitnacht beim Schmause, wenn der Wein den
Gästen die Sinne umnebelt, zu hören bekommen. Johann Friedrich Rie-


44б

Vom Büchertische.

d e r e r s Die eheliche Pflicht und Die schöne Gertraud (S. 74 u. 75) sind Schnurren
die man sich bei uns noch gegenwartig erzählt. Ob sieRiederer erfunden oder
bloß versifiziert hat, weiß ich nicht. Das farbige Titelbild von S o m o f f und das
Schlußbild von Else Gericke sind liebreizend im Stile des XVIII. Jahrh.
ausgeführt. Blei erwarb sich mit seiner Sammlung unseren Dank.

Krauss.

Der Goldene Esel. Satirisch-mystischer Roman des Apulejus. Rode sehe
Übersetzung. Fünfte Aufl. Eingeleitet von M. G. Conrad. Mit 16 Illu-
strationen. Berlin 1906. H. Barsdorf. X, 238 S. gr. 8°.

In zwölf Jahren erlebte der Neudruck der alten, doch vorzüglich schönen
Verdeutschung Rodes fünf Auflagen. So ein buchhändlerischer Erfolg wird sonst
nur den für den Schulgebrauch zugestutzten Klassikern zuteil, die man kaufen
und pflichtschuldigst, um nicht als Esel zu gelten, bewundern muß. Apuleius
bedarf keiner Zwangmittel, um Leser zu gewinnen, denn er ist, wie Lukianos
aus Samosata unter den Modernsten zu neuem Dasein auferstanden. Wiederbelebt
hat ihn die junge Volkforschung und mit ihr die Disziplin, die sich mit dem mensch-
lichen Geschlechtleben befaßt. Für beide bringt er wertvolle Nachrichten aus Zeiten,
die sonst schwer zu ergründen und von Völkern, die längst verschollen sind. A.
versetzt uns mitten in die Welt der Zauberkünste hinein, nach Thessalien, und ich
kann heute gelassen sagen, jene Welt des Glaubens besteht auf der Balkanhalb-
insel mit allen ihren Sitten, Gebräuchen und Rechtanschauungen noch weiter fort,
ja, wir von der südslavischen Folklore haben unendlich genauere Ermittelungen,
als weiland Apuleius gepflogen. Die Hajduken machen es noch gerade so,
wie die Banditen, die er schildert, die vracare und bajalice zaubern nicht
anderes, als Apuleius verliebte Wirtin, und auch die wackere Frau, die sich mit
dem Esel sodomitisch vergnügt, hat in unseren Tagen dortzulande ihrer würdigen
Nachfolgerinnen. Auch die Priester der phrygischen Göttin, die verschnittenen
Götter und die Weltfopper, die sich als Lustknaben verdingen, die da lügen, be-
trügen und stehlen, wo es nur angeht, sind noch da ; nur haben sie sich zu Vertretern
der chrowotischen Wissenschaft, Kunst und Literatur, zu Wortführern der staats-
gründenden Chrowotiasis umgewandelt. Sie geben sogar Zeitungen heraus und
preisen schamlos ihre eigenen Reize und Künste an. Von Karlowitz und Agram
aus machen sie in öffentlicher Meinung und reiche Leute erkaufen sich ihre Gunst
und ihr Schweigen. Apuleius wäre erstaunt, wie nach 17 Jahrhunderten alles
so beim Alten geblieben. Erstünde er lebend, wir hätten ihn, den launigen Philo-
sophen, zum Mitarbeiter an den Anthropophyteia. Conrad nimmt sich im Geleit-
wort seiner geistvoll an, um ihn gegen Polizei und Staatsanwalt zu beschützen,
doch die bedrängen ihn gar nicht, denn sie wissen, daß er kein Pornograph ist.
Er schildert nur das flutende Leben, das ja auch sie berufmäßig kennen und erkennen
wollen. Sie und wir lernen von ihm zu. Krauss.

Poritzky, J. E.: Meine Hölle. Sammlung menschlicher Dokumente. Berlin 1906.
Schleswiger Ufer 6. — 224 S. kl. 8°.

Wenn einer über vierzig Jahre alt geworden, etwas miterlebt und die Gabe
zu erzählen hat, soll er wahrheitgemäß die Geschichte seines Lebens niederschreiben


Vom Büchertische.

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und er wird gewiß dankbare Leser finden. Aber er soll nicht von seinen jeweiligen
Verdauungbeschwerden und den kleinlichen Widerwärtigkeiten berichten, denen
jedermann ausgesetzt ist, sondern von Erlebnissen, von Menschen, meinetwegen
auch von Menschern vermelden und das Besondere als eine Teilerscheinung der
Menschheitgeschichte darzustellen wissen. Weisheit erwarb auch die Witwe Wetti
Himmlisch, die während 17 Jahre die Welt aus der Abortperspektive be-
trachtete. Das Bißchen literarischer Feilung, das ihren Aufzeichnungen fehlte,
um sie buchfähig und lesbar zu machen, besorgte ich und einige Freunde halten
mich sogar für den Verfasser, weil sie schwer glauben können, daß ein Weib aus
dem Volke soviel Humor und Witz aufbringen könne. Darin irren sie. Poritzky
hat vor Frau Wetti eine literarische Schulung voraus, erlebt aber hat sie unend-
lich viel mehr als er und an Tatkraft, Altruismus und Lebensfreude ist sie ihm
unglaublich überlegen. Die gewesene Abortfrau von der Wiener Ringstraße erwarb
sich die persönliche Freundschaft zweier deutschen Schriftsteller und mit ihrem
Buche tausende lachender Leser. Poritzky dagegen will unsere Qualen steigern,
dazu predigt er die Erbärmlichkeit des Daseins. Er klagt über die Zerrissenheit
seiner Seele, die er von seinen Eltern ererbt habe, er lästert alle gesellschaftlichen
Einrichtungen und flucht Gott. Als Achtzehnjähriger macht er bei der Lektüre
einer Physiologie die entsetzliche Entdeckung, daß seine Eltern nach einem guten
Nachtessen den Beischlaf ausgeübt und ihn bei dieser Gelegenheit gezeugt hätten.
Das hat er nie seiner Mutter zugetraut und darum verabscheut er sie. Seinen Vater
hätte er ermorden können, weil der ihm deutsche Märchenbücher als eine für ihn
schädliche Lektüre entriß und vernichtete, ja, ihm das Studium der hebräischen
Literatur mit Watschen zu empfehlen pflegte. Diese Literatur haßt er und die
Juden auch. Die Juden verteidige ich nicht, ebensowenig als die Christen, doch über
die gewaltige Literatur der Juden darf doch nur einer urteilen, der in sie einen
Einblick gewonnen. Meinen Geist und mein Gemüt hat sie unaussprechlich be-
reichert. Sie ist ja überaus ergiebig an Erlebnissen und Weisheiten, voll Gottes-
furcht und Gottverleugnung, voll Haß und voll Liebe, eine trostlose Einöde und
ein subtropischer Gedankengarten. P. sah nur in die Einöde hinein. Sein Buch
bespreche ich hier jedoch nur wegen des Abschnitts, den er den Huren ge-
widmet (S. 97—138). Nach seinen eigenen Einbekenntnissen benahmen sie
sich ihm gegenüber als Wohltäterinnen und zum Dank sucht er eine mit unfaßbaren
Ungehörigkeiten heiml Moralpredigten heißt er Berufsstörungen! Eine Dirne
bietet ihm auf alle seine Schmähungen ihre Liebe an, statt wie man erwartet aus-
zuarten. Die Szene, die er gibt, glaube ich ihm nicht, denn sie ist widernatürlich ;
vielleicht ist sie ihm aber doch passiert? Die einfache, selbstverständliche Wahr-
heit erzählt uns LynkeusimH. Teil seiner Phantasien eines Realisten (Dresden
1900, S. 40—42). Gleich L y n k e u s bestreite ich, daß wir unbedingt ein Recht
hätten, die Huren zu verachten, nicht mehr als etwa einen Kanalräumer. Man
kann sie beide nur wegen der Gesundheitschädlichkeit ihres Erwerbes bedauern.
Die ehrbaren Frauen heucheln eine Verachtung, während sie eigentlich nur Haß
gegen die Preisverderberinnen hegen. Eine Hure kann leicht zu einer ehrbaren
Frau erhoben werden, doch nicht jede ehrbare Frau taugt zur Hure. Zu diesem
Berufe gehört Schönheit, Anmut, Liebenswürdigkeit, leichter Sinn und noch mancher-
lei obendrein. Eine der größten Tragödinnen der deutschen Bühne in der zweiten
Hälfte des XIX. Jahrh. begann ihre Laufbahn als Straßendirne und eine der ge-
feiertesten Dichterinnen Österreichs fing in den siebenziger Jahren des vorigen


448

Vom Büchertische.

Jahr h. allnächtlich auf der Mariahilferstraße die Männer ab, bis ein Offizier zu ihr
kam. ihre Gedichte las, ihr keine Moralpredigten hielt, sondern sie zu sich nahm
und sie ehelichte. Man übertreibt auch die Gefahren, die auf einen bei Dirnen lauern.
Nach einer Mitteilung im Archiv für Rassen* und Gesellschaftbiologie (1906) ist
in Berlin jede fünfte ehrbare Frau syphilitisch. Nach dem Wiener Polizeibericht
vom J. 1905 muß jede fünfte von den 2700 unter Polizeiaufsicht stehenden Prosti-
tuierten einmal im Jahr ins Spital für Syphilitische kommen. Wo ist man da besser
daran, bei den einen oder den anderen? — Poritzky oder sein Buchheld glaubt
an Hölle und Teufel und an einen Gott, der eine ihm angedichtete Mission als Pro-
viantmeister schlecht erfüllt. Praetor minima non curat, warum denn einen Gott
mit Nichtigkeiten behelligen?! Mensch, für die Füllung deines Magenschlauches
mußt du selber sorgen I

Krauss.

Peters. Emil: Wann und wie können Vater und Mutter mit ihren Kindern über
die Menschwerdung sprechen? München 1907. 23 S. 8°. — Derselbe ebenda:
So sollt ihr lieben I Physiologie, Psychologie und Ethik der Liebe und Ehe,
Gattenwahl und Zeugung« 8°.

Lange Zeit hindurch lief durch die Blätter meiner Monatschrift für Volks-
kunde Am Ur-Quell die vielbelachte Umfrage: Woher kommen die Kinder? Alle
die Bescheide aus verschiedensten deutschen Gebieten klingen gleichmäßig aus:
Der Storch bringt sie aus der Pfütze. Die übliche mythologische
Deutung — was man nicht versteht, setzt man aufs Konto der Mythologie — ist
folkloristisch unmöglich, denn die Auskunft hat man einfach als wahr hinzunehmen.
Die Eltern geben ja dem Kinde die richtige Antwort und sind nicht schuld daran,
wenn ein der Volksprache Unkundiger sie mißversteht. Storch heißt der Zumpt
und Pfütze ist die Voze, wie im slavischen pica. Ein gutes und echtes Lehnwort
aus alter Zeit, sowie Pfund aus pondus, Pfaff aus papa usw. entstanden. Aber,
das weiß man ja nicht allgemein, die Eltern müssen die Kinder deutlicher über
die Zeugung belehren, sagen Carpenter,Dr. Siebert und Peters. Wozu?
frage ich. Bei den Slaven, Magyaren, Romanen, den Asiaten, Negern, Indianern,
Austrainegern usw. wird das Kind von frühester Jugend durch den Sprachgebrauch
und gewöhnlich auch durch eigene Anschauung in das Geheimnis eingeführt und
es ist nicht besser daran, als das in Unwissenheit erhaltene Kind im germanischen
Sprachenbereich. Wahr bemerkt Peters: „Das ganze luftige Gebäude der ge-
sellschaftlichen Heuchelei im Geschlechtleben ruht nur auf der Unreinheit und
Unwahrhaftigkeit unseres Denkens." Mich möge man davon ausnehmen. Ich wuchs
unter Chrowoten auf und sah täglich, wie auf einer Klinik für Syphilitische, Ge-
schlechtkranke vor mir, deren Leiden mir frühzeitig die Lust zum geschlechtlichen
Verkehr benahmen. An und für sich ist ja die Beischlafausübung, wenn man sich
vor Übertreibung hütet, selbst Knaben und Jünglingen nicht abträglich, gefährlich
ist nur die Ansteckung. Darüber allein muß man die Jugend beiderlei Geschlechtes
gründlichst aufklären, damit sie auf ihrer Hut zu sein wisse. Der Anblick einer
von widerwärtiger Geschlechtkrankheit ergriffenen Person wirkt ernüchternder
und nachhaltiger als alle noch so wohlgemeinten Belehrungen über die Zeugung.


Vom Büchertische.

449

denn diese regen vielleicht doch zum Probieren an. Das meint wohl auch Peters
zum Schluß seiner lesenswerten Abhandlung, nur hätte er es schärfer und bestimmter
ausdrucken dürfen.

In dem Buche, das die Liebe lehrt, nimmt er im engen Anschluß an Ellis,
F o r e 1, Frau Key und einige andere bewährte Kenner des Geschlechtlebens,
dieses Thema wieder auf. Er spricht verständig und mit reifer Überlegung über
Gattenwahl und sexuelle Hygiene der Ehe, über die Ethik des Bürgerstandes und
die Liebe des Weibes. Die Ehe erscheint in seiner Beleuchtung als ein unvermeid-
liches Übel, dem jedoch Mann und Weib auch recht erträgliche Seiten abzugewinnen
vermögen. Jedenfalls ist seine Arbeit sehr ernst zu nehmen und es wäre zu wünschen,
sie fände möglichst weite Verbreitung, denn sie kann nur Gutes stiften.

Krauss.

Luzian, Marie Luise: Modernes Ehe-Dirnentum. Randglossen aus meinem Eheleben.
Leipzig 1907. 68 S. 8°. DeutscheVerlagsactiengesellschaft.

Eine Frau von den 726 von Römer festgestellten Zwischenstufen zwischen
Voll mann und Vollweib findet als Ehegattin an der von Sitte und Brauch der
Heterosexuellen geheiligten Beischlafgymnastik keinen Geschmack und erhebt
Zeter und Mordj oh gegen die Zwangehe. Ihre Lage verschlimmerte sich, als drei
Vorgesetzte ihres lüsternen Ehegemahls auch mit zu naschen versuchten. Die
Frau klagt aus ihren Nöten, doch übersieht sie, daß es auch sehr lüsterne Frauen
gibt, die ihren Ehemännern erbarmungslos endlose geschlechtliche Kraft- und
Dauerleistungen zumuten. In zwei Monaten setzte der Verlag von dieser Schrift
bereits 7000 Exemplare ab und die Bestellungen dauern an. Sollte durch dies Werk-
chen eine Erleichterung der Ehescheidungen angebahnt werden, so hat Frau L u z і an
eine wichtige, ins soziale Leben tief einschneidende Reform hervorgerufen. Dann
wird die Anklage verstummen, „daß die Dirne der Straße, die feile Prostituierte
der ehrbaren Ehefrau noch über ist." Wie viele Mannsbilder gibt es aber, die noch
unter der Metze rangieren? Jeder von uns kennt gewisse, selbst gelehrte Berufs-
zweige, in die der Mann einheiraten muß, um etwas in der Welt zu gelten. Diese
Weiber, die sich den Beischläfer erpressen, die sind unendlich verächtlicher als
der Mann, der aus Liebe heiratet, um seinen Geschlechttrieb zu befriedigen. Der
übernimmt dafür eine kolossale Gegenleistung für sein ganzes Leben, während
jener Schlampen den Mann uud die Gesellschaftordnung sittlich versumpft.

Eine gepfefferte Antwort, die zudem voll Geist und Witz ist, erteilt der Frau
Luzian ein Herr Meboldt mit seiner im gleichen Verlage erschienenen Entgegnung:

Modernes Ehesträflingtutn.

M. hatte das Glück, die Tochter eines hohen Vorgesetzten zu heiraten und
in der Brautnacht über fünfzehn Vordermänner im Amte hinwegzuspringen. Er
ist ein gemachter Mann, wie die Welt wähnt, doch hat ihn ein Weib erwischt, das
sich geschlechtlich ausleben will, er aber kann nicht zweien Herren dienen. Das
muß man lesen und wiederlesen, um all den Jammer der modernen Zwangehe und
des ehrlichen Schachers mit Weiberleibern zum Schaden des Mannes zu begreifen.
Ich glaube fest, daß Meboldts Büchlein noch mehr als das der Frau Luzian
die Gemüter aufregen und zum Nachdenken über die Ehemisere bewegen wird.

Krauss.

Krauss. Anthropophyteia. IV

29


Rezensionen fiber die Anthropophyteia.

(II. Fortsetzung.)

In der Politisch-Anthropologischen Revue. Leipzig 1906, V, S. 106—in bespricht
Medizinalrat Dr. P. N ä c k e unter der Überschrift: Zur Methodik
der folkloristischen Forschung die Anthropophyteia wie folgt :

Immer mehr schmelzen die Reste alten Volkstums zusammen und in der elften
Stunde werden noch jetzt Reisende ausgeschickt, um in fernen Landen von Sitten,
Erzählungen, Religionsübungen usw. zu retten, was noch zu retten ist. Aber man
hat mit Recht auch eingesehen, daß wir zunächst in unserem eigenen Lande nach
alten Überbleibseln forschen sollten. Seitdem durch Herder, die Gebrüder Grimm
usw. die hohe Bedeutung alter Sagen, Erzählungen und Gedichte bekannt wurde,
fing man an zu sammeln und hat so ein bereits sehr respektables Material zusammen-
gebracht, eine auch noch für spätere Forscher unerschöpfliche Fundgrube.

Einer der besten Folkloristen der Neuzeit ist ohne Frage Dr. Fr. S. Krauß in
Wien, der das südslawische Folklore sich zur Lebensaufgabe erkor, es eigentlich
erst begründete und durch wahren Bienenfleiß ein riesiges Material zur weiteren
Forschung ansammelte. Er gibt jetzt sogar eigene Jahrbücher heraus: Die „Anthro-
pophyteia", Jahrbücher für folkloristische Erhebungen und Forschungen zur Ent-
wicklungsgeschichte der geschlechtlichen Moral"1 und zwar in großartiger Aus-
stattung. Der erste Band, den Krauß allein besorgt hat, enthält „Südslawische
VolksüberUef erungen, die sich auf den Geschlechtsverkehr beziehen. I. Erzählungen,
Gesammelt, verdeutscht und erläutert von Dr. Fr. Krauß." Es sind fast 400 Er-
zählungen und Anekdoten, meist aus Bosnien, selten aus der Herzegowina, häufiger
dagegen aus Kroatien. Zunächst kommt der slawische Text und darauf die Über-
setzung, und so ist auch das Studium der Dialekte möglich geworden. Krauß hat
diese Erzählungen sexuellen Inhalts nur nebenbei gesammelt und hier ver-
einigt. Ausdrücklich hebt er hervor, daß die Leute sie spontan mitteilten und viele
haben sie ihm selbst aufgeschrieben oder diktiert. Sie sind freilich meist bodenlos
gemein und in den rohesten Volksausdrücken wiedergegeben, die auch Krauß ge-
treulich verdeutscht hat, was ich nicht gerade für nötig halte, wie ja auch der Titel
des Werkes gemein genug ist und wohl hätte anders lauten können. Ein Laien-
brevier für junge Damen und unverdorbene Seelen ist das Buch also sicherlich
nicht, aber für den ernsten Forscher von hohem Belange und sehr verdienst-
lich. Man begreift darum nicht, wie sogar es ein Mediziner in einer Kritik als ,,un-

* Leipzig, Deutscher Verlag, Aktien-Gesellschaft 1904, 30 Mk. 530 S. Hochquart.


Rezensionen über die Anthropophyteia.

451

züchtig" stempeln konnte.1 Der gute Mann hat offenbar dessen Zweck gar nicht
verstanden !

Wir sehen nämlich in der Tat, wie Verfasser in seiner vortrefflichen Vorrede
auseinandersetzt, einen Teil der Volksseele sich darin wiederspiegeln und zwar
reiner als bei uns, wo alles Geschlechtliche das Tageslicht fliehen und in den Alkoven
sich verkriechen muß. Wir haben gewiß in den Südslawen auch heute noch ein
körperlich und moralisch kerniges Volk vor uns, und doch sehen wir mit Staunen,
wie ungeniert die geschlechtlichen Dinge vor groß und klein, Männlein und Fräulein
behandelt und sehr gerne zu allerlei Witzen benutzt werden. Wichtiger aber für
uns ist der Nachweis, daß schon im Physiologischen alle Wurzeln
der pathologischen Sexualität sich wiederfinden, indem
hier Anklänge an alle möglichen sexuellen Abnormitäten bereits vorliegen und
deutlich werden, wie auch ein gewisses Raffinement in der Befriedigung der libido
sich hie und da kundgibt. Nicht das geringste Verdienst der Kraußschen Samm-
lung liegt aber darin begründet, daß zugleich Anklänge an uralte rechtliche und
wirtschaftliche Zustände erhalten sind, wie sie etwa zur Zeit der alten Germanen
zum Teil noch bestanden haben mögen. So z. B. Anklänge an das Matriarchat,
an die Leviratehe, das Gottesurteil usw.; das wird namentlich die Juristen und
die Kulturhistoriker interessieren.

Ich wollte aber hier nicht den Details des Buches nachgehen. Mag jeder, der
sich dafür interessiert, diese selbst aufsuchen! Nur an obiges Werk anknüpfend
sollen hier einige Bemerkungen zur folkloristischen Methodik gemacht werden,
weil sie mir nicht ganz wertlos erscheinen.

Es kommt zunächst, glaube ich, darauf an, zu wissen, zuwelchemZwecke
man sammeln will. Sind es vornehmlich rechtliche, kulturhistorische, ästhetisch-,
literarische, linguistische Gesichtspunkte, die uns beim Sammeln leiten sollenn
oder etwa moralische, sexuelle usw. Das, wovor man sich in allen Fällen zu hüten
haben wird, ist, daß man nicht Importware mit autochthonen
Erzeugnissen verwechselt, eine Gefahr, die freilich je nach den ein-
geschlagenen Gesichtspunkten sehr verschieden ausfallen wird. Je abgeschlossener
das studierte Gebiet vom Weltverkehr abliegt, je primitiver das Volk ist, um so
mehr besteht Aussicht, noch wirkliche Volkserzeugnisse anzutreffen. Weniger
ist dies in mehr zivilisierten Gegenden der Fall und da wieder häufiger in wenig
zugänglichen Bergregionen, als in der Ebene, auf Inseln mehr als auf dem Kon-
tinente usw. Als treue Hüterinnen alter Überlieferungen zeigen sich besonders
die Frauen. Sie haben im allgemeinen ein größeres Interesse für Legenden, Märchen
usw., behalten sie länger im Gedächtnisse als die Männer, sind dagegen vielleicht
noch leichter geneigt, ihrer Phantasie zu folgen, Ursprüngliches abzuändern usw.
Die alten Mütterchen wissen meist mehr zu erzählen, als die Greise.

Wichtig ist aber auch die Art des Aufbewahrten. Ge-
dichte oder Märchen haben mehr Chancen, unverändert auf die Gegenwart zu
kommen, als bloße Erzählungen und Anekdoten, die nicht nur von Mund zu Mund
sich leichter abändern lassen, sondern viel häufiger direkt auf Import beruhen.

1 Es ist nicht offiziell im Buchhandel, sondern wird nur an Bibliotheken und
an bekannte Gelehrte abgegeben, und jedes Exemplar ist überdies numeriert.
Dadurch allein ist es schon der bloßen Befriedigung des Sinnenkitzels entzogen
worden.

29*


452

Rezensionen über die Anthropophyteia.

In den alten Gedichten, besonders in den Epen, handelt es sich meist um Helden
und Könige der Vorzeit, und hier ist die Einfuhr nicht gut möglich oder höchstens
nur in der Form von Einschiebseln oder Zusätzen; der Kern bleibt der alte. Be-
sonders dauerhaft dürften sich solche Gedichte dann erweisen, wenn sie mit alten
Melodien verbunden sind. Die Märchen und Legenden wiederum sind deshalb
viel weniger dem Import oder starken Abweichungen ausgesetzt, als z. B. die Er-
zählungen, weil sich für sie vorwiegend alte Frauen und Kinder interessieren. Das
Gegenteil sieht man bei den Erzählungen, die hauptsächlich von den Männern
gepflegt werden. Es braucht wohl nicht speziell betont zu werden, daß, wenn uralte
Überlieferungen schriftlich niedergelegt sind, z. B. in Chroniken, sie münd-
lichen Erzählungen bez. der Echtheit oft vorzuziehen sind.

Man hat ferner auch zu fragen, ob die Erzählungen von
Gebildeten oder Ungebildeten stammen, von fremden,
aber eingesessenen Volksbestandteilen, z. B. den Juden,
oder vom eigentlichen Stammvolke. Beim Gebildeten ist cet. par.
die Möglichkeit des Imports oder der bewußten oder unbewußten Abänderung
eines Inhalts eine größere, als beim Ungebildeten, speziell dem Analphabeten.
Sobald alles lesen und schreiben kann, gern und viel liest, ist die Gefahr für die
treue Überlieferung des Alten besonders groß. Gefährlich ist es auch, wenn ein
Volk leicht improvisiert oder gern redet und sich reden hört, wie z. B. die Kirgisen;
dann wird es mit der Wahrheit immer weniger streng genommen, und mindestens
Zusätze aller Art sind ganz gewöhnlich. Nicht gleichgültig ist aber auch die Religion.
Die christlichen und islamitischen Südslawen z. B. haben durchaus nicht alle Er-
zählungen usw. gemeinsam; und was gemeinschaftlich ist, erscheint meist durch
die Religion und deren Tendenzen gefärbt. Krauss hat daher sehr richtig bemerkt,
ob der Erzähler ein Christ oder Moslem war. Aber auch sonstige Lokalfärbungen
des Überlieferten sind wohl zu beachten und ihren Gründen ist nachzuspüren.

Krauss vertrat nur spontan erzählte Sachen. Das geht vielleicht etwas
zu weit, weil man dann sehr auf den Zufall angewiesen ist. Jedenfalls muß man
den Erzähler nicht zu sehr reizen oder drängen, sonst wird er geradezu aufgefordert,
nur das, was dem Hörer angenehm ist, zu erzählen, resp. abzuändern. Leute aus
dem eigenen Volke, namentlich Lehrer, Prediger usw. eignen sich vielleicht als
Sammler am besten, weil sie mit und unter dem Volke leben, die Überlieferungen
von Kindesbeinen an kennen und vor allem bei ihren Mitbürgern mehr Vertrauen
finden, als fremde Forscher. Ort und Zeit der Erzählung muß genau aufgeschrieben
werden, wie auch Stand, Ruf usw. des Erzählers selbst und die Umstände, unter
denen es geschah.

Alle diese Überlieferungen können nun direkt oder indirekt das allgemein
moralische Niveau des Volkes verraten. Viel vorsichtiger dagegen muß
man beim Studium der rein sexuellen Seite der Moral sein,
besonders bei der Beurteilung des angesammelten Materials. Hier ist stets an
möglichen Import oder starke Änderungen zu denken, und ich glaube, daß es heut-
zutage fast unmöglich ist, bei einem ganz- oder halbzivilisierten Volk die sexuelle
Moral aus den Erzählungen rein herauszuschälen. Viel besser ist die Beobachtung
des Volkes selbst in sexuellen Dingen, da hier nur ganz allmähliche Umwandlungen
stattfinden, was vom Inhalte der Erzählungen nicht gesagt werden kann. So manche
Überlieferung bei Krauss ist sicher direkte Einfuhr.

Komplizierte Anekdoten oder solche mit besonderer Pointe dürften kaum je


Rezensionen über die Anthropophyteia.

an zwei verschiedenen Orten in gleicher Weise entstanden sein. Der „Völkergedanke"
kann nur gleichartige elementare Vorstellungen erzeugen, nie komplizierte,
detaillierte. Stets liegt dann wohl gegenseitige Beeinflussung oder Import zugrunde.
Man bedenke z. B., daß seit der österreichischen Okkupation die Bosnier als Sol-
daten zum Teil nach Wien usw., also in die Fremde und in die Großstädte ziehen.
Gerade die Kasernen sind aber bekanntlich wahre Brutherde für allerlei unzüchtige
Gedichte, Anekdoten, Erzählungen usw., die dann von den Heimkehrenden nach
Hause gebracht, dort weiter erzählt werden, mit oder ohne beliebige Zusätze, und
als lockere Münze dann im Lande kursieren. Die Slowaken wiederum streichen
in der weiten Welt herum und in den Herbergen, wo sie ihr Quartier aufschlagen,
ist ein weiterer Herd für Verbreitung von Zoten gegeben. Es ist daher nicht bloßer
Zufall, daß Krauss gerade die kroatischen Erzählungen für viel gemeiner erklärt,
als die bei den Bosniern usw. Die Marine bildet einen dritten Herd solchen Ent-
stehens. Auch durch eingewanderte Europäer usw. kann vieles Fremde mit in den
Über lief erungsschatz kommen. Es dürfte also so manches, was Krauss uns mit-
teilt, aus solchen verschiedenen, unlauteren Quellen stammen.1 Wird man z. B.
wohl glauben, daß der Bauer dort auf acht verschiedene Weisen den Koitus zu üben
weiß ? Gewiß nicht ! Ebensowenig, daß die Erzählungen mit ausgesprochen sadisti-
schen und masochistischen Praktiken oder besonderem Raffinement im Geschlechts-
verkehr irgendwie der Regel entsprechen. Man hüte sich aber ferner,
aus selbst als echt erkannten Überlieferungen ohne wei-
teres auf eine tiefstehende Moral, auch nur in geschlecht-
licher Hinsicht, zu schließen! Das Natürlichfinden der sexuellen
Dinge, selbst eine gewisse Liebe zu Zoten spricht noch lange nicht für eine tief-
stehende Geschlechtsmoral. Man bedenke nur, daß je primitiver das Volk ist,
um so mehr das Geschlechtliche einen hervorragenden Platz im täglichen Leben
einnimmt, viel mehr, als bei uns. Und sicher dürfte im allgemeinen bei den Süd-
slawen die Geschlechtsmoral trotzdem eine bessere sein, als bei uns! 1
Man kann also gerade bei allen sexuellen Erzählungen
nicht skeptisch genug sein bez. des Autochthonen! Es fragt
sich aber nun: wie soll man hier und sonst auch das Echte erkennen? Ich glaube
nun hierfür zwei Hauptkriterien aufstellen zu können. Erstens: Übereinstimmung
des Gehalts der verschiedenen Überlieferungen des Landes miteinander und mit
dem Lebenswandel des Volkes. Hier muß also der Folklorist genau mit dem
Ethnologen Hand in Hand gehen, sonst gerät er nur zu leicht in die Brüche!
Zweitens: Gleichzeitiges Aufbewahrtsein uralter Rechtseinrichtungen, religiöser
Vorstellungen, wirtschaftlicher Verhältnisse, alter Wort- und Redensarten usw.,
die auf ein hohes Alter des Erzählten hinweisen, wie z. B. so manche der von Krauss
gesammelten Erzählungen. Freilich muß man sich hier nicht ganz darauf verlassen,
da sehr wohl dem alten Kern neue sexuell usw. gefärbte Teile später angegliedert
sein können.

Ich glaube, daß diese Andeutungen genügen werden, um auf die entstehenden
Schwierigkeiten hinzuweisen und gewisse Wege darzulegen, wie man ihnen nach
Kräften begegnen kann. Freilich würde es leicht eine Hypcrkritik dahin bringen,
daß vor lauter Angst, Gefälschtes oder stark Verändertes zu sammeln, nichts mehr

1 Von den im II. Band seiner Anthropophyteia (1905) S. 265 mitgeteilten
Stücken meint er selbst, daß die Mehrzahl europäisches Wandergut wäre.


454

Rezensionen über die Anthropophyteia.

oder nur noch wenig vom Forscher eingeheimst wird. Der wahre Kritiker wird
aber auch hier die goldene Mittelstraße zu finden wissen ; wer nicht kritisch genug
veranlagt ist oder keine Zeit findet, sein Material zu sichten, soll es nur so geben,
wie er es gesammelt hat, es anderen überlassend, spätere Auslese zu treffen. Das
Gefährliche bei diesem Verfahren liegt nur in der Möglichkeit und der Versuchung,
selbst falsche Schlüsse zu ziehen, die nachher rektifiziert werden müßten. Immer-
hin ist es besser, eine solche reiche, aber unkritische Sammlung sogar mit falschen
Schlüssen vor sich zu haben, als gar keine oder eine nur magere.

Ja, schließlich würde sogar für dieFolkloristik das-
selbe Prinzip zu empfehlen sein, das für die Ethno-
graphie so segensreich sich erwies, das der Zweiteilung:
Personen, die nur sammeln einerseits, also alles einheimsen,
ohne weiter groß danach zu fragen, ob das Gesammelte echt oder unecht, richtig
oder unrichtig ist; und andererseits Personen, die das Ge-
samtmaterial später kritisch zu verarbeiten haben. Jeder
hat dann so ein streng abgegrenztes und großes Arbeitsgebiet und beide werden
schließlich, cet. par., bedeutendere Resultate erzielen als ein einzelner Forscher.
Der Sammler braucht dann nicht viel Zeit mit Vergleichen, Sichten usw. zu ver-
lieren, sondern wird alles mitnehmen, was ihm eben unter die Hände kommt,
Gutes und Schlechtes. Denn für spätere bündige Schlüsse ist
ein möglichst großes, reichhaltiges Material notwendig.
Der Sammler hat nur das Material als solches zu-
sammenzubringen, nur zu katalogisieren, aber ja keine
so oft voreiligen Schlüsse zu ziehen. Der Kritiker allein hat das
Echte vom Unechten zu trennen, die Variationen usw. nachzu-
weisen und ihren Gründen nachzugehen. Man glaube ja nicht, das sei eine
leichte Arbeit! Der Nachweis der verschiedenen Klutureinflüses z. B. auf
gewisse Legenden oder Mythologien gehört vielmehr mit zum Schwierigsten
und erfordert nicht nur einen scharfen Verstand und wahre Intuition, sondern auch
ein sehr ausgebreitetes Wissen, was alles der bloße Sammler nicht zu haben braucht,
obgleich auch ihm diese Eigenschaften natürlich nur zweckdienlich sein können.
Nicht uninteressant wird es ferner sein, die Menge des Imports, den Anlaß zu den
Abänderungen der Texte zu erfahren, denn auf diesem ganzen geistigen Gebiete
findet eine Art von Völkerwanderung und Güteraustausch statt. Der Kritiker
wird sich aber auch wohl hüten, Überlieferungen, die an irgend einem Winkel des
Landes angetroffen wurden, selbst wenn sie sich als echt erweisen, ohne weiteres
für das ganze übrige Land oder gar für die ganze Rasse gültig hinzustellen. Bloß t
den gemeinschaftlichen Kern aller Varianten wird er verallgemeinern
dürfen.

Bei dieser Arbeitsteilung und Kritik würde man allmählich aber auch zu einer
historischen und regionären Folkloristik gelangen, d. h. man
würde das Anwachsen und Atrophieren einer bestimmten Erzählung usw. nach-
weisen können und ferner, wie weit sich dieselbe quantitativ über das Land
erstreckt hat, und wohin usw., nachdem die qualitativen Abänderungen bereits
festgestellt worden sind. Gerade hierbezüglich aber sind die Angaben der Folk-
loristen bisher meist recht vag. Es heißt z. B., daß gegen Wadenkrämpfe in Olden-
burg ein Besen ins Bett genommen wird. Hier fragt es sich: ist das überall
in Oldenburg der Fall gewesen oder nur in einzelnen Bezirken, wo, bei welchen


Rezensionen über die Anthropophyteia.

455

Leuten, und endlich, wann ward es zum ersten Male beobachtet und besteht es
heute noch, etwa in einer Modifikation? Hier gibt es unglaublich viel zu tun und
man müßte genau hier so vorgehen, wie bei Dialektforschungen, d. h. also historisch
und regionär.

Im Archiv f. Kriminalanthropologie und Kriminalistik, XX. (1907) S. 289 f.

Dieser II. Bd. reiht sich würdig dem an derselben Stelle besprochenen I. Bd.
des Jahres 1904 an. Ja, er ist sogar noch interessanter für den Kulturhistoriker
und Folkloristen, da er nicht bloß die Südslaven behandelt, sondern auch Deutsch e
Ungarn, Zigeuner usw. Diesmal tritt Krauss nicht als einziger Autor auf, sondern
es erscheinen eine Reihe namhafter Männer mit ihren Beiträgen. Daß allein neuer-
dings Prof. Eulenburg und von den Steinen als Mitarbeiter verzeichnet sind, ist wohl
der beste Beweis dafür, wie ernst, wissenschaftlich und verdienstlich diese Jahr-
bücher sind. Höchst interessant ist das Idioticon eroticum viennense und Bero-
linense von Reiskel. Wenn es auch nicht vollständig ist, so ist man doch über den
Reichtum der Kraftausdrücke überrascht und bewundert den Humor der Wiener
und den scharfen Witz der Berliner. Leider fehlt jede Etymologie ! Solche Idiotica
sollten aus den verschiedensten Gegenden geliefert werden, da sie einen guten Nieder-
schlag der Volkspsyche geben. Ausgezeichnet ist die große Sammlung von Rätseln
und Rätselfragen niederösterreichischer Stadtleute und von Sprichwörtern und
sprichwörtlichen Redensarten Deutscher in Niederösterreich, gesammelt von Krauss
und Reiskel. Vieles davon ist auch bei uns zu Hause. Dann folgen erotische Lieder
aus Österreich, Schnadahüpfln, magyarische Reigentanzlieder, städtische Erzählun-
gen, Beschwörungen aus Sizilien, mehrere kleinere Abhandlungen und eine ganz
vorzügliche elsässische Erotik und weitere Beiträge von Krauss zu den südslawischen
Überlieferungen. Wenn man weiter bedenkt, daß fast überall mehr oder weniger
lange Einleitungen und viele Bemerkungen kulturhistorischer usw. Art gegeben
sind, so wird man über den Reichtum des Gebotenen gebührenderweise staunen.
Man sieht daraus, wie das Sexuelle das Volk dämonisch
an sich zieht und wie unbewußt es in ganz ähnlicher Weise
arbeitet. Immer aber wird darauf hingewiesen, daß trotz dieser Vorliebe für
Obszönes beim niederen Volke die Geschlechtsmoral eine durchaus gesunde sein
kann, ja sogar abstoßende Volkssitten, wie z. B. das „Rupfen" im Elsaß vertragen
sich damit. In den oberen Schichten tritt diese Vorliebe für das Sexuelle verhüllter
auf, in allerlei Zweideutigkeiten usw., die Moral ist darum aber nicht besser. Welcher
Schatz von Wissen und feinen Beobachtungen ist uns allein in den gemeinen Sprich-
wörtern und Rätseln erhalten, und wie viel altes Volksgut treffen wir dort an, das
noch ungehoben ist ! Daran vorbeizugehen, weil der Gegenstand skabrös ist, verrät
nur einen engen Horizont. Die Wissenschaft hat allein nach Wahrheit zu fragen*
nicht nach gut oder schlecht 1 Sehr richtig meint ferner einmal Krauss: „Es läßt
daraus schließen, daß ein gewisses Bedürfnis nach Erotik im Menschen vorhanden
ist, das sich auf verschiedene Weise betätigt. Große Geister... verbrechen manch-
mal einen erotischen Scherz in Schriften und Bildern..., die fast immer anonym
bleiben." Auch in Studentenkreisen kommen sie bekanntlich vor. Ein Autor W. G.
betont mit Recht, wie wichtig gerade für den Arzt und Richter
die Kenntnis dieser Erotik ist. Das wäre also sogar ein sehr prak-
tischer Nutzen solcher Studien! Rühmend wird deshalb besonders des österreichi-
schen Oberstaatsanwalts Graf Lamezan gedacht, der eben, weil er die Volks-Erotik


456

Rezensionen über die Anthropophyteia.

sehr genau kannte, nie eine Anzeige, die auf Grund von Unkenntnis der einschlägigen
Verhältnisse geschah, weiter verfolgte. Und wie viel Aberglauben hängt
direkt oder indirekt mit dem Sexuellen zusammen! Wer
also die Volkspsyche ganz kennen lernen will, kann hier
ohne Eingehen aufdie sexuellen Verhältnisse nicht einen
vollständigen Einblick gewinnen. Und dazu verhelfen ihm sicher
die besprochenen Jahrbücher. Dr. P. N ä c k e.

Im Zentralblatt für Anthropologie, Braunschweig 1907, XII. S. 12 f.:

Ängstlich hat man sich bisher in der Kulturgeschichte und Folkloristik von einem
so außerordentlich wichtigen Gebiete, wie es das Geschlechtsleben, namentlich bei
den unzivilisierten Völkern bildet, zurückgehalten, und so ist unendlich kostbares
Material jeder Art verloren gegangen. Dr. Krauss, der berühmte Slavist und
Folklorist, hat sich ein entschiedenes Verdienst durch Herausgabe
dieses alles Geschlechtliche in Wort und Bild sammelnden Werkes erworben, und
erste Mitarbeiter stehen ihm zur Verfügung. Prof. Obst, der zu früh gestorbene
Leiter des Grassi-Museums in Leipzig, hat die volle Wichtigkeit dieses Unternehmens
erkannt und — wie es in der Einleitung zu obigem dritten Jahrgange heißt — ge-
sagt: „Nun werden wir endlich erfahren, was tausend Gegenstände in unseren
Museen bedeuten. Die Anthropophyteia wird es uns lehren." Für viele Engherzige
enthalten diese Jahrbücher nur Schweinereien, für den Kulturhistoriker, Psycho-
logen, Folkloristen, Sprachforscher usw. aber sehr wichtige Documents humains.

Der vorliegende dritte Band (1906) in vornehmster Ausstattung enthält aus-
gezeichnete Beiträge und nicht bloß von Dr. Krauss, der namentlich seine
sexuellen Geschichten der Südslaven (Text und Übersetzung) fortsetzt, von dem
er aber selbst vieles als Wandergut anerkennt. Namentlich bei den Südslaven
kann man das „naturalia non sunt turpia" lernen. Dr. Rétfalu veröffentlicht
ein ziemlich ausgedehntes magyarisches erotisches Idiotikon mit Übersetzungen
und Anmerkungen. Wohl kein Volk in Europa dürfte so viel gemeine Redensarten
haben wie die Ungarn, und man versteht, daß die Mikosch-Anekdoten nur hier
treiben konnten Wo findet sich etwas Ähnliches, wie: „ich f. e seine Jungfrau
Maria, seinen Christus, deinen Herrgott" usw.? Selbst das Maria f u ta ta der Italiener
ist nur ein „Waisenknabe" dagegen. Ebenso derb ist die von Keszethely
gesammelte ungarische Erotik, ferner die Sprichwörter, Rätsel usw. Interessante
weitere und kürzere Beiträge betreffen den Koitus als Kulthandlung, die Schwangere
und das Neugeborene in Glauben und Brauch der Völker, Liebeszauber usw. Höchst
interessant und uns speziell berührend sind die Beiträge aus Deutschland und
Österreich, namentlich aber aus Elsaß, die durch ihre groben, aber naiven Dar-
stellungen sich auszeichnen und viel altes gutes deutsches Sprach- und Sagengut
enthalten. Die Kommentare dazu sind sehr lehrreich, und es ist völlig richtig, daß
trotz derber Erotik das elsässische Volk usw. nicht sittlich tiefer steht als andere
deutschen Stämme. Ein glücklicher Gedanke von Godelück war es, aus dem
Elsaß erotische und skatologische Kinder- und Jugendreime zu sammeln, von
denen die meisten freilich sehr zahm sind, die anderen jedenfalls von Eltern auf
die Kinder gekommen sind. Zu manchen finden sich Anklänge bei uns, jedoch dürften
so saftige kaum vorkommen. Ein kleiner Artikel von R e і s k e 1 behandelt skato-
logische Inschriften auf Aborten, doch haben hier namentlich die Italiener viel


Rezensionen über die Anthropophyteia.

457

mehr ausgegeben. Recht interessant ist eine Studie von Knapp über die Homo-
sexuellen nach hellenischen Quellenschriften, und zwar die rein sinnliche Seite
betreffend, wie sie namentlich bei Strabon sich finden, und die hier zum ersten Male
übersetzt sind. Am Ende des Buches folgt die Beschreibung schöner photographi-
scher Tafeln mit Phallismen, Koitusdarstellungen an Grabgefäßen usw. (der coitus
oralis kommt hier oft vor) mit sehr interessanten Erläuterungen. Endlich beschließt
Krauss das Werk mit ziemlich eingehenden Rezensionen von das Geschlechtliche
behandelnden Büchern.

Med.-Rat Dr. P. N ä c k e - Hubertusburg.

Unter der Überschrift: ..Anthropophyteia.. berichtet Dr. Alfred Kind auf S. 175—191
der von Karl Vanselow herausg. Zeitschrift Geschlecht und Gesellschaft,
Berlin 1907. II. Hft. 4. Hier ein Auszug daraus:

Friedrichs. Krauss in Wien, geb. 1859, hatte sich schon durch viele
wertvolle Bücher über die Volkskunde der Südslaven bekannt gemacht, als er im
Jahre 1904 mit dem Wagemut des echten, vorurteilfreien Forschers eine literarische
Unternehmung begann, die der Sexualwissenschaft neue oder jedenfalls bisher
nie ernsthaft betretene Wege wies.1 Diese Unternehmung besteht in der Veröffent-
lichung ziemlich dickleibiger Jahrbücher für folkloristische Er-
hebungen und Forschungen zur E n t w і c k 1 u n g g e s c h і c h t e
der geschlechtlichen Moral unter dem obigen Gesamttitel Anthro-
pophyteia, von denen bis jetzt drei Bände vorliegen. Ganz besonders muß diese
Zeitschrift, die der unbefangenen Aufklärung auf gleichem Gebiete dienen möchte,
dem mutigen Gelehrten Dank wissen, daß er mit kühnem Griff ins Menschenleben
hineinpackte da, wo es am interessantesten ist. Vor der freimütigen Objektivität
des Untersuchers muß der hämische Moralist schweigen, d. h. er sollte es. Krauss
hat erfahren, daß es putzige Ausnahmen gibt. „Bestellung unmöglich, da ich nicht
zur Klasse von Schweinigel gehöre" antwortete in nicht ganz taktfestem Deutsch
ein Professor der Anthropologie [!], und ein Anatom verbat sich energisch den
„pseudowissenschaftlichen Schmutz" und denunzierte beim Staatsanwalt. Dieser
letztere Fall ist nicht ohne Witz; ich entsinne mich wenigstens nicht, in meinem
Leben eine ekligere Schweinerei mitgemacht zu haben, als die Anatomie. Krauss
ist es gelungen, eine Anzahl der besten Gelehrten für seine Ideen geneigt zu machen
und so ist denn das Werk, das unter den denkbar größten Vorsichtsmaßregeln
als Privatdruck ausgegeben wird, Gott sei Dank vor der Einstampfung bewahrt.
Mit großem Geschick und glücklichem Humor hat Krauss bisher am Steuer
gestanden, und es steht zu hoffen, daß das Schifflein jetzt in freier Fahrt die Segel
bläht. Dieser Wiener Ethnologe zeigt sich uns als ein gedankentiefer Betrachter
mit jenem fein lächelnden Takt, den die überlegene Gründlichkeit gebiert; wer
nicht in schiefe Vorurteile verbohrt ist. muß ihn schätzen lernen, wenn er nur seine
genußreichen Bücher über Frauenschönheit liest. Auch in den sonst durchaus
wissenschaftlich korrekten Jahrbüchern zwinkert zuweilen das Auge des lachenden

1 Ein früheres Unternehmen, genannt Kryptadia, an dem auch Krauss
beteiligt war, fand aus verschiedenen Gründen nicht die rechte Anteilnhame maß-
gebender Kreise.


458

Rezensionen über die Anthropophyteia.

Philosophen, so daß man die chrowotischen Gelehrten beinahe zu bedauern an-
fängt, da sie bei ihm beständig so mordsschlecht abschneiden.

Der Inhalt gibt zunächst fast vollständig die eigenen Aufzeichnungen von
Krauss zum erotischen Folklore der Südslaven. In bezug auf die Wertschätzung
des hier Gebotenen kann man nur unterschreiben, was P. Traeger im Archiv
für Rassenbiologie III. 2 von den Schwierigkeiten sagt, die seih dem reisenden
Forscher in dieser Hinsicht in den Weg stellen.

Darnach braucht kein Wort mehr über das Verdienst des Sammlers gesagt
werden. Zu erwähnen ist aber, daß diese slavisch und deutsch ganz ohne Feigen-
blatt wiedergegebenen Geschichtchen nur nebenbei und quasi zufällig nach der
Erzählung durchaus honetter Leute niedergeschrieben sind, nie auf besonderes
Drängen, wie Krauss ausdrücklich hervorhebt. Wer nur in das Folklore oder
die deutschen Schwankbücher mal hineingerochen hat, wird sogleich viele alte
Bekannte begrüßen, aus deren slavischer Version sich mit Vorsicht einige psycho-
logisch-vergleichende Schlüsse ziehen lassen. Krauss selber enthält sich jeg-
licher Vergleichungs-Systematik, vielleicht weil er sich nicht viel lebensfähige
Frucht davon verspricht, oder weil er diese Kärrnerarbeit gern trocknern Leuten
überläßt.

Wer nun gerade den -Tasso zugeklappt hat oder sonst mit dem Bewußtsein
sublimster Ästhetik an die Lektüre dieser Kommißbrotgeschichten herangeht,
dem dürfte allerdings das grobe Kaliber einen gelinden Ruck in der empfindlichen
Seele geben. Aber es ist doch ein Unterschied, ob uns ein Unteroffizier beim Glase
Bier mit einer vertraulichen Sauerei belästigt, die auf uns wirken kann, als ob uns
einer ein schönes Bild mit einer Handvoll Unflat beschmeißt, oder ob wir jetzt
in der Ruhe der Studierstube das Buch hervorlangen, um die urwüchsigen Äußerungen
eines von Ästhetik ziemlich unangekränkelten Menschenschlages auf ihren Wert
für höhere Erkenntnisse hin zu untersuchen. In diesem Fall dürfte als Unflat höch-
stens noch dasjenige wirken, wo das gegensätzlich Witzige oder kulturell resp.
unkulturell Bedeutsame oder das satirisch Groteske fehlt. Aber auch wenn wir
diesen Rest noch genauer unter die Lupe nehmen, löst sich beim Studium alles
„Anstößige" in eitel Dunst auf. Die geistlos-blöde Schmutzerei in Ausdrücken
liegt ja doch letzten Endes nicht in dem betreffenden Wort selber, sondern darin,
daß wir dies Wort gewaltsam in die Gosse gestoßen oder seinen Gebrauch den Un-
gebildeten überlassen haben. Diese primitive Methode der Erziehung zur Durch-
schnittästhetik droht bei uns furchtbar „gebildeten" Deutschen überhand zu nehmen.
Wenn Worte Erinnerungbilder hervorrufen, so weiß ich wirklich nicht, was mir
denn der parlamentarische Zweisilbner „Unflat" für ein anderes Phänomen vor
Augen zaubert, als jenes ebenso vielsilbige Wörtlein, das Goethe mit so außer-
ordentlichem Behagen zu gebrauchen pflegte. Gerade über diesen Punkt findet
übrigens der Interessierte eine sehr niedliche Anekdote in den Jahrbüchern. Ich
finde, daß gerade diese forcierte Klassifizierung der Sprachbestandteile jene stumpf-
sinnige Manier großzüchtet, die man zur Genüge aus den Unterhaltungen der „Herren
unter sich" kennt, und die die ganze splendide Schlußpointe nur auf das Hervor-
bringen eines ungewohnten Wortes setzt.

Bei der Beurteilung des erotischen Folklore namentlich der Südslaven halte
ich eins für beachtenswert: facile est satiram dicere! Nichts ist leichter als ruhm-
redige Übertreibung. Das ist ein Charakterzug der mündlichen Überlieferung aller
Völker. Wer aus diesen Erzählungen eine prozentuale Statistik über die Variabilität


Rezensionen über die Anthropophyteia

459

des Geschlechttriebes ausziehen wollte, wäre genau so genasfuhrt, wie der Kultur-
historiker, der aus dem Martial seine Ansichten über die wirkliche Moralität der
Römerinnen schöpft. Der Mann wird hier hinaufgeschwindelt zum Lanzenreiter
Sankt Georg, der immer brutal und im Handumdrehen seinen starren Riesenspeer
dem unterhegenden Drachen in den Leib jagt. Und dennoch steht der Drache,
dieser cunnus vorax, immer wieder unermüdet zum Kampfe auf, er verschluckt
Geschoß auf Gsechoß in seiner klaffenden Wunde; denn diese ist so geräumig, daß
sie bis zur Schädeldecke hinaufreicht! Facile est satiram dicere; wer gibt uns die
sanftem Maße der Wirklichkeit?

Auch so etwas ist wichtig: Das „Siemandl", der ,,Masochist'1 und „pizdoliz"
wird verspottet und verrissen, der Päderast und Bestienfreund geht stolz als Ehren-
mann einher. In der allgemeinen Achtung muß der eine sich schweigend schämen,
der andere darf das Blau vom Himmel runterprahlen. Wer möchte da einen Schluß
auf wirkliche Häufigkeit der Anlagen wagen? Es muß genügen, daß wir die Varia-
bilität als solche allenthalben wiederfinden. Krauss bereichert uns um das
neue Wort „Paraphilie" anstelle der „Psychopathie", ein fortschrittlich-oppo-
sitionelles Wort zwar, aber auch nur ein Wort und als Aufklärung etwa so bedeut-
sam wie „Seitensprünge".

.... Die Sudslaven haben alle Augenblicke einen beschimpfenden Ausdruck
beim Wickel, der ungefähr dem französischen Argotwort „je te fous..." entspricht.
Krauss tadelt die Übersetzer, die das vielfach als eine Verfluchung auffassen,
er gibt mit Recht der Redensart eine psychologische Erklärung, die ein elementares
Prinzip im Völkerleben überhaupt darstellt. Diese Feststellung ist sehr wesentlich.
Hinzuzufügen wäre entwickelungsgeschichtlich, daß zunächst der Niedere nicht
geknechtet wird, sondern sich knechten lassen will, ja daß das völlige Auf-
gehen in der Rechtmäßigkeit obiger Anschauung für ihn einer der stärksten psycho-
logischen Reizquellen bildet, jene undefinierbare zitternde Lust vor der Macht
des Höheren, die doch erst durch seine Sehnsucht nach Unterwerfung entsteht.
Dieser Grundzug aller Völkerpsychologie gibt nicht nur den Schlüssel zum Ver-
ständnis der ewig und ewig wiederkehrenden sozialen und politischen Staffelschich-
tung, sondern macht auch die durchaus physiologische Natur des sog. Masochismus
verständlich, der nichts ist, als die erotische Saisonblüte an demselben
Pflanzenstock : Lustgefühl der Unterwerfung und schmerz-
liche Sehnsucht nach Demütigung.

Die serbischen Bauern tragen unter ihren dicken, grobhaarigen Lodenhosen
einen Überzug (slavisch nakurnjak) über dem membrum virile, um sich nicht wund
zu reiben. Dieser notwendige Gebrauchsgegenstand wird begreiflicherweise ganz
unbefangen behandelt. Unter den Geschenken, die ein Mädchen für ihren Zu-
künftigen vorbereitet, ist regelmäßig auch ein solcher nakurnjak, den sie eigenhändig
a nfertigt. Man mag an solchem Beispiel ermessen, wie töricht es wäre, diesen Leuten
durch Aufzwingen einer (angeblich) höheren Schamhaftigkeit ihre Unbefangen-
heit zu rauben. Die Folge wäre nur eine Steigerung der Lüsternheit. Was besonders
die Missionare in ihrer jedesmaligen exotischen Tyrannis auf diesem Gebiete ge-
leistet haben, geht nicht auf drei Dutzend Kuhhäute. Darüber sind sich wohl alle
Anthropologen einig. Eine abgetretene Redensart behauptet, man bringe den
„Wilden" mit der neuchristlichen Zivilisation auch den Alkohol und die Syphilis.
Davor kann sich der einzelne noch allenfalls hüten. Aber die lüsterne Prüderie,
die der weiße Mann ad majorem libidinis gratiam um sich verbreitet, durchseucht


Rezensionen über die Anthropophyteia.

epidemieartig die Schwachen und die Standhaften. Eine der allerersten Regierungs-
handlungen in Kiautschou war die Verordnung, daß die Herren Chinesen beim Baden
am Strande sich hinfüro der Badehose zu bedienen hätten, ob in den Farben des
Lehnsherrn oder des Pächters, war nicht gesagt. ,,Und sie wurden gewahr, daß
sie nackend waren."

Die Montenegrer pflegten auf erfolgreichen Kriegspfaden ihre gefangenen
Feinde zu entmannen, wie das in aller Welt geschehen ist und noch geschieht. Die
tollsten Beispiele aus der neuesten Zeit werden von den fanatischen Mahdisten
und den christlichen Abessiniern berichtet. Krauss erzählte ein Herzogländer,
er habe ums Jahr 1880 mit einem montenegrischen Häuptling verkehrt, der eine
lange Schnur mit aufgereihten getrockneten Gliedern überwältigter Moslimen als
Zeichen seines Mutes und seiner Tapferkeit beständig mit sich herumgetragen
habe; sie hätten recht unansehnlich ausgesehen, wie Bruchstücke eingetrockneter
Ziegendärme. Daß derartige Verstümmelungen den Charakter einer erotischen
Anreizung tragen, ist am deutlichsten in dem Fall eines südafrikanischen Stammes,
wo die tapfern Helden diese kostbare Feindesbeute ihren Weibern zum Kollier
verehren. Auch die Kopf Jägerei auf den Philippinen gehört in dies Gebiet. Das
Originellste, ich möchte beinahe sagen Künstlerischste, was ich von derartigen
menschlichen Trophäen kenne, sind mehrere südamerikanische Indianerköpfe im
Perliner Völker-Museum. Die Sieger haben hier die erlegten Feindesköpfe förmüch
ad aeternum präpariert. Die gesamten Schädelknochen sind aus dem Kopf heraus-
gezogen oder vielmehr die ganze Fleischbedeckung ist auf die subtilste Art mit-
samt dem bläulichschwarzen reichen Haarschopf losgepellt und tief dunkel braun
und hart geräuchert. Der Kopf ist dadurch auf die Größe einer Faust zusammen-
geschrumpft, ohne seinen menschlichen Anblick zu verlieren, und ein seltsames
Schmuckstück entstanden, das jeder Kuriosensammlung zur Zierde gereichen würde.

Über die Gründe, waxum die Blutschande verwerflich sei, sind bekanntlich
die Ansichten einer objektiven Naturwissenschaft immer wackliger geworden. Ich
führe nur an, was Hanns Dorn in seiner sehr sachlichen Studie über Strafrecht
und Sittlichkeit sagt: „Daß die Blutschande nicht als Angriff auf Interessen der
geschlechtlichen Lebenssphäre anzusehen ist, wird heute ziemlich allgemein an-
erkannt. Der Grundgedanke des Sittlichkeitsdeliktes ist preisgegeben; als Zweck
des Gesetzes kann mithin nur die Verhinderung der Inzucht bezeichnet werden
(v. Liszt). Ob die Inzucht tatsächlich Gefahren für die Rassenverschlechterung
im Gefolge hat, ist wissenschaftlich heute noch nicht festgestellt. Die statistischen
Erhebungen haben bis jetzt — entgegen manchen persönlichen Beobachtungen —
noch nicht einmal physiologische Nachteile bei Geschwisterkinderehen aufgezeigt."
Bei den serbischen und bulgarischen Bauern nun wird der Incest als schauerlichste
Versündigung verdammt, die Schuldigen in Verruf erklärt und ehedem gesteinigt,
alles wohl unter dem Einfluß kanonischen Rechts. Bei den Städtern dagegen herrscht
einigermaßen liberale Auffassung. Krauss sagt: ,,Es ist mir ein Fall bekannt,
daß ein chrowotischer Kleinstädter bei Lebzeiten seiner Ehegattin mit seiner Tochter
zwei Kinder in die Welt setzte. Dem Manne geschah nichts, vielleicht weil er zu
den Säulen der urchrowotischen Partei gehörte und vermögend genug war, um
alle Ankläger zu besänftigen. Nur seine rechtmäßige Frau schämte sich so sehr,
daß sie niemals das Haus verließ oder sich auch nur am Fenster zeigte, die Tochter
freilich erschien öffentlich in vollem Staate, doch nie in Begleitung ihres väter-
lichen Beischläfers, und die anderen Frauen mieden ihren Umgang." Dem Verbot


Rezensionen über die Anthropophyteia.

der Blutschande, dem sich Milliarden von Menschen widerspruchslos gebeugt haben,
muß nun freilich irgend eine physiologische Erscheinung zugrunde liegen.
Ich denke mir dies: Menschen, die zusammen aufwachsen und eng beieinander
leben wie Geschwister, werden in der Regel keinerlei erotischen Reiz aufeinander
ausstrahlen, wegen der gewohnheitsmäßigen Abstumpfung der Sensibilität und
weil sie sich zu genau kennen oder sich nichts Neues (d. h. Anreizendes) zu bieten
haben. Ein Ausnahmefall erscheint daher als Abnormität und wird von der ewig
triumphierenden Masse der verdutzten Mittelmäßigen gebrandmarkt. Dieser Mut-
maßung würde sich der in der Novellenliteratur immer wieder behandelte Fall
eingliedern lassen, daß sich zwei Geschwister, die sich infolge irgend welcher Lebens-
schicksale nicht kennen, ineinander verlieben und Kinder zeugen, ohne von einem
Instinkt davor gewarnt zu werden. Zur Entscheidung dieser Frage fehlt es in-
dessen an jedem kritischen Material.

Über die Bestialität oder Sodomie bringt Krauss eine sehr bemerkenswerte
Auslassung, die den einzig richtigen Untersuchungmodus darstellt. Daß die Sodomie
kein Anzeichen geistiger Krankheit sein kann, drückt Krauss sehr
prägnant aus: ,,Hier ist nur ein ästhetischer Koeffizient maßgebend,
weiter nichts. Ich behaupte nur eine Geschmacks Verschiedenheit,nicht
etwa eine Geschmacks verirrung. Mir z. B., der ich von Begeisterung für voll-
endete Frauenschönheit hingerissen, zwei Bücher über den Reiz und die Anmut
des Frauenleibes geschrieben, ist die Vorstellung einer geschlechtlichen Intimität
mit einem weiblichen Tiere unbeschreiblich widerwärtig, nicht aber jenem,
dem alle Frauenholdseligkeit schnuppe ist und der seine ästhetische Befriedigung
vollauf bei einer Stute oder Eselin erzielt. Ich darf nur sagen, daß ich einen
edleren, einen feineren Geschmack als er besitze, mich jedoch
noch lange nicht auf den besseren Menschen hinausspielen. Ich
gelte bloß in unserer Gesellschaft, namentlich vor dem Richterstuhl der Frauen,
als der gescheitere und als der vorsichtigere in der Wahl des Gegenstandes meiner
Neigung." Diesen beherzigenswerten Leitworten, die an die Spitze der modernen
Sexualwissenschaft gehören, ist es wohl nicht nötig, etwas hinzuzufügen.

Leider verbietet mir der eigentliche Inhalt der Kraus s'schen Arbeit, bis
jetzt 569 Erzählungen, an dieser Stelle ein näheres Eingehen; ich mußte mich daher
darauf beschränken, mit ein paar zerstreuten Anmerkungen die Tendenz des Ganzen
zu erhellen.

Die übrigen Mitarbeiter des Unternehmens haben zusammen etwa ein Drittel
des Ganzen (ca. 1500 Seiten) beigesteuert, durchweg gediegenste Arbeit. Wenn
die Forschung mit den dargelegten Grundsätzen weiter arbeitet, so ist die Hoffnung
wohl nicht überschwänglich, daß wir in absehbarer Zeit auf objektiver Grundlage
eine mehr einheitliche und geradeaus der Wahrheit ins Gesicht blickende Geschlecht-
moral werden aufbauen können. Die stille Arbeit der Untersucher wird laut und
eindringlich reden zu allen, die nach Erkenntnis ringen, und es wird auch für die
Zaudernden kein Riesenmaß von Mut mehr nötig sein, sich dazu zu bekennen,
was ist und ununterdrückbar ist.

Die 158 städtischen Erzählungen aus Niederösterreich, mitgeteilt von Krauss
und Reiskel, haben eine ganz famos gedrängte Fassung; der Simpli würde sie
mit Vergnügen bringen, wären sie nicht eben etwas zu ruppig.

In dem Aufsatz „Beischlafausübung als Kulthandlung" tadelt Krauss die
hergebrachte Benennung der heiligen oder religiösen Prostitution (endlich ein


Rezensionen über die Anthropophyteia*

Opponent gegen den gedankenlosen Ausdruck !) oder gar die Bewertung einer solchen
Handlung als schimpflichen Sittenverfall.

Von den mancherlei angeregten Umfragen dürfte besonderes Interesse haben
eine von В loch formulierte über den Geruchssinn in der Vita sexualis. Zunächst
steht wohl ziemlich fest, daß der Geschlechtstrieb als rein physische Funk-
tion keinerlei Unterschied zwischen primitiven und zivilisierten Menschen bildet.
Nehmen wir einen bestimmten Entwickelungsgang an, so war vielleicht einmal
der Geruchsreiz der ursprünglichste und stärkste. H a e c k e 1, der allerdings
für eine Idee leicht enthusiastisch wird, erklärt den Geruch für die Quintessenz
der Liebe; eine geruchsähnliche Empfindung treibe die Samenzelle zur Eizelle.
Nun hat Zwaardemaker analytisch erwiesen, daß alle erotisch wirkenden
Körpergerüche der Kapryl-Gruppe angehören, ein bedeutsames Moment! Aus
diesen und ähnlichen Voraussetzungen sind Fragen formuliert, mit deren Beant-
wortung sich auch jeder Laie um die weitere Erkenntnis verdient machen kann.

Unter den Abbildungen ist hervorzuheben ein Keuschheitsgürtel aus der Samm-
lung Pachingers in Linz, über dessen seltsame Fundgeschichte der Besitzer
berichtet. Die Keuschheitsgürtel sind so selten im Gegensatz zu den bekannten
Holzschnitten, die sie darstellen, daß selbst große Museen keinen besitzen. Hier
hätten wir das erste, mit Sicherheit im Gebrauch und als echt erwiesene Stück
vor uns. Natürlich bleibt die Frage offen, aus welchen Motiven einzelne Frauen
zu solcher Marter verurteilt waren. Es wird von einer Seite behauptet, daß der-
gleichen noch jetzt vorkäme.

Von den sonstigen Abbildungen erwähne ich noch die Wienerin mit Zwillings-
unterleib, ein Bartweib, einen geschnitzten erotischen Alptraum aus Neu-Irland
(jetzt geistreich umgetauft in Neu-Mecklenburg), phallische Amulette aus Ober-
österreich, altperuanische Grabgefäße mit erotischen Gestalten. Zu den größeren
Beiträgen zählen noch erotische Ausdrücke der Wiener, Berliner, der Deutschen
in Nordböhmen, der muslimischen Zigeuner in Serbien; Rätselfragen, Sprichwörter,
Reigentanz- und Volkslieder aus verschiedenen Gegenden, desgleichen Erzählungen
und Schwanke.

Man sieht, wie reichhaltig das hier Gebotene ist und wie dieser Blütenstrauß
dennoch von dem güldenen Reifen „Sexualwissenschaft" umspannt und zusammen-
gehalten wird. Nicht nur Mediziner, Anthropologen, Folkloristen, Philologen,
Kriminalisten usw. sind hier zur Mitarbeit berufen, sondern auch jeder feine und
echte Amateur, dem die zünftige Wissenschaft oft schon, wenn auch widerstrebend,
hat Dank sagen müssen. Solche anzuregen, war meine Absicht, und deshalb bin
ich über die „Anthropophyteia" so ausführlich geworden.

Globus, Ztschft. f. Länder- u. Völkerkunde, Braunschweig 1907, B. XCI., S. 48:

In einer der Besprechungen der früheren Bände war beanstandet, daß diese
Sammlung eigentlich nur Widerwärtiges bringe, gegen das sich unser sittliches
Gefühl aufbäume; es fehle das anziehende, poetische Moment in der Schilderung
usw., sagt die im Anhang angeführte Rezension (S. 8). Nun wollen wir nicht be-
streiten, daß vielleicht auch die Lichtseiten des geschlechtlichen Lebens, besonders
in dem ethisch begründeten Ehebündnis, zur Geltung gelangen könnten, allein
es will uns bedünken, daß hier ein prinzipiell falscher Gesichtspunkt sich einge-
schlichen hat. Es ist schon genügend darauf hingewiesen worden, daß für die strenge


Rezensionen über die Anthropophyteia.

Wissenschaft jede Stimmung, jeder persönliche Geschmack unangebracht ist, daß
es sich zunächst nur um eine einwandfreie Sammlung bzw. Sichtung des zu-
ständigen Materials handelt. Deshalb ist z. B. auch die Bemerkung des ungenannten
Kritikers: Ob es gerade nötig ist, ,,mit breitem Behagen und ohne jede Scheu vor
ästhetischem Widerwillen" diese Schnurren und Spaße in unverblümtester Sprache
aneinander zu reihen, möchten wir bezweifeln (S. 8), unzutreffend, da eben dies
angebliche „Behagen" durchaus nicht auf das Konto des Forschers kommt, sondern
höchstens des geneigten Lesers. Wir können diese Verkehrung der richtigen
Perspektive nicht anschaulicher schildern, als wenn wir in aller Kürze auf die viel-
berufene, „berüchtigte Tempelprostitution" eingehen. Gibt es etwas Schändlicheres
und Verruchteres als diese Vermischung der sündigen Fleischeslust mit göttlichen
Dingen, so sollte man ausrufen! Und doch hängt die Sache, wie Krauss in einer
Umfrage, die er in der Fassung: „Beischlaf als Kulthandlung" anregt, auseinander-
setzt, ganz anders zusammen. Es handelt sich dabei keineswegs, wie er bemerkt,
um eine berufsmäßige Ausübung des Geschlechtaktes wider Sitte und Brauch der
Gesellschaft, vielmehr um einen frommen, vom Glauben gebotenen, von der Ge-
sellschaft gebilligten, gelegentlichen Opferdienst; die Bezeichnung Prostitution
ist in diesem Falle ganz unangemessen (S, 20). Es hegt hier vielmehr, wie aus ver-
schiedenen anderen Analogien unzweideutig erhellt, ein Symbol vor, freilich nach
der Auffassung naiver, sinnlicher Naturvölker, ein sehr konkretes, und zwar das
Abbild für die für das Wachstum der Früchte ersehnte Fruchtbarkeit. So ist es noch
in Indien und auf Java, und ähnliche Beobachtungen hat Krauss in Bosnien
machen können. Herodot aber, dem das Verständnis für den eigentlichen Zusammen-
hang des Gebrauches fehlte, mußte die ihm berichtete Sitte als eine schändliche
orientalische Entartung auffassen, er sah nur mehr, wie Krauss erklärt, den kaser-
nierten oder richtiger templisierten Brauch vor sich, ein Überbleibsel des älteren
Feldopferkultes, von dem die einheimischen Männer, die Städter, nichts mehr
wissen mochten, den jedoch die Frauen als die getreuen Bewahrerinnen des Glaubens
ehrenhalber, wenn auch nicht mehr alljährlich, so doch noch einmal im Jahre ein-
hielten (S. 22). Wie gesagt, wir müssen mit unseren persönlichen Empfindungen
und Gefühlen, wie das schon verschiedentlich gerade mit Bezug auf die vorliegenden
Jahrbücher betont ist, sehr vorsichtig und zurückhaltend sein, sonst versperren
wir uns unweigerlich den Weg zum psychologischen Verständnis der betreffenden
sozialen Erscheinungen, und darauf kommt doch wohl alles an. Der dritte Band,
den ein warmempfundener Nekrolog des Leiters des Leipziger Völkermuseums,
Prof. Obst, aus der Feder des Herausgebers einleitet, enthält wiederum einen reichen
Inhalt, und aufs neue dehnt sich der Horizont für den Forscher weit über die land-
läufigen engen Grenzen unserer Weltgeschichte aus; es handelt sich auch hier um
das Verständnis von Grundmotiven im Empfinden ursprünglicher Völker, von
denen uns moderne Kulturmenschen vielfach ein Abgrund trennt.

Bremen. T h. A c h e 1 і s.

Dr. C. E. Helbig in der HygienischenRundschau, 17. Jahrgang, Nr. 13,
vom i. Juli 1907; Seite 824 f. :

Bisher fehlte es an einer Sammelstelle für die im vorstehenden Buchtitel be-
zeichneten Erhebungen im Bereiche europäischer Völker. Während über
die geschlechtliche Betätigung der Inder, Mongolen, Malayen, Neger,
Indianer usw. vielfache Wahrnehmungen im wissenschaftlichen Schrifttum ver-


Rezensionen über die Anthropophyteia.

öffentlicht wurden, war man bezüglich der Mittel- und Westeuropäer zumeist auf
trübe Quellen, insbesondere auf die Pornographie und auf schöngeistige Schriften
freierer Richtung angewiesen. Es war deshalb Gelehrten verschiedener Forschungs-
bereiche das Erscheinen einer Zeitschrift willkommen, welche über diesen Gegen-
stand unter redaktioneller Mitwirkung und Mitarbeiterschaft von Männern er-
scheint, deren Namen (Thomas Achelis, Iwan Bloch, Franz Boas,
Albert Eulenburg, Anton Herrmann, B. H, Obst — inzwischen
verstorben —, Giuseppe Pitre usw.) ernste und tiefe Forschung verbürgten.
Die zeitgenössische klerikale Männerkeuschheitsbewegung, die in Deutschland
erst voriges Jahr den Scheitelpunkt überschritten zu haben scheint, machte besondere
Vorsichtsmaßnahmen rätlich. Die klassische Verwahrung Jacob Grimms
(,,das Wörterbuch ist kein sittenbuch, sondern ein wissenschaftliches, allen zwecken
gerechtes unternehmen, selbst in der bibel gebricht es nicht an Wörtern, die in der
feinen gesellschaft verpönt sind" usw.), welche vor 55 Jahren das: „Deutsche
Wörterbuch" wirksam gegen die Verfolgung als anstößige Veröffentlichung schützte,
genügt heute nicht mehr. Es war deshalb u. a. die Ausschaltung des buchhändle-
rischen Vertriebes nötig.

Für den Arzt und insbesondere den Hygieniker sind in den bisher vorliegenden
Bänden zunächst die umfangreichen, in der Ursprache gegebenen Erzählungen,
Schnurren, Lieder usw. der christlichen und moslimischen Südslaven bzw. der
unter diesen verstreuten Zigeuner und Juden wichtig. Daß Ausdrücke des Volkes,
wie Zumpt, brunzen u. dgl., nicht nur in der beigegebenen Übersetzung bzw. in den
deutschen Texten, sondern auch in den Erläuterungen gebraucht werden, hat man
in der Fachpresse mehrfach getadelt. Ebenso beanstandet Paul Näcke bei
Besprechung des 1. Bandes (Beri. klin. Wochenschr. vom 28. VIII. 1905) mit Recht
die vereinzelten, von Reichsdeutschen nur nach dem Zusammenhange erratbaren
Austriacismen. Endlich war bei Stücken in schwieriger Mundart, wie z. B. der
heanzischen, die Anfügung einer neuhochdeutschen Umschreibung erwünscht, die
durch die sorgsamen Glossen sich nicht völlig ersetzen läßt. Diese Mängel erscheinen
jedoch reichlich durch die Zuverlässigkeit der Angaben der sprachkundigen Mit-
arbeiter aufgewogen. Bisher sah man sich insbesondere hinsichtlich der Südslaven
auf die Veröffentlichungen von Reisenden angewiesen, die in Ermanglung von hin-
reichenden Sprachkenntnissen und von inniger Fühlung mit der schwer zugänglichen
Bevölkerung bei aller Wahrheitsliebe auf das beschränkt blieben, was Gastwirte
und Fremdenführer oder Beamte, Geistliche usw. mitteilen wollten.

Manches, was bei uns nur noch als Stammtischscherz oder Zote auftritt, läßt
sich im Munde der urwüchsigen Bevölkerung auf religiösen Glauben zurückführen,
welcher seinerseits das Überbleibsel einer vorgeschichtlichen, richtigen oder falschen,
hygienischen oder therapeutischen Maßnahme bildet. Außer den eigentlich folk-
loristischen Beiträgen bringt das Jahrbuch Abbildungen von Mißbildungen, Täto-
wierungen, Aufschlüsse über Weiberhandel, Fragebögen für kriminalpsychologische
und sexualphysiologische Erhebungen, Bücherbesprechungen usw. Der Verlag
sorgte für mustergültige Ausstattung.

In der Deutschen Literaturzeitung, 1907, Nr. 16, Seite 1008: schreibt Prof. Dr.
A. Eulenburg:

Über die beiden ersten Bände der von Krauss herausgegebenen Anthro-
pophyteia ist in diesen Blättern (1905, Nr. 31, Sp. 1928 und 1906, Nr. 24,


Rezensionen über die Anthropophyteia.

465

Sp. 1518) bereits berichtet worden. Das großzügig angelegte volkskundliche Sammel-
werk schreitet mit imponierender Schnelligkeit und Selbstsicherheit, trotz mancher
in den Weg gelegten Hindernisse, unbeirrt weiter fort; der vor kurzem herausge-
kommene dritte Band übertrifft an Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit des Inhalts
noch weitaus die beiden voraufgegangenen. Außer einem warm empfundenen
Nachruf auf den verstorbenen Gründer und Direktor des Museums für Völker-
kunde in Leipzig, H. B. Obst, aus der Feder des Herausgebers finden wir
u. a. ein magyarisches erotisches Idiotikon von R é t f a 1 u , sowie anderweitige
Beitrage zur magyarischen Erotik von Keszthely, Fohn; deutsche Bauern-
erzählungen aus dem Ober- und Unterelsaß von Wernert, erotische Volks-
lieder aus Österreich von В1 ü m m e 1, Beiträge zur Sprichwörterforschung, Volks-
witz in Rätseln, Kinder- und Jugendreime, Inschriften usw., vor allem südslavische
VolksüberUef erungen, die sich auf den Geschlechtsverkehr beziehen, sowie noch
zahlreiche kleinere Mitteilungen vom Herausgeber selbst. Bemerkenswert
namentlich auch wegen der beigegebenen guten Holzschnittillustrationen sind
darunter besonders die Notizen über einen der Sammlung Pachinger (Linz) ange-
hörigen Keuschheitsgürtel, über die der gleichen Sammlung entstammenden „heiligen
Gorgone" und andere phallische Amulette aus Oberösterreich, über einen erotischen
Alptraum als Holzschnitzwerk aus Neu-Irland, und über die zahlreichen altperuani-
schen Grabgefäße mit erotischen Gestalten (aus den Museen für Völkerkunde in
Berlin und Leipzig). Zahlreiche Besprechungen literarischer Neuerscheinungen
bilden, wie gewöhnlich, den Abschluß des Bandes.

In L'Année sociologique spricht sich M. M au s s über Anthr. I aus:

Il faut louer le vétéran du folklore qu'est M. Krauss d'avoir eu le courage de
s'atteler à un pareil sujet. Le cant littéraire et scientifique a jusqu'ici empêché
la science de s'emparer des mœurs sexuelles et d'en faire, comme elle doit, un objet
de connaissance et d'analyse. La publication des Kryptadia a sauvé de l'oubli
et imposé à l'attention un grand nombre de documents; elle est due déjà pour partie
à M. Krauss. Maintenant terminée, elle l'a laissé libre d'entreprendre cette nou-
velle publication, Anthropophyteia, qui promet d'être annuelle, con-
sacrée à „l'histoire de l'évolution de la morale sexuelle".

Ce premier volume est consacré à publier des documents empruntés aux Slaves
du Sud. C'est en réalité un complément, une édition de faits à l'appui, que M. Krauss
ajoute à son ouvrage connu sur les mœurs des Slaves méridionaux. Certains cha-
pitres sont même d'ailleurs rapportés aux chapitres correspondants de ce dernier.

Nous ne croyons pas pourtant qu'ils méritent d'être publiés avec une abondance
aussi luxueuse. Plusieurs versions d'un même conte sont données sans grande
nécessité parfois (ex. celui de la souris, de la grenouille, ne 118, sq.). Plusieurs expli-
cations ne sont pas — que M. Krauss nous pardonne notre observation — dénuées
de complaisance. Après tout, le type de la plupart des faits ici enregistrés est assez
banal, et sauf pour les traditions qui ont trait à des usages purement Slaves, assez
peu instructif.

Une seule chose est à noter au point de vue qui nous occupe spécialement ici.
C'est la masse même des contes qui ont trait à la vie sexuelle dans les pays Slaves.
Il est évident que la façon dont ce thème principal a fleuri dans ce folklore est hors
de tout proportion avec la médiocrité de son développement dans les autres popu-

Krauis, Anthropophyteia.. IV. 30


Rezensionen über die Anthropophyteia.

lations européennes. Le conte improprement appelé pornographique, occupe ici
une toute autre place que dans les littératures populaires du reste de l'Europe.
Il est évidemment parfaitement populaire, répandu dans les deux sexes et dans
les diverses classes de la société (popes, instituteurs et bourgeois s'en délectent),
tandis que chez nous il semble n'avoir été très vivace que dans des groupes très
spéciaux d'hommes. Pour quiconque a lu le premier livre de M. Krauss ou le travail
de M. Rhamm, l'explication est sous la main: la vie sexuelle intense et la liberté
sexuelle presque extraordinaire des Slaves méridionaux est le fait moral que le
travail littéraire du peuple traduit ainsi à sa propre conscience.

Certains faits moraux particuliers de ces usages sexuels sont d'ailleurs illustrés
de façon intéressante par les contes ici publiés. C'est d'abord l'usage connu pour
le beau-père de se servir de la jeune femme de son fils, d'ordinaire, d'ailleurs, encore
en tout bas âge (chap, XIII). Comment cet usage se rattache à l'ancienne commu-
nauté agnatique, comment elle a un de ses fondements dans de nombreuses raisons
économiques et morales, c'est ce qui apparaît à plusieurs de ces récits. On trouvera
p. 257-263 un certain nombre de documents nouveaux. M. Krauss range, à tort
selon nous, sous la même rubrique les faits de prêt de la femme au beau-père ou
aux garçons d'honneur. C'est ensuite l'usage, maintenant disparu, mais vivace
dans les contes, du prêt de la femme ou de la fille à l'hôte, moine ou pope d'ordinaire.

Sur la naissance miraculeuse (p. 400), les parties sexuelles comme moyen d'écarter
les démons (n° 129, 143, 144), sur les vertus de la nudité, etc. etc., on trouvera ici
des renseignements épars. Nous espérons qu'en fin de l'ouvrage un index viendra
le rendre immédiatement utilisable.

Ein Ungenannter in der Straßburger Post vom 23. I. 1907:

Im dritten Jahrgang erschienen „Anthropophyteia, Jahrbücher
für folkloristische Erhebungen und Forschungen zur Entwicklungsgeschichte der
geschlechtlichen Moral." Namhafte Gelehrte wie Professor Dr. Th. Achelis, Heraus-
geber des Archivs für Religionswissenschaft in Bremen, Dr. Iwan Bloch in Berlin,
Professor Dr. Franz Boas in New York, Professor Dr. A. Herrmann in Pest, Dr.
Pitre in Palermo, Dr. Krauss in Wien, Professor Dr. Karl v. d. Steinen in Berlin,
Professor Albert Eulenburg in Berlin, Professor Dr. Juljan Jaworskij in Kiew und
andere Gelehrte haben sich zu diesem der Sittenkunde dienenden Unternehmen
vereint, um an der Hand von Tatsachen materiell methodisch die Entwicklung
der sittlichen Vorstellungen zu ergründen. Der hier und da noch in Geltung stehenden
Romantik auf dem Gebiete der Volkskunde machen die?e Erhebungen, welche die
Regungen der Volksseele naturgetreu widerspelgeln, gründlich d^n Garaus. Das
bisher gesammelte weitschichtige Material enthält die seltsamsten Bräuche, aber-
gläubische Vorstellungen, ethische Anschauungen von durchaus abstoßendem
Charakter für uns Kulturmenschen Westeuropas. Dem Volksmediziner bieten die
Forschungen viel anregendes Material, auch die Mythologie, Liguistik, Kultur-
historik erfahren durcL die Jahrbücher bedeutsame Bereicherung. Wesentlich
erweitert wird ferner auch die auf ethnologischer Grundlage beruhende Gesellschaf ts-
lehre. Man darf dem strengwissenschaftlichen Unternehmen, welches anfänglich
manchen Widerspruch erfahren hat, einen guten Entwicklungsgang wünschen,
weil die ganze Menschheitgeechichte gewaltig gefördert wird. Von der deutschen
Verlagsactiengesellschaft in Leipzig sind die bisher erschienenen Bände in typos-
graphischer Hinsicht besonders schön ausgestattet worden.


Rezensionen über die Anthropophyteia,

467

Orszégos Orvos-Szövetseg, Budapest 1906. S. 108 f. urteilt:

A nyilt könyvarusi forgalom elkerulésével, csak elöfizetöi szâmâra, szâmozott
példânyokban nemrég jelent meg minden, valaha napvilâgot lâtott kônyvek leg-
különösebbjeinek egyike. Épen hatvan éve annak, hogy William J. Thoms angol
tudós ("f 1885) egy uj szot hozott a forgalomba, folk-lore-t (ejtsd fóklór).
melylyel uj torekvést akart kifejezni : a nép rejtett szolâsainak, babonâinak. hagyo-
mânyainak, dalainak rendszeres, tudomânyos osszegyujtését, a behatolâst a néplélek
titkos gondolataiba, idegenek elött féltve övzött sajâtsâgaiba. Szâmtalanszor feltünt
mâr mindenikünknek, hogy minö küiönös észjârâst tanusitanak néha az emberek
mily teljesen kiszàmithatatlannak, illogikusnak lâtszik némely cselekedetük —
minö makacsul ragaszkodnak valamely régen idejét muït hagyomânyukhoz. Pont-
osabb megfigyeiésnél azutân kitünik, hogy nem incidentaliter cselekszik feltünö
módon a megfigyelt egyén, hanem târsainak helyeslése, apâinak példâja, titkos,
ösi torvények parancs a kényszeriti arra, hogy latszólag a józan ész, a bevett erkol-
csök, az uralkodó torvények ellenére jârjon el. A nép életét, czeremoniâit, izlését,
vâgyait és mulatsâgait szabâlyozzàk foikloros hagyomânyai; ezek döntik el, hogy
az egyik helyen a prostituczió hatâsàt is eléri a vendégszeretet, mâsutt haraggal,
söt orgyilokkal fogadjâk-e az idegent, hogy bigott vagy kâromkodo, dolgos vagy
kocsmâzo, verekedö vagy alamuszi lesz-e a nép, hogy a vérboszû, leânyszoktetés,
rablâs vagy takarékossâg, kufârkodâs, alattomossâg lesz-e jellemzö vonâsa.

Természetes ezért, hogy a kinek a néppel érintkeznie kell, a ki felette itélni
lesz hivatva, bele fog mélyedni пере folklorejâba, különben soha annak felfogâsàt
megérteni, helyzetébe magât beleképzelni képes nem lesz. Néhol megengedi a nép
a leânynak azt, a miért megolné az asszonyt; elvârja a vendégtol ugyanazt, miért
a vetélytârsat leszûrnâ, megcsalni bün, meglopni érdem az idegent néhol és ki
tagadhatnâ, hogy még a „müvelt" târsadalom is boséges teret ad az elmélkedésre,
ha megengedi, hogy valaki feldulja barâtjânak csalâdi boldogsàgât és leölje ot
par baj ban, hogy tönkretegyen apró exisztencziâkat tartozàsaival, de szigorûan
megtiltja, hogy kârtyaveszteséggel csak egy napig is adós maradjon ugyanaz.

Régota gyütjik az idevonatkozo adatokat, de gyujtés eredményessége megdölt
azon, hogy a nép minden tette, gondolata, torvénye végeredményben a nemi életben
öszpontosul s ennek viszonyait, aberrâczioit, naivitâsait még tudomânyosan târgyalni
is nehéz és könnyen félreértheto feladat.

Hajdan az irók könnyen segitettek a bajon. Egyszerüen a maga nevén nevezi
Homeros az organumot s a tettet, ha a szervet vagy a cselekvést akarta megjelölni.
A késobbi irók szakitottak e szokâssal. Pókhalókat, ködöt, fügefalevelet boritottak
arra, a mi a maga természetes meztelenségében nem bânto, de ügyesen rendezve
az attünö leplet, itt is, Ott is kihagyva egy-egy részletet jobban kidomborult a
leplezett dolog mint a nyers, keresetlen öszintesegben.

Krauss könyve nem igy jâr el, s ezért kellett rejtözve megjeiennie. Szövege
hemzseg azoktól a szóktól, melyeket nyomtatva sohasem lâtunk, mert elkoboznâ
a rendorség e nyomtatâst. És e szókkal szâz és szâz oly anekdotât, mesét, tréfât,
népdalt, müvet, erotikus kifejezést, eseményeket, néprajzi adatot sorol fel, a milyene-
ket uri hölgyeknek ugy elmondani tudni, hogy ezek azt âllithassâk, hogy nem
értették meg, a ,,causeur" urak fotorekvése napjainkban. — etc.

In einer Abhandlung von 19 gr. 8° Seiten, die auch als S. A. erschienen, bespricht
Dr. Alexander Mitrovic im D e 1 o, List za nauku, Knyizevnost і drustveni

30*


.Rezensionen über die Anthropophyteia.

zivot, Belgrad 1907: (März- .u. Aprilheft) die Anthropophyteia I—III. Hier
wiederholen wir daraus nur einige allgemeine Bemerkungen;

(Nach Anführung des Titels.) Ich schrieb nicht ohne Absicht den ganzen Titel
des Buches her, das ich anzeigen und ergänzen will. Obgleich der Name Krauss
unserer Leserwelt wegen seiner riesigen Arbeiten über die Schöpfungsagen unseres
Volkgeistes, über unsere Sitten, Bräuche usw. ohnehin bestens bekannt ist, erachte
ich es doch nicht für überflüssig, auch die Namen seiner Mitwirkenden an diesem
gewaltigen Unternehmen anzuführen. Alle diese Namen zusammen bieten uns
die beste Gewähr für den Ernst, die Wissenschaftlichkeit und die ehrlichen Zwecke
Ein einziger hätte schon ausgereicht, um wie viel mehr alle diese Forscher zusammen.

In unseren Zeitschriften war noch sehr wenig die Rede von den Anthropophyteia,
Wir bekennen, daß sie von ihnen füglich auch nicht reden konnten, denn das Jahr-
buch erscheint nicht öffentlich. Man gibt es nur an Gelehrte ab und die Exemplare
sind numeriert. Wenn es aber irgend wessen Pflicht ist, diese Werke kennen zu
lernen, so ist es eine zweifelsohne der Serben. In den bisher gedruckten drei Bänden
steht eine derartig große Menge wissenschaftlichen Überlieferungschatzes unseres
Volkes in Bosnien, dem Herzogtum, Serbien, Dalmatien usw., daß sie jeder serbische
Gelehrte anschaffen und gründlich durchstudieren müßte. Die Wissenschaft darf
keine Scheuklappen tragen. Sie darf von nichts ihr Haupt abwenden; sie muß
alles schauen, alles erkunden und alles ergründen. Für die Forschung sind alle
Naturerscheinungen ohne Unterschied von großer Bedeutung. Anläßlich einer
Besprechung des II. B. der Anthr. schrieb ein Kritiker im 237. Bande des Letopis
Mat ice Srpske: „Der Gegenstand ist vom wissenschaftlichen und allgemein mensch-
lichen Standpunkte aus so sehr wichtig, daß es die höchste Zeit ist für die Erforscher
der Volkgebräuche, Sitten, Anschauungen, Tugenden, Laster, Fehler usw., sich
damit ernstlich zu befassen. Da unser Letopis auch unserer Folkloristik gewidmet
ist, so ist es unsere Pflicht, dieses Werk anzuzeigen, das sich mit so manchen Ver-
irrungen des Volkes beschäftigt, freilich, indem diese in ihren schnurrigen Fassungen
hier erscheinen. Mit Hinblick darauf zählt dieses Werk auch zur Literatur, zur
Volkliteratur als eine Gattung von Volkhumor, der in der Wahl seiner Mittel zur
Erreichung eines Lacheffektes nicht wählerisch ist. Wir zweifeln, ob je diese Literatur
an die Öffentlichkeit treten wird. Die Zeiten ändern sich und was wir nicht zuwege
brächten, das leisteten die Forscher. Und sie haben daran wohlgetan."

.... Die Mitarbeiter schreiben und unterschreiben mit vollem Vor- und
Zunamen, nur ein Serbe, der über die Zigeuner in Serbien berichtet, versteckt sich
hinter ein Pseudonym, obwohl er dafür rein gar keinen gerechtfertigten Grund hat.

.... Der III. B. der Anthropophyteia ist noch reichhaltiger als der II. Man
sieht, daß Krauss weder Zeit noch Mühe scheut, die Jahrbücher auf eine würdige
Höhe zu erheben. Der III. B. zeigt uns auch, daß das Eis durchbrochen ist und
daß sich die gescheidte und gebildete Welt von keinerlei Nebenrücksichten bestimmen
läßt, wo es sich um die Wissenschaft handelt. Die Wahrheit kann nur den nieder-
drücken, der sie zu fürchten hat. Vor der Wahrheit mögen nur jene fliehen, deren
persönliche, schmierige und selbstische Rechnungen es nicht gestatten, daß die
Wahrheit ans Taglicht dringe.

.... Es ist eine natürliche Sache, daß eine solche große und nützliche Unter-
nehmung auf Gegner stieß. Jeder neue ursprüngliche und große Gedanke hat hin-
dernde Schranken zu überwinden. In der Geschichte der Weltkultur kann man


Rezensionen über die Anthropophyteia.

zu tausenden verzweifelter Kämpfe gegen neue Gedanken und neue Strömungen
verzeichnet finden. Leute ohne inneren Halt wollen mit ihren leeren Flinten hoch-
fliegende Adler töten, die sich um menschliche Erbärmlichkeiten nicht kümmern.
Solchen Leuten und Gegnern hat der Herausgeber der Anthr. das Vorwort des
II. B. zugedacht.

.... Aber, nicht allein in der großen Welt flieht man vor der Wahrheit.
Dasselbe Spiel wiederholt sich auch in der kleinen, nur in schlimmeren Formen.
Die k eine Welt duldet es um keinen Preis daß vor ihren Augen die Funken der
Wahrheit sprühen. (Anknüpfend daran bespricht Dr. Mitrovic dalmatische
und serbische Verhältnisse.)

Im Srpski Knjizevni glasnik, Belgrad, i. Juni 1907, bespricht Dr. Gera si m
P. I V e z i é auf S. 870 î. den IL В. der Anthropophyteia.

Der IL В. erschien bereits vor geraumer Zeit, den ersten B. aber zeigte ich hier
schon an (XV. S. 779—780). Jetzt hebe ich noch hervor, daß auch diesem II. B. eine
große Bedeutung zukommt, denn das darin gebotene Material ist voll wichtigster
Tatsachen für folkloristische Untersuchungen auf dem Gebiete der geschlechtlichen
Moral. In den Anthropophyteia ist der Schlüssel zu so vielen Erscheinungen unseres
kulturellen und geschlechtlichen Lebens, die zugleich in die sexuelle Psychopathie
hinübergreifen; die Spuren führen noch tiefer in das gesunde und frisch pulsierende
Volksleben. Darum ist das Jahrbuch lediglich für Gelehrte bestimmt und gelangt
nicht in den Buchhandel. Diese Vorsicht war schon wegen der rücksichtlosen Moral-
puritaner geboten, die diesem Unternehmen ihren Ingrimm zukehrten. Ihnen
erteilte Krauss in der Einleitung zu diesem Bande eine gebührende Abweisung.

........Dem Inhalt nach ist dieser II. B. viel mannigfaltiger als der erste.

Krauss ließ den Plan fallen, schon hier seine Sammlung südslavischer Volkerzahlungen
abzuschließen. Er gibt bloß drei weitere Abteilungen, in die auch zahlreiche unserer
Erzählungen von den Popen und Mönchen Aufnahme fanden. Viele davon sind,
wie Krauss hervorhebt, ähnlich den Schnurren und Schwänken der Fabliaux, Poggios,
Boccaccios und anderen romanischen Ursprungs. Über diese Ähnlichkeiten schrieb
in unserer Zeitschrift Dr. Tih. R. Gjorgjevic (XV^I. 3. Seite 226—231). Auch die
anderen zwei Abteilungen enthalten ebenso wichtige Sachen aus der serbischen
Überlieferung.

Von besonderer Bedeutung sind die übrigen Abteilungen dieses Bandes, die
ein gar reiches Material zur Erforschung der Volksprachen enthalten (folgt eine
Aufzählung). Als wissenschaftlicher Stoff sind alle diese Sachen hochwillkommen
den Gelehrten, die sich mit der Erforschung der Völker und des Völkerlebens befassen.
Der Einwand, den man von gewisser Seite gegen diese Publikation machte, ist
hinfällig, weil doch das Jahrbuch nur für Fachgelehrte berechnet ist, die die Ent-
wicklung der Sittlichkeit in allen ihren Formen, in den primitivsten des Geschlecht-
lebens, zu ergründen suchen.

In der Bosanska Vila (Sarajevo) vom 15. Dezember 1906 bespricht St. M. M. kurz
die Anthropophyteia wie folgt:

Wir haben Erzeugnisse des Volkgeistes, die nicht für die Öffentlichkeit taugen,
sondern nur für einen engeren Kreis. Das sind die sogenannten „fleischigen Ge-
schichten" (nursne price), die man so häufig zur Erheiterung in Gesellschaften


47P

Rezensionen über die Anthropophyteia.

erzählt. Gleichwae in den übrigen Schöpfungen unseres Volkgeistes, so spiegelt
sich auch in Erzählungen dieser Art sehr schön der Volkgeist oder seine bildnerische
Kraft ab. Bei uns druckt man solche Geschichten noch nicht öffentlich, im Abend-
lande jedoch veröffentlicht man sie im weiten Umfange und es ist eine ganze Wissen-
schaft über solche Stoffe entstanden.

Der ausgezeichnete Folklorist und treffliche Gelehrte, der mit ungewöhnlicher
Willenstärke und großer Aufopferung insbesondere unser serbisches Volktum
erforscht, Herr Dr. Krauss in Wien, sammelt auch derartige „fleischige Geschichten"
(sowie auch andere einschlägige Materialien) und druckt sie in dem Jahrbuch, dessen
Titel wir oben mitgeteilt haben. Er arbeitet auf diesem Gebiete unter Mitwirkung
oder im Verein mit einigen Forschern von Weltruf aus anderen vorgeschrittenen
Gesellschaftschichten. Ihr Ziel ist, vom Gesichtkreise dieser Stoffe aus, die sitt-
liche Entwicklungstufe der Völker im einzelnen abzuschätzen. Die Erhebungen
werden in den betreffenden Volksprachen mitgeteilt, verhochdeutscht und zum
Schluß erläutert usw. usw.

In The Journal of American Folk-Lore, Vol. XX, No. LXXVII, 1907 berichtet
Prof. Dr. Alexander Francis Chamberlain eingehend über
den Inhalt der Anthropophyteia und schließt mit den Bemerkungen:

The great variety of the material preserved in these volumes and its value to
the folklorist are evident ät a single glance, and Dr. Krauss deserves the warm
thanks of the scientific world for his remarkable labors in this field of research.
The three volumes of "Anthropophyteia" and the other minor works already publi-
shed by him represent a most substantial contribution to the literature of sexual
life among the folk of the chief European nations. And not least of the material
thus placed at the disposal of men of science may be reckoned the great body of
texts in both prose and verse in diverse European languages therein contained.
To Dr. Krauss the philologist, as much as the folklorist (and the psychologist with
them both), has ample reason to be grateful.

Im Augusthefte (1907) des Mutterschutzes, der Zeitschrift zur Reform der sexuellen
Ethik, Publikationsorgan des Bundes für Mutterschutz, hrg. von Dr. phil.
Helene Stöcker, empfiehlt Dr. Kind die Anthropophyteia I—III
wie folgt:

Wer, wie die Leser dieser Zeitschrift, an der Reform der sexuellen Ethik in-
tensiven Anteil nimmt, wird nicht umhin können, seinen Blick auf die Geschlechts-
moral zu richten, die die eigentliche der großen Masse ist. Gerade die prak-
tische Arbeit der Mutterschutzbewegung hat mit den Einzeltypen dieser Masse
zu tun. Nun wähnt man gemeinhin, die Sexualauffassung des „Volkes" aus aller-
hand Veröffentlichungen und eigenem Umschaun genügend zu kennen. Aber mit
nichten! Wer die erstaunlichen Sammlungen der Anthropophyteia durch-
blättert, wird sich vor die Brust schlagen und sprechen: Ich war ahnunglos bis
heute! Vielleicht entsetzt er sich und wird das Buch von sich stoßen. Aber: nichts
Menschliches sei dir fremd, der du nach Wahrheit suchst! Lies und lies wieder
und beschau die Natur, wie sie ist. Wenn dir die Erkenntnis vom Unabänderlichen
dämmert, wirst du stark sein und mit beiden Füßen auf dem Boden der Wirklich-
keit stehn. Und deine Reform wird sein wie ein Pflügen des Ackers, in Schweiß


Rezensionen über die Anthropophyteia.

471

und Freude, und mit der Gewißheit der Frucht. Schmetterlinge fangen ist
ein Pläsier; man spießt sie nebeneinander in Kästen zum Verstauben. Also auch
die Gebote und Wünsche einer nur ausgeklügelten Ethik; sie bleiben
tote Kuriositäten. Darum scheue niemand, in die Tiefen zu graben, bis das harte
Urgestein kommt. Dann erst kennt man die Krume, draus das Leben sprießt.
Aber wer Schwielen oder schmutzige Hände scheut, der bleibe daheim und lese
das Töchteralbum und vor allem: er rede den andern nicht drein und spuke ihnen
nicht in die Suppe, bloß weil sein Gustus ihm nach Pralinés steht.

Prof. Dr. Aschaffenburg bemerkt über den III. B. in seiner Monatschrift
für Kriminalpsychologie, IV. 5:

Die beiden ersten Bände sind bereits früher (2, 764) besprochen worden. An
diesem Bande haben eine große Anzahl von Mitarbeitern mitgewirkt. Auch für
den 3. Band gilt, was ich für die beiden ersten bemerken mußte. Er stellt eine
Materialsammlung dar, deren Wert für die Beurteilung der Völker und der Sitten
nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Aber es wäre wünschenswert, wenn
mehr Schlußfolgerungen aus dem angehäuften Material gezogen würden. Die Eigen-
art des Gegenstandes bringt es mit sich, daß nur der Spezialforscher es über sich
gewinnen wird und über sich gewinnen kann, alle Einzelheiten zu lesen. Für alle
anderen genügen die Schlußfolgerungen.

Dr. Karl Kunn in der Wiener Klinischen Rundschau, XXI. (1907)
S. 44 f. urteilt :

Dieses Jahrbuch erscheint unter strengstem Ausschluß der Öffentlichkeit nur
für Naturforscher, die gegenüber allen Greueln der Wirklichkeit abgehärtet sind
und sich in ihren Forschungen durch keinerlei ästhetische oder moralische Be-
denken beirren lassen. Ohne jede Üblrtreibung darf man sagen, daß mit der Anthro-
pophyteia die Erforschung des Geschlechtslebens in ein neues, vielverheißendes
Stadium getreten ist, indem man es nun auch in völkerpsychologischer Perspektive
betrachten kann. Prof. Dr. A. Eulenburg teilt über den II. Band der Anthro-
pophyteia in der D. L. Ztg. vom 6. Juni 1906 p. 1518 unter anderem mit: „Der
II. Band liefert mit seinem sehr viel reichhaltigeren und bunteren, zum weitaus
überwiegenden Teile gleichfalls der Eigenarbeit des Herausgebers entstammenden
Inhalte einen erneuten Beweis für die unverwüstliche Schaffensfreudigkeit, die
Arbeitskraft und Arbeitsausdauer des Mannes, dessen Name mit dem für Völker-
psychologie und Kulturgeschichte zu bedeutsamen folkloristischen Bestrebungen
unserer Zeit in unvergänglicher Weise verknüpft ist. " Das gleiche Lob und eine
nicht mindere Anerkennung gebührt Dr. Krauss auch für den III. Band, der
wieder seine beiden Vorgänger an Reichhaltigkeit und Gediegenheit der Mitteilungen,
Abhandlungen und Bilder, die auch einzig in ihrer Art sind, übertrifft. Man be-
greift es kaum, wie es möglich war, eine derartige Fülle bisher meist völlig unbekann-
ter Tatsachen über ursprünglichste Sitten, Gebräuche und Anschauungen des
Geschlechtsverkehrs noch in unseren Tagen inmitten der Slaven und Deutschen
zu ermitteln ! Das hier dargebotene volksmedizinische Material eröffnet dem Psycho-
pathologen und dem praktischen Arzte weite Ausblicke und ist für die Forschung
außerordentlich wertvoll. Hier zeigt sich unverhüllt die elementare Macht des
Geschlechtstriebes, der die Massen des Volkes sowie das einzelne Individuum auf-


472

Rezensionen über die Anthropophyteia.

peitscht und die Wege der Kultur verwüstet. Im Verein mit Dr. Krauss arbeiten
am Ausbau der Anthropophyteia noch viele Gelehrte mit, die mit ihren Beiträgen
eine ungewöhnlich innige Vertrautheit mit den verschleierten Bräuchen der Völker
bekunden.

Dr. Robinsohn ebenda in Nr. 27 v. 7. VII. 1907 urteilt:

Es liegt nun auch der dritte Band dieser Jahrbücher vor, die sich ih der
kurzen Zeit ihres Bestandes in der fachwissenschaftlichen Welt einen berechtigten
Ruf erworben haben. Bedeutende Forscher der Gegenwart in Europa und Amerika
besprachen das Unternehmen auf das liebevollste und eingehendste und alle stimmen
darin überein, daß damit neue und gesicherte Grundlagen für die Erforschung des
Geschlechtslebens geschaffen werden.

Der vorliegende Band übertrifft mit seinen 37 Abbildungen, mit der Reich-
haltigkeit und Mannigfaltigkeit der Erhebungen und Abhandlungen die ersten
zwei Bände. Es wird uns immer deutlicher, daß sich im Geschlechtsleben der Völker
seit den ältesten historischen Zeiten bis in die Gegenwart hinein keine grundlegen-
den Änderungen eingestellt haben ; man kann an der Hand der uns hier dargebotenen
Materialien das primitivste Geschlechtsleben einer Urzeit noch in der Gegenwart
studieren.

Von den 25 Beiträgen des vorliegenden Bandes sind besonders wichtig: Der
dritte über Beischlafausübung als Kulthandlung, der vierte über die Schwangere
und das Neugeborene im Glauben und Brauch der Völker, der neunte, der 104 deut-
sche Bauernerzählungen aus dem Ober- und Unterelsaß bringt, der zwölfte über
Liebeszauber der Völker, der vierzehnte über erotische und skatologische Kinder-
und Jugendreime aus dem Elsaß, der sechzehnte über Mittel zur Verhinderung
des Beischlafes, der siebzehnte über Homosexuelle nach hellenischen Quellen-
schriften und der neunzehnte Abschnitt mit kasuistischen Mitteilungen über 29 Fälle
von Sodomie bei den Südslaven. Auf Grund des letzteren Materials liefert Dr.
F^riedrichS. Krauss eine neue Lösung des psychologischen Problèmes der
Sodomie. Sehr wichtig sind die Auseinandersetzungen über alte peruanische Grab-
gefäße mit erotischen Gestalten und die gegenständlichen Mittel zur Befriedigung
des Geschlechtstriebes.

Das Werk bietet dem Gerichtsarzt, Psychiater, dem Ethnologen, Kulturhistori-
ker und nicht zum geringsten dem Strafrechtslehrer eine wichtige Fundgrube neuer
Materialien.

The Nation, New York, v. 21. März 1907 urteilt:

The third volume of "Anthropophyteia", the great work on sexual folklore,
just issued, is edited by Dr. Friedrich S. Krauss of Vienna, the distinguished South
Slavic ethnologist; and among the collaborators are such specialists as Achelis,
Bloch, Herrmann of Budapest, Pitre, Robinsohn, the late Dr. Obst of Leipzig, and
our own Dr. Boas of New York. The edition is limited, for the use of students only.
In this most important, and yet most difficult and repellent, département of eth-
nologic investigation the purpose of the work is to cover the whole field, but with
more special attention to Europe, particularly the Balkan peninsula, for which
Dr. Krauss is himself our best authority. The scope of inquiry ranges from primitive
anthropology to modern—*and decadent—civilization, through myth, ritual, song,


Rezensionen über die Anthropophyteia.

story, and proverb. Among the special topics treated, concerning which it is ob-
viously impossible to particularize, may be noted phallic survivals, supernatural
conception, betrothal and marriage customs, sexual hospitality, the jus primae
noctis, erotic dances, erotic tattooing, puberty, pregnancy, and childbirth
customs and beliefs, love charms, and proverbs. Previous volumes have treated
of South Germany, Italy, Sicily, Hungary, the Gypsies, and the Balkan provinces.
The present volume deals chiefly with Elsass, upper Austria, Servia, and the Magyars.
The illustrative texts are given in Magyar, Servian, and German, frequently in dia-
lectic forms, with accompanying glossaries, rendering the work of great value to
the philologist as well as to the ethnologist.

To the student of civilization the work is a revelation. Many of the myths and
customs recorded as still existing, particularly in the Balkan States, have unques-
tionably come down from remote pre-Christian antiquity, and many others, as
ancient in origin and crude in manifestation, are but recently extinct. Indeed,
the pervading bestiality of daily life and thought throughout whole provinces of
southeastern Europe must be a subject of deep concern to all interested in the
uplifting of the race.

Im American Anthropologist, N. S., 8. 1906, p. 381/2.

The second volume of the great work on sexual folklore, by Dr. Krauss of
Vienna, is at hand. It is issued with the collaboration of a number of distinguished
scholars and includes the whole range of custom, story, proverb, riddle, charm,
and song bearing on the subject as found in Vienna, Berlin, and the South German
provinces, Servia, Hungary, Elsaß, SicUy, and among the Gipsies. Original texts
are given in German, including dialectic forms, Servian, Magyar, and Italian, with
glossaries of special terms not known to dictionaries. While it is obviously im-
possible to particularize, it may be said that the work gives proof of a degree of
beastliness still existing in the daily life of whole European communities hardly
to be matched even among the Australian savages. Most of this, of course, is under the
surface, but in many sections it is an ordinary feature of national custom, as in
Hungary, where young men and women dance together to the words of improvised
obscene songs, while their elders look on approvingly. As usual the most sacred
things are held up to filthiest ridicule. As the reviewer has already had occasion
to remark in connection with the first volume (American Anthropologist, 1905,
VII, 127), it might be well for our statesmen to know enough of this work to ask
themselves seriously how much of such material they care to incorporate into our
American cizilization and citizenship. As a contribution to dialect study the volume
has a special value.

James Mooney.

Im American Anthropologist, N. S., 9, 1907, p. 189.

The third volume of Anthropophyteia deals chiefly with Elsass, upper
Austria, Slavonia, Servia, and the Magyar country, It contains chapters on popular
customs and beliefs in connection with puberty, pregnancy, and chüdbirth, love
charms, phallic survivals, erotic rhymes, and proverbs, and other things relating
to sex cult as found either in primitive society or in a degenerate civilization. The
illustrative selections are given in Magyar, Servian, and German, with accom-


474

Rezensionen über die Anthropophyteia.

panying glossaries. Among the collaborators are a number of prominent physicians
and men of science of Germany, Austria, Italy, and the United States.

James Mooney.

Otto Schell in der Zeitschrift d. Vereins für rheinische u. westfälische Volkskunde,
Elberfeld 1907 (IV), S. 69 f.

Band I dieses großzügig angelegten Werkes besprachen wir im II. Bande dieser
Zeitschrift, S. 172 ff. Wir können uns unter Beziehung darauf hin kürzer fassen.

Die Frage nach der Berechtigung oder gar Notwendigkeit derartiger Forschun-
gen scheint m. E. durch den II. Band hinreichend beantwortet zu sein. Wer die
Notwendigkeit solcher Forschungen verkennt, der lese beispielsweise nur das Kapitel
,,Elsässische Erotik" S. 249 ff. dieses Bandes, aber unbefangen und vorurteilsfrei.
Anders liegt die Frage, ob es jedermann zusagt, sich mit derartigen Untersuchungen
zu befassen. Diese Frage muß natürlich schon auf Grund der einfachsten psycho-
logischen Gesetze entschieden verneint werden. Wer sich aber nicht berufen fühlt,
in diesen Stoffen zu forschen, zu arbeiten, der soll das redliche Forschen anderer
wenigstens nicht begeifern. Dafür stehen die Mitarbeiter der Anthropophyteia
denn doch durchweg zu hoch und zu geachtet in der Wissenschaft da. Es sei nur
noch eine kurze Ausführung des Abgeordneten Heine aus einer im Reichstag am
12. November 1905 gehaltenen Rede, welche auch das Vorwort der Anthropophyteia
bringt, hier angeführt. Sie lautet: „Hinter diesem Kampf gegen die angebliche
unsittliche Literatur verbirgt sich die Absicht, die Erörterung des Natürlichen
und des Wahren noch mehr einzuengen, als es heute schon der Fall ist; die Absicht,
Kunst und Wissenschaft zu beschränken, in der Kunst die Darstellung des Nackten,
in der Wissenschaft die Verbreitung der Kenntnis vom Natürlichen zu bekämpfen
und zu unterdrücken. — Es geht eine aligemeine Tendenz durch gewisse Kreise,
eine Tendenz des unwahren, unkeuschen Muckertums."

Band II der Anthropophyteia ist vielseitig und inhaltreich. Das beweisen
schon die Hauptkapitel: 1. die Anthropophyteia im Sprachgebrauch der Völker;
2. Volkswitz in Rätseln; 3. Beiträge zur Sprichwörterforschung; 4. Deutsche Volks-
lieder. Dann folgt eine Reihe kleinerer Abhandlungen: Magyarische Reigentanz-
lieder aus der Großwardeiner Gegend, Erzählungen moslimischer Zigeuner, Hean-
zische Schwanke, städtische Erzählungen, ein Beitrag aus Sizilien, Elsässische
Erotik. Ein größerer Abschnitt gibt dann als Fortsetzung südslavische Volks-
überlieferungen. Ein Anhang bringt Bücherbesprechungen, verschiedene An-
fragen usw.

Man sieht schon aus dieser Übersicht, daß die Verfasser das gesteckte Ziel
folkloristische Erhebungen und Forschungen zur Entwickelungsgeschichte der
geschlechtlichen Moral, zielbewußt im Auge halten, denn in diesem Titel steckt
eine universale Tendenz, welche gerade der Volkskunde im allgemeinen eignet.
Die Grundlage ist in diesen beiden Bänden gelegt: auf den Weiterbau des großen
Werkes sind wir gespannt.

Mit der Anthropophyteia stellt sich die Volkforschung vor allem in den Dienst
der Psychopathie, der Ethnologie und Anthropologie. Was dem Arzte bisher in
Kliniken und Spitälern als eine krankhafte Erscheinung entgegentrat, lernt man
auf einmal auf breitester Grundlage in jenen Formen erkennen, die das Volks-
und Völkerleben als normal gewordene Entwicklungen aufweist. Hier reicht unser


Rezensionen über die Anthropophyteia.

475

üblicher ästhetischer Maßstab nicht mehr aus ; er ist sogar unnütz bei der Bewertung
des auf- und abflutenden Lebens. Auch unsere literarhistorischen und bibliographi-
schen Quellenstudien haben neben dieser ungeahnten Fülle von Tatsachen die.
alle tief in der Geschichte der menschlichen Gesittung ihren Ursprung haben, eine
nebensächliche Bedeutung. Hier muß der Folklorist zum Naturforscher aufsteigen,
um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Jeder Blick, den uns die Anthropophyteia
hinter die Kulissen der menschlichen Zeugung werfen läßt, läßt uns immer deut-
licher die Kräfte erkennen, die das Gedeihen und Hinwelken eines Volkstums be-
dingen.

Wir können nach Einsichtnahme des II. Bandes der Anthropophyteia dem
Werke nur ein gutes Gedeihen wünschen und bedauern, auf den reichen Inhalt
hier nicht weiter eingehen zu können. S.

0. Schell ebenda S. 153—155.

Der uns jetzt vorliegende III. Band beweist, daß sich das Jahrbuch immer reicher
und vielseitiger entfaltet; immer mehr wächst der Kreis der Mitarbeiter im In-
und Auslande ; immer klarer tritt der hohe wissenschaftliche Wert dieser Erhebungen
auf den verschiedensten Gebieten hervor. Aber diese Wissenschaft befruchtet un-
mittelbar das praktische Leben, sei es bei der Justiz, der Pädagogik, der Medizin,
der Seelsorge usw. Man halte in letzterer Beziehung etwa nur dazu, was Graf von
Hoensbroech in seinem stark verbreiteten Werke über ,,Das Papsttum in seiner
sozial-kulturellen Wirksamkeit", namentlich dem 2. Teile z. B. über die Beichte,
Ehe usw. schreibt. Elf gut ausgestattete Tafeln mit Darstellungen der verschieden-
sten Art erläutern den Inhalt von diesem Bande, dessen wichtigste Kapitelüber-
schriften lauten: Die Anthropophyteia im Sprachgebrauch der Völker. Beischlaf-
ausübungen als Kulthandlung. Die Schwangern und das Neugeborene im Glauben
und Brauch der Völker. Reime beim Fensterin aus Steiermark. Magyarische Erotik.
Die Jungfräulichkeitsprobe. Erzählungen von Magyaren. Deutsche Bauern-
erzählungen. Beiträge zur Sprichwörterforschung. Volkswitz in Rätseln. Liebes-
zauber der Völker. Erotische Volkslieder aus Österreich. Erotische und skato-
logische Kinder- und Jugendreime aus dem Elsaß. Skatologische Inschriften. Die
Homosexuellen nach hellenischen Quellenschriften. Volksglaube und Sexualdelikte.
Südslavische Volksüberlieferungen. Phallische Amulette aus Oberösterreich. Die
heiligen Gorgone. Vom Büchertisch usw.

Schon diese kurze Übersicht zeigt das immer tiefere Eindringen in alle Zweige
des Geschlechtslebens, um zu einem ruhig abwägenden Urteil zu gelangen.

Krauss sind wir aufrichtigen Dank schuldig für die Inangriffnahme dieses
großen Unternehmens, das in die Tiefen menschlicher Leidenschaften hinabsteigt,
um die Höhen ruhiger, Vorurteil loser Reflexion zu ermöglichen. Die Volksforschung
erfährt hier eine außerordentliche Vertiefung. Allerdings müssen wir zugeben,
daß unser deutsches Volk, was übrigens eine für seinen Kulturzustand erfreuliche
Erscheinung ist, für die Anthropophyteia lange keine so ergiebige Stoffe zu liefern
hat, wie die Südslaven, die uns mit ihrer Voiükberlieferung förmlich in eine Urzeit
des Menschengeschlechtes zurückversetzen und uns Kult- und Kulturformen zeigen,
die in ihrer Ursprünglichkeit beinahe alles übertreffen, was wir bisher anderweitig
erfahren konnten. So unsäglich abstoßend diese Tatsachen des Völkerlebens auch
sind, man muß sie als wissenschaftlich zuverlässig ermittelte Entwicklungformen


47б

Rezensionen über die Anthropophyteia.

kennen und erkennen lernen, um die Anfänge unseres eigenen Volktums zu be-
greifen. Hier kommt jeder Forscher auf seine Rechnung, der Folklorist, der Ethno-
loge, der Anthropologe, der Jurist, der Mediziner, der Kulturforscher und der
Ästhetiker, denn das unverhüllte, unverschönte Volksleben spricht uns an, und
wir müssen darauf hören. Mit den Anthropophyteia hebt eine Umwertung bisheriger
Schullehren und Lehrmeinungen an.

Ein Ungenannter urteilt im Repetitorium der praktischen Medizin, Monatsberichte
für praktische Ärzte. 4. Jahrg. Heft 8 :

Ein eigenartiges Unternehmen liegt vor uns: ein Jahrbuch für folkloristische
Erhebungen und Forschungen zur Entwicklungsgeschichte der geschlechtlichen
Moral.

Wenn wir das Werk zum erstenmal in die Hand nehmen, sind wir versucht die
Frage: ist eine solche Sammlung vom Denken und Sprechen der Völkerseele in Ge-
schlechtsfragen lebensberechtigt? — mit „nein" zu beantworten. Aber kaum hat
man sich mit dem Inhalt nur oberflächlich bekannt gemacht, als man auch schon
mit großem Interesse den ernsten Ausführungen folgt und den großen Wert der
Publikationen für die Hebung der sexuellen Ethik anerkennt; denn ohne Kenntnis
der Geschichte — kein Ausbau. A priori ist eine solche Sammlung in der Haupt-
sache an eine Bedinguung gebunden — nämlich möglichst viel Tatsachen
zusammenzutragen. Dann wird sie dazu beitragen an der Lösung noch offenbar
psychologischer Probleme. Werden also diese Forderungen erfüllt, dann ist die
wissenschaftliche Berechtigung des Werkes nicht mehr zu bestreiten. — Nun im
Krauss sehen Werke werden sie erfüllt. Man lese nur den Artikel des Heraus-
gebers : Beischlafausübung als Kulthandel, die Ausführungen Pachingers :
Die Schwangere und das Neugeborene im Glauben und Brauch der Völker. — Hier
erfährt der Arzt auch einige neue Daten aus dem Aberglauben in geburtshilflichen
Dingen bei den Deutschen in Oberösterreich und den Grenzgebieten. Ein Teil dieser
Volksbräuche und des Aberglaubens ist vielleicht von Ungarn übernommen worden,
da wir in dem Werke von Temesvâry viele auch finden.

In den deutschen Bauernerzählungen von W e r n e r t wird es nun zum ersten-
mal auffallen, daß in dem Werke — wenn auch nicht gerade zu seinem Nachteil,
sicher auch nicht zum Vorteil — Dinge berührt sind, die mit der Entwicklungsge-
schichte der sexuellen Moral nichts zu tun haben und vielleicht prinzipiell auszu-
scheiden wären. — Die Aufsätze von Godelück ; Liebeszauber der Völker,
von В1 ü m m 1 : Erotische Volkslieder in Österreich, sind zweifelsohne wertvolle
Beiträge für die hier ins Auge gefaßten Ziele. — In seinem Aufsatz über die Mittel
zur Verhinderung des Beischlafs bringt der Herausgeber wieder dem ärztlichen Leser-
kreis interessante Beiträge. Wir erfahren zunächst, daß ein Teil der historischen
Keuschheitsgürtel praktisch gar nicht verwertbar waren. Die Anwendung des In^-
strumentes überhaupt dürfte aber nicht zu bezweifeln sein. Als weitere Mittel zur
Verhinderung des Beischlafes werden genannt: Einschieben eines Tannenzapfes
in die Vagina (wegen dieses „Deliktes" wurde ein slovenischer Bauer zur Gefängnis-
strafe und zur Einwilligung in die Scheidung verurteilt). Ferner Ätzen der Vaginal-
gegend, wobei der Schorf jede Berührung schmerzhaft machen soll u. a. m.

Die Beiträge „die Homosexuellen nach hellenischen Quellenstudien" von
O. Knapp. „Von sodomitischen Verirrungen" usw. berühren Fragen, die gerade


Rezensionen über die Anthropophyteia.

477

in den letzten Dezennien in vielen Publikationen zu wissenschaftlichen Betrachtungen
herangezogen wurden; Fragen, an deren Aufklärung der Arzt mitzuarbeiten haben
wird.

Der Schluß des Werkes bildet eine Reihe von Mitteilungen kulturhistorischen
Inhaltes vom Herausgeber, (der auch viele anthropologisch-ethnographische Studien
schon veröffentlicht hat) worunter die Darlegungen über die gegenständlichen
Mittel zur Befriedigung des Geschlechtstriebes (beim Weibe) für den Arzt spezielles
Interesse haben, da solche „Liebhabereien", ebenso wie die oben erwähnten Bei-
schlafverhinderungsmittel, manchmal zu operativen Eingriffen führen.

Nach diesem fragmentösen Überblick über den Inhalt des vorliegenden Werkes
müssen wir eingestehen, daß das Sammeln folkloristischer Erscheinungen der
Entwicklungsgeschichte der geschlechtlichen Moral eine unerläßliche Grundlage
ist, worauf wir besonders jene hinweisen, die mit dem Ausbau der sexuellen Ethik
in den letzten Jahren sich beschäftigten.

Das Werk ist im Buchhandel nicht zu erhalten und dadurch ist Vorsorge ge-
troffen, daß es nicht in unrechte Hände gelangt. Man bezieht das Buch direkt vom
Verlag, der alle Bestellungen eingehend prüft.

Eine Anzahl Tafeln mit guten Autotypien geben dem Texte gute Unterlagen
beim Studium. J.


Ein internationales
Monumentalwerk.

Von höchstem Interesse für Ärzte, Künstler, Schrift-
steller, Biologen, Juristen und jeden Gebildeten überhaupt

:: Forschungen ::

über gleichgeschlechtliche
Liebe aller Kulturvölker.

Von Prof. Dr. Friedrich Karsch-Haack, Berlin.

Als erste Abteilung ist erschienen:

Das gleichgeschlechtliche Leben
der Ostasiaten: Chinesen,
Japaner, Koreaner.

Preis in Bütten-Einband M. 4.—,
in Leinwand gebunden M. 5.—.

Der Leitgedanke dieser Arbeit ist, daß Päderastie und Tribadie als
Wirkungen des Geschlechtstriebes nicht „Laster", sondern immer und
überall vorkommende Erscheinungen sind, die weder Geringschätzung,
noch verachtungsvolles Totschweigen, noch gesellschaftliche Ächtung,
noch brutale Verfolgung durch das Gesetz verdienen.


Von den vielen glänzenden
Besprechungen seien hier folgende vier

angeführt :

„Mit äußerster Sachlichkeit wird in dem Buche eine Nachtseite der
menschlichen Psyche untersucht, die bei abend- wie morgenländischen
Völkern in Erscheinung tritt. Der Verfasser bringt den Beweis, daß
sowohl bei Völkern der Vollkultur wie bei denen der Halbkultur Päde-
rastie und Tribadie als Wirkungen des krankhaften Geschlechtstriebes
auftreten. Die beigebrachten Beleuchtungen, namentlich japanischer
Erotik, sind von hohem ethnologischen Interesse. Literatur und dar-
stellende Kunst bringen dem Autor reiches Material für seine Unter-
suchungen.44 (Bcitre ^ Kenntnis des Orients. Bd. III.)

„Wie schon das erste vorliegende Heft des neuen Werkes: „Die
gleichgeschlechtliche Liebe der Ostasiaten (Chinesen, Koreaner, Japaner)",
erkennen läßt, handelt es sich hier um eine groß angelegte, außerordentlich
interessante, auf einem wissenschaftlich möglichst gesichteten, fast über-
reichen Material basierende Arbeit. Im ganzen sind etwa zwanzig, alle
drei Monate erscheinende Fortsetzungen geplant, so daß ein großes werk
resultieren wird, das für Ärzte, Juristen, Gesetzgeber, Soziologen und
Ethnologen ein gleich großes Interesse bieten wird."

„Münchner Neueste Nachrichten."

„Der vorliegende Band zeugt von einer großen Belesenheit und
Literaturkenntnis auf ethnologischem Gebiete. Ob Verfasser damit die
„medizinische" Theorie der Homosexualität gegenüber der von Bloch
vertretenen anthropologisch-ethnologischen Theorie wieder überall her-
stellen wird, erscheint zunächst noch zweifelhaft. Ein abschließendes
Urteil wird sich wohl erst nach dem Erscheinen der übrigen Bände
bilden lassen. Auf alle Fälle aber bilden K/s Studien ein wichtiges
kulturhistorisches Moment der sozialen Hygiene und seien als solches

allen Fachleuten empfohlen." nSoziale Medizin und Hygiene.»

„Verfasser hat vor, das Vorkommen der Homosexualität bei allen
Rassen zu studieren, und der I. Band hierüber, die Ostasiaten betreffend,
liegt uns vor. Wer da glaubt, daß er hier für den Sinnenkitzel Material
finden wird, ist bitter enttäuscht. Es handelt sich vielmehr um eine
höchst wissenschaftliche und musterhafte Darstellung des Gegenstandes,
die außerdem für den Kulturhistoriker, Rechtsgelehrten usw. noch viel
mehr enthält als der Titel besagt, nämlich eine ganze Menge kultur-

Ïeschichtlicher Momente; so über Charakter, Rasse, Rechtsgrundsätze,
)ichtung, Kunst usw. Mit einem staunenswerten Bienenfleiße hat Ver-
fasser das Material gesammelt und kritisch gesichtet. Das Werk ist
jedem ernsten und denkenden Leser angelegentlichst empfohlen "

Med.-Rat Dr. P. Näcke.


Von Georg Hirth's „Kleineren Schriften" sind bisher

erschienen :

Wege znr Kunst
Wege znr Freiheit

Wege zur Liebe

zur Heimat

(erscheint 1908)

4 starke Bände in Original-Leinwandband à 5 Mk.
Jeder Band ist einzeln käuflich.


Vereinigung deutscher und
oesterreichischer Bibliophilen.

Geschäftsstelle: Willy Schindler, Berlin W. 50, Pragerstrasse 22.

Aus den Memoiren einer Sängerin.

(Wilhelmine Schroeder-Devrient) Privatdruck in 300 num.
Expl. - Br. M.25.— (Kr. 30.—); in Leder M.30 — (Kr. 36.-).

Eine musterhaft ausgestattete und neu durchgesehene Ausgabe des
berühmtesten und besten deutschen Eroticums.

Des Giulio Romano 16 Zeichnungen zu den
wollüstigen Sonetten des Pietro Aretino.

Privatdruck in 200 num. Expl. 16 Lichtdrucke; in Carton-
mappe M. 30.— (Kr. 36.—); in Leder M. 35.— (Kr. 42-).

Giulio Romano, der stärkste Erotiker der italienischen Renaissance,
repräsentiert die schon im Taumel überschäumende, strotzende Kraft,
die stürmisch begehrt und genießt. Bei ihm kommt die Sinnlichkeit
sozusagen zu ihren letzten Rechten. — Und so realistisch die Darstellung
ist, von ebenso wunderbarer Schönheit erstrahlt sie.

Ed. Fuchs, D. erot. Element i. d. Karik., p. 18—19.

Die Blätter sind nicht zu verwechseln mit den letzthin in einem Wiener Lieferungswerk
reproduzierten Bildern.

Pietro Aretino: Die wollüstigen Sonette.

Deutsch von Dr. H. vom Semmering. Privatdruck in 1000
num. Expl. nur für die Mitglieder der „Vereinigungu, an
die er kostenlos abgegeben wird.

Théophile Gautier : Brief a. d. Präsidentin.

(Reise in Italien.) Deutsch von Dr. Willy Heine. Privat-
druck in 1000 num. Expl. — Br. M. 7.50 (Kr. 9.—); in Leder
M. 10.— (Kr. 12—).

Der bekannte Gautier-Übersetzer Dr. H. H. Ewers stellt diesen—allerdings
kaum druckbaren — Reisebericht weit über Goethes „Italienische Reise".


Dokumente zur Sittenge-
schichte der Menschheit.

== Herausgegeben von Dr. Willy Heine. =

I. H. ö. R. Graf von Mirabeau: Meine Bekehrung.

Übersetzt und eingeleitet von Dr. Fr. Deditius. Privatdruck
in 500 num. Expïï — Br. M. 20.— (Kr. 24.—); in Leder
M. 25.- (Kr. 30.-).

Es gehört zu den besten Büchern der literature licencieuse; es ist
von einer genialen Frechheit und hat im Tone und Temperamente
nicht seinesgleichen._Dr. rranz Blei.

IL Das erotische Theater der Rue de la Santé.

Übersetzt und eingeleitet von Dr. Fr. Deditius. Privatdruck
in 300 num. Expl — Br. M. 20.— (Kr. 24.—); in Leder
M. 25.- (Kr. 30.-).

Die in diesem Bande gesammelten 7 Stücke bekannter französischer
Dichter haben, trotzdem sie von geradezu zügelloser Erotik sind, einen
hohen literarischen und künstlerischen Wert und sind von enormem
kulturhistorischem Interesse.

III. Der Karthäuser-Pförtner oder Die Memoiren
des Dom Bougre, gen. Saturnin, =

von ihm selbst erzählt Privatdruck in 500 num. Expl. —
Br. M. 20.— (Kr. 24.—); in Leder M. 25.— (Kr. Зо.—).

Eines der amüsantesten und originellsten Erzeugnisse der erotischen
Literatur, das im Zeitalter Casanovas und de Sad es in der Geheim-
abteilung keiner Bibliothek fehlen durfte. Es schildert in äusserst
drastischer Weise das ausschweifende und zügellose Leben der Karth-
äusermönche im Mgalanten Jahrhundert".___

IV. Gustave Droz: Ein Sommer auf dem Lande.

Deutsch von J. Berg. Privatdruck in 400 num. Expl. —
Br. M. 12.— (Kr. 14.40); in Leder M. 15.- (Kr. 18.-).
8 Original-Gravuren dazu M. 10.— (Kr. 12. - ).

Ein glänzender, schon in mehrere Sprachen übersetzter Roman des be-
rühmten Dichters, der die Erlebnisse zweier junger Pariserinnen schildert.

V. V Ii

Taumel der Wollust.

Roman. Privatdruck in 400 num. Expl. — 2 Bde. Br. M. ?5.—
(Kr. 30.-); in Leder M. 30.— (Kr. 36.—).

Diese Jugendarbeit eines berühmten und gefeierten deutschen Romanciers
gibt eine derart komplette, derart drastisch-plastische und realistische
Veranschaulichung des „Erotisch-Möglichen", wie sie wohl in keinem
zweiten Werk dieses Genres zu finden ist. Das Buch stellt sich den
bedeutendsten Eroticis der Weltliteratur durchaus ebenbürtig an die Seite.


Dokumente zur Geschichte
des menschlichen Sexuallebens

= Herausgegeben von Dr. Willy Heine. =

D.: Die Wonnen der Rute (Les callipyges).

Deutsch von Dr. P van Houten. Privatdruck in 700 num.

аЇЇіГ \ m гГ- ВГшМЧ15;- <Кг8--); і" Leder M 20.-
(Kr. 24.—). 10 Orig.-Illustrationen dazu M. 10.- (Kr. 12.—).

Die erste ungekürzte und ungemilderte deutsche Ausgabe des besten und
erschöpfendsten Buches, das je über den Flagellantismus - namentS
in seiner sapphischen Form - geschrieben wurde

Trix: Die Flagellantin (La fouetteuse),

Deutsch von Dr. A. Müller. Privatdruck in 500 num. Expl. —
Br. M. 15.— (Kr. 18.-); in Leder M. 20.- (Kr. 24-).

Dieses Werk ist — wie vielleicht kein zweites — geeignet, die sadistisch-
masochistischen Gelüste des Weibes psychologisch verständlich zu
machen. Der Verfasser gibt uns die Belcenntnise einer flagellantistisch
veranlagten Erotomanin und schildert in meisterhafter Weise, auf was
für Abwege sie ihre Leidenschaft führt — bis zur gänzlichen Hintan-
setzung aller Moralprinzipien!

Geheime Wonnen.

Masochistische Episoden aus dem Leben des Baron von S.
2 Bde. Privatdruck. — Br. M. 6.— (Kr. 7.20).

Bd. I. Großstadt-Ereignisse: Erste Jugend. — Madame Wanda. —
Olga. — Mama Dannebergs Pension. — Der Rutenklub. — Abschied.
Bd. II. In der Herrschaft des Weibes: Die neue Herrin. — Die ersten
„Fünfundzwanzig". — Das strenge Kammermädchen. — Tante und
Nichte. — In süßer Rutenzucht. — Eine harte Strafe und deren Folgen.

Wie man früher „erzog":

Geschichten aus dem Erziehungs- und Strafwesen in der
guten alten Zeit 2 Bde. Privatdruck. — Br. M.6.— (Kr. 7.20).

Bd. I. Wie Frau Käthe mit unartigen Buben verfährt. — Ein liebevoller
Gesindevater. — Strafmethode der governeß Grishild. — Wegen Obst-
diebstahls. — Fräulein Lehrerin.

Bd. II. Geteilte Schmerzen. — Die Nichte des Oberlehrers. — Strenges
Regiment in einem Konfektionsgeschäfte. — Wie Frau Hauptmann in
Abwesenheit ihres Gatten dessen Rekruten ..erzieht". — Die Erziehung
im Zuchthause zu S.....

Masochistische Abenteuer eines Weltenbummlers.

2 Bde. Privatdruck. Br. M. 6.— (Kr. 7.20).

Bd. I. Die tolle Gräfin. — Bd. II. Sascha.

Geradezu glänzend geschriebene, spannende Novellen.


Das erotische Element
in Literatur und Kunst.

Ein Beitrag zur Erotologie von Willy Schindler,

Preis: M. 2 — .(Kr. 2.40).

Ein sehr instruktives Werkchen, das namentlich über die
in den letzten Jahren in deutscher Sprache erschienenen
Privatdrucke erotischen Charakters vortrefflich orientiert

Le Poitevin: Les diableries erotiques.

20 Blatt mit 39 Zeichnungen. Privatdruck in 500 Expl. Voll-
ständig vergriffen! — Antiquarisch statt M.20.— nurM. 12.—.

Es überragt nicht nur die zeitgenössische erotische Karikatur, es überragt
alles, was bis dahin an erotischer Karikatur überhaupt geschaffen worden
ist, und es ist weiter sehr die Frage, ob auch seither ein Werk entstanden
ist, das an Kühnheit und Witz dem Le Poitevinschen nahekommt, ge-
schweige denn es überragt Fuchs, D. erot Element i. d. Karik., pag. 206.

Marquis de Sade: Justine und Juliette.

Mit den 104 Orig.-IIlustrationen. Privatdruck in 500 num.

Expl. 4 Bde. — Statt M. 125.— nur M.60.—.

^= Einzige ungekürzte und ungemllderte deutsche Ausgabe. =

Arelino: Gespräche. 2 Bde. (Insel-Verlag)

Bayros: Die Grenouillère. 15 Blatt in Mappe

Blühende Gärten des Ostens. Illustriert

Celander: Der verliebte Studente.

Diderot: Die geschwätzigen Kleinode. Illustriert

Meursius: Gespräche der Aloisia Sigaca.

Mirabeau: Erotica biblion.

Musset: Gamiani oder zwei tolle Nächte.

Opale. Jahrgang I. Heft I—IV.

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M. 10.—.
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M. 60.-
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M. 36.—.

Antonio: Im Rausche der Sinne. 2 Bde.
Schaumburg: Göttin Frau. 2 Bde.

M. 12.—.
M. 12.—.

Wer ständig über alle wichtigeren Neuerscheinungen von Eroticls, Liebhaber-
w rken, Kuriosis
etc., von werken über Sadismus, Masochismus, Flagellan-
tl mus
usw. sowie überhaupt von sexualwissenschaftlicher Literatur orientiert
zu werden wünscht, beliebe seine Adresse dem Verlag

Willy Schindler,

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bekannt zu geben. Die Zusendung der Kataloge, Subskriptionsprospekte etc.
erfolgt kostenlos und franko in geschlossenen Briefen.

6


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Jahrbuch für
sexuelle Zwischenstufen

mit besonderer Berücksichtigung der Homosexualität.

Herausgegeben unter Mitwirkung namhafter Autoren im Namen des
wissenschaftlich-humanitären Komitees von Dr. med. Magnus Hirschfeld.

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II. „ 1900 ff M. 7.— „ „ M. 8.50
III. „ I90I ff M. 10.— „ „ M. 11.50
IV. „ 1902 ff M. 16.— „ „ M. 17.50
V. »903 ff M. 22.— „ „ M. 25,— 2 Bände
VI. 1904 ff M. 12.— „ „ M. 13.50
VII. 1905 ff M. 18.— „ „ M. 21.— 2 Bände
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Der IX. Jahrgang erscheint erst Frühjahr 1908.

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wissenschaftlichem, sondern von aligemein psychologischem Ge-
sichtspunkt die größte Beachtung verdient

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Bisexualität. Von Dr. M. Hirschfeld. Preis M. 3.50.

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VK fcWtHU WHUHłWlMU Von Emile Laurent, preis M> $i_ geb. M. 6.25.

»as konträre Qescntechtsgefahl. v°" *g£* ~ь. » 7Л5.
Die Polygamie in sozialer nno rechtlicher gczichnng.

Von Dr. med. Samuelo. Preis M. —.50.

Verbrochen h&r fîoho Eine sozial-pathologische Studie. Von Irma
ТеГИГСШеД Wl LKW* von Troll-Borostyâni. Preis M. 1.50.

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Die 6ebrechen nnô Sttuden 5er Sittenpolizei aller Zeiten,

vorzüglich der Gegenwart. Von Dr. Henne am Rhyn, Staatsarchivar.

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Ein Beitrag zur Aufklärung. Von Dr. J. E. Meisner. Preis M. 1.—.

Ufo f lûhù sit 1fnfiefaj0f1f Ein moderner Dialog im Sinne Pia tos. Von
JMS UKW au JUUUlWUft. Lothar Brieger-Wasservogel. Preis M. — .60.


Für die Inserate ist die Redaktion der Anthropophyteia

nicht verantwortlich.

Deutsche Verlagsactiengesellschaft, Leipzig.

Eduard Kulkes

erzählende Schriften

Herausgegeben von Dr. Friedrich S. Krauss.

Band 1. Der Glasscherbentanz. Die LichtanzOnderin. Zwei Erzählungen.

Band 2. Eigene Haare. Heimweh. Zwei Erzählungen.

Band 3. Schnurrige Käuze. Kurze Erzählungen.

Band 4. Ein Gang ins Narrenhaus. Das grosse Los. Zwei Erzählungen.

Band 5. Die Töpferscheibe. Anna. Zwei Erzählungen.

Preis eines jeden Bandes brosch. M. 2.—, eleg. geb. M. 3.—.

Eduard Kulke war bei Lebzeiten nur einem engeren Kreise literarischer Fein-
schmecker als einer der Meister deutscher Novellistik bekannt.

Von Beruf Physiker, Ästhetiker und Musikkritiker, bewährte er sich noch
weitaus mehr als moderner Erzähler von plastischer Kraft und von bezwingender
Anmut. Er hat das Frauenherz, die Güte und die Bosheit der Menschen ergründet.
Er erfaßt die Typen, die dem Volke ein Gesicht verleihen, ist ein Seelenschilderer
und gibt immer auch Handlungen, wie sie das stürmische Leben schafft,

Durch den Eifer des Dr. Krauss gewinnt die deutsche Literatur einen Klassiker
vollendeter Erzählungskunst, dessen Schriften einen bleibenden Wert besitzen.

Verlag von Louis Marcus in Berlin S. W. 61

Das jSexualleben unserer Zeit

In seinen Beziehungen zur modernen Kultur

von Dr. med. Iwan Bloch

Spezialarzt f. Haut- u. Sexualleiden in Berlin-Charlottenburg. Verf. von „Ursprung d. Syphilis" etc.

Zweite und dritte vlelfaoh verteuerte und vermehrte Auflag*. 6.—18. Tausend.
880 Selten. Lexikon-Format. Freie : brosch. Mk. 8,—, y ebd. Mk. 9.50.

Ein Fundamentalwerk, dem keine Literatur etwas Ahnliches an die Seite stellen kann !

Prof. Dr. Petermann-Dresden.

Sexualbiologie

Vergleichend-entwicklungsgeschichtliche Studien über das
Geschlechtsleben des Menschen und der höheren Tiere

Von Dr. Robert Müller

o. Professor für Tierzucht an der landw. Akademie Tetschen-Liebwerd und Privatdozent an

der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden.

Preis broschiert 6.— Mark, gebunden 7.20 Mark.

Gegen franko Einsendung des Betrages liefert die Verlagsbuchhandlug von Louis Marcus

in Berlin S. W. 6i franko und portofrei.


Deutsche Verlagsactiengesellschaft, Leipzig.

Historische Quellenschriften
zum Studium der Anthropophyteia.

Herausgegeben unter Mitwirkung hervorragender
Ethnologen, Folkloristen und Kulturforscher von

Dr. Friedrich S. Krauss.

Der I. Jahrgang umfasst nachbenannte vier Bände mit rund 34 Druck-
bogen gr. 8°. Jeder Band gut gebunden mit imitiertem Schweinslederrücken
und feinem Goldaufdruck.

Band I. Volkstümliche Dichtungen d. Italiener. Deutsch V Jakob Ulrich.

Inhalt: Einleitung. I. Liombruno. II. Geschichte von drei verzwei-
felten Burschen und drei Feen. III. Novelle von den drei Frauen» die
einen
Ring fanden. IV. Grillo als Arzt. V. Campriano. VI. Der Eifer-
süchtige. VII. Die Nencia von Prato Oder die Feile. Nachtrag zur Einleitung.

Belfagor. Mandragola. Nachwort.

Band II. Deutsche Schwankerzähler des XV. bis XVII. Jahrhunderts.

Heinrich Bebel's Facetien, herausgegeben von Karl Amrain. (Einleitung

LV Seiten.) Die Sprüche, welche Heinrich Bebel, der Poet, in seiner

Jugend geschrieben hat. (93 Erzählungen.)

Band III. Jakob Frey, Michael Lindener und Graf Frohen von

Zimmern, herausgegeben von Karl Amrain. (185 Erzählungen.)

Band IV. Adrian Wurmfeld V.Orsoy, August Tünger und Ungenannte.#

Herausgegeben von Karl Amrain. (42 Erzählungen.)

Einzeln werden die Bände nicht abgegeben.

Preis obiger 4 Bände M. 20 —

Beiwerke zum State der Anthropophyteia.

Band I. Die Zeugung in Glauben, Sitten und Bräuchen der Völker

von Jakob Anton Dulaure. Verdeutscht u. ergänzt von Friedrich

S. Krause und Karl Reiskel. Preis gebunden M. 30 —

Band II. Das Geschlechtsleben in Glauben, Sitte und Brauch

der Japaner von Dr. Friedrich S. Krauss. Preis gebunden M. 30 —

Ausführliche Prospekte über obige drei Werke liegen diesem Bande bei.

Dem IV. Bande der Anthropophyteia liegen bei:

1. Ein Prospekt der Firma A. Stubers Verlag (Curt Kabitzsch), Würz-
burg, über Sexualpsychologische Studien von Havelock Ellis etc.

2. Ein Prospekt der Firma Hermann Barsdorf, Verlagsbuchhandlung
Berlin W. 30, Landshuter Str. 2.

3. Ein Prospekt der „The Gypsy Lore Society in Liverpool 6 Hope Place.

4. Ein Prospekt der Firma Georg Müller, Verlag, in München.

5. Verschiedene Verlagsprospekte der Deutschen Verlagsactiengesell-
schaft Leipzig.



I. Tafel.

Dr. Mitrovic: Die Zeitehe in Norddalmatien

Ein Mädchen mit dem Gjendar auf dem Zeitehemarkte.



II. Tafel.

Dr. Mitrovic; Die Zeitehe in Norddalmatien.

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Frauen in Norddalmatien auf dem Zeitehemarkte.
Die mittlere unter den fünf im Vordergrunde eine Witib.



III. Tafel.

Hugo Ernst Luedecke: Erotische Tätowierungen.

Der „Fakir" Hugo Schm.



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V. Tafel.

Hugo Ernst Luedecke: Erotische Tätowierungen.



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